Diplomarbeit Dankbarkeit Ein Beziehungsgeschehen zwischen ...
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Dankbarkeit Ein Beziehungsgeschehen zwischen
Heiligen Texten und Erfahrung des Glaubens
DIPLOMARBEIT zur Erlangung des akademischen Grades eines Magisters der Philosophie
eingereicht von
Simone Katharina Kraßnitzer
bei Univ.-Prof. Dr. theol. Dr.phil. Guanzini Isabella
Institut für Fundamentaltheologie Katholisch-Theologische Fakultät Karl-Franzens-Universität Graz
Graz, August 2019
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Ehrenwörtliche Erklärung
Ich, Simone Katharina Kraßnitzer, erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit
selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht
benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche
kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner
anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht
veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version.
Graz, am ________________________________________
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Danksagung
Was wäre eine Diplomarbeit, die sich dem Thema Dankbarkeit widmet, ohne eine
Danksagung? Sie wäre wohl nicht glaubwürdig. Ich möchte an dieser Stelle nicht nur aus
formalen Gründen Danke sagen, sondern auch, da es mir am Herzen liegt, all den Menschen
Dank auszusprechen, die mich auf den Weg meines Studiums und darüber hinaus begleitet
haben und es immer noch tun. An erster Stelle möchte ich mich bei meiner Betreuerin Isabella
Guanzini bedanken, die mich auf die Idee gebracht hat, mein Herzensthema zu einer
Diplomarbeit zu machen. Damit hat sich für mich eine ganz neue Welt eröffnet. Besonderer
Dank gilt auch Isabella Bruckner, die mich mit ihren kritischen Anmerkungen und
Vorschlägen zum Nachdenken angeregt und somit veranlasst hat, dass meine Arbeit weit über
das Geschriebene hinaus wirken kann.
Meinen Eltern, Martina und Elmar, sage ich danke, dass sie mir ermöglichen in der
heutigen Zeit, meinen eigenen Bildungsweg einzuschlagen und mich unterstützen. Für mich
ist es das größte Geschenk eine Familie zu haben, die hinter mir steht. Meinem Freund
Klemens, mit dem ich über meine Anliegen, Sorgen und Ängste im Leben austauschen kann,
will ich besonders danken.
Jedem/jeder meiner Freunde/innen, mit denen ich im Gespräch bin, die mir eine Stütze
sind und die mir besonders Dankbarkeit gelehrt haben, möchte ich danken: Anna, die das
Leben in wahrer Dankbarkeit lebt; Agnes, der besten Nachbarin, die man sich vorstellen kann;
Matthäus, dem kritischen und besten Reisekollegen; Laura-Beatrice, der Schokoladenfee;
Fefi, der Weltenbummlerin; Connie, der Mutmacherin; Teresa, mit der ich über Gott und die
Welt sprechen kann; Katharina, mit dem riesigen Herzen und besonders auch meinen drei
Kollegen (und Freunden) auf der Uni, mit denen ich so manches durchgestanden habe
Thomas, Magda und Josef.
Bedanken möchte ich mich noch bei allen, die es mir ermöglicht haben, den
Forschungsaufenthalt im Iran machen zu können: Herrn Winter, der mich mit Kontakten
unterstützt hat, Herrn Salehi im Iran, der immer gewusst hat, welche Dokumente ich brauche,
meiner „persischen Mama“ Arefeh, die nicht müde wurde, mir die iranische Welt zu erklären
und allen, die sich dazu bereit erklärten, mit mir ein Interview zu machen. Alle, die ich nicht
in dieser Danksagung erwähnen kann und die mich auf meinem Lebensweg begleiten, spreche
ich an dieser Stelle ein riesiges DANKESCHÖN von Herzen aus.
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Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung .................................................................................................................................................. 6
2 Dank ist nicht gleich Dank – Eine Etymologie der Dankbarkeit ....................................................... 10
2.1 Die germanischen Wurzeln des Dankes: Danken kommt vom Denken .......................................... 10
2.2 Die romanischen Wurzeln des Dankens als ein Akt der Gnade ...................................................... 11
2.3 Dank in den biblischen Sprachen ................................................................................................... 12 2.3.1 Dank im (Alt-)Hebräischen ........................................................................................................ 12 2.3.2 Dank im Bibelgriechischen ........................................................................................................ 15 2.3.3 Dank im Arabischen des Korans ................................................................................................ 16
3 Dankbarkeit im Alten Testament .......................................................................................................... 20
3.1 Dankbarkeit gegenüber anderen Personen .................................................................................... 20
3.2 Dankbarkeit gegenüber Gott stiftet Beziehung ............................................................................... 21
3.3 Das Buch der Psalmen als Quelle der Dankbarkeit im Alten Testament ........................................ 22 3.3.1 Klage und Lob als Ausdruck eines Kommunikationsakts zu Gott ............................................ 23
3.4 Der Dank auf horizontaler Ebene im Alten Testament: Psalm 30 als Dank(-sagung) an Gott ...... 25 3.4.1 Der Psalm und sein Inhalt .......................................................................................................... 26 3.4.2 Die formale Analyse des Psalms 30 ........................................................................................... 28 3.4.3 Ein „Oben“ und ein „Unten“ – Die sprachlichen Bilder der Dankbarkeit in Psalm 30 ............. 28 3.4.4. Freude als Ausdruck der wahren Dankbarkeit in Psalm 30 .................................................. 30
4 Dankbarkeit im Neuen Testament ........................................................................................................ 35
4.1 Dankbarkeit bei Lukas 17, 11-19: Das Gleichnis des dankbaren Samariters ................................ 35 4.1.1 Gliederung und Aufbau von Lk 17, 11-19 ................................................................................. 36 4.1.2 Inhalt der Perikope ..................................................................................................................... 37
4.2 Die verschiedenen Facetten der Dankbarkeit im Gleichnis des dankbaren Samariters ................ 38 4.2.1 Danken als Form des Glaubens im Lukasevangelium ............................................................... 38 4.2.2 Dankbarkeit als ein dialogischer Vollzug ................................................................................... 40 4.2.3 Dankbarkeit als eine Form des Lobens ...................................................................................... 41 4.2.4 Der Samariter als Vorbild des Christusglaubens durch seine Dankbarkeit ................................ 42
4.3 Dankbarkeit in der paulinischen Briefliteratur .............................................................................. 43 4.3.1 Horizontale Dankbarkeit als Ausdruck des vertikalen Beziehungsverhältnisses zu Gott .......... 44 4.3.2 Dankbarkeit im Philipperbrief ................................................................................................... 45
5 Dankbarkeit im Koran ........................................................................................................................... 53
5
5.1 Dankbarkeit als Tugend im Koran .................................................................................................. 53
5.2 Zwischenmenschliche Dankbarkeit: Dankbarkeit den Eltern gegenüber ....................................... 57
5.3 Immanenter Dank zu den Mitmenschen richtet sich auf transzendenten Dank zu Gott ................. 58
5.4 Dankbarkeit Gott gegenüber .......................................................................................................... 59
5.5 Wege der Dankbarkeit im Koran .................................................................................................... 61
5.6 Das Gebet als Ausdruck von Dank und ein Ort der Gottesbegegnung im Koran .......................... 64
5.7 Dankbarkeit als reziprokes Beziehungsverhältnis zwischen Gott und Mensch .............................. 66
5.8 Dankbarkeit als Synonym für den Glauben .................................................................................... 68
6 Dankbarkeit zwischen Kultur, Gefühl und Kommunikation – ein Vergleich der Heiligen Schriften
71
6.1 Die Ich-Du-Beziehung bei Martin Buber als „Dialogisches-Prinzip“ .......................................... 73 6.1.1 Das Grundwort Ich-Es ............................................................................................................... 77 6.1.2 Das Grundwort Ich-Du .............................................................................................................. 79 6.1.3 Liebe als das Wesen der Beziehung bei Martin Buber .............................................................. 81 6.1.4 Der Geist als Antwort des Ichs ................................................................................................... 83
6.2 Das Wesen des „echten Gesprächs“ ............................................................................................... 84
6.3 Die Eröffnung eines Raumes der Gottesbegegnung ....................................................................... 85
7 Dankbarkeit als wahres Gespräch ........................................................................................................ 90
7.1 Liebe als das Zwischen in einem Dankesakt ................................................................................... 92
7.2 Dankbarkeit als Ort der Gottesbegegnung ..................................................................................... 93
7.3 Dankbarkeit als Ursprung des Glaubens ....................................................................................... 96
7.4 Darstellung der Dankbarkeit in den Heiligen Schriften als Ort der Gottesbegegnung und
Ursprung des Glaubens ..................................................................................................................................... 99
7.5 Die vergessene Dankbarkeit ......................................................................................................... 100
8 Zusammenfassung und Ausblick ........................................................................................................ 103
9 Literaturverzeichnis ............................................................................................................................. 105
9.1 Bibel- und Koranübersetzungen ................................................................................................... 105
9.2 Primärliteratur ............................................................................................................................. 105
9.3 Sekundärliteratur .......................................................................................................................... 106
9.4 Onlineressourcen .......................................................................................................................... 116
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1 Einleitung
Die Menschen vergessen, was du sagst und was du tust.
Aber wie sie sich in deiner Gegenwart gefühlt haben,
vergessen sie nie.1
(Maya Angelou)
Als ich dieses Zitat von Maya Angelou im Zuge der Abfassung der Diplomarbeit gelesen
habe, wurde mir bewusst, welche wertvolle Rolle Dankbarkeit spielt. Der Akt der Dankbarkeit
geht weit über das gesprochene Wort hinaus – er stiftet Beziehung und die damit verbundenen
Gefühle können tief in das Innere des Menschen eintreten. Gerade in der heutigen Zeit der
Erschöpfung, Beschleunigung und Individualisierung2 in westlich geprägten Kreisen, kann
Dankbarkeit als ein Ort verstanden werden, wo zwischenmenschliche Begegnungen
stattfinden. Ein Ort, an dem das Ich erfährt, dass es nicht alles alleine schafft und das Du, das
Gegenüber, regelrecht „braucht“. Dieses aus Dankbarkeit resultierende
Abhängigkeitsverhältnis ist humaner Art und beschreibt dessen Wesen. Aber das Brauchen ist
nicht negativ, sondern zeigt dem Menschen, welche Geschenke er von dem Du erhalten und
welchen besonderen Stellenwert das Du im Leben für das Ich hat.
Anfänglich stellte ich mir vielerlei Fragen, die mein Ich sowie mein Gegenüber wohl
gleichermaßen betreffen: Kann Dankbarkeit ein Ort der Begegnung und Beziehung sein, in
der der Mensch anderen, einem Anderen und vielleicht Gott selbst begegnen kann? Könnte so
ein wahrer Dia-log statt eines einsamen Mono-loges stattfinden? Kann Dankbarkeit als eine
Ressource in der heutigen schnelllebigen Zeit3 gelten? Kann sie als verbindendes Glied im
interreligiösen Kontext gesehen werden?
Als ich mich meiner Recherche zuwandte, erkannte ich schon bald, dass Dankbarkeit als
theologische Kategorie in der Forschung im deutschsprachigen Raum zurzeit noch wenig
Achtung geschenkt wird. Theologisch-spirituell hat sich diesem Thema David Steindl-Rast4
zugewandt und initiierte eine Reihe an Diskussionen. Er stellt die Dankbarkeit in die Trias
von Glaube-Liebe-Hoffnung und verbindet sie mit Worten der Bibel.
1 Maya Angelou, in: https://gutezitate.com/zitat/231987 [abgerufen am 03. August 2019]. 2 Vgl. dazu: Byung-Chul Han: Müdigkeitsgesselschaft. Burnoutgesellschaft.Hoch-Zeit, Berlin: Matthes & Seitz 2010 oder Hartmut Rosa: Alienation and Acceleration. Towards a Critical Theory of Late-Modern Temporality, Malmö/Arhus: Aarhus University Press 2010 (Summertalk 3). 3 Vgl. dazu: Harmut Rosa: Resonanz. Eine Soziologie der Weltenbeziehung, Berlin: Suhrkamp 32018. 4 David Steindl-Rast: Dankbarkeit. Das Herz allen Betens, Freiburg/Basel/Wien: Herder 2018.
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Primär wird Dankbarkeit in anderen Disziplinen, wie der Psychologie5 und der Philosophie6,
primär unter dem Aspekt der Tugenden betrachtet. Vor allem in der Psychologie ist die
Dankbarkeit ein wesentlicher Forschungsschwerpunkt. Es wurde erkannt, dass Dankbarkeit
eine allumfassende Grunderfahrung des Menschen ist, die wesentliche Auswirkungen auf
dessen psychische Gesundheit hat: Dankbarkeit schließt als ein positives Gefühl negative aus
und richtet den eigenen Blick neu aus.
Darüber hinaus gibt es eine Reihe an Aufsätzen, die das Phänomen als ein tief
metaphysisches erläutern. Sie behandeln Dankbarkeit in Form der Theorie der Gabe7, die
ihren Ausgangspunkt in der französischen Philosophie und Soziologie hatte und dort in den
letzten Jahrzehnten diskutiert wurde. Sie hat sich als Tool etabliert, das die Gabe selbst und
deren metaphysische Wechselwirkung und Beziehungsverhältnis beschreibt. Erst seit der
Jahrhundertwende werden wesentlichen Aspekten von Emotionen, Affekten und Gefühlen, zu
denen Dankbarkeit gezählt wird, auch in die Bibelwissenschaften integriert.8
Im englischsprachigen Raum hingegen wird sich über die Erforschung der eigenen
Wurzeln an das Phänomen der Dankbarkeit angenähert. Das Augenmerk liegt vorwiegend auf
der paulinischen Theologie.9 Selten wird versucht über das Konzept Religion Dankbarkeit zu
erarbeiten. Das Phänomen Dankbarkeit spielt allerdings für die Theo-logie als Rede über
Gott, eine wichtige Rolle, wenn sie in einer umfassenden Form gelesen wird.
Auch englischsprachige Autoren und Autorinnen befassen sich mit der Dankbarkeit im
Koran und der spirituellen Tradition vor allem im Sufismus.10 Auch der Islam hat sich im
Gegensatz zu den vorgestellten wesentlichen Forschungen bereits länger mit Dankbarkeit
auseinandergesetzt. Dankbarkeit ist essentielles Merkmal des Glaubens und im Koran und
dessen Exegese tief verankert. Sie gilt als erstes Argument, an den einen Gott zu glauben. Vor
5 Vgl. Meredith Gaston: Mit Dankbarkeit beginnt das Glück, München: GU 2018; Robert Emmons: Vom Glück, dankbar zu sein. Eine Anleitung für den Alltag, Frankfurt/New York: Campus 2008. 6 Vgl. Josef Seifert (Hg.): Danken und Dankbarkeit. Eine universale Dimension des Menschseins, Heidelberg: Carl Winter 1992 (Philosophische und Realistische Phänomenologie 1). 7 Vgl. Marcel Mauss: Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften, Berlin: Suhrkamp 1990 (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft) und Marcel Hénaff: Die Gabe der Philosophen. Gegenseitigkeit neu denken, Bielefeld: Transcript 2014 (Sozialphilosophische Studien 8). 8Vgl. Sigrid Eder: Identifikationspotenziale in den Psalmen. Emotionen, Metaphern und Textdynamik in den Psalmen 30, 64, 90 und 147, Göttingen: V & R 2018 (Bonner Biblische Beiträge 183) und online in: https://www.vr-elibrary.de/doi/book/10.14220/9783737006842 [abgerufen am 09. August 2019]. 9 Vgl. Paul Schubert: Form and Function of the Pauline Thanksgiving, Berlin: Töpelmann 1939 (Beihefte zur Zeitschrift für die Neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche 20) und Kenneth Wilson: The theological roots of christain gratitude, Hampshire: Palgrave Macmillan 2015. 10 Vgl. Mohammad Ali Shomali: Key Concepts in Islamic Spirituality: Love, Thankfulness and Humbleness, in: Ahlul Bayt World Assembly 11 (2010/2), in: https://www.al-islam.org/message-thaqalayn/vol11-n2-2010/key-concepts-islamic-spirituality-love-tha nkfulness-and-humbleness [abgerufen am 09. August2019].
8
allem in der arabischen und persischen Literatur wird Dankbarkeit auf vertikaler und
horizontaler Ebene beschrieben.
So different der Forschungsstand zur Dankbarkeit ist, ist wohl auch ihre kulturelle
Ausprägung. In unterschiedlichen Kulturen wird sie verschieden charakterisiert und von
verschiedenen Denk- und Handlungsweisen geprägt. Als theologische Kategorie lässt sie sich
aber allgemein als ein Beziehungsverhältnis zwischen dem Menschen und Gott darstellen.
Daher soll sich diese Arbeit durch eine vorangestellte Exegese der Heiligen Texte über die
verschiedenen Ausdrucksweisen von Dankbarkeit in den Heiligen Schriften der drei
abrahamitischen (monotheistischen) Religionen an das Thema annähern. Das Ziel dieser
Diplomarbeit ist es, eine interreligiöse Verbindung aller Heiligen Schriften und deren
Erfahrungswerte als ein dialogisches Beziehungsgeschehen zu erläutern und Dankbarkeit als
einen locus theologicus zu beschreiben, in dem Gottesbegegnung stattfinden kann und aus
dem (persönlichen) Glaube entspringen könnte.
Im ersten Kapitel wird das Phänomen Dankbarkeit im Rahmen einer
sprachphilosophischen Analyse bearbeitet. Diese Analyse beginnt bei den germanischen und
romanischen Sprachen, danach widmet sie sich den Sprachen des Alt-Hebräischen und des
Bibelgriechischen bis hin zum Arabischen des Korans. Diese Annäherung soll Ausgangspunkt
für das Verständnis des Begriffs Dankbarkeit sein.
Der Schwerpunkt des nächsten Abschnitts der Diplomarbeit liegt auf den Heiligen
Schriften der abrahamitischen Religionen. In diesem Teil wird der Psalm 30 aus dem Alten
Testament, die Bibelstelle Lukas 17, 11-19 aus dem Neuen Testament und der Philipperbrief,
der zu den Paulusbriefen zählt, vorgestellt, um das neutestamentliche Verständnis der
Dankbarkeit zu erläutern und ein jüdisch-christliches Verständnis der Dankbarkeit
nachvollziehen zu können. Aus dem Koran wurden verschiedene Verse aus unterschiedlichen
Suren verwendet, die den Schwerpunkt auf Dankbarkeit auf horizontaler und vertikaler Ebene
legen. Alle ausgewählten Texte werden zuerst einer Exegese unterzogen. Besondere
Merkmale in Bezug auf die Darstellung von Dankbarkeit werden ausgearbeitet und erläutert.
Wie bereits erwähnt, wird sich über die Heiligen Schriften an Dankbarkeit angenähert, da
sie ihren wesentlichen Merkmalen nach ein dialogisches Beziehungsverhältnis zwischen Gott
und dem Menschen aufzeigen. In der Art und Weise ihrer Abfassung unterscheiden sie sich
jedoch voneinander und können so im Kontext unterschiedlicher Kulturen betrachtet werden.
Die einzelnen Texte sollen so gut es möglich ist, in ihrem Zusammenhang erklärt und mit
9
Dankbarkeit in Verbindung gebracht werden. Durch die Analyse von wenigen Ausschnitten
kann sich einem umfassenden Verständnis der Kategorie nur ansatzweise angenähert werden.
Nach der Exegese werden die jeweiligen Heiligen Schriften verglichen. Dabei möchte
versucht werden, Dankbarkeit als ein dialogisches Geschehen zwischen dem Ich und dem Du
nach Martin Bubers „Dialogischen Prinzips“ zu erläutern. Wesentliche Aspekte der
Dankbarkeit sollen so als ein dialogisches Beziehungsverhältnis in den Heiligen Schriften
erläutert werden. Dieses Kapitel soll zeigen, wie Dankbarkeit als ein möglicher Ort der
Gottesbegegnung und darüber hinaus als ein locus theologicus, in dem Glaube entstehen
könnte, verstanden werden kann.
Abschließend folgt eine Zusammenfassung, die auch Ausblick auf einen Entwurf einer
Theologie der Dankbarkeit und Erfahrung in einem interreligiösen Zusammenhang als ein
verbindendes, persönliches Element des Glaubens bieten soll.
In der Arbeit wird aufgrund der gemeinsamen Wurzeln der abrahamitischen Religionen
JHWH, Herr, Allah etc. unter der Verwendung des Begriffs „Gott“ zusammengefasst. So soll
eine Form von sprachlicher Inklusion versucht werden, die darauf aufmerksam macht, dass
der eine Gott das verbindende Glied der so unterschiedlichen Religionen ist.
10
2 Dank ist nicht gleich Dank – Eine Etymologie der
Dankbarkeit
Sprache kann das Denken der Menschen widerspiegeln – darum wird an dieser Stelle
versucht, die Verwendung der Begriffe „Dank“ und „Dankbarkeit“ nachzuzeichnen. Es soll
nachvollziehbar gemacht werden, wie der Begriff Dankbarkeit in den unterschiedlichen
Sprachen Verwendung findet und von Philosophen different aufgefasst und diskutiert wird.
Zuerst wird das Deutsche, dann die romanischen Sprachen unter besonderer Berücksichtigung
des Lateinischen beschrieben. Dabei wird deutlich, dass sich in einem Definierungsversuch
des Begriffs Dankbarkeit in diesen Sprachen unterschiedliche Konnotationen feststellen
lassen, die sich gegenseitig ergänzen, um den Akt der Dankbarkeit, seine
Begleiterscheinungen und Auswirkungen allumfassend erläutern zu können.
Nach dem Definitionsversuch von Dankbarkeit in den romanischen Sprachen werden die
Sprachen der Heiligen Texte des Judentums, Christentums und Islams betrachtet, da diese für
eine Exegese der Schriftstellen von Bedeutung sind. Dadurch wird klar werden, dass die
Etymologie bereits sehr viel über den Akt der Dankbarkeit verraten kann und die Verwendung
der Begriffe auf verschiedene Umstände verweisen. Darüber hinaus soll verständlich gemacht
werden, wie mannigfaltig verschiedene Sprach-Bilder, die als Akt des Dankes, als
Dankesgesten gesehen werden können, sind und wie sie sich in den unterschiedlichen
Denkarten von Religion und Kultur sichtbar machen lassen.
2.1 Die germanischen Wurzeln des Dankes: Danken kommt vom Denken
Im Deutschen kommt das Wort „Danken“ erst in einer Sekundärbildung des Wortes „Denken“
zum Vorschein. Ebenso verhält es sich im Englischen, wenn man die Wörter „Thank“ und
„Think“ miteinander vergleicht. Was diese Herausbildung besonders macht, ist die Bedeutung
des Akts der Dankbarkeit, die durch diese Etymologie hervorgehoben werden kann. Denn
Danken heißt im Ersten, sich einer Sache rückwirkend annehmen/gedenken, also „an das
denken, was eine Person mir zuvor getan hat“. Das heißt, es ist eine Rückbesinnung auf bzw.
das Denken an „eine empfangene Wohltat“11 und somit reflexiv auf ein Vergangenes bezogen.
11 Friedrich Kluge: Art. Dank, in: ders.: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Berlin: de Gruyter 242002, S. 202.
11
Es ist also schon eine Erkenntnisbemühung und Zuwendung zur anderen Person in dieser
Definition miteinbegriffen.
Sucht man in neueren Wörterbüchern, wie dem Duden, nach einer Definition des Wortes
Dank (m), wird dieser hier als ein „Gefühl der Verpflichtung, Erkenntlichkeit“12 beschrieben.
Die Worterklärung im Duden fügt auch noch den Ausdruck einer Anerkennung sowie das
Verpflichtet-Sein aufgrund eines Guten, das empfangen wurde, hinzu.13 Im Deutschen lässt
sich demnach erkennen, dass es um zwei wichtige Dinge geht: Erstens bezeichnet „Dank“ ein
Gefühl; zweitens eine Gabe, die eine Verpflichtung darstellt. Daraus lässt sich schließen, dass
es sich um eine natürliche Disposition zu einem angeborenen Gefühl im Inneren, aber auch
um ein ethisches Moment handeln kann, welche beide im Kontext eines Geschenkes, einer
Gabe auftauchen und eng mit einem Tauschgeschäft verbunden werden können.
2.2 Die romanischen Wurzeln des Dankens als ein Akt der Gnade
In den romanischen Sprachen verhält es sich etwas anders als im Deutschen. Dankbarkeit
bezieht sich vor allem auf die Gabe selbst, wie etwa bei „Gracias“ (Spanisch) und „Grazie“
(Italienisch) 14 sichtbar wird. Die Begriffe lassen sich zum lateinischen „gratia“
zurückverfolgen, das so viel wie Geschenk oder Gnade bedeutet.
Seneca und Cicero arbeiten mit diesem Begriffsverständnis. So spricht Cicero von
„gratiam referre“ und sagt etwa: „nullum enim officium referenda gratia magis necessarium
est.“15 „Gratia“ heißt hier: „einen Dienst kostenlos und ohne Gegenleistung erweisen.“16
Dieser „gratis“ geleistete Dienst löst etwas aus, das wir Dankbarkeit nennen. Der Dienst, der
keine Gegenleistung fordert, zeigt sich auch in den Begriffen „Gunst“ und „Dankbarkeit“.
Dabei können diese sowohl der/die Gebende als auch der/die Empfangende empfinden.17
Dieser Begriff zeigt ein reziprokes Verhältnis, das sich in einer sozialen und auf Gott
bezogenen Kommunikation abspielen kann: Ein Handlungsakt löst ein Gefühl aus und das
Gefühl weckt ein Verhaltensmuster im Gegenüber. Diese Haltung, die mit dem
Verhaltensmuster einhergeht, wird als eine Form der benevolentia beschrieben. Auf dieselbe
12 Duden: Art. Dank, online: https://www.duden.de/rechtschreibung/Dank [abgerufen am 31. März 2019]. 13 Ebd. 14 Auch der verwandte Begriff des Englischen „gratitude“ lässt sich davon ableiten. 15 Cicero: De officis I, 15, 47. 16 Übersetzung wurde von der Autorin durchgeführt. 17Vgl. Bernd Janowski: Dankbarkeit. Ein anthropologischer Grundbegriff im Spiegel der Toda-Psalmen, in: Zenger Erich: Ritual und Poesie: Formen und Orte religiöser Dichtung im Alten Orient, im Judentum und im Christentum, Freiburg/Basel/Wien u. a.: Herder 2003 (Herders biblische Studien 36), S. 91-136, hier: S. 93, siehe Fußnote 9.
12
bezieht sich Seneca, wenn er schreibt „amoris et amicitiae pars“. Er sieht das als Teil seiner
Arbeit „De beneficiis“. Dabei betont der Philosoph, dass es auf eine Gesinnung (animus) und
auf die Willensintention ankommt.18
Eine besondere Bedeutung kommt darüber hinaus im Lateinischen noch dem Ausdruck
„gratias agere“ zu, es wird hier das Verhalten gegenüber dem anderen erläutert, denn im
Danken wird dem anderen etwas angetan. Man agiert.
Im Französischen ist der Begriff anders konnotiert. „Reconnaissance“ lässt darauf
schließen, dass jedem Dank ein Erkennen vorausgeht. Die Erkenntnis ist eine Art kognitives
Band zwischen den beiden Mitspielern/Mitspielerinnen. Dieses Band ist in dreifacher, sehr
komplexer, Weise ersichtlich, wie es der Philosoph Balduin Schwarz erläutert: 19 Der/die
andere hat erkannt, dass jemand Hilfe braucht oder würdig ist, beschenkt zu werden. Er/sie
hat entsprechend gehandelt, er/sie hilft, hat beschenkt. Man hat die Intention erkannt und nur
die Tat an sich gesehen. Im Vordergrund steht die Überzeugung, die Intention des anderen
vollends erkannt zu haben. Dadurch bekommt auch das Gegenüber Anerkennung, die sich im
Danken äußert. Der Dank wird wiederum vom Gegenüber anerkannt.
Darüber hinaus lässt sich das „Merci“ im Französischen anders verstehen als das deutsche
„Danke“. Im Wort „Merci“ steckt das Wort „misericordia“, das sich als Anerkenntnis
verstehen lässt. Daraus lässt sich schließen, dass das Gegenüber überspitzt als „arm“
anerkannt wurde, dem man sich zuwendet. Hier stehen Vertrauen und Beziehung im
Vordergrund eines Dankesakts.
2.3 Dank in den biblischen Sprachen
In der Bibel gab es anfänglich kein separates Wort für Dankbarkeit/Danken, das mit dem
Deutschen „Danken“ gleichzusetzen ist. Eher haben dem Begriff der Dankbarkeit am
nächsten kommende Wörter die Bedeutung des Deutschen ausgemacht, die in der heutigen
Übersetzung die Bedeutung des Lobens und Preisens haben.
2.3.1 Dank im (Alt-)Hebräischen
Im (Alt-)Hebräischen gibt es keinerlei Wortstamm, den man mit dem deutschen „Dank“
übersetzen könnte. Das (Alt-)Hebräische ist aber nicht die einzige Sprache, die kein Wort für
18 Vgl. Hans Reiner: Art. Dankbarkeit, in: Joachim Ritter (Hg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie, Basel/Stuttgart: Schwabe & Co 1980, S. 9-11. 19Vgl. Balduin Schwarz: Der Dank als Gesinnung und Tat, in: Josef Seifert: Danken und Dankbarkeit, S. 16f.
13
das deutsche „Danken“ kennt. Der Bibelexeget Carl Westermann schreibt, dass in keiner
„primitiven Sprache“ das Wort „danken“ vorhanden sei. 20 Er ist der Ansicht, dass die
Handlung der Dankbarkeit als zu komplex in diesen Formen der Sprachen gelten, dass sie
einen expliziten Ausdruck auch in dieser finden können. Vielfach hat sich das Wort erst durch
eine Sekundärbildung entwickelt, wie es auch im Deutschen der Fall ist und bereits erläutert
wurde.
Am nächsten kommt der Dankbarkeit im Hebräischen das Verb „jdh“ und dessen
abgeleitetes Substantiv „toda“, das in seiner Grundbedeutung im Deutschen mit
„loben/preisen“ bzw. „Lob/Preis“ übersetzt wird.21 Daraus lässt sich das Lob- und Dankopfer
ableiten.22 Das Loben ist also im Hebräischen stark mit dem Dank verbunden und wird vor
allem in einer Beziehung zu Gott verwendet. Es hat etwas mit den Heils- und Rettungstaten
Gottes und deren Gegengabe zu tun. Dankbarkeit gegenüber Personen spielt keine zentrale
Rolle im Alten Israel.
Das hebräische Verb „toda“ für loben/preisen wird vorwiegend im hi.-Stamm verwendet;
wenn das Verb im Hitpael steht, wird ein Bekenntnis gegenüber jemandem ausgedrückt. Das
Objekt des Lobpreises macht den Unterschied in der Verwendung der Stämme aus. Das Verb
„loben“ stellt die Antwort auf ein Seiendes dar, während „loben“ im hi-Stamm eine Lob- und
Preishandlung meint und dementsprechend aktiver und dynamischer gestaltet wird.23
Was die beiden verbindet, so meint der Bibelexeget Carl Westermann, und auch eine
Übersetzung des „toda“ ins Deutsche mit „Danken“ rechtfertigt, ist die Unterordnung von
Dank unter Lob. Das bedeutet nach seiner Meinung, dass der Dank in einem Wortfeld eine
untergeordnete Rolle spielt, jedoch Teil des Lobpreises darstellt. Carl Westermann stellt in
seiner Monografie über die Dankespsalme verschiedene Merkmale auf, die den Unterschied
zwischen Lob und Dank deutlich machen sollen.24 Zugleich zeigt er, welche Verbindung es
zwischen Lob und Dank gibt:25 Das Lob ist im Gegenzug zum Dank spontan und muss
freiwillig geschehen. Das heißt, es kann niemals als eine Pflicht gesehen werden, wohingegen
der Dank, auch weil er dem Menschen angelernt wurde, als etwas verstanden werden kann,
20 Vgl. Carl Westermann: Ausgewählte Psalmen, Göttingen: V & R 1984, S. 122 und ders.: ללה hll pi. loben, in: THAT 4 1 (1984), S. 493-502 und ders.: הדי jdh hi. preisen, in: THAT 4 1 (1984), S. 674-682. 21 Aber auch wie aus der etymologischen Herleitung des Deutschen die primäre Bedeutung „bekennen“ besitzt. 22 Vgl. dazu die Bibelstellen Lev 7,12; 22,29 sowie Ps 50,14. 23 Westermann, Ausgewählte Psalmen, S. 122f. 24 Diese Beschreibungen sollen die Unterschiede zwischen Lob und Dank im Deutschen festmachen, damit man die Unterschiede auch mit dem Hebräischen „toda“ vergleichen kann und mögliche Schwierigkeiten im Versetzungsversuch des Deutschen vom Hebräischen erkennen kann. 25 Carl Westermann: Lob und Klage in den Psalmen, Göttingen: V & R 51977, S. 22f.
14
das getan werden muss. Im Loben kann der Gelobte (zum Beispiel Gott) erhöht werden. Im
Danken bleibt der/die Bedankte an seiner/ihrer Stelle. Ein weiteres Merkmal des Lobens ist
die Freude, das Danken hingegen kann oft einfach nur eingefordert werden. Weiters lässt es
sich sprachlich vor allem in Sätzen ausdrücken, in denen der Dankende das Subjekt ist: „Ich
danke dir, dass…“ und kann auch in kurzen Vokabeln wie das: Danke, Merci, Thanks etc.
ausgesagt werden. Das spontane Lob wird in einem Satz geäußert, in dem Gott selbst das
Subjekt darstellt: „du hast…; du bist…“. Als letztes Charakteristikum der Unterscheidung von
Lob und Dank ist an die gesellschaftliche Relevanz von Lob und Dankbarkeit gebunden:
Dankbarkeit ist ein privater Akt. Das heißt, dass Dankbarkeit ein subjektives Gefühl ist, das
gegenüber einer Einzelperson empfunden werden kann. Lob möchte im Gegensatz dazu von
anderen gehört werden (vgl. Ps 30).
In diesem Abschnitt soll beschrieben werden, wie Dankbarkeit mit Verherrlichung
verbunden werden kann und eng an eine Gotteserkenntnis gebunden wird. Augustinus Karl
Wucherer-Huldenfeld beschreibt in seiner Monografie das Verhältnis zwischen dem
hebräischen „toda“, dem greichischen „doxa“ und dem deutschen „Dank“. 26 Jemanden
verherrlichen, so schreibt er, heißt, ihm/ihr Ehre zu geben oder ihn/sie zu rühmen. Es
bedeutet, ihn gemäß dem, was er/sie eigentlich ist, in den Mittelpunkt zu stellen, und in dem,
was er/sie ist, hervortreten zu lassen. Der Dank stellt dabei das Wesen dieser Verherrlichung,
dieses Rühmens dar. Der Mensch geht auf das Empfangene ein, das er dem Gegenüber
verdankt. Dankt der Mensch, dann erfährt er die Kraft der Vergegenwärtigung des
Geschenkcharakters des Gegebenen. Im Dank öffnet sich der Mensch für die Präsenz des
Gebers, des Beschenkenden und lobt ihn. Deshalb gehört der Dank zum Anfang der
Gotteserkenntnis. Der Erkenntnis, dass alle Gabe von Gott, dem Schöpfer, selbst kommt. Gott
zu verherrlichen, also zu danken, ist für die Gotteserkenntnis nichts Äußerliches, sondern
findet im Herzen, im Inneren des Menschen statt.27 In Verherrlichung lassen wir Gott in
seinem Wesen als Schöpfer hervortreten. Es ist, wie Heinrich Schlier sagt:
(…) die Weise, wie Gott als Schöpfer erkannt und in der Erkenntnis gehalten wird. In dem, dass der Mensch Gott sein Ansehen schenkt und ihm dankt, äußert und verwahrt sich das Erkennen Gottes. Das Andenken des wahr- nehmenden Denkens, von dem Paulus vorher sprach, versammelt sich in der An- dacht der Anerkennung Gottes als des Schöpfers. Diese An-dacht erweist sich im Danken. Die
26 Augustinus K. Wucherer-Huldenfeld: Philosophische Theologie im Umbruch. Wider den ungöttlichen Gott. Die Infragestellung philosophischer Theologie durch Fideismus und Atheismus, Bd. 2, Wien/Köln/Weimar: Böhlau 2014, S. 213-215. 27 Vgl. ebd., S. 214.
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ursprüngliche Gotteserkenntnis ist letztlich in dem Dank beheimatet, in dem sich das Geschöpf dem Schöpfer verdankt. Ihr Andenken ist das des Dankes. Dank ist das Verbalnomen zu denken!28
Im Gegensatz steht der Undank aus dem Nichtansehen von Gott, der Schöpfer. Verherrlichung
und Anerkennung sind dahingehend Synonyme für Dank, sofern der Mensch dem Schöpfer
dankbar gegenübertritt. Im Dank eröffnet sich ein Raum der Erfahrung, der Gott als den
schenkenden und Ursprung des Lebens in den Mittelpunkt rückt.
Trotz dieser Unterscheidungen handelt es sich im Deutschen um Übersetzungen, die von
westlicher Gesellschaft und ihrer subjektbezogenen Gesinnung geprägt sind. Dankbarkeit ist
letztlich im Hebräischen in der menschlichen Existenz verankert und immer auf Gott bezogen,
wie sich in verschiedenen Wortbeständen im Alten Testament erkennen lässt.
2.3.2 Dank im Bibelgriechischen
Wie im Hebräischen fehlt im Griechischen bis zur Entstehung der Evangelien ein Wort, um
Dankbarkeit ausdrücken zu können; erst später entwickelte man den Begriff „Efcharisto“, der
aus dem Wortstamm „charis“ abgeleitet wird. Der Begriff bezeichnet ein Gefühl der Freude,
„Dank“ und die „frei geschenkte Freundlichkeit“ oder „Huld“.29
Das Griechische versteckt in diesem Begriff eine Tugend und Forderung: Einem
Geber/einer Geberin gegenüber dankbar zu sein. Ihm die Tat zu „vergelten“ war ein
gesellschaftliches Muss. Bevorzugt waren Gegengaben, wie die Literatur beschreibt. Bei
Aristoteles ist tugendhaftes Handeln, zu dem auch die Dankbarkeit zählt, letztlich auf die
Polis, auf die Gemeinschaft ausgerichtet. Als das zoon politikon ist der Mensch durch sein
Wesen und sein Handeln zur Verwirklichung der gesamten Polis, der Gemeinschaft, berufen.30
So liegt der Sinn der Dankbarkeit im Gemeinwohl selbst.
Sokrates versteht Dankbarkeit als „proportionale Gleichwertigkeit“ und zählt sie zu den
„ungeschriebenen Gesetzen“.31 Er sieht sie als eine Wiedervergeltung, deren Grundziel vor
allem Gerechtigkeit unter den Menschen ist. Dankbarkeit wurde als von den Göttern gegeben
angesehen und war deshalb in alle Lebensbereiche der Antike verwoben. Das betraf sowohl
die Mensch-Mensch-Beziehung als auch die Götter-Mensch-Beziehung.32 Als tatsächlicher
28 Heinrich Schlier: Der Römerbrief, Wien u.a.: Herder 1977 (HtKNT 6), S. 55f. 29 Vgl. Reiner, Dankbarkeit, S. 9-11. 30 Vgl. Wilhelm Korff: Theologische Ethik. Eine Einführung, Freiburg/Basel/Wien: Herder 1975, S. 70f. 31 Vgl. Janowski, Dankbarkeit, S. 93f. 32 Vgl. ebd.
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Dank wurde dabei nur anerkannt, was nicht als sogenannte „Ausgleichshandlung“ erfolgte,
sondern freiwillig geschah.
Erst im Bibelgriechischen, besonders im Corpus paulinum, entstand ein expliziter
Dankesbegriff, „Efcharisto“, der sich im Neuen Testament fast ausschließlich auf Gott
bezieht.33 Der Begriff zeigt, dass sich der Sinnhorizont der Dankbarkeit vom Menschen weg
auf den Gott der Offenbarung richtet. „Efcharisto“ bedeutet „dankbare Gesinnung und
„Dankerweisung durch Wort oder Tat“. Dieses Begriffsverständnis hält sich an die
abendländische Tradition der Dankbarkeit, wie sie auch heute gekannt wird.
Im zweiten Jahrhundert nach Christus wird eine Abgrenzung der Begriffe „Charis“ und
„Efcharisto“ von Pseudo-Andronicus vorgenommen. Er beschreibt „Efcharisto“ als Wissen,
wem und wann man zu danken hat („Charis“) und wie und von wem man ihn annehmen soll.
Das Verb „Efcharisto“ meint im Gegensatz dazu, „dankbar sein, sich zu Dank verpflichtet
fühlen“ oder auch „Dank abstatten“.34
Am häufigsten findet sich dieses Wortfeld in den paulinischen Briefen.35 Zum Beispiel
enthält bereits die anfängliche Grußformel ein Dankeswort an die Gemeinde (zum Beispiel:
Anfänge von Röm 16,3; Phil 1,3 etc.) Dies war für den hellenistischen Briefstil
charakteristisch und leitet typischerweise nachfolgend das Thema des Briefes ein. In der
vorliegenden Arbeit soll später noch genauer auf einen Text aus dem Philipperbrief des
Corpus paulinum eingegangen werden.
2.3.3 Dank im Arabischen des Korans
Das Wort Dankbarkeit wird im (Hoch-)Arabischen im Koran als ein expliziter Begriff
verwendet, der sich aus dem Aramäischen „Schakara“ ableiten lässt.36 Die Wortwurzel im
Arabischen ist „sch-k-r“, in seiner Bedeutung „Danke“, „Danksagung“, „Dank aussprechen“,
„Preisen und Loben“. Durch die verschiedenen Vokalisierungen im Arabischen, lassen sich
aus dieser Wortwurzel folgende drei wichtige Derivationen ableiten, die für das Verständnis
33 Vgl. Hermann Patsch: εὐχαριστέω, in: EWNT 2/2 (1992), S. 219-221, hier: S. 220 und Walter Bauer: Griechisch-Deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der übrigen urchristlichen Literatur, Berlin: Töpelmann 61963, S. 648-650. 34 Vgl. Hans H. Eßer und Bernd Wander: εὐχαριστία, in: TBLNT 1 (1997), S. 240-242. 35 Von insgesamt 38 Vorkommnissen des Verbes im Neuen Testament sind 24 bei Paulus: vgl. Eßer/Wander: εὐχαριστία, S. 241. 36 Vgl. Hans Wehr: Arabisches Wörterbuch für die Schriftsprache der Gegenwart. Arabisch – Deutsch, Wiesbaden: Harrassowitz 51985, S. 669.
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der Dankbarkeit im Sinne des Korans beitragen sollen.37 Ziel dieses Abschnitts ist es, das
Verständnis der Beziehung zwischen Gott und dem Mensch im Koran in Bezug auf die
Dankbarkeit in sprachphilosophischer Weise darzustellen.
Die unterschiedlichen Derivationen werden in der deutschen Übersetzung als verschiedene
Tempi ausgedrückt. Sie können auch in Form einer Bedeutungsverschiebung erläutert werden,
die folgend dargestellt werden soll. Aufgrund der sprachlichen und poetologischen
Meisterleistung des Arabischen im Koran, sind Wortanspielungen durch verschieden
verwendete Wortstämme eine Häufigkeit, die in ihrem Kontext gelesen werden wollen.38
Der Wortstamm „Shkr“ kann in einem ersten Versuch mit „ni’mah“ in Verbindung gebracht
werden, das so viel wie „segnen“ heißt. Verwandt mit diesem Wort ist auch „imtenan“,
„Dankbarkeit“, das sich auf „hamd“ (dt. Loben und Preisen) bezieht. Beide Wörter sind sich
in ihrer Bedeutung sehr ähnlich, „hamd“ braucht allerdings keine Antwort. Allein das
Erkennen und Preisen des Gebers/der Geberin gilt in diesem Falle als ausreichend.39
Eine andere Herleitung findet sich bei Al-Raghib.40 Er geht davon aus, dass sich das Wort
durch eine Veränderung der ersten drei Buchstaben entwickelt hat und leitet demnach das
Wort vom Wortstamm „k-sch-r“ ab, das so viel wie „enthüllen und etwas freilegen“ bedeutet.
Diese Enthüllung wird als eine Handlung verstanden, als Erkenntnis eines neuen Weges, der
begangen werden kann. Talib al-Makki 41 beschreibt die Bedeutung von „schkr“ im
Arabischen des Korans nicht nur als Enthüllen („kschr“), sondern in weiterer Folge auch als
Festmachen („izah“). Diesem Verständnis zufolge wäre das Gegenteil des Wortes „kschr“
„kufr“, das sich mit „bedecken und einen Segen vergessen“ übersetzen lässt. „Kufr“ löst auf
und löscht, „schkr“ hingegen macht sichtbar. So könnte Dankbarkeit als etwas beschrieben
werden, das den Blick frei macht, Verborgenes enthüllt und etwas Wertvolles im Leben der
Menschen ist.
Verwandt ist die Wortwurzel „sch-k-r“ ebenso mit der Wortwurzel „k-n-d“. Auch hier
werden Gegenteile zum Ausdruck gebracht. „Shakir“ ist das, was wächst und Frucht bringt.
37 Vgl. Atif Khali: Art. The Dialectic of Gratitude (Shukre) in the Non-dualism of Ibn al-´Arabi, in: Journal of the Muhyiddin IBN `Arabi Society 64 (2018), S. 28f. 38 Vgl. Khali, The Dialectic of Gratitude, S. 28f. 39 Vgl. Ida Zilio-Grandi: Art. Gratitute and Ingratitude, in: Kate Fleet, Gudrun Krämer, Denis Matringe, John Nawas, Everett Rowson (Hg.): Encyclopaedia of Islam, in: http://dx.doi.org/10.1163/1573-3912_ei3_COM_27518 [abgerufen am 03. August 2019]. 40 Al-Raghib, in: Ida Zilio-Grandi: The Gratitude of Man and the Gratitude of God. Notes on šukr in Traditional Islamic Thoughts, in: Islamochristiana 38 (2012), S. 45-61, hier S. 42f. und vgl. Sanneh Lamin: Art. Gratitude and Ingratitude, in: Jane Dammen McAuliffe (Hg.): Encyclopaedia of the Qurʾān, in: http://dx.doi.org/10.1163/1875-3922_q3_EQSIM_00180 [abgerufen am 09. Juli 2019]. 41 Talib al Makki, zitiert in: Ida Zilio-Grandi: The Gratitude of Man and the Gratitude of God, S. 42f.
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„Kanud“ beschreibt ein dürres Land, auf dem nichts gedeihen kann, egal wie viel Regen oder
Sonnenlicht darauf fällt. 42 Das Land kann nichts zurückgeben oder hervorbringen.
Dankbarkeit ist hier etwas Positives und wird mit Fruchtbarkeit in Verbindung gebracht.
Ein dritter Versuch, die Wortwurzel zu erklären, findet sich bei Lisan43. Er leitet „sch-k-r“
von „sakarat al-ibil“ ab, was „Kamele, die fett an Masse sind“44 bedeutet. Ein „Sakira“ oder
„Miskar“ ist ein Tier, das zwar nur wenig bekommt, aber trotzdem viel Milch und Fleisch
abgibt.45 Der Zusammenhang mit der Dankbarkeit scheint hier schwer herstellbar zu sein. Die
Herleitung zeigt aber, dass so das Beziehungsverhältnis eines Lobpreisenden/einer
Lobpreisenden zu seinem/ihrem Schöpfer dargestellt werden kann: Obwohl von Seiten des
Geschöpfs wenig dargebracht werden kann, wird ihm viel zurückgegeben. Das kann mit dem
oben genannten Tier verglichen werden. „Schkr“ steht hier für den Überfluss und „Voll-Sein“.
Ähnlich verhält es sich mit dem Dank: Egal wie wenig der Mensch gibt, Gott gibt ihm doch
im Überfluss (zurück).
Diese drei Versuche der Herleitung von „Dank“ im Arabischen zeigen, dass es keine
konkrete und einheitliche Übersetzung für das Deutsche gibt. Allgemein kann gesagt werden,
dass ein Zusammenhang von Dank und der nachfolgenden „dankbaren“ Geste besteht. Die
Geste kann nicht in wachsender Hingabe erwidert werden. Übersetzer/Übersetzerinnen
greifen auf Metaphern zurück, um diese Bedeutung in anderen Sprachen zum Ausdruck zu
bringen. Die eigentliche Bedeutung wird allerdings erst im Kontext des Textbefundes des
Korans klar ersichtlich.
Nach dieser Annäherung an das Konzept Dankbarkeit über die Sprachphilosophie werden
nachfolgend die Texte aus der Heiligen Schrift der abrahamitischen Religionen genauer
beleuchtet. Das Hauptaugenmerk soll auf der Exegese im Hinblick auf die Übersetzung von
Dankbarkeit aus den jeweiligen Ursprungssprachen der Texte liegen. Aus dem Alten
Testament soll Psalm 30 vorgestellt werden. Im Neuen Testament soll der Fokus auf Lukas
17, 11-19 und dem Philipperbrief liegen, um das jüdisch-christliche Verständnis von
Dankbarkeit explizit zu machen.
Anschließend werden Verse aus dem Koran herangezogen, um sich dem Konzept
Dankbarkeit über die arabische Kultur zu nähern. Besonderes Augenmerk soll auf die
42 Vgl. Khalil, On Cultivating, S. 3f. 43 Lisan, zitiert in: Ida Zilio-Grandi, The Gratitude of Man and the Gratitude of God, S. 43. 44 „Shakur“ ist ein „beast that fattens up with a small amount of fodder, as if to show gratitude (…). Its gratitude entails making abvious its blessing, and revealing its fodder (in the form of its fat).” 45 Vgl. Khalil, On Cultivating, S. 1-3.
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Beziehungskomponente gelegt werden, die sich sowohl auf horizontaler als auch auf
vertikaler Ebene beschreiben lässt.
Dieser Teil ist Ausgangspunkt für die anschließende (religions-)philosophische Studie bei
der Martin Bubers dialogisches Prinzip angewandt wird und fundamentaltheologische
Überlegungen zur Dankbarkeit als ein dialogisches Beziehungsverhältnis, das sich in einer
(persönlichen) Glaubenserfahrung manifestieren lässt, angestellt werden.
20
3 Dankbarkeit im Alten Testament
Das Alte Testament kennt, wie bereits in Kapitel 2 erläutert, kein Wort für „danken“, wie es
im Deutschen verstanden wird. Heutige Bibelübersetzungen greifen auf das deutsche
„Danken“ zurück, wenn sie das hebräische „toda“ übersetzen. 46 Aufgrund der
unterschiedlichen Übersetzungsmöglichkeiten ins Deutsche, kann die Übersetzung nicht
immer die volle Bedeutung des Ursprungswortes zur Geltung bringen. Im nachfolgenden
Abschnitt wird versucht, den Begriff Dankbarkeit im Sinne seines ursprünglichen Gebrauchs
zu erklären. Zunächst wird es um Dankbarkeit auf horizontaler Ebene, gegenüber Personen,
gehen. In einem nächsten Schritt wird dasselbe Konzept auf vertikaler Ebene, gegenüber Gott,
dargestellt. Dazu sollen die Psalme im Allgemeinen, besonders aber Psalm 30 herangezogen
werden. Kein Buch des Alten Testaments habe das Konzept Dankbarkeit eindrücklicher und
umfassender entfaltet als der Psalter, so schreibt Bernd Janowski47 in seinem Artikel über
Dankbarkeit und unterstreicht dabei die besondere Bedeutung der Dankbarkeit im Psalter. In
den Psalmen richtet sich der Dank an Gott. Sie beschreiben das Beziehungsverhältnis mit Gott
und seinem Volk in hebräischer Dichtkunst.
3.1 Dankbarkeit gegenüber anderen Personen
Vom Dank gegenüber anderen Menschen spricht das Alte Testament selten.48 Dennoch lässt
sich das Beispiel 2 Kön 4,8-17 an dieser Stelle anführen. In dieser Bibelstelle wird der Dank
für ein zuvor Erlebtes beschrieben: Elischa bittet die Schunemiterin, die ihm großzügige
Gastfreundschaft erwiesen hat, mehrfach, ihr seine Dankbarkeit erweisen zu dürfen.49 Über
den Begriff „Segnen“ kann man sich im Alten Testament dem Begriff der Dankbarkeit
annähern. Als Beispiel lässt sich hier Dtn 24,12-13 anführen:
Und ist es ein armer Mann, dann sollst du dich mit seinem Pfand nicht schlafen legen, sondern du sollst ihm sein Pfand zurückgeben, wenn die Sonne untergeht, dann kann er in seinem Mantel schlafen, und er wird dich segnen. So wirst du gerecht sein vor dem HERRN, deinem Gott.
46 Zum Beispiel übersetzt Martin Buber in den Preisungen „toda“ mit „danken“, aber auch die Neue Lutherbibel
und die Neue Einheitsübersetzung greifen auf dieses Morphem zurück. Andere, wie die Zürcher Bibel und die Elberfelder Bibel, verwenden „preisen“, wohingegen die Bibel in gerechter Sprache den hebräischen Begriff mit „loben“ übersetzt.
47 Vgl. Janowski, Dankbarkeit, S. 125. 48 Vgl. Eugen Ruckstuhl: Art. Danksagung, in: Bibellexikon (1991), S. 387. 49 Vgl. Friederike Neumann: Art. Dank/danken (AT), in: WiBliLex
http://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/16173/ [abgerufen am 07. Juli 2019], S. 3.
21
Auf die Rückgabe eines Pfandes soll ein Segen als „Dank“ folgen. Segen ist hier als
wirkmächtige Tat zu deuten. Das Segnen stellt einen performativen Akt dar,50 der bei seinem
Gegenüber tatsächliche Wirkung erzielen soll. Segen steht dabei in enger Verbindung mit der
Dankbarkeit. Dankbarkeit ist ebenso ein performativer Akt, der sich mit dem Aussprechen des
Wortes oder in einer Form von Lobpreis nach außen hin vollzieht. Das bedeutet, dass Dank
durch das gesprochene Wort des Gegenübers vollzogen werden kann.
3.1.1.1 Exkurs: Dankbarkeit und Performation
Die Performation ist ein wesentliches Merkmal von Dankbarkeit. Dankbarkeit ist primär ein
Sprachakt, eine (Sprech-)Handlung. Das heißt, dass der/die Gebende erst durch einen
verbalen Ausdruck oder eine dankende Geste verstehen kann, was der/die Beschenkte
ausdrücken will. Das Dankeswort oder die Geste selbst ist der entscheidende Teil eines
Dankesaktes. Der Akt unterliegt dahingehend einer sogenannten materiellen Wirkung.51 Das
bedeutet, dass im Moment, in dem das Wort ausgesprochen wird, der ausgesprochene Dank
Wirklichkeit wird. Ein performativer Akt braucht auch ein Gegenüber, das angesprochen
werden kann. Performation kann deshalb nur in einer Begegnung mit einem angesprochenen
Du geschehen.
3.2 Dankbarkeit gegenüber Gott stiftet Beziehung
Im Alten Testament wird Dank häufig auf horizontaler Ebene, gegenüber Gott, ausgedrückt.
Eine der bekanntesten Erzählungen, die Sintflut, berichtet über ein Dankopfer, das Noah nach
seiner Rettung Gott darbringt (Gen 6,5-8,22). Der beschriebene Akt in Gen 8,20 erläutert die
Darbringung eines Opfers im Alten Testament, das als Dank an Gott gerichtet ist: „Und Noah
baute dem HERRN einen Altar. Dann nahm er von allen reinen Tieren und von allen reinen
Vögeln und brachte Brandopfer dar auf dem Altar.“ Eine Erklärung dafür findet Bernd
Janowski. Es sei die „re-actio des Geretteten“52, die Noah zu seinem Opfer veranlasst.53
Noahs Dankbarkeit macht deutlich, dass die rettende Zu-Wendung Gottes, die von Noah mit
50 Vgl. Frants Buhl: Über Dankbarkeit im Alten Testament und die sprachlichen Ausdrücke dafür, in: Wilhelm Frankenberg und Friedrich Küchler (Hg.): Abhandlungen zur semitischen Religionskunde und Sprachwissenschaft, Gießen: Alfred Töpelmann Verlag 1918 (BZAW 33), S. 71-82, hier: S. 76. 51 Vgl. Heiko Possel: Art. Performativ, in: https://www.performativ.de [abgerufen am 30. Juli 2019] und Gerald Posselt und Matthias Flatscher: Sprachphilosophie. Eine Einführung, Wien: Facultas 2016 (UTB 4126), S.158-160. 52 Janowski, Dankbarkeit, S. 91. 53 Vgl. ebd., S. 91f.
22
einer Opfergabe beantwortet wird, der Grund seines Lebens ist. In diesem Sinne bedeutet
dankbar zu sein, wie es Dieter Heinrich formuliert, sein „Leben in Bindungen zu geben und in
ihnen zu vollziehen“54.
Noah geht die Bindung zu Gott in Form einer Beziehung zu Gott ein. Er besiegelt sie
sinnbildlich mit seiner Opfergabe. Diese Begegnung mit Gott ist von einem Dialog geprägt
und wird von vertikalem Dank begleitet. Gott hat Noah sein (Über-)Leben geschenkt und
Noah antwortet ihm in Form eines Dankopfers. Dieses dialogische Verhältnis zeigt sich auch
in den Dankliedern und Dankopfern im Alten Israel. Ziel ist es, eine Beziehung zu Gott
aufbauen zu können, indem für Gottes dargebrachte Gaben gedankt und an sie gedacht wird.
Danklieder, können gleichzeitig auch als Lobpreis an Gott charakterisiert werden. Dieser
Lobpreis kommt wie er par exemple in den Psalmen zum Ausdruck. Er ist im Alten Israel
kulturell tief verankert. So konnten eigene Erfahrungen im Leben im Gottesdienst durch
Gebet und Hymnen ausgesprochen werden und erzählt werden, was Gott am einzelnen
Menschen getan hat.55 Dieses Besingen ist eine Form der direkten Anrede Gottes, sozusagen
in Dialog mit Gott und keine monologische Rede über Gott, die erst später, zum Beispiel in 1
Sam 10,11f., erwähnt wurde. Das Loben Gottes geht aller Theo-logie voraus und ist somit die
primäre Quelle jeglicher Theologie im Alten Testament.
3.3 Das Buch der Psalmen als Quelle der Dankbarkeit im Alten Testament
Das Buch der Psalmen als eine Quelle von Lobliedern überliefert eine große Auswahl an
Gebeten, in denen die Gläubigen Israels ihre Nöte schildern und sich Gott um Hilfe bittend
zuwenden, aber auch Freude und Dankbarkeit zum Ausdruck bringen.56
Schon die Überschrift im Hebräischen des Buchs der Psalmen „Tehillim“, das mit
Lobpreisungen/Loblieder ins Deutsche übersetzt werden kann, erinnert einmal mehr an dessen
wichtige Bedeutung. 57 Der Religionsphilosoph Carl-Heinz Ratschow liefert eine
religionsgeschichtliche Definition der Psalme, die sich gut mit dem Vollzug einer
54 Dieter Henrich: Gedanken zur Dankbarkeit, in: ders.: Bewußtes Leben. Untersuchungen zum Verhältnis von Subjektivität und Metaphysik, Stuttgart: Reclam 1999, S. 153-199, hier: S. 156. 55 Vgl. Jörg Jeremias: Grundrisse zum Alten Testament, Bd. 6, in: Studien zur Theologie des Alten Testaments, Tübingen: Mohr Siebeck 2015, S. 25. 56 Vgl. Wolfram Herrmann: Theologie des Alten Testaments. Geschichte und Bedeutung des israelitisch-jüdischen Glaubens, Stuttgart: Kohlhammer 2004, S. 293; Horst Preuß D.: Theologie des Alten Testaments, Bd. 1, Stuttgart: Kohlhammer 1991, S. 134f; S. 390. 57 Vgl. Martin Rose: Psalmen, in: Römer Thomas/Macchi Jean-Daniel/Nihan Christophe (Hg.): Einleitung in das Alte Testament, Zürich: Theologischer Verlag 2013, S. 547 und Josef Schreiner: Theologie des Alten Testaments, Würzburg: Echter 1995 (Die Neue Echter Bibel. Ergänzungsband zum Alten Testament 1), S. 304.
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alttestamentlichen Praxis der Dankbarkeit verbinden lässt und im wesentlichen Gebet
beschreibt:
Das Gebet geschieht im Gegenüber zu einem angesprochenen Wesen (…) von dem man sich alles erwartet, dessen man bedarf. Man kann sich beklagen bei ihm und auch bedanken, man kann es loben und ihm seine Sünden bekennen, zumal kann man ihm all das darlegen, dessen man bedarf. (…) Unter Gebet verstehen wir die vornehmlich ‚personale‘, dialogische Zuwendung eines Menschen zu seinem Gott (…).58
Gebete sind also Bestandteil einer religiösen Praxis und vollziehen sich coram deo, das heißt,
in einem dialogischen Verhältnis zu Gott. Der Mensch dankt von einer horizontalen Ebene aus
und spricht die vertikale, transzendente Ebene an. Dieses Gebet umfasst ursprünglich eine
dankende Geste und eine Darbringung einer Opfergabe. 59 Diese Gaben waren als
Rückgabe/Antwort für den Gott Israels bestimmt. Im Alten Israel herrscht darüber Einigkeit,
dass alles von Gott selbst kommt. Es muss ihm daher Dank ausgesprochen und ein Opfer
dargebracht werden, das Anerkennung ausdrücken soll.60 So wurde Kommunikation zwischen
Gott und dem Menschen verstanden und eine Brücke zwischen vertikaler und horizontaler
Ebene des Dankes aufgebaut. 61
3.3.1 Klage und Lob als Ausdruck eines Kommunikationsakts zu Gott
Die Gebete, die sich im Buch der Psalmen in Bezug auf die Dankbarkeit finden lassen, sind
die sogenannten „Toda-Psalmen“. Charakteristisch für diese Psalmen ist, dass sie „das mit
dem Mund gesprochene“ 62 Danklieder (vgl. Ps 50, 14) sind und auch die nachfolgende
Opfergabe (vgl. Am 4,5) behandelt. Dankt und Opfer sollten daher, zumindest im Kontext
dieser Arbeit, nicht getrennt behandelt werden.63 Eine Grundhaltung des Menschen gegenüber
Gott, die sich auf das helfende Handeln Gottes, zum Beispiel auf die Errettung aus Gefahr
58 Carl-Heinz Ratschow: Art. Gebet I. (Religionsgeschichtlich), in: TRE. Bd. XII, o.A. 1984, S. 31-34, hier: S. 32. 59 Die Entwicklung von der Darbringung eines materiellen Dankopfers zu einem gesungenen/lobenden Danklied, kann hier nicht im Detail beschrieben werden. Fakt ist, dass das Danklied wohl selbst zu einer Form des Dankopfers wurde. 60 Vgl. Martin Leuenberger: Art. Gebet, in: https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/19002/ [abgerufen am 06. Juni 2019] und Beat Weber: Werkbuch Psalmen III. Theologie und Spiritualität des Psalters und seiner Psalmen, Stuttgart: Kohlhammer 2010, S. 61. 61 Vgl. Bernd Janowski: Sprechen zu Gott – Sprechen über Gott. Die Psalmen zwischen Gebet und lehrhaft-bekenntnishafter Aussage, aufgezeigt am Sprechrichtungswechsel (2./3. Pers.) im Psalter, in: ders.: Beten und Bekennen. Über Psalmen, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener 2008, S. 3-19. 62 Janowski, Dankbarkeit, S. 92f. 63 Vgl. dazu genauer: Alfred Marx: Opferlogik im alten Israel, in: Bernd Janowski und Michael Welker (Hg.): Opfer. Theologische und kulturelle Kontexte. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2000 (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 1454), S. 129-149.
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oder Bewahrung vor Krankheit verlässt,64 braucht retroperspektiv eine Antwort und damit
Kommunikation mit Gott.
Der Exeget Erich Zenger formuliert es so: „[D]ie Psalmen sind die bis zum Ende der
Weltzeit vollgültige Antwort Israels (und der Völker) auf das Handeln JHWHs“.65 Dabei sind
die beiden Sprechrichtungen, die Jörg Jeremias erläutert, von Bedeutung. Die Psalmen
enthalten jeweils direkten Dank an Gott und daneben objektive Geschichte über eine Wende
in der Not, die die Teilnehmer/innen der Feier, die sich in einer ähnlichen Notsituation
befinden, das Vertrauen ganz auf ihren Gott, zu setzen. Hier erkennt Jörg Jeremias ein
didaktisches Moment. 66 Der Psalm dient als lehrhaftes Exempel für den Glauben in der
Gemeinde. Das Erlebte wird dabei als Paradigma für eine gelingende Kommunikation mit
Gott, der in das Leben der Gemeinde eintritt.
Geantwortet wird vom Volk, vom Kollektiv, mit einem Gebet, das ad hoc gesprochen wird.
Gott soll sowohl in Klage als auch in Lob geantwortet werden,67 um so in Beziehung zum
Helfer und Geber, Gott selbst treten zu können. Das betende Subjekt ist daher „Ich“ oder
„Wir“, Gott das angesprochene „Du“. 68 Die Beziehung zwischen Immanenz und
Transzendenz, zwischen Gott und dem (betenden) Menschen entsteht so auf direktem Weg.
In der Gebetspraxis bleibt das Ich aber nicht singulär. Im Glauben entwickelt sich der Dank
gegenüber dem einen Gott, der als der Gott des ganzen Volkes Israel verstanden wird.
Deshalb wird über das Ich als (gedachtes) Kollektiv gesprochen. Das Ich der Psalmen ist ein
exemplarisches Ich.69 Das bedeutet, dass es wie ein pars pro toto zu verstehen ist: Wenn der
64 Vgl. Michael Ernst: Art. Dank, in: Kolger, Franz (Hg.): Herders neues Bibellexikon, Freiburg im Breisgau/Wien: Herder 2009, S. 134. 65 Erich Zenger: Psalmen. Auslegungen. Mit meinem Gott springe ich über Mauern, Bd. 1, Freiburg im Breisgau/Wien: Herder 2003, S. 89f. und vgl. Ralf Kaemper: Die Tugend der Dankbarkeit, in: Perspektiven (01/2014), in: https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=2ahUKEwihtZLcpI3kAhUS0qYKHf6sD8gQFjAAegQIABAC&url=https%3A%2F%2Fwww.cv-perspektive.de%2Fresources%2Farchiv%2F2014%2Fausgabe-01-12%2F1807-perspektive-2014-01-die-tugend-der-dankbarkeit%2Ffile%3Fforce-download%3D1&usg=AOvVaw1L6fZtgE4JoKcPti4_cQb5 [abgerufen am 07. Juli 2019], S. 28-29, hier: S. 28 und Carl Westermann: Das Loben Gottes in den Psalmen, Göttingen: V & R 41968, S. 48f.; 87f. 66 Jörg Jeremias: Theologie des Alten Testaments, Göttingen: V & R 2015 (Grundrisse zum Alten Testament 6), S. 40. 67 Wie Carl Westermann und zuvor Gunkel darlegen, lassen sich die Psalmen schematisch in Lob, Dank und Klagepsalmen unterteilen, die sich wiederum als Kollektiv- und Individualpsalmen lesen lassen. Die Lob- und Dankpsalmen lassen sich laut C. Westermann wiederum in berichtende (vgl. Ex 15,21) und beschreibende Lobpsalmen (vgl. Ps 113) einteilen. In den berichtenden sieht er (hebr. hillel) das Lob, das sich auf das ganze Sein Gottes bezieht, wohingegen er im beschreibenden (hebr. hodah) ein Lob auf ein einmaliges, eben geschehenes Tun Gottes sieht vgl. dazu: Claus Westermann: Der Psalter, Stuttgart: Calwer 1967, S. 63f. und 69f. 68 Melanie Köhlmoss: Altes Testament, Tübingen: Francke 2011 (UTB basic 3460), S. 306. 69 Vgl. Hans-Christoph Schmitt: Arbeitsbuch zum Alten Testament. Grundzüge der Geschichte Israels und der alttestamentlichen Schriften, Göttingen: V & R 2005 (UTB 2146), S. 420.
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Psalmist über seine Erlebnisse spricht, kann eine Heilserfahrung für die gesamte Gemeinde
heilsam sein. Die beispielhafte Rettung Gottes wird auf die ganze Gemeinschaft übertragen
und soll der Gemeinde deutlich machen, dass Gott nicht nur den Einzelnen rettet, sondern die
ganze Gemeinde in sein heilvolles Tun einschließt. Aus seinem auserwählen Volk wird
niemand ausgeschlossen. Deshalb können wir sogenannte Individualpsalmen aus der Sicht des
Gemeinschaftlichen lesen. Spricht jemand seinen/ihren eigenen Dank/Lob an Gott aus, wird
dabei das subjektive Lob als generalisiertes Lob des ganzen Volkes verstanden.
Auch die übrigen Psalmen, zu denen auch die Klagepsalmen zählen, sind in diesem Sinne
zu lesen. Die Klagen werden als vorübergehende Phasen im Leben verstanden, in denen die
Gläubigen geprüft und ihr Zweifel überwunden werden sollen. Der Exeget Erich Zenger
spricht von einer Art Verwirklichung des Lebens, das ja auch in einem Auf und Ab von guten
und schlechten Zeiten selbst „in der Spannung von Glücken und Scheitern, von Misslingen
und Gelingen, von Heil und Unheil“70 besteht. Diese Lebensphasen haben ihren Ursprung in
Gott selbst und können von dem/der Gläubigen durch Dankbarkeit beantwortet werden, um
eine Beziehung zum Rettenden aufzubauen. Zenger macht es so möglich, Klage und Dank in
den Psalmen als eines zu sehen. Der Lobpsalm stellt dabei nicht nur eine eigene Gattung dar,
sondern zieht sich durch fast alle Psalmen. Auch auf Klagen folgt Lob.
In dieser Arbeit wird Psalm 30 genauer analysiert. Der Psalm gilt als Prototyp des
beschreibenden Dankpsalmes.71 Er eignet sich daher dazu, die bereits genannten Themen im
Detail auszuarbeiten und zu analysieren. Darüber hinaus wird versucht, besonders die
(Sprach-)Metaphern des Psalms in Bezug auf Dankbarkeit zu erläutern.
3.4 Der Dank auf horizontaler Ebene im Alten Testament: Psalm 30 als
Dank(-sagung) an Gott
Psalm 30 wird von Hermann Gunkel als „Danklied des Einzelnen“72 beschreiben und im
Judentum als ein Morgengebet verstanden. „Das Kernstück der Danklieder“, so stellt Günther
Bornkmann fest, „ist (…) die Erzählung der Rettung. Erzählen, kundtun, lehren, singen,
rühmen, von Gottes Wunder reden, seiner gedenken – sind die regelmäßig wiederkehrenden
70Als Übersetzung dieses Psalms wurde die Arbeitsübersetzung von Erich Zenger ausgewählt: Zenger, Psalmen. Auslegungen, S. 70. 71 Vlg. Klaus Seybold: Das Gebet des Kranken im Alten Testament. Untersuchungen zur Bestimmung und Zuordnung der Krankheits- und Heilungspsalmen. Stuttgart: Kohlhammer 1973 (Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament 5/19), S. 125 und Westermann, Ausgewählte Psalmen, S. 122. 72 Hermann Gunkel: Die Psalmen, Göttingen: V & R 51986, z. B. S. 8, 27,30
26
Wendungen der Danklieder.“ 73 Psalm 30 entspricht dieser Beschreibung, indem er im
familiären und sippengemeinschaftlichen Gottesdienst,74 dem auch eine Darbringung eines
Opfers folgen konnte, verankert war. 75 Dass er so ein fester Bestandteil der jüdischen
Tradition ist, zeigt, dass das Tradieren von Geschichten, Gebeten und Erzählungen, in denen
Gott der Retter war, einen wichtigen Punkt im familiären Austausch spielte. Durch diesen
Austausch konnte Dankbarkeit an die Gemeinschaft und darüber hinaus an Gott zum
Ausdruck gebracht werden.
3.4.1 Der Psalm und sein Inhalt
Psalm 30 [Ein Harfenlied, Sang der Weihung des Hauses, von Dawid]76 2a Ich will dir danken, JHWH, denn du zogst mich empor 2b und ließest nicht frohlocken meine Feinde über mich. 3a JHWH – mein Gott! 3b Ich schrie zu dir und du heiltest mich. 4a JHWH, du führtest mich herauf aus dem Scheol, 4b du riefst mich ins Leben zurück aus jenen, die in die Gruppe hinabsteigen. 5a Singt, JHWH, ihr seine Getreuen, 5b und dankt seinem heiligen Namen, 6a denn ein Augenblick – in seinem Zorn, 6b ein Leben lang – in seiner Huld, 6c am Abend – Weinen 6d und am Morgen – Jubel! 7a Ich aber – in meiner Sicherheit sagte ich: 7b „Nicht werde ich wanken in Ewigkeit!“ 8a JHWH – in deiner Huld 8b hattest du mich auf schützende Berge gestellt, 8c dann verbargst du dein Angesicht, 8d da wurde ich verstört. 9a Zu dir, JHWH, rief ich 9b und zu (dir), meinem Gott, flehte ich um Gnade: 10a „Was für ein Gewinn ist an meinem Blut 10b (und) wenn ich hinabsteige in das Grab? 10c Kann denn Staub dir danken?
73 Günther Bornkamm: Lobpreis. Bekenntnis und Opfer. Eine alttestamentliche Studie, in: ders.: Geschichte und Glaube I. Gesammelte Aufsätze, Bd. 3, München: Kaiser 1968 (Beiträge zur evangelischen Theologie. Theologische Abhandlungen 48), S. 122-139; hier: S. 124. 74 Dahingehend können die Psalmen ursprünglich als Teil einer kultischen und liturgischen Handlung innerhalb eines größeren Kreises, der aber exklusiv ist, verstanden werden, zu dem ein Opfer gehörte, das als Teil der Erfüllung eines Gelübdes/Bekenntnisses verstanden werden konnte. Das bedeutet aber auch, dass der Sitz im Leben im Gottesdienst auch darüber hinaus geht, primär in der didaktischen Beziehung, wie es bereits erläutert wurde, sowie sekundär durch das Tragen der Botschaft des Gottesdienstes ins Leben hinaus. Des Weiteren ist zu beachten, dass das Opfer selbst später durch ein Loblied ersetzt wurde und aus der häuslichen Umgebung in den Tempel nach dem Exil gerückt ist. 75 Vgl. Schmitt, Arbeitsbuch zum Alten Testament, S. 419f. 76 Die Überschrift ist der Übersetzung Martin Bubers entnommen und wurde der Übersetzung von Zenger von mir hinzugefügt. Auch aus historischer Sicht wurde die Überschrift später redaktionell hinzugefügt. Die nachträglichen Überschriften dieses Psalms werden in den diversen Übersetzungen verschiedentlich übertragen. So entscheiden sich die Lutherbibel und die neue Einheitsübersetzung zum Beispiel für: „Dank für Rettung aus Todesnot“ oder „Dank für Rettung vor dem Tod“.
27
10d Kann er denn verkünden deine Treue? 11a Höre, JHWH, erweise mir Gnade! 11b JHWH, werde mir zum Helfer! 12a Da wandelst du meine Totenklage 12b für mich in festlichen Tanz, 12c du löstest meinen Trauer-Saq 12d und umgürtest mich mit Freude, 13a damit dir singt mein Herz 13b und es nicht (mehr) stumm bleibt. 13c JHWH – mein Gott! 13d In Ewigkeit will ich dir danken.
In diesem Psalm dankt jemand, der/die aus Todesnot gerettet wurde Gott dafür, dass er/sie
wieder zurück ins Leben kommen durfte. Das Leid, das der/die Sprecher/in erlitten hat, rückt
in den Vordergrund und wird ins Leben selbst eingeordnet.77 Zuerst wird die menschliche
Überheblichkeit beschrieben, auf die eine intensive Gotteserfahrung folgt. Durch diese
Erfahrung wurde dem/der Beter/in eine neue Sicht auf das Leben offenbart. Der/die Dankende
erzählt öffentlich von seiner/ihrer Erfahrung, um die Zuhörenden (und auch das ganze Volk)
zum gemeinsamen Gotteslob aufzufordern.78 Er/sie feiert ihre Rückkehr ins Leben in dieser
(Gottesdienst-)Gemeinschaft. Damit wird, wie der Exeget Friedrich Crüsemann gezeigt hat,
die „doppelte Sprechrichtung“ eines Dankliedes zum Ausdruck gebracht. 79 Im Psalm
vermischen sich Gebet und Bericht je nach Ausrichtung des/der Sprechers/in. 80 Der/die
Sprecher/in wendet sich einerseits dankend in einem Monolog an Gott,81 andererseits bekennt
er/sie die Rettung vor der im Heiligtum versammelten Gemeinde und formt den Psalm
sozusagen zu einer öffentlichen Kundgabe um (vgl. dazu das Bekenntnis am Ende in V.13b).82
Die Erfahrung eines Gläubigen/einer Gläubigen wird kollektiv geteilt. Das Bekenntnis
entsteht aus dem persönlichen Erlebnis heraus. Es wird keine abstrakte Wesensbestimmung
Gottes dargelegt. Gott wird als derjenige dargestellt, der in das Leben der Gläubigen
eingegriffen hat und Beziehung stiftet. Dafür gebührt ihm Dank.83
77 Vgl. Kraus, Psalmen, S. 390 und Bernd Janowski: Konfliktgespräche mit Gott. Eine Anthropologie der Psalmen, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener 32009, S. 270. 78 Vgl. Schmitt, Arbeitsbuch zum Alten Testament, S. 31 und Eder, Identifikationspotentiale, S. 100f. 79 Friedrich Crüsemann: Studien zur Formgeschichte von Hymnus und Danklied in Israel, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener 1969 (WMANT 32), S. 213-216 und Westermann, Ausgewählte Psalmen, S. 122f. 80 Vgl. Seybold, Altes Testament, S. 125. 81 Vgl. Crüsemann, Studien, S. 225f. 82 Vgl. Janowski, Dankbarkeit, S. 120. 83 Vgl. Bornkamm, Lobpreis, S. 124 und Westermann, Ausgewählte Psalmen, S. 123-125.
28
3.4.2 Die formale Analyse des Psalms 30
Im Rahmen einer formalen Analyse kann festgestellt werden, dass die V.2-6 die
prototypischen Bauelemente des Dankliedes darstellt:84 Zuerst wird der Dank angekündigt. Er
ist charakteristischerweise mit einer vorangestellten Zusammenfassung der Geschichte, die
zur Danksagung führt, verbunden. In V.2 wird die Erzählung retrospektiv geschildert. Sie
besteht aus dem Bericht von der Not, der Anrufung Gottes und von seinem rettenden
Eingreifen (V.3f.). Danach werden die Betenden aufgefordert, sich dem Gotteslob
anzuschließen. Darauf folgt in der formalen Abfolge die Schlussfolgerung aus der gemachten
Erfahrung (V.5f.). Sie kann als ein didaktisches Moment beschrieben werden, sodass der
Psalm Mahnmal für die Gottesabwesenheit ist. In V.7 wird die Danksagungserzählung
eingeleitet, in der es zur Reflexion über die Taten Gottes kommt, der Lobpreis folgt. Der erste
Abschnitt des Psalms befasst sich besonders mit einer äußeren der Begebenheit an sich und
der Rettung (V.3aff.). Der zweite Teil gibt Einblick in das, was im Menschen passiert (ab V.6).
Dabei hat der/die Gerettete die Erfahrung gemacht, dass Leben grundsätzlich ein verdanktes
Leben ist.
In der folgenden Danksagungserzählung werden verschiedene Elemente erläutert, wie Not
(V.7-8), Hilferuf (V.9-11) und die abschließende Rettung (V.12) erläutert. Der Psalm endet mit
dem Bekenntnis zu Gott und seiner Lebenskraft im weiteren Leben gelten sollen. An dieser
Stelle findet ein letztes Mal ein Themenwechsel statt: Das lyrische Ich blickt noch einmal in
die Vergangenheit, als es Gottesferne erlebt hat und erinnert sich, wie es zum
immerwährenden Lob und Dank Gottes kommt.85 Der Psalm endet unmittelbar nach diesem
Gelübde.86
3.4.3 Ein „Oben“ und ein „Unten“ – Die sprachlichen Bilder der Dankbarkeit in
Psalm 30
Der Psalm weist ein reichhaltiges Bild an sprachlichen Ausdrücken auf. Erwähnt werden das
Bild des Todes (V.2b), der Tanz der Freude (V.12b) und das neue Gewand (V.12c). Diese drei
Darstellungen sind besonders wichtig, um Dankbarkeit in ihrem Facettenreichtum im Psalm
30 verstehen zu können. Diese bildlichen Ausdrücke werden in einem dynamischen Verhältnis
aneinandergereiht. Bei genauer Leseart erscheinen sie wie ein buntes, bewegtes Mosaik der
84 Vgl. dazu: Zenger, Mit meinem Gott springe ich über Mauern, S. 89 und Weber, Werkbuch Psalmen III, S. 34. 85 Hier wird im Besonderen eine Verbindung zwischen Gegenwart und Zukunft dargestellt. 86 Vgl. Eder, Identifikationspotenziale S. 101.
29
Dankbarkeit. So bleibt Platz, Positives und Negatives darzustellen, die sich wie Räume oder
Sphären durch den Psalm erkennen lassen. Johannes Schnocks 87 betitelt sie Räume des
„Obens“ und „Untens“, wobei die Räume des „Obens“, die positiven sind (vgl. Berg V.7 und
Tempel V.8a) und die des „Untens“ in Verbindung mit Negativen gebracht werden (vgl. Grube
V.4b und Sheol V.10). Durch die Räume des Positiven wird versucht, Grenzen abzuschaffen.
Sie treiben das „Unten“ durch angewandten Sprachbilder immer mehr in den Raum nach
„oben“ und versuchen dadurch das Negative in der Vergangenheit zu überwinden und dehnen
sich in der Gegenwart und Zukunft als etwas Stärkendes für das Ich aus. Dankbarkeit lässt
sich in den positiven Rum des Obens zuordnen.
Dankbarkeit soll in dieser Arbeit nicht als Wort an sich, sondern viel mehr als semantische
Kategorie aufgearbeitet werden. Es werden daher auch Begriffe miteinbezogen, die eher eine
Art von Dank ausdrücken und damit semantisch dazu passen.
Die Sprache dient der Beschreibung von Dankbarkeit. Sie sind an (kulturelle) Codes
gebunden und daher kulturell variabel. Die Codes werden ebenso in unterschiedlichen
Kulturen unterschiedlich geformt. 88 Auch die Psalmen arbeiten mit Sprachbildern. Dabei
spielen sich die Bilder besonders in der der Emotionen ab. Daraus kann geschlossen werden,
dass Dankbarkeit im Alten Testament als eine Emotion beschrieben werden kann, die nicht im
Zusammenhang mit einer Tradition steht oder gar eine Tugendlehre abzubilden versucht. Sie
kann mehr mit dem lat. movere beschrieben werden, das nach außen dringen/bewegen
bedeutet.89 Das Äußere zeigt sich in den verwendeten Sprachbildern. Gleichzeitig muss die
Leseart des Ps 30 an die Emotionen angepasst werden. Dankbarkeit als Grundemotion
beinhaltet hier eine kulturelle und soziale Ebene.
Das Buch der Psalme gilt als Paradebeispiel für den Ausdruck von Gefühlen im Alten
Testament.90 Psalmen sind, wie es Frank Matheus beschreibt, ein Textmedium, das uns in die
Gefühlswelt der Menschen blicken lässt:
(…) sie transportieren in erster Linie Emotionen und sind Ausdruck der Gefühlslage der Betenden, die in ihrer Freude und Not oft selbst im Mittelpunkt der Betrachtung liegen und so eine charakterisierte Situation schaffen.91
87 Johannes Schnocks: Psalmen, Paderborn: Schoening 2014 (UTB 3473. Grundwissen Theologie), S. 117-123. 88 Vgl. Eder, Identifikationspotentiale, S. 70 und Margaret Visser: The Gift of thanks. The roots and rituals of gratitude. New York: Harper Collins 2008, S. 256. 89 Vgl. Visser, The Gift, S. 257. 90 Harm Grol van: Emotions in the Psalms, in: Deuterocanonical and Cognate Literature Yearbook (2011/1), S. 69-102, in: https://doi.org/10.1515/dcly.2012.2011.1.69 [abgerufen am 27. August 2019], S. 70 bezeichnet den Psalter als das emotionalste Buch der Bibel.
30
Diese Emotionalität wird in Ps 30 mittels verschiedener sprachlicher Umschreibungen, einer
metaphorischen Struktur und Figuren, die das Unaussprechliche besonders in
Grenzsituationen zu symbolisieren vermögen, dargestellt. Diese Sprache lässt sich nicht
einfach in unser (post-)modernes Verständnis einbauen. Durch sprachliche Bilder und Analyse
von Metaphern können die uns oft verborgenen Sachverhalte der Psalmen besser verstanden
werden. In diesem Zusammenhang betont Klaus Seybold, dass
(…) der Sinngehalt der Metaphern darin besteht, dass die Situation des Psalmisten als eine von Jahwe bewirkte oder zugelassene und von ihm wieder behobene Notlage dargestellt ist, die sich als Gefangensetzung, und zwar in der Tiefe der Gruft, Nähe zur Totenwelt, Lebensverlust kennzeichnen lässt.92
Sprachbilder lassen sich dahingehend nur in einer Untersuchung der Tiefenstruktur des Textes
erkennen.
3.4.4. Freude als Ausdruck der wahren Dankbarkeit in Psalm 30
„Freude ist der wahre Ausdruck von Dankbarkeit!“ 93 , schreibt Steindl-Rast ein seiner
Monografie über Dankbarkeit und betont die wesentliche Verbindung vom Gefühl der Freude
zur Dankbarkeit. Die deutsche Autorin Marie von Eber-Eschenbach greift den
Zusammenhang von Dankbarkeit und Freude in einem ihrer Zitate auf: „In jede hohe Freude
mischt sich eine Empfindung der Dankbarkeit.“94 Freude ist ein positives Begleitgefühl der
Dankbarkeit. Freude ist im Alten Testament als Hinwendung zu Gott zu verstehen. Freude
kann nur Gott selbst erwecken.95 Er stiftet damit Beziehung. Freude ist in Ps 30 daher auch
ein Schlüsselwort, um Dankbarkeit verstehen zu können.
Susanne Gillmayr-Bucher schreibt in ihrem Aufsatz Emotion und Kommunikation96 über
Emotionen und Kommunikation in biblischen Texten. Folgt man ihren Feststellungen, können
in Ps 30 folgende Merkmale gefunden werden. Die religiöse Topografie der Dankbarkeit ist
implizit durch die „nonvokale, nonverbale Manifestation“ 97 erkennbar. Dazu zählen die
91 Matheus Frank: Ein jegliches hat seine Zeit. Tempus und Aspekt im biblisch-hebräischen Verbalsystem Kamen: Spenner 2011(KUSATU 1), S. 395. 92 Klaus Seybold: Poetik der Pslamen, Stuttgart: Kohlhammer 2003 (Poetologische Studien zum Alten Testament 1), S. 194f und S. 323. 93 Steindl-Rast, Dankbarkeit, S. 23. 94 Maria Eber-Eschenbach, in: https://www.aphorismen.de/zitat/1678 [abgerufen am 03. August 2019]. 95 Vgl. Westermann, Ausgewählte Psalmen, S. 125. 96 Susanne Gillmayr-Bucher: Emotion und Kommunikation, in: Frevel, Christian (Hg.): Biblische Anthropologie. Neue Einsichten aus dem Alten Testament, Freiburg im Breisgau 2010, S. 279-290, hier: S. 281f. 97 Ebd.
31
verschiedenen sprachlichen Bilder der Freude, wie das Lösen des Trauergewandes oder das
Umgürten mit Freude (V.12). Die Freude über die Rettungstat ist ebenso eine vokale
nonverbale Manifestation, erkennbar im Ausdruck des Jubels. Am bedeutendsten ist die
Manifestation durch die verbale Thematisierung, die in Ps 30 mit dem positiv konnotierten
Wortfeld der Freude im Zusammenhang steht. Die zuvor negativen Ausdrücke (zum Beispiel
Klagen, Schreien, Weinen etc.) werden durch positive ersetzt, die am Ende in ein Gelübde und
den immerwährenden, antwortenden Dank an Gott münden. Die körperliche Erfahrung spielt
dabei eine essentielle Rolle. In welchen sprachlichen Bildern sich Dankbarkeit zeigt, soll nun
erklärt werden.98
3.4.3.1 Tanz als Ausdruck der Freude in Dankbarkeit
Der Tanz, der im Ps 30,12 angesprochen wird, steht in Verbindung mit Dankbarkeit, da er eng
an Freude und Lob gebunden ist. Das Bild des Tanzes ist bereits aus Ex 15,20 bekannt.
Mirjam tanzt mit den Frauen und lobt damit.99 So wird ein bereits bekanntes Gegenbild von
Klage, auf die ein Lob folgt, aus der Exoduserzählung in Ps 30 wieder eingeführt: „Mein
Wehklagen hast du in Tanz verwandelt, meinen Sack hast du gelöst und mich mit Freude
umgürtet.“ (V.12)
Positive Bilder, die zum Ausdruck kommen, sind der Jubel (V.6) und das Tanzen (V.12).
Gerade Lob-/Danklieder wurden, wie der deutsche Ausdruck vermuten lässt, wohl gesungen.
So konnten sie als Hymnus, also eine Preisung der Taten Gottes, fungieren.
Singen und Tanzen gehören zum grundlegenden expressiven Repertoire der Menschen.
Lob ist daher tief im Menschen verwurzelt. Deshalb ist das Lob Gottes im Alten Israel zum
Dank selbst und damit zum elementarsten Merkmal des Lebens und der Lebendigkeit
geworden. 100 „Die Toten loben Gott nicht“ (vgl. Jes 38,18f. und Ps 6,6). Das Lob der
Lebenden drückt jedoch Dankbarkeit aus.
Wie bereits beschrieben, kann der Dank erst vollzogen werden, wenn es sich um einen
performativen Akt handelt.101 Der Tanz als Ausdruck von Lob und Dank trägt die dankbare
Haltung nach außen und macht sie für das Volk sichtbar. Musik und Tanz sind als ein
98 Gillmayr-Bucher, Emotion, S. 281-284. 99 Vgl. dazu: Jörg Jeremias: Studien zur Theologie des Alten Testament, Tübingen: Mohr Siebeck 2015 (Forschungen zum Alten Testament 99), S. 217f. 100 Ebd. 101 Vgl. Michaela Geiger: Mirjams Tanz am Schilfmeer, in: Marion Keuchen und Matthias Lenz u. a. (Hg.): Tanz und Religion. Theologische Perspektiven, Frankfurt am Main: Otto Lembeck 2008, S. 59 und zur performativen Nuance siehe auch Weber, Werkbuch Psalmen III, S. 150.
32
kommunikatives und gesellschaftliches Tun zu verstehen. Erst in der Gemeinschaft (im Beten
wohl in der Gemeinschaft des Gottesdienstes) kann ein sinnstiftendes Ritual entstehen.102
V.13 macht deutlich wie das Danklied vorgetragen wurde. Es gab wohl eine/n
Solosänger/einer Solosängerin, der/die die versammelte Gemeinde zum Lob Gottes animieren
wollte. 103 Das spontane Lob im Imperativ in V.5 verbalisiert diese Aufforderungen. Sie
beginnt im Hier und Jetzt, wirkt sich aber auf die Zukunft aus. Durch den Tanz und den
Lobpreis, der vom betenden Ich ausgeht und sich auf die Öffentlichkeit hin erstreckt, kommt
sich Dankbarkeit als partizipierendes und performatives (vgl. Kap. 3.1.1.1) Element, auch
durch den Tanz, zum Vorschein.104
3.4.3.2 Ein neues Gewand als Ausdruck der Freude in Dankbarkeit
In V.12 wird eine weitere Metapher verwendet, die im positiven Bereich des Lobes und der
Freude anzusiedeln ist, nämlich die Metaphorik des neuen Gewandes. Gott zieht dieses
Gewand an, denn es ist sein persönliches Geschenk. Es ist daher als Gnadengeschenk zu
verstehen.105 Die Freude, mit dem Gott, den/die Beter/in umgürtet, spielt bereits auf die
Dankbarkeit im folgenden Vers an. Der Dank ist vom/von Beter/in auf eine Tat Gottes hin
vollzogen worden.106
Gottes Geschenk der Gnade währt ein Leben lang (V.6b), das Gericht im Gegenzug nur
„einen Augenblick“ (V.6a). Der Beter/die Beterin sieht seine Zeiten des Glücks in
Abhängigkeit von Gott. Für dieses Geschenk will auch das abschließende Gelübde und
Versprechen stehen, das die Dankbarkeit in alle Ewigkeit ausdrückt (V.13b). Der/die Betende
kann nicht vergessen, was Gott mit ihm gemacht hat. Der Psalm soll durch die Beschreibung
der geschenkten Gnade ein Exempel für die Gemeinde sein. Sie soll verstehen, dass das
Leben per se und der Glaube ein Geschenk Gottes ist. Im Gegensatz zu diesem Glauben steht
das alttestamentliche Bild des „Sheols“, das nun erklärt werden soll.
102Vgl. Stefan Kammerer: Art. Musik, in: https://www.bibelwissenschaft.de/de/stichwort/11097/ [abgerufen am 06. Juni 2019], S. 1-2. 103 Vgl. Seybold, Poetik, S. 319-326; S. 323. 104 Vgl. Alfred J. Loader: Psalm 30 Read Twice and Understood Two Times, in: OTEs 16 (2003) 291– 308, hier: S. 297. 105 Vgl. Seybold, Altes Testament, S. 126. 106 Dieser Metapher kommt auch im Christentum besondere liturgische Bedeutung zu, denn der Psalm wurde in der Frühen Kirche in der Osternacht gelesen – wohl zu Recht, wenn sie am Abend das Weinen und am Morgen, den Jubel vernehmen, der auf die Auferstehung schließen lässt vgl. dazu: Beat Weber: Werkbuch Psalmen I. Die Psalmen 1-71, Stuttgart: Kohlhammer 22016, S. 151 und Zenger, Mit meinem Gott spring ich über Mauern, S. 93f.
33
3.4.3.3 Der Sheol als Sinnbild des Glaubens und Ende der Gottesbeziehung
Der Sheol ist eng mit dem Glauben an den einen Gott verbunden und daher auch mit
Dankbarkeit. Im Alten Israel wurde die Abkehr von Gott, die Gottverlassenheit, mit dem Bild
des Sheols dargestellt. Dieser konnte im Alten Israel als ein Sinnbild für den Tod selbst
verstanden werden.107 Dort, wo man nicht an Gott glaubt, ist man tot oder, wie es Zenger
formuliert: „Wer keine Lebenskraft und keinen Lebensmut mehr hat, ‚ist‘ in der Sicht der
Bibel ‚tot‘.“108 Der Sheol beschreibt aus diesem Grund kein physisches Sterben, sondern die
gottlose Leere, in die sich Menschen begeben können. Das Leben wird in der Beziehung zu
Gott zur Quelle des Lebens. Gott leitet durch sein Wirken auch Menschen aus dem Sheol.109
Der Mensch in Ps 30 ist daher nicht wirklich gestorben. Vielmehr hat die Wirklichkeit des
Todes in sein Leben eingegriffen. Gottes Rettung spricht in diese Wirklichkeit hinein. Der/die
Gerettete ist sich über das Geschenk, die Gabe des gelingenden Lebens von Gott bewusst und
antwortet deshalb mit Danksagung (vgl. Koh 3,13; 5,18).110 Dankbarkeit ist damit an den
Glauben gebunden. In der Gottverlassenheit gibt es kein Vertrauen, keinen Glauben an Gott.
Jegliches Beziehungsverhältnis ist abgebrochen.
Durch die Analyse des Ps 30 wurde deutlich, wie das Konzept Dankbarkeit im Alten
Testament ausdrückt wird. Dankbarkeit spielt sich hier im positiven Raum ab und lässt sich
als das Maß aller Lebendigkeit im Ps 30 erläutern. Durch die Beschreibung der verschiedenen
Gefühle kann beim/bei Leser/in ein Gefühl der Empathie entstehen. Das ist charakteristisch
für die Psalmen:
Das ist in der Tat die faszinierende Eigenart der Psalmen: Es sind Gebete und Lieder aus einer lang vergangenen Zeit, und doch sind es Worte, die über die Jahrhunderte hinweg bis heute unmittelbar anrühren.111
Es sind die Bilder, die die Menschen anrühren. Sie zeigen, welchen Stellenwert Dankbarkeit
als kollektives Loben und Preisen und Ge-denken an den einen Gott Israels im Alten
Testament für den Menschen hat. Gebete wie die Psalmen geben dem Menschen ein
Kommunikationsmittel. Sie machen Raum für Gott. Damit dienen sie als Sinn-Quelle des
Lebens für die Gemeinde, sofern sie erkennt, woran das Leben letztendlich und wahrhaftig
107 Auch das Bild des Feindes, das in V.2b beschrieben wird, kann als solch eine Abkehr gedeutet werden. 108 Zenger, Mit meinem Gott springe ich über Mauern, S. 90. 109 Vgl. Jeremias, Studien, S. 226f.; Köhlmoss, Altes Testament, S. 316-319 und Westermann, Das Loben, S. 120f. 110 Vgl. Zenger, Mit meinem Gott springe ich über Mauern, S. 90. 111 Ebd. 90f.
34
hängt. Durch den Dank wird an den Schöpfer gedacht. Dabei kommt es zu einem Ge-Denken
und Bes-sinnen auf Gott. Es überwiegt die wahre Freude im Glauben als lebensstiftende
Komponente, die zu einer Begegnung mit dem Transzendenten führen kann.
35
4 Dankbarkeit im Neuen Testament
Wie im Alten Testament zum Ausdruck kommt, ist die Dankbarkeit an den Gott Israels
gerichtet, dem Gott der Heilsgeschichte, und stellt einen Kommunikationsakt dar. Gott ist ein
Gott, dessen Präsenz als ansprechbares „Objekt“ des Lobs verstanden wird. Gott ist trotz des
Objektcharakters nicht ein ferner, unansprechbarer Gott, sondern wird im Dank als ein
ansprechbarer Gott, als Subjekt, bezeichnet.112 Wenn die Beziehung Gottes aufrechterhalten
wird, kann dies nur in der Stimme und Sprache der Menschen durch Wörter des Gebets oder
Gesten geschehen; denn wo Lobpreis ist, da ist auch Dank. Lobpreis ist aber nicht allein ans
Alte Testament gebunden, auch im Neuen Testament spielt er in der Beziehung der Menschen
zu Gott eine wesentliche Rolle.
62 mal kommt der Begriff Dankbarkeit im Neuen Testament, wie er bereits in der
semantischen Analyse betrachtet wurde, vor, dreiviertel davon im paulinischen
Schriftkorpus.113 Gleichsam wie im Alten Testament ist es auch im Neuen Testament, wie
bereits durch die Begriffsbestimmung dargelegt, unzureichend, das Phänomen der
Dankbarkeit an einem einzelnen Wort festzumachen – vielmehr ist es wiederum aus dem
Zusammenhang, implizit ausgedrückt durch Emotionen und Gesten, zu erkennen.
Es wird ein Gleichnis aus den Evangelien nach Lukas (17, 11-19) sowie der Philipperbrief,
der als Prototyp der Darstellung von Dankbarkeit Corpus Paulinum dienen soll, betrachtet
und auf die verschiedenen Darstellungsweisen von Dankbarkeit hin analysiert.
4.1 Dankbarkeit bei Lukas 17, 11-19: Das Gleichnis des dankbaren
Samariters
Dankbarkeit spielt indirekt eine wesentliche Rolle im Neuen Testament, besonders wenn es
um ein Aufzeigen des Beziehungsverhältnisses zwischen Menschen und Gott geht. Es ist wohl
nicht verwunderlich, dass gerade Lukas in seiner Frohen Botschaft über Dankbarkeit schreibt,
sofern nämlich sein Hauptinteresse vor allem in der Beziehung von Herkunftsmilieu und
Glauben liegt. Das heißt, dass in seiner Verkündigung vielfach Menschen eine Rolle spielen,
112 Vgl. Ullrich Wilckens: Theologie des Neuen Testaments. Die Theologie des Neuen Testaments als Grundlage kirchlicher Lehre. Der Aufbau, Bd. 2, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener 2009, S. 255 und S. 257-258. 113 Vgl. David W. Pao: Thanksgiving. An investigation of a Pauline theme, Leicester: Apollos 2002 (New Studies in Bibical Theology 1), S. 15.
36
die jenseits der religiösen Grenzen und moralischer Ehrbarkeit stehen.114 In diesem Sinne
verwundert es nicht, dass in der Erzählung von der Heilung der zehn Aussätzigen ein
Samariter als Vorbild der wahren Dankbarkeit beschrieben wird. Diese Perikope aus dem
Leben Jesu wird im nun Folgenden genauer betrachtet, da sie Sinnbild für das Verständnis der
Dankbarkeit im Lukasevangelium und ein prototypisches Gleichnis für Dankbarkeit in den
Evangelien darstellen soll.
Der dankbare Samaritaner 11 Und es geschah, während er nach Jerusalem unterwegs war, dass er durch das Grenzgebiet von Samaria und Galiläa zog. 12 Und als er in ein Dorf hineinging, kamen ihm zehn aussätzige Männer entgegen. Sie blieben in einiger Entfernung stehen 13 und erhoben ihre Stimme und riefen: Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns! 14 Und als er sie sah, sagte er zu ihnen: Geht und zeigt euch den Priestern! Und es geschah, während sie hingingen, dass sie rein wurden. 15 Einer von ihnen aber kehrte, als er sah, dass er geheilt worden war, zurück, pries Gott mit lauter Stimme, 16 fiel ihm zu Füssen auf das Angesicht nieder und dankte ihm. Und das war ein Samaritaner. 17 Jesus aber antwortete: Sind nicht zehn rein geworden? Wo sind die übrigen neun? 18 Hat sich keiner gefunden, der zurückgekehrt wäre, um Gott die Ehre zu geben, ausser diesem Fremden? 19 Und er sagte zu ihm: Steh auf und geh! Dein Glaube hat dich gerettet.115
4.1.1 Gliederung und Aufbau von Lk 17, 11-19
Der Text gliedert sich laut Hans Klein in zwei Abschnitte. Im ersten Teil kann man die
typischen Charakteristika einer Wundererzählung erkennen: 116Auftreten des Wundertäters
(V.11), Auftreten der Hilfsbedürftigen (V.12b-13a), Herstellen von Kontakt (V.13b), Hilferuf
(V.13c), wunderwirkendes Wort (V.14b) und Feststellung des Erfolgs (V.14-15). Der zweite
Teil setzt diese Wundererzählung voraus und entfaltet ihren Schluss durch die Rückkehr des
Samariters, der Gott preist und Jesus dankt. Jesus drückt sein Erstaunen in einer direkten Rede
aus und hebt den Glauben des Samariters hervor. So kann auch gesagt werden, dass durch die
Einleitung der Leser/die Leserin auf die Episode vorbereitet wird, denn in der ersten Phase
wird Jesus den Aussätzigen gegenübergestellt und in der zweiten wird die Rückkehr des
Samariters beschrieben. Ab V.16b wird der Erzählstrang durch den Erzähler abgebrochen, um
114 Vgl. Malcom Tolbert: Die Hauptinteressen des Evangelisten Lukas, in: Georg Braumann: Das Lukas-Evangelium. Die Redaktions- und Kompositionsgeschichtliche Forschung, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1974 (Wege der Forschung CCLXXX), S. 335-353, hier: S. 342 und S. 350-351. 115 Übersetzung aus Zürcher Bibel, in: https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/zuercher-bibel/bibeltext/bibel/text/lesen/stelle/52/170001/179999/ [abgerufen am 23. Juni 2019] und Zürcher Bibel, hg. v. Kirchenrat der Evangelisch-Reformierten Landeskirchen des Kantons Zürich, Zürich 2008. 116 Vgl. Hans Klein: Lukasstudien, Göttingen: V & R 2005 (Forschungen zu Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments 209), S. 145f.
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einen Einschub zu machen, der auf die Herkunft des Zurückkehrenden Samariters verweist. 117
4.1.2 Inhalt der Perikope
In dieser Perikope wird von Lukas die Rolle von Dankbarkeit beschrieben: Jesus trifft am
Stadttor – das war der Ort, an dem Menschen am Rande der Gesellschaft aufgrund der
Quarantänevorschriften (vgl. Lev 13,45-56) leben mussten – zehn Aussätzige. 118 Jesus
befiehlt ihnen, aufgrund dieser alttestamentlichen Rechtsvorschriften, zu den Priestern zu
gehen, denn nur diese konnten darüber entscheiden, ob die Menschen rein oder unrein waren.
Als sie sich auf den Weg machten, wurden sie rein. Um dem Herrn Dank auszusprechen, kam
jedoch nur einer zurück: Es war ausgerechnet ein Samariter. An dieser Stelle kommt es zum
entscheidenden Höhepunkt des Textes, 119 da die anderen die Gabe der Heilung als
selbstverständlich ansahen. In Jesu nachfolgenden drei rhetorischen Fragen kommt die
Dimension der nicht gerechtfertigten Selbstverständlichkeit dieser Gabe zum Ausdruck
(V.17f.), denn die Heilung und Gabe im Glauben soll nicht ein selbstverständliches und
forderndes Hinnehmen darstellen. 120 Im Samariter sieht Jesus durch seinen Lobpreis die
Dankbarkeit gegenüber seiner Heilung wachsen (V.15-16), weil der Samariter sein
persönliches Lobpreisen mit dem Dank verbindet.121 Diese Darstellung in der Dankbarkeit ist
direkt mit dem Glaubensakt verbunden und lässt sich als eine dialogische Einheit verstehen.
117 Vgl. Walter Grundmann: Das Evangelium nach Lukas. Berlin: Evangelische Verlagsanstalt 31964 (Theologisches Handkommentar zum Neuen Testament), S. 334. 118 Unter „Aussatz“ (lepra) kann man heute jegliche Art von Hautkrankheiten verstehen. Der Begriff diente als Sammelbezeichnung. Der Krankheit wegen mussten die mit Aussatz Befallenen Distanz zu anderen Menschen halten und waren deshalb isoliert und dadurch von einer Gemeinschaft mit Gott ausgeschlossen. So waren sie nicht nur schwer krank, sondern auch kultisch unrein. Die Priester konnten prüfen, ob die Menschen wieder in die Gemeinde aufgenommen werden konnten und somit wieder der Gemeinschaft mit Gott beiwohnen konnten. Das heißt, dass Jesus hier für die Beziehung zu Gott verantwortlich war. Vgl. dazu: Wilfried Eckey: Das Lukas-Evangelium. Unter Berücksichtigung seiner Parallelen. 11,2-24,53, Bd. 2, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener 22006, S. 736f . 119 Vgl. Rainer Dillman und César Mora Paz: Das Lukasevangelium. Ein Kommentar für die Praxis, Stuttgart: Katholisches Bibelwerk 2000, S. 302. 120 Vgl. Grundmann, Das Evangelium nach Lukas, S. 334. 121 Vgl. ebd., S. 337.
38
4.2 Die verschiedenen Facetten der Dankbarkeit im Gleichnis des
dankbaren Samariters
Besonders in diesem Gleichnis lassen sich verschiedene Verbindungen zur Darstellung der
Dankbarkeit ziehen. Diese lassen sich zum Beispiel als eine Form des Glaubens und als
Ausdruck des Lobes beschreiben. Darüber hinaus wird der Person des Samariters eine
wichtige Rolle als Vorbild im Glauben zugeschrieben, wenn er aufgrund der Gabe Jesus und
so Gott in Dankbarkeit gegenübertritt. Wie sich diese Facetten der Dankbarkeit im Gleichnis
darstellen lassen, wird folgend näher beleuchtet.
4.2.1 Danken als Form des Glaubens im Lukasevangelium
Schon durch die vielfältigen Überschriften zum Ursprungstext wird erkannt, dass die
Erzählung immer im Verhältnis von Glauben und Dankbarkeit gelesen werden kann: Die
Zürcher Bibel gibt dieser auch die Überschrift „Der dankbare Samaritaner“, darüber hinaus
fügt Hans Klein in seinem Kommentar zu dieser Bibelstelle noch das Attribut „vorbildlich“
dem Samariter hinzu und stellt die Perikope unter den Titel: „Aspekte des Glaubens“.122
Allein diese Überschriften lenken den Leser/die Leserin bereits in eine gewisse Leserichtung,
wodurch die Bibelstelle mit Dankbarkeit und Glaube in einer Synthesis zueinander stehen und
sich daraus schließen lässt, dass das Verhalten dieses Samariters das eines wahren
„christlichen“ Glaubens ist. Dadurch kann man indirekt durch die Überschriften der
verschiedenen Kommentatoren erahnen, dass Glaube und Dankbarkeit in Zusammenhang
stehen.
Im Verlauf der Perikope wird ebenso dieses Verhältnis deutlich, indem Jesus nicht
Dankbarkeit seiner eigenen Person gegenüber fordert, sondern dass er den Menschen darauf
hinweist, dass der Urgrund aller Heilung bei Gott selbst liegt und der Samariter dafür dankbar
sein soll.123 Und hier verwendet auch Jesus selbst das Wort „Glauben“, wenn er in V.19c sagt:
„Dein Glaube hat dich gerettet!“ Dadurch wird in der Rückkehr des Samariters das Geheimnis
des Glaubens, der Dankbarkeit gegenüber Gott, offenbart und kann verstanden werden.124
Daraus lässt sich schließen, dass die Heilung auch als ein Akt der Umkehr, des Glaubens an
den einen Gott verstanden werden kann. Physische Heilung kann durchaus gegeben sein, was
122 Klein, Lukasstudien, S. 145-146 und Jacob Kremer: Lukasevangelium, Würzburg: Echter 1988 (Die Neue Echter Bibel. Kommentar zum Neuen Testament mit der Einheitsübersetzung 3), S. 170. 123 Vgl. ebd., S. 335. 124 Vgl. Wilson, The theological Roots, S. 17f. und vgl. Stefan Jäger: Die Lebenskunst der Dankbarkeit, in: https://www.johanneum.net/fileadmin/user_upload/Dokumente/Dokumente_ab_Nov_13/Lebenskunst_Dankbarkeit.pdf [abgerufen am 14. April 2019].
39
aber noch viel wichtiger ist, ist die Ausrichtung auf Gott hin. Der Geheilte soll erkennen, dass
Gott selbst anwesend im Heilsakt ist. Die wirkliche Heilung gelingt nicht in der alleinigen
Dankbarkeit Jesu und dessen Handeln gegenüber, sondern erst durch den Akt des Glaubens
und das Vertrauen gegenüber Gott selbst. Genau darauf kommt es nämlich an: Der Samariter
kehrt um wie es in der Geschichte bildlich dargestellt wird, um zu danken und Gott zu ehren
und ist auf der Seite Jesu und dieser mit ihm.125 Es ist also nicht nur „Antwort“ und eine
„Sache des Herzens“, sondern es betrifft den Glauben als Anerkennen des Verheißungswortes
(vgl. Lk 1,45).
„Umkehren“ in Zusammenhang mit dem Glauben ist dahingehend die Versinnbildlichung
des vorübergehenden Tuns, in dieser Unterbrechung kann erst Platz und Raum für eine wahre
Dankbarkeit, das mit Staunen und Lob einhergeht. Der Samariter ist nämlich der, der nicht nur
an sich denkt und an seine Heilung wie die anderen, sondern erkennt, dass er von jemanden
abhängig war.126 In den Gedanken der anderen ist kein Raum, sich bei Gott zu bedanken und
das Wunder der Heilung, das ihnen widerfahren ist, zu erkennen.127 Erst im Erkennen der
Heilstat Gottes und den Gedanken darüber, wie der Psychologe Giuseppe Gulli formuliert,
kann eine Beziehung zwischen Geber/in und Nehmer/in entstehen. Der Blick muss von der
Selbstverständlichkeit und der Alltäglichkeit abgewandt werden, um somit den wahren
Geschenkcharakter des Wunders zu sehen.
Darüber nachzudenken und umzukehren und das Gegebene zu erkennen „belebt ihre
Farben, enthüllt das Wunderbare und gibt die Freude darüber zurück, all das als Geschenk
erhalten zu haben.“ 128 Glaube ist im Neuen Testament als ein Christusglauben selbst zu
verstehen. Er ist dahingehend „pistis“, der durch Christus entstanden ist, auf Christus
ausgerichtet ist und letztlich an ihn auch gebunden ist.129
So ist für den Samariter selbst klar: Er empfängt seine Heilung als Gnade – als ein
Geschenk, das er dankbar annehmen kann und muss. 130 Wer also in Dankbarkeit mit Gott
lebt, verändert seine/ihre Denkart auf die Dinge und Einstellungen zum Leben und lässt Dinge
nicht einfach selbstverständlich werden. Der Samariter verliert mit seiner Geste zwar an Zeit,
125 Vgl. Rudolf Pesch: Jesu ureigene Taten? Ein Beitrag zur Wunderfrage, Freiburg/Basel/Wien: Herder 1970 (Quaestiones Disputatae 52), S. 133. 126 Vgl. Giuseppe Galli: Psychologie der sozialen Tugenden, Wien/Köln/Weimar: Böhlau 22005, S. 76. 127 Vgl. ebd. 128 Galli, Psychologie, S. 77. 129 Vgl. Gerhard Friedrich: Glaube und Verkündigung bei Paulus, in: Ferdinand Hahn und Hans Klein: Glaube im Neuen Testament. Studien zu Ehren von Hermann Binder anlässlich seines 70. Geburtstags, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener 1982, S. 93-113, hier: S. 105. 130 Vgl. Grundmann, Lukas, S. 337.
40
aber er gewinnt eine wertvolle Beziehung zum Schöpfer im Glauben hin.131 Der Glaube ist
dabei ein Akt der Rückbesinnung auf das, was Vertrauen und Kraft schenkt. Durch die
Rückbesinnung auf die Wundertat Jesus und auf das Hinwenden zur ursprünglichen Quelle
der Gnade, konnte sich die Heilung vollziehen.132 Erst wer erkennt, wo der Ursprung der
Gnade liegt, kann den Glauben, das Vertrauen wirklich leben, das ebenso Karl Rahner in einer
seiner Sonntagspredigten zu ebendiesem Evangelium zum Ausdruck bringt:
Der Mensch muss hinabsteigen zu den letzten Tiefen seines Seins, muss den Weg zurückgehen zu den letzten Quellgründen seines Wesens. Dann wird er inne, dass das Haus seines Lebens auf fremden Grund steht, dass all sein Sein bis zum letzten Tropfen erflossen ist aus Quellgründen, die nicht ihm gehören. Er erkennt, dass er geschaffen ist. Er ist nicht aus sich, er ist aus dem Willen und der Gnade eines anderen.133
Alles was der Mensch ist und was er hat, das ver-dankt er Gott, dem Schöpfer des Himmels
und der Erde, auf den alles zurückzuführen ist. Wenn ein dankbarer Mensch zu Füßen Jesus
liegt und in der Ferne neun andere Menschen stehen, dann hat er verstanden, worum es in der
Beziehung zu Gott geht: Wir haben keine größere Schuld als Gott selbst gegenüber. 134
Dankbarkeit ist ein Verhältnis zwischen Ich und Du, das über ein Schuldverhältnis hinaus
reicht, dieses offenbart sich (auch in dieser Perikope) als eine Relation in einer Zuwendung
aus Liebe von Gott zum Menschen.
4.2.2 Dankbarkeit als ein dialogischer Vollzug
Ebenso wird in dieser Erzählung Dankbarkeit als ein interpersonaler Akt verstanden, wenn es
um den relationalen Akt geht: Der Samariter kehrt zu Jesus, dem er glaubt, Dank schuldig zu
sein, zurück, und fällt auf den Boden nieder. Durch diese Geste kann er seinen persönlichen
Dank ausdrücken. In dieser Haltung wird das Beziehungsverhältnis auf horizontaler Ebene
zum Ausdruck gebracht.
Die Dankbarkeit richtet sich darüber hinaus in einer vertikalen Ebene besonders auf die
göttliche Zuwendung, die erlösend und heilswirkend auf den Samariter wirkt und in Liebe
131 Vgl. Galli, Psychologie, S. 76. 132 Vgl. Klein, Lukasstudien, S. 145-146. 133 Karl Rahner: Predigt auf den 13. Sonntag nach Pfingsten, in: ders.: Sämtliche Werke- Frühe und spirituelle Texte und Studien. Grundlagen im Orden bearb. v. Karl Kardinal Lehmann und Albert Raffel, Bd. 1, Freiburg/Basel/Wien: Herder, S. 408-410, hier: S. 409. 134 Vgl. dazu: Peter Stuhlmacher: Klage und Dank. Exegetische und liturgische Überlegung zu Römer 7. Martin Hengel zum 7. Geburtstag am 14. Dezember 2001, Neukirchen: Neukirchener 2001 (JBTh 16), S. 55-72.
41
geschieht. Auf diese liebevolle Zuwendung soll der Mensch mit Dank antworten,135 sodass
Dankbarkeit Ausdruck einer wertschätzenden Beziehung zwischen Menschen und Gott
darstellen, zwischen dem Ich und dem Du entsteht ein Verhältnis zu Christus. Dank zu sagen
ist dahingehend ein Zugeben der Christusheilung und wird als ein Sich-Ausdrücken des
Glaubens verstanden. 136 Somit steht der dankbare Samariter mit seiner individuellen
Dankbarkeit und Frömmigkeit der Person Jesu gegenüber. Mit Hilfe seines Glaubens, seiner
Dankbarkeit und seines Lobes begegnet der Samariter wirklich dem Träger des Wortes Gottes,
dem Messias, und durch ihn Gott selbst.137 Dank wird hier als ein Zuwenden zu Christus/Gott
gesehen und als ein Erinnern an das, was Gott für uns getan hat und spiegelt sich im Vertrauen
auf das wider, was noch kommen wird.
In diesem Beziehungsverhältnis lässt sich wieder das angesprochene „Du“, der Gott
Israels, erkennen, dem aller Dank gebührt und zu dem sich der/die Gläubige hinwendet.
Zuvor hat nämlich dieser Gott auf den/die Gläubige in einem zugewendeten Akt eingewirkt.
Daraus kann ein dialogisches Verhältnis entstehen: Das „Ich“ des Gläubigen tritt dem „Du“
der Heilstat, Gott selbst, entgegen und bedankt sich bei ihm für dessen Taten.
4.2.3 Dankbarkeit als eine Form des Lobens
Über den interpersonalen Akt wird wie im Alten Testament schon ein besonderer mit der
Dankbarkeit biblisch eng verknüpfter Gestus erwähnt: das Lob. Der Samariter ist es, der
nämlich mit der Geste des Dankes zurückkehrt und nicht nur seinen Dank an Jesus richtet,
sondern der Dank geht über Jesus hinaus und wird auf Gott selbst, den Urgrund seiner
Heilung, gerichtet,138 was im Preisen und Hinfallen zum Ausdruck kommt. Der Samariter lobt
Gott mit lauter Stimme und zeigt somit seine Dankbarkeit nach außen hin in der ihm
widerfahrenen Gnade und Zärtlichkeit.139 So kann auch im Preisen der Weg zu Gott geöffnet
135 Vgl. Karl Hörmann: Art. Dankbarkeit, o. A. 1976 (LChM), S. 237-240., in: https://www.stjosef.at/morallexikon/dankbark.htm [abgerufen am 14. April 2019]. 136 Vgl. Pao, Thanksgiving, S. 71. 137 Ebd. 138 Vgl. Karl Wennemer: Dankbarkeit und Danken in der Heiligen Schrift, in: https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=2ahUKEwitvZKM06fjAhWmw6YKHTnJDwsQFjAAegQIARAC&url=https%3A%2F%2Fwww.geist-und-leben.de%2Fcomponent%2Fdocman%2Fdoc_download%2F1813-37-1964-6-408-421-wennemer-0.html&usg=AOvVaw1O3C6xIc-Hf6e2TI1msFAO [abgerufen am 07. Juli 2019], S. 410. 139 Vgl. Eckey, Lukas-Evangelium, S. 737.
42
werden, wie es in Ps 50,23 zum Ausdruck kommt: „Wer Dank opfert, ehrt mich und wählt den
Weg, auf dem ich ihn Gottes Hilfe schauen lasse."140
4.2.4 Der Samariter als Vorbild des Christusglaubens durch seine Dankbarkeit
Was in diesen Versen (V.17-18) angesprochen wird, ist die Selbstverständlichkeit, mit der die
anderen neun ihre Heilung erfahren, was sich im Staunen Jesu ausdrückt. Nur einer hat es
verstanden, dass man dankbar den Taten des Herrn gegenübertritt – der Samariter ist
dahingehend ein Vorbild im Glauben an Gott selbst und in seinem Vertrauen. Die Perikope
möchte betonen, dass jeder stets dankbar sein soll – egal welcher Gruppe er angehört. Dies
spielt wiederum auf die Theologie des Lukas an, der vor allem die Kluft zwischen den Armen
und Reichen, zwischen der Elite und Nicht-Elite aufheben wollte und dabei Kritik gegenüber
dem politischen System und der staatlichen Macht übt.141
Es ist das beispielhafte Leben Christus, das vor allem durch die Worte und Taten Jesus zum
Ausdruckt kommt und das im Zentrum seiner Ethik steht. Diese Darstellung soll die Lesenden
aufmerksam machen, in welcher Weise sie dem Gegenüber auf immanenter und
transzendenter Ebene begegnen sollen. Nicht der Schein ist wichtig, sondern das, was man
wirklich im Herzen fühlt, wahrhaftig glaubt und aktiv lebt. Der Glaube ist, wie im gesamten
lukanischen Doppelwerk, an die Person Jesus Christi und sein Handeln gebunden. Diese
Handlungen sollen angenommen werden und dienen als eine Form der gemeinsamen
Identität, indem sie auch eine Art Verhaltensnorm aufzustellen versuchen.142
Die Geschichte des dankbaren Samariters könnte laut Udo Schnelle so als ein Modell
falschen und richtigen Verhaltens gedeutet werden, in der vor allem die Dankbarkeit ihren
Dreh- und Angelpunkt als Handelsorientierung zugesprochen bekommt.143 Darüber hinaus
sollen diese Geschichten die Gemeinde dazu aufrufen, sich barmherzig und in Zärtlichkeit
über Grenzen hinweg zu verhalten, ihr Leben nicht auf Materielles zu bauen und sich in
wirklicher Demut und Dankbarkeit gegenüber Gott und den Nächsten zu üben.144
140 Übersetzung aus Zürcher Bibel, in: https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/zuercher-bibel/bibeltext/bibel/text/lesen/stelle/19/500001/509999/ [abgerufen am 23. Juni 2019]. 141 Vgl. Bormann, Theologie des NT, S. 317-319. 142 Vgl. Wolfgang Schenk: Glaube im lukanischen Doppelwerk, in: Ferdinand Hahn und Hans Klein: Glaube im Neuen Testament. Studien zu Ehren von Hermann Binder anlässlich seines 70. Geburtstags, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener 1982, S. 69-92, hier: S. 90. 143 Vgl. Udo Schnelle: Theologie des Neuen Testaments, Wien/Köln/Weimar: V & R 22014 (UTB 2917), S. 476-477. 144 Vgl. ebd., S. 476f.
43
Dankbarkeit kann deshalb nicht als ein einmaliger Akt beschrieben werden, sondern muss
über das Leben hinaus gelebt werden. Die Perikope stellt dies zwar handlungsweisend in einer
Situation dar, aber diese Situation soll über das gegenwärtig Geschehene hinaus gehen und
zeigen, wie Gott in die Welt eingreift und inwiefern der Mensch auf dieses Eingreifen zu
Dank verpflichtet ist. Dank nimmt in diesem Sinne einen großen Stellenwert in Bezug auf den
Glauben und auf das Vertrauen in die Zukunft ein und soll keine Selbstverständlichkeit sein,
denn in der Selbstverständlichkeit des Dankes wird leicht die Gabe, das Geschenk Gottes
übersehen, wie es in dieser Perikope durch die anderen Geheilten zum Ausdruck gekommen
ist.
4.3 Dankbarkeit in der paulinischen Briefliteratur
Im vorangehenden Kapitel wurde Dankbarkeit im lukanischen Sondergut betrachtet und die
Synthesis zwischen christlichem Glauben und (ein-)geforderter Dankbarkeit in der Beziehung
zu Gott dargestellt. Durch die Hinwendung zu Gott verändert sich der Blick auf die Welt,
verändert sich der Mensch. Der Dank ist dabei Ausdruck für ein Erkennen der jeweiligen
Gabe, die von Gott geschenkt wurde. Dieser geschenkten Gnade wird im Corpus Paulinum
besonderer Stellenwert zugeschrieben und findet seinen Ausdruck in der Ethik des Paulus.
Deshalb wird nun der Philipperbrief des Apostels betrachtet, um diese Aspekte ansatzweise
erläutern und darstellen zu können.
Im paulinischen Korpus wird Dankbarkeit different zu den bereits bearbeiteten Texten
dargestellt bzw. eingearbeitet. Dies liegt nicht nur an der Form der überlieferten Schriften als
Brief(-literatur), sondern auch am paulinischen Schreibstil, dem hellenistischen Einfluss und
der ersten Überlieferung des noch jungen Evangeliums in den Briefen an die Gemeinden
selbst. Durch die facettenreiche Darstellung der Dankbarkeit in seinen Briefen, kann Paulus
wohl auch als ein Vorbild der Dankbarkeit durch den Glauben beschrieben werden. Diese
Wichtigkeit der Dankbarkeit wurde schon 1938 von Paul Schubert in seiner Monografie
bearbeitet, in der er sich mit den Vorkommnissen des Begriffs in den Paulusbriefen befasste
und somit den Grundstein für die weiteren wissenschaftlichen Analysen über die Dankbarkeit
in der Paulusforschung legte.145
Deshalb werden im folgenden Abschnitt die verschiedenen Dimensionen bei Paulus in
Bezug auf die Dankbarkeit betrachtet, die sich über die Dankbarkeit als Pflicht bis hin zur
145 Siehe dazu: Paul Schubert: Form and Function of the Pauline Thanksgiving, Berlin: Töpelmann 1939 (Beihefte zur Zeitschrift für die Neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche 20).
44
Dankbarkeit als Ausdruck des Glaubens beschreiben lassen, die jedoch weit über Schuberts
Forschungen erläutert werden möchten.
4.3.1 Horizontale Dankbarkeit als Ausdruck des vertikalen Beziehungsverhältnisses
zu Gott
Bei Paulus wird die vertikale und horizontale Ebene der Dankbarkeit noch einmal deutlicher
als in den vorangehenden Textstellen, da beide Ebenen durch die Form des hellenistischen
Briefstils im engeren Sinn zu erkennen sind. Gerade wenn im Umkreis des Paulus in der
griechischen Philosophie ein essentielles Thema der Umgang mit den Mitmenschen und den
Göttern war,146 lässt sich die paulinische Theologie und deren Schwerpunkt auf ein gutes
Miteinander (im Glauben) mit ihren aktiven Handlungsanweisungen verstehen.
Schon der Ausdruck „Efcharisto“ findet sich in der Einleitung der paulinischen Briefe.
Primär ist dieser ein Kennzeichen des hellenistischen Schreibstils der Briefe, die durch ein
Präskript eingeleitet werden, in dem der Verfasser/die Verfasserin dem Empfänger/der
Empfängerin eine Vorbereitung auf den Inhalt des Briefes gibt. 147 Nach dieser kurzen
Einleitung folgt das Proömium, das ein Medium darstellt, in dem prototypisch Dankbarkeit
als ein Beziehungsverhältnis in vertikaler Ebene, also zu seiner Gemeinde hin, erkannt wird.
Ein Beispiel, das die Beziehung und die Stellung eben diesen in der Gemeinde in besonderer
Weise zum Ausdruck bringt, ist der Römerbrief: In diesem wird dem Ehepaar Priska und
Aquila, das in der römischen Gemeinde beheimatet war, besonderer Dank ausgesprochen:
„Grüsst Priska und Aquila, meine Mitarbeiter in Christus Jesus, die, um mir das Leben zu
retten, ihren Kopf hingehalten haben; nicht nur ich bin ihnen dankbar, sondern auch alle
Gemeinden unter den Völkern“ (Röm 16,3f.). Zuerst grüßt Paulus und spricht anschließend
seine tiefgründige Verbindung zu diesem Ehepaar aus. Abgeschlossen wird diese
Hervorhebung durch den Dank. Dabei muss betont werden, dass die vertikale Ebene des
Dankes jedoch über das Ehepaar hinaus geht und in einer horizontalen Ebene mündet, denn
Paulus möchte sich in erster Linie bei Gott selbst bedanken, der für die Existenz und die
Charismen dieser beiden Gemeindemitglieder verantwortlich ist.148 Der Dank ist also nur
indirekt an das Ehepaar adressiert.
146 Vgl. Martin Meiser: Eigenart paulinischer Ethik, in: Horn Friedrich W. (Hg.): Paulus Handbuch, Tübingen: Mohr Siebeck 2013, S. 441 und Bormann, Theologie des NT, S. 173. 147 Vgl. Peter Wick: Paulus, Stuttgart: V&R 2006 (UTB basic), S. 90-98, hier: S. 90. 148 Vgl. ebd., S. 92f.
45
Was hier als Beispiel durch das Ehepaar Priska und Aquila beschrieben wurde, kann auch
auf Phil 1,3 übertragen werden: „Ich danke meinem Gott, sooft ich an euch denke“149 Hier
geht der Dank an die ganze Gemeinde, an das Kollektiv, das sich wiederum in der
horizontalen Ebene auf Gott hin ausrichtet, der die Quelle jeglichen Tuns ist. Trotz der
Tatsache, dass der Dank auf Gott ausgerichtet ist, stiftet er auch hier wiederum Beziehung in
der Gemeinde und zeigt besonders die Wert-schätzung, die sich durch die Dankbarkeit
ausdrückt, gegenüber seiner Gemeinde/seinen Gemeinden.
Das Präskript, in dem der Dank an Gemeinde oder besondere Menschen unterstrichen
wird, führt weiter in das Proömium das vor allem eine Fürbitte beinhaltet, die in ein
Dankgebet mündet. Das Proömium soll im Ersten das Interesse der Hörer/Hörerinnen stiften,
das heißt, dass durch diese Einleitung Aufmerksamkeit und Wohlwollen gesteigert wird. Dies
hat besonderen Wert, da die Briefe zwar schriftlich verfasst wurden, aber man sicher war, dass
sie in der Gemeinde laut rezitiert wurden, um den Inhalt allen Gemeindemitgliedern zu
übermitteln.150 Inhaltlich wenden sich diese Teile immer dem (Ur-)Grund Gottes und seinem
Wirken in den Evangelien durch Jesus Christus zu, sodass der Glaube in der Gemeinde
vermittelt werden kann. 151 Ausdruck findet diese Vermittlung in der Korrespondenz der
paulinischen Briefe, die als Kommunikationsmittel Beziehung und Identität in der Gemeinde
stiften und in der Verkündigung der Frohen Botschaft jegliche räumliche Distanz überwindet.
Als weiteres Beispiel kann hier der Philipperbrief angegeben werden, der auf besondere
Weise versucht, Beziehung zur Gemeinde zu stiften und das Evangelium zu verkünden. Diese
beiden Ziele können in diesem Brief insbesondere im Zusammenhang mit der Dankbarkeit
gelesen werden. Paulus versucht darin Dankbarkeit als Pflicht, als Ausdruck des Glaubens
und darüber hinaus als eine annähernde Tugend zu beschreiben, die bis hin zu einem Ethos
der Dankbarkeit in der paulinischen Lektüre charakterisiert werden kann.
4.3.2 Dankbarkeit im Philipperbrief
Das Präskript beschreibt im Besonderen das Beziehungsverhältnis zur Gemeinde, durch die
Paulus sich in Dankbarkeit ausdrückt und die sich durch „Gnade“ kennzeichnet. Gerade wenn
es im Gruß um diese Gnade, um „Chaire“ geht, wird der enge Zusammenhang mit der
149 Nachfolgende Übersetzungen entstammen aus der Zürcher Bibel, in: https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/zuercher-bibel/bibeltext/bibel/text/lesen/stelle/60/10001/19999/ [abgerufen am 23. Juni 2019]. 150 Vgl. Stefan Schreiber: Paulus als Briefschreiber. Vom Absender zum Adressaten, in: Horn, Paulus Handbuch, S. 137ff. 151 Vgl. Béda Rigaux: Paulus und seine Briefe. Der Stand der Forschung, München: Kösel 1964 (Biblische Handbibliothek 2), S. 167-170.
46
Dankbarkeit in seiner Wortwurzel deutlich. Wenn also die Gnade, das Geschenk oder die
Freude bei Paulus im Vorwort zur Geltung kommt, kann diese schon auf die Dankbarkeit
hinweisen, die er der Gemeinde und Gott gegenüber hegt, die auch wiederum mit der Emotion
der Freude in Verbindung steht. Diese Verbindung wird vor allem durch die Anwendung des
Wortes „Freude“, das sich wie ein Leitwort durch den Philipperbrief zieht, deutlich.
Nach dieser Einleitung folgt die epistologische Danksagung und das Vorwort des Briefes
selbst. Diese briefliche Danksagung unterliegt laut Béga Rigaux einer besonderen Struktur:152
Zu Beginn wird das Beten zu den Adressaten/Adressatinnen betont (Phil 1,4), dann wird in
den Gedankengang der Beglückwünschung ihre Anteilnahme am Evangelium angeführt (Phil
1,5). Der Abschluss dieses Teils wird durch einen hohen Anteil an Emotionalität geprägt,
diese Emotionalität lässt sich als ein Dreh- und Angelpunkt für weitere Gedankengänge über
die Dankbarkeit in der paulinischen Briefliteratur erkennen.
Dank und Fürbitte (Phil 3-11) Ich danke meinem Gott, sooft ich an euch denke, 4 wenn immer ich für euch alle bitte und voll Freude für euch eintrete im Gebet: 5 Ich danke dafür, dass ihr am Evangelium teilhabt, vom ersten Tag an bis heute, 6 und ich bin dessen gewiss, dass er, der das gute Werk in euch angefangen hat, es bis zum Tag Christi Jesu auch vollendet haben wird. 7 Es ist auch nichts als recht, dass ich so von euch allen denke. Denn ihr wohnt in meinem Herzen, und an der Gnade, die ich im Gefängnis und vor Gericht bei der Verteidigung und Bekräftigung des Evangeliums erfahren habe, habt ihr alle teil. 8 Gott ist mein Zeuge: Ich sehne mich nach euch allen, so wie auch Christus Jesus herzlich nach euch verlangt. 9 Und ich bete dafür, dass eure Liebe reicher und reicher werde an Erkenntnis und zu umfassender Einsicht gelangt, 10 und dass ihr so zu prüfen vermögt, worauf es ankommt; dann werdet ihr rein sein und ohne Tadel am Tag Christi, 11 erfüllt von der Frucht der Gerechtigkeit, die Jesus Christus wirkt, zur Ehre und zum Lob Gottes.
Wie sich nun der Brief als ein Brief der Dankbarkeit lesen lassen kann, findet sich, wie bereits
erwähnt, im Begriff „Chaire“, der Freude, der sich wie ein roter Faden durch den
Philipperbrief zieht, wieder.153 Paulus war zur Zeit der Abfassung, wahrscheinlich auf seiner
zweiten Missionsreise, ein Gefangener (vgl. Fesseln), und dennoch begleitet ihn der
Grundduktus der Freude (vgl. Phil 1,4). Er schreibt Folgendes an seine Gemeinde:
So hat sich im ganzen Prätorium und weit darüber hinaus die Kunde verbreitet, dass ich um Christi willen in Fesseln liege, und die Mehrzahl der Brüder und Schwestern ist durch meine Gefangenschaft in ihrem Vertrauen zum Herrn gestärkt worden und wagt nun immer entschiedener, das Wort ohne Furcht weiterzusagen. (Phil 1, 13)
152 Vgl. Rigaux, Paulus und seine Briefe, S. 171f. 153 Vgl. Walter Kirchschläger: Paulusbriefe vorgestellt, Klosterneuburg: Österreichisches Katholisches Bibelwerk 1983 (b.5), S. 65f.
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Die Freude, wie schon des Öfteren gesagt, ist eng an Dankbarkeit geknüpft und unterstreicht
somit das Beziehungsverhältnis zwischen Paulus und Gott. Freude ist darüber hinaus das
Sinnbild für die Hinwendung zu Gott, dem die Gemeinde Vertrauen schenkt/schenken soll. An
diesen Gott soll zuerst gedacht und in einem weiteren Schritt soll ihm gedankt werden.
Dementsprechend wirkt der Dank an dieser Stelle als ein sinnstiftendes Element,154 da sich
die Gemeinde im Glauben an Gott hin ausrichtet und seiner ge-denkt. Der Dank wird an das
„Du“ des Glaubens ausgerichtet und in der Gemeinde erlebbar, so postuliert es Paulus (vgl.
Phil 1,29): „Ihr habt die Gnade empfangen, euch für Christus einzusetzen: nicht nur an ihn zu
glauben, sondern auch für ihn zu leiden.“
„Charis“ ist also ein Begriff, der immer in Verbindung mit Gott selbst steht und dessen
Bedeutung eng an den Glauben gebunden ist. Dies wird später näher betrachtet werden, wenn
Glaube und Dankbarkeit in ihrem Verhältnis zueinander erläutert und das dialogische Prinzip
angewendet wird. Die Verbindung zwischen Paulus und seiner Gemeinde in Philippi wird
darüber hinaus in diesem Brief auch auf einer materiellen Ebene und in einem
Schuldverhältnis deutlich.
a. Die Pflicht der Dankbarkeit
Die Pflicht der Dankbarkeit fußt auf einer antiken und so auch hellenistischen Anschauung
des (Gaben-)Austausches, der in eine Form der Schuld mündet. Ein Geben unterliegt einer
nachfolgenden Geste, die sich verschiedenartig ereignen kann. Wie es zum Beispiel in der
hellenistischen Ethik von Aristoteles,155 Cicero156 und Seneca157 erläutert wird. Dankbarkeit
beruht immer auf Gegenseitigkeit, aber nicht im Sinne einer Lohn- und Vergeltungsmoral.158
Der Dank selbst ist in diesem Austausch ein verbindendes Element zwischen zwei
Menschen. Der/die Beschenkte gibt rückwirkend eine Gabe zum Beispiel in Form von Worten
dem/der Gebenden zurück. Im Philipperbrief wird dieser Form des Gabenaustausches eine
wichtige Rolle zugeschrieben, da Paulus aufgrund seiner Gefangenschaft wohl an eine
154 Vgl. Joachim Gnilka: Der Philipperbrief, Freiburg/Basel/Wien: Herder 1968 (HtKnT 1/3), S. 41-49. 155Vgl. dazu z. B.: Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übers. und hg. v.: Krapinger Gernot, Stuttart: Reclam 2017 (Reclams Universal-Bibliothek 19448): Es ist jene Haltung des Wohlwollens, die beschreiben wird: Der Mensch tut das Gute für den anderen um des Guten Willens. Wohlwollen ist dabei die Tugend, die die Mitte zwischen Selbstzentriertheit des Egoismus und der Fremdheit des Altruismus darstellt und geht über jede Zweckmäßigkeit hinaus, vgl. dazu: Werner Garms: Dankbarkeit. Ein Brevier der Lebenskunst. Theologie der Dankbarkeit, Graz u.a.: Schnider 1997, S. 11, 13. 156 Vgl. Garms, Dankbarkeit, S. 43; hier schreibt der Autor über Ciceros Anschauung: „Es (gibt) keine unerlässliche Pflicht, als Wohltaten zu erwidern.“ 157 Vgl. ebd., S. 15f. 158 Ebd.
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finanzielle Gabe gebunden war, die er von seiner Gemeinde in Philippi erhielt. Für diese
materielle, irdische Hilfe bedankt er sich (Phil 4,10-20):
Dank für empfangene Hilfe Ich habe mich im Herrn sehr gefreut, dass ihr eure Fürsorge für mich endlich wieder entfalten konntet; ihr habt ja stets daran gedacht, hattet aber keine Gelegenheit dazu. 11 Ich sage das nicht, weil mir etwas fehlt; ich habe nämlich gelernt, in allen Lagen unabhängig zu sein. 12 Ich kann bescheiden leben, ich kann aber auch im Überfluss leben; in alles und jedes bin ich eingeweiht: satt zu werden und Hunger zu leiden, Überfluss zu haben und Mangel zu leiden. 13 Alles vermag ich durch den, der mir die Kraft dazu gibt. 14 Doch ihr habt gut daran getan, meine Not zu teilen. 15 Ihr in Philippi wisst ja selbst, dass am Beginn der Ausbreitung des Evangeliums, als ich von Makedonien aufbrach, keine Gemeinde mit mir Gemeinschaft hatte im Geben und Nehmen ausser euch, 16 ja, dass ihr mich auch in Thessalonich das eine oder andere Mal unterstützt habt. 17 Nicht dass ich auf eure Gabe aus wäre, nein, ich suche den Ertrag, der euren Gewinn mehrt. 18 Ich habe alles erhalten und habe nun mehr als genug. Ich bin mit allem versorgt, da ich von Epaphroditus eure Gabe erhalten habe, einen lieblichen Duft, ein willkommenes, Gott wohlgefälliges Opfer. 19 Mein Gott aber wird all euren Mangel beheben nach seinem Reichtum, durch die Herrlichkeit in Christus Jesus. 20 Gott aber, unserem Vater, sei Ehre in alle Ewigkeit, Amen.
Die materielle Schuld und die Für-Sorge der Gemeinde wird dahingehend durch eine verbale
Form des Dankes an die Gemeinde geäußert. Aber die Gegengabe geht in Paulus´
Argumentation über den Dank an die materiellen Güter hinaus, wiederum hin zu einem Dank,
der „in der Fülle des Herzens“ (Phil 1,4ff.) des Apostels wurzelt und Ausdruck eines
verbindenden Elements des Glaubens ist. Für Paulus ist klar, dass er von der Gnade des Herrn
spricht, auch wenn er von den Gemeindemitgliedern die finanzielle Unterstützung bekommen
hat. Dies bedeutet, dass die Gemeindemitglieder Paulus etwas Materielles geben, sie erhalten
aber ihren ganzen Lohn aus der vertikalen Ebene, von Gott selbst. Das verbindende Element
ist also wiederum der Glaube an den einen Gott, das Vertrauen an diesen, das sich in der
Dankbarkeit manifestiert und durch Paulus angesprochen wird.
b. Dankbarkeit als ein Akt des Vertrauens zu Gott hin
Schon im Dankgebet im Proömium konnte der positive Grundton, das Verhältnis zwischen
Paulus und seiner Gemeinde auf der horizontalen Ebene beschrieben werden. Es ist in einem
dialogischen Verhältnis zwischen Gott und der Gemeinde anzufinden, aber in diesem
horizontalen Verhältnis geht es nicht um eine Pflicht der Dankbarkeit gegenüber Gott, sondern
um die gegebene Gabe der Dankbarkeit, die im Herzen der Gläubigen selbst gründet.
Durch die Dankbarkeit, die Paulus aus seinem Herzen und in der Freude heraus lebt
(vgl. Phil 1), kann er als ein Vorbild der Dankbarkeit in der Gemeinde erkannt werden. Paulus
möchte durch das aktive Handeln, das aktive Anwenden seiner Danksagungen in Demut,
49
Vorbild sein, das die Gemeinde selbst leben soll:159 „Folgt meinem Beispiel, liebe Brüder und
Schwestern, und richtet euren Blick auf die, welche ihr Leben auf diese Weise führen; ihr habt
ja uns als Vorbild.“ (Phil 3,16f.).
Durch sein Vorleben bezieht er sich in seinem Tun auf das, was hinter den vom Menschen
gesehenen Gaben steckt, hinter der materiellen Unterstützung, hinter den Charismen, die den
Gemeindemitgliedern eigen sind – denn hinter allem, da steckt die Gnadengabe Gottes selbst,
das sich besonders auch in dem Wort „Efcharisto“ ausdrückt. Gott gibt „umsonst“, das
bedeutet, jegliche Gnade ist voraussetzungslos und absichtslos und ist an niemanden
gebunden.160 Wenn also Paulus dankt, dann richtet er sich auf den Ursprung jeglicher Gaben
aus und erkennt, dass jeder Dank an Gott, den Ursprung jedes Geschenks, gerichtet sein
muss/soll, da in paulinischer Theologie „alles Gnade“ (vgl. z. B. Röm 4,4) ist, denn „die
Gnade Gottes ist die unverdiente Erweisung Seiner Liebe an sündigen Menschen.“161 Der
Mensch selbst wird nicht allein aus den Werken des Gesetzes gerettet, sondern durch den
Glauben an Jesus Christus und Gott, wie es in Gal 2,16 formuliert wird:
Weil wir aber wissen, dass ein Mensch nicht dadurch gerecht wird, dass er tut, was im Gesetz geschrieben steht, sondern durch den Glauben an Jesus Christus, sind auch wir zum Glauben an Christus Jesus gekommen, damit wir aus dem Glauben an Christus gerecht würden und nicht dadurch, dass wir tun, was im Gesetz geschrieben steht; denn durch das Tun dessen, was im Gesetz geschrieben steht, wird kein Mensch gerecht werden.
Das Verhältnis zu Gott und seinem Sohn Christus steht also in der Gnade begründet (1 Kor
15,10: „Denn die Sünde wird nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter Gesetz,
sondern unter Gnade.“).162 Somit ist alles Antwort auf das Gnaden-Geschenk Gottes und
zugleich auf die unendliche Liebe Gottes. Es kann erst durch dieses Erkennen und Annehmen
eine Verbindung zu Gott entstehen. Der Mensch muss zur Annahme der Gnade an Gott selbst
glauben, damit die Gnade in uns wirksam werden kann.
Der Blick geht Richtung Gott, auf das Wesentliche des Glaubens und den Mittelpunkt des
Lebens selbst.163 Darin soll Vertrauen entstehen und wachsen, so ist der Glaube in diesem
Sinne nicht als ein „sicher Sein“ zu deuten, sondern ein Vertrauen auf das, was von Gott
159Vgl. Gnilka, Der Philipperbrief, S. 41-49. 160 Vgl. Dazu die paulinische Rechtfertigungstheologie (vgl. Röm 5,8) und Schnelle, Theologie des NT, S. 254-255. 161 Arend Remmers: Was ist Gnade?, in: https://www.bibelkommentare.de/kommentare/249/die-gnade-gottes [abgerufen am 01. August 2019]. 162 Vgl. Arend Remmers: Wir stehen in der Gnade, in: https://www.bibelkommentare.de/kommentare/k-1773/die-gnade-gottes/wir-stehen-in-der-gnade [abgerufen am 01. August 2019]. 163 Vgl. Pao, Thanksgiving, S. 56.
50
geschenkt wird. Der Dank wird dabei nicht nach innen gerichtet, sondern soll sich in der
Gemeinde vollziehen und an das Subjekt des Glaubens, Gott, gerichtet sein. David Pao
erkennt diesen Akt der Dankbarkeit dahingehend als einen dynamischen Glaubensakt an, der
Gegenwart mit dem Heilswirken des auserwählten Volkes hin in die Zukunft verbindet und
der sich zu einem durchgehenden Element des Tuns des Menschen ausweiten lässt.164 Daraus
lässt sich folgern, dass Dankbarkeit sich nicht durch ein einziges Mal vollziehen lassen kann,
um der Gaben Gottes selbst zu gedenken, sondern es muss ein fortwährendes,
allgegenwärtiges Danken sein. Darum spricht der Apostel in Kol 3,15: „Seid allezeit
dankbar!“. Der Dank durchbricht somit alle Grenzen des Zeitlichen.
c. Dankbarkeit als eine Tugend im Philipperbrief
„Seid allezeit dankbar“ – wird dann von einer Pflicht zu einer Lebenshaltung und bei Paulus
besonders betont, wenn er zum Lob aufruft für alles, was es in der Welt gibt (Phil 4,4-9):
Wünsche für die Gemeinde 4 Freut euch im Herrn allezeit! Nochmals will ich es sagen: Freut euch! 5 Lasst alle Menschen eure Freundlichkeit spüren. Der Herr ist nahe. 6 Sorgt euch um nichts, sondern lasst in allen Lagen eure Bitten durch Gebet und Fürbitte mit Danksagung vor Gott laut werden. 7 Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken bewahren in Christus Jesus. 8 Zum Schluss, liebe Brüder und Schwestern: Was wahr ist, was achtenswert, was gerecht, was lauter, was wohlgefällig, was angesehen, wenn immer etwas taugt und Lob verdient, das bedenkt! 9 Was ihr bei mir gelernt und empfangen, gehört und gesehen habt, das tut! Und der Gott des Friedens wird mit euch sein.
Dankbarkeit in Verbindung mit Freude ist hier eine allumfassende Tugend165, die auch in das
Schema der paulinischen Trias: Glaube – Liebe – Hoffnung passt, wenn die Dankbarkeit als
Basis des Glaubens gesehen werden kann, denn Dankbarkeit und Glaube stehen in einer
wechselseitigen Beziehung zueinander: „Wer Gott dankbar ist, gibt damit zu verstehen, dass
er an Gott glaubt. Und wer an Gott glaubt, ist von tiefer Dankbarkeit erfüllt.“166 Dankbarkeit
ist Liebe, denn wenn der Mensch seine Existenz als das Liebesgeschenk ansieht, kann er nur
mit einem Akt der Gegenliebe antworten. Dies drückt sich in Dankbarkeit aus. Dankbarkeit ist
zugleich die Antwort des Menschen auf die unendliche Liebe Gottes; 167 Antwort in der
(Liebes-)Beziehung zu Gott. Garms spricht in diesem Zusammenhang:
164 Vgl. Pao, Thanksgiving, S. 107-108. 165 Tugend ist hier als eine ethische Grundhaltung zu verstehen, die das Bestreben hat, stets das Gute zu verwirklichen, vgl. Garms, Dankbarkeit, S. 49 und Duden: Art. Tugend, in: https://www.duden.de/rechtschreibung/Tugend [abgerufen am 01. August 2019]. 166 Garms, Dankbarkeit, S. 40f. 167 Vgl. Garms, Dankbarkeit, S. 40.
51
Weil Dankbarkeit die Antwort auf die Erfahrung vorbehaltlos geschenkter Liebe ist, ist die Dankbarkeit jene Erscheinungsform der Liebe, die dem Beschenkten die Offenbarung seiner Liebe erlaubt. Denn Dankbarkeit ist Liebe um Liebe, die Erwiderung der Liebe mit Gegenliebe, kein Austausch von Höflichkeiten, kein Zurückgeben der Gabe, sondern ein Hingeben des Herzens. Sie ist das liebende Zurückwenden zu dem, der seine Liebesgesinnung kundgetan hat, mit der Bereitschaft, ihm in herrlicher Güte zu antworten.168
Dankbarkeit mit Liebe verbunden wird als Vorbild im Glauben gesehen, aus dem die Tugend
der Dankbarkeit als eine Lebenseinstellung wachsen kann, in dem sich das Ich selbst
verwirklichen kann und erkennt, dass alles Geschenk aus Liebe auf der Welt ist und zugleich
an den Nächsten aufgrund der Nächstenliebe „agape“ gebunden ist und in alle
Lebensbereiche eingreift. Sie ist eine Liebe, die sich nicht verdienen oder erwerben lässt,
sondern absichtslos und ohne eine Rückgabe funktioniert. 169 Geprägt von Liebe werden
Beziehungen zu Gott und den Mitmenschen in Dankbarkeit erst wertvoll und glaub-würdig –
wenn Gott doch selbst die Liebe ist und alle Beziehung in Dankbarkeit sich auf ihn hin
ausrichtet. Der Glaube an den Gott der Liebe schließt den Glauben an seine Schöpfung und
somit an den Menschen, der Krone seiner Schöpfung, selbst ein. In diesem Glauben an die
Liebe liegt das menschliche Handeln und die Tugenden begründet.170 Die Dankbarkeit, die
der Liebe entspringt und sich auf Gott ausrichtet ist somit Teil der Tugenden und der
christlichen Vorstellung einer gelingenden Beziehung zu Gott.
Dankbarkeit ist deshalb eine unerlässliche geschenkte Tugend, die eng mit der Tugend der
Liebe in Verbindung steht. Sie ist zwar in manchen Situationen erlernbar, wenn es um ein
Austauschgeschäft geht, aber die Haltung der wahren Dankbarkeit vollzieht sich im Inneren
des Menschen als eine Dimension, die sich mit einem Gefühl der Liebe verbinden lässt und
sich in Liebe zum Nächsten, zum Anderen, zum Du vollzieht. Dankbarkeit und Liebe sind
immer ein Vollzug in Begegnung, wie es auch bei Denkern wie Emmanuel Levinas und
Martin Buber (vgl. Kap. 6) beschrieben wird. Sie ist als eine Zweite-Person-Disposition zu
denken, die sich ebenda nur mit einem Du oder einem Anderen konstituiert. Andrew Pinsent
schreibt in diesem Zusammenhang Folgendes:171
The infused virtues dispose a person to move herself in a way to be moved by the second-personal agentm abd gence to appropriate the stance of the other person; the infused virtues dispose a person to move herself in a way that harmonizes with the appropriated stance of the second person. The overarching principle of such dispositions is that of loving the other persons that the other person loves.
168 Garms, Dankbarkeit, S. 46. 169 Vgl. Martin Hähnel: Die Liebe als Tugend oder Gabe? Auf der Suche nach ihrer Spezifität, in: Rohr Winfried (Hg.): Liebe – eine Tugend?, Wiesbaden: Springer 2018, S. 311-333, hier: 319. 170 Vgl. Korff, Theologische Ethik, S. 78. 171 Andrew Pinsent: The second-Person Perspective in Aquina´s Ethics, New York/London: Routledge 2013 (Routledge Studies in Ethics and Moral Theory 17), S. 150.
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Es wird deutlich, dass die Gründe für die Dankbarkeit zuerst anerkannt werden müssen, um
das Andere, das Du in Dankbarkeit gegenüber stellen zu können.
Dass besonders die vertikale Ebene der Dankbarkeit bei Paulus eine wichtige Rolle spielt
und jegliche horizontale, also dem Menschen zugewandte Dankbarkeit, in den Gnadengaben
Gottes mündet, konnte in diesem Kapitel durch die Darstellung der Dankbarkeit im
Philipperbrief erkannt werden. Darüber hinaus wurde die wichtige Stellung des Glaubens in
Bezug auf Dankbarkeit beschrieben, die sich hin auf den liebenden Gott des auserwählten
Volkes richtet. Wie sich die Dankbarkeit im Koran abbilden lässt und in welchem Verhältnis
diese zum Glauben steht, wird im nächsten Kapitel erläutert
53
5 Dankbarkeit im Koran
In den vorangehenden Kapiteln wurden die Texte der christlich-jüdischen Tradition unter dem
Aspekt der Dankbarkeit in der Bibel betrachtet. In diesem Teil wird die abendländische
Tradition verlassen und der muslimisch geprägte Kulturkreis betreten. Es werden vor allem
Verse des Korans172 herangezogen und analysiert, die das Phänomen der Dankbarkeit im
arabischen Raum erläutern. Darüber hinaus werden Texte aus dem Hadith entnommen, der
einen wesentlichen Aspekt für die Narration im Glauben des Islams darstellt. Der Hadith ist
Teil der Sunna, also Urkunde und Bericht der islamischen Tradition und überliefert den
„verbindlichen bzw. vorbildlichen Weg der Propheten“173. So bestimmen Koran und Tradition
(Sunna) die bedeutenden Gesetze für ein gutes Zusammenleben. Die Gesetze gehen über den
eigenen Glauben, das persönliche Leben, das Leben in der Familie und in der Gemeinschaft
hinaus und reichen bis in die politischen Strukturen der Gesamtgesellschaft (regional und
international) hinein.174 Diese Schriften, Koran und Hadith, greifen somit in das Leben des
Menschen ein und es gibt nach der Lehre keine Trennung zwischen Religion, (Sozial-)Ethik
und Politik; denn „Gott sagt die Wahrheit und Er führt den (rechten) Weg“ (33:4). Das heißt,
dass Gott die Menschen leitet und dies Grund dafür ist, dass alle Bereiche des Lebens an
Religion gebunden sind und deshalb lässt sich auch Dankbarkeit als ein „regelndes Handeln“
in der Gesellschaft, das im Koran verankert ist, verstehen.
5.1 Dankbarkeit als Tugend im Koran
So wendet man sich in einem großen Teil in den Hadiths dem guten zwischenmenschlichen
Leben zu. Auch Tugenden finden in den Hadiths ihren Platz. Dankbarkeit wird als eine
wichtige Tugend in Schrift und Tradition verstanden, 175 da sie besonders in das
(Glaubens-)Leben und in die Beziehung zu Gott und den Menschen eingreift. Dankbarkeit ist
kennzeichnend für eine Beziehung zwischen Gott und den Menschen und den Menschen
untereinander und gilt als ein essenzieller Teil des moralischen Systems (des Verhaltens) im
172 Verwendet wird in diesem Kapitel die Übersetzung des Korans: Hartmut Bobzin: Der Koran. Aus dem Arabischen neu übertragen von Hartmut Bobzin unter Mitarbeit von Katharina Bobzin, München: C.H. Beck 22015. 173 Adel Theodor Khoury: Der Hadith. Urkunden der islamischen Tradition, Bd. 1, Güthersloh: Güthersloher 2008, S. 11. 174 Ebd., S. 15. 175 Vgl. Khalil, On Cultivating.
54
Islam. Im Koran wird die sittliche Verantwortung des Menschen und die daraus resultierende
transzendente Bedeutsamkeit seines Handelns beschrieben. Der Mensch trägt Verantwortung
für sein Tun Gott gegenüber.176 Aus diesem Grund wird auch besonders Wert auf dieses
Handeln in Form von Tugenden gelegt. Frithjof Schuon versucht auf dieser Basis eine
Definition der Dankbarkeit als Tugend:
Die Tugend der Dankbarkeit ist eine Tugend, welche uns erlaubt, nicht nur mit kleinen Dingen zufrieden zu sein – dies ist heilige Kindheit –, sondern auch kleine und große Dinge zu schätzen und zu würdigen, da sie von Gott her kommen. Angefangen mit der Schönheit und den Gaben der Natur, muss man sich der Unschuld des Mysteriums der göttlichen Werke bewusst sein. Anbetung des göttlichen Wesens erfordert Rücksichtnahme auf die Zufälle, welche Es kundtun. Gott ‚in Geist und Wahrheit‘ anzubeten bedeutet, Ihn auch durch den Schleier, der der Mensch ist, zu verehren.177
Die Tugend der Dankbarkeit liegt darin begründet, alles in der Welt als Geschenk Gottes zu
erkennen, das dem Menschen geschenkt wurde und dahingehend in Dankbarkeit zu wirken
und den anderen Mitmenschen und vor allem Gott in diesem Gabendenken gegenüber zu
treten. Wie sich der Mensch gegenüber den Gaben verhält, wird im weiteren Verlauf dieses
Kapitels genauer beschrieben. Vorerst wird eine Begriffsdefinition von Tugend gegeben,
damit die Darstellung von Dankbarkeit als Tugend verständlich wird, denn wahre Dankbarkeit
wird im Islam und Koran als ein hoher geistiger Zustand, als eine innere Einkehr in die Mitte
des Menschen, in seinem Herz gesehen (vgl. 28:28).
Der Tugendbegriff „tarwa“ als Schlüsselbegriff im Koran hat kein Äquivalent zum
griechischen „areté“, dennoch impliziert er eine moralische Komponente, die im Koran
explizit von Gott und Mohammed gelehrt wird. Er beschreibt nämlich das gottesfürchtige
Verhalten in und vor Gott. Daraus ergeben sich eine Reihe von Verhaltensweisen, vor allem
Gott gegenüber, aber auch solche, die für ein gesellschaftliches Zusammenleben zentral
sind:178 Tugenden können dahingehend als die idealen Ausrichtungen des Menschen und einer
gottesfürchtigen Gesellschaft beschrieben werden.179 Gottesfurcht und Rechtschaffenheit sind
deshalb als Synonyme für Tugend zu verstehen und sind der besondere Nährboden, aus dem
176 Udo Schaefer: Glaubenswelt Islam. Eine Einführung, Hildesheim/Zürich/New York: Georg Olms 1996 (Religionswissenschaftliche Texte und Studien 7), S. 58. 177 Frithjof Schuon: Esoterism as Principle and as Way, Middlesex: Perennial Books 1981, S. 109. 178 Vgl. Art. The Quranic Concept of Virtue & Righteousness, in: https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=3&ved=2ahUKEwiUm76qrebjAhWDL1AKHYVNC5AQFjACegQIARAC&url=http%3A%2F%2Fwww.islam.org.hk%2Ficoi_2010%2Fthe.quranic.concept.of.virtue.doc&usg=AOvVaw15jRVjeLjvR8RoJL7KL6a7 [abgerufen am 03. August 2019]. 179 Johnston, David: Art. Virtue, in: Jane Dammen McAuliffe (Hg.): Encyclopaedia of the Qurʾān, Georgetown University, in: <http://dx.doi.org/10.1163/1875-3922_q3_EQSIM_00446> [abgerufen am 27. August 2019], S. 433f.
55
die Tugenden, die im Koran erläutert werden, erwachsen. So schreibt der Koran über den
wahren Glauben und das Leben als Gläubige (2:177):
Die Frömmigkeit besteht nicht darin, dass ihr euer Angesicht gen Osten oder Westen wendet, vielmehr ist Frömmigkeit, an Gott zu glauben und an den Jüngsten Tag und an die Engel, und das Buch und die Propheten; und das Geld, auch wenn man´s liebt für die Verwandten, die Waisen und die Armen auszugeben und für den „Sohn des Weges“ und die Bittenden und für den Sklavenfreikauf; und das Gebet zu verrichten und die Armensteuer zu entrichten. Die den Vertrag einhalten, wenn sie ihn abgeschlossen haben, und die geduldig sind in Not und Missgeschick und Kriegszeit – die sind es, die wahrhaftig sind, die sind es, die Gott fürchten.
Die Gottesfurcht beschreibt also nicht nur ein leeres Beten, sondern das aktive Handeln
gegenüber den Menschen und Gott in dessen Angesicht man nichts Schlechtes tun soll. Dabei
sind die Tugenden nicht ein Mittel zum Zweck, sondern dienen immer der Großzügigkeit und
Barmherzigkeit dem Menschen und im Besonderen Gott gegenüber.180 Das heißt, es geht
nicht um ein ruhmreiches irdisches Leben, sondern um den göttlichen Ruhm in der Endzeit
(48:26):
Damals, als die Ungläubigen in ihren Herzen Kampfeslust entfachten – Kampfeslust der „Zeit der Unwissenheit“ –, da sandte Gott auf seinen Gesandten und die Gläubigen seine „Ruhe“ nieder, und er verpflichtete sie auf das Wort der Gottesfurcht. Sie hatten dazu alles Recht und waren seiner würdig. Und Gott weiß alle Dinge.
Daraus ergibt sich, dass die Tugenden nicht primär Teil einer Soziologie sind, sondern einer
Ontologie, die auf einem transzendentalen Konzept basiert, dessen höchstes Ziel einen
inneren moralischen Fortschritt des Menschen ausgerichtet ist. Ziel ist es also immer, dem
teleos, für das Gott den Menschen geschaffen hat, zu folgen, um somit zur Glückseligkeit zu
gelangen. Jedes moralische Handeln auf Erden wirkt sich dabei auf das große Ganze in der
Welt aus, deshalb soll es dazu beitragen, das Band zwischen dem Schöpfer und der Schöpfung
selbst zu stärken. Handlungen, Taten, Worte, Gefühle und Gedanken, die ausgesprochen
werden und auch im Stillen geschehen, spielen dabei auf das göttliche Gericht hin eine
180 Vgl. Schaefer, Glaubenswelt Islam, S. 59f.
56
wichtige Rolle. Das heißt auch, dass die Tugenden nur dann erfüllt werden können, wenn sie
in Liebe zur Schöpfung selbst geschehen. Der Koran sagt dazu in 28:77:
Trachte mit dem, was dir Gott gegeben hat, nach dem Jenseits, und vergiss nicht deinen Anteil an dieser Welt! Tue Gutes, so wie Gott dir Gutes tat! Und trachte nicht danach, Unheil im Land zu stiften! Sieht, Gott liebt die Unheilstifter nicht.
Gutes in der Welt zu tun, bedeutet auch dem Gegenüber dankbar zu sein, für das, was einem
gegeben wurde und zwischenmenschliches Gutes tun. Wenn der Mensch also im Koran
dankbar ist, zeigt sich Gottes Dankbarkeit ihm gegenüber in vollster Form, da Gottes Attribut
„der Dankbarste“ sich in Gott selbst zeigt. Dies zeugt davon, dass Dankbarkeit eine Pflicht im
Koran darstellt, auch wenn sie nicht ganz erreicht werden kann (nur Gott selbst ist der
wahrhaft Dankbare), so kann sie annähernd erreicht, als eine Tugend des Menschen erklärt
und in einer eschatologischen Weise gedeutet werden. Wenn das Ich Dankbarkeit lebt, dann
erhält sie eine essenzielle Bedeutung auf das ewige Leben hin. Denn jegliche Handlung im
Guten ist ein Weg zur Glückseligkeit und prägt somit das Leben im Glauben und die
Ausrichtungen der Gläubigen.
Diese Tatsache wird im Koran mit dem Begriff „Fitrah“ bezeichnet. Dieser hat die
Bedeutung, dass der Mensch als Schöpfung Gott erkennt und ihm deshalb bewusst wird, dass
er in Abhängigkeit zu seinem Schöpfer steht (vgl. z. B.: 30:30; 7:172; 14:10; 31:25; 2:138).181
„Fitrah“ verweist dabei auf die verschiedenen Formen, wie der Mensch in der Welt agiert
und bildet in diesem Sinne einen Rahmen, Tugenden überhaupt leben zu können. Dabei
werden konative und kognitive unterschieden: Kognitive Formen beziehen sich auf den Fakt,
dass der Mensch als vernunftbegabtes Wesen in der Lage ist, seine Taten zu überlegen und
Wissen und Verständnis aufzubringen. Konative beziehen sich auf die aktiven Handlungen in
der Welt. All diese Handlungen, konativ und kognitiv, gehen aber über das Irdische hinaus
und fußen letztlich in Gott selbst.182 All das, was mit „Fitrah“ gemeint ist, ist nicht angelernt,
sondern ist dem Menschen angeboren, das heißt, sie ist in der Natur des Menschen verankert.
Dankbarkeit zwischen zwei Menschen kann als ein Aspekt des guten Zusammenlebens
zum Konzept der „Fitrah“ im Koran gezählt werden. Da in einer muslimisch geprägten Welt,
Formen von Geben und Nehmen, sprich von Gabenaustausch, einen großen Stellenwert haben
181 Mohammad Ali Shomali: Islamic Belief System, London: Institute of Islamic Studies 2015, S.148-150 und S. 23f. 182 Vgl. ebd., S. 21 und S. 23.
57
und auf den unbedingten Geschenkcharakter der Gabe verweisen. 183 Dankbarkeit kann
anthropologisch im Koran und in der Tradition primär als ein universales menschliches
Phänomen beschrieben werden, das eine Reaktion und Antwort auf ein Geschenk darstellt.
5.2 Zwischenmenschliche Dankbarkeit: Dankbarkeit den Eltern gegenüber
Im Koran wird besonders Dankbarkeit auf zwischenmenschlicher Ebene gegenüber den Eltern
erwähnt. Respekt und Wertschätzung gegenüber Vater und Mutter werden großgeschrieben,
denn sie tragen dazu bei, dass das eigene Leben erst geschenkt werden kann. 184 Diese
Dankbarkeit ist auch heute noch stark in der muslimischen Kultur verankert.
Besonders der Mutter ist großer Dank auszusprechen, da sie das Kind im Mutterleib
getragen und es geboren hat. Gott sagt Folgendes im Koran zur Dankbarkeit gegenüber den
Eltern (31:14):
Dem Menschen haben wir besonders seine Eltern anbefohlen– Mit ihm war seine Mutter schwanger – Mühsal über Mühsal! – Und seine Entwöhnung dauerte zwei Jahre: „Sei dankbar – gegen mich und deine Eltern! Zu mir hin ist der Lebensgang.
In diesem Vers des Korans wird aber nicht nur auf den zwischenmenschlichen Dank der
Eltern hingewiesen, besonders der Mutter, die die Mühen der Schwangerschaft und ersten
Jahre auf sich nahm, sondern der Dank soll auch auf Gott direkt übertragen werden. Denn
(zwischen-)menschlicher und göttlicher Dank können im Denken des Korans und Islams nicht
voneinander getrennt werden. Ein Hadith bringt diesen Gedanken der Verbindung zwischen
transzendentem und immanentem Dank zum Ausdruck: „Der Gesandte sagte: Wer den
Menschen nicht dankt, dankt auch Gott nicht!“185 Anders formuliert, wenn der Mensch die
Geschenke der Mitmenschen nicht anerkennt, dann wird er nie die Gaben Gottes verstehen
können und ihm rechtmäßig darauf antworten können.
183 Vgl. Toshihiko Izutsu: Ethico Religious Concepts in the Qur‘an, Montreal/Kongston: McGill-Queens University Press 2002 (1. Koran Ethics I), S. 200f. 184 Vgl. Franz Feiner: Von der dialogischen Verfasstheit des Menschen. Die Gabe des Lebens und das gegebene Wort als Grundlage für Antwort und Verantwortung, in: RoSE 6 (2015/12), S. 71-80, hier: S. 72f und vgl. Schaefer, Glaubenswelt Islam, S. 63. 185 Abu Dawud Tirmidhi, zitiert in: Adel Theodor Khoury: Der Hadith. Urkunden der islamischen Tradition. Religiöse Grundpflichten und Rechtschaffenheit, Bd. 2, Güthersloh: Güthersloher 2008, S. 366.
58
5.3 Immanenter Dank zu den Mitmenschen richtet sich auf transzendenten
Dank zu Gott
Eine Geschichte des Propheten Davids im Buch „Geschichten des Propheten“ versucht die
Tugend der Dankbarkeit eines Menschen zu formulieren. In dieser kurzen Geschichte, die
nachfolgend erzählt wird, erfährt der Prophet David wahre Dankbarkeit eines tugendhaften
Mannes und sie zeigt, wie immanenter/horizontaler und transzendenter/vertikaler Dank in der
Tradition des Islams ineinander verwoben und immer auf Gott hin ausgerichtet sind. Die
Anekdote erzählt:
Der Prophet David betete einmal zu Gott, um ihm seinen Begleiter im Paradies unter den von Gott geliebten Gläubigen zu zeigen. Da sprach eine Stimme aus dem Unsichtbaren: „Morgen früh, geh zum Stadttor und sieh, wer das ist.“ Am nächsten Morgen als David zum Stadttor ging, traf er Mata, den Vater von Yunus, der auf der Suche nach einem Käufer für etwas Feuerholz, das er auf seinen Schultern trug, war. Da kam ein Mann, der dieses Holz kaufte. David trat vor, schüttelte ihm die Hand, umarmte ihn und fragte: „Ist es möglich, dass Sie mich heute als Ihren Gast einladen?“ Mata antwortete: „Es wäre mir ein Vergnügen. Kommen Sie doch mit!“ Mata kaufte etwas Mehl und Salz mit dem Geld, das er vom Brennholz eingenommen hatte, um drei Personen satt zu machen: Er selbst, David und Sulaiman. Er backte für seine Gäste Brot. Bevor Mata das Brot aß, hob er den Kopf zum Himmel und sagte rollenden Tränen über seinen Wangen: „O Herr! Du hattest den Samen für den Baum gesät, von dem ich dieses Holz erhielt. Du hast mir Kraft und die Fähigkeit gegeben, diese Arbeit zu erledigen. Du hast mir auch die Fähigkeit gegeben, meine Last zu tragen. Du hast mir den Käufer für das Holz geschickt. Der Weizen, aus dem ich dieses Mehl bekam, wurde auch von Dir und nur durch dich hergestellt. Du hast das alles möglich gemacht, wo auch immer wir auch sind, um deine Vorteile zu nützen!“ David wandte sich an Sulaiman und sagte: „Dankbarkeit stärkt die Tugend eines Mannes.“186
Im Dank des Mannes kommt nicht nur der Dank in der Gegenwart für das Essen und den
Besuch der Propheten zum Ausdruck, sondern im Dank verbindet er die Vergangenheit mit
der Gegenwart und dem Zukünftigen, auf immanenter und transzendenter Ebene. Denn der
Mann erkennt, dass die Freundschaft, die aus dieser Begegnung entstanden ist, von anderen
Dingen abhängig ist und nicht nur im gegenwärtigen Moment geschehen kann.
Der Mann spricht deshalb allem Dank aus, was zu dieser Freundschaft erst geführt hat und
erkennt, dass er letztlich selbst Geschöpf ist und deshalb auch Gott dankend antworten muss.
In dieser einen Begegnung mit dem Mann erfährt Mata ebenso auf bedeutende Weise in
seinem Dank einen Ort, an dem er Gott begegnet, indem er erkennt, dass alles, auf ihn hin
ausgerichtet ist und er daher zu Dank verpflichtet ist. Ein kurzer Hadith fasst die Eigenschaft
der Dankbarkeit als ein überzeitiges und nicht an Raum gebundenes Erlebnis zusammen:
186 Aus: „Stories of Prophets“, zitiert in: Abdul Dastghaib Shirazi: Heart oft he Qur‘an. A Commentary to Sura al Yasin, Qom: Ansariyan Publications o. A. in: https://www.al-islam.org/the-heart-of-the-quran-commentary-of-sura-yasin-ayatullah-dastaghaib [abgerufen am 03. August 2019].
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Wenn jemand dir einen wunderschönen, teuren und neuen Hut kauft, bist du dann nicht dankbar für dieses äußerst großzügige Geschenk? Aber solltest du nicht eher dankbarer für den Einen sein, der dir den Kopf geschenkt hat, um diesen Hut aufzusetzen?187
Das Erkennen, dass hinter jeder Gabe ein Zusammenhang und es in Verbindung mit dem
Schöpfer selbst steht, kann den Blick auf die Welt verändern. So beginnt James Fadiman und
Robert Frager ihre Einleitung in den Sufismus: „Dankbarkeit verwandelt uns (…)“ und weiter
heißt es: „Sie öffnet unsere Herzen und bringt uns näher zu Gott!“188
Was also vor allem in den Überlieferungen der Hadithe zum Ausdruck kommt, ist die enge
Verbindung zwischen dem Menschen und Gott, wenn Dank ausgesprochen wird. Dankbarkeit
weist den Menschen darauf hin, dass wir dem Schöpfer Gott Dankbarkeit schuldig sind und
ist dahingehend Antwort auf die Gaben und Geschenke. Dankbarkeit ist im Koran in diesem
Sinne Antwort auf die Zeichen, die sich in Gottes Schöpfung dem Menschen als Geschenke
offenbaren: „‚Schkr‘ und ‚Tarwa‘ 189 zeigen dabei die zwei geeigneten menschlichen
Reaktionen auf Gottes Zeichen!“190, schreibt der Islamwissenschaftler Toshihiko Izutsu über
das Konzept der Dankbarkeit in seiner ethischen und religiösen Ausarbeitung über den Koran.
5.4 Dankbarkeit Gott gegenüber
Geschenke und Gaben können ebenso als Zeichen in der Welt gesehen werden, die der
Mensch erkennt und für die er dankbar sein soll. Im Koran werden sie als Zeichen „ayat“
beschrieben, unter diesem Ausdruck sind die göttlichen Gaben gemeint, die der Mensch von
Gott selbst und unverdient erhalten hat. Diese Gnadengaben sind vielfältig: es zählen
physische und spirituelle Gaben dazu. Zu den physischen lässt sich zum Beispiel die
Schöpfung und der Mensch als Geschöpf sehen (vgl. 32:6-8), zu den spirituellen zum Beispiel
die Möglichkeit, zu glauben und erkennen zu können. In Bezug auf die physischen Zeichen
schreibt der Koran:191
Ein Zeichen ist für sie die tote Erde. Wir belebten sie und ließen Korn aus ihr wachsen, so dass sie davon essen können.
187 Zitiert in: James Fadiman und Robert Frager: Essential Sufism, San Francisco: Harper San Francisco 1999, S. 180. 188 Vgl. ebd., S. 178. 189 Bedeutet so viel wie Frömmigkeit, siehe dazu: Ashraf Adeel M.: Epistemology of the Quran. Elements of a virtue Approach to knowledge and understanding, Cham: Springer 2019 (Sophia Studies in Cross-cultural Philosophy of Traditions and Cultures 29) S. 101f. 190 Ebd., S. 200. 191 Vgl. Shirazi, Heart of the Qur‘an.
60
Wir machten auf ihr Gärten aus Palmen und Weinstöcken Und ließen Quellen auf ihr sprudeln: Auf dass sie von all ihren Früchten essen Und von dem, was ihre Hände machten: Ja, wollen sie nicht dankbar sein? (36:33-35)
In der Schöpfung selbst erkennt man dahingehend die Größe Gottes, für die der Mensch
dankbar sein soll. Der Koran sagt, dass Gott der Schöpfer von allem ist, was in Sure 112:1-4
beschrieben wird. Gott als „Schöpfer von allem“ besagt demnach auch, dass der Mensch eine
Schöpfung Gottes ist. In dieser Bedeutung wird erkannt, dass der Mensch immer in
Abhängigkeit zu Gott selbst steht, als eine Existenz Gottes hin zu seinem Ursprung:192
Sprich: Er ist der Eine Gott: Gott der Ewige, der nicht verursachte Ursache allen Seins Er zeugt nicht, und auch wird er nicht gezeugt Und nichts gibt es, was Ihm vergleichbar wäre. (112:1-4)
In Gott seinen Ursprung zu sehen, macht den Menschen zu einem Wesen, das sich in einer
Form der Schuld Gottes selbst zeigt. Diese Gabe, sich der eigenen Existenz erkenntlich zu
zeigen, drückt das Konzept „Schkr“ im Koran aus. Als vernunftbegabter Mensch kann er es
als Pflicht sehen, für alles zu danken, was die Schöpfung hervorbringt, da er selbst ein solches
Geschöpf ist. Dank ist dabei die rechtmäßige Antwort.
An dieser Stelle gelangen wir noch einmal mehr zum Punkt, der die Anthropologie des
Menschen im Koran unterstreicht und das an „Fitrah“ gebunden ist: Als erkennendes und
vernunftbegabtes Wesen, das der Mensch im Koran darstellt, ist er in der Lage die Zeichen
Gottes zu er-kennen und anzuerkennen.193 Das macht dementsprechend den Unterschied der
Wesen des Menschen gegenüber den Tieren aus: Der Mensch dankt, da er erkennt; das Tier
erkennt nicht, kann deshalb auch keinen gebührenden Dank an Gott aussprechen. Der Mensch
hat deshalb die Aufgabe, zum Gebenden zu gehen und ihm Lob und Dank auszusprechen.
Anders ausgedrückt: Der Mensch ist als ein theomorphes Geschöpf ein Abbild Gottes, das
im Unterschied zum Tier die Intelligenz, die Erkenntnis, von Gott erhalten hat. Mit dieser
kann der Mensch erkennen, dass alles Kontingente von einer unbedingten Wirklichkeit
abhängt, dass alles, was existiert von Gott selbst kommt und der Mensch ihm dankbar
gegenübertreten soll, denn der Mensch ist sich seines Geschenkes bewusst.
192 Vgl. Muhammad M. Hanel: Die Qur’an Verse und die entsprechenden Kommentare von Muhammad Asad zu den 99 schönsten Namens Allahs 5 (2012), S. 57, siehe Anmerkung 386 und Tawus Raja: Patience and Gratitude. in: Message of Thaqalayn. A quarterly journal of islmaic studies 16 (2015/3), S. 23-38, hier: S. 28f. 193 Vgl. Hadi Sharifi: Anbetung und Dank in der Islamischen Religion, in: Seifert, Danken und Dankbarkeit, S. 200f.
61
Der Mensch sieht also, noch einmal zusammenfassend, in der Schöpfung, der
Manifestation in der Welt Gottes, den unendlichen, gnadenvollen und barmherzigen Gott, der
sich seiner Schöpfung zuwendet. Als Reaktion auf diese gnadenvolle Zuwendung, wird im
Koran vor allem die Dankbarkeit selbst beschrieben. Aus den Ausführungen Izutsus kann man
nachfolgendes Diagramm zeichnen. Dieses Diagramm zeigt den Zusammenhang von Zeichen
und Erkennen und der Dankbarkeit:194
ayat `aql schkr
(Zeichen) (Verstehen/Erkennen) (Dankbarkeit)
5.5 Wege der Dankbarkeit im Koran
Im Koran werden drei Wege, wie man Gott gegenüber dankbar auf seine Zeichen hin sein
kann, erläutert:
1) Dankbarkeit vom Herzen (das Ich erkennt, dass es ein Geschenk Gottes ist): z. B. in folgendem Vers:
Gott hat euch herausgeholt aus dem Leibe eurer Mütter: Er machte euch Gehör, Augenlicht und Herzen. Vielleicht seid ihr ja dankbar! (16:78)
2) Dankbarkeit mit Worten (durch Worte diese Dankbarkeit auszudrücken)
3) Dankbarkeit durch Handlungen (das Ich macht etwas mit seinen Händen, Füßen und
Augen und handelt auch in einem Akt der Verehrung)195
Diese Arten der Dankbarkeit werden zum Beispiel Noah und Abraham zugeschrieben und
lassen sich in ihrer Darstellung nur schwer voneinander trennen. Deshalb werden die
verschiedenen Arten nun nachfolgend durch Verse aus dem Koran erläutert.
Noah wird das Attribut „dankbar“ zuteil, wenn er im Koran als ein „Sakur“ charakterisiert
wird, als ein „dankbarer Diener“: „Siehe, er war ein Knecht voll des Dankes.“ (17:3b).
Psychologisch und spirituell kann der Mensch die Dankbarkeit erst dann empfinden, wenn
sein Herz offen ist für die Zeichen Gottes. Deshalb kann der Mensch näher bei Gott sein, denn
das Herz ist der Ort, das Haus,196 an dem man Gott nahe sein kann.197 Dieses Herz, so kann es
194 Vgl. Izutsu, God and Man, S. 255. 195 Shomali, Key Concepts. 196 Rumi spricht in diesem Zusammenhang vom Kabba, dem Haus, in dem Gottesbegegnung stattfinden kann. 197 Vgl. Sharifi, Anbetung, S. 197.
62
bildlich dargestellt werden, soll wie in einem „Frühjahrsputz“ immer wieder gereinigt werden.
Unter dieser Reinigung versteht man das unerlässliche Bewusstwerden des Strebens, Gott
ähnlich zu werden. Im Islam geht man nämlich davon aus, dass der Mensch sich immer mehr
dem Perfekten zuwenden soll, um Gott ähnlich zu werden, das auch in Verbindung mit der
Tugend der Dankbarkeit steht.198 Alles, was also nicht in das Haus gehört, nicht zu Gott
selbst, muss hinausgeworfen oder gereinigt werden. Somit dient dieser „Frühjahrsputz“ als
Basis für den Dank.
Darüber hinaus verfügt auch Abraham im Koran, als ein besonderes Vorbild im Glauben
und somit in der Dankbarkeit, die Fähigkeit Dankbarkeit mit dem Herzen, Worten und Taten
auszuführen: Er ist ein Mann, der dankbar ist und nach dem Willen Gottes handelt.
Im Vers werden die verschiedenen Wege der Dankbarkeit verbunden und Abraham
charakterisiert, das heißt, es ist nicht nur von Dankbarkeit, sondern auch von Glauben und
Demut die Rede, die eng an Dankbarkeit gebunden sind:199
Siehe, Abraham war eine Leitgestalt, demütig Gott ergeben, ein wahrer Gläubiger, war keiner der Beigeseller, dankbar gegenüber seinen Gnadengaben. (16:120-121)
Dankbarkeit durch Handlungen können sich, wie bereits beschrieben wurde, in Preisungen
und Lob zu Gott hin ausgerichtet, manifestieren – das ist die dritte Art Dank auszuführen und
dieses Loben und Preisen steht eng mit dem Wort „Schkr“ in Verbindung.200 Wie auch im
Alten Testament und Neuen Testament bereits erläutert, können Lob und Dank auch hier als
eine Wortfamilie gelesen werden: Gott gebührt das Lob für das, was alles in der Welt ist.
Dabei kann das Lob zu Gott als ein Akt der Kommunikation zwischen Mensch und Gott
beschrieben werden und ein Beziehungsverhältnis zwischen Geschöpf und Schöpfer durch
das Gebet zum Ausdruck kommen – das Geschöpf besinnt sich nämlich besonders im Gebet
auf die Quelle seines Seins. So fordert auch der Koran zum Lobpreis auf: 201
Sie sprechen: „Lobpreis sei Gott, der die Traurigkeit von uns nahm. Siehe, unser Herr ist fürwahr bereit zu vergeben, zu belohnen.“ (35:34)
198 Vgl. dazu den Artikel von William Chittick C.: The Islamic Concept of Human Perfection, in: http://themathesontrust.org/papers/islam/chittick-perfection.pdf [abgerufen am 07. Juli 2019]. 199 Vgl. Shomali, Key concepts. 200 Vgl. ebd. 201 Vgl. auch die Sure 35:34: Und sie werden sprechen: „Alles Lob gebührt Gott, der alle Sorgen uns verlassen ließ; Denn, wahrlich, unser Erhalter ist wirklich Viel-Vergebend, stets Dankbarkeit erwidernd (…).
63
In einem Hadith des Propheten wird dieses Lob geschildert, das sich über eine innere und
äußere Ausrichtung der Dankbarkeit bezeugen lässt. Der Gebetsvorgang und dessen äußere
Symptome werden von seiner Frau erkannt, doch nicht die innere, ihr verborgene
Ausrichtung, die der Prophet durch die Intention der Dankbarkeit im Gebet an Gott richtet:
Aíscha berichtet: „Der Gesandte Allahs pflegte zu beten, bis seine Füße rissig wurden“. Da sage sie: „Oh, Gesandter Allas, warum machst du so etwas, während Allah dir doch deine vergangenen und künftigen Sünden vergeben hat?“ Er erwiderte: „Oh, Aisha, soll ich nicht ein dankbarer Diener sein?“202
Gebet und innere Ausrichtung in Demut verändern die Ausrichtung im Glauben des Menschen
auf Gott hin. Lex Nixon versucht in seinem Buch Heart of the Koran sich durch eine
Meditation an die Sure 17:43-44 anzunähern. Er sagt, dass eine Art des Seins das Preisen
Gottes ist. „Durch dieses Preisen erinnere ich mich selbst an meine Quelle des Ursprungs und
ebenso an mein Ziel – und in dieser Quelle erkennt das Ich die allumfassende Quelle der
Liebe“.203 Imam al-Kazim204 sagt dazu: „Gott ist großzügig, ob er gibt oder zurückhält, denn
wenn er gibt, gibt er, was dir nicht gehört; und wenn er zurückhält, hält er zurück, was dir
nicht gehört.“ Deshalb soll der Mensch Gott unter allen Umständen loben, ob wir es erreichen
oder nicht, in Freude und Schmerz, in Gesundheit und Krankheit. Positiv sollen immer die
Gedanken des Gläubigen sein, sonst wäre es schon ein Zeichen der Undankbarkeit und des
daraus resultierenden Unglaubens.205
Der Bericht, das Loben Gottes, kann dann eine Antwort und somit Rückgabe des
Menschen sein. Somit ist das Loben ein Ausdruck der wahren Dankbarkeit, der sich auch auf
Gott hin ausrichtet (1:2: „Lobpreis sei Gott, dem Herrn der Weltbewohner.“), wie es Tirmidhi,
Abu Dawud über den Propheten sagt:
Der Prophet sagte: Wer eine Gabe erhielt und etwas findet, womit er sich revanchiert, der soll damit (den Geber) belohnen. Wer nichts findet, der soll (ihn) loben. Denn wer lobt, der hat gedankt. Wer verschweigt, der hat sich undankbar gezeigt.206
202 Al-Buhari: Buch 21/Hadith 230. 203 Vgl. Lex Nixon: Heart of the Koran, New Dehli: Goodword Books 1998, S. 107. 204 Raja, Tawus: Patience and Gratitude, in: Ahlul Bayt World Assembly 16 (2015/3), in: https://www.al-islam.org/message-thaqalayn/vol-16-no-3-autumn-2015/patience-and-gratitude-tawus -raja [abgerufen am 06. Juli 2019]. 205 Vgl. Thomas Schirrmacher: Koran und Bibel. Die größten Religionen im Vergleich, Holzgerlingen: Hänssel 2008 (Hänssel kurz und bündig), S. 46f. 206 Zitiert in: Adel Theodor Khoury: Der Hadith. Urkunden der islamischen Tradition. Religiöse Grundpflichten und Rechtschaffenheit, Bd. 2, Güthersloh: Güthersloher 2008, S. 366.
64
All die Schöpfung kann Gott lobpreisen, was ein natürlicher Vorgang des Lebens ist: Es ist
das Lob, das Gott gebührt und das mit Dankbarkeit für die Schöpfung in Verbindung steht.207
5.6 Das Gebet als Ausdruck von Dank und ein Ort der Gottesbegegnung im
Koran
Durch dieses Beten und Loben kann nun auch das Verständnis zwischen „Hamd“ und „Schkr“
erläutert werden, das bereits im etymologischen Teil ansatzweise erklärt wurde. Mohammad
sagt: „Hamd ist der Anfang von Shukr. Wer das Lob nicht spricht, ist nicht dankbar.“208,
wodurch das oben angeführte Zitat sich noch ergänzen ließe, denn erst wer loben kann, kann
dankbar sein – und hier wird im Gebet eine kommunikative Dimension zwischen dem Ich und
dem Du, Gott, eröffnet.209 Gebet kann dahingehend als ein Ort verstanden werden, in dem
Gottesbegegnung stattfindet, dabei spielt die Dankbarkeit im Gebet eine wichtige Rolle. Der
Koran ist dann die „immanente Offenbarung, aber das Gebet ist die transzendente
Offenbarung“210. Das bedeutet, dass das Gebet darauf abzielt, Gott, das Ich und die Welt zu
erfahren, das Gebet ist somit die Offenbarung des Menschen an Gott. Der Koran hingegen ist
Gottes Offenbarung an die Menschen: „Im Koran offenbart sich Gott, im Gebet offenbart sich
der Mensch.“211 So ist das Ziel des Gebets nicht eine gottesdienstliche Handlung und ein
einfaches Danksagen, sondern es soll zum Nachdenken anregen und Einsicht und Erkenntnis
bringen.
So beginnt auch das Pflichtgebet („salat“) im Islam mit den dankbaren Worten: „Im
Namen Gottes, dem Barmherzigen und Mitfühlenden“ und dem anschließenden Ausruf:
„Alles Preisen/Danken ist zu Gott hin“. 212 Dabei kann das Lob nicht genug gesprochen
werden, denn Gottes Gaben können keine rechtmäßige Antwort erhalten, stellt der Koran dar
(16:18): „Wollt ihr Gottes Gnaden zählen, ihr könntet sie nicht berechnen! Siehe, Gott ist
fürwahr bereit zu vergeben, barmherzig.“
207 Vgl. Hamideh Mohagheghi: Theologie des Herzens. Im Gebet Liebe und Nähe Gottes erfahren, in: „Im Namen Gottes…“. Theologie und Praxis des Gebets in Christentum und Islam, Regensburg: Friedrich Pustet 2006 (Theologische Forum Christentum-Islam), S. 65. 208 Tirmidhi, Abu Dawud, in: Adel Theodor Khoury: Der Hadith. Urkunden der islamischen Tradition. Religiöse Grundpflichten und Rechtschaffenheit, Bd. II., Güthersloh: Güthersloher 2008, S. 366. 209 Vgl. Abdullah Takim: „Wirf dich nieder und nähere dich Gott!“ (Sure 96,19). Das Gebet im Islam als Ausdruck der Gottesnähe, in: Schmid, Im Namen Gottes, S. 127-142, hier: 131. 210 Hamid Kasiri: Theologie des Herzens. Die Erfahrung der Anwesenheit Gottes im Islam, Frankfurt am Main/Berlin u.a: Peter Lang (Islam 21/1), S.174. 211 Ebd. 212 Ebd. S.178-180.
65
Es soll aber die Beziehung zu Gott stets aufrecht erhalten bleiben und an ihn gedacht werden.
In den verschiedene Tagesabschnitten soll das Ich sich zu Gott hinwenden und Gott gedenken.
Es ist wie eine Erinnerung (vgl. 20:14), sodass der Mensch die Nähe Gottes nicht verliert und
die Gegenwart Gottes verspüren kann. Gebet ist immer Anbetung, direkte Anrufung,
Lobpreisung und Danksagung an den einzigen Gott im Koran.213
Darüber hinaus gibt es auch das Bittgebet („du’a“) und Ausdruck der innigen Liebe zu
Gott.214 In beiden Gebeten kommuniziert der Mensch mit Gott und erfährt die Nähe Gottes.
Jegliches Gespräch ist dabei, wie es Toshihiko Izutsu beschreibt, „das Gespräch des
menschlichen Herzens mit Gott“215 . Gott im Koran ist dem Menschen dabei sehr nahe,
obwohl er gleichzeitig auch der transzendente Gott ist. Der Koran sagt (8:24):
O ihr, die glaubt! Schenkt Gott und seinem Gesandten Gehör, wenn er euch zu etwas aufruft, was euch Leben spendet! Und wisset, dass Gott zwischen den Mann und sein Herz tritt Und dass ihr zu ihm versammelt werdet.
Das Herz ist dabei der Ort, in dem die Gotteserkenntnis stattfindet kann, in dem Zuneigung,
Wünsche und innere Wahrnehmungen des Menschen sind.216 Dort lässt sich auch die wahre
Dankbarkeit verankern.
Unter dem Gebet „dirk“ wird das Gedenken Gottes verstanden: „Gedenkt Meiner, damit
Ich euer gedenke: und seid Mir dankbar und verleugnet Mich nicht!“ (2:152). Gedenken ist
hier stark mit dem Dank verbunden (denken und danken). Es heißt, dass das Ich Gottes Gaben
an-erkennt und sich der Schöpfung erinnert. Es ist das bewusste Erinnern an das, was Gott
dem Ich geschenkt hat. Das Herz findet hier die Ruhe und Zuversicht, auf Gott bauen zu
können (vgl. 13:28). Das betende Ich ist dankbar für die Gnade Gottes (vgl. 22:35) und
konzentriert sich auf Gott und lässt sich nicht von anderen irdischen Dingen ablenken (vgl.
63:9). Wenn also das Ziel ist, die Gaben Gottes in der Welt durch das Gebet zu erkennen, so
ist im Koran die logische Schlussfolgerung für den/die Gläubigen, dass er Gott im Gebet
begegnet und so wahre Dankbarkeit für das, was ihm/ihr geschenkt worden ist, verspürt.217
Das Gebet ist dann Ausdruck des Vertrauens zwischen dem Ich und dem Du und das Ich ist
213 Vgl. Mohagheghi, Theologie des Herzens, S. 54. 214 Vgl. Kasiri, Theologie des Herzens, S.172. 215 Izutsu, God and Man, S.133-139. 216 Vgl. Mohagheghi, Theologie des Herzens, S. 55. 217 Vgl. ebd., S. 68.
66
sich bewusst, wie viel ihm an Gnade zuteil wurde, sodass dessen passende Antwort nur der
Dank sein kann. So schreibt ein bedeutendes Dankgebet aus der schiitischen Tradition:
The Whispered Prayer of the Thankful
میحرلا نمحرلا الله مسب (…) My God, my thankfulness is very small before the magnitude of your blessings,
يرشنو يئآنث يایإ كماركإ بنج يف لءاضتو ، And my praise and spreading of your news shrink beside your generosity toward me!
لالح نامیلإا راونأ نم كمعن ينتللج ، Your favors have wrapped me in the robes of the lights of faith,
لالك زعلا نم كرب فئآطل يلع تبرضو ، And your subtle goodness have let down over me delicate curtains of dignity!
لفت لا اقاوطأ ينتقوطو ،لحت لا دئلاق كنم ينتدلقو ، Your kindness has put on me collars not to be moved and adorned me with neck-rings not to be broken!
اھئاصحإ نع يناسل فعض ةمج كؤلاآف ، Your blessings are plentiful but my tongue is too weak to count them!
اھئآصقتسا نع لاضف اھكاردإ نع يمھف رصق ةریثك كؤآمعنو ، And your favours are many ,but my understanding of them falls short of grasping them, let alone exhausting them!
ركشلا لیصحتب يل فیكف ، So how can I achieve giving thanks?
ركش ىلإ رقتفی كایإ يركشو ، For my thanking you will require me to thank you for giving me the capacity to Thank
دمحلا كل :لوقأ نأ كلذل يلع بجو ،دمحلا كل :تلق املكف . Whenever I say, 'To you belongs all praise!', it becomes obligatory for me to mention your gift that allows me to express this praise. (…)
كعنصب انتیبرو ،كفطلب انتیذغ امكف يھلإ ،218
Gott ist im Gebet der Hörende, ein weiteres Attribut das ihm zukommt. Er steht im
Mittelpunkt des Dialogs. Aber er ist nicht nur passiver Zu-hörer von Dankesaussprüchen und
Gebeten, sondern er antwortet den Menschen, in Zeichen. Darüber hinaus antwortet er dem
Menschen auch im Akt der Dankbarkeit mit einem aktiven Akt der Dankbarkeit – er
verschließt sich nicht vor dem Menschen, sondern versucht, einen Dialog zu schaffen.
5.7 Dankbarkeit als reziprokes Beziehungsverhältnis zwischen Gott und
Mensch
In den vorangehenden Ausführungen wurde das Verhältnis zwischen Gott und Mensch
beschrieben, das Ich des Dankes war dabei der Mensch, der für die Gaben, die er von Gott
erhalten hat, auf verschiedene Weise dankt. Aber das Konzept von „Schkr“ wird im Koran
nicht nur auf den Menschen bezogen, der dankbar sein soll, sondern auch Gott selbst kann
Subjekt des Dankes sein und den Menschen mit dieser Eigenschaft gegenübertreten, wobei
218 Al-Sahifah, Al-Kamilah und Al-Sajjadiyyah: The Psalms of Islam. Übersetzt von William C. Chittick, Qom: Ansariyn Publications 2008, S. 242.
67
eine besondere Beziehung mit dem Menschen eingegangen wird.219 Dankbarkeit ist also nicht
nur als Monolog vom Menschen an Gott gerichtet zu verstehen, sondern Gott tritt in einen
Dialog mit den Menschen. Gott liebt die Gläubigen und wendet sich denen gnädig zu, die
seinen Willen tun.220 Gott liebt die, die ihm dankbar sind und Gott ist denen dankbar, die ihm
und den Mitmenschen dankbar sind. Die Dankbarkeit Gottes ist ergo Antwort auf das
menschliche rechtmäßige Handeln in der Welt.
Diese Eigenschaften finden ihren Ausdruck in den „Schönsten Gottesnamen“: das Nomen
„Schakur“, dessen Bedeutung über „Schakir“, „der Dankbare“, zu „Schakur“ „Der
Dankbarste“ bis hin zum „Überaus großen Dankbaren“ hinausreicht, wird darin erwähnt. Drei
Mal wird so dieser Gottesname in Verbindung mit „Schukr“ im Koran dargelegt: in den Suren
„Der Schöpfer“ (35:34), „Die Beratung“ (42:23) und in „Die Übervorteilung“ (64:17).221
In den ersten beiden göttlichen Beschreibungen wird Gottes stete dankbare Erwiderung an
die Glaubenden betont.222 „Schakur“ kommt dabei in den meisten Fällen im Zusammenhang
mit dem Vergebenden („ghafur“) vor, dem alles Lob gebührt:
Das ist es, was Gott verkündet denen seiner Diener, die glauben und gute Werke tun. Sprich: „Ich verlange keinen Lohn von euch dafür, bis auf die Liebe zu den Angehörigen.“ Und wer eine gute Tat begeht, dem verschönern wir sie noch. Siehe, Gott ist bereit, zu vergeben, zu belohnen.‘ (42:23)
Die Vergebung und der Dank liegen an beiden Textstellen eng in ihrer Bedeutung zueinander,
die bereits oben beschrieben wurden und auch in der Wortsemantik eng verbunden sind.
„Ghafur“ leitet sich vom Stamm „Isfahani“: „Kleidung, die vor Schmutz schützen soll“ ab.
Übertragen auf Gottes Vergebung kann dies wie ein Schutz vor Sünden gedeutet werden.
Dieser Schutz ist ein Akt der Barmherzigkeit und des Wohlwollens. Nicht ohne Grund werden
diese beiden Wortstämme im Koran zusammengebracht, denn zusammen ergeben sie eine
Symmetrie der Namen Gottes: Einerseits ist Gott jemand, der freilegt, freimacht (ausgedrückt
im Wort „Schakr“), andererseits bedeckt er die Sünden, indem er unendlich Verzeihen
schenkt.
219 Vgl. dazu auch: Amer Gheituri und Arsalan Golfam: God-Man Communication in the Quran: A Semiological Approach, in: Intl. J. Humanities 16 (2009), S. 45-61. 220 Vgl. Schirrmacher, Koran und Bibel, S. 69. 221 Vgl. Zilio-Grandi, The Graditude of Man, 45f. 222 Ebd., 46f.
68
Das heißt, Dankbarkeit kann im Koran als ein reziprokes und dialogisches
Beziehungsverhältnis dargestellt werden, in dem Gott selbst Objekt und Subjekt des Dankes
wird. Dankbarkeit ist ergo reziprok. Das heißt, dass auch Gott selbst sich dem Menschen
gegenüber dankbar erweist, der ihm gegenüber dankbar ist, das lässt sich, wie bereits
erläutert, durch sein Attribut, Gott ist der Dankbarste beschreiben. Gott wird so zum Subjekt,
das den Dank an den Menschen ausspricht. Darüber hinaus ist Gott dem Menschen dankbar,
der einem anderen Menschen mit Dankbarkeit gegenübertritt. Im Koran lässt sich
dahingehend folgender Vers finden:
Als euer Herr ankündigte: „Wenn ihr dankbar seid, will ich euch noch mehr erweisen, wenn ihr jedoch undankbar seid, dann wird meine Strafe wahrlich streng sein!“ (14:7)
Vielmehr wird in diesem Beziehungsverhältnis auch die ethische Relation zwischen Mensch
und Gott beschrieben: Gott selbst wirkt auf den Menschen in einer ethischen Weise ein, indem
er Gott in Gerechtigkeit und Güte darstellt.223 Darüber hinaus ist die Dankbarkeit also wie das
„fette Kamel“ (siehe Kap. 2), das nur wenig braucht, aber viel zurückgibt. Der Mensch ist
dankbar und Gott begegnet dem Ich als der Dankbarste in der Welt. Dabei muss erkannt
werden, dass des Menschen Gebens end-lich ist, doch Gottes Gabe ist end-los.224 Ähnlich
wird dies auch im Alten Testament dargestellt, wenn sich Gott dem Volk Israel offenbart.
Ein weiterer Punkt in der Übersetzung sei hier angemerkt. Wenn Gott als der „Schkr“ den
Menschen gegenübertritt, dann gibt er ihnen nicht nur mehr an Gaben und Dank zurück,
sondern macht den Menschen. Durch Dankbarkeit wird das Ich des Dankes gestärkt und
verwandelt sich. Dank macht aus dem Mensch mehr. Wie es schon erwähnt wurde:
„Dankbarkeit verwandelt den Menschen.“ – sie macht ihn regelrecht mehr und verändert am
eigenen Ich etwas.
5.8 Dankbarkeit als Synonym für den Glauben
Nicht nur Beziehung allein drückt sich im Konzept „Schkr“ im Koran aus, sondern das
Konzept ist eng mit dem Glauben selbst verbunden. Das konnte bereits gezeigt werden, wenn
die Tugenden und die Gottesfürchtigkeit in den Mittelpunkt der Dankbarkeit gerückt sind.
Glaube ist nämlich an Gott in der Anerkennung des alleinigen, ewigen Gottes und seiner
223 Vgl. Izutsu, God and Man, S. 254f. 224 Vgl. Shomali, Key Concepts.
69
Allmacht gebunden und beschreibt das Werk des Herzens und all die Einzelheiten, wie die
Gläubigen in der Welt leben.225 All die Taten und Handlungen des Menschen werden auf Gott
hin ausgerichtet. Das, was Gott für böse hält, soll unterlassen werden und das, was Gott für
gut befindet, soll Platz im Leben der Gläubigen finden.226 Deshalb kann an dieser Stelle ein
direkter Bezug zum Wort „Schkr“, dessen Akronym mit der Wortwurzel „k-f-r“ beschrieben
wird, erkannt werden. Die Bedeutung des Gegenteils ist Undankbarkeit, aber auch Unglauben
(vgl. Kap. 2 und 39:7). Glauben beschränkt sich nicht nur auf eine innere Ausrichtung und
einen Akt des Verständnisses zur Hinwendung zum einen Gott, als ein theoretisches Für-wahr-
Halten von bestimmten Glaubens-Wahrheiten, die im Koran verankert sind, sondern hat
primär Konsequenzen im Glaubensleben. Vermerkt wird dies in Sure 3:110:
Ihr seid die beste Gemeinschaft, die jemals für die Menschen geschaffen wurde. Ihr gebietet das Rechte, verbietet das Schlechte und glaubt an Gott! Wenn auch die Buchbesitzer glauben würden, es wäre gut für sie. Es gibt ja unter ihnen Gläubige, doch die meisten von ihnen sind Abtrünnige.
Glaube ist in Anlehnung an diesen Vers an Taten, an das aktive Handeln, bezogen und soll
sich dem Guten ausrichten. Es reicht nicht, nur das Buch des Korans zu lesen. Dankbarkeit
richtet sich an das Anerkennen des Guten, der besonderen Taten Gottes und lässt den
Menschen sein Abhängigkeitsverhältnis zum Schöpfer erkennen. Als die positive Ausrichtung
ist Glaube zu verstehen. Es resultiert daraus ein religiöses und moralisches Konzept, das
Dankbarkeit und Glauben in direktem Zusammenhang stellt. Durch den Zusammenhang in
der Semantik zwischen „Schkr“ und „Kafr“, kann die Un-dankbarkeit als Un-glaube
verstanden werden und ist stark negativ konnotiert.227 Der Koran kritisiert demnach die nicht
vorhandene Dankbarkeit unter den Menschen:
Sie machen für ihn, was er will: Paläste und Standbilder, Schüsseln, groß wie Bottiche, und Töpfe, fest verankert. „Tut eure Arbeit, Sippe Davids, in Dankbarkeit!“ Doch nur selten ist jemand unter meinen Knechten, der aufrichtig dankbar ist. (34:13) Siehe, der Mensch ist seinem Herrn nicht dankbar – Denn dafür zeugt er ja selbst. (100:6-7)
Der verwendete Begriff „k-f-r“ ist ein Wort, das Negatives ausdrückt: Er bedeckt das Gute
und kann deshalb nichts Anderes in den Vordergrund stellen. Daraus lässt sich folgern, dass in
225 Vgl. Karl Jaros: Der Islam, Wien/Köln/Weimar: Böhlau 2012 (UTB), S. 155. 226 Schirrmacher, Koran und Bibel, S. 63. 227 Zilio-Grandi, Gratitude and Ingratitude, S. 47f.
70
einer undankbaren Umwelt nichts gedeihen kann – nichts kann gezeigt werden und ist der
Schönheit Gottes würdig. Denn der Mensch ist selbst seines Glückes Schmied und wird durch
seine Undankbarkeit auch als ungläubig beschrieben. So wird im Koran die enge Verbindung
zwischen Dankbarkeit und Undankbarkeit mit dem Glauben erläutert.228 „Schkr“ ist demnach
ein Synonym für „Iman“, den Glauben an Gott selbst, dessen Gegenteil „Kufr“ darstellt und
verbunden mit dem Unglauben ist. Wo keine Dankbarkeit ist, da ist auch kein Glaube an den
einen Gott.
Durch die positive Konnotation „Schkr“ auf der anderen Seite kann Glaube an den einen
Gott wachsen und die wahre Dankbarkeit ihre Basis finden und Beziehung zu Gott und dem
Mitmenschen stattfinden: Sie kann wie eine Blume des Glaubens zu wachsen beginnen und
durch ihr zwischenmenschliches Wirken im Alltag und darüber hinaus zu Gott hin aufblühen
und sich entfalten.
228 Atif, On cultivating, S. 2-3.
71
6 Dankbarkeit zwischen Kultur, Gefühl und
Kommunikation – ein Vergleich der Heiligen Schriften
Die Heiligen Schriften und ausgewählten Texte unterliegen verschiedenen Kulturen, die auf
verschiedene Codes verweisen. Ebenso wurden die Texte poetologisch auf je differente Weise
abgefasst und unterliegen unterschiedlichen Traditionen: Der Koran zum Beispiel ist ein
Meisterwerk des Arabischen, der in einer poetischen Sprache verfasst wurde und die
(monologisch aufgebaute) Rede Gottes darstellt.229 Auf der anderen Seite spiegelt der Psalm
aus dem Alten Testament eine Sonderform der hebräischen Dichtkunst, den Toda-Psalmen,
dar und versucht Dankbarkeit auf einer metaphorischen Ebene in der Kunst der hebräischen
Dichtung darzustellen. Im Neuen Testament wiederum stellt die Textstelle aus dem
Evangelium einen Ausschnitt aus dem Leben und Wirken Jesu dar. Sie ist vom Evangelisten
Lukas verfasst und wird von seinem hellenistischen Denken stark geprägt. Die Textstellen aus
dem paulinischen Korpus lassen sich primär auf epistologische Schreibkunst zu Zeiten Paulus
zurückführen und haben vor allem die verständliche Übermittlung des Evangeliums und
dessen Werte zum Ziel.
Trotz der verschiedenen Arten der Abfassung der Heiligen Schriften können auch
Ähnlichkeiten festgestellt werden. So kann Dankbarkeit einerseits auf Gefühlsebene erläutert
werden und darüber hinaus ist Dankbarkeit tief mit dem Lob verbunden und an die Schöpfung
und die Gnadengaben Gottes gerichtet. Andererseits stellt sie einen wesentlichen Teil des
moralischen Systems, wenn zum Beispiel der Begriff der Tugenden verwendet wird, in den
Heiligen Schriften dar, um ein gelingendes und positives Zusammenleben zwischen Mensch
und Mensch und Mensch und Gott zu beschreiben.
Merkmal ist darüber hinaus die Verbindung mit dem Herzen und dem Gefühl der Freude:
Dankbarkeit richtet sich in den Beschreibungen immer auf etwas Positives und geht mit einer
innerlichen, freudigen Gefühlsregung der Dankbarkeit einher. Der Philosoph Thomas Nister
schreibt in diesem Zusammenhang in seiner Monografie:
Dankbarkeit ist im ursprünglichen und eigentlichen Sinn ein Gefühl. Dankbarkeit ist im abgeleiteten und weiteren Sinn eine Tugend. Dabei ist Dankbarkeit ein komplexes oder zusammengesetztes Gefühl. Dankbarkeit als Gefühl birgt nämlich zwei elementare Gefühle: Dankbarkeit enthält Freude und
229 Vgl. Shomali, Islamic Belief System, S. 148-150 und Joachim Gnilka: Bibel und Koran. Was sie verbindet, was sie trennt, Freiburg/Basel/Wien: Herder 32004, S. 63.
72
Wohlwollen. Wer dankbar ist, freut sich über die Wohltat; es bereitet ihm oder ihr Freude, die Dankbarkeit auszudrücken und die Wohltat angemessen zu erwidern.230
All diese verschiedenen Beschreibungen der Dankbarkeit in den Heiligen Schriften münden in
einen wesentlichen Aspekt: dem dialogischen Beziehungsaspekt der Dankbarkeit. Dieser lässt
sich sowohl auf horizontaler als auch auf vertikaler Relation beschreiben und setzt einen
Kommunikationsakt voraus. Dieser Kommunikationsakt, oder auch Dankesakt, manifestiert
sich in der Sprache und den Handlungen der Menschen und Gottes.
Der positive Kommunikationsakt der Dankbarkeit setzt, wie bereits in der
sprachphilosophischen Annäherung an Dankbarkeit und dem nachfolgenden Teil der Exegese
der Heiligen Schriften ersichtlich wurde, ein Ich (Subjekt) und ein Du (Objekt) des Dankes
voraus, dessen Beziehung nur in einer Zuwendung zum Anderen funktionieren kann. Das
Subjekt des Dankes richtet also seinen Dank auf das Du, das Objekt, aus – ein Dialog und
eine Kommunikation resultiert daraus.231 Dieses Du kann ein anderer Mensch, ein anderes
Gegenüber (horizontal), aber wesentlicher für die Beschreibung in den Heiligen Schriften, der
Schöpfer selbst sein (vertikal).
Miteinher mit der Dankbarkeit geht immer eine Gabe, dessen Basis sowohl Geben als auch
Empfangen ist. Dankbarkeit ist auf anthropologische Weise das Beziehungsverhältnis des Ichs
und Dus, das sich als ein „Gewebe unseres Lebens“232, wie es der Soziologe Jean Starobinski
formuliert, charakterisieren lässt.
Diese Verbindung zwischen Ich und Du ist durchaus keine statisches, sondern sie hängt
von beiden Komponenten Ich und Du und deren Verhaltensweisen ab. Dieses
Beziehungsverhältnis bringt auch die Abhängigkeit in der Welt von Ich und Du zum
Ausdruck. Der Neutestamentler David Pao fügt an dieser Stelle hinzu:
Dankbarkeit scheint der integrale Ausdruck unserer Abhängigkeit zueinander zu sein. Jemanden zu danken, heißt, dass wir zugeben, dass wir zuerst Hilfe gebraucht haben oder zuerst bereichert werden mussten. Also auch für diejenigen, die narzisstische Gedanken beim Danken haben, die widerstehen oft dem Ausdruck aus tiefsten Herz, weil das die vorangehende Unzugänglichkeit des eigenen Selbst nicht zugeben wollen, da es eine Beleidigung für das übergeordnete Selbst wäre.233
Beschreibungen wie diese eines Kommunikationsaktes und darüber hinaus eines Dialoges
sind in der (Kommunikations-)Forschung nichts Neues – im Gegenteil – schon in der Antike
230 Thomas Nister: Dankbarkeit, Würzburg: Königshausen & Neumann 2012, S. 214. 231 Diese Beschreibung der Dankbarkeit ist ein zutiefst existenziell geprägt und auch mit der Anthropologie verbunden. 232 Jean Starobinski: Gute Gaben, schlimme Gaben die Ambivalenz sozialer Gesten. Aus d. Franz. von Horst Günther, Frankfurt am Main: Fischer 1994, S. 10. 233 Pao, Thanksgiving, S. 194.
73
haben Platon und seine Schüler sich mit zwischenmenschlichen Phänomenen der
Kommunikation wie dem Dialog befasst. Ansatzpunkt fanden diese im Faktum der
Mehrdimensionalität des Wesens des Menschen. Der zoon politikon braucht ein Gegenüber,
um seinen Daseinszweck, in der Gemeinschaft erfüllen zu können.
Der Religionsphilosoph Martin Buber, der sich Lebezeiten mit der Dialogphilosophie oder
auch Begegnungsphilosophie genannt, beschäftigte und diese maßgeblich geprägt hat,
schreibt Folgendes: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung.“234 Mit dieser Begegnung sind
Begegnungen mit einem Anderen, mit einem Du gemeint. In dieser Begegnung kann dem
Menschen ein neuer Raum eröffnet werden.
An dieser Stelle wird die Analyse der Dankbarkeit mit der Perspektive Martin Bubers in
Verbindung gebracht, da sich Dankbarkeit als ein Akt zwischen zwei Personen darstellen lässt
und in der Begegnung zum Anderen sich eine besondere Beziehung entwickeln kann.
6.1 Die Ich-Du-Beziehung bei Martin Buber als „Dialogisches-Prinzip“
Mit der These „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“235 hat Martin Buber einen wesentlichen
Beitrag zur Beschreibung des Dialogs als eines Beziehungsverhältnisses im 19. Jahrhundert in
seinem Aufsatz Ich und Du geleistet, dessen Tradition dem Chasidissmus 236 und der
hebräischen Bibel unterliegt. Mit seinem dialogischen Prinzip setzt er an das dialogische
Denken und an die dialogische Philosophie seiner Zeit an und versucht diese durch die
Sprache in einem jüdisch-christlichen Kontext darzustellen.237 In seinen Schriften stellt er
Thesen auf, wie es zu tatsächlichen Begegnungen und somit zu wahrhaftigen Beziehungen
kommen kann.
234 Martin Buber: Ich und Du, Stuttgart: Reclam 2009 (Reclams Universal-Bibliothek 9342), S. 12. 235 Ebd. 236 Martin Buber erwähnt in seinen Ausführungen selbst, dass er wichtige Überlegungen seiner dialogischen Philosophie aus den Gedanken der chassidischen Überlieferung herangezogen hat. Dabei ist wesentlicher Grundgedanken, dass Gott seine Wohnung in seinen Geschöpfen nimmt und ist vergleichbar mit den Gedanken aus der Tora (vgl. Lev 26,11). Somit ist auch für Buber die Welt, die Gegenwart das, wo sich der Glaube selbst abspielt und wo Gott sich dem Menschen offenbart. Gott ist nicht der allmächtige Weltenlenker, sondern kann den Menschen in der Welt begegnen. Siehe dazu den Artikel: Andreas Schmidt: Vertrauen und Dialog. Das religiöse Denken Martin Bubers, in: http://buber.de/de/vertrauen_dialog [abgerufen am 23. August 2019]. 237 Vgl. Luiz Carlos Sureki: Zur Aktualität des philosophischen Denkens Ebners für die theologische Reflexion, in: Sureki, Luiz C.: Zur Aktualität des philosophischen Denkens Ebners für die theologische Reflexion, in: https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&cad=rja&uact=8&ved=2ahUKEwj6zcbZ9aLkAhWml4sKHZY5BUUQFjAAegQIABAC&url=https%3A%2F%2Fwww.uibk.ac.at%2Ftheol%2Fleseraum%2Fpdf%2Fsureki.pdf&usg=AOvVaw1zWtjrhdepLx_GC5RAsrw6 [abgerufen am 27. August 2019], S. 1.
74
Der Dialog stellt per definitionem nicht nur eine „von zwei oder mehreren Personen
abwechselnd geführte Rede und Gegenrede; [ein] Zwiegespräch, [eine] Wechselrede“238 dar,
sondern geht über diese Definition, die eng mit einem Sprechakt in Verbindung steht, hinaus,
wenn das zweite Wort, der Logos, näher betrachtet wird. Logos möchte nicht nur als ein
statisches, einfaches Wort verstanden werden, sondern geht über den Sprechakt selbst und die
Sprache hinaus. Er stellt eine Denk- und Sprechweise dar, die durch den Logos „hindurch-
geht“. Es kann also kein Gerede sein, sondern ist ein Denken, Sprechen und Handeln über und
durch den Menschen selbst.239 Das bedeutet, dass der Dialog nicht ausschließlich Redeweise,
sondern Begegnung mit dem Gegenüber, einer Person oder einem ansprechbaren Subjekt, ist.
In buberschen Sinn ist der Dialog die unmittelbare Begegnung von Person zu Person in einer
Ich-Du-Beziehung.240
Martin Buber versucht in seinem Gesamtwerk des dialogischen Prinzips, mit dem er sich
zeitlebens beschäftigte, Fragen der Antropho-logie nachzugehen. Durch seine Philosophie des
Menschen möchte er die Stellung des Menschen in der Welt erläutern und die Frage
beantwortet, wie Menschsein möglich sein kann. Er verankert es in einem Prinzip der
Urdistanz und Beziehung. In der Beziehung findet Martin Buber eine Antwort auf die Frage
nach der Verwirklichung des Menschseins und wie der Mensch in der Welt ist und welche
Haltungen er zur Welt einnehmen kann.241
Nach Buber erlangt der Mensch sein wirkliches Menschsein in einer „doppelten“
Bewegung. Diese beiden Bewegungen nennt er „Urdistanzierung“ und „In-Beziehung-treten“.
Die Urdistanzierung ist dabei Voraussetzung für das In-Beziehung-treten des Menschen.242
Das Tier kann zwar die Welt abbilden, aber es unterliegt seinen natürlichen Bedürfnissen
und reagiert auf seine Umwelt. Somit steht das Tier in einem Hin und Her an
Sinneswahrnehmungen und natürlichen Bedürfnissen, die dem Tier als ein natürlicher Antrieb
dienen.
Anders steht der Mensch zu seiner Welt. Er denkt seine Welt als eine selbstständige Welt,
die ihm gegenübersteht. Er ist in der Lage, im Gegensatz zum Tier, die Welt um sich herum
losgelöst von sich seiend erkennen zu können. Darin sieht Martin Buber den Prozess der
238 Art. Dialog, in: https://www.duden.de/rechtschreibung/Dialog [abgerufen am 28. Juli 2019]. 239 Vgl. Karl-Martin Dietz: Dialog. Die Kunst der Zusammenarbeit, Heidelberg: Menon 32010, S. 8. 240 Vgl. Martin Buber: Das dialogische Prinzip, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2009, S. 7f. 241 Vgl. Dietz, Dialog, S. 8. 242 Vgl. Mathias Evertz: Dialogisches Prinzip und Führungskultur, Koblenz/Landau 2016 (Dissertation Universität Koblenz/Landau), S. 45.
75
Distanzierung. Diese nennt Martin Buber „Urdistanzierung“, da sie dem Menschen eigen und
dem Vorbewussten untergeordnet ist. Sie ist also nicht durch Erfahrung erworben.
Diese strukturelle Distanzierung ist Prämisse, dass der Mensch sich unabhängig zur Welt
wahrnehmen kann. Er kann sich die Welt und das eigenen Ich (getrennt voneinander)
vorstellen. Damit sich der Mensch realisieren kann, fordert das Prinzip der Distanzierung laut
Buber das In-Beziehung-treten, ein potenzielles Überwinden dieser Distanz. Diese
Beziehungsfähigkeit stellt somit eine Potenzialität für den Menschen dar.
Als ein Beispiel kann hier die Beziehung zwischen der Mutter und dem (Klein-)Kind
beschrieben werden, die diesen Prozess der Urdistanzierung als erstes Beziehungsgeschehen
jedes menschlichen Lebens verdeutlichen soll.243
In dieser Beziehung ist eine Einheit zwischen der Mutter und dem Kind vorhanden, die
sich im Laufe der frühkindlichen Entwicklung (ver-)ändert. In der ersten Zeit kann der
Säugling nur in Bezug zur Mutter, zu einem Du, existieren. Nach und nach kann sich das
Kleinkind von diesem Du ablösen und zu einem eigenständigen Ich werden. Dadurch kommt
ein Bruch zwischen dem Ich und der Realität zustande. Die Urdistanz findet in diesem
Augenblick ihren Ausgangspunkt:
Nun erst erfährt er die Dinge als Summe von Eigenschaften: Eigenschaften waren wohl aus jedem Beziehungserlebnis, dessen erinnertem Du zugehörig, in seinem Gedächtnis verblieben, aber nun erst bauen sich ihm die Dinge aus ihren Eigenschaften auf.244
Von diesem Ausgangspunkt her kann das Ich zwei Grundworte sprechen, die es in seinem
Zusammenhang erfahren hat und kann Beziehung und Erfahrung voneinander trennen und in
einem kausalen Zusammenhang deuten. Somit zeigt uns hier die Sprache das vermittelte
Umgehen mit der Welt. Die Sprache schafft hier eine Distanz zwischen der Welt und dem Ich,
sprich einen Bruch zwischen mir und der Welt. In Bubers Überlegungen schafft dahingehend
die Sprache die verschiedenen Haltungen zur Welt und verweist auf spezifische Momente.245
Buber stellt in diesem Zusammenhang am Anfang seines wichtigsten Werks des
„Dialogischen Prinzips“ Ich und Du diese Haltungen zur Welt: „Die Welt ist dem Menschen
243 Martin Buber gibt in seinem Buch Ich und Du, S. 19-22 und S. 24-28 das Beispiel in den Sprachen der „Primitiven“ an, „deren Leben sich in einem schmalen Umkreis gegenwartsstarker Akte aufbaut“, vgl. dazu auch die Ausführungen in Dilger, Das dialogische Prinzip, S. 33-35. 244 Buber, Ich und Du, S. 245 Vgl. Simon Zangerle: Martin Bubers Philosophie des Dialogs und die Existenzanalyse, in: Existenzanalyse 31 (2017), S. 16-27, hier: S. 19f.
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zwiefältig nach seiner zwiefältigen Haltung. Die Haltung des Menschen ist zwiefältig nach
der Zwiefalt der Grundworte, die er sprechen kann.“246
So kann für Martin Buber die Welt erst entstehen, wenn der Mensch sich von seinem
eigenen (Lebens)-bereich abrückt und sich anschließend in seiner Welt ergänzt. Dies kann ein
möglicher Ausgangspunkt für einen Prozess der Veränderung des Ichs im In-Beziehung-treten
darstellen. Ob und wie der Mensch zur Welt in Beziehung tritt, kann nicht vorbestimmt
werden. Distanzierungsvorgang ist lediglich Ermöglichung eines Beziehungsakts, ist aber
nicht an diesen gebunden. Das heißt auf anderer Ebene auch, dass das Verwirklichen des
Menschseins einer Kontingenz unterliegt, es ist durchaus möglich, aber nicht zwingend
notwendig.
Wie bereits ersichtlich wurde, ist Beziehung Dreh- und Angelpunkt für Martin Bubers
Philosophie. In ihr sieht er das wesentliche Merkmal der Verwirklichung des Menschseins
verankert. Sowohl Distanzierungsakte, als auch Beziehungsgeschehen sind Kriterium. Der
Mensch verhält sich darüber hinaus in Distanzierungs- und Beziehungsabläufen
unterschiedlich zur Welt. Diese Arten, wie der Mensch in Relation zur Welt steht, nennt
Martin Buber Grundhaltungen/Grundworte. Grundworte zu sprechen bedeutet dahingehend
für Buber, eine bestimmte Haltung zur Welt einnehmen.247 Daran lässt sich die Anthropologie
Martin Bubers festmachen. Er sieht das Mensch-sein im Einnehmen einer bestimmten
Haltung zur Welt und zum Anderen verankert.
Die „zwiefältige“248 Haltung, die der Mensch zu Dingen und Mitmenschen in der Welt
einnehmen kann, wird durch seine Urdistanz und des In-Beziehung-Tretens ermöglicht. Beim
Vorgang der Distanzierung können Menschen und Dinge zum Es werden, bei
Beziehungsabläufen folglich zum Du. Aus dieser Zwiefältigkeit resultieren die zwiefältigen
Grundworte, die der Mensch sprechen kann. Es sind die Wortpaare Ich-Es und Ich-Du.
Die Wortpaare mit den beiden unterschiedlichen Korrelata „Es“ bzw. „Du“ bezeichnen für
Buber zwei verschiedene Weisen sich zur Welt in ein Verhältnis zu setzen. Martin Buber zieht
die Konsequenz daraus: „Somit ist auch das Ich des Menschen zwiefältig.“249 Die Grundworte
können nur als Wortpaar auftreten. Das menschliche Ich ist nicht losgelöst vom Es oder Du,
für sich seiend, denkbar. Es ist nur in einem Grundwort verankert. Es bildet immer einen Teil
246 Buber, Ich und Du, S. 3. 247 Ebd. 248 Ebd. 249 Vgl. ebd.
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des Grundverhältnisses zur Welt. Martin Buber schreibt dazu: „Es gibt kein Ich an sich,
sondern nur das Ich des Grundworts Ich-Du und das Ich des Grundworts Ich-Es.“250 Diese
beiden Grundworte, Ich-Es und Ich-Du, sind parallel zwei verschiedenen Haltungen und
stehen für zwei grundsätzlich mögliche Arten des In-der-Welt-seins. Das Grundwort Ich-Es
steht dabei für „Erfahrung“, das Grundwort Ich-Du steht im Gegensatz dazu für „Begegnung“
und „Beziehung“. 251 In Martin Bubers Worten: „Die Welt als Erfahrung gehört dem
Grundwort Ich-Es zu. Das Grundwort Ich-Du stiftet die Welt der Beziehung.“252Diese beiden
Grundworte Ich-Es und Ich-Du werden nun erläutert, um das Verhältnis der Korrelata besser
verstehen zu können und die Unterschiede dieser beiden Grundwörter aufzuzeigen.
6.1.1 Das Grundwort Ich-Es
Spricht der Mensch Ich-Es, so erfährt er die Welt und ist nicht mir ihr verbunden. Der Mensch
distanziert sich von der Welt. Er betrachtet die Welt als ein Objekt, um sie beobachten zu
können. Dieses Es, das das Ich erfährt und beobachtet, ist nicht das Andere, sondern nur das,
was der/die Erfahrende subjektiv wahrnimmt.253 Es kann als ein Besitzen und Gebrauchen der
Welt beschrieben werden. Charakteristika dieser Es-Welt sind folgende:
1) Die Es-Welt kann bestimmt werden. Sie ist beschreibbar, objektivierbar und darstell-
bar. Sie ist an Raum und Zeit gebunden und unterliegt einer Kausalität.254 Der Mensch
kann dieses Sein wahrnehmen und in ihrem Zusammenhang von Raum und Zeit deu-
ten. Der Mensch kann, weil er nicht in Beziehung zu seinem Gegenüber steht, sondern
von ihr distanziert ist, die Welt erfahren und Aussagen über sie machen.
2) Um die Welt kontrollieren, gebrauchen und benützen zu können, ist das Ich-Es-
Verhältnis von Wichtigkeit. Erst in der Es-Welt kann der Mensch sich mit dem Ande-
ren verständigen, da die Welt hier als Welt von Objekten und bestimmten Erfahrungen
betrachtet wird: „Und in allem Ernst der Wahrheit, du: ohne Es kann der Mensch nicht
leben. Aber wer mit ihm allein lebt, ist nicht Mensch.“255 Dies ist die Voraussetzung,
um einen Alltag zu führen. Wenn das Leben auf die Ich-Du-Beziehung erschöpft oder
begrenzt ist, fehlt dem Menschen etwas Wichtiges.
250 Buber, Ich und Du, S.8. 251 Vgl. Zangerle, Martin Bubers Philosophie, S. 20. 252 Buber, Ich und Du, S. 6. 253 Diese Beschreibung gleicht Kants Vorstellung der Erfahrung. Die Erfahrung ist auch bei ihm nur ein Bild der Gegenstände, wie sie dem Menschen erscheinen und nicht das, wie sie wirklich sind. Erfahrung findet immer im Subjekt der Erfahrung selbst statt, sie ist nicht zwischen dem Ich und der Welt. 254 Vgl. Buber, Ich und Du, S. 36. 255 Buber, Ich und Du, S. 34.
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3) In dem Grundwort Ich-Es ist das Grundwort einer Trennung inbegriffen, das heißt,
dass der/die Erfahrende keinen Anteil an der Welt hat, da der Mensch in sich selbst die
Welt erfährt: „Der Erfahrende hat keinen Anteil an der Welt. Die Erfahrung ist ja ‚in
ihm‘ und nicht zwischen ihm und der Welt. Die Welt hat keinen Anteil an der Erfah-
rung. Sie lässt sich erfahren, aber es geht sie nichts an, denn sie tut nichts dazu, und ihr
widerfährt nichts davon.“ 256 Das bedeutet, dass im Grundwort der Trennung der
Mensch sich in einem Monolog verhält.
4) Vergangenheit ist das Tempus dieses Grundwortes. Durch das Gebrauchen und Erfah-
ren der Dinge und Gegenstände in seiner Umwelt, lebt er mit ihnen. Er schließt somit
die Gegenwart einer Beziehung mit anderen Menschen aus. Martin Buber schreibt da-
zu: „Wesenheiten werden in der Gegenwart gelebt, Gegenständlichkeiten in der Ver-
gangenheit.“257 Im Moment des Beschreibens, ist nämlich der Gegenstand/das Be-
schriebene schon vorbei.
5) „Ich erfahre Etwas.“258, schreibt Marin Buber. In der Sprache manifestiert sich ein we-
sentliches Merkmal der Ich-Es-Welt: Das Ich tritt nicht über die Urdistanz hinaus und
beschreibt die Dinge in der Welt stets im Akkusativ und in der dritten Person. So sieht
sich das Ich als das erfahrende und beschreibende Subjekt in der Welt.
In dieser Ich-Es-Beziehung ist das Ich ein Eigenwesen. „Das Eigenwesen wird sich
seiner selbst als ein So-und-nicht-anders-seienden bewusst.“ 259 , erläutert Martin
Buber. Das Eigenwesen sieht sich als das, was es ist, als „So bin ich.“260 Es grenzt sich
in dieser Beziehung vom Gegenüber ab und hebt die Dinge hervor, die es vom Es
unterscheidet. Die Unterschiede sind für das Ich mehr von Bedeutung als das Ich und
das Du in einem Verhältnis zueinander zu sehen.261
Die Es-Welt ist nicht vermeidbar, sie ist notwendig, da sie unsere (Um-)Welt darstellt. Die
Gefahr liegt in der Totalisierung der Ich-Es-Beziehung, das heißt, dass dem Ich die Welt nur
mehr unter diesem Blickwinkel begegnet und damit eine reine Objektwelt entstehen kann.262
Deshalb beschreibt Martin Buber das zweite Grundwort als ein Grundwort der Beziehung und
Begegnung.
256 Buber, Ich und Du, S. 6. 257 Ebd., S. 13. 258 Ebd., S. 5. 259 Ebd., S. 62. 260 Ebd. 261 Vgl. Zengerle, Martin Bubers Philosophie, S. 25. 262 Grimme, Hans-Werner: Ich - Du - Ewiges Du. Religionsphilosophische Aspekte der Dialogik Martin Bubers, Stuttgart: Ibidem 2002, S. 93.
79
6.1.2 Das Grundwort Ich-Du
Dieses Grundwort findet im Hier und Jetzt seine Zeit. Spricht das Ich zu einem Gegenstand
oder einem Mitmenschen in der Welt das Wort Du, tritt das Ich in eine Ich-Du-Beziehung ein.
Das Leitwort dieser Beziehung ist der Dia-log. Es kommt zu einer „aktualen Begegnung“, das
bedeutet, dass das Du dabei immer gegenwärtig und wirklich ist. Martin Buber möchte dabei
Wirklichkeit als eine Wirkmacht beschreiben, die an Ich und Du gebunden ist:
Wer in Beziehung steht, nimmt an einer Wirklichkeit teil, das heißt: an seinem Sein, das nicht bloß an ihm und nicht bloß außer ihm ist. Alle Wirklichkeit ist ein Wirken, an dem ich teilnehme, ohne es mir eignen zu können. Wo keine Teilnahme ist, ist keine Wirklichkeit.263
Wirklichkeit kann Buber selbst nur in Relation zu einem Gegenüber denken, da alle
Wirklichkeit auch ein Wirken am Anderen darstellt. 264 Denn „Alles wirkliche Leben ist
Begegnung“.265 Diese Begegnung prägt die Realität. Spezifika, die diese Ich-Du-Begegnung
ausmachen, werden im folgenden Abschnitt erläutert:
1) Ich-Du-Beziehung kann nicht nur von den beiden Partnern alleine hergestellt werden.
Die beiden Partner/Partnerinnen können jeweils für das Beziehungsgeschehen nur of-
fen sein, das heißt, dass nur die Möglichkeit einer Beziehung vorhanden sein kann. Es
braucht immer die „Gnade“ vom Gegenüber. Beziehung ist also möglich, aber nicht
zwingend notwendig.
2) Martin Buber postuliert: „Den Menschen, zu dem ich Du sage, erfahre ich nicht. Aber
ich stehe in Beziehung zu ihm, im heiligen Grundwort. Erst wenn ich daraus trete, er-
fahre ich ihn wieder. Erfahrung ist Du-Ferne“.266 In der Ich-Du-Beziehung stellt das
Du kein beschreibbares Objekt im Gegensatz zum Es dar. Das Gegenüber ist gegen-
wärtig und unmittelbar, er ist dahingehend kein zu gebrauchender und zu benützender
Gegenstand.
3) „Beziehung ist Gegenseitigkeit.“, formuliert Martin Buber. Gegenseitigkeit ist in die-
sem Sinne ein weiteres Merkmal der Beziehung zwischen dem Ich und Du. Das heißt,
es ist Platz für einen Dialog. Beziehung beruht auf Gleichwertigkeit der Beteiligten.
Es kann zu keinem Gefälle zwischen Ich und Du kommen, wie es in der Ich-Es-Welt
263 Buber, Ich und Du, S. 61. 264 Vgl. Zangerle, Martin Bubers Philosophie, S. 19. 265 Buber, Ich und Du, S. 12. 266 Ebd., S. 9.
80
der Fall ist: Dort wird der Monolog durch Beobachter/in und beobachteten Gegenstand
charakterisiert. Das heißt, dass in der Ich-Du-Beziehung die Partizipation beider Sei-
ten vorhanden sein muss.267
4) „Nur dadurch, dass das Du gegenwärtig wird, entsteht Gegenwart“268, beschreibt Mar-
tin Buber. Beziehung kann erst in Gegenwart entstehen. Das Ich muss das gegenüber-
stehende Du in einer Beziehung denken und es als sein (ansprechbares) Gegenüber er-
kennen. Erst in dieser Form der Begegnung kann Beziehung zwischen Ich und Du ent-
stehen. Das Ich muss sich, um sich in der Welt verwirklichen zu können, der Welt zu-
wenden und kann nicht in einer Distanz zur (Um-)Welt verharren.
5) Jede Ich-Du-Beziehung ist zeitlich begrenzt, sie kann nicht ewig sein, denn „In bloßer
Gegenwart lässt sich nicht leben, sie würde einen aufzehren, wenn da nicht vorgesorgt
wäre, dass sie rasch und gründlich überwunden wird.“269, stellt Martin Buber fest. Das
Ich kann zum Du nicht in einer dauerhaften Beziehung stehen. Daraus lässt sich fol-
gern, dass jedes Du nach Beendigung des Beziehungsgeschehens wieder ein Es wer-
den muss. Dieses Es hat die Möglichkeit, nach Heraustreten des Beziehungsgescheh-
nisses wieder Du in einem anderen Akt zu werden. Es ist das „Erwähltwerden und Er-
wählen“270, „Aktion und Passion“271 bei Buber. Das heißt, das „aktuale“ Du hängt mit
dem „latenten“ Du in einem engen Zusammenhang – es ist immer die Möglichkeit für
das Es vorhanden, eine Beziehung mit dem Ich eingehen zu können.
6) In der Ich-Du-Beziehung wird das Ich zur Person, da es mit anderen Personen in Be-
ziehung tritt. Es stellt kein empfindendes und erfahrendes Subjekt mehr dar.272 Das
heißt, dass es unverfälscht dem Du gegenüberstehen kann und von ihm ebenso ange-
nommen wird. Es kann sich als ein Teil in der Welt erkennen. Es wird „zum wahren
Selbst“273 Das Ich ist nicht nur mehr „Eigenwesen“, das es in der Ich-Es-Beziehung
war, sondern tritt in eine Beziehung zur anderen Person. Das Ich will seinen Zweck
der „Berührung des Du“274 und die Erfüllung der eigenen Person im Beziehungsge-
267 Vgl. Evertz, Dialogisches Prinzip, S. 48. 268 Buber, Ich und Du, S. 13. 269 Ebd., S. 34. 270 Ebd., S. 11. 271 Ebd. 272 Vgl. Dilger, Irene: Das Dialogische Prinzip bei Martin Buber, Frankfurt am Main: Haag und Herchen 1983, S. 43. 273 Dilger, Das dialogische Prinzip, S. 31. 274 Buber, Ich und Du, S. 61.
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schehen finden. Person-Sein ist dahingehend mit einem dynamischen Akt im Verhält-
nis zum Du verbunden und nicht statisch zu verstehen.275
Die Beziehung, die der Religionsphilosoph in Ich und Du beschreibt, ist immer ausgehend
vom Ich. Er bezeichnet das Ich selbst als das „wahre Schibboleth der Menschheit.“276 Von
diesem Schibboleth Ich ausgehend versucht Martin Buber Beziehung und seine Anschauung
über Welt zu definieren. So beginnt auch sein Buch, wenn er die Zwiefältigkeit des Ich
beschreibt und damit die zwei Haltungen des Ich zur Welt erläutern möchte. Das Ich hat
immer eine bestimmte Intention, das Ziel ist also immer auf Beziehung, auf „die Berührung
des Du“ 277 ausgerichtet und unterliegt einer „Hinwendung“. Unter dieser Hinwendung
versteht Martin Buber eine aktive Grundbewegung, das Anrufen zum Du hin. Diese stellt eine
Antwort dar.
Die Grundbewegung ist tief mit dem „Reich des Zwischen“ verbunden, in dem sich
unterschiedliche, zwischenmenschliche Phänomene abspielen können. In diesem „Zwischen“
kann das Ich Unmittelbarkeit zum Du in der Beziehung erreichen. In der Beziehung darf
nichts zwischen dem Ich und dem Du stehen (wie zum Beispiel: Vorwissen, Phantasie etc.).278
„Die Sphäre des Zwischenmenschlichen ist die des Einander-gegenübers; ihre Entfaltung
nennen wir das Dialogische.“279, schreibt Martin Buber in seinem Aufsatz Elemente des
Zwischenmenschlichen. Es ist der Dialog, in dem Hinwendung zum Du geschehen kann. Das
Gegenteil dieser Hinwendung ist laut Martin Buber das „Rückbiegen“, das Eingehen in einen
Monolog, wo kein Dialog stattfinden kann und auch keine Möglichkeit der Beziehung mehr
vorhanden ist.
6.1.3 Liebe als das Wesen der Beziehung bei Martin Buber
„Beziehung ist Gegenseitigkeit. Mein Du wirkt an Mir, wie ich an ihm wirke.“280, schreibt
Martin Buber in Ich und Du. In der Hinwendung zum Du durch das Ich entsteht durchaus eine
Bewegung, die mit einer Wirkung zusammenhängt. Die Wirkung ist an das Du gebunden und
275 Vgl. Zangerle, Martin Bubers Philosophie, S.18. 276 Buber, Ich und Du, S. 64. 277 Ebd., S. 61. 278 Vgl. Dilger, Das Dialogische Prinzip, S. 41. 279 Martin Buber: Elemente des Zwischenmenschlichen, in: ders.: Die Schriften über das dialogische Prinzip, Heidelberg: Lambert Schneider 1954, S. 262. 280 Buber, Ich und Du, S. 16.
82
kohäriert mit der Liebe. Das Ich versucht laut dem Religionsphilosophen am Du unmittelbar
durch die Liebe zu wirken.
Gefühle werden ‚gehabt‘; die Liebe geschieht. Gefühle wohnen im Menschen; aber der Mensch wohnt in seiner Liebe. Das ist keine Metapher, sondern die Wirklichkeit: die Liebe haftet dem Ich nicht an, so dass sie das Du nur zum ‚Inhalt‘, zum Gegenstand hätte; sie ist zwischen Ich und Du.281
Liebe wird in Martin Bubers Erörterungen nicht als ein menschliches Gefühl dargestellt,
sondern sind im „Zwischen“ situiert und beschreibt die „Verantwortung eines Ich für ein
Du“282 Im Gegensatz zur Liebe sind Gefühle Begleiterscheinungen der Beziehung und der
Liebe „machen sie jedoch nicht aus“283. Sie können lediglich „gehabt“ werden. Sie sind im
„Drinnen“ des Menschen verankert. Im Gegensatz zu den Gefühlen, den Affekten, ist die
Liebe das Moment, das im „Zwischen“ der Menschen „geschieht“. Jemanden als Person
wahrzunehmen, ihn anzunehmen und zu erkennen, das ist das Wesen der Liebe bei Martin
Buber. 284 Liebe, so verstanden, ist eine grundsätzliche Haltung in der Relation zum
Gegenüber, nicht eine Emotion im Subjekt. 285 Sie will nicht unersättlich „erfahren und
gebrauchen“, nimmt das Gegenüber nicht als Objekt der Erfahrung wahr.286
Wenn das Ich das Gegenüber als Ganzes wahrnimmt, kann sich das Ich aus der
Selbstbezogenheit und Gebundenheit der Welt entziehen und loslösen. Somit kann es zu einer
beidseitigen Ich-Du-Beziehung der Ausschließlichkeit kommen. Erst in dieser
Ausschließlichkeit und Gegenwart des Beziehungsgeschehens kann das „Geheimnis der
Wechselwirkung“287 (und Gegenseitigkeit) im Zwischen des Ichs und Dus vollzogen werden.
Wer diese Wechselwirkung in Liebe nicht wahrnimmt und das Gegenüber als Ganzes und
nicht in seiner Einmaligkeit sieht und dies ablehnt, ist dadurch auch in seiner eigenen
Verwirklichung des Menschseins behindert. Das heißt, dass auch die Liebe dort an Grenzen
stößt, wo in der Beziehung zwischen Ich und Du Ablehnung oder Wahrnehmungsdefizite
auftreten. So kann ausgesagt werden, dass das Wesen der Beziehung zwischen dem Ich und
dem Du die Liebe selbst ist.
281 Buber, Ich und Du, S. 15. 282 Ebd. 283 Ebd. 284 Vgl. ebd., S. 43. 285 Vgl. ebd., S. 15f. 286 Michael Matzer: Die Möglichkeit der Liebe bei Martin Buber und dessen Atomismus im Personalen Zur Aktualität von Ich und Du, in: https://www.philosophie.ch/philosophie/highlights/liebe-und-gemeinschaft/die-moeglichkeit-der-liebe-bei-martin-buber-und-dessen-atomismus-im-personalen [abgerufen am 26. August 2019]. 287 Buber, Ich und Du, S. 15.
83
6.1.4 Der Geist als Antwort des Ichs
Wie die bereits erläuterte Liebe als das Wesen der Beziehung zwischen Ich und Du sich im
Zwischen der Beziehung festmachen lässt, ist auch der Geist in der Dimension des Zwischen
zu verankern. Martin Buber beschreibt das Wesen des Geistes zwischen den beiden
Beziehungspartnern in Ich und Du folgendermaßen:
Geist in seiner menschlichen Kundgebung ist Antwort des Menschen an sein Du. Der Mensch redet in vielen Zungen, Zungen der Sprache, der Kunst, der Handlung, aber der Geist ist einer, Antwort an das aus dem Geheimnis erscheinende, aus dem Geheimnis ansprechende Du. Geist ist Wort. Und wie die sprachliche Rede wohl erst im Gehirn des Menschen sich worten, dann in seiner Kehle sich lauten mag, beides aber sind nur Brechungen des wahren Vorgangs, in Wahrheit nämlich steckt die Sprache nicht im Menschen, sondern der Mensch steht in der Sprache und redet aus ihr, – so alles Wort, so aller Geist. Geist ist nicht im Ich, sondern zwischen Ich und Du.288
Geist als Antwort-geben ist der Akt, der in der Hinwendung vom Ich an das Du dahingehend
im Zwischen geschieht. Es ist „Wort“, aber dieses Wort geht über das gesprochene Wort
hinaus und umfasst jegliche zwischenmenschlichen Interaktionen. „In diesem Antwort-geben
können wir nun sehr individuell und besonders sein. Insofern uns dieses Anwort-geben
gelingt, verwirklichen wir uns als Person“289, schreibt Simon Zangerle in seinem Artikel und
geht dabei auf die Gegenseitigkeit des Beziehungsgeschehens ein. Er versucht die
Auswirkungen auf das Ich in seinem dialogischen Wesen zu erläutern.
Geist ist bei Martin Buber primär Erwiderung vom Ich an das Du und darüber hinaus das
Ereignis, das zum Dialog, zur Begegnung zwischen den beiden beiträgt und unerwartet
geschieht. In der Hinwendung vom Ich zum Du kann der Geist hervorgebracht werden,
„entzündet“ wird er aber erst, wenn es zur wahren Begegnung kommt.290 „Der Geist ist also
nicht, sondern entsteht in der Begegnung, erst dann kann er sein.“, schreibt Evertz in seiner
Dissertation.291 Geist stellt somit die Folge des Begegnungsvorganges dar und kann Auslöser
für eine „lebendige Beziehung“ zum Du sein. „Er ist nicht wie das Blut, das in dir kreist,
sondern wie die Luft, in der du atmest. Der Mensch lebt im Geist, wenn er seinem Du zu
antworten vermag.“292, betont der Religionsphilosoph. In dieser „lebendigen Beziehung“ und
Antwort zum Du kann der Mensch am Du zum Ich werden293 Die Person kann sich erst neu
ausrichten, wenn sie in Beziehung zum Du steht. Das Du wirkt in dieser Beziehung
288 Buber, Ich und Du, S. 37. 289 Vgl. Zangerle, Martin Bubers Philosophie, S. 18. 290 Vgl. Dilger, Das dialogische Prinzip, S. 45-48. 291 Evertz, Dialogisches Prinzip, S. 44. 292 Buber, Ich und Du, S. 37. 293 Vgl. Buber, Ich und Du, S. 28.
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wesentlich auf das Ich ein und macht das Ich erst zur Person.294 So ist der Geist in Bubers
Überlegungen etwas Ermöglichendes.
6.2 Das Wesen des „echten Gesprächs“
In der Ich-Du-Beziehung kann Geist und Liebe im Zwischen wirken und Begegnung
zwischen Ich und Du ermöglichen. Das Ich wird dabei von der Beziehung wesentlich
beeinflusst, wie auch das Du. „Dieses Ich lebte in der Beziehung zum Menschen, die sich im
Gespräch verkörpert“, erläutert der Religionsphilosoph. Demzufolge kann sich eine lebendige
Beziehung auch in einem Gespräch äußern. Dabei ist das Gespräch nicht nur eine verbale
Kommunikation.
Martin Bubers These ist, dass des Menschen Sprechen im Wesentlichen einem „Gerede“
gleicht, denn sie sprechen nicht „wahrlich“ zueinander, sondern das Ich schafft sich selbst ein
Gegenüber als Projektionsfläche der Kommunikation.295 Diese Projektionsfläche gibt es aber
nur in der Welt des Ichs. Dieses postulierte „Gerede“ von Buber hindert den Menschen an
einer wahren Begegnung und Beziehung zum Gegenüber. Um ein wahres Gespräch
verwirklichen zu können, sollen sich beide Gesprächsteilnehmenden als Menschen anerkannt
fühlen. In Martin Bubers Worten: Der Mensch
(…) werde dessen inne, dass er anders, wesenhaft anders ist als ich, in dieser bestimmten ihm eigentümlichen einmaligen Weise wesenhaft anders als ich, und ich nehme den Menschen an, den ich wahrgenommen habe, so dass ich mein Wort in allem Ernst an ihn, eben als ihn, richten kann.296
Unter Innewerden versteht der Religionsphilosoph das Gegenüber in seiner Ganzheit und
„Einmaligkeit“ zu erfahren. 297 Dieses Innewerden wird nur ermöglicht, wenn beide
Partner/Partnerinnen das Du nicht als Objekt einer Betrachtung sehen. Das Ich muss das Du
als ein Du, als ein gegenwärtiges Subjekt, anerkennen. Martin Buber bezeichnet diesen Akt
als die „personale Vergegenwärtigung“298. Es gibt folgende Axiome, die das „echte Gespräch“
ausmachen. In seinem Aufsatz „Elemente des Zwischenmenschlichen“299 beschreibt er diese
wie folgt:
294 Vgl. Zangerle, Martin Bubers Philosophie, S. 18f. 295 Vgl. Buber, Elemente des Zwischenmenschlichen, S. 268. 296 Ebd., S. 269. 297 Ebd., S. 270. 298 Buber, Elemente des Zwischenmenschlichen, S. 270. 299 Ebd., S. 279-283.
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1) Ein echtes Gespräch kann nur in Hinwendung zum/zur Partner/in geschehen. Es ist
eine Hinwendung mit seiner gesamten Person. Damit erkennt er das Gegenüber als
eine „personhafte Existenz“. Das Ich nimmt das Du als seinen Partner/seine Partnerin
im Gespräch an. Es ist eine wahre Akzeptanz – ein regelrechtes Ja zur Person.
2) Jede/r, der an einem Gespräch teilnimmt, muss sich selbst einbringen, damit ein echtes
Gespräch funktionieren kann. Das wiederum bedeutet, dass die
Gesprächsteilnehmenden teilnehmen wollen und die Bereitschaft für ein Gespräch da
ist. Das Ich muss sich mit seiner ganzen Person in das Gespräch einbringen können
und das sagen, was er zu sagen hat. Er soll als ein einmaliger Mensch einen
einmaligen Platz im Gespräch haben.
3) Darüber hinaus soll das Gespräch nicht von Täuschung geprägt sein. Das, was gesagt
wird und das, was das Ich und das Du von sich preisgeben, muss „wahrlich“ sein. Erst
in der Abwendung der Scheinwelt können sich die beiden Partner/innen „wahrhaftig“
gegenüberstehen und das Gespräch kann Frucht bringen.
4) Echte Gespräche sind nicht vorprogrammierbar. Sie können nicht angeordnet oder gar
befohlen werden, sondern sie geschehen im Laufe des Gesprächs selbst.
In einem solchen wahren Gespräch kann die Berührung vom Ich zum Du vollzogen werden
und die Beziehung beidseitig Wirkung erzielen. Aber es wird auch Raum für etwas frei, das
nicht zu beschreiben ist. Es wird Raum für etwas Unbeschreibliches eröffnet.
6.3 Die Eröffnung eines Raumes der Gottesbegegnung
In seinem Buch: „Gottesfinsternis“ versucht Martin Buber ein Zwiegespräch zu beschreiben.
Das eine mit einem Fabriksmitarbeiter bezeichnet er als ein misslungenes, da keine
Begegnung zwischen dem Ich und dem Du stattfinden konnte. Der Fabriksarbeiter blieb
Martin Buber in seinem Gespräch fremd. Das andere mit einem Philosophen über das
„beschmutzte Wort Gott“ wird als „vollendet“ beschrieben.300 Beide Gespräche sind nicht
ausgewählt, da sie wissenschaftliche Aufzeichnungen belegen, sondern sind von subjektiver
Gestalt. Sie sind grundlegend verschieden, haben andere Ausgangssituationen und
Gesprächsteilnehmende. Sie sind auch verschieden, da sie anders zu einem Ende kommen.
300 Vgl. Martin Buber. Vorspruch. Bericht über zwei Gespräche, in: Martha Friedenthal-Haase und Ralf Koerrenz (Hg.): Martin Buber. Bildung, Menschenbild und Hebräischer Humanismus. Mit der unveröffentlichten deutschen Originalfassung des Artikels „Erwachsenenbildung“ von Martin Buber, Paderborn u.a.: Ferdinand Schöningh 2005 (Studien zum Judentum und Christentum), S. 4f.
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Das eine war unvollendet und hätte noch Zeit der Begleitung und Berührung benötigt.301 Das
andere ist vollendet, da beide Gesprächspartner sich „wahrlich“ gegenüberstanden. Das
Gespräch findet seinen Ausgang in einer Begegnung.302
Dieses vollendete Gespräch mit dem Philosophen über das Wort Gott sieht Martin Buber
als Zentrum seiner Überlegungen zum dialogischen Prinzip: „Das Gespräch war vollendet.
Denn wo zwei wahrhaft beisammen sind, sind sie im Namen Gottes.“ 303 Durch diesen
Abschluss der beschriebenen zwei Gespräche versucht Martin Buber wesentliche
Unterschiede von Gesprächen darzustellen und das echte Gespräch zu betonen.
Das echte Gespräch könne nach Buber dort stattfinden, wo die Axiome des Gesprächs
eingehalten werden. Was die echten Gespräche für Buber verbindet und eigen macht ist, die
Eröffnung einer Bedingung der Möglichkeit für einen Raum der Begegnung mit dem „Ewigen
Du“.
Freilich kann ein Christ/eine Christin in diesem Abschluss des Buches den Verweis auf das
Matthäusevangelium erkennen, wo Jesus ausspricht: „Denn wo zwei oder drei in meinem
Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen!“ (Mt 18,20). Darüber hinaus können
ebenso die Gedanken des französischen Philosophen Emmanuel Levinas in diesem Ausspruch
gefunden werden, wenn er formuliert, dass es keine Erkenntnis Gottes geben könne ohne die
Beziehung zum Anderen.304 In diesem Zusammenspiel wird auch die Relation von Gottes-
und Menschenbeziehung, zwischen Theo-logie und Anthropo-logie verortet, denn nur in der
Beziehung und Begegnung zum Mitmenschen kann es zu einer Erkenntnis Gottes kommen.
Denn jegliche Beziehungen zum Du „schneiden sich im ewigen Du“ 305 , ist Bubers
Überlegung und „Durch jedes geeinzelte Du spricht das Grundwort das ewige an.“306 Das
heißt, dass jede Form wahrer Beziehung im Sinne der Ich-Du Beziehung letztlich auf das
Ewige Du hin ausgerichtet ist. Für Buber ist diese wahre Beziehung, die er in einem echten
Gespräch verortet dann die absolute Beziehung, die „Erfülltheit der Beziehungen“307. Es ist
wie ein sehnlicher Schrei nach dem Du, durch den man versucht, das „Höchste“ durch ein Du
im Gespräch anzusprechen.308 Das „Ewige Du“ ist nicht an Raum und Zeit gebunden und
301 Vgl. Buber, Vorspruch, S. 3. 302 Vgl. ebd., S. 5. 303 Ebd., S. 5. 304 Emmanuel Levinas zitiert zum Beispiel in: http://www.denkberatung.de/texte/julius-schaaf-emmanuel-levinas/ [abgerufen am 27. August 2019]. 305 Buber, Ich und Du, S. 71. 306 Ebd. 307 Buber, Ich und Du, S. 71. 308 Vgl. Buber, Vorspruch, S. 5.
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bleibt immer das ewige Du, es kann nie zu einem Es werden, das heißt in eine Welt des
Objektiven, des Beschreibbaren übergehen. 309 Denn das ewige Du bleibt immer „das ganz
Andere.“310 Es unterliegt also nicht der irdischen Kausalität. Bubers Gottesvorstellung ist
demnach die eines dialogischen Gottes, zu dem die Menschen in Beziehung stehen und mit
dem sie kommunizieren können.
Wenn der Religionsphilosoph vom Ewigen Du spricht, dann bezieht er sich auf die
Exoduserzählung. Martin Buber stellt also die Eröffnung mit der Figur Gottes im Buch
Exodus in Verbindung.311 Es ist das Ewige Du, das zu Mose gesprochen hat, das das Volk
Israel aus der Sklaverei aus Ägypten befreit und in das gelobte Land geführt hat. Die Basis
seines dialogischen Prinzips bildet der Gott des Exodus, der „Ich-bin-der-ich-sein-werde“
(vgl. Ex 3,6).312 Mit diesem Vergleich wird deutlich, dass der Gott des Exodus ein Gott ist, der
sich dem Menschen offenbart, ihn befreit, führt, mit ihm spricht und in Beziehung zu ihm tritt.
Er ist ein dynamischer, naher Gott, der dem Menschen begegnet und nicht ein statischer ferner
Gott, der über den Menschen herrscht. In dieser Geschichte des Exodus wird das dialogische
Verhältnis zwischen Ewigen Du und dem Menschen deutlich zum Ausdruck gebracht. Diese
Begegnung zwischen Immanenz und Transzendenz schafft einen Raum für ein Gefühl der
Beziehung, für ein Gefühl des Vertrauens und für die Offenheit des Volkes Israels der
vollendeten Begegnung mit dem Ewigen Du.
In dieser Beziehung gibt es nichts Trennendes mehr und das Ich sieht im Du alles, nicht
nur Teile der Welt, sondern erkennt den (Ur-)Grund selbst. Wenn wahre Begegnung
stattfindet, dann ist „Gott in der Welt“313 und der Mensch begegnet dem Ewigen Du und kann
mit ihn in Beziehung und in ein Gespräch treten. „(…) all die Welt mit im Du begreifen, der
Welt ihr Recht und ihre Wahrheit geben, nichts neben Gott, aber auch alles in ihm fassen, das
ist vollkommene Beziehung.“ 314 Die vollkommende Beziehung bei Martin Buber heißt
Begreifen über das Du, das Gespräch und die Begegnung im Ewigen Du selbst zu finden.
Jegliches Suchen des Ewigen Du ist ohne Erfolg, denn laut Martin Buber kann man Gott
nicht finden, aber in der Begegnung, im Gespräch mit dem Anderen (wie zum Beispiel im
vorangehenden Beispiel im Gespräch über das Wort Gott mit dem Philosophen) wird Raum
dafür eröffnet:
309 Vgl. Buber, Ich und Du, S. 96. 310 Buber, Ich und Du, S. 75. 311 Vgl. Evertz, Dialogisches Prinzip, S. 50. 312 Ebd. 313 Buber, Ich und Du, S. 75. 314 Ebd.
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Man findet Gott nicht, wenn man in der Welt bleibt, man findet Gott nicht, wenn man aus der Welt geht. Wer mit dem ganzen Wesen zu seinem Du ausgeht und alles Weltwesen ihm zuträgt, findet ihn, den man nicht suchen kann.315
Im wahrhaftigen Hinwenden zum Ewigen Du, wo alle Schleier und Masken abfallen, da kann
erst die Möglichkeit der Eröffnung eines Raumes der Begegnung geschaffen werden. Diese
Begegnung ist nicht vom Ich herstellbar, sondern stellt ein Gnadengeschenk des Ewigen Du
dar. Das Ewige Du ist es, das sich dem Ich zuwendet und mit ihm in Beziehung treten möchte.
Es ist es, das die Intention für einen Raum der Begegnung zwischen Ich und dem Ewigen Du
schafft. Dabei ist aber die „Gnade“ Gottes nicht allein der Ausgangspunkt der wahren
Beziehung, sondern der Mensch muss selbst tätig werden und das Ich muss die Beziehung
„beginnen“.316
Im Sinne der Heiligen Texte kann das Ewige nicht einfach gefunden werden, denn es ist in
allem gegenwärtig. Über das Ewige kann das Ich zuallererst nur Aussagen machen, erst wenn
sich das Andere dem Menschen zuwendet, kann die Möglichkeit einer Beziehung eröffnet
werden.317 Das Ewige Du möchte im Sinne Martin Bubers mit dem Menschen kommunizieren
und um das Ewige für den Menschen zu sein, „braucht“ es den Menschen, es braucht das Ich.
Erst wenn Gott den Menschen anspricht, kann auch der Mensch zu einem Du werden. Dieses
Ansprechen ist die Prämisse für jegliche wahre (menschliche) Beziehung und den Dialog.318
Der Religionsphilosoph stellt diese große Frage des Sinns der menschlichen Existenz in
einem schöpfungstheologischen Hintergrund: „Warum gäbe es den Menschen, wenn Gott ihn
nicht brauchte, und wie gäbe es dich?“319 Nur so kann das Ich seine Einmaligkeit und das
Verhältnis zum Ewigen verstehen, das es in der Eröffnung des Raumes der Gottesbegegnung
in einem wahren Gespräch erkennen kann. Dann wird das Ewige Du ein ansprechbares.
So kann im Dialog ein möglicher Raum eröffnet werden, in dem Gotteserfahrung
stattfinden kann. Auch Dankbarkeit ist ein Akt, der vom Ich und Du abhängt und sich in
einem Gespräch vollzieht. Ob das über sich selbst hinaus weisende Gefühl der Dankbarkeit
ebenso als ein locus theologicus gedacht werden kann, ist die Frage, die an dieser Stelle
Überlegungen bedarf. Kann somit die Erfahrung der Dankbarkeit des Menschen einen Ort
darstellen, an dem Gotteserkenntnis über den Dialog mit dem Du stattfinden und somit als ein
315 Buber, Ich und Du, S. 75. 316 Vgl. Evertz, Dialogisches Prinzip, S. 50. 317 Ebd., S. 76f. 318 Ebd., S. 50. 319 Ebd., S. 78.
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Entstehungsort des Glaubens verstanden werden kann? Unterliegt dieser Ort der Begegnung
einer persönlichen Natur?
Im nächsten Abschnitt der Diplomarbeit wird auf diese fundamentaltheologischen
Fragestellungen eingegangen und es werden Überlegungen über das Verhältnis zwischen der
Dankbarkeit, dem Glauben und der Beziehung zu Gott unter Betrachtung Martin Bubers
dialogischem Prinzip gemacht. Dabei wird versucht, die Worte Martin Bubers in die
Erfahrung der Dankbarkeit in den Heiligen Schriften zu übertragen. Dadurch wird gezeigt,
dass Dankbarkeit als ein Ort der Begegnung etwas zutiefst Persönliches ist und nicht an
Religion und Konfession gebunden ist.
90
7 Dankbarkeit als wahres Gespräch
Wahre Dankbarkeit ist ein Moment der Begegnung, in dem zwei Menschen 320 sich
„wahrhaftig“ gegenüberstehen. Damit kann gemeint sein, dass das Ich in einer Relation zum
Du steht. Zuerst hat das Du am Ich durch eine wohlwollende Tat gewirkt. Das Ich erkennt im
Gegenzug die Abhängigkeit zum Du und sein „Mitmenschsein“ in der Welt an und tritt in
Beziehung mit dem Du. In dieser Beziehung eines wahren Gesprächs können beide
Teilnehmenden wahrhaft Person werden.
Im nächsten Kapitel wird aufgrund der Ähnlichkeiten zwischen einem wahren Dankesakt
und einem wahren Gespräch versucht, Dankbarkeit als ein „wahres zwischenmenschliches
Gespräch“ darzustellen, das erfüllt werden kann und Raum für Begegnung schaffen kann.
Das Mitmenschsein, das in wahrer Dankbarkeit verwirklicht werden kann, unterliegt einer
Gegenseitigkeit. Beide Teilnehmer/innen wirken am je anderen. Dadurch kann erst ein
positives (Abhängigkeits-)Verhältnis zwischen Nehmer/in und Geber/in entstehen. 321 In
buberschen Sinn bedeutet es: „Mein Du wirkt an mir, wie ich an ihm wirke.“322
Die Gabe und der Dank, ist dabei dialogisch, das heißt, dass das Ich erkennt, dass es nicht
alles selbst im Griff haben kann, auf ein Du in der Welt angewiesen ist und diesem Du
gewisse Sachverhalte verdankt.
Damit nun wahre Dankbarkeit vollzogen werden kann, müssten die oben beschriebenen
Axiome eines echten Gesprächs funktionieren. Essentiell ist dahingehend, dass sich beide
Seiten wahrhaftig gegenüberstehen und den anderen im Gespräch als das wahrnehmen, das
er/sie ist.
In der Wahrhaftigkeit des/der Gebers/in und Nehmer/in ist Raum für die Erfahrung der
Dankbarkeit, in der zwei Menschen aufeinander in einem Dialog bezogen sind. Es kann kein
Monolog mehr stattfinden, wenn sich zwei Menschen in einem wahren Akt der Dankbarkeit
320 Buber, Ich und Du, S. 6: beschreibt drei verschiedene Sphären, auf denen Dialog passiert. Diese sind: „das Leben mit der Natur“,„das Leben mit dem Menschen“ und „das Leben mit den geistigen Wesenheiten“. Diese drei Ebenen können ebenso auf den Akt der Dankbarkeit übertragen werden: Das Subjekt kann dabei seinen Dank auf die Lebewesen und die Natur (Schöpfung) richten, ihren Ausdruck der Dankbarkeit auch auf zwischenmenschlicher Ebene verleihen, wenn sie einem Gegenüber dankbar ist und auf der dritten Sphäre einer metaphysischen Gestalt Dank abstatten, in den Heiligen Schriften ist dieser Dank auf den Schöpfer gerichtet. Wie auch Buber betont, ist der Dank auf erster Ebene ohne jegliche Gegengabe/-aktion, auf zweiter Ebene kann auch ein sprachlicher und handlungsabhängiger Akt geschehen; dritte genannte Sphäre ist etwas komplexer, da ein metaphysisches Sein im Du angesprochen wird. Dieser Aspekt wird im Folgenden erläutert. Dankbarkeit wird zuerst als eine Begegnung zwischen dem Ich und dem Du auf immanenten/horizontaler Ebene und anschließend auf der Beziehungsebene von Ich und dem Ewigen Du auf vertikaler/transzendenten Ebene. 321 Vgl. Schwarz, Dank als Gesinnung und Tat, S. 16f. 322 Ebd., S. 16.
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gegenüberstehen. Wirkliche Dankbarkeit ist dabei die Überschreitung von Konventionen, von
verbalen und nonverbalen Sprechhandlungen und von irdischen Wechselgeschäften. Es kann
gezeigt werden, dass sie weit über den Gabenaustausch hinaus reicht. Dies konnte bereits in
den Heiligen Texten der Bibel und des Korans zum Ausdruck gebracht werden.
Dankbarkeit greift tief in das Innere des Menschen ein und verändert die Menschen und
deren Ausrichtung im Leben. Zum Beispiel sind Anerkennung der eigenen Person und des
anderen und Wertschätzung des Gegenübers Begleiterscheinungen, die das Wesen der
Dankbarkeit ausmachen. In diesem Rahmen kann Möglichkeit für ein echtes Gespräch
zwischen zwei Menschen geschaffen werden. Das im Besonderen im Akt der Dankbarkeit
nicht nur an Verbalisierungen gebunden ist, sondern über diese hinaus reicht und die
menschliche Gefühlswelt aller Beteiligten berührt und sich vor allem in Gestik und Mimik zu
manifestieren versucht.
Als „Gedächtnis des Herzens“323 beschreibt in diesem Zusammenhang der Theologe Jean-
Baptiste Massillon die Dankbarkeit und betont dabei die Emotionalität, die sich mit dem Dank
in Verbindung bringen lässt. In diesem Sinne ist Dankbarkeit nicht nur ein rationaler Akt,
sondern eine Erfahrung im Inneren des Menschen und folgt der Logik des Herzens. Sie kann
erst durch die unterschiedliche Sprache324 des Menschen das Gegenüber, das Du, wirklich
erreichen. Erst in einer Äußerung des Dankes kann eine mögliche Begegnung stattfinden.
Grundvoraussetzung bleibt dabei die Ausrichtung zum Guten. Wie kann an dieser Stelle
Dankbarkeit als eine Begegnung mit dem Du beschrieben werden?
Wenn die Worte „Ich bin dir dankbar!“ zum Ausdruck kommen, kann ein Ort entstehen, in
dem Begegnung mit dem Du stattfinden kann. Das Ich tritt aus seiner Selbstbezogenheit,
seiner Urdistanz, heraus und kann das Du als den/die Gebenden an-erkennen. Im Du sieht es
die Wohlgesonnenheit und Zuwendung am Ich. Gegeben wird in einem wahren Akt der
Dankbarkeit ohne Intentionalität. Das Du verfolgt keinen Zweck und kein Ziel. Wenn das Ich
erfährt, dass die Gabe („Gratia“), gratis, ohne etwas zu erwarten vom Du gegeben wurde und
eine freiwillige Leistung darstellt, kann es sich dem Du auch wahrlich zeigen.325 Denn das Ich
erfährt dann, dass die Gabe ein Geschenk des Herzens ist, mit dem sich das Du dem Ich
liebend zuwenden möchte.
323 Jean-Baptiste Massillon (französischer Prediger, Theologe, Bischof und Kanzelredner [1663 – 1742]), in: https://www.gutzitiert.de/zitat_autor_jean-baptiste_massillon_thema_dank_zitat_5851.html [abgerufen am 19. August 2019]. 324 Unter dem Ausdruck Sprachen sind hier sowohl verbale als auch nonverbale Ausdrücke gemeint. 325 Schwarz, Dank als Gesinnung und Tat, S. 25.
92
7.1 Liebe als das Zwischen in einem Dankesakt
„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“ (vgl. Lev 19,18 und Mt 22, 39 und Lk 10,27), heißt
es in biblischer Sprache. Dieses Gebot der Nächstenliebe im Alten sowie Neuen Testament
könnte in Verbindung mit der Dankbarkeit gebracht werden. So schwierig es auch ist, die
Kategorie der Liebe zu bestimmen, könnte man sagen, dass es gemeinsame Elemente
zwischen dem Wesen der Dankbarkeit und der Liebe gibt.
Liebe den/die Nächste/n und sei ihm/ihr dankbar für das, was er/sie dir gegeben hat, gibt
und geben wird, kann eine vergleichbare Aufforderung sein, die sich aus den Heiligen
Schriften ableiten lässt.
Nach Martin Bubers Auffassung des Liebesbegriffs kann Dankbarkeit als die Hinwendung
zum Ich verstanden werden. Hier erfährt das Ich, was das Du Gutes an ihm getan hat und dass
das Du dem Ich wohl gesinnt ist. Denn Liebe ist für das Ich gleichermaßen Verantwortung
zum Du. Beide Seiten können dann wahrlich aus der Selbstzentriertheit, einer egoistischen
Eigenliebe und einem Monolog heraustreten und den Dialog der Nächstenliebe in
Dankbarkeit wagen.
(Nächsten-)Liebe ist dahingehend auch mit der Anerkennung des Ich und des Du
verbunden. Einerseits muss das Ich erkennen, dass es wahre Hilfe benötigt, andererseits muss
sich auch das Du in einem Akt der Freiheit dem Ich zuwenden und ihm wohlwollend
gegenüberstehen. Somit kann in dieser Hinwendung ein Akt der zwischenmenschlichen
Nächstenliebe durch Dankbarkeit entstehen. Liebe ist insofern mit der Dankbarkeit
verbunden, da sie sich zwischen den beiden Gesprächspartnern abspielt und Raum für eine
zärtliche und wahrhaftige Zuneigung zum Anderen eröffnet, wie es auch das Wesen der Liebe
bei Martin Buber darzustellen vermag.
In diesem Akt wird das Ich und Du nicht in Liebe gefesselt, sondern kann sich in Freiheit
als Person entfalten, da es durch die Anerkennung auch sich selbst als einzigartige Person in
diesem wahren Gespräch wahrnehmen kann.326
Das metaphysische Zitat zur Dankbarkeit: „Gratias ago, ergo sum!“327, des Philosophen
Tadeuzs Styczen kann diese Personwerdung in einem Dankesakt beschreiben. Der Dankesakt
verweist auf das Ich, das in einer Abhängigkeit zum Du steht, die durchaus positiv ist. Das Ich
erkennt, dass Teil seines Seins vom Du abhängt und das Ich das Du braucht, um sich als
Person verwirklichen zu können. In einem „wahrhaftigen“ Dankesakt nämlich kann das Ich
326 Vgl. Buber, Ich und Du, S. 15. 327 Tadeusz Styczen: Danken heißt Beschenken, in: Seifert: Danken und Dankbarkeit, S. 68.
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seine Masken fallen lassen und als eine verletzliche und hilfsbedürftige Person, die sie im
Moment der Gegenwart und Zuwendung ist, vor dem Du stehen (vgl. dazu den Begriff
„Misericordia“). Wenn das Ich die Notwendigkeit des Dankesakt anerkennt und wahrnimmt,
kann das Ich erst wahrhaft Person werden und dem Du „wahrlich“ begegnen.
„Der Mensch hat oft das am notwendigsten, woran er am wenigsten denkt!“ 328, schreibt in
diesem Zusammenhang der Philosoph Sören Kierkegaard. Damit kann die Wichtigkeit eines
wahren Dankesakts im Leben des Menschen erläutert werden. Der Dankesakt geht über eine
irdische und zwischenmenschliche Begegnung hinaus. Er schafft Raum für mehr als die bloße
Begegnung. Das Ich kann in einem wahren Dankesakt das Du berühren und erfährt, was
Dankbarkeit mit seiner Person macht. Diese Begegnung kann einen Ort bieten, in dem
Unbeschreibliches für die Teilnehmenden sich abspielen kann. Es kann ein Raum eröffnet
werden, der auf etwas verweist, in dem eine Begegnung mit dem Anderen geschaffen wird,
für die die Sprache nicht mehr ausreichend ist.
7.2 Dankbarkeit als Ort der Gottesbegegnung
Wie bereits in dieser Arbeit mehrmals erwähnt und in diesem Kapitel in Bezug auf das wahre
Gespräch erläutert, ist Dankbarkeit ein äußerst komplexer Vorgang. Sie ist nicht immer
einfach zu erklären, wenn es darum geht, alle Komponenten eines Dankesakt zu beschreiben.
Zwischenmenschlicher Dank kann zwischen zwei Personen stattfinden, trotzdem eröffnet sich
„etwas“ in diesem Handlungs- und Sprechakt der Dankbarkeit, das wesentlich für die
Betrachtung der Dankbarkeit. Dieses Etwas ist wesentlich für die theologisch-philosophischen
Überlegungen.
Besonders wenn Martin Buber in „Gottesfinsternis“ erläutert, dass Begegnung mit dem
Anderen dort stattfinden kann, wo zwei oder mehrere in seinem Namen beisammen sind, wird
der Raum für das Andere noch einmal mehr betont. Wie könnte aber für dieses Andere in
einem Dankesakt ein wahrhafter Ort der Begegnung geschaffen werden? Wie kann er
geschaffen werden, wenn es doch das wahrhaft Andere ist?
Wenn das Ich in der wahrhaftigen Begegnung mit dem Du etwas wahrnimmt, das es nicht
auszuführen vermag, ist dennoch eine Tiefe da, die über das Du hinaus geht. In dieser Tiefe
kann in diesem Augenblick eine Möglichkeit der Erfahrung der Dankbarkeit gegeben sein, wo
das Geheimnis des Anderen sich vollziehen kann.
328 Sören Kierkegaard, zitiert in: Balduin Schwarz: Dank als Gesinnung und Tat, in Seifert, Danken und Dankbarkeit, S. 26.
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Diese Möglichkeit einer Begegnung mit dem Anderen wurde versucht, im dritten Kapitel
dieser Arbeit darzustellen. Dazu wurden verschiedene Heilige Texte ausgewählt und unter
dem Aspekt der Dankbarkeit beleuchtet. Auch in diesen Heiligen Texten geht es primär um
eine Antwort auf die Gabe, die Gnade Gottes, die sich wie ein Dialog zwischen dem Du und
dem Ich darstellen lässt. Dieser Dialog konnte auch als ein Ort der Gottesbegegnung in den
Heiligen Schriften erläutert werden.
Der Mensch hat im echten Gespräch zum Mitmenschen eine Möglichkeit geschaffen, zum
Ewigen Du vorzudringen. Das Ich hat eine Potenzialität geschaffen, den wahrlichen Grund
seiner Existenz zu erfahren. Wie Martin Buber es beschreibt: Wo zwei miteinander ins
Gespräch kommen, da kann der Ort für den Ewigen erkennbar werden.
Diese Tiefe, diese Erfahrung eines Geheimnisses, das über das Gespräch hinaus geht, kann
auch in Dankbarkeit erlebbar werden. So wie bei Martin Buber der Weg für die
Gotteserkenntnis der Weg über den Mitmenschen ist, so kann in einer ähnlichen Art und
Weise dazu die Dankbarkeit zum Mitmenschen ein Weg zur Dankbarkeit zu Gott und mehr
noch zur Begegnung mit den Anderen sein. An dieser Stelle kann für das Ich ein Raum
eröffnet werden, wo die Quelle seines eigenen Seins wahrgenommen werden kann. Im
Erkennen der eigenen Kontingenz wird eine Grenzerfahrung gemacht, die nicht mehr an Zeit
und Raum gebunden ist. Es kann zu einem Sprung kommen, der über das eigene Ich hinaus
geht und in das Bewusstsein des Transzendenten übergeht.
Das Ich kann im Du die Tat des Dankesaktes erkennen und darüber hinaus die
Einmaligkeit des Du erkennen, das dem Ich gegenübersteht. Die Begegnung mit diesem Du
kann nur in einem Verhältnis zum Ewigen Du erkannt werden.
In einem Verständnis der Heiligen Schriften könnte dieser Ort nämlich als ein Raum
gesehen werden, in dem sich das Geschöpf und der Schöpfer, das „ganz Andere“ 329 begegnen
können. In dieser Relation wäre dann auch das Du ein Geschöpf Gottes und das Ich erkennt
noch einmal mehr den Zusammenhang zwischen Ich und Du als Teil des gesamten
Schöpfungswerks des Ewigen Du. So kann der Dank an das Du gerichtet in der Verlängerung
auf die horizontale Linie ausgeweitet werden, denn auch das Du kann nur aufgrund der
Schöpfungstat des Ewigen Du existieren.
Die passende Antwort für das Ich ist dann der Dank selbst. In dieser Erfahrung der
Dankbarkeit ist sich das Ich, in den Worten der Heiligen Texte gesprochen, seiner
Abhängigkeit zum Schöpfer bewusst und kann sich zugleich in ganzer Freiheit dem größten,
329 Buber, Ich und Du, S. 75.
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persönlichen Liebes-Geschenk des Schöpfers seiner Existenz hingeben, denn „auch Gott
braucht dich – für ebendiesen Sinn des Lebens.“330, schreibt Martin Buber in Ich und Du.
Damit möchte er den Gedanken an den Sinn und Zweck der Schöpfung des Menschen zum
Ausdruck bringen. Das Ich kann in der Begegnung zum Du in Dankbarkeit den eigenen Sinn
seiner Schöpfung erkennen, die dem Ich einen wesentlichen und einzigartigen Teil in der
Schöpfung des Anderen verspricht. Erst durch ein „wahrhaftiges“ Ja zum Schöpfer kann ein
Raum für eine Begegnung mit dem Schöpfer eröffnet werden. Dieser Raum kann Angebot für
eine persönliche Gottesbeziehung sein. Persönlich insofern, da das Ich in dieser Beziehung
wahrhaftig dem Ewigen Du gegenübersteht und in einem Dialog der Dankbarkeit zu ihm tritt.
So wendet sich Gott seinem Geschöpf in Dankbarkeit zu, wenn das Ich den Raum der
Begegnung mit dem Ewigen betritt und dort das Unbeschreibliche erfährt.
In diesem Sinn kann der Dialog mit dem Du selbst das erste Ereignis seiner Anwesenheit
sein. Gott ereignet sich in seiner Nähe im Moment des Gesprächs mit dem Ich. Ausgehend
vom echten Gespräch zwischen dem Du und dem Ich, kann Gott erfahrbar werden und wird in
seiner Unzugänglichkeit, Transzendenz, Unfasslichkeit und Unaussprechlichkeit so nahe
vernommen. 331 Der Dankesakt und die Dankesgeste kann ein möglicher Ausdruck des
Naheseins Gottes in seiner Abwesenheit und Ferne sein.
Im echten Gespräch zum Mitmenschen kann sich ein Raum eröffnen, der an die Nähe
Gottes, an die Nähe des Ewigen Du gebunden ist und sich in der Erfahrung der Dankbarkeit
manifestiert. Auch Martin Buber erkennt im Mitmenschen selbst die eigentliche Gleichung für
die Beziehung zu Gott selbst. In Martin Bubers Worten: „Die Beziehung zum Menschen ist
das eigentliche Gleichnis der Beziehung zu Gott: darin wahrhafte Ansprache wahrhafte
Antwort zuteil wird.“332 Das heißt auch, wie in der Tradition des Islams berichtet wird:
„Derjenige, der anderen gegenüber nicht dankbar ist, ist nicht dankbar gegenüber Allah.“333
Darüber hinaus kann im vollendeten Gespräch, in der Erfahrung der Dankbarkeit, nicht nur
Gottesbegegnung generiert werden, sondern auch ein Ort geschaffen werden, in dem Glauben
wachsen kann. Wenn das Ich dem Ewigen Du begegnet, können sie sich in einem
Vertrauensakt zuwenden, in dem Geschöpf und Schöpfer zueinander in besonderer Weise in
Beziehung gesetzt werden.
330 Buber, Ich und Du, S. 78. 331 Vgl. Buber, Ich und Du, S. 74. 332 Buber, Ich und Du, S. 99. 333 Tirmidhi, Hadith, S. 366.
96
7.3 Dankbarkeit als Ursprung des Glaubens
Wenn Gott in der Begegnung der Dankbarkeit das Angebot der Gottesbegegnung stellt, kann
der Mensch mit einer Antwort des Glaubens agieren. Das Ich kann „Ja“ zu dem sagen, was es
an Tiefe in diesem Akt der Dankbarkeit und Beziehung erlebt und erfährt. Dann kann der
Glaube eine mögliche Antwort auf die Selbstoffenbarung Gottes in Vertrauen zwischen Ich
und dem Ewigen Du sein. In der Sprache der Heiligen Texte wird in diesem Vertrauensakt das
Verhältnis zwischen Schöpfer und Geschöpf zum Ausdruck gebracht. Glaube ist dabei ein
Geschenk. Glaube ist immer Gnade des Ewigen Du. Glaube kann nicht vom Ich generiert
werden, sondern Glaube ist
(…) die Realisierung der Gnade Gottes im Menschen. Weil beim Glauben Gott der Schenkende und der Mensch der Empfangende ist, darum gibt es nicht einen Lohn nach Leistungsprinzip. Glauben heißt, sich von Gott beschenken lassen.334
Der Geschenkcharakter ist nach Gerhard Friedrich eng mit dem menschlichen Glauben
verbunden. In diesem Geschenkcharakter können Ähnlichkeiten mit den Erzählungen des
Gottes des Exodus gefunden werden. Der Gott des Exodus aus dem Alten Testament steht mit
seinem Volk Israel in einem positiven Beziehungsverhältnis. Er wirkt in seinem Volk und das
Volk Israel antwortet seinem Gott.
Auch Martin Buber bezieht sich primär auf die Exodusgeschichte, in der das Ewige Du als
ansprechbarer Gott seinem Volk gegenübertritt. Das Volk lernt aus der Geschichte, seinem
Gott Vertrauen zu schenken. So ist die Beziehung zwischen dem Ich und dem Du in der
Exodusgeschichte von Vertrauen geprägt. In Bezug auf die Dankbarkeit ist dieses Vertrauen
ein Vertrauen auf den Geber, dass dem Ich das geschenkt wurde, wird und werde, was das Ich
zur Verwirklichung seiner Person benötigt.
Dabei ist Vertrauen die Verbundenheit und eine positive Haltung und Hinwendung vom Ich
zum Du. In buberschen Worten ist genau diese Ich-Du-Beziehung eine Beziehung des
Vertrauens. Das Ich erkennt ein Getragen-werden vom Gegenüber und kann dem Du
vertrauen. Das Ich findet dahingehend Halt im Seinsgrund, im Ewigen Du.335 In diesem
Vertrauen kann ein Raum eröffnet werden, in dem Glauben als die positive Hinwendung zum
334 Friedrich, Glaube und Verkündigung, S. 112. 335 Vgl. Zangerle, Martin Bubers Philosophie, S. 22.
97
Sinn des Lebens wachsen kann. Dieser Glaube ist dann primär „Vertrauenssache“336 in der
Beziehung zwischen den Menschen und einem möglichen Sinn der Existenz.
Der Glaube stellt hier nicht ein Gefühl und im Herzen des Ichs dar, „sondern sein Eintritt
in die Wirklichkeit, in die ganze Wirklichkeit, ohne Abstrich und Verkürzung. Diese
Feststellung ist einfach; aber sie widerspricht der Denkgewohnheit“337. Das heißt, der Glaube
begrenzt sich nicht nur über die Texte der Heiligen Schriften und deren Bekenntnisse, sondern
geht in den Erfahrungshorizont der Menschen hinein.
Glaube geht in die Erfahrung der Dankbarkeit hinein und lässt das Ich dort erkennen, dass
es wahrhaftig und einmalig eine Begegnung mit dem Ewigen Du im Gespräch vollziehen
kann. Durch die Dankbarkeit kann dann ein Raum eröffnet werden, wo der Glaube die Welt in
ihren kleinen Teilen zusammenhält und die Wirklichkeit ein wenig mehr verstehen lässt.
Glaube kann dann einen Weg zeigen, wie man die Welt in einem Blick auf den Anderen in
einem positiven Verhältnis des Vertrauens wahrnehmen kann.
Glaube kann im Beziehungsverhältnis der Dankbarkeit zwischen dem Ich und dem Ewigen
Du als ein reiner Vertrauensakt gesehen werden,338 dessen Initiative immer von Gott ausgeht,
da er im Dankesakt dem Menschen als der Gebende, gegenübersteht. Der Glaube und ebenso
die Dankbarkeit ist dabei etwas tiefst Persönliches, die/das sich im Inneren des Menschen
abspielt. Josef Ratzinger erläutert in Bezug auf den Glauben als eine persönliche und geteilte
Angelegenheit, Folgendes in einem Interview mit dem Jesuitentheologen Jacques Servais:
Es geht um die Frage, was Glaube ist und wie man zum Glauben kommt. Glaube ist einerseits eine höchst persönliche Berührung mit Gott, die mich ins Innerste hinein trifft und mich ganz unmittelbar dem lebendigen Gott gegenüberstellt, so dass ich ihn anreden, ihn lieben, mit ihm in Gemeinschaft treten kann. Aber dieses höchst Persönliche hat doch zugleich untrennbar mit Gemeinschaft zu tun: Zum Wesen des Glaubens gehört es, dass er mich in das Wir der Kinder Gottes, in die Weggemeinschaft mit den Brüdern und Schwestern hineinnimmt. Die Begegnung mit Gott bedeutet immer zugleich, dass ich selbst geöffnet, aus meiner Verschlossenheit herausgerissen und in die lebendige Gemeinschaft der Kirche hineingenommen werde. Sie vermittelt mir auch die Begegnung mit Gott, der mich dann freilich ganz persönlich ins Herz trifft.339
336 Klaus Müller: Glauben und Wissen oder: Das Christentum auf dem Areopag der Philosophie, in: Johann Reikerstorfer und Josef Kreiml: Suchbewegungen nach Gott. Der Mensch vor der Gottesfrage heute, Frankfurt am Main/Berlin u. a.: Peter Lang 2007 (Religion, Kultur, Recht 5), S. 106. 337 Martin Buber: Gottesfinsternis, Mit Entgegnung „Religion und Psychologie“ von C.G. Jung, Gerlingen: Lambert Schneider 21994.), S. 7. 338 Vgl. Steindl-Rast, Dankbarkeit, S. 83. 339 Interviews mit Benedikt XVI.: Der Jesuitentheologe Jacques Servais im Gespräch mit dem emeritierten Papst über die Frage „Was ist der Glaube, und wie kommt man zum Glauben?“, in: https://kathspace.com/papst-und-vatikan/interview-mit-papst-benedikt-xvi/1708/ [abgerufen am 27. August 2019].
98
Dankbarkeit findet zuerst im Ich statt und in einem Beziehungsverhältnis, aber wie auch in
den Heiligen Schriften zum Ausdruck kam, kann eine lebendige Beziehung in der
Gemeinschaft, im Aussprechen in der Gemeinschaft vollzogen werden. Dankbarkeit kann nur
als ein (öffentliches) Bekenntnis eine Möglichkeit sein, sich dem Glauben an Gott in der
Gemeinschaft hinzuwenden. Da geschieht der Glaube dann nicht nur im Verborgenen,
sondern reicht nach außen in die Communio und kann dort eine Potentialität eines Freudens-
und Glaubensakts geben. So kann wahre Dankbarkeit ein Akt der Be-kenntnis zum Ewigen
Du sein, ohne Anerkennung, ist sie keine wahre Dankbarkeit, da auch ein Glaube ohne
Bekenntnis kein Glaube ist. 340 Diese Form in der Communio kann dann als ein
gemeinschaftsstiftendes Element gedeutet werden, wo sich die Dankenden auf die
gemeinsamen Wurzeln in der Welt, auf das Ewige Du selbst rückbesinnt und sein
Gnadengeschenk an-erkennt.
Primär geht es nicht darum, den wahren Glauben zu verstehen, sondern das Leben als ein
Leben in Abhängigkeitsverhältnissen und in diesem Sinne dankbar dem ganzen Leben
entgegenzutreten. Wenn der Mensch die Dankbarkeit als die Quelle des Glaubens in einem
Beziehungsakt zu Gott versteht, dann können die verschiedenen Darstellungen der Heiligen
Schriften auf dies hingedeutet werden und im buberschen Sinn als ein echtes Gespräch
zwischen dem Ich und dem ewigen Du durch das Du erfahren werden.
Vor allem in den Heiligen Texten werden Situationen der Menschen, des Ichs, erläutert, die
in Klage, Trauer, Sehnsüchte, Fragen, aber auch in Jubel und Freude zu Gott sprechen wollen.
In diesem Dialog wird Gott nicht zum (ansprechbaren) Objekt, sondern er bleibt das
dynamische Subjekt als das Unfassbare des Ewigen Du im Dialog, der in den verschiedenen
Religionen andere Namen erhielt. So schreibt Martin Buber:
(…) ewige Du haben die Menschen mit vielen Namen angesprochen. Als sie von dem so Benannten sangen, meinten sie immer noch Du: die ersten Mythen waren Lobgesänge. Dann kehrten die Namen in die Essprache ein; immer stärker trieb es die Menschen, ihr ewiges Du als ein Es zu bedenken und zu bereden. Aber alle Gottesnamen bleiben geheiligt: weil in ihnen nicht bloß von Gott, sondern auch zu ihm beredet worden ist.341
Dann ist dieses Ewige Du, das Buber in der dialogischen Beziehung erkennt, das Ewige Du
der abrahamitischen und monotheistischen Religionen, der Gott, der zum Propheten Mose als
erstes gesprochen hat (vgl. Ex 3) und sich seinem Volk offenbart hat und es aus der Sklaverei
340 Vgl. Müller, Glauben und Wissen, S. 113. 341 Buber, Ich und Du, S. 71.
99
geführt hat (vgl. Exoduserzählung), der Gott, der auch zum Propheten Mohammed
gesprochen hat und im Koran noch zu den Menschen spricht (vgl. 2,185; 4:82) und der Gott,
der die Welt so sehr geliebt hat, dass er seinen einzigen Sohn gesandt hat für die Sünden der
Menschen (vgl. 1 Joh 4,9f.) und unter uns gelebt hat.
7.4 Darstellung der Dankbarkeit in den Heiligen Schriften als Ort der
Gottesbegegnung und Ursprung des Glaubens
In diesem Sinn der Beziehung und des Glaubens der Dankbarkeit können auch die zuvor
beschriebenen Beispiele aus den Heiligen Schriften gelesen werden. Es sind Beispiele, die
von einem Ich zu einem Du sprechen und den Menschen darauf aufmerksam machen, dankbar
zu sein. Diese Vorgehensweisen haben existenzielle Auswirkungen auf das Ich: Sie schaffen
wahre Beziehung und Begegnung zum Mitmenschen und mehr noch zu Gott hin und
verändern die Person, die Dank ausspricht, wesentlich.
So konnte in Psalm 30 dieses Vertrauen in einem kollektiven Aufruf an die Gemeinde
gefunden werden. Das lyrische Ich formuliert seinen Dank in einem Lobpreis und weist
darauf hin, dass es durch seinen Glauben aus dem Sheol gerettet wurde. Dankbarkeit als
Antwort auf die Heilstat Gottes führt das lyrische Ich dazu, sich auf die Quelle der Tat
zurückzubesinnen. Es erkennt im Ewigen den Retter aus der Not, dem es zu Dank verpflichtet
ist. Im Dank und im Gebet selbst kann das lyrische Ich einen Raum finden, indem es Gott
nahe sein kann.
Im Lukasevangelium wird ebenso eine individuelle Situation zu einem universalen Akt der
Dankbarkeit angeführt. Wenn der eine Samariter zurückkehrt, um Jesus Dank auszusprechen
und Gott zu loben, dann ist dieser ein Vorbild des wahren Glaubens. Durch Jesu Worte: „Dein
Glaube hat dich gerettet“ – verdichtet sich der Zusammenhang von seinem Vertrauen zur
Dankbarkeit hin. Der Samariter ist als einziger von den zehn Aussätzigen zurückgekehrt und
hat sich auf Gott besinnt. Er ist es, der erkannt hat, dass er Teil an der Gnade Gottes hat. Aus
diesem Gnadengeschenk und der Hinwendung in Dankbarkeit kann der Glaube des Samariters
wachsen. Auch für ihn wird ein Raum eröffnet, in dem es durch seine Zuwendung zum Du zu
Gottesbegegnung kommen kann. So wird hier Dankbarkeit als Dreh- und Angelpunkt des
Glaubens verstanden, wo der Samariter Gottesnähe erfahren kann.
Wenn Paulus in seinem Philipperbrief die Freude als Schlüsselbegriff seiner
Korrespondenz zur Gemeinde betont, dann möchte auch er für das dankbar sein, was ihm
widerfahren ist. Er bedankt sich für seine Beziehungen, für die Güter, die er erhalten hat und
100
für das Wirken des Evangeliums in der und durch die Gemeinde. In all dem erkennt er selbst
die Gnade Gottes für die er zu Dank verpflichtet ist. Er ist es, der durch sein dankbares Tun
ein Vorbild für seine Gemeinde sein möchte und im Vertrauen zu Gott seine Dankbarkeit
gegenüber den anderen lebt. Paulus richtet sein Leben nach dem Evangelium aus. Er ist dabei
für alles dankbar, was ihm geschenkt wurde. Jegliche horizontale Dankbarkeit mündet bei
Paulus in der Verlängerung der vertikalen Dankbarkeit. Genau hier kann das Geheimnis der
Dankbarkeit erkannt werden, wenn Paulus durch seine Dankbarkeit einen Raum schafft, in
dem er Gott begegnen kann und erfährt, dass alles, was ihm zuteil wurde, ihm durch Gnade
Gottes zugekommen ist. Erst im Glauben, der aus der Dankbarkeit resultiert, kann Paulus den
Raum schaffen, in dem wahre Gottesbegegnung als Besinnung auf die Quelle des Lebens
stattfinden kann.
Im islamischen Kontext ist Dankbarkeit als essentielle Tugend, die in das Leben der
Gläubigen eingreift, eng mit dem Glauben an sich gebunden. Dankbarkeit soll auf den
Menschen und auch auf Gott selbst ausgerichtet sein und eröffnet schon im Koran einen Ort
der Gottesbegegnung, vor allem durch das geforderte Gebet. Gott im Koran ist „der
Dankbarste“342 selbst und fordert die Gläubigen auf, der Dankbarkeit immer zu leben. Dies
hat auch eschatologische Auswirkungen. Der/die Gläubige soll in seinem/ihrem irdischen
Leben an-erkennen, dass alles Geschenk und Gnade Gottes ist. Gott, das Ewige Du, ist der,
der sich in seinem Wort offenbart und zu allen Menschen gesprochen hat. Ein Leben in
Dankbarkeit soll sich auf diesen Gott hin ausrichten. Das, was einem geschenkt wurde,
verlangt Antwort. Diese rechtmäßige Antwort kann Dankbarkeit sein. Daraus resultiert, dass
Antwort auf Gottes Zeichen auch Glauben sein kann. In diesen Formulierungen kann die
Verbindung zwischen Dankbarkeit und Vertrauensakt gesehen werden. Gott ist der, der den
Menschen anspricht und ihm wohlwollend gegenübersteht, wenn der Mensch das macht, was
Gott für gut befindet.
7.5 Die vergessene Dankbarkeit
So dynamisch wie sich die Gottesbegegnungen in den Heiligen Schriften beschreiben lassen,
so können auch die Wege sein, die das Ich versucht einzunehmen, um eine Gottesbeziehung
aufbauen zu können. Die Menschen möchten immer wieder, Stabilität in eine
Gottesbeziehung bringen und entwickeln dabei verschiedene Strategien. Der Mensch
342 Vgl. Zilio-Grandi, Gratitude and Ingratitude, S. 28.
101
unterliegt laut Martin Buber einem „Kontinuitätsdurst“.343 Je mehr jedoch diese Strategien
einer kollektiven, normativen und konventionellen Ausübung von Gesprächen unterliegt,
desto weniger Raum wird für eine persönliche Hinwendung zu Gott geschaffen. Daraus kann
eine Leere des Raumes der Gottesbegegnung resultieren. In dieser Leere kann nichts Tiefes
mehr gefunden werden, sondern sie ist von verschiedenen generierten Akten überladen.
Gerade in der heutigen geprägten Zeit von Säkularisierungsprozessen und Schnelllebigkeit,
gibt es kaum mehr Möglichkeiten, sich auf das Wesentliche im Leben zu besinnen, das
„Wahrhaftige“ in einem Gespräch zwischen dem Ich und dem Du zu erkennen und den
wahren Geist in der Beziehung zum Mitmenschen zu erfahren, wird kaum mehr möglich.
Immer mehr gehen in den Beziehungen die wahrhaftige Bindung zwischen dem Du und
dadurch zum Ewigen verloren, stellt schon Martin Buber in seinem Werk Ich und Du fest.344
Es steht seiner Meinung nach immer etwas zwischen dem Ich und dem Du, das als
Unterbrechung der Beziehung gelten kann. Damit können die Ablenkungen, die
verschiedenen Gedanken, all die innere Unruhe, aber auch der immer stärker werdende Drang
zur Selbstverwirklichung in heutiger Zeit gemeint sein. Diese verschiedenen Komponenten
können eine wahrhaftige Beziehung unterbrechen und sie können dazu führen, dass es zu
keinem echten Gespräch kommen kann. Es gibt nämlich keinen Platz mehr, um
anzuerkennen, dass das Du von Notwendigkeit im Leben ist.
Da auch Dankbarkeit, wie in dieser Arbeit erläutert wurde, einem echten Gespräch ähnlich
ist, kann gesagt werden, dass Unterbrechungen des Alltags auch Dankbarkeit zu einer
Unmöglichkeit machen. Immer mehr entfernt sich das Ich vom Du im Dankesakt, wenn es
nicht wahrhaftig dem Du gegenübersteht, sondern nur die Konventionalität, die Pflicht des
Dankes im Vordergrund steht. Das Du ist dann in diesem Akt der Dankbarkeit ein vergessenes
und vorübergehendes Du, das nicht auf das Ich einwirken kann. Dankbarkeit kann dann keine
Chance für das Ich und das Du darstellen, eine lebendige Beziehung leben zu können und
darüber hinaus eine Chance sein, in dem ein Raum eröffnet werden kann, wo Begegnung mit
dem Anderen stattfinden könnte. Etwas härter formuliert kann keine Möglichkeit mehr
bestehen, eine lebendige Beziehung oder überhaupt Beziehung zum Du und Ewigen Du
aufzubauen, Das Ich lebt in einer Abgeschiedenheit und Du-Ferne, in der es keine Tiefe
verspürt. Das Ich ist dann nur noch ein Ich in einer Welt von anderen Ichs, die sich nicht als
ein Ganzes sehen.
343 Buber, Ich und Du, S. 110. 344 Vgl. ebd.
102
Martin Buber meint, der Mensch könne sich selbst aus dieser Du-Ferne und auch Gottesferne
befreien, indem er sich immer wieder bemüht, dem Ewigen Du in der Welt zu begegnen. Das
Ich soll dahingehend immer wieder versuchen, Räume für eine mögliche Gottesbeziehung zu
schaffen. „Der Mensch kann der Beziehung zu Gott, deren er teilhaftig geworden ist, nur
gerecht werden, wenn er nach seiner Kraft, nach dem Maß jedes Tages neu Gott in der Welt
verwirklicht“345, schreibt der Religionsphilosoph über diese immerwährende Möglichkeit in
Beziehung zu treten.
So persönlich wie die Beziehungsakte sein sollen, damit wahre Gespräche und
Begegnungen stattfinden können, so sollen auch die Dankesakte persönlich sein. Abgewandt
von konventionellen Dankesakten können Räume geschaffen werden, in denen Begegnung
mit dem Anderen über ein Du erfahrbar werden kann. Diese Begegnungen sollen nicht an
Religion gebunden sein, sondern primär eine Potentialität der Begegnung mit dem Du sein
und dann erst in eine Begegnung mit dem Transzendenten, dem Anderen übergehen. In dieser
Begegnung soll das Ich vor allem die Quelle seiner eigenen Existenz erfahrbar werden.
Darüber hinaus soll das Ich wahrnehmen, dass es als ein einmaliges Wesen in der Welt in
Beziehung zu anderen leben darf und dass all das ein wahres Geschenk darstellt und nicht
bedingt sein kann.
Vielleicht kann in diesem Bewusstsein dann wahre Dankbarkeit eine Potenzialität für die
Schaffung eines Raumes sein, in dem sich das Ich in der heutigen Gesellschaft die Zeit und
Ruhe nehmen kann, sich auf das Wesentliche zurückzubesinnen.346 Hier könnte ein „echtes
Gespräch“ mit dem Ich und seinen Mitmenschen seinen Platz finden. Dieses echte Gespräch
kann ein Ort sein, in dem ein vollendetes Gespräch zwischen zwei Menschen stattfinden kann
und ein Raum eröffnet werden kann, wo das Ich Gottesbegegnung erfährt. Es ist nicht
wichtig, an den einen Gott zu glauben, an JHWH, dem Herrn, Gott oder Allah, sondern man
soll sich selbst als beschenkt wissen und in der Begegnung mit dem Du Möglichkeit finden,
Ich selbst zu werden.
Durch diese Möglichkeit, Ich selbst zu werden, kann eine unbeschreibliche Tiefe entstehen,
die nicht rational erklärbar ist. Wenn das Ich dankbar dem Du gegenübersteht, kann sich etwas
(Gemeinschaftliches) eröffnen: „Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind,
da bin ich mitten unter ihnen.“ (Mt 18,20)
345 Buber, Ich und Du, S. 110. 346 Vgl. dazu: Rosa, Alienation and Acceleration.
103
8 Zusammenfassung und Ausblick
In dieser Diplomarbeit wurde versucht, Dankbarkeit als einen möglichen Ort der
Gottesbegegnung durch die verschiedenen Heiligen Schriften und der Erfahrung des Glaubens
darzustellen.
Dabei wurde schon in der Untersuchung der verschieden Wortbefunde im zweiten Kapitel
von „Dank“ und „Dankbarkeit“ herausgefunden, dass Dankbarkeit immer als ein
zwischenmenschliches Geschehen verstanden werden kann, das von einem Du und einem Ich
abhängig ist und in Verbindung mit einer (Wohl-)tat steht. Manche Sprachen haben keinen
expliziten Ausdruck für „Danken“. Trotzdem lassen sie sich als ein Austauschakt verstehen,
der verschiedenen kulturellen Codes unterliegt und in diesem Zusammenhang gelesen werden
muss.
Im nächsten Abschnitt der Diplomarbeit wurde versucht, durch ausgewählte Texte des
Korans, der Hadiths und der Bibel, Dankbarkeit und ihre verschiedenen (Sprach-)Bilder
darzustellen und zu analysieren. Für diese Exegese wurde der Psalm 30, Lk 17, 11-19, der
Philipperbrief und verschiedene Verse aus dem Koran ausgewählt. Trotz der Unterschiede, die
aufgrund der Auswahl an Texten und deren Exegese gefunden wurden, konnte festgestellt
werden, dass sich in den Heiligen Texten der Dank primär auf Gott, auf die vertikalen Ebene,
bezieht und in diesem Zusammenhang einen Raum für Gottesbeziehung eröffnet werden
kann. Auch die Beschreibungen wie dieser Raum eröffnet werden kann, sind different in den
Heiligen Texten.
Das verbindende Element der Gottesbeziehung wurde herausgenommen und es wurde
versucht, Dankbarkeit als ein Beziehungsgeschehen zwischen dem Ich und dem Du und dem
Ewigen Du darzustellen. Herangezogen wurde an dieser Stelle das „dialogische Prinzip“ des
Religionsphilosophen Martin Bubers, das wesentliche Grundzüge des Chassidismus und der
hebräischen Bibel als Basis hat. Deshalb konnte mit dieser Verbindung auch Dankbarkeit mit
einem Ort einer lebendigen Beziehung zu Gott, dem Anderen, dem Ewigen verbunden
werden.
Durch die verschiedenen Untersuchungen in den vorangehenden Kapiteln wurde auf die
zwischenmenschliche Dimension der Dankbarkeit verwiesen, die immer ein
Abhängigkeitsverhältnis zeigt. Dieses wurde herangezogen, um in diesem Zusammenhang die
Theorie des Dialogs mit Dankbarkeit zu verbinden. Das Ich tritt dem Du gegenüber und
spricht das Du an. In diesem Rahmen wurden die Komponenten des „echten Gesprächs“
104
erläutert, damit ausgehend von diesem, Dankbarkeit als ein möglicher Ort der
Gottesbegegnung ansatzweise beschrieben werden konnte. Mit den Worten Buber wurde so
versucht, Dankbarkeit als Ausgangspunkt für die Gotteserkenntnis zu sehen, die ebenso als
die Quelle des Glaubens dienen kann.
Besonderer Wert wurde in dieser Ausarbeitung darauf gelegt, dass es um die
Gottesbegegnung geht, die nicht an Religionen gebunden ist, sondern dass Dankbarkeit zu
einer Begegnung mit dem Mitmenschen und darüber hinaus zur Gottesbegegnung führen
kann. Dankbarkeit wurde somit als eine Quelle für den Glauben an dieses Etwas gedeutet.
Dankbarkeit dient als ein verbindendes Element, das Vertrauen zu diesem Gott schafft, das
Raum eröffnet, sich auf das Wesentliche zu besinnen und das wahr zu nehmen, auf das der
Mensch hin geschaffen ist. Dankbarkeit bieten einen Ort, in dem der Mensch sich Zeit nimmt
und primär den (Mit-)Menschen in seiner Beziehung sieht. Das Ich erkennt, dass er von
anderen Menschen abhängig ist und nicht alles in der Welt alleine schafft. Darüber hinaus ist
Dankbarkeit ein möglicher Ort, in dem sich die Beziehung zum Transzendenten vollzieht. In
der Sprache der Heiligen Texte kann die Abhängigkeit zwischen Schöpfer und Geschöpf
manifestiert werden. So gilt Dankbarkeit als eine lebendige Mystik des Alltags, wo das Ich
dem Du mit offenen Augen gegenüber steht und das Ich ein warmes Gefühl der Begegnung
wahrzunehmen vermag, in dem das Ich Ich und das Du Du sein kann und beide so
angenommen werden, wie sie sind und sich in seiner/ihrer Person verwirklichen können.
Dankbarkeit wird dann zu einem Ort, wo lebendige Beziehung stattfindet.
Dankbarkeit eröffnet einen möglichen Raum, der sich immer wieder öffnet, wo sich das
Ich in einem positiven Verhältnis aus seiner Selbstbezogenheit dem Gegenüber hinwendet und
somit den (Mit-)Menschen nicht einfach vergisst. Das Gefühl der Dankbarkeit ist dann, die
persönliche Begegnung mit dem Mitmenschen und mit dem Anderen, an das der Mensch sich
immer wieder erinnert. Im Erinnern und Gedenken findet der Mensch im Getriebensein des
Alltags einen möglichen Ort, wo (Gottes-)Begegnung erfahrbar wird. Diese damit
verbundenen Gefühle können dann eine mögliche nicht zu vergessene Rückbesinnung auf das
Notwendige und Wesentliche für das Ich sein, an das es sich immer wieder erinnert.
„Die Menschen vergessen, was du sagst und was du tust. Aber wie sie sich in deiner Gegenwart gefühlt haben,
vergessen sie nie.“347 (Maya Angelou)
347 Maya Angelou, in: https://gutezitate.com/zitat/231987 [abgerufen am 3. August 2019].
105
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