Diplomarbeit Dankbarkeit Ein Beziehungsgeschehen zwischen ...

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Dankbarkeit Ein Beziehungsgeschehen zwischen Heiligen Texten und Erfahrung des Glaubens DIPLOMARBEIT zur Erlangung des akademischen Grades eines Magisters der Philosophie eingereicht von Simone Katharina Kraßnitzer bei Univ.-Prof. Dr. theol. Dr.phil. Guanzini Isabella Institut für Fundamentaltheologie Katholisch-Theologische Fakultät Karl-Franzens-Universität Graz Graz, August 2019

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Dankbarkeit Ein Beziehungsgeschehen zwischen

Heiligen Texten und Erfahrung des Glaubens

DIPLOMARBEIT zur Erlangung des akademischen Grades eines Magisters der Philosophie

eingereicht von

Simone Katharina Kraßnitzer

bei Univ.-Prof. Dr. theol. Dr.phil. Guanzini Isabella

Institut für Fundamentaltheologie Katholisch-Theologische Fakultät Karl-Franzens-Universität Graz

Graz, August 2019

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Ehrenwörtliche Erklärung

Ich, Simone Katharina Kraßnitzer, erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit

selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht

benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche

kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner

anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht

veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version.

Graz, am ________________________________________

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Danksagung

Was wäre eine Diplomarbeit, die sich dem Thema Dankbarkeit widmet, ohne eine

Danksagung? Sie wäre wohl nicht glaubwürdig. Ich möchte an dieser Stelle nicht nur aus

formalen Gründen Danke sagen, sondern auch, da es mir am Herzen liegt, all den Menschen

Dank auszusprechen, die mich auf den Weg meines Studiums und darüber hinaus begleitet

haben und es immer noch tun. An erster Stelle möchte ich mich bei meiner Betreuerin Isabella

Guanzini bedanken, die mich auf die Idee gebracht hat, mein Herzensthema zu einer

Diplomarbeit zu machen. Damit hat sich für mich eine ganz neue Welt eröffnet. Besonderer

Dank gilt auch Isabella Bruckner, die mich mit ihren kritischen Anmerkungen und

Vorschlägen zum Nachdenken angeregt und somit veranlasst hat, dass meine Arbeit weit über

das Geschriebene hinaus wirken kann.

Meinen Eltern, Martina und Elmar, sage ich danke, dass sie mir ermöglichen in der

heutigen Zeit, meinen eigenen Bildungsweg einzuschlagen und mich unterstützen. Für mich

ist es das größte Geschenk eine Familie zu haben, die hinter mir steht. Meinem Freund

Klemens, mit dem ich über meine Anliegen, Sorgen und Ängste im Leben austauschen kann,

will ich besonders danken.

Jedem/jeder meiner Freunde/innen, mit denen ich im Gespräch bin, die mir eine Stütze

sind und die mir besonders Dankbarkeit gelehrt haben, möchte ich danken: Anna, die das

Leben in wahrer Dankbarkeit lebt; Agnes, der besten Nachbarin, die man sich vorstellen kann;

Matthäus, dem kritischen und besten Reisekollegen; Laura-Beatrice, der Schokoladenfee;

Fefi, der Weltenbummlerin; Connie, der Mutmacherin; Teresa, mit der ich über Gott und die

Welt sprechen kann; Katharina, mit dem riesigen Herzen und besonders auch meinen drei

Kollegen (und Freunden) auf der Uni, mit denen ich so manches durchgestanden habe

Thomas, Magda und Josef.

Bedanken möchte ich mich noch bei allen, die es mir ermöglicht haben, den

Forschungsaufenthalt im Iran machen zu können: Herrn Winter, der mich mit Kontakten

unterstützt hat, Herrn Salehi im Iran, der immer gewusst hat, welche Dokumente ich brauche,

meiner „persischen Mama“ Arefeh, die nicht müde wurde, mir die iranische Welt zu erklären

und allen, die sich dazu bereit erklärten, mit mir ein Interview zu machen. Alle, die ich nicht

in dieser Danksagung erwähnen kann und die mich auf meinem Lebensweg begleiten, spreche

ich an dieser Stelle ein riesiges DANKESCHÖN von Herzen aus.

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung .................................................................................................................................................. 6

2 Dank ist nicht gleich Dank – Eine Etymologie der Dankbarkeit ....................................................... 10

2.1 Die germanischen Wurzeln des Dankes: Danken kommt vom Denken .......................................... 10

2.2 Die romanischen Wurzeln des Dankens als ein Akt der Gnade ...................................................... 11

2.3 Dank in den biblischen Sprachen ................................................................................................... 12 2.3.1 Dank im (Alt-)Hebräischen ........................................................................................................ 12 2.3.2 Dank im Bibelgriechischen ........................................................................................................ 15 2.3.3 Dank im Arabischen des Korans ................................................................................................ 16

3 Dankbarkeit im Alten Testament .......................................................................................................... 20

3.1 Dankbarkeit gegenüber anderen Personen .................................................................................... 20

3.2 Dankbarkeit gegenüber Gott stiftet Beziehung ............................................................................... 21

3.3 Das Buch der Psalmen als Quelle der Dankbarkeit im Alten Testament ........................................ 22 3.3.1 Klage und Lob als Ausdruck eines Kommunikationsakts zu Gott ............................................ 23

3.4 Der Dank auf horizontaler Ebene im Alten Testament: Psalm 30 als Dank(-sagung) an Gott ...... 25 3.4.1 Der Psalm und sein Inhalt .......................................................................................................... 26 3.4.2 Die formale Analyse des Psalms 30 ........................................................................................... 28 3.4.3 Ein „Oben“ und ein „Unten“ – Die sprachlichen Bilder der Dankbarkeit in Psalm 30 ............. 28 3.4.4. Freude als Ausdruck der wahren Dankbarkeit in Psalm 30 .................................................. 30

4 Dankbarkeit im Neuen Testament ........................................................................................................ 35

4.1 Dankbarkeit bei Lukas 17, 11-19: Das Gleichnis des dankbaren Samariters ................................ 35 4.1.1 Gliederung und Aufbau von Lk 17, 11-19 ................................................................................. 36 4.1.2 Inhalt der Perikope ..................................................................................................................... 37

4.2 Die verschiedenen Facetten der Dankbarkeit im Gleichnis des dankbaren Samariters ................ 38 4.2.1 Danken als Form des Glaubens im Lukasevangelium ............................................................... 38 4.2.2 Dankbarkeit als ein dialogischer Vollzug ................................................................................... 40 4.2.3 Dankbarkeit als eine Form des Lobens ...................................................................................... 41 4.2.4 Der Samariter als Vorbild des Christusglaubens durch seine Dankbarkeit ................................ 42

4.3 Dankbarkeit in der paulinischen Briefliteratur .............................................................................. 43 4.3.1 Horizontale Dankbarkeit als Ausdruck des vertikalen Beziehungsverhältnisses zu Gott .......... 44 4.3.2 Dankbarkeit im Philipperbrief ................................................................................................... 45

5 Dankbarkeit im Koran ........................................................................................................................... 53

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5.1 Dankbarkeit als Tugend im Koran .................................................................................................. 53

5.2 Zwischenmenschliche Dankbarkeit: Dankbarkeit den Eltern gegenüber ....................................... 57

5.3 Immanenter Dank zu den Mitmenschen richtet sich auf transzendenten Dank zu Gott ................. 58

5.4 Dankbarkeit Gott gegenüber .......................................................................................................... 59

5.5 Wege der Dankbarkeit im Koran .................................................................................................... 61

5.6 Das Gebet als Ausdruck von Dank und ein Ort der Gottesbegegnung im Koran .......................... 64

5.7 Dankbarkeit als reziprokes Beziehungsverhältnis zwischen Gott und Mensch .............................. 66

5.8 Dankbarkeit als Synonym für den Glauben .................................................................................... 68

6 Dankbarkeit zwischen Kultur, Gefühl und Kommunikation – ein Vergleich der Heiligen Schriften

71

6.1 Die Ich-Du-Beziehung bei Martin Buber als „Dialogisches-Prinzip“ .......................................... 73 6.1.1 Das Grundwort Ich-Es ............................................................................................................... 77 6.1.2 Das Grundwort Ich-Du .............................................................................................................. 79 6.1.3 Liebe als das Wesen der Beziehung bei Martin Buber .............................................................. 81 6.1.4 Der Geist als Antwort des Ichs ................................................................................................... 83

6.2 Das Wesen des „echten Gesprächs“ ............................................................................................... 84

6.3 Die Eröffnung eines Raumes der Gottesbegegnung ....................................................................... 85

7 Dankbarkeit als wahres Gespräch ........................................................................................................ 90

7.1 Liebe als das Zwischen in einem Dankesakt ................................................................................... 92

7.2 Dankbarkeit als Ort der Gottesbegegnung ..................................................................................... 93

7.3 Dankbarkeit als Ursprung des Glaubens ....................................................................................... 96

7.4 Darstellung der Dankbarkeit in den Heiligen Schriften als Ort der Gottesbegegnung und

Ursprung des Glaubens ..................................................................................................................................... 99

7.5 Die vergessene Dankbarkeit ......................................................................................................... 100

8 Zusammenfassung und Ausblick ........................................................................................................ 103

9 Literaturverzeichnis ............................................................................................................................. 105

9.1 Bibel- und Koranübersetzungen ................................................................................................... 105

9.2 Primärliteratur ............................................................................................................................. 105

9.3 Sekundärliteratur .......................................................................................................................... 106

9.4 Onlineressourcen .......................................................................................................................... 116

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1 Einleitung

Die Menschen vergessen, was du sagst und was du tust.

Aber wie sie sich in deiner Gegenwart gefühlt haben,

vergessen sie nie.1

(Maya Angelou)

Als ich dieses Zitat von Maya Angelou im Zuge der Abfassung der Diplomarbeit gelesen

habe, wurde mir bewusst, welche wertvolle Rolle Dankbarkeit spielt. Der Akt der Dankbarkeit

geht weit über das gesprochene Wort hinaus – er stiftet Beziehung und die damit verbundenen

Gefühle können tief in das Innere des Menschen eintreten. Gerade in der heutigen Zeit der

Erschöpfung, Beschleunigung und Individualisierung2 in westlich geprägten Kreisen, kann

Dankbarkeit als ein Ort verstanden werden, wo zwischenmenschliche Begegnungen

stattfinden. Ein Ort, an dem das Ich erfährt, dass es nicht alles alleine schafft und das Du, das

Gegenüber, regelrecht „braucht“. Dieses aus Dankbarkeit resultierende

Abhängigkeitsverhältnis ist humaner Art und beschreibt dessen Wesen. Aber das Brauchen ist

nicht negativ, sondern zeigt dem Menschen, welche Geschenke er von dem Du erhalten und

welchen besonderen Stellenwert das Du im Leben für das Ich hat.

Anfänglich stellte ich mir vielerlei Fragen, die mein Ich sowie mein Gegenüber wohl

gleichermaßen betreffen: Kann Dankbarkeit ein Ort der Begegnung und Beziehung sein, in

der der Mensch anderen, einem Anderen und vielleicht Gott selbst begegnen kann? Könnte so

ein wahrer Dia-log statt eines einsamen Mono-loges stattfinden? Kann Dankbarkeit als eine

Ressource in der heutigen schnelllebigen Zeit3 gelten? Kann sie als verbindendes Glied im

interreligiösen Kontext gesehen werden?

Als ich mich meiner Recherche zuwandte, erkannte ich schon bald, dass Dankbarkeit als

theologische Kategorie in der Forschung im deutschsprachigen Raum zurzeit noch wenig

Achtung geschenkt wird. Theologisch-spirituell hat sich diesem Thema David Steindl-Rast4

zugewandt und initiierte eine Reihe an Diskussionen. Er stellt die Dankbarkeit in die Trias

von Glaube-Liebe-Hoffnung und verbindet sie mit Worten der Bibel.

1 Maya Angelou, in: https://gutezitate.com/zitat/231987 [abgerufen am 03. August 2019]. 2 Vgl. dazu: Byung-Chul Han: Müdigkeitsgesselschaft. Burnoutgesellschaft.Hoch-Zeit, Berlin: Matthes & Seitz 2010 oder Hartmut Rosa: Alienation and Acceleration. Towards a Critical Theory of Late-Modern Temporality, Malmö/Arhus: Aarhus University Press 2010 (Summertalk 3). 3 Vgl. dazu: Harmut Rosa: Resonanz. Eine Soziologie der Weltenbeziehung, Berlin: Suhrkamp 32018. 4 David Steindl-Rast: Dankbarkeit. Das Herz allen Betens, Freiburg/Basel/Wien: Herder 2018.

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Primär wird Dankbarkeit in anderen Disziplinen, wie der Psychologie5 und der Philosophie6,

primär unter dem Aspekt der Tugenden betrachtet. Vor allem in der Psychologie ist die

Dankbarkeit ein wesentlicher Forschungsschwerpunkt. Es wurde erkannt, dass Dankbarkeit

eine allumfassende Grunderfahrung des Menschen ist, die wesentliche Auswirkungen auf

dessen psychische Gesundheit hat: Dankbarkeit schließt als ein positives Gefühl negative aus

und richtet den eigenen Blick neu aus.

Darüber hinaus gibt es eine Reihe an Aufsätzen, die das Phänomen als ein tief

metaphysisches erläutern. Sie behandeln Dankbarkeit in Form der Theorie der Gabe7, die

ihren Ausgangspunkt in der französischen Philosophie und Soziologie hatte und dort in den

letzten Jahrzehnten diskutiert wurde. Sie hat sich als Tool etabliert, das die Gabe selbst und

deren metaphysische Wechselwirkung und Beziehungsverhältnis beschreibt. Erst seit der

Jahrhundertwende werden wesentlichen Aspekten von Emotionen, Affekten und Gefühlen, zu

denen Dankbarkeit gezählt wird, auch in die Bibelwissenschaften integriert.8

Im englischsprachigen Raum hingegen wird sich über die Erforschung der eigenen

Wurzeln an das Phänomen der Dankbarkeit angenähert. Das Augenmerk liegt vorwiegend auf

der paulinischen Theologie.9 Selten wird versucht über das Konzept Religion Dankbarkeit zu

erarbeiten. Das Phänomen Dankbarkeit spielt allerdings für die Theo-logie als Rede über

Gott, eine wichtige Rolle, wenn sie in einer umfassenden Form gelesen wird.

Auch englischsprachige Autoren und Autorinnen befassen sich mit der Dankbarkeit im

Koran und der spirituellen Tradition vor allem im Sufismus.10 Auch der Islam hat sich im

Gegensatz zu den vorgestellten wesentlichen Forschungen bereits länger mit Dankbarkeit

auseinandergesetzt. Dankbarkeit ist essentielles Merkmal des Glaubens und im Koran und

dessen Exegese tief verankert. Sie gilt als erstes Argument, an den einen Gott zu glauben. Vor

5 Vgl. Meredith Gaston: Mit Dankbarkeit beginnt das Glück, München: GU 2018; Robert Emmons: Vom Glück, dankbar zu sein. Eine Anleitung für den Alltag, Frankfurt/New York: Campus 2008. 6 Vgl. Josef Seifert (Hg.): Danken und Dankbarkeit. Eine universale Dimension des Menschseins, Heidelberg: Carl Winter 1992 (Philosophische und Realistische Phänomenologie 1). 7 Vgl. Marcel Mauss: Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften, Berlin: Suhrkamp 1990 (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft) und Marcel Hénaff: Die Gabe der Philosophen. Gegenseitigkeit neu denken, Bielefeld: Transcript 2014 (Sozialphilosophische Studien 8). 8Vgl. Sigrid Eder: Identifikationspotenziale in den Psalmen. Emotionen, Metaphern und Textdynamik in den Psalmen 30, 64, 90 und 147, Göttingen: V & R 2018 (Bonner Biblische Beiträge 183) und online in: https://www.vr-elibrary.de/doi/book/10.14220/9783737006842 [abgerufen am 09. August 2019]. 9 Vgl. Paul Schubert: Form and Function of the Pauline Thanksgiving, Berlin: Töpelmann 1939 (Beihefte zur Zeitschrift für die Neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche 20) und Kenneth Wilson: The theological roots of christain gratitude, Hampshire: Palgrave Macmillan 2015. 10 Vgl. Mohammad Ali Shomali: Key Concepts in Islamic Spirituality: Love, Thankfulness and Humbleness, in: Ahlul Bayt World Assembly 11 (2010/2), in: https://www.al-islam.org/message-thaqalayn/vol11-n2-2010/key-concepts-islamic-spirituality-love-tha nkfulness-and-humbleness [abgerufen am 09. August2019].

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allem in der arabischen und persischen Literatur wird Dankbarkeit auf vertikaler und

horizontaler Ebene beschrieben.

So different der Forschungsstand zur Dankbarkeit ist, ist wohl auch ihre kulturelle

Ausprägung. In unterschiedlichen Kulturen wird sie verschieden charakterisiert und von

verschiedenen Denk- und Handlungsweisen geprägt. Als theologische Kategorie lässt sie sich

aber allgemein als ein Beziehungsverhältnis zwischen dem Menschen und Gott darstellen.

Daher soll sich diese Arbeit durch eine vorangestellte Exegese der Heiligen Texte über die

verschiedenen Ausdrucksweisen von Dankbarkeit in den Heiligen Schriften der drei

abrahamitischen (monotheistischen) Religionen an das Thema annähern. Das Ziel dieser

Diplomarbeit ist es, eine interreligiöse Verbindung aller Heiligen Schriften und deren

Erfahrungswerte als ein dialogisches Beziehungsgeschehen zu erläutern und Dankbarkeit als

einen locus theologicus zu beschreiben, in dem Gottesbegegnung stattfinden kann und aus

dem (persönlichen) Glaube entspringen könnte.

Im ersten Kapitel wird das Phänomen Dankbarkeit im Rahmen einer

sprachphilosophischen Analyse bearbeitet. Diese Analyse beginnt bei den germanischen und

romanischen Sprachen, danach widmet sie sich den Sprachen des Alt-Hebräischen und des

Bibelgriechischen bis hin zum Arabischen des Korans. Diese Annäherung soll Ausgangspunkt

für das Verständnis des Begriffs Dankbarkeit sein.

Der Schwerpunkt des nächsten Abschnitts der Diplomarbeit liegt auf den Heiligen

Schriften der abrahamitischen Religionen. In diesem Teil wird der Psalm 30 aus dem Alten

Testament, die Bibelstelle Lukas 17, 11-19 aus dem Neuen Testament und der Philipperbrief,

der zu den Paulusbriefen zählt, vorgestellt, um das neutestamentliche Verständnis der

Dankbarkeit zu erläutern und ein jüdisch-christliches Verständnis der Dankbarkeit

nachvollziehen zu können. Aus dem Koran wurden verschiedene Verse aus unterschiedlichen

Suren verwendet, die den Schwerpunkt auf Dankbarkeit auf horizontaler und vertikaler Ebene

legen. Alle ausgewählten Texte werden zuerst einer Exegese unterzogen. Besondere

Merkmale in Bezug auf die Darstellung von Dankbarkeit werden ausgearbeitet und erläutert.

Wie bereits erwähnt, wird sich über die Heiligen Schriften an Dankbarkeit angenähert, da

sie ihren wesentlichen Merkmalen nach ein dialogisches Beziehungsverhältnis zwischen Gott

und dem Menschen aufzeigen. In der Art und Weise ihrer Abfassung unterscheiden sie sich

jedoch voneinander und können so im Kontext unterschiedlicher Kulturen betrachtet werden.

Die einzelnen Texte sollen so gut es möglich ist, in ihrem Zusammenhang erklärt und mit

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Dankbarkeit in Verbindung gebracht werden. Durch die Analyse von wenigen Ausschnitten

kann sich einem umfassenden Verständnis der Kategorie nur ansatzweise angenähert werden.

Nach der Exegese werden die jeweiligen Heiligen Schriften verglichen. Dabei möchte

versucht werden, Dankbarkeit als ein dialogisches Geschehen zwischen dem Ich und dem Du

nach Martin Bubers „Dialogischen Prinzips“ zu erläutern. Wesentliche Aspekte der

Dankbarkeit sollen so als ein dialogisches Beziehungsverhältnis in den Heiligen Schriften

erläutert werden. Dieses Kapitel soll zeigen, wie Dankbarkeit als ein möglicher Ort der

Gottesbegegnung und darüber hinaus als ein locus theologicus, in dem Glaube entstehen

könnte, verstanden werden kann.

Abschließend folgt eine Zusammenfassung, die auch Ausblick auf einen Entwurf einer

Theologie der Dankbarkeit und Erfahrung in einem interreligiösen Zusammenhang als ein

verbindendes, persönliches Element des Glaubens bieten soll.

In der Arbeit wird aufgrund der gemeinsamen Wurzeln der abrahamitischen Religionen

JHWH, Herr, Allah etc. unter der Verwendung des Begriffs „Gott“ zusammengefasst. So soll

eine Form von sprachlicher Inklusion versucht werden, die darauf aufmerksam macht, dass

der eine Gott das verbindende Glied der so unterschiedlichen Religionen ist.

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2 Dank ist nicht gleich Dank – Eine Etymologie der

Dankbarkeit

Sprache kann das Denken der Menschen widerspiegeln – darum wird an dieser Stelle

versucht, die Verwendung der Begriffe „Dank“ und „Dankbarkeit“ nachzuzeichnen. Es soll

nachvollziehbar gemacht werden, wie der Begriff Dankbarkeit in den unterschiedlichen

Sprachen Verwendung findet und von Philosophen different aufgefasst und diskutiert wird.

Zuerst wird das Deutsche, dann die romanischen Sprachen unter besonderer Berücksichtigung

des Lateinischen beschrieben. Dabei wird deutlich, dass sich in einem Definierungsversuch

des Begriffs Dankbarkeit in diesen Sprachen unterschiedliche Konnotationen feststellen

lassen, die sich gegenseitig ergänzen, um den Akt der Dankbarkeit, seine

Begleiterscheinungen und Auswirkungen allumfassend erläutern zu können.

Nach dem Definitionsversuch von Dankbarkeit in den romanischen Sprachen werden die

Sprachen der Heiligen Texte des Judentums, Christentums und Islams betrachtet, da diese für

eine Exegese der Schriftstellen von Bedeutung sind. Dadurch wird klar werden, dass die

Etymologie bereits sehr viel über den Akt der Dankbarkeit verraten kann und die Verwendung

der Begriffe auf verschiedene Umstände verweisen. Darüber hinaus soll verständlich gemacht

werden, wie mannigfaltig verschiedene Sprach-Bilder, die als Akt des Dankes, als

Dankesgesten gesehen werden können, sind und wie sie sich in den unterschiedlichen

Denkarten von Religion und Kultur sichtbar machen lassen.

2.1 Die germanischen Wurzeln des Dankes: Danken kommt vom Denken

Im Deutschen kommt das Wort „Danken“ erst in einer Sekundärbildung des Wortes „Denken“

zum Vorschein. Ebenso verhält es sich im Englischen, wenn man die Wörter „Thank“ und

„Think“ miteinander vergleicht. Was diese Herausbildung besonders macht, ist die Bedeutung

des Akts der Dankbarkeit, die durch diese Etymologie hervorgehoben werden kann. Denn

Danken heißt im Ersten, sich einer Sache rückwirkend annehmen/gedenken, also „an das

denken, was eine Person mir zuvor getan hat“. Das heißt, es ist eine Rückbesinnung auf bzw.

das Denken an „eine empfangene Wohltat“11 und somit reflexiv auf ein Vergangenes bezogen.

11 Friedrich Kluge: Art. Dank, in: ders.: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Berlin: de Gruyter 242002, S. 202.

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Es ist also schon eine Erkenntnisbemühung und Zuwendung zur anderen Person in dieser

Definition miteinbegriffen.

Sucht man in neueren Wörterbüchern, wie dem Duden, nach einer Definition des Wortes

Dank (m), wird dieser hier als ein „Gefühl der Verpflichtung, Erkenntlichkeit“12 beschrieben.

Die Worterklärung im Duden fügt auch noch den Ausdruck einer Anerkennung sowie das

Verpflichtet-Sein aufgrund eines Guten, das empfangen wurde, hinzu.13 Im Deutschen lässt

sich demnach erkennen, dass es um zwei wichtige Dinge geht: Erstens bezeichnet „Dank“ ein

Gefühl; zweitens eine Gabe, die eine Verpflichtung darstellt. Daraus lässt sich schließen, dass

es sich um eine natürliche Disposition zu einem angeborenen Gefühl im Inneren, aber auch

um ein ethisches Moment handeln kann, welche beide im Kontext eines Geschenkes, einer

Gabe auftauchen und eng mit einem Tauschgeschäft verbunden werden können.

2.2 Die romanischen Wurzeln des Dankens als ein Akt der Gnade

In den romanischen Sprachen verhält es sich etwas anders als im Deutschen. Dankbarkeit

bezieht sich vor allem auf die Gabe selbst, wie etwa bei „Gracias“ (Spanisch) und „Grazie“

(Italienisch) 14 sichtbar wird. Die Begriffe lassen sich zum lateinischen „gratia“

zurückverfolgen, das so viel wie Geschenk oder Gnade bedeutet.

Seneca und Cicero arbeiten mit diesem Begriffsverständnis. So spricht Cicero von

„gratiam referre“ und sagt etwa: „nullum enim officium referenda gratia magis necessarium

est.“15 „Gratia“ heißt hier: „einen Dienst kostenlos und ohne Gegenleistung erweisen.“16

Dieser „gratis“ geleistete Dienst löst etwas aus, das wir Dankbarkeit nennen. Der Dienst, der

keine Gegenleistung fordert, zeigt sich auch in den Begriffen „Gunst“ und „Dankbarkeit“.

Dabei können diese sowohl der/die Gebende als auch der/die Empfangende empfinden.17

Dieser Begriff zeigt ein reziprokes Verhältnis, das sich in einer sozialen und auf Gott

bezogenen Kommunikation abspielen kann: Ein Handlungsakt löst ein Gefühl aus und das

Gefühl weckt ein Verhaltensmuster im Gegenüber. Diese Haltung, die mit dem

Verhaltensmuster einhergeht, wird als eine Form der benevolentia beschrieben. Auf dieselbe

12 Duden: Art. Dank, online: https://www.duden.de/rechtschreibung/Dank [abgerufen am 31. März 2019]. 13 Ebd. 14 Auch der verwandte Begriff des Englischen „gratitude“ lässt sich davon ableiten. 15 Cicero: De officis I, 15, 47. 16 Übersetzung wurde von der Autorin durchgeführt. 17Vgl. Bernd Janowski: Dankbarkeit. Ein anthropologischer Grundbegriff im Spiegel der Toda-Psalmen, in: Zenger Erich: Ritual und Poesie: Formen und Orte religiöser Dichtung im Alten Orient, im Judentum und im Christentum, Freiburg/Basel/Wien u. a.: Herder 2003 (Herders biblische Studien 36), S. 91-136, hier: S. 93, siehe Fußnote 9.

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bezieht sich Seneca, wenn er schreibt „amoris et amicitiae pars“. Er sieht das als Teil seiner

Arbeit „De beneficiis“. Dabei betont der Philosoph, dass es auf eine Gesinnung (animus) und

auf die Willensintention ankommt.18

Eine besondere Bedeutung kommt darüber hinaus im Lateinischen noch dem Ausdruck

„gratias agere“ zu, es wird hier das Verhalten gegenüber dem anderen erläutert, denn im

Danken wird dem anderen etwas angetan. Man agiert.

Im Französischen ist der Begriff anders konnotiert. „Reconnaissance“ lässt darauf

schließen, dass jedem Dank ein Erkennen vorausgeht. Die Erkenntnis ist eine Art kognitives

Band zwischen den beiden Mitspielern/Mitspielerinnen. Dieses Band ist in dreifacher, sehr

komplexer, Weise ersichtlich, wie es der Philosoph Balduin Schwarz erläutert: 19 Der/die

andere hat erkannt, dass jemand Hilfe braucht oder würdig ist, beschenkt zu werden. Er/sie

hat entsprechend gehandelt, er/sie hilft, hat beschenkt. Man hat die Intention erkannt und nur

die Tat an sich gesehen. Im Vordergrund steht die Überzeugung, die Intention des anderen

vollends erkannt zu haben. Dadurch bekommt auch das Gegenüber Anerkennung, die sich im

Danken äußert. Der Dank wird wiederum vom Gegenüber anerkannt.

Darüber hinaus lässt sich das „Merci“ im Französischen anders verstehen als das deutsche

„Danke“. Im Wort „Merci“ steckt das Wort „misericordia“, das sich als Anerkenntnis

verstehen lässt. Daraus lässt sich schließen, dass das Gegenüber überspitzt als „arm“

anerkannt wurde, dem man sich zuwendet. Hier stehen Vertrauen und Beziehung im

Vordergrund eines Dankesakts.

2.3 Dank in den biblischen Sprachen

In der Bibel gab es anfänglich kein separates Wort für Dankbarkeit/Danken, das mit dem

Deutschen „Danken“ gleichzusetzen ist. Eher haben dem Begriff der Dankbarkeit am

nächsten kommende Wörter die Bedeutung des Deutschen ausgemacht, die in der heutigen

Übersetzung die Bedeutung des Lobens und Preisens haben.

2.3.1 Dank im (Alt-)Hebräischen

Im (Alt-)Hebräischen gibt es keinerlei Wortstamm, den man mit dem deutschen „Dank“

übersetzen könnte. Das (Alt-)Hebräische ist aber nicht die einzige Sprache, die kein Wort für

18 Vgl. Hans Reiner: Art. Dankbarkeit, in: Joachim Ritter (Hg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie, Basel/Stuttgart: Schwabe & Co 1980, S. 9-11. 19Vgl. Balduin Schwarz: Der Dank als Gesinnung und Tat, in: Josef Seifert: Danken und Dankbarkeit, S. 16f.

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das deutsche „Danken“ kennt. Der Bibelexeget Carl Westermann schreibt, dass in keiner

„primitiven Sprache“ das Wort „danken“ vorhanden sei. 20 Er ist der Ansicht, dass die

Handlung der Dankbarkeit als zu komplex in diesen Formen der Sprachen gelten, dass sie

einen expliziten Ausdruck auch in dieser finden können. Vielfach hat sich das Wort erst durch

eine Sekundärbildung entwickelt, wie es auch im Deutschen der Fall ist und bereits erläutert

wurde.

Am nächsten kommt der Dankbarkeit im Hebräischen das Verb „jdh“ und dessen

abgeleitetes Substantiv „toda“, das in seiner Grundbedeutung im Deutschen mit

„loben/preisen“ bzw. „Lob/Preis“ übersetzt wird.21 Daraus lässt sich das Lob- und Dankopfer

ableiten.22 Das Loben ist also im Hebräischen stark mit dem Dank verbunden und wird vor

allem in einer Beziehung zu Gott verwendet. Es hat etwas mit den Heils- und Rettungstaten

Gottes und deren Gegengabe zu tun. Dankbarkeit gegenüber Personen spielt keine zentrale

Rolle im Alten Israel.

Das hebräische Verb „toda“ für loben/preisen wird vorwiegend im hi.-Stamm verwendet;

wenn das Verb im Hitpael steht, wird ein Bekenntnis gegenüber jemandem ausgedrückt. Das

Objekt des Lobpreises macht den Unterschied in der Verwendung der Stämme aus. Das Verb

„loben“ stellt die Antwort auf ein Seiendes dar, während „loben“ im hi-Stamm eine Lob- und

Preishandlung meint und dementsprechend aktiver und dynamischer gestaltet wird.23

Was die beiden verbindet, so meint der Bibelexeget Carl Westermann, und auch eine

Übersetzung des „toda“ ins Deutsche mit „Danken“ rechtfertigt, ist die Unterordnung von

Dank unter Lob. Das bedeutet nach seiner Meinung, dass der Dank in einem Wortfeld eine

untergeordnete Rolle spielt, jedoch Teil des Lobpreises darstellt. Carl Westermann stellt in

seiner Monografie über die Dankespsalme verschiedene Merkmale auf, die den Unterschied

zwischen Lob und Dank deutlich machen sollen.24 Zugleich zeigt er, welche Verbindung es

zwischen Lob und Dank gibt:25 Das Lob ist im Gegenzug zum Dank spontan und muss

freiwillig geschehen. Das heißt, es kann niemals als eine Pflicht gesehen werden, wohingegen

der Dank, auch weil er dem Menschen angelernt wurde, als etwas verstanden werden kann,

20 Vgl. Carl Westermann: Ausgewählte Psalmen, Göttingen: V & R 1984, S. 122 und ders.: ללה hll pi. loben, in: THAT 4 1 (1984), S. 493-502 und ders.: הדי jdh hi. preisen, in: THAT 4 1 (1984), S. 674-682. 21 Aber auch wie aus der etymologischen Herleitung des Deutschen die primäre Bedeutung „bekennen“ besitzt. 22 Vgl. dazu die Bibelstellen Lev 7,12; 22,29 sowie Ps 50,14. 23 Westermann, Ausgewählte Psalmen, S. 122f. 24 Diese Beschreibungen sollen die Unterschiede zwischen Lob und Dank im Deutschen festmachen, damit man die Unterschiede auch mit dem Hebräischen „toda“ vergleichen kann und mögliche Schwierigkeiten im Versetzungsversuch des Deutschen vom Hebräischen erkennen kann. 25 Carl Westermann: Lob und Klage in den Psalmen, Göttingen: V & R 51977, S. 22f.

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das getan werden muss. Im Loben kann der Gelobte (zum Beispiel Gott) erhöht werden. Im

Danken bleibt der/die Bedankte an seiner/ihrer Stelle. Ein weiteres Merkmal des Lobens ist

die Freude, das Danken hingegen kann oft einfach nur eingefordert werden. Weiters lässt es

sich sprachlich vor allem in Sätzen ausdrücken, in denen der Dankende das Subjekt ist: „Ich

danke dir, dass…“ und kann auch in kurzen Vokabeln wie das: Danke, Merci, Thanks etc.

ausgesagt werden. Das spontane Lob wird in einem Satz geäußert, in dem Gott selbst das

Subjekt darstellt: „du hast…; du bist…“. Als letztes Charakteristikum der Unterscheidung von

Lob und Dank ist an die gesellschaftliche Relevanz von Lob und Dankbarkeit gebunden:

Dankbarkeit ist ein privater Akt. Das heißt, dass Dankbarkeit ein subjektives Gefühl ist, das

gegenüber einer Einzelperson empfunden werden kann. Lob möchte im Gegensatz dazu von

anderen gehört werden (vgl. Ps 30).

In diesem Abschnitt soll beschrieben werden, wie Dankbarkeit mit Verherrlichung

verbunden werden kann und eng an eine Gotteserkenntnis gebunden wird. Augustinus Karl

Wucherer-Huldenfeld beschreibt in seiner Monografie das Verhältnis zwischen dem

hebräischen „toda“, dem greichischen „doxa“ und dem deutschen „Dank“. 26 Jemanden

verherrlichen, so schreibt er, heißt, ihm/ihr Ehre zu geben oder ihn/sie zu rühmen. Es

bedeutet, ihn gemäß dem, was er/sie eigentlich ist, in den Mittelpunkt zu stellen, und in dem,

was er/sie ist, hervortreten zu lassen. Der Dank stellt dabei das Wesen dieser Verherrlichung,

dieses Rühmens dar. Der Mensch geht auf das Empfangene ein, das er dem Gegenüber

verdankt. Dankt der Mensch, dann erfährt er die Kraft der Vergegenwärtigung des

Geschenkcharakters des Gegebenen. Im Dank öffnet sich der Mensch für die Präsenz des

Gebers, des Beschenkenden und lobt ihn. Deshalb gehört der Dank zum Anfang der

Gotteserkenntnis. Der Erkenntnis, dass alle Gabe von Gott, dem Schöpfer, selbst kommt. Gott

zu verherrlichen, also zu danken, ist für die Gotteserkenntnis nichts Äußerliches, sondern

findet im Herzen, im Inneren des Menschen statt.27 In Verherrlichung lassen wir Gott in

seinem Wesen als Schöpfer hervortreten. Es ist, wie Heinrich Schlier sagt:

(…) die Weise, wie Gott als Schöpfer erkannt und in der Erkenntnis gehalten wird. In dem, dass der Mensch Gott sein Ansehen schenkt und ihm dankt, äußert und verwahrt sich das Erkennen Gottes. Das Andenken des wahr- nehmenden Denkens, von dem Paulus vorher sprach, versammelt sich in der An- dacht der Anerkennung Gottes als des Schöpfers. Diese An-dacht erweist sich im Danken. Die

26 Augustinus K. Wucherer-Huldenfeld: Philosophische Theologie im Umbruch. Wider den ungöttlichen Gott. Die Infragestellung philosophischer Theologie durch Fideismus und Atheismus, Bd. 2, Wien/Köln/Weimar: Böhlau 2014, S. 213-215. 27 Vgl. ebd., S. 214.

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ursprüngliche Gotteserkenntnis ist letztlich in dem Dank beheimatet, in dem sich das Geschöpf dem Schöpfer verdankt. Ihr Andenken ist das des Dankes. Dank ist das Verbalnomen zu denken!28

Im Gegensatz steht der Undank aus dem Nichtansehen von Gott, der Schöpfer. Verherrlichung

und Anerkennung sind dahingehend Synonyme für Dank, sofern der Mensch dem Schöpfer

dankbar gegenübertritt. Im Dank eröffnet sich ein Raum der Erfahrung, der Gott als den

schenkenden und Ursprung des Lebens in den Mittelpunkt rückt.

Trotz dieser Unterscheidungen handelt es sich im Deutschen um Übersetzungen, die von

westlicher Gesellschaft und ihrer subjektbezogenen Gesinnung geprägt sind. Dankbarkeit ist

letztlich im Hebräischen in der menschlichen Existenz verankert und immer auf Gott bezogen,

wie sich in verschiedenen Wortbeständen im Alten Testament erkennen lässt.

2.3.2 Dank im Bibelgriechischen

Wie im Hebräischen fehlt im Griechischen bis zur Entstehung der Evangelien ein Wort, um

Dankbarkeit ausdrücken zu können; erst später entwickelte man den Begriff „Efcharisto“, der

aus dem Wortstamm „charis“ abgeleitet wird. Der Begriff bezeichnet ein Gefühl der Freude,

„Dank“ und die „frei geschenkte Freundlichkeit“ oder „Huld“.29

Das Griechische versteckt in diesem Begriff eine Tugend und Forderung: Einem

Geber/einer Geberin gegenüber dankbar zu sein. Ihm die Tat zu „vergelten“ war ein

gesellschaftliches Muss. Bevorzugt waren Gegengaben, wie die Literatur beschreibt. Bei

Aristoteles ist tugendhaftes Handeln, zu dem auch die Dankbarkeit zählt, letztlich auf die

Polis, auf die Gemeinschaft ausgerichtet. Als das zoon politikon ist der Mensch durch sein

Wesen und sein Handeln zur Verwirklichung der gesamten Polis, der Gemeinschaft, berufen.30

So liegt der Sinn der Dankbarkeit im Gemeinwohl selbst.

Sokrates versteht Dankbarkeit als „proportionale Gleichwertigkeit“ und zählt sie zu den

„ungeschriebenen Gesetzen“.31 Er sieht sie als eine Wiedervergeltung, deren Grundziel vor

allem Gerechtigkeit unter den Menschen ist. Dankbarkeit wurde als von den Göttern gegeben

angesehen und war deshalb in alle Lebensbereiche der Antike verwoben. Das betraf sowohl

die Mensch-Mensch-Beziehung als auch die Götter-Mensch-Beziehung.32 Als tatsächlicher

28 Heinrich Schlier: Der Römerbrief, Wien u.a.: Herder 1977 (HtKNT 6), S. 55f. 29 Vgl. Reiner, Dankbarkeit, S. 9-11. 30 Vgl. Wilhelm Korff: Theologische Ethik. Eine Einführung, Freiburg/Basel/Wien: Herder 1975, S. 70f. 31 Vgl. Janowski, Dankbarkeit, S. 93f. 32 Vgl. ebd.

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16

Dank wurde dabei nur anerkannt, was nicht als sogenannte „Ausgleichshandlung“ erfolgte,

sondern freiwillig geschah.

Erst im Bibelgriechischen, besonders im Corpus paulinum, entstand ein expliziter

Dankesbegriff, „Efcharisto“, der sich im Neuen Testament fast ausschließlich auf Gott

bezieht.33 Der Begriff zeigt, dass sich der Sinnhorizont der Dankbarkeit vom Menschen weg

auf den Gott der Offenbarung richtet. „Efcharisto“ bedeutet „dankbare Gesinnung und

„Dankerweisung durch Wort oder Tat“. Dieses Begriffsverständnis hält sich an die

abendländische Tradition der Dankbarkeit, wie sie auch heute gekannt wird.

Im zweiten Jahrhundert nach Christus wird eine Abgrenzung der Begriffe „Charis“ und

„Efcharisto“ von Pseudo-Andronicus vorgenommen. Er beschreibt „Efcharisto“ als Wissen,

wem und wann man zu danken hat („Charis“) und wie und von wem man ihn annehmen soll.

Das Verb „Efcharisto“ meint im Gegensatz dazu, „dankbar sein, sich zu Dank verpflichtet

fühlen“ oder auch „Dank abstatten“.34

Am häufigsten findet sich dieses Wortfeld in den paulinischen Briefen.35 Zum Beispiel

enthält bereits die anfängliche Grußformel ein Dankeswort an die Gemeinde (zum Beispiel:

Anfänge von Röm 16,3; Phil 1,3 etc.) Dies war für den hellenistischen Briefstil

charakteristisch und leitet typischerweise nachfolgend das Thema des Briefes ein. In der

vorliegenden Arbeit soll später noch genauer auf einen Text aus dem Philipperbrief des

Corpus paulinum eingegangen werden.

2.3.3 Dank im Arabischen des Korans

Das Wort Dankbarkeit wird im (Hoch-)Arabischen im Koran als ein expliziter Begriff

verwendet, der sich aus dem Aramäischen „Schakara“ ableiten lässt.36 Die Wortwurzel im

Arabischen ist „sch-k-r“, in seiner Bedeutung „Danke“, „Danksagung“, „Dank aussprechen“,

„Preisen und Loben“. Durch die verschiedenen Vokalisierungen im Arabischen, lassen sich

aus dieser Wortwurzel folgende drei wichtige Derivationen ableiten, die für das Verständnis

33 Vgl. Hermann Patsch: εὐχαριστέω, in: EWNT 2/2 (1992), S. 219-221, hier: S. 220 und Walter Bauer: Griechisch-Deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der übrigen urchristlichen Literatur, Berlin: Töpelmann 61963, S. 648-650. 34 Vgl. Hans H. Eßer und Bernd Wander: εὐχαριστία, in: TBLNT 1 (1997), S. 240-242. 35 Von insgesamt 38 Vorkommnissen des Verbes im Neuen Testament sind 24 bei Paulus: vgl. Eßer/Wander: εὐχαριστία, S. 241. 36 Vgl. Hans Wehr: Arabisches Wörterbuch für die Schriftsprache der Gegenwart. Arabisch – Deutsch, Wiesbaden: Harrassowitz 51985, S. 669.

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der Dankbarkeit im Sinne des Korans beitragen sollen.37 Ziel dieses Abschnitts ist es, das

Verständnis der Beziehung zwischen Gott und dem Mensch im Koran in Bezug auf die

Dankbarkeit in sprachphilosophischer Weise darzustellen.

Die unterschiedlichen Derivationen werden in der deutschen Übersetzung als verschiedene

Tempi ausgedrückt. Sie können auch in Form einer Bedeutungsverschiebung erläutert werden,

die folgend dargestellt werden soll. Aufgrund der sprachlichen und poetologischen

Meisterleistung des Arabischen im Koran, sind Wortanspielungen durch verschieden

verwendete Wortstämme eine Häufigkeit, die in ihrem Kontext gelesen werden wollen.38

Der Wortstamm „Shkr“ kann in einem ersten Versuch mit „ni’mah“ in Verbindung gebracht

werden, das so viel wie „segnen“ heißt. Verwandt mit diesem Wort ist auch „imtenan“,

„Dankbarkeit“, das sich auf „hamd“ (dt. Loben und Preisen) bezieht. Beide Wörter sind sich

in ihrer Bedeutung sehr ähnlich, „hamd“ braucht allerdings keine Antwort. Allein das

Erkennen und Preisen des Gebers/der Geberin gilt in diesem Falle als ausreichend.39

Eine andere Herleitung findet sich bei Al-Raghib.40 Er geht davon aus, dass sich das Wort

durch eine Veränderung der ersten drei Buchstaben entwickelt hat und leitet demnach das

Wort vom Wortstamm „k-sch-r“ ab, das so viel wie „enthüllen und etwas freilegen“ bedeutet.

Diese Enthüllung wird als eine Handlung verstanden, als Erkenntnis eines neuen Weges, der

begangen werden kann. Talib al-Makki 41 beschreibt die Bedeutung von „schkr“ im

Arabischen des Korans nicht nur als Enthüllen („kschr“), sondern in weiterer Folge auch als

Festmachen („izah“). Diesem Verständnis zufolge wäre das Gegenteil des Wortes „kschr“

„kufr“, das sich mit „bedecken und einen Segen vergessen“ übersetzen lässt. „Kufr“ löst auf

und löscht, „schkr“ hingegen macht sichtbar. So könnte Dankbarkeit als etwas beschrieben

werden, das den Blick frei macht, Verborgenes enthüllt und etwas Wertvolles im Leben der

Menschen ist.

Verwandt ist die Wortwurzel „sch-k-r“ ebenso mit der Wortwurzel „k-n-d“. Auch hier

werden Gegenteile zum Ausdruck gebracht. „Shakir“ ist das, was wächst und Frucht bringt.

37 Vgl. Atif Khali: Art. The Dialectic of Gratitude (Shukre) in the Non-dualism of Ibn al-´Arabi, in: Journal of the Muhyiddin IBN `Arabi Society 64 (2018), S. 28f. 38 Vgl. Khali, The Dialectic of Gratitude, S. 28f. 39 Vgl. Ida Zilio-Grandi: Art. Gratitute and Ingratitude, in: Kate Fleet, Gudrun Krämer, Denis Matringe, John Nawas, Everett Rowson (Hg.): Encyclopaedia of Islam, in: http://dx.doi.org/10.1163/1573-3912_ei3_COM_27518 [abgerufen am 03. August 2019]. 40 Al-Raghib, in: Ida Zilio-Grandi: The Gratitude of Man and the Gratitude of God. Notes on šukr in Traditional Islamic Thoughts, in: Islamochristiana 38 (2012), S. 45-61, hier S. 42f. und vgl. Sanneh Lamin: Art. Gratitude and Ingratitude, in: Jane Dammen McAuliffe (Hg.): Encyclopaedia of the Qurʾān, in: http://dx.doi.org/10.1163/1875-3922_q3_EQSIM_00180 [abgerufen am 09. Juli 2019]. 41 Talib al Makki, zitiert in: Ida Zilio-Grandi: The Gratitude of Man and the Gratitude of God, S. 42f.

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„Kanud“ beschreibt ein dürres Land, auf dem nichts gedeihen kann, egal wie viel Regen oder

Sonnenlicht darauf fällt. 42 Das Land kann nichts zurückgeben oder hervorbringen.

Dankbarkeit ist hier etwas Positives und wird mit Fruchtbarkeit in Verbindung gebracht.

Ein dritter Versuch, die Wortwurzel zu erklären, findet sich bei Lisan43. Er leitet „sch-k-r“

von „sakarat al-ibil“ ab, was „Kamele, die fett an Masse sind“44 bedeutet. Ein „Sakira“ oder

„Miskar“ ist ein Tier, das zwar nur wenig bekommt, aber trotzdem viel Milch und Fleisch

abgibt.45 Der Zusammenhang mit der Dankbarkeit scheint hier schwer herstellbar zu sein. Die

Herleitung zeigt aber, dass so das Beziehungsverhältnis eines Lobpreisenden/einer

Lobpreisenden zu seinem/ihrem Schöpfer dargestellt werden kann: Obwohl von Seiten des

Geschöpfs wenig dargebracht werden kann, wird ihm viel zurückgegeben. Das kann mit dem

oben genannten Tier verglichen werden. „Schkr“ steht hier für den Überfluss und „Voll-Sein“.

Ähnlich verhält es sich mit dem Dank: Egal wie wenig der Mensch gibt, Gott gibt ihm doch

im Überfluss (zurück).

Diese drei Versuche der Herleitung von „Dank“ im Arabischen zeigen, dass es keine

konkrete und einheitliche Übersetzung für das Deutsche gibt. Allgemein kann gesagt werden,

dass ein Zusammenhang von Dank und der nachfolgenden „dankbaren“ Geste besteht. Die

Geste kann nicht in wachsender Hingabe erwidert werden. Übersetzer/Übersetzerinnen

greifen auf Metaphern zurück, um diese Bedeutung in anderen Sprachen zum Ausdruck zu

bringen. Die eigentliche Bedeutung wird allerdings erst im Kontext des Textbefundes des

Korans klar ersichtlich.

Nach dieser Annäherung an das Konzept Dankbarkeit über die Sprachphilosophie werden

nachfolgend die Texte aus der Heiligen Schrift der abrahamitischen Religionen genauer

beleuchtet. Das Hauptaugenmerk soll auf der Exegese im Hinblick auf die Übersetzung von

Dankbarkeit aus den jeweiligen Ursprungssprachen der Texte liegen. Aus dem Alten

Testament soll Psalm 30 vorgestellt werden. Im Neuen Testament soll der Fokus auf Lukas

17, 11-19 und dem Philipperbrief liegen, um das jüdisch-christliche Verständnis von

Dankbarkeit explizit zu machen.

Anschließend werden Verse aus dem Koran herangezogen, um sich dem Konzept

Dankbarkeit über die arabische Kultur zu nähern. Besonderes Augenmerk soll auf die

42 Vgl. Khalil, On Cultivating, S. 3f. 43 Lisan, zitiert in: Ida Zilio-Grandi, The Gratitude of Man and the Gratitude of God, S. 43. 44 „Shakur“ ist ein „beast that fattens up with a small amount of fodder, as if to show gratitude (…). Its gratitude entails making abvious its blessing, and revealing its fodder (in the form of its fat).” 45 Vgl. Khalil, On Cultivating, S. 1-3.

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Beziehungskomponente gelegt werden, die sich sowohl auf horizontaler als auch auf

vertikaler Ebene beschreiben lässt.

Dieser Teil ist Ausgangspunkt für die anschließende (religions-)philosophische Studie bei

der Martin Bubers dialogisches Prinzip angewandt wird und fundamentaltheologische

Überlegungen zur Dankbarkeit als ein dialogisches Beziehungsverhältnis, das sich in einer

(persönlichen) Glaubenserfahrung manifestieren lässt, angestellt werden.

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3 Dankbarkeit im Alten Testament

Das Alte Testament kennt, wie bereits in Kapitel 2 erläutert, kein Wort für „danken“, wie es

im Deutschen verstanden wird. Heutige Bibelübersetzungen greifen auf das deutsche

„Danken“ zurück, wenn sie das hebräische „toda“ übersetzen. 46 Aufgrund der

unterschiedlichen Übersetzungsmöglichkeiten ins Deutsche, kann die Übersetzung nicht

immer die volle Bedeutung des Ursprungswortes zur Geltung bringen. Im nachfolgenden

Abschnitt wird versucht, den Begriff Dankbarkeit im Sinne seines ursprünglichen Gebrauchs

zu erklären. Zunächst wird es um Dankbarkeit auf horizontaler Ebene, gegenüber Personen,

gehen. In einem nächsten Schritt wird dasselbe Konzept auf vertikaler Ebene, gegenüber Gott,

dargestellt. Dazu sollen die Psalme im Allgemeinen, besonders aber Psalm 30 herangezogen

werden. Kein Buch des Alten Testaments habe das Konzept Dankbarkeit eindrücklicher und

umfassender entfaltet als der Psalter, so schreibt Bernd Janowski47 in seinem Artikel über

Dankbarkeit und unterstreicht dabei die besondere Bedeutung der Dankbarkeit im Psalter. In

den Psalmen richtet sich der Dank an Gott. Sie beschreiben das Beziehungsverhältnis mit Gott

und seinem Volk in hebräischer Dichtkunst.

3.1 Dankbarkeit gegenüber anderen Personen

Vom Dank gegenüber anderen Menschen spricht das Alte Testament selten.48 Dennoch lässt

sich das Beispiel 2 Kön 4,8-17 an dieser Stelle anführen. In dieser Bibelstelle wird der Dank

für ein zuvor Erlebtes beschrieben: Elischa bittet die Schunemiterin, die ihm großzügige

Gastfreundschaft erwiesen hat, mehrfach, ihr seine Dankbarkeit erweisen zu dürfen.49 Über

den Begriff „Segnen“ kann man sich im Alten Testament dem Begriff der Dankbarkeit

annähern. Als Beispiel lässt sich hier Dtn 24,12-13 anführen:

Und ist es ein armer Mann, dann sollst du dich mit seinem Pfand nicht schlafen legen, sondern du sollst ihm sein Pfand zurückgeben, wenn die Sonne untergeht, dann kann er in seinem Mantel schlafen, und er wird dich segnen. So wirst du gerecht sein vor dem HERRN, deinem Gott.

46 Zum Beispiel übersetzt Martin Buber in den Preisungen „toda“ mit „danken“, aber auch die Neue Lutherbibel

und die Neue Einheitsübersetzung greifen auf dieses Morphem zurück. Andere, wie die Zürcher Bibel und die Elberfelder Bibel, verwenden „preisen“, wohingegen die Bibel in gerechter Sprache den hebräischen Begriff mit „loben“ übersetzt.

47 Vgl. Janowski, Dankbarkeit, S. 125. 48 Vgl. Eugen Ruckstuhl: Art. Danksagung, in: Bibellexikon (1991), S. 387. 49 Vgl. Friederike Neumann: Art. Dank/danken (AT), in: WiBliLex

http://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/16173/ [abgerufen am 07. Juli 2019], S. 3.

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Auf die Rückgabe eines Pfandes soll ein Segen als „Dank“ folgen. Segen ist hier als

wirkmächtige Tat zu deuten. Das Segnen stellt einen performativen Akt dar,50 der bei seinem

Gegenüber tatsächliche Wirkung erzielen soll. Segen steht dabei in enger Verbindung mit der

Dankbarkeit. Dankbarkeit ist ebenso ein performativer Akt, der sich mit dem Aussprechen des

Wortes oder in einer Form von Lobpreis nach außen hin vollzieht. Das bedeutet, dass Dank

durch das gesprochene Wort des Gegenübers vollzogen werden kann.

3.1.1.1 Exkurs: Dankbarkeit und Performation

Die Performation ist ein wesentliches Merkmal von Dankbarkeit. Dankbarkeit ist primär ein

Sprachakt, eine (Sprech-)Handlung. Das heißt, dass der/die Gebende erst durch einen

verbalen Ausdruck oder eine dankende Geste verstehen kann, was der/die Beschenkte

ausdrücken will. Das Dankeswort oder die Geste selbst ist der entscheidende Teil eines

Dankesaktes. Der Akt unterliegt dahingehend einer sogenannten materiellen Wirkung.51 Das

bedeutet, dass im Moment, in dem das Wort ausgesprochen wird, der ausgesprochene Dank

Wirklichkeit wird. Ein performativer Akt braucht auch ein Gegenüber, das angesprochen

werden kann. Performation kann deshalb nur in einer Begegnung mit einem angesprochenen

Du geschehen.

3.2 Dankbarkeit gegenüber Gott stiftet Beziehung

Im Alten Testament wird Dank häufig auf horizontaler Ebene, gegenüber Gott, ausgedrückt.

Eine der bekanntesten Erzählungen, die Sintflut, berichtet über ein Dankopfer, das Noah nach

seiner Rettung Gott darbringt (Gen 6,5-8,22). Der beschriebene Akt in Gen 8,20 erläutert die

Darbringung eines Opfers im Alten Testament, das als Dank an Gott gerichtet ist: „Und Noah

baute dem HERRN einen Altar. Dann nahm er von allen reinen Tieren und von allen reinen

Vögeln und brachte Brandopfer dar auf dem Altar.“ Eine Erklärung dafür findet Bernd

Janowski. Es sei die „re-actio des Geretteten“52, die Noah zu seinem Opfer veranlasst.53

Noahs Dankbarkeit macht deutlich, dass die rettende Zu-Wendung Gottes, die von Noah mit

50 Vgl. Frants Buhl: Über Dankbarkeit im Alten Testament und die sprachlichen Ausdrücke dafür, in: Wilhelm Frankenberg und Friedrich Küchler (Hg.): Abhandlungen zur semitischen Religionskunde und Sprachwissenschaft, Gießen: Alfred Töpelmann Verlag 1918 (BZAW 33), S. 71-82, hier: S. 76. 51 Vgl. Heiko Possel: Art. Performativ, in: https://www.performativ.de [abgerufen am 30. Juli 2019] und Gerald Posselt und Matthias Flatscher: Sprachphilosophie. Eine Einführung, Wien: Facultas 2016 (UTB 4126), S.158-160. 52 Janowski, Dankbarkeit, S. 91. 53 Vgl. ebd., S. 91f.

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einer Opfergabe beantwortet wird, der Grund seines Lebens ist. In diesem Sinne bedeutet

dankbar zu sein, wie es Dieter Heinrich formuliert, sein „Leben in Bindungen zu geben und in

ihnen zu vollziehen“54.

Noah geht die Bindung zu Gott in Form einer Beziehung zu Gott ein. Er besiegelt sie

sinnbildlich mit seiner Opfergabe. Diese Begegnung mit Gott ist von einem Dialog geprägt

und wird von vertikalem Dank begleitet. Gott hat Noah sein (Über-)Leben geschenkt und

Noah antwortet ihm in Form eines Dankopfers. Dieses dialogische Verhältnis zeigt sich auch

in den Dankliedern und Dankopfern im Alten Israel. Ziel ist es, eine Beziehung zu Gott

aufbauen zu können, indem für Gottes dargebrachte Gaben gedankt und an sie gedacht wird.

Danklieder, können gleichzeitig auch als Lobpreis an Gott charakterisiert werden. Dieser

Lobpreis kommt wie er par exemple in den Psalmen zum Ausdruck. Er ist im Alten Israel

kulturell tief verankert. So konnten eigene Erfahrungen im Leben im Gottesdienst durch

Gebet und Hymnen ausgesprochen werden und erzählt werden, was Gott am einzelnen

Menschen getan hat.55 Dieses Besingen ist eine Form der direkten Anrede Gottes, sozusagen

in Dialog mit Gott und keine monologische Rede über Gott, die erst später, zum Beispiel in 1

Sam 10,11f., erwähnt wurde. Das Loben Gottes geht aller Theo-logie voraus und ist somit die

primäre Quelle jeglicher Theologie im Alten Testament.

3.3 Das Buch der Psalmen als Quelle der Dankbarkeit im Alten Testament

Das Buch der Psalmen als eine Quelle von Lobliedern überliefert eine große Auswahl an

Gebeten, in denen die Gläubigen Israels ihre Nöte schildern und sich Gott um Hilfe bittend

zuwenden, aber auch Freude und Dankbarkeit zum Ausdruck bringen.56

Schon die Überschrift im Hebräischen des Buchs der Psalmen „Tehillim“, das mit

Lobpreisungen/Loblieder ins Deutsche übersetzt werden kann, erinnert einmal mehr an dessen

wichtige Bedeutung. 57 Der Religionsphilosoph Carl-Heinz Ratschow liefert eine

religionsgeschichtliche Definition der Psalme, die sich gut mit dem Vollzug einer

54 Dieter Henrich: Gedanken zur Dankbarkeit, in: ders.: Bewußtes Leben. Untersuchungen zum Verhältnis von Subjektivität und Metaphysik, Stuttgart: Reclam 1999, S. 153-199, hier: S. 156. 55 Vgl. Jörg Jeremias: Grundrisse zum Alten Testament, Bd. 6, in: Studien zur Theologie des Alten Testaments, Tübingen: Mohr Siebeck 2015, S. 25. 56 Vgl. Wolfram Herrmann: Theologie des Alten Testaments. Geschichte und Bedeutung des israelitisch-jüdischen Glaubens, Stuttgart: Kohlhammer 2004, S. 293; Horst Preuß D.: Theologie des Alten Testaments, Bd. 1, Stuttgart: Kohlhammer 1991, S. 134f; S. 390. 57 Vgl. Martin Rose: Psalmen, in: Römer Thomas/Macchi Jean-Daniel/Nihan Christophe (Hg.): Einleitung in das Alte Testament, Zürich: Theologischer Verlag 2013, S. 547 und Josef Schreiner: Theologie des Alten Testaments, Würzburg: Echter 1995 (Die Neue Echter Bibel. Ergänzungsband zum Alten Testament 1), S. 304.

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alttestamentlichen Praxis der Dankbarkeit verbinden lässt und im wesentlichen Gebet

beschreibt:

Das Gebet geschieht im Gegenüber zu einem angesprochenen Wesen (…) von dem man sich alles erwartet, dessen man bedarf. Man kann sich beklagen bei ihm und auch bedanken, man kann es loben und ihm seine Sünden bekennen, zumal kann man ihm all das darlegen, dessen man bedarf. (…) Unter Gebet verstehen wir die vornehmlich ‚personale‘, dialogische Zuwendung eines Menschen zu seinem Gott (…).58

Gebete sind also Bestandteil einer religiösen Praxis und vollziehen sich coram deo, das heißt,

in einem dialogischen Verhältnis zu Gott. Der Mensch dankt von einer horizontalen Ebene aus

und spricht die vertikale, transzendente Ebene an. Dieses Gebet umfasst ursprünglich eine

dankende Geste und eine Darbringung einer Opfergabe. 59 Diese Gaben waren als

Rückgabe/Antwort für den Gott Israels bestimmt. Im Alten Israel herrscht darüber Einigkeit,

dass alles von Gott selbst kommt. Es muss ihm daher Dank ausgesprochen und ein Opfer

dargebracht werden, das Anerkennung ausdrücken soll.60 So wurde Kommunikation zwischen

Gott und dem Menschen verstanden und eine Brücke zwischen vertikaler und horizontaler

Ebene des Dankes aufgebaut. 61

3.3.1 Klage und Lob als Ausdruck eines Kommunikationsakts zu Gott

Die Gebete, die sich im Buch der Psalmen in Bezug auf die Dankbarkeit finden lassen, sind

die sogenannten „Toda-Psalmen“. Charakteristisch für diese Psalmen ist, dass sie „das mit

dem Mund gesprochene“ 62 Danklieder (vgl. Ps 50, 14) sind und auch die nachfolgende

Opfergabe (vgl. Am 4,5) behandelt. Dankt und Opfer sollten daher, zumindest im Kontext

dieser Arbeit, nicht getrennt behandelt werden.63 Eine Grundhaltung des Menschen gegenüber

Gott, die sich auf das helfende Handeln Gottes, zum Beispiel auf die Errettung aus Gefahr

58 Carl-Heinz Ratschow: Art. Gebet I. (Religionsgeschichtlich), in: TRE. Bd. XII, o.A. 1984, S. 31-34, hier: S. 32. 59 Die Entwicklung von der Darbringung eines materiellen Dankopfers zu einem gesungenen/lobenden Danklied, kann hier nicht im Detail beschrieben werden. Fakt ist, dass das Danklied wohl selbst zu einer Form des Dankopfers wurde. 60 Vgl. Martin Leuenberger: Art. Gebet, in: https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/19002/ [abgerufen am 06. Juni 2019] und Beat Weber: Werkbuch Psalmen III. Theologie und Spiritualität des Psalters und seiner Psalmen, Stuttgart: Kohlhammer 2010, S. 61. 61 Vgl. Bernd Janowski: Sprechen zu Gott – Sprechen über Gott. Die Psalmen zwischen Gebet und lehrhaft-bekenntnishafter Aussage, aufgezeigt am Sprechrichtungswechsel (2./3. Pers.) im Psalter, in: ders.: Beten und Bekennen. Über Psalmen, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener 2008, S. 3-19. 62 Janowski, Dankbarkeit, S. 92f. 63 Vgl. dazu genauer: Alfred Marx: Opferlogik im alten Israel, in: Bernd Janowski und Michael Welker (Hg.): Opfer. Theologische und kulturelle Kontexte. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2000 (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 1454), S. 129-149.

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oder Bewahrung vor Krankheit verlässt,64 braucht retroperspektiv eine Antwort und damit

Kommunikation mit Gott.

Der Exeget Erich Zenger formuliert es so: „[D]ie Psalmen sind die bis zum Ende der

Weltzeit vollgültige Antwort Israels (und der Völker) auf das Handeln JHWHs“.65 Dabei sind

die beiden Sprechrichtungen, die Jörg Jeremias erläutert, von Bedeutung. Die Psalmen

enthalten jeweils direkten Dank an Gott und daneben objektive Geschichte über eine Wende

in der Not, die die Teilnehmer/innen der Feier, die sich in einer ähnlichen Notsituation

befinden, das Vertrauen ganz auf ihren Gott, zu setzen. Hier erkennt Jörg Jeremias ein

didaktisches Moment. 66 Der Psalm dient als lehrhaftes Exempel für den Glauben in der

Gemeinde. Das Erlebte wird dabei als Paradigma für eine gelingende Kommunikation mit

Gott, der in das Leben der Gemeinde eintritt.

Geantwortet wird vom Volk, vom Kollektiv, mit einem Gebet, das ad hoc gesprochen wird.

Gott soll sowohl in Klage als auch in Lob geantwortet werden,67 um so in Beziehung zum

Helfer und Geber, Gott selbst treten zu können. Das betende Subjekt ist daher „Ich“ oder

„Wir“, Gott das angesprochene „Du“. 68 Die Beziehung zwischen Immanenz und

Transzendenz, zwischen Gott und dem (betenden) Menschen entsteht so auf direktem Weg.

In der Gebetspraxis bleibt das Ich aber nicht singulär. Im Glauben entwickelt sich der Dank

gegenüber dem einen Gott, der als der Gott des ganzen Volkes Israel verstanden wird.

Deshalb wird über das Ich als (gedachtes) Kollektiv gesprochen. Das Ich der Psalmen ist ein

exemplarisches Ich.69 Das bedeutet, dass es wie ein pars pro toto zu verstehen ist: Wenn der

64 Vgl. Michael Ernst: Art. Dank, in: Kolger, Franz (Hg.): Herders neues Bibellexikon, Freiburg im Breisgau/Wien: Herder 2009, S. 134. 65 Erich Zenger: Psalmen. Auslegungen. Mit meinem Gott springe ich über Mauern, Bd. 1, Freiburg im Breisgau/Wien: Herder 2003, S. 89f. und vgl. Ralf Kaemper: Die Tugend der Dankbarkeit, in: Perspektiven (01/2014), in: https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=2ahUKEwihtZLcpI3kAhUS0qYKHf6sD8gQFjAAegQIABAC&url=https%3A%2F%2Fwww.cv-perspektive.de%2Fresources%2Farchiv%2F2014%2Fausgabe-01-12%2F1807-perspektive-2014-01-die-tugend-der-dankbarkeit%2Ffile%3Fforce-download%3D1&usg=AOvVaw1L6fZtgE4JoKcPti4_cQb5 [abgerufen am 07. Juli 2019], S. 28-29, hier: S. 28 und Carl Westermann: Das Loben Gottes in den Psalmen, Göttingen: V & R 41968, S. 48f.; 87f. 66 Jörg Jeremias: Theologie des Alten Testaments, Göttingen: V & R 2015 (Grundrisse zum Alten Testament 6), S. 40. 67 Wie Carl Westermann und zuvor Gunkel darlegen, lassen sich die Psalmen schematisch in Lob, Dank und Klagepsalmen unterteilen, die sich wiederum als Kollektiv- und Individualpsalmen lesen lassen. Die Lob- und Dankpsalmen lassen sich laut C. Westermann wiederum in berichtende (vgl. Ex 15,21) und beschreibende Lobpsalmen (vgl. Ps 113) einteilen. In den berichtenden sieht er (hebr. hillel) das Lob, das sich auf das ganze Sein Gottes bezieht, wohingegen er im beschreibenden (hebr. hodah) ein Lob auf ein einmaliges, eben geschehenes Tun Gottes sieht vgl. dazu: Claus Westermann: Der Psalter, Stuttgart: Calwer 1967, S. 63f. und 69f. 68 Melanie Köhlmoss: Altes Testament, Tübingen: Francke 2011 (UTB basic 3460), S. 306. 69 Vgl. Hans-Christoph Schmitt: Arbeitsbuch zum Alten Testament. Grundzüge der Geschichte Israels und der alttestamentlichen Schriften, Göttingen: V & R 2005 (UTB 2146), S. 420.

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Psalmist über seine Erlebnisse spricht, kann eine Heilserfahrung für die gesamte Gemeinde

heilsam sein. Die beispielhafte Rettung Gottes wird auf die ganze Gemeinschaft übertragen

und soll der Gemeinde deutlich machen, dass Gott nicht nur den Einzelnen rettet, sondern die

ganze Gemeinde in sein heilvolles Tun einschließt. Aus seinem auserwählen Volk wird

niemand ausgeschlossen. Deshalb können wir sogenannte Individualpsalmen aus der Sicht des

Gemeinschaftlichen lesen. Spricht jemand seinen/ihren eigenen Dank/Lob an Gott aus, wird

dabei das subjektive Lob als generalisiertes Lob des ganzen Volkes verstanden.

Auch die übrigen Psalmen, zu denen auch die Klagepsalmen zählen, sind in diesem Sinne

zu lesen. Die Klagen werden als vorübergehende Phasen im Leben verstanden, in denen die

Gläubigen geprüft und ihr Zweifel überwunden werden sollen. Der Exeget Erich Zenger

spricht von einer Art Verwirklichung des Lebens, das ja auch in einem Auf und Ab von guten

und schlechten Zeiten selbst „in der Spannung von Glücken und Scheitern, von Misslingen

und Gelingen, von Heil und Unheil“70 besteht. Diese Lebensphasen haben ihren Ursprung in

Gott selbst und können von dem/der Gläubigen durch Dankbarkeit beantwortet werden, um

eine Beziehung zum Rettenden aufzubauen. Zenger macht es so möglich, Klage und Dank in

den Psalmen als eines zu sehen. Der Lobpsalm stellt dabei nicht nur eine eigene Gattung dar,

sondern zieht sich durch fast alle Psalmen. Auch auf Klagen folgt Lob.

In dieser Arbeit wird Psalm 30 genauer analysiert. Der Psalm gilt als Prototyp des

beschreibenden Dankpsalmes.71 Er eignet sich daher dazu, die bereits genannten Themen im

Detail auszuarbeiten und zu analysieren. Darüber hinaus wird versucht, besonders die

(Sprach-)Metaphern des Psalms in Bezug auf Dankbarkeit zu erläutern.

3.4 Der Dank auf horizontaler Ebene im Alten Testament: Psalm 30 als

Dank(-sagung) an Gott

Psalm 30 wird von Hermann Gunkel als „Danklied des Einzelnen“72 beschreiben und im

Judentum als ein Morgengebet verstanden. „Das Kernstück der Danklieder“, so stellt Günther

Bornkmann fest, „ist (…) die Erzählung der Rettung. Erzählen, kundtun, lehren, singen,

rühmen, von Gottes Wunder reden, seiner gedenken – sind die regelmäßig wiederkehrenden

70Als Übersetzung dieses Psalms wurde die Arbeitsübersetzung von Erich Zenger ausgewählt: Zenger, Psalmen. Auslegungen, S. 70. 71 Vlg. Klaus Seybold: Das Gebet des Kranken im Alten Testament. Untersuchungen zur Bestimmung und Zuordnung der Krankheits- und Heilungspsalmen. Stuttgart: Kohlhammer 1973 (Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament 5/19), S. 125 und Westermann, Ausgewählte Psalmen, S. 122. 72 Hermann Gunkel: Die Psalmen, Göttingen: V & R 51986, z. B. S. 8, 27,30

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26

Wendungen der Danklieder.“ 73 Psalm 30 entspricht dieser Beschreibung, indem er im

familiären und sippengemeinschaftlichen Gottesdienst,74 dem auch eine Darbringung eines

Opfers folgen konnte, verankert war. 75 Dass er so ein fester Bestandteil der jüdischen

Tradition ist, zeigt, dass das Tradieren von Geschichten, Gebeten und Erzählungen, in denen

Gott der Retter war, einen wichtigen Punkt im familiären Austausch spielte. Durch diesen

Austausch konnte Dankbarkeit an die Gemeinschaft und darüber hinaus an Gott zum

Ausdruck gebracht werden.

3.4.1 Der Psalm und sein Inhalt

Psalm 30 [Ein Harfenlied, Sang der Weihung des Hauses, von Dawid]76 2a Ich will dir danken, JHWH, denn du zogst mich empor 2b und ließest nicht frohlocken meine Feinde über mich. 3a JHWH – mein Gott! 3b Ich schrie zu dir und du heiltest mich. 4a JHWH, du führtest mich herauf aus dem Scheol, 4b du riefst mich ins Leben zurück aus jenen, die in die Gruppe hinabsteigen. 5a Singt, JHWH, ihr seine Getreuen, 5b und dankt seinem heiligen Namen, 6a denn ein Augenblick – in seinem Zorn, 6b ein Leben lang – in seiner Huld, 6c am Abend – Weinen 6d und am Morgen – Jubel! 7a Ich aber – in meiner Sicherheit sagte ich: 7b „Nicht werde ich wanken in Ewigkeit!“ 8a JHWH – in deiner Huld 8b hattest du mich auf schützende Berge gestellt, 8c dann verbargst du dein Angesicht, 8d da wurde ich verstört. 9a Zu dir, JHWH, rief ich 9b und zu (dir), meinem Gott, flehte ich um Gnade: 10a „Was für ein Gewinn ist an meinem Blut 10b (und) wenn ich hinabsteige in das Grab? 10c Kann denn Staub dir danken?

73 Günther Bornkamm: Lobpreis. Bekenntnis und Opfer. Eine alttestamentliche Studie, in: ders.: Geschichte und Glaube I. Gesammelte Aufsätze, Bd. 3, München: Kaiser 1968 (Beiträge zur evangelischen Theologie. Theologische Abhandlungen 48), S. 122-139; hier: S. 124. 74 Dahingehend können die Psalmen ursprünglich als Teil einer kultischen und liturgischen Handlung innerhalb eines größeren Kreises, der aber exklusiv ist, verstanden werden, zu dem ein Opfer gehörte, das als Teil der Erfüllung eines Gelübdes/Bekenntnisses verstanden werden konnte. Das bedeutet aber auch, dass der Sitz im Leben im Gottesdienst auch darüber hinaus geht, primär in der didaktischen Beziehung, wie es bereits erläutert wurde, sowie sekundär durch das Tragen der Botschaft des Gottesdienstes ins Leben hinaus. Des Weiteren ist zu beachten, dass das Opfer selbst später durch ein Loblied ersetzt wurde und aus der häuslichen Umgebung in den Tempel nach dem Exil gerückt ist. 75 Vgl. Schmitt, Arbeitsbuch zum Alten Testament, S. 419f. 76 Die Überschrift ist der Übersetzung Martin Bubers entnommen und wurde der Übersetzung von Zenger von mir hinzugefügt. Auch aus historischer Sicht wurde die Überschrift später redaktionell hinzugefügt. Die nachträglichen Überschriften dieses Psalms werden in den diversen Übersetzungen verschiedentlich übertragen. So entscheiden sich die Lutherbibel und die neue Einheitsübersetzung zum Beispiel für: „Dank für Rettung aus Todesnot“ oder „Dank für Rettung vor dem Tod“.

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27

10d Kann er denn verkünden deine Treue? 11a Höre, JHWH, erweise mir Gnade! 11b JHWH, werde mir zum Helfer! 12a Da wandelst du meine Totenklage 12b für mich in festlichen Tanz, 12c du löstest meinen Trauer-Saq 12d und umgürtest mich mit Freude, 13a damit dir singt mein Herz 13b und es nicht (mehr) stumm bleibt. 13c JHWH – mein Gott! 13d In Ewigkeit will ich dir danken.

In diesem Psalm dankt jemand, der/die aus Todesnot gerettet wurde Gott dafür, dass er/sie

wieder zurück ins Leben kommen durfte. Das Leid, das der/die Sprecher/in erlitten hat, rückt

in den Vordergrund und wird ins Leben selbst eingeordnet.77 Zuerst wird die menschliche

Überheblichkeit beschrieben, auf die eine intensive Gotteserfahrung folgt. Durch diese

Erfahrung wurde dem/der Beter/in eine neue Sicht auf das Leben offenbart. Der/die Dankende

erzählt öffentlich von seiner/ihrer Erfahrung, um die Zuhörenden (und auch das ganze Volk)

zum gemeinsamen Gotteslob aufzufordern.78 Er/sie feiert ihre Rückkehr ins Leben in dieser

(Gottesdienst-)Gemeinschaft. Damit wird, wie der Exeget Friedrich Crüsemann gezeigt hat,

die „doppelte Sprechrichtung“ eines Dankliedes zum Ausdruck gebracht. 79 Im Psalm

vermischen sich Gebet und Bericht je nach Ausrichtung des/der Sprechers/in. 80 Der/die

Sprecher/in wendet sich einerseits dankend in einem Monolog an Gott,81 andererseits bekennt

er/sie die Rettung vor der im Heiligtum versammelten Gemeinde und formt den Psalm

sozusagen zu einer öffentlichen Kundgabe um (vgl. dazu das Bekenntnis am Ende in V.13b).82

Die Erfahrung eines Gläubigen/einer Gläubigen wird kollektiv geteilt. Das Bekenntnis

entsteht aus dem persönlichen Erlebnis heraus. Es wird keine abstrakte Wesensbestimmung

Gottes dargelegt. Gott wird als derjenige dargestellt, der in das Leben der Gläubigen

eingegriffen hat und Beziehung stiftet. Dafür gebührt ihm Dank.83

77 Vgl. Kraus, Psalmen, S. 390 und Bernd Janowski: Konfliktgespräche mit Gott. Eine Anthropologie der Psalmen, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener 32009, S. 270. 78 Vgl. Schmitt, Arbeitsbuch zum Alten Testament, S. 31 und Eder, Identifikationspotentiale, S. 100f. 79 Friedrich Crüsemann: Studien zur Formgeschichte von Hymnus und Danklied in Israel, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener 1969 (WMANT 32), S. 213-216 und Westermann, Ausgewählte Psalmen, S. 122f. 80 Vgl. Seybold, Altes Testament, S. 125. 81 Vgl. Crüsemann, Studien, S. 225f. 82 Vgl. Janowski, Dankbarkeit, S. 120. 83 Vgl. Bornkamm, Lobpreis, S. 124 und Westermann, Ausgewählte Psalmen, S. 123-125.

Page 28: Diplomarbeit Dankbarkeit Ein Beziehungsgeschehen zwischen ...

28

3.4.2 Die formale Analyse des Psalms 30

Im Rahmen einer formalen Analyse kann festgestellt werden, dass die V.2-6 die

prototypischen Bauelemente des Dankliedes darstellt:84 Zuerst wird der Dank angekündigt. Er

ist charakteristischerweise mit einer vorangestellten Zusammenfassung der Geschichte, die

zur Danksagung führt, verbunden. In V.2 wird die Erzählung retrospektiv geschildert. Sie

besteht aus dem Bericht von der Not, der Anrufung Gottes und von seinem rettenden

Eingreifen (V.3f.). Danach werden die Betenden aufgefordert, sich dem Gotteslob

anzuschließen. Darauf folgt in der formalen Abfolge die Schlussfolgerung aus der gemachten

Erfahrung (V.5f.). Sie kann als ein didaktisches Moment beschrieben werden, sodass der

Psalm Mahnmal für die Gottesabwesenheit ist. In V.7 wird die Danksagungserzählung

eingeleitet, in der es zur Reflexion über die Taten Gottes kommt, der Lobpreis folgt. Der erste

Abschnitt des Psalms befasst sich besonders mit einer äußeren der Begebenheit an sich und

der Rettung (V.3aff.). Der zweite Teil gibt Einblick in das, was im Menschen passiert (ab V.6).

Dabei hat der/die Gerettete die Erfahrung gemacht, dass Leben grundsätzlich ein verdanktes

Leben ist.

In der folgenden Danksagungserzählung werden verschiedene Elemente erläutert, wie Not

(V.7-8), Hilferuf (V.9-11) und die abschließende Rettung (V.12) erläutert. Der Psalm endet mit

dem Bekenntnis zu Gott und seiner Lebenskraft im weiteren Leben gelten sollen. An dieser

Stelle findet ein letztes Mal ein Themenwechsel statt: Das lyrische Ich blickt noch einmal in

die Vergangenheit, als es Gottesferne erlebt hat und erinnert sich, wie es zum

immerwährenden Lob und Dank Gottes kommt.85 Der Psalm endet unmittelbar nach diesem

Gelübde.86

3.4.3 Ein „Oben“ und ein „Unten“ – Die sprachlichen Bilder der Dankbarkeit in

Psalm 30

Der Psalm weist ein reichhaltiges Bild an sprachlichen Ausdrücken auf. Erwähnt werden das

Bild des Todes (V.2b), der Tanz der Freude (V.12b) und das neue Gewand (V.12c). Diese drei

Darstellungen sind besonders wichtig, um Dankbarkeit in ihrem Facettenreichtum im Psalm

30 verstehen zu können. Diese bildlichen Ausdrücke werden in einem dynamischen Verhältnis

aneinandergereiht. Bei genauer Leseart erscheinen sie wie ein buntes, bewegtes Mosaik der

84 Vgl. dazu: Zenger, Mit meinem Gott springe ich über Mauern, S. 89 und Weber, Werkbuch Psalmen III, S. 34. 85 Hier wird im Besonderen eine Verbindung zwischen Gegenwart und Zukunft dargestellt. 86 Vgl. Eder, Identifikationspotenziale S. 101.

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29

Dankbarkeit. So bleibt Platz, Positives und Negatives darzustellen, die sich wie Räume oder

Sphären durch den Psalm erkennen lassen. Johannes Schnocks 87 betitelt sie Räume des

„Obens“ und „Untens“, wobei die Räume des „Obens“, die positiven sind (vgl. Berg V.7 und

Tempel V.8a) und die des „Untens“ in Verbindung mit Negativen gebracht werden (vgl. Grube

V.4b und Sheol V.10). Durch die Räume des Positiven wird versucht, Grenzen abzuschaffen.

Sie treiben das „Unten“ durch angewandten Sprachbilder immer mehr in den Raum nach

„oben“ und versuchen dadurch das Negative in der Vergangenheit zu überwinden und dehnen

sich in der Gegenwart und Zukunft als etwas Stärkendes für das Ich aus. Dankbarkeit lässt

sich in den positiven Rum des Obens zuordnen.

Dankbarkeit soll in dieser Arbeit nicht als Wort an sich, sondern viel mehr als semantische

Kategorie aufgearbeitet werden. Es werden daher auch Begriffe miteinbezogen, die eher eine

Art von Dank ausdrücken und damit semantisch dazu passen.

Die Sprache dient der Beschreibung von Dankbarkeit. Sie sind an (kulturelle) Codes

gebunden und daher kulturell variabel. Die Codes werden ebenso in unterschiedlichen

Kulturen unterschiedlich geformt. 88 Auch die Psalmen arbeiten mit Sprachbildern. Dabei

spielen sich die Bilder besonders in der der Emotionen ab. Daraus kann geschlossen werden,

dass Dankbarkeit im Alten Testament als eine Emotion beschrieben werden kann, die nicht im

Zusammenhang mit einer Tradition steht oder gar eine Tugendlehre abzubilden versucht. Sie

kann mehr mit dem lat. movere beschrieben werden, das nach außen dringen/bewegen

bedeutet.89 Das Äußere zeigt sich in den verwendeten Sprachbildern. Gleichzeitig muss die

Leseart des Ps 30 an die Emotionen angepasst werden. Dankbarkeit als Grundemotion

beinhaltet hier eine kulturelle und soziale Ebene.

Das Buch der Psalme gilt als Paradebeispiel für den Ausdruck von Gefühlen im Alten

Testament.90 Psalmen sind, wie es Frank Matheus beschreibt, ein Textmedium, das uns in die

Gefühlswelt der Menschen blicken lässt:

(…) sie transportieren in erster Linie Emotionen und sind Ausdruck der Gefühlslage der Betenden, die in ihrer Freude und Not oft selbst im Mittelpunkt der Betrachtung liegen und so eine charakterisierte Situation schaffen.91

87 Johannes Schnocks: Psalmen, Paderborn: Schoening 2014 (UTB 3473. Grundwissen Theologie), S. 117-123. 88 Vgl. Eder, Identifikationspotentiale, S. 70 und Margaret Visser: The Gift of thanks. The roots and rituals of gratitude. New York: Harper Collins 2008, S. 256. 89 Vgl. Visser, The Gift, S. 257. 90 Harm Grol van: Emotions in the Psalms, in: Deuterocanonical and Cognate Literature Yearbook (2011/1), S. 69-102, in: https://doi.org/10.1515/dcly.2012.2011.1.69 [abgerufen am 27. August 2019], S. 70 bezeichnet den Psalter als das emotionalste Buch der Bibel.

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30

Diese Emotionalität wird in Ps 30 mittels verschiedener sprachlicher Umschreibungen, einer

metaphorischen Struktur und Figuren, die das Unaussprechliche besonders in

Grenzsituationen zu symbolisieren vermögen, dargestellt. Diese Sprache lässt sich nicht

einfach in unser (post-)modernes Verständnis einbauen. Durch sprachliche Bilder und Analyse

von Metaphern können die uns oft verborgenen Sachverhalte der Psalmen besser verstanden

werden. In diesem Zusammenhang betont Klaus Seybold, dass

(…) der Sinngehalt der Metaphern darin besteht, dass die Situation des Psalmisten als eine von Jahwe bewirkte oder zugelassene und von ihm wieder behobene Notlage dargestellt ist, die sich als Gefangensetzung, und zwar in der Tiefe der Gruft, Nähe zur Totenwelt, Lebensverlust kennzeichnen lässt.92

Sprachbilder lassen sich dahingehend nur in einer Untersuchung der Tiefenstruktur des Textes

erkennen.

3.4.4. Freude als Ausdruck der wahren Dankbarkeit in Psalm 30

„Freude ist der wahre Ausdruck von Dankbarkeit!“ 93 , schreibt Steindl-Rast ein seiner

Monografie über Dankbarkeit und betont die wesentliche Verbindung vom Gefühl der Freude

zur Dankbarkeit. Die deutsche Autorin Marie von Eber-Eschenbach greift den

Zusammenhang von Dankbarkeit und Freude in einem ihrer Zitate auf: „In jede hohe Freude

mischt sich eine Empfindung der Dankbarkeit.“94 Freude ist ein positives Begleitgefühl der

Dankbarkeit. Freude ist im Alten Testament als Hinwendung zu Gott zu verstehen. Freude

kann nur Gott selbst erwecken.95 Er stiftet damit Beziehung. Freude ist in Ps 30 daher auch

ein Schlüsselwort, um Dankbarkeit verstehen zu können.

Susanne Gillmayr-Bucher schreibt in ihrem Aufsatz Emotion und Kommunikation96 über

Emotionen und Kommunikation in biblischen Texten. Folgt man ihren Feststellungen, können

in Ps 30 folgende Merkmale gefunden werden. Die religiöse Topografie der Dankbarkeit ist

implizit durch die „nonvokale, nonverbale Manifestation“ 97 erkennbar. Dazu zählen die

91 Matheus Frank: Ein jegliches hat seine Zeit. Tempus und Aspekt im biblisch-hebräischen Verbalsystem Kamen: Spenner 2011(KUSATU 1), S. 395. 92 Klaus Seybold: Poetik der Pslamen, Stuttgart: Kohlhammer 2003 (Poetologische Studien zum Alten Testament 1), S. 194f und S. 323. 93 Steindl-Rast, Dankbarkeit, S. 23. 94 Maria Eber-Eschenbach, in: https://www.aphorismen.de/zitat/1678 [abgerufen am 03. August 2019]. 95 Vgl. Westermann, Ausgewählte Psalmen, S. 125. 96 Susanne Gillmayr-Bucher: Emotion und Kommunikation, in: Frevel, Christian (Hg.): Biblische Anthropologie. Neue Einsichten aus dem Alten Testament, Freiburg im Breisgau 2010, S. 279-290, hier: S. 281f. 97 Ebd.

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31

verschiedenen sprachlichen Bilder der Freude, wie das Lösen des Trauergewandes oder das

Umgürten mit Freude (V.12). Die Freude über die Rettungstat ist ebenso eine vokale

nonverbale Manifestation, erkennbar im Ausdruck des Jubels. Am bedeutendsten ist die

Manifestation durch die verbale Thematisierung, die in Ps 30 mit dem positiv konnotierten

Wortfeld der Freude im Zusammenhang steht. Die zuvor negativen Ausdrücke (zum Beispiel

Klagen, Schreien, Weinen etc.) werden durch positive ersetzt, die am Ende in ein Gelübde und

den immerwährenden, antwortenden Dank an Gott münden. Die körperliche Erfahrung spielt

dabei eine essentielle Rolle. In welchen sprachlichen Bildern sich Dankbarkeit zeigt, soll nun

erklärt werden.98

3.4.3.1 Tanz als Ausdruck der Freude in Dankbarkeit

Der Tanz, der im Ps 30,12 angesprochen wird, steht in Verbindung mit Dankbarkeit, da er eng

an Freude und Lob gebunden ist. Das Bild des Tanzes ist bereits aus Ex 15,20 bekannt.

Mirjam tanzt mit den Frauen und lobt damit.99 So wird ein bereits bekanntes Gegenbild von

Klage, auf die ein Lob folgt, aus der Exoduserzählung in Ps 30 wieder eingeführt: „Mein

Wehklagen hast du in Tanz verwandelt, meinen Sack hast du gelöst und mich mit Freude

umgürtet.“ (V.12)

Positive Bilder, die zum Ausdruck kommen, sind der Jubel (V.6) und das Tanzen (V.12).

Gerade Lob-/Danklieder wurden, wie der deutsche Ausdruck vermuten lässt, wohl gesungen.

So konnten sie als Hymnus, also eine Preisung der Taten Gottes, fungieren.

Singen und Tanzen gehören zum grundlegenden expressiven Repertoire der Menschen.

Lob ist daher tief im Menschen verwurzelt. Deshalb ist das Lob Gottes im Alten Israel zum

Dank selbst und damit zum elementarsten Merkmal des Lebens und der Lebendigkeit

geworden. 100 „Die Toten loben Gott nicht“ (vgl. Jes 38,18f. und Ps 6,6). Das Lob der

Lebenden drückt jedoch Dankbarkeit aus.

Wie bereits beschrieben, kann der Dank erst vollzogen werden, wenn es sich um einen

performativen Akt handelt.101 Der Tanz als Ausdruck von Lob und Dank trägt die dankbare

Haltung nach außen und macht sie für das Volk sichtbar. Musik und Tanz sind als ein

98 Gillmayr-Bucher, Emotion, S. 281-284. 99 Vgl. dazu: Jörg Jeremias: Studien zur Theologie des Alten Testament, Tübingen: Mohr Siebeck 2015 (Forschungen zum Alten Testament 99), S. 217f. 100 Ebd. 101 Vgl. Michaela Geiger: Mirjams Tanz am Schilfmeer, in: Marion Keuchen und Matthias Lenz u. a. (Hg.): Tanz und Religion. Theologische Perspektiven, Frankfurt am Main: Otto Lembeck 2008, S. 59 und zur performativen Nuance siehe auch Weber, Werkbuch Psalmen III, S. 150.

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32

kommunikatives und gesellschaftliches Tun zu verstehen. Erst in der Gemeinschaft (im Beten

wohl in der Gemeinschaft des Gottesdienstes) kann ein sinnstiftendes Ritual entstehen.102

V.13 macht deutlich wie das Danklied vorgetragen wurde. Es gab wohl eine/n

Solosänger/einer Solosängerin, der/die die versammelte Gemeinde zum Lob Gottes animieren

wollte. 103 Das spontane Lob im Imperativ in V.5 verbalisiert diese Aufforderungen. Sie

beginnt im Hier und Jetzt, wirkt sich aber auf die Zukunft aus. Durch den Tanz und den

Lobpreis, der vom betenden Ich ausgeht und sich auf die Öffentlichkeit hin erstreckt, kommt

sich Dankbarkeit als partizipierendes und performatives (vgl. Kap. 3.1.1.1) Element, auch

durch den Tanz, zum Vorschein.104

3.4.3.2 Ein neues Gewand als Ausdruck der Freude in Dankbarkeit

In V.12 wird eine weitere Metapher verwendet, die im positiven Bereich des Lobes und der

Freude anzusiedeln ist, nämlich die Metaphorik des neuen Gewandes. Gott zieht dieses

Gewand an, denn es ist sein persönliches Geschenk. Es ist daher als Gnadengeschenk zu

verstehen.105 Die Freude, mit dem Gott, den/die Beter/in umgürtet, spielt bereits auf die

Dankbarkeit im folgenden Vers an. Der Dank ist vom/von Beter/in auf eine Tat Gottes hin

vollzogen worden.106

Gottes Geschenk der Gnade währt ein Leben lang (V.6b), das Gericht im Gegenzug nur

„einen Augenblick“ (V.6a). Der Beter/die Beterin sieht seine Zeiten des Glücks in

Abhängigkeit von Gott. Für dieses Geschenk will auch das abschließende Gelübde und

Versprechen stehen, das die Dankbarkeit in alle Ewigkeit ausdrückt (V.13b). Der/die Betende

kann nicht vergessen, was Gott mit ihm gemacht hat. Der Psalm soll durch die Beschreibung

der geschenkten Gnade ein Exempel für die Gemeinde sein. Sie soll verstehen, dass das

Leben per se und der Glaube ein Geschenk Gottes ist. Im Gegensatz zu diesem Glauben steht

das alttestamentliche Bild des „Sheols“, das nun erklärt werden soll.

102Vgl. Stefan Kammerer: Art. Musik, in: https://www.bibelwissenschaft.de/de/stichwort/11097/ [abgerufen am 06. Juni 2019], S. 1-2. 103 Vgl. Seybold, Poetik, S. 319-326; S. 323. 104 Vgl. Alfred J. Loader: Psalm 30 Read Twice and Understood Two Times, in: OTEs 16 (2003) 291– 308, hier: S. 297. 105 Vgl. Seybold, Altes Testament, S. 126. 106 Dieser Metapher kommt auch im Christentum besondere liturgische Bedeutung zu, denn der Psalm wurde in der Frühen Kirche in der Osternacht gelesen – wohl zu Recht, wenn sie am Abend das Weinen und am Morgen, den Jubel vernehmen, der auf die Auferstehung schließen lässt vgl. dazu: Beat Weber: Werkbuch Psalmen I. Die Psalmen 1-71, Stuttgart: Kohlhammer 22016, S. 151 und Zenger, Mit meinem Gott spring ich über Mauern, S. 93f.

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3.4.3.3 Der Sheol als Sinnbild des Glaubens und Ende der Gottesbeziehung

Der Sheol ist eng mit dem Glauben an den einen Gott verbunden und daher auch mit

Dankbarkeit. Im Alten Israel wurde die Abkehr von Gott, die Gottverlassenheit, mit dem Bild

des Sheols dargestellt. Dieser konnte im Alten Israel als ein Sinnbild für den Tod selbst

verstanden werden.107 Dort, wo man nicht an Gott glaubt, ist man tot oder, wie es Zenger

formuliert: „Wer keine Lebenskraft und keinen Lebensmut mehr hat, ‚ist‘ in der Sicht der

Bibel ‚tot‘.“108 Der Sheol beschreibt aus diesem Grund kein physisches Sterben, sondern die

gottlose Leere, in die sich Menschen begeben können. Das Leben wird in der Beziehung zu

Gott zur Quelle des Lebens. Gott leitet durch sein Wirken auch Menschen aus dem Sheol.109

Der Mensch in Ps 30 ist daher nicht wirklich gestorben. Vielmehr hat die Wirklichkeit des

Todes in sein Leben eingegriffen. Gottes Rettung spricht in diese Wirklichkeit hinein. Der/die

Gerettete ist sich über das Geschenk, die Gabe des gelingenden Lebens von Gott bewusst und

antwortet deshalb mit Danksagung (vgl. Koh 3,13; 5,18).110 Dankbarkeit ist damit an den

Glauben gebunden. In der Gottverlassenheit gibt es kein Vertrauen, keinen Glauben an Gott.

Jegliches Beziehungsverhältnis ist abgebrochen.

Durch die Analyse des Ps 30 wurde deutlich, wie das Konzept Dankbarkeit im Alten

Testament ausdrückt wird. Dankbarkeit spielt sich hier im positiven Raum ab und lässt sich

als das Maß aller Lebendigkeit im Ps 30 erläutern. Durch die Beschreibung der verschiedenen

Gefühle kann beim/bei Leser/in ein Gefühl der Empathie entstehen. Das ist charakteristisch

für die Psalmen:

Das ist in der Tat die faszinierende Eigenart der Psalmen: Es sind Gebete und Lieder aus einer lang vergangenen Zeit, und doch sind es Worte, die über die Jahrhunderte hinweg bis heute unmittelbar anrühren.111

Es sind die Bilder, die die Menschen anrühren. Sie zeigen, welchen Stellenwert Dankbarkeit

als kollektives Loben und Preisen und Ge-denken an den einen Gott Israels im Alten

Testament für den Menschen hat. Gebete wie die Psalmen geben dem Menschen ein

Kommunikationsmittel. Sie machen Raum für Gott. Damit dienen sie als Sinn-Quelle des

Lebens für die Gemeinde, sofern sie erkennt, woran das Leben letztendlich und wahrhaftig

107 Auch das Bild des Feindes, das in V.2b beschrieben wird, kann als solch eine Abkehr gedeutet werden. 108 Zenger, Mit meinem Gott springe ich über Mauern, S. 90. 109 Vgl. Jeremias, Studien, S. 226f.; Köhlmoss, Altes Testament, S. 316-319 und Westermann, Das Loben, S. 120f. 110 Vgl. Zenger, Mit meinem Gott springe ich über Mauern, S. 90. 111 Ebd. 90f.

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hängt. Durch den Dank wird an den Schöpfer gedacht. Dabei kommt es zu einem Ge-Denken

und Bes-sinnen auf Gott. Es überwiegt die wahre Freude im Glauben als lebensstiftende

Komponente, die zu einer Begegnung mit dem Transzendenten führen kann.

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4 Dankbarkeit im Neuen Testament

Wie im Alten Testament zum Ausdruck kommt, ist die Dankbarkeit an den Gott Israels

gerichtet, dem Gott der Heilsgeschichte, und stellt einen Kommunikationsakt dar. Gott ist ein

Gott, dessen Präsenz als ansprechbares „Objekt“ des Lobs verstanden wird. Gott ist trotz des

Objektcharakters nicht ein ferner, unansprechbarer Gott, sondern wird im Dank als ein

ansprechbarer Gott, als Subjekt, bezeichnet.112 Wenn die Beziehung Gottes aufrechterhalten

wird, kann dies nur in der Stimme und Sprache der Menschen durch Wörter des Gebets oder

Gesten geschehen; denn wo Lobpreis ist, da ist auch Dank. Lobpreis ist aber nicht allein ans

Alte Testament gebunden, auch im Neuen Testament spielt er in der Beziehung der Menschen

zu Gott eine wesentliche Rolle.

62 mal kommt der Begriff Dankbarkeit im Neuen Testament, wie er bereits in der

semantischen Analyse betrachtet wurde, vor, dreiviertel davon im paulinischen

Schriftkorpus.113 Gleichsam wie im Alten Testament ist es auch im Neuen Testament, wie

bereits durch die Begriffsbestimmung dargelegt, unzureichend, das Phänomen der

Dankbarkeit an einem einzelnen Wort festzumachen – vielmehr ist es wiederum aus dem

Zusammenhang, implizit ausgedrückt durch Emotionen und Gesten, zu erkennen.

Es wird ein Gleichnis aus den Evangelien nach Lukas (17, 11-19) sowie der Philipperbrief,

der als Prototyp der Darstellung von Dankbarkeit Corpus Paulinum dienen soll, betrachtet

und auf die verschiedenen Darstellungsweisen von Dankbarkeit hin analysiert.

4.1 Dankbarkeit bei Lukas 17, 11-19: Das Gleichnis des dankbaren

Samariters

Dankbarkeit spielt indirekt eine wesentliche Rolle im Neuen Testament, besonders wenn es

um ein Aufzeigen des Beziehungsverhältnisses zwischen Menschen und Gott geht. Es ist wohl

nicht verwunderlich, dass gerade Lukas in seiner Frohen Botschaft über Dankbarkeit schreibt,

sofern nämlich sein Hauptinteresse vor allem in der Beziehung von Herkunftsmilieu und

Glauben liegt. Das heißt, dass in seiner Verkündigung vielfach Menschen eine Rolle spielen,

112 Vgl. Ullrich Wilckens: Theologie des Neuen Testaments. Die Theologie des Neuen Testaments als Grundlage kirchlicher Lehre. Der Aufbau, Bd. 2, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener 2009, S. 255 und S. 257-258. 113 Vgl. David W. Pao: Thanksgiving. An investigation of a Pauline theme, Leicester: Apollos 2002 (New Studies in Bibical Theology 1), S. 15.

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36

die jenseits der religiösen Grenzen und moralischer Ehrbarkeit stehen.114 In diesem Sinne

verwundert es nicht, dass in der Erzählung von der Heilung der zehn Aussätzigen ein

Samariter als Vorbild der wahren Dankbarkeit beschrieben wird. Diese Perikope aus dem

Leben Jesu wird im nun Folgenden genauer betrachtet, da sie Sinnbild für das Verständnis der

Dankbarkeit im Lukasevangelium und ein prototypisches Gleichnis für Dankbarkeit in den

Evangelien darstellen soll.

Der dankbare Samaritaner 11 Und es geschah, während er nach Jerusalem unterwegs war, dass er durch das Grenzgebiet von Samaria und Galiläa zog. 12 Und als er in ein Dorf hineinging, kamen ihm zehn aussätzige Männer entgegen. Sie blieben in einiger Entfernung stehen 13 und erhoben ihre Stimme und riefen: Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns! 14 Und als er sie sah, sagte er zu ihnen: Geht und zeigt euch den Priestern! Und es geschah, während sie hingingen, dass sie rein wurden. 15 Einer von ihnen aber kehrte, als er sah, dass er geheilt worden war, zurück, pries Gott mit lauter Stimme, 16 fiel ihm zu Füssen auf das Angesicht nieder und dankte ihm. Und das war ein Samaritaner. 17 Jesus aber antwortete: Sind nicht zehn rein geworden? Wo sind die übrigen neun? 18 Hat sich keiner gefunden, der zurückgekehrt wäre, um Gott die Ehre zu geben, ausser diesem Fremden? 19 Und er sagte zu ihm: Steh auf und geh! Dein Glaube hat dich gerettet.115

4.1.1 Gliederung und Aufbau von Lk 17, 11-19

Der Text gliedert sich laut Hans Klein in zwei Abschnitte. Im ersten Teil kann man die

typischen Charakteristika einer Wundererzählung erkennen: 116Auftreten des Wundertäters

(V.11), Auftreten der Hilfsbedürftigen (V.12b-13a), Herstellen von Kontakt (V.13b), Hilferuf

(V.13c), wunderwirkendes Wort (V.14b) und Feststellung des Erfolgs (V.14-15). Der zweite

Teil setzt diese Wundererzählung voraus und entfaltet ihren Schluss durch die Rückkehr des

Samariters, der Gott preist und Jesus dankt. Jesus drückt sein Erstaunen in einer direkten Rede

aus und hebt den Glauben des Samariters hervor. So kann auch gesagt werden, dass durch die

Einleitung der Leser/die Leserin auf die Episode vorbereitet wird, denn in der ersten Phase

wird Jesus den Aussätzigen gegenübergestellt und in der zweiten wird die Rückkehr des

Samariters beschrieben. Ab V.16b wird der Erzählstrang durch den Erzähler abgebrochen, um

114 Vgl. Malcom Tolbert: Die Hauptinteressen des Evangelisten Lukas, in: Georg Braumann: Das Lukas-Evangelium. Die Redaktions- und Kompositionsgeschichtliche Forschung, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1974 (Wege der Forschung CCLXXX), S. 335-353, hier: S. 342 und S. 350-351. 115 Übersetzung aus Zürcher Bibel, in: https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/zuercher-bibel/bibeltext/bibel/text/lesen/stelle/52/170001/179999/ [abgerufen am 23. Juni 2019] und Zürcher Bibel, hg. v. Kirchenrat der Evangelisch-Reformierten Landeskirchen des Kantons Zürich, Zürich 2008. 116 Vgl. Hans Klein: Lukasstudien, Göttingen: V & R 2005 (Forschungen zu Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments 209), S. 145f.

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37

einen Einschub zu machen, der auf die Herkunft des Zurückkehrenden Samariters verweist. 117

4.1.2 Inhalt der Perikope

In dieser Perikope wird von Lukas die Rolle von Dankbarkeit beschrieben: Jesus trifft am

Stadttor – das war der Ort, an dem Menschen am Rande der Gesellschaft aufgrund der

Quarantänevorschriften (vgl. Lev 13,45-56) leben mussten – zehn Aussätzige. 118 Jesus

befiehlt ihnen, aufgrund dieser alttestamentlichen Rechtsvorschriften, zu den Priestern zu

gehen, denn nur diese konnten darüber entscheiden, ob die Menschen rein oder unrein waren.

Als sie sich auf den Weg machten, wurden sie rein. Um dem Herrn Dank auszusprechen, kam

jedoch nur einer zurück: Es war ausgerechnet ein Samariter. An dieser Stelle kommt es zum

entscheidenden Höhepunkt des Textes, 119 da die anderen die Gabe der Heilung als

selbstverständlich ansahen. In Jesu nachfolgenden drei rhetorischen Fragen kommt die

Dimension der nicht gerechtfertigten Selbstverständlichkeit dieser Gabe zum Ausdruck

(V.17f.), denn die Heilung und Gabe im Glauben soll nicht ein selbstverständliches und

forderndes Hinnehmen darstellen. 120 Im Samariter sieht Jesus durch seinen Lobpreis die

Dankbarkeit gegenüber seiner Heilung wachsen (V.15-16), weil der Samariter sein

persönliches Lobpreisen mit dem Dank verbindet.121 Diese Darstellung in der Dankbarkeit ist

direkt mit dem Glaubensakt verbunden und lässt sich als eine dialogische Einheit verstehen.

117 Vgl. Walter Grundmann: Das Evangelium nach Lukas. Berlin: Evangelische Verlagsanstalt 31964 (Theologisches Handkommentar zum Neuen Testament), S. 334. 118 Unter „Aussatz“ (lepra) kann man heute jegliche Art von Hautkrankheiten verstehen. Der Begriff diente als Sammelbezeichnung. Der Krankheit wegen mussten die mit Aussatz Befallenen Distanz zu anderen Menschen halten und waren deshalb isoliert und dadurch von einer Gemeinschaft mit Gott ausgeschlossen. So waren sie nicht nur schwer krank, sondern auch kultisch unrein. Die Priester konnten prüfen, ob die Menschen wieder in die Gemeinde aufgenommen werden konnten und somit wieder der Gemeinschaft mit Gott beiwohnen konnten. Das heißt, dass Jesus hier für die Beziehung zu Gott verantwortlich war. Vgl. dazu: Wilfried Eckey: Das Lukas-Evangelium. Unter Berücksichtigung seiner Parallelen. 11,2-24,53, Bd. 2, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener 22006, S. 736f . 119 Vgl. Rainer Dillman und César Mora Paz: Das Lukasevangelium. Ein Kommentar für die Praxis, Stuttgart: Katholisches Bibelwerk 2000, S. 302. 120 Vgl. Grundmann, Das Evangelium nach Lukas, S. 334. 121 Vgl. ebd., S. 337.

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38

4.2 Die verschiedenen Facetten der Dankbarkeit im Gleichnis des

dankbaren Samariters

Besonders in diesem Gleichnis lassen sich verschiedene Verbindungen zur Darstellung der

Dankbarkeit ziehen. Diese lassen sich zum Beispiel als eine Form des Glaubens und als

Ausdruck des Lobes beschreiben. Darüber hinaus wird der Person des Samariters eine

wichtige Rolle als Vorbild im Glauben zugeschrieben, wenn er aufgrund der Gabe Jesus und

so Gott in Dankbarkeit gegenübertritt. Wie sich diese Facetten der Dankbarkeit im Gleichnis

darstellen lassen, wird folgend näher beleuchtet.

4.2.1 Danken als Form des Glaubens im Lukasevangelium

Schon durch die vielfältigen Überschriften zum Ursprungstext wird erkannt, dass die

Erzählung immer im Verhältnis von Glauben und Dankbarkeit gelesen werden kann: Die

Zürcher Bibel gibt dieser auch die Überschrift „Der dankbare Samaritaner“, darüber hinaus

fügt Hans Klein in seinem Kommentar zu dieser Bibelstelle noch das Attribut „vorbildlich“

dem Samariter hinzu und stellt die Perikope unter den Titel: „Aspekte des Glaubens“.122

Allein diese Überschriften lenken den Leser/die Leserin bereits in eine gewisse Leserichtung,

wodurch die Bibelstelle mit Dankbarkeit und Glaube in einer Synthesis zueinander stehen und

sich daraus schließen lässt, dass das Verhalten dieses Samariters das eines wahren

„christlichen“ Glaubens ist. Dadurch kann man indirekt durch die Überschriften der

verschiedenen Kommentatoren erahnen, dass Glaube und Dankbarkeit in Zusammenhang

stehen.

Im Verlauf der Perikope wird ebenso dieses Verhältnis deutlich, indem Jesus nicht

Dankbarkeit seiner eigenen Person gegenüber fordert, sondern dass er den Menschen darauf

hinweist, dass der Urgrund aller Heilung bei Gott selbst liegt und der Samariter dafür dankbar

sein soll.123 Und hier verwendet auch Jesus selbst das Wort „Glauben“, wenn er in V.19c sagt:

„Dein Glaube hat dich gerettet!“ Dadurch wird in der Rückkehr des Samariters das Geheimnis

des Glaubens, der Dankbarkeit gegenüber Gott, offenbart und kann verstanden werden.124

Daraus lässt sich schließen, dass die Heilung auch als ein Akt der Umkehr, des Glaubens an

den einen Gott verstanden werden kann. Physische Heilung kann durchaus gegeben sein, was

122 Klein, Lukasstudien, S. 145-146 und Jacob Kremer: Lukasevangelium, Würzburg: Echter 1988 (Die Neue Echter Bibel. Kommentar zum Neuen Testament mit der Einheitsübersetzung 3), S. 170. 123 Vgl. ebd., S. 335. 124 Vgl. Wilson, The theological Roots, S. 17f. und vgl. Stefan Jäger: Die Lebenskunst der Dankbarkeit, in: https://www.johanneum.net/fileadmin/user_upload/Dokumente/Dokumente_ab_Nov_13/Lebenskunst_Dankbarkeit.pdf [abgerufen am 14. April 2019].

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39

aber noch viel wichtiger ist, ist die Ausrichtung auf Gott hin. Der Geheilte soll erkennen, dass

Gott selbst anwesend im Heilsakt ist. Die wirkliche Heilung gelingt nicht in der alleinigen

Dankbarkeit Jesu und dessen Handeln gegenüber, sondern erst durch den Akt des Glaubens

und das Vertrauen gegenüber Gott selbst. Genau darauf kommt es nämlich an: Der Samariter

kehrt um wie es in der Geschichte bildlich dargestellt wird, um zu danken und Gott zu ehren

und ist auf der Seite Jesu und dieser mit ihm.125 Es ist also nicht nur „Antwort“ und eine

„Sache des Herzens“, sondern es betrifft den Glauben als Anerkennen des Verheißungswortes

(vgl. Lk 1,45).

„Umkehren“ in Zusammenhang mit dem Glauben ist dahingehend die Versinnbildlichung

des vorübergehenden Tuns, in dieser Unterbrechung kann erst Platz und Raum für eine wahre

Dankbarkeit, das mit Staunen und Lob einhergeht. Der Samariter ist nämlich der, der nicht nur

an sich denkt und an seine Heilung wie die anderen, sondern erkennt, dass er von jemanden

abhängig war.126 In den Gedanken der anderen ist kein Raum, sich bei Gott zu bedanken und

das Wunder der Heilung, das ihnen widerfahren ist, zu erkennen.127 Erst im Erkennen der

Heilstat Gottes und den Gedanken darüber, wie der Psychologe Giuseppe Gulli formuliert,

kann eine Beziehung zwischen Geber/in und Nehmer/in entstehen. Der Blick muss von der

Selbstverständlichkeit und der Alltäglichkeit abgewandt werden, um somit den wahren

Geschenkcharakter des Wunders zu sehen.

Darüber nachzudenken und umzukehren und das Gegebene zu erkennen „belebt ihre

Farben, enthüllt das Wunderbare und gibt die Freude darüber zurück, all das als Geschenk

erhalten zu haben.“ 128 Glaube ist im Neuen Testament als ein Christusglauben selbst zu

verstehen. Er ist dahingehend „pistis“, der durch Christus entstanden ist, auf Christus

ausgerichtet ist und letztlich an ihn auch gebunden ist.129

So ist für den Samariter selbst klar: Er empfängt seine Heilung als Gnade – als ein

Geschenk, das er dankbar annehmen kann und muss. 130 Wer also in Dankbarkeit mit Gott

lebt, verändert seine/ihre Denkart auf die Dinge und Einstellungen zum Leben und lässt Dinge

nicht einfach selbstverständlich werden. Der Samariter verliert mit seiner Geste zwar an Zeit,

125 Vgl. Rudolf Pesch: Jesu ureigene Taten? Ein Beitrag zur Wunderfrage, Freiburg/Basel/Wien: Herder 1970 (Quaestiones Disputatae 52), S. 133. 126 Vgl. Giuseppe Galli: Psychologie der sozialen Tugenden, Wien/Köln/Weimar: Böhlau 22005, S. 76. 127 Vgl. ebd. 128 Galli, Psychologie, S. 77. 129 Vgl. Gerhard Friedrich: Glaube und Verkündigung bei Paulus, in: Ferdinand Hahn und Hans Klein: Glaube im Neuen Testament. Studien zu Ehren von Hermann Binder anlässlich seines 70. Geburtstags, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener 1982, S. 93-113, hier: S. 105. 130 Vgl. Grundmann, Lukas, S. 337.

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aber er gewinnt eine wertvolle Beziehung zum Schöpfer im Glauben hin.131 Der Glaube ist

dabei ein Akt der Rückbesinnung auf das, was Vertrauen und Kraft schenkt. Durch die

Rückbesinnung auf die Wundertat Jesus und auf das Hinwenden zur ursprünglichen Quelle

der Gnade, konnte sich die Heilung vollziehen.132 Erst wer erkennt, wo der Ursprung der

Gnade liegt, kann den Glauben, das Vertrauen wirklich leben, das ebenso Karl Rahner in einer

seiner Sonntagspredigten zu ebendiesem Evangelium zum Ausdruck bringt:

Der Mensch muss hinabsteigen zu den letzten Tiefen seines Seins, muss den Weg zurückgehen zu den letzten Quellgründen seines Wesens. Dann wird er inne, dass das Haus seines Lebens auf fremden Grund steht, dass all sein Sein bis zum letzten Tropfen erflossen ist aus Quellgründen, die nicht ihm gehören. Er erkennt, dass er geschaffen ist. Er ist nicht aus sich, er ist aus dem Willen und der Gnade eines anderen.133

Alles was der Mensch ist und was er hat, das ver-dankt er Gott, dem Schöpfer des Himmels

und der Erde, auf den alles zurückzuführen ist. Wenn ein dankbarer Mensch zu Füßen Jesus

liegt und in der Ferne neun andere Menschen stehen, dann hat er verstanden, worum es in der

Beziehung zu Gott geht: Wir haben keine größere Schuld als Gott selbst gegenüber. 134

Dankbarkeit ist ein Verhältnis zwischen Ich und Du, das über ein Schuldverhältnis hinaus

reicht, dieses offenbart sich (auch in dieser Perikope) als eine Relation in einer Zuwendung

aus Liebe von Gott zum Menschen.

4.2.2 Dankbarkeit als ein dialogischer Vollzug

Ebenso wird in dieser Erzählung Dankbarkeit als ein interpersonaler Akt verstanden, wenn es

um den relationalen Akt geht: Der Samariter kehrt zu Jesus, dem er glaubt, Dank schuldig zu

sein, zurück, und fällt auf den Boden nieder. Durch diese Geste kann er seinen persönlichen

Dank ausdrücken. In dieser Haltung wird das Beziehungsverhältnis auf horizontaler Ebene

zum Ausdruck gebracht.

Die Dankbarkeit richtet sich darüber hinaus in einer vertikalen Ebene besonders auf die

göttliche Zuwendung, die erlösend und heilswirkend auf den Samariter wirkt und in Liebe

131 Vgl. Galli, Psychologie, S. 76. 132 Vgl. Klein, Lukasstudien, S. 145-146. 133 Karl Rahner: Predigt auf den 13. Sonntag nach Pfingsten, in: ders.: Sämtliche Werke- Frühe und spirituelle Texte und Studien. Grundlagen im Orden bearb. v. Karl Kardinal Lehmann und Albert Raffel, Bd. 1, Freiburg/Basel/Wien: Herder, S. 408-410, hier: S. 409. 134 Vgl. dazu: Peter Stuhlmacher: Klage und Dank. Exegetische und liturgische Überlegung zu Römer 7. Martin Hengel zum 7. Geburtstag am 14. Dezember 2001, Neukirchen: Neukirchener 2001 (JBTh 16), S. 55-72.

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41

geschieht. Auf diese liebevolle Zuwendung soll der Mensch mit Dank antworten,135 sodass

Dankbarkeit Ausdruck einer wertschätzenden Beziehung zwischen Menschen und Gott

darstellen, zwischen dem Ich und dem Du entsteht ein Verhältnis zu Christus. Dank zu sagen

ist dahingehend ein Zugeben der Christusheilung und wird als ein Sich-Ausdrücken des

Glaubens verstanden. 136 Somit steht der dankbare Samariter mit seiner individuellen

Dankbarkeit und Frömmigkeit der Person Jesu gegenüber. Mit Hilfe seines Glaubens, seiner

Dankbarkeit und seines Lobes begegnet der Samariter wirklich dem Träger des Wortes Gottes,

dem Messias, und durch ihn Gott selbst.137 Dank wird hier als ein Zuwenden zu Christus/Gott

gesehen und als ein Erinnern an das, was Gott für uns getan hat und spiegelt sich im Vertrauen

auf das wider, was noch kommen wird.

In diesem Beziehungsverhältnis lässt sich wieder das angesprochene „Du“, der Gott

Israels, erkennen, dem aller Dank gebührt und zu dem sich der/die Gläubige hinwendet.

Zuvor hat nämlich dieser Gott auf den/die Gläubige in einem zugewendeten Akt eingewirkt.

Daraus kann ein dialogisches Verhältnis entstehen: Das „Ich“ des Gläubigen tritt dem „Du“

der Heilstat, Gott selbst, entgegen und bedankt sich bei ihm für dessen Taten.

4.2.3 Dankbarkeit als eine Form des Lobens

Über den interpersonalen Akt wird wie im Alten Testament schon ein besonderer mit der

Dankbarkeit biblisch eng verknüpfter Gestus erwähnt: das Lob. Der Samariter ist es, der

nämlich mit der Geste des Dankes zurückkehrt und nicht nur seinen Dank an Jesus richtet,

sondern der Dank geht über Jesus hinaus und wird auf Gott selbst, den Urgrund seiner

Heilung, gerichtet,138 was im Preisen und Hinfallen zum Ausdruck kommt. Der Samariter lobt

Gott mit lauter Stimme und zeigt somit seine Dankbarkeit nach außen hin in der ihm

widerfahrenen Gnade und Zärtlichkeit.139 So kann auch im Preisen der Weg zu Gott geöffnet

135 Vgl. Karl Hörmann: Art. Dankbarkeit, o. A. 1976 (LChM), S. 237-240., in: https://www.stjosef.at/morallexikon/dankbark.htm [abgerufen am 14. April 2019]. 136 Vgl. Pao, Thanksgiving, S. 71. 137 Ebd. 138 Vgl. Karl Wennemer: Dankbarkeit und Danken in der Heiligen Schrift, in: https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=2ahUKEwitvZKM06fjAhWmw6YKHTnJDwsQFjAAegQIARAC&url=https%3A%2F%2Fwww.geist-und-leben.de%2Fcomponent%2Fdocman%2Fdoc_download%2F1813-37-1964-6-408-421-wennemer-0.html&usg=AOvVaw1O3C6xIc-Hf6e2TI1msFAO [abgerufen am 07. Juli 2019], S. 410. 139 Vgl. Eckey, Lukas-Evangelium, S. 737.

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werden, wie es in Ps 50,23 zum Ausdruck kommt: „Wer Dank opfert, ehrt mich und wählt den

Weg, auf dem ich ihn Gottes Hilfe schauen lasse."140

4.2.4 Der Samariter als Vorbild des Christusglaubens durch seine Dankbarkeit

Was in diesen Versen (V.17-18) angesprochen wird, ist die Selbstverständlichkeit, mit der die

anderen neun ihre Heilung erfahren, was sich im Staunen Jesu ausdrückt. Nur einer hat es

verstanden, dass man dankbar den Taten des Herrn gegenübertritt – der Samariter ist

dahingehend ein Vorbild im Glauben an Gott selbst und in seinem Vertrauen. Die Perikope

möchte betonen, dass jeder stets dankbar sein soll – egal welcher Gruppe er angehört. Dies

spielt wiederum auf die Theologie des Lukas an, der vor allem die Kluft zwischen den Armen

und Reichen, zwischen der Elite und Nicht-Elite aufheben wollte und dabei Kritik gegenüber

dem politischen System und der staatlichen Macht übt.141

Es ist das beispielhafte Leben Christus, das vor allem durch die Worte und Taten Jesus zum

Ausdruckt kommt und das im Zentrum seiner Ethik steht. Diese Darstellung soll die Lesenden

aufmerksam machen, in welcher Weise sie dem Gegenüber auf immanenter und

transzendenter Ebene begegnen sollen. Nicht der Schein ist wichtig, sondern das, was man

wirklich im Herzen fühlt, wahrhaftig glaubt und aktiv lebt. Der Glaube ist, wie im gesamten

lukanischen Doppelwerk, an die Person Jesus Christi und sein Handeln gebunden. Diese

Handlungen sollen angenommen werden und dienen als eine Form der gemeinsamen

Identität, indem sie auch eine Art Verhaltensnorm aufzustellen versuchen.142

Die Geschichte des dankbaren Samariters könnte laut Udo Schnelle so als ein Modell

falschen und richtigen Verhaltens gedeutet werden, in der vor allem die Dankbarkeit ihren

Dreh- und Angelpunkt als Handelsorientierung zugesprochen bekommt.143 Darüber hinaus

sollen diese Geschichten die Gemeinde dazu aufrufen, sich barmherzig und in Zärtlichkeit

über Grenzen hinweg zu verhalten, ihr Leben nicht auf Materielles zu bauen und sich in

wirklicher Demut und Dankbarkeit gegenüber Gott und den Nächsten zu üben.144

140 Übersetzung aus Zürcher Bibel, in: https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/zuercher-bibel/bibeltext/bibel/text/lesen/stelle/19/500001/509999/ [abgerufen am 23. Juni 2019]. 141 Vgl. Bormann, Theologie des NT, S. 317-319. 142 Vgl. Wolfgang Schenk: Glaube im lukanischen Doppelwerk, in: Ferdinand Hahn und Hans Klein: Glaube im Neuen Testament. Studien zu Ehren von Hermann Binder anlässlich seines 70. Geburtstags, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener 1982, S. 69-92, hier: S. 90. 143 Vgl. Udo Schnelle: Theologie des Neuen Testaments, Wien/Köln/Weimar: V & R 22014 (UTB 2917), S. 476-477. 144 Vgl. ebd., S. 476f.

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Dankbarkeit kann deshalb nicht als ein einmaliger Akt beschrieben werden, sondern muss

über das Leben hinaus gelebt werden. Die Perikope stellt dies zwar handlungsweisend in einer

Situation dar, aber diese Situation soll über das gegenwärtig Geschehene hinaus gehen und

zeigen, wie Gott in die Welt eingreift und inwiefern der Mensch auf dieses Eingreifen zu

Dank verpflichtet ist. Dank nimmt in diesem Sinne einen großen Stellenwert in Bezug auf den

Glauben und auf das Vertrauen in die Zukunft ein und soll keine Selbstverständlichkeit sein,

denn in der Selbstverständlichkeit des Dankes wird leicht die Gabe, das Geschenk Gottes

übersehen, wie es in dieser Perikope durch die anderen Geheilten zum Ausdruck gekommen

ist.

4.3 Dankbarkeit in der paulinischen Briefliteratur

Im vorangehenden Kapitel wurde Dankbarkeit im lukanischen Sondergut betrachtet und die

Synthesis zwischen christlichem Glauben und (ein-)geforderter Dankbarkeit in der Beziehung

zu Gott dargestellt. Durch die Hinwendung zu Gott verändert sich der Blick auf die Welt,

verändert sich der Mensch. Der Dank ist dabei Ausdruck für ein Erkennen der jeweiligen

Gabe, die von Gott geschenkt wurde. Dieser geschenkten Gnade wird im Corpus Paulinum

besonderer Stellenwert zugeschrieben und findet seinen Ausdruck in der Ethik des Paulus.

Deshalb wird nun der Philipperbrief des Apostels betrachtet, um diese Aspekte ansatzweise

erläutern und darstellen zu können.

Im paulinischen Korpus wird Dankbarkeit different zu den bereits bearbeiteten Texten

dargestellt bzw. eingearbeitet. Dies liegt nicht nur an der Form der überlieferten Schriften als

Brief(-literatur), sondern auch am paulinischen Schreibstil, dem hellenistischen Einfluss und

der ersten Überlieferung des noch jungen Evangeliums in den Briefen an die Gemeinden

selbst. Durch die facettenreiche Darstellung der Dankbarkeit in seinen Briefen, kann Paulus

wohl auch als ein Vorbild der Dankbarkeit durch den Glauben beschrieben werden. Diese

Wichtigkeit der Dankbarkeit wurde schon 1938 von Paul Schubert in seiner Monografie

bearbeitet, in der er sich mit den Vorkommnissen des Begriffs in den Paulusbriefen befasste

und somit den Grundstein für die weiteren wissenschaftlichen Analysen über die Dankbarkeit

in der Paulusforschung legte.145

Deshalb werden im folgenden Abschnitt die verschiedenen Dimensionen bei Paulus in

Bezug auf die Dankbarkeit betrachtet, die sich über die Dankbarkeit als Pflicht bis hin zur

145 Siehe dazu: Paul Schubert: Form and Function of the Pauline Thanksgiving, Berlin: Töpelmann 1939 (Beihefte zur Zeitschrift für die Neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche 20).

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44

Dankbarkeit als Ausdruck des Glaubens beschreiben lassen, die jedoch weit über Schuberts

Forschungen erläutert werden möchten.

4.3.1 Horizontale Dankbarkeit als Ausdruck des vertikalen Beziehungsverhältnisses

zu Gott

Bei Paulus wird die vertikale und horizontale Ebene der Dankbarkeit noch einmal deutlicher

als in den vorangehenden Textstellen, da beide Ebenen durch die Form des hellenistischen

Briefstils im engeren Sinn zu erkennen sind. Gerade wenn im Umkreis des Paulus in der

griechischen Philosophie ein essentielles Thema der Umgang mit den Mitmenschen und den

Göttern war,146 lässt sich die paulinische Theologie und deren Schwerpunkt auf ein gutes

Miteinander (im Glauben) mit ihren aktiven Handlungsanweisungen verstehen.

Schon der Ausdruck „Efcharisto“ findet sich in der Einleitung der paulinischen Briefe.

Primär ist dieser ein Kennzeichen des hellenistischen Schreibstils der Briefe, die durch ein

Präskript eingeleitet werden, in dem der Verfasser/die Verfasserin dem Empfänger/der

Empfängerin eine Vorbereitung auf den Inhalt des Briefes gibt. 147 Nach dieser kurzen

Einleitung folgt das Proömium, das ein Medium darstellt, in dem prototypisch Dankbarkeit

als ein Beziehungsverhältnis in vertikaler Ebene, also zu seiner Gemeinde hin, erkannt wird.

Ein Beispiel, das die Beziehung und die Stellung eben diesen in der Gemeinde in besonderer

Weise zum Ausdruck bringt, ist der Römerbrief: In diesem wird dem Ehepaar Priska und

Aquila, das in der römischen Gemeinde beheimatet war, besonderer Dank ausgesprochen:

„Grüsst Priska und Aquila, meine Mitarbeiter in Christus Jesus, die, um mir das Leben zu

retten, ihren Kopf hingehalten haben; nicht nur ich bin ihnen dankbar, sondern auch alle

Gemeinden unter den Völkern“ (Röm 16,3f.). Zuerst grüßt Paulus und spricht anschließend

seine tiefgründige Verbindung zu diesem Ehepaar aus. Abgeschlossen wird diese

Hervorhebung durch den Dank. Dabei muss betont werden, dass die vertikale Ebene des

Dankes jedoch über das Ehepaar hinaus geht und in einer horizontalen Ebene mündet, denn

Paulus möchte sich in erster Linie bei Gott selbst bedanken, der für die Existenz und die

Charismen dieser beiden Gemeindemitglieder verantwortlich ist.148 Der Dank ist also nur

indirekt an das Ehepaar adressiert.

146 Vgl. Martin Meiser: Eigenart paulinischer Ethik, in: Horn Friedrich W. (Hg.): Paulus Handbuch, Tübingen: Mohr Siebeck 2013, S. 441 und Bormann, Theologie des NT, S. 173. 147 Vgl. Peter Wick: Paulus, Stuttgart: V&R 2006 (UTB basic), S. 90-98, hier: S. 90. 148 Vgl. ebd., S. 92f.

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Was hier als Beispiel durch das Ehepaar Priska und Aquila beschrieben wurde, kann auch

auf Phil 1,3 übertragen werden: „Ich danke meinem Gott, sooft ich an euch denke“149 Hier

geht der Dank an die ganze Gemeinde, an das Kollektiv, das sich wiederum in der

horizontalen Ebene auf Gott hin ausrichtet, der die Quelle jeglichen Tuns ist. Trotz der

Tatsache, dass der Dank auf Gott ausgerichtet ist, stiftet er auch hier wiederum Beziehung in

der Gemeinde und zeigt besonders die Wert-schätzung, die sich durch die Dankbarkeit

ausdrückt, gegenüber seiner Gemeinde/seinen Gemeinden.

Das Präskript, in dem der Dank an Gemeinde oder besondere Menschen unterstrichen

wird, führt weiter in das Proömium das vor allem eine Fürbitte beinhaltet, die in ein

Dankgebet mündet. Das Proömium soll im Ersten das Interesse der Hörer/Hörerinnen stiften,

das heißt, dass durch diese Einleitung Aufmerksamkeit und Wohlwollen gesteigert wird. Dies

hat besonderen Wert, da die Briefe zwar schriftlich verfasst wurden, aber man sicher war, dass

sie in der Gemeinde laut rezitiert wurden, um den Inhalt allen Gemeindemitgliedern zu

übermitteln.150 Inhaltlich wenden sich diese Teile immer dem (Ur-)Grund Gottes und seinem

Wirken in den Evangelien durch Jesus Christus zu, sodass der Glaube in der Gemeinde

vermittelt werden kann. 151 Ausdruck findet diese Vermittlung in der Korrespondenz der

paulinischen Briefe, die als Kommunikationsmittel Beziehung und Identität in der Gemeinde

stiften und in der Verkündigung der Frohen Botschaft jegliche räumliche Distanz überwindet.

Als weiteres Beispiel kann hier der Philipperbrief angegeben werden, der auf besondere

Weise versucht, Beziehung zur Gemeinde zu stiften und das Evangelium zu verkünden. Diese

beiden Ziele können in diesem Brief insbesondere im Zusammenhang mit der Dankbarkeit

gelesen werden. Paulus versucht darin Dankbarkeit als Pflicht, als Ausdruck des Glaubens

und darüber hinaus als eine annähernde Tugend zu beschreiben, die bis hin zu einem Ethos

der Dankbarkeit in der paulinischen Lektüre charakterisiert werden kann.

4.3.2 Dankbarkeit im Philipperbrief

Das Präskript beschreibt im Besonderen das Beziehungsverhältnis zur Gemeinde, durch die

Paulus sich in Dankbarkeit ausdrückt und die sich durch „Gnade“ kennzeichnet. Gerade wenn

es im Gruß um diese Gnade, um „Chaire“ geht, wird der enge Zusammenhang mit der

149 Nachfolgende Übersetzungen entstammen aus der Zürcher Bibel, in: https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/zuercher-bibel/bibeltext/bibel/text/lesen/stelle/60/10001/19999/ [abgerufen am 23. Juni 2019]. 150 Vgl. Stefan Schreiber: Paulus als Briefschreiber. Vom Absender zum Adressaten, in: Horn, Paulus Handbuch, S. 137ff. 151 Vgl. Béda Rigaux: Paulus und seine Briefe. Der Stand der Forschung, München: Kösel 1964 (Biblische Handbibliothek 2), S. 167-170.

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Dankbarkeit in seiner Wortwurzel deutlich. Wenn also die Gnade, das Geschenk oder die

Freude bei Paulus im Vorwort zur Geltung kommt, kann diese schon auf die Dankbarkeit

hinweisen, die er der Gemeinde und Gott gegenüber hegt, die auch wiederum mit der Emotion

der Freude in Verbindung steht. Diese Verbindung wird vor allem durch die Anwendung des

Wortes „Freude“, das sich wie ein Leitwort durch den Philipperbrief zieht, deutlich.

Nach dieser Einleitung folgt die epistologische Danksagung und das Vorwort des Briefes

selbst. Diese briefliche Danksagung unterliegt laut Béga Rigaux einer besonderen Struktur:152

Zu Beginn wird das Beten zu den Adressaten/Adressatinnen betont (Phil 1,4), dann wird in

den Gedankengang der Beglückwünschung ihre Anteilnahme am Evangelium angeführt (Phil

1,5). Der Abschluss dieses Teils wird durch einen hohen Anteil an Emotionalität geprägt,

diese Emotionalität lässt sich als ein Dreh- und Angelpunkt für weitere Gedankengänge über

die Dankbarkeit in der paulinischen Briefliteratur erkennen.

Dank und Fürbitte (Phil 3-11) Ich danke meinem Gott, sooft ich an euch denke, 4 wenn immer ich für euch alle bitte und voll Freude für euch eintrete im Gebet: 5 Ich danke dafür, dass ihr am Evangelium teilhabt, vom ersten Tag an bis heute, 6 und ich bin dessen gewiss, dass er, der das gute Werk in euch angefangen hat, es bis zum Tag Christi Jesu auch vollendet haben wird. 7 Es ist auch nichts als recht, dass ich so von euch allen denke. Denn ihr wohnt in meinem Herzen, und an der Gnade, die ich im Gefängnis und vor Gericht bei der Verteidigung und Bekräftigung des Evangeliums erfahren habe, habt ihr alle teil. 8 Gott ist mein Zeuge: Ich sehne mich nach euch allen, so wie auch Christus Jesus herzlich nach euch verlangt. 9 Und ich bete dafür, dass eure Liebe reicher und reicher werde an Erkenntnis und zu umfassender Einsicht gelangt, 10 und dass ihr so zu prüfen vermögt, worauf es ankommt; dann werdet ihr rein sein und ohne Tadel am Tag Christi, 11 erfüllt von der Frucht der Gerechtigkeit, die Jesus Christus wirkt, zur Ehre und zum Lob Gottes.

Wie sich nun der Brief als ein Brief der Dankbarkeit lesen lassen kann, findet sich, wie bereits

erwähnt, im Begriff „Chaire“, der Freude, der sich wie ein roter Faden durch den

Philipperbrief zieht, wieder.153 Paulus war zur Zeit der Abfassung, wahrscheinlich auf seiner

zweiten Missionsreise, ein Gefangener (vgl. Fesseln), und dennoch begleitet ihn der

Grundduktus der Freude (vgl. Phil 1,4). Er schreibt Folgendes an seine Gemeinde:

So hat sich im ganzen Prätorium und weit darüber hinaus die Kunde verbreitet, dass ich um Christi willen in Fesseln liege, und die Mehrzahl der Brüder und Schwestern ist durch meine Gefangenschaft in ihrem Vertrauen zum Herrn gestärkt worden und wagt nun immer entschiedener, das Wort ohne Furcht weiterzusagen. (Phil 1, 13)

152 Vgl. Rigaux, Paulus und seine Briefe, S. 171f. 153 Vgl. Walter Kirchschläger: Paulusbriefe vorgestellt, Klosterneuburg: Österreichisches Katholisches Bibelwerk 1983 (b.5), S. 65f.

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Die Freude, wie schon des Öfteren gesagt, ist eng an Dankbarkeit geknüpft und unterstreicht

somit das Beziehungsverhältnis zwischen Paulus und Gott. Freude ist darüber hinaus das

Sinnbild für die Hinwendung zu Gott, dem die Gemeinde Vertrauen schenkt/schenken soll. An

diesen Gott soll zuerst gedacht und in einem weiteren Schritt soll ihm gedankt werden.

Dementsprechend wirkt der Dank an dieser Stelle als ein sinnstiftendes Element,154 da sich

die Gemeinde im Glauben an Gott hin ausrichtet und seiner ge-denkt. Der Dank wird an das

„Du“ des Glaubens ausgerichtet und in der Gemeinde erlebbar, so postuliert es Paulus (vgl.

Phil 1,29): „Ihr habt die Gnade empfangen, euch für Christus einzusetzen: nicht nur an ihn zu

glauben, sondern auch für ihn zu leiden.“

„Charis“ ist also ein Begriff, der immer in Verbindung mit Gott selbst steht und dessen

Bedeutung eng an den Glauben gebunden ist. Dies wird später näher betrachtet werden, wenn

Glaube und Dankbarkeit in ihrem Verhältnis zueinander erläutert und das dialogische Prinzip

angewendet wird. Die Verbindung zwischen Paulus und seiner Gemeinde in Philippi wird

darüber hinaus in diesem Brief auch auf einer materiellen Ebene und in einem

Schuldverhältnis deutlich.

a. Die Pflicht der Dankbarkeit

Die Pflicht der Dankbarkeit fußt auf einer antiken und so auch hellenistischen Anschauung

des (Gaben-)Austausches, der in eine Form der Schuld mündet. Ein Geben unterliegt einer

nachfolgenden Geste, die sich verschiedenartig ereignen kann. Wie es zum Beispiel in der

hellenistischen Ethik von Aristoteles,155 Cicero156 und Seneca157 erläutert wird. Dankbarkeit

beruht immer auf Gegenseitigkeit, aber nicht im Sinne einer Lohn- und Vergeltungsmoral.158

Der Dank selbst ist in diesem Austausch ein verbindendes Element zwischen zwei

Menschen. Der/die Beschenkte gibt rückwirkend eine Gabe zum Beispiel in Form von Worten

dem/der Gebenden zurück. Im Philipperbrief wird dieser Form des Gabenaustausches eine

wichtige Rolle zugeschrieben, da Paulus aufgrund seiner Gefangenschaft wohl an eine

154 Vgl. Joachim Gnilka: Der Philipperbrief, Freiburg/Basel/Wien: Herder 1968 (HtKnT 1/3), S. 41-49. 155Vgl. dazu z. B.: Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übers. und hg. v.: Krapinger Gernot, Stuttart: Reclam 2017 (Reclams Universal-Bibliothek 19448): Es ist jene Haltung des Wohlwollens, die beschreiben wird: Der Mensch tut das Gute für den anderen um des Guten Willens. Wohlwollen ist dabei die Tugend, die die Mitte zwischen Selbstzentriertheit des Egoismus und der Fremdheit des Altruismus darstellt und geht über jede Zweckmäßigkeit hinaus, vgl. dazu: Werner Garms: Dankbarkeit. Ein Brevier der Lebenskunst. Theologie der Dankbarkeit, Graz u.a.: Schnider 1997, S. 11, 13. 156 Vgl. Garms, Dankbarkeit, S. 43; hier schreibt der Autor über Ciceros Anschauung: „Es (gibt) keine unerlässliche Pflicht, als Wohltaten zu erwidern.“ 157 Vgl. ebd., S. 15f. 158 Ebd.

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finanzielle Gabe gebunden war, die er von seiner Gemeinde in Philippi erhielt. Für diese

materielle, irdische Hilfe bedankt er sich (Phil 4,10-20):

Dank für empfangene Hilfe Ich habe mich im Herrn sehr gefreut, dass ihr eure Fürsorge für mich endlich wieder entfalten konntet; ihr habt ja stets daran gedacht, hattet aber keine Gelegenheit dazu. 11 Ich sage das nicht, weil mir etwas fehlt; ich habe nämlich gelernt, in allen Lagen unabhängig zu sein. 12 Ich kann bescheiden leben, ich kann aber auch im Überfluss leben; in alles und jedes bin ich eingeweiht: satt zu werden und Hunger zu leiden, Überfluss zu haben und Mangel zu leiden. 13 Alles vermag ich durch den, der mir die Kraft dazu gibt. 14 Doch ihr habt gut daran getan, meine Not zu teilen. 15 Ihr in Philippi wisst ja selbst, dass am Beginn der Ausbreitung des Evangeliums, als ich von Makedonien aufbrach, keine Gemeinde mit mir Gemeinschaft hatte im Geben und Nehmen ausser euch, 16 ja, dass ihr mich auch in Thessalonich das eine oder andere Mal unterstützt habt. 17 Nicht dass ich auf eure Gabe aus wäre, nein, ich suche den Ertrag, der euren Gewinn mehrt. 18 Ich habe alles erhalten und habe nun mehr als genug. Ich bin mit allem versorgt, da ich von Epaphroditus eure Gabe erhalten habe, einen lieblichen Duft, ein willkommenes, Gott wohlgefälliges Opfer. 19 Mein Gott aber wird all euren Mangel beheben nach seinem Reichtum, durch die Herrlichkeit in Christus Jesus. 20 Gott aber, unserem Vater, sei Ehre in alle Ewigkeit, Amen.

Die materielle Schuld und die Für-Sorge der Gemeinde wird dahingehend durch eine verbale

Form des Dankes an die Gemeinde geäußert. Aber die Gegengabe geht in Paulus´

Argumentation über den Dank an die materiellen Güter hinaus, wiederum hin zu einem Dank,

der „in der Fülle des Herzens“ (Phil 1,4ff.) des Apostels wurzelt und Ausdruck eines

verbindenden Elements des Glaubens ist. Für Paulus ist klar, dass er von der Gnade des Herrn

spricht, auch wenn er von den Gemeindemitgliedern die finanzielle Unterstützung bekommen

hat. Dies bedeutet, dass die Gemeindemitglieder Paulus etwas Materielles geben, sie erhalten

aber ihren ganzen Lohn aus der vertikalen Ebene, von Gott selbst. Das verbindende Element

ist also wiederum der Glaube an den einen Gott, das Vertrauen an diesen, das sich in der

Dankbarkeit manifestiert und durch Paulus angesprochen wird.

b. Dankbarkeit als ein Akt des Vertrauens zu Gott hin

Schon im Dankgebet im Proömium konnte der positive Grundton, das Verhältnis zwischen

Paulus und seiner Gemeinde auf der horizontalen Ebene beschrieben werden. Es ist in einem

dialogischen Verhältnis zwischen Gott und der Gemeinde anzufinden, aber in diesem

horizontalen Verhältnis geht es nicht um eine Pflicht der Dankbarkeit gegenüber Gott, sondern

um die gegebene Gabe der Dankbarkeit, die im Herzen der Gläubigen selbst gründet.

Durch die Dankbarkeit, die Paulus aus seinem Herzen und in der Freude heraus lebt

(vgl. Phil 1), kann er als ein Vorbild der Dankbarkeit in der Gemeinde erkannt werden. Paulus

möchte durch das aktive Handeln, das aktive Anwenden seiner Danksagungen in Demut,

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Vorbild sein, das die Gemeinde selbst leben soll:159 „Folgt meinem Beispiel, liebe Brüder und

Schwestern, und richtet euren Blick auf die, welche ihr Leben auf diese Weise führen; ihr habt

ja uns als Vorbild.“ (Phil 3,16f.).

Durch sein Vorleben bezieht er sich in seinem Tun auf das, was hinter den vom Menschen

gesehenen Gaben steckt, hinter der materiellen Unterstützung, hinter den Charismen, die den

Gemeindemitgliedern eigen sind – denn hinter allem, da steckt die Gnadengabe Gottes selbst,

das sich besonders auch in dem Wort „Efcharisto“ ausdrückt. Gott gibt „umsonst“, das

bedeutet, jegliche Gnade ist voraussetzungslos und absichtslos und ist an niemanden

gebunden.160 Wenn also Paulus dankt, dann richtet er sich auf den Ursprung jeglicher Gaben

aus und erkennt, dass jeder Dank an Gott, den Ursprung jedes Geschenks, gerichtet sein

muss/soll, da in paulinischer Theologie „alles Gnade“ (vgl. z. B. Röm 4,4) ist, denn „die

Gnade Gottes ist die unverdiente Erweisung Seiner Liebe an sündigen Menschen.“161 Der

Mensch selbst wird nicht allein aus den Werken des Gesetzes gerettet, sondern durch den

Glauben an Jesus Christus und Gott, wie es in Gal 2,16 formuliert wird:

Weil wir aber wissen, dass ein Mensch nicht dadurch gerecht wird, dass er tut, was im Gesetz geschrieben steht, sondern durch den Glauben an Jesus Christus, sind auch wir zum Glauben an Christus Jesus gekommen, damit wir aus dem Glauben an Christus gerecht würden und nicht dadurch, dass wir tun, was im Gesetz geschrieben steht; denn durch das Tun dessen, was im Gesetz geschrieben steht, wird kein Mensch gerecht werden.

Das Verhältnis zu Gott und seinem Sohn Christus steht also in der Gnade begründet (1 Kor

15,10: „Denn die Sünde wird nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter Gesetz,

sondern unter Gnade.“).162 Somit ist alles Antwort auf das Gnaden-Geschenk Gottes und

zugleich auf die unendliche Liebe Gottes. Es kann erst durch dieses Erkennen und Annehmen

eine Verbindung zu Gott entstehen. Der Mensch muss zur Annahme der Gnade an Gott selbst

glauben, damit die Gnade in uns wirksam werden kann.

Der Blick geht Richtung Gott, auf das Wesentliche des Glaubens und den Mittelpunkt des

Lebens selbst.163 Darin soll Vertrauen entstehen und wachsen, so ist der Glaube in diesem

Sinne nicht als ein „sicher Sein“ zu deuten, sondern ein Vertrauen auf das, was von Gott

159Vgl. Gnilka, Der Philipperbrief, S. 41-49. 160 Vgl. Dazu die paulinische Rechtfertigungstheologie (vgl. Röm 5,8) und Schnelle, Theologie des NT, S. 254-255. 161 Arend Remmers: Was ist Gnade?, in: https://www.bibelkommentare.de/kommentare/249/die-gnade-gottes [abgerufen am 01. August 2019]. 162 Vgl. Arend Remmers: Wir stehen in der Gnade, in: https://www.bibelkommentare.de/kommentare/k-1773/die-gnade-gottes/wir-stehen-in-der-gnade [abgerufen am 01. August 2019]. 163 Vgl. Pao, Thanksgiving, S. 56.

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50

geschenkt wird. Der Dank wird dabei nicht nach innen gerichtet, sondern soll sich in der

Gemeinde vollziehen und an das Subjekt des Glaubens, Gott, gerichtet sein. David Pao

erkennt diesen Akt der Dankbarkeit dahingehend als einen dynamischen Glaubensakt an, der

Gegenwart mit dem Heilswirken des auserwählten Volkes hin in die Zukunft verbindet und

der sich zu einem durchgehenden Element des Tuns des Menschen ausweiten lässt.164 Daraus

lässt sich folgern, dass Dankbarkeit sich nicht durch ein einziges Mal vollziehen lassen kann,

um der Gaben Gottes selbst zu gedenken, sondern es muss ein fortwährendes,

allgegenwärtiges Danken sein. Darum spricht der Apostel in Kol 3,15: „Seid allezeit

dankbar!“. Der Dank durchbricht somit alle Grenzen des Zeitlichen.

c. Dankbarkeit als eine Tugend im Philipperbrief

„Seid allezeit dankbar“ – wird dann von einer Pflicht zu einer Lebenshaltung und bei Paulus

besonders betont, wenn er zum Lob aufruft für alles, was es in der Welt gibt (Phil 4,4-9):

Wünsche für die Gemeinde 4 Freut euch im Herrn allezeit! Nochmals will ich es sagen: Freut euch! 5 Lasst alle Menschen eure Freundlichkeit spüren. Der Herr ist nahe. 6 Sorgt euch um nichts, sondern lasst in allen Lagen eure Bitten durch Gebet und Fürbitte mit Danksagung vor Gott laut werden. 7 Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken bewahren in Christus Jesus. 8 Zum Schluss, liebe Brüder und Schwestern: Was wahr ist, was achtenswert, was gerecht, was lauter, was wohlgefällig, was angesehen, wenn immer etwas taugt und Lob verdient, das bedenkt! 9 Was ihr bei mir gelernt und empfangen, gehört und gesehen habt, das tut! Und der Gott des Friedens wird mit euch sein.

Dankbarkeit in Verbindung mit Freude ist hier eine allumfassende Tugend165, die auch in das

Schema der paulinischen Trias: Glaube – Liebe – Hoffnung passt, wenn die Dankbarkeit als

Basis des Glaubens gesehen werden kann, denn Dankbarkeit und Glaube stehen in einer

wechselseitigen Beziehung zueinander: „Wer Gott dankbar ist, gibt damit zu verstehen, dass

er an Gott glaubt. Und wer an Gott glaubt, ist von tiefer Dankbarkeit erfüllt.“166 Dankbarkeit

ist Liebe, denn wenn der Mensch seine Existenz als das Liebesgeschenk ansieht, kann er nur

mit einem Akt der Gegenliebe antworten. Dies drückt sich in Dankbarkeit aus. Dankbarkeit ist

zugleich die Antwort des Menschen auf die unendliche Liebe Gottes; 167 Antwort in der

(Liebes-)Beziehung zu Gott. Garms spricht in diesem Zusammenhang:

164 Vgl. Pao, Thanksgiving, S. 107-108. 165 Tugend ist hier als eine ethische Grundhaltung zu verstehen, die das Bestreben hat, stets das Gute zu verwirklichen, vgl. Garms, Dankbarkeit, S. 49 und Duden: Art. Tugend, in: https://www.duden.de/rechtschreibung/Tugend [abgerufen am 01. August 2019]. 166 Garms, Dankbarkeit, S. 40f. 167 Vgl. Garms, Dankbarkeit, S. 40.

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51

Weil Dankbarkeit die Antwort auf die Erfahrung vorbehaltlos geschenkter Liebe ist, ist die Dankbarkeit jene Erscheinungsform der Liebe, die dem Beschenkten die Offenbarung seiner Liebe erlaubt. Denn Dankbarkeit ist Liebe um Liebe, die Erwiderung der Liebe mit Gegenliebe, kein Austausch von Höflichkeiten, kein Zurückgeben der Gabe, sondern ein Hingeben des Herzens. Sie ist das liebende Zurückwenden zu dem, der seine Liebesgesinnung kundgetan hat, mit der Bereitschaft, ihm in herrlicher Güte zu antworten.168

Dankbarkeit mit Liebe verbunden wird als Vorbild im Glauben gesehen, aus dem die Tugend

der Dankbarkeit als eine Lebenseinstellung wachsen kann, in dem sich das Ich selbst

verwirklichen kann und erkennt, dass alles Geschenk aus Liebe auf der Welt ist und zugleich

an den Nächsten aufgrund der Nächstenliebe „agape“ gebunden ist und in alle

Lebensbereiche eingreift. Sie ist eine Liebe, die sich nicht verdienen oder erwerben lässt,

sondern absichtslos und ohne eine Rückgabe funktioniert. 169 Geprägt von Liebe werden

Beziehungen zu Gott und den Mitmenschen in Dankbarkeit erst wertvoll und glaub-würdig –

wenn Gott doch selbst die Liebe ist und alle Beziehung in Dankbarkeit sich auf ihn hin

ausrichtet. Der Glaube an den Gott der Liebe schließt den Glauben an seine Schöpfung und

somit an den Menschen, der Krone seiner Schöpfung, selbst ein. In diesem Glauben an die

Liebe liegt das menschliche Handeln und die Tugenden begründet.170 Die Dankbarkeit, die

der Liebe entspringt und sich auf Gott ausrichtet ist somit Teil der Tugenden und der

christlichen Vorstellung einer gelingenden Beziehung zu Gott.

Dankbarkeit ist deshalb eine unerlässliche geschenkte Tugend, die eng mit der Tugend der

Liebe in Verbindung steht. Sie ist zwar in manchen Situationen erlernbar, wenn es um ein

Austauschgeschäft geht, aber die Haltung der wahren Dankbarkeit vollzieht sich im Inneren

des Menschen als eine Dimension, die sich mit einem Gefühl der Liebe verbinden lässt und

sich in Liebe zum Nächsten, zum Anderen, zum Du vollzieht. Dankbarkeit und Liebe sind

immer ein Vollzug in Begegnung, wie es auch bei Denkern wie Emmanuel Levinas und

Martin Buber (vgl. Kap. 6) beschrieben wird. Sie ist als eine Zweite-Person-Disposition zu

denken, die sich ebenda nur mit einem Du oder einem Anderen konstituiert. Andrew Pinsent

schreibt in diesem Zusammenhang Folgendes:171

The infused virtues dispose a person to move herself in a way to be moved by the second-personal agentm abd gence to appropriate the stance of the other person; the infused virtues dispose a person to move herself in a way that harmonizes with the appropriated stance of the second person. The overarching principle of such dispositions is that of loving the other persons that the other person loves.

168 Garms, Dankbarkeit, S. 46. 169 Vgl. Martin Hähnel: Die Liebe als Tugend oder Gabe? Auf der Suche nach ihrer Spezifität, in: Rohr Winfried (Hg.): Liebe – eine Tugend?, Wiesbaden: Springer 2018, S. 311-333, hier: 319. 170 Vgl. Korff, Theologische Ethik, S. 78. 171 Andrew Pinsent: The second-Person Perspective in Aquina´s Ethics, New York/London: Routledge 2013 (Routledge Studies in Ethics and Moral Theory 17), S. 150.

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52

Es wird deutlich, dass die Gründe für die Dankbarkeit zuerst anerkannt werden müssen, um

das Andere, das Du in Dankbarkeit gegenüber stellen zu können.

Dass besonders die vertikale Ebene der Dankbarkeit bei Paulus eine wichtige Rolle spielt

und jegliche horizontale, also dem Menschen zugewandte Dankbarkeit, in den Gnadengaben

Gottes mündet, konnte in diesem Kapitel durch die Darstellung der Dankbarkeit im

Philipperbrief erkannt werden. Darüber hinaus wurde die wichtige Stellung des Glaubens in

Bezug auf Dankbarkeit beschrieben, die sich hin auf den liebenden Gott des auserwählten

Volkes richtet. Wie sich die Dankbarkeit im Koran abbilden lässt und in welchem Verhältnis

diese zum Glauben steht, wird im nächsten Kapitel erläutert

Page 53: Diplomarbeit Dankbarkeit Ein Beziehungsgeschehen zwischen ...

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5 Dankbarkeit im Koran

In den vorangehenden Kapiteln wurden die Texte der christlich-jüdischen Tradition unter dem

Aspekt der Dankbarkeit in der Bibel betrachtet. In diesem Teil wird die abendländische

Tradition verlassen und der muslimisch geprägte Kulturkreis betreten. Es werden vor allem

Verse des Korans172 herangezogen und analysiert, die das Phänomen der Dankbarkeit im

arabischen Raum erläutern. Darüber hinaus werden Texte aus dem Hadith entnommen, der

einen wesentlichen Aspekt für die Narration im Glauben des Islams darstellt. Der Hadith ist

Teil der Sunna, also Urkunde und Bericht der islamischen Tradition und überliefert den

„verbindlichen bzw. vorbildlichen Weg der Propheten“173. So bestimmen Koran und Tradition

(Sunna) die bedeutenden Gesetze für ein gutes Zusammenleben. Die Gesetze gehen über den

eigenen Glauben, das persönliche Leben, das Leben in der Familie und in der Gemeinschaft

hinaus und reichen bis in die politischen Strukturen der Gesamtgesellschaft (regional und

international) hinein.174 Diese Schriften, Koran und Hadith, greifen somit in das Leben des

Menschen ein und es gibt nach der Lehre keine Trennung zwischen Religion, (Sozial-)Ethik

und Politik; denn „Gott sagt die Wahrheit und Er führt den (rechten) Weg“ (33:4). Das heißt,

dass Gott die Menschen leitet und dies Grund dafür ist, dass alle Bereiche des Lebens an

Religion gebunden sind und deshalb lässt sich auch Dankbarkeit als ein „regelndes Handeln“

in der Gesellschaft, das im Koran verankert ist, verstehen.

5.1 Dankbarkeit als Tugend im Koran

So wendet man sich in einem großen Teil in den Hadiths dem guten zwischenmenschlichen

Leben zu. Auch Tugenden finden in den Hadiths ihren Platz. Dankbarkeit wird als eine

wichtige Tugend in Schrift und Tradition verstanden, 175 da sie besonders in das

(Glaubens-)Leben und in die Beziehung zu Gott und den Menschen eingreift. Dankbarkeit ist

kennzeichnend für eine Beziehung zwischen Gott und den Menschen und den Menschen

untereinander und gilt als ein essenzieller Teil des moralischen Systems (des Verhaltens) im

172 Verwendet wird in diesem Kapitel die Übersetzung des Korans: Hartmut Bobzin: Der Koran. Aus dem Arabischen neu übertragen von Hartmut Bobzin unter Mitarbeit von Katharina Bobzin, München: C.H. Beck 22015. 173 Adel Theodor Khoury: Der Hadith. Urkunden der islamischen Tradition, Bd. 1, Güthersloh: Güthersloher 2008, S. 11. 174 Ebd., S. 15. 175 Vgl. Khalil, On Cultivating.

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54

Islam. Im Koran wird die sittliche Verantwortung des Menschen und die daraus resultierende

transzendente Bedeutsamkeit seines Handelns beschrieben. Der Mensch trägt Verantwortung

für sein Tun Gott gegenüber.176 Aus diesem Grund wird auch besonders Wert auf dieses

Handeln in Form von Tugenden gelegt. Frithjof Schuon versucht auf dieser Basis eine

Definition der Dankbarkeit als Tugend:

Die Tugend der Dankbarkeit ist eine Tugend, welche uns erlaubt, nicht nur mit kleinen Dingen zufrieden zu sein – dies ist heilige Kindheit –, sondern auch kleine und große Dinge zu schätzen und zu würdigen, da sie von Gott her kommen. Angefangen mit der Schönheit und den Gaben der Natur, muss man sich der Unschuld des Mysteriums der göttlichen Werke bewusst sein. Anbetung des göttlichen Wesens erfordert Rücksichtnahme auf die Zufälle, welche Es kundtun. Gott ‚in Geist und Wahrheit‘ anzubeten bedeutet, Ihn auch durch den Schleier, der der Mensch ist, zu verehren.177

Die Tugend der Dankbarkeit liegt darin begründet, alles in der Welt als Geschenk Gottes zu

erkennen, das dem Menschen geschenkt wurde und dahingehend in Dankbarkeit zu wirken

und den anderen Mitmenschen und vor allem Gott in diesem Gabendenken gegenüber zu

treten. Wie sich der Mensch gegenüber den Gaben verhält, wird im weiteren Verlauf dieses

Kapitels genauer beschrieben. Vorerst wird eine Begriffsdefinition von Tugend gegeben,

damit die Darstellung von Dankbarkeit als Tugend verständlich wird, denn wahre Dankbarkeit

wird im Islam und Koran als ein hoher geistiger Zustand, als eine innere Einkehr in die Mitte

des Menschen, in seinem Herz gesehen (vgl. 28:28).

Der Tugendbegriff „tarwa“ als Schlüsselbegriff im Koran hat kein Äquivalent zum

griechischen „areté“, dennoch impliziert er eine moralische Komponente, die im Koran

explizit von Gott und Mohammed gelehrt wird. Er beschreibt nämlich das gottesfürchtige

Verhalten in und vor Gott. Daraus ergeben sich eine Reihe von Verhaltensweisen, vor allem

Gott gegenüber, aber auch solche, die für ein gesellschaftliches Zusammenleben zentral

sind:178 Tugenden können dahingehend als die idealen Ausrichtungen des Menschen und einer

gottesfürchtigen Gesellschaft beschrieben werden.179 Gottesfurcht und Rechtschaffenheit sind

deshalb als Synonyme für Tugend zu verstehen und sind der besondere Nährboden, aus dem

176 Udo Schaefer: Glaubenswelt Islam. Eine Einführung, Hildesheim/Zürich/New York: Georg Olms 1996 (Religionswissenschaftliche Texte und Studien 7), S. 58. 177 Frithjof Schuon: Esoterism as Principle and as Way, Middlesex: Perennial Books 1981, S. 109. 178 Vgl. Art. The Quranic Concept of Virtue & Righteousness, in: https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=3&ved=2ahUKEwiUm76qrebjAhWDL1AKHYVNC5AQFjACegQIARAC&url=http%3A%2F%2Fwww.islam.org.hk%2Ficoi_2010%2Fthe.quranic.concept.of.virtue.doc&usg=AOvVaw15jRVjeLjvR8RoJL7KL6a7 [abgerufen am 03. August 2019]. 179 Johnston, David: Art. Virtue, in: Jane Dammen McAuliffe (Hg.): Encyclopaedia of the Qurʾān, Georgetown University, in: <http://dx.doi.org/10.1163/1875-3922_q3_EQSIM_00446> [abgerufen am 27. August 2019], S. 433f.

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55

die Tugenden, die im Koran erläutert werden, erwachsen. So schreibt der Koran über den

wahren Glauben und das Leben als Gläubige (2:177):

Die Frömmigkeit besteht nicht darin, dass ihr euer Angesicht gen Osten oder Westen wendet, vielmehr ist Frömmigkeit, an Gott zu glauben und an den Jüngsten Tag und an die Engel, und das Buch und die Propheten; und das Geld, auch wenn man´s liebt für die Verwandten, die Waisen und die Armen auszugeben und für den „Sohn des Weges“ und die Bittenden und für den Sklavenfreikauf; und das Gebet zu verrichten und die Armensteuer zu entrichten. Die den Vertrag einhalten, wenn sie ihn abgeschlossen haben, und die geduldig sind in Not und Missgeschick und Kriegszeit – die sind es, die wahrhaftig sind, die sind es, die Gott fürchten.

Die Gottesfurcht beschreibt also nicht nur ein leeres Beten, sondern das aktive Handeln

gegenüber den Menschen und Gott in dessen Angesicht man nichts Schlechtes tun soll. Dabei

sind die Tugenden nicht ein Mittel zum Zweck, sondern dienen immer der Großzügigkeit und

Barmherzigkeit dem Menschen und im Besonderen Gott gegenüber.180 Das heißt, es geht

nicht um ein ruhmreiches irdisches Leben, sondern um den göttlichen Ruhm in der Endzeit

(48:26):

Damals, als die Ungläubigen in ihren Herzen Kampfeslust entfachten – Kampfeslust der „Zeit der Unwissenheit“ –, da sandte Gott auf seinen Gesandten und die Gläubigen seine „Ruhe“ nieder, und er verpflichtete sie auf das Wort der Gottesfurcht. Sie hatten dazu alles Recht und waren seiner würdig. Und Gott weiß alle Dinge.

Daraus ergibt sich, dass die Tugenden nicht primär Teil einer Soziologie sind, sondern einer

Ontologie, die auf einem transzendentalen Konzept basiert, dessen höchstes Ziel einen

inneren moralischen Fortschritt des Menschen ausgerichtet ist. Ziel ist es also immer, dem

teleos, für das Gott den Menschen geschaffen hat, zu folgen, um somit zur Glückseligkeit zu

gelangen. Jedes moralische Handeln auf Erden wirkt sich dabei auf das große Ganze in der

Welt aus, deshalb soll es dazu beitragen, das Band zwischen dem Schöpfer und der Schöpfung

selbst zu stärken. Handlungen, Taten, Worte, Gefühle und Gedanken, die ausgesprochen

werden und auch im Stillen geschehen, spielen dabei auf das göttliche Gericht hin eine

180 Vgl. Schaefer, Glaubenswelt Islam, S. 59f.

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wichtige Rolle. Das heißt auch, dass die Tugenden nur dann erfüllt werden können, wenn sie

in Liebe zur Schöpfung selbst geschehen. Der Koran sagt dazu in 28:77:

Trachte mit dem, was dir Gott gegeben hat, nach dem Jenseits, und vergiss nicht deinen Anteil an dieser Welt! Tue Gutes, so wie Gott dir Gutes tat! Und trachte nicht danach, Unheil im Land zu stiften! Sieht, Gott liebt die Unheilstifter nicht.

Gutes in der Welt zu tun, bedeutet auch dem Gegenüber dankbar zu sein, für das, was einem

gegeben wurde und zwischenmenschliches Gutes tun. Wenn der Mensch also im Koran

dankbar ist, zeigt sich Gottes Dankbarkeit ihm gegenüber in vollster Form, da Gottes Attribut

„der Dankbarste“ sich in Gott selbst zeigt. Dies zeugt davon, dass Dankbarkeit eine Pflicht im

Koran darstellt, auch wenn sie nicht ganz erreicht werden kann (nur Gott selbst ist der

wahrhaft Dankbare), so kann sie annähernd erreicht, als eine Tugend des Menschen erklärt

und in einer eschatologischen Weise gedeutet werden. Wenn das Ich Dankbarkeit lebt, dann

erhält sie eine essenzielle Bedeutung auf das ewige Leben hin. Denn jegliche Handlung im

Guten ist ein Weg zur Glückseligkeit und prägt somit das Leben im Glauben und die

Ausrichtungen der Gläubigen.

Diese Tatsache wird im Koran mit dem Begriff „Fitrah“ bezeichnet. Dieser hat die

Bedeutung, dass der Mensch als Schöpfung Gott erkennt und ihm deshalb bewusst wird, dass

er in Abhängigkeit zu seinem Schöpfer steht (vgl. z. B.: 30:30; 7:172; 14:10; 31:25; 2:138).181

„Fitrah“ verweist dabei auf die verschiedenen Formen, wie der Mensch in der Welt agiert

und bildet in diesem Sinne einen Rahmen, Tugenden überhaupt leben zu können. Dabei

werden konative und kognitive unterschieden: Kognitive Formen beziehen sich auf den Fakt,

dass der Mensch als vernunftbegabtes Wesen in der Lage ist, seine Taten zu überlegen und

Wissen und Verständnis aufzubringen. Konative beziehen sich auf die aktiven Handlungen in

der Welt. All diese Handlungen, konativ und kognitiv, gehen aber über das Irdische hinaus

und fußen letztlich in Gott selbst.182 All das, was mit „Fitrah“ gemeint ist, ist nicht angelernt,

sondern ist dem Menschen angeboren, das heißt, sie ist in der Natur des Menschen verankert.

Dankbarkeit zwischen zwei Menschen kann als ein Aspekt des guten Zusammenlebens

zum Konzept der „Fitrah“ im Koran gezählt werden. Da in einer muslimisch geprägten Welt,

Formen von Geben und Nehmen, sprich von Gabenaustausch, einen großen Stellenwert haben

181 Mohammad Ali Shomali: Islamic Belief System, London: Institute of Islamic Studies 2015, S.148-150 und S. 23f. 182 Vgl. ebd., S. 21 und S. 23.

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57

und auf den unbedingten Geschenkcharakter der Gabe verweisen. 183 Dankbarkeit kann

anthropologisch im Koran und in der Tradition primär als ein universales menschliches

Phänomen beschrieben werden, das eine Reaktion und Antwort auf ein Geschenk darstellt.

5.2 Zwischenmenschliche Dankbarkeit: Dankbarkeit den Eltern gegenüber

Im Koran wird besonders Dankbarkeit auf zwischenmenschlicher Ebene gegenüber den Eltern

erwähnt. Respekt und Wertschätzung gegenüber Vater und Mutter werden großgeschrieben,

denn sie tragen dazu bei, dass das eigene Leben erst geschenkt werden kann. 184 Diese

Dankbarkeit ist auch heute noch stark in der muslimischen Kultur verankert.

Besonders der Mutter ist großer Dank auszusprechen, da sie das Kind im Mutterleib

getragen und es geboren hat. Gott sagt Folgendes im Koran zur Dankbarkeit gegenüber den

Eltern (31:14):

Dem Menschen haben wir besonders seine Eltern anbefohlen– Mit ihm war seine Mutter schwanger – Mühsal über Mühsal! – Und seine Entwöhnung dauerte zwei Jahre: „Sei dankbar – gegen mich und deine Eltern! Zu mir hin ist der Lebensgang.

In diesem Vers des Korans wird aber nicht nur auf den zwischenmenschlichen Dank der

Eltern hingewiesen, besonders der Mutter, die die Mühen der Schwangerschaft und ersten

Jahre auf sich nahm, sondern der Dank soll auch auf Gott direkt übertragen werden. Denn

(zwischen-)menschlicher und göttlicher Dank können im Denken des Korans und Islams nicht

voneinander getrennt werden. Ein Hadith bringt diesen Gedanken der Verbindung zwischen

transzendentem und immanentem Dank zum Ausdruck: „Der Gesandte sagte: Wer den

Menschen nicht dankt, dankt auch Gott nicht!“185 Anders formuliert, wenn der Mensch die

Geschenke der Mitmenschen nicht anerkennt, dann wird er nie die Gaben Gottes verstehen

können und ihm rechtmäßig darauf antworten können.

183 Vgl. Toshihiko Izutsu: Ethico Religious Concepts in the Qur‘an, Montreal/Kongston: McGill-Queens University Press 2002 (1. Koran Ethics I), S. 200f. 184 Vgl. Franz Feiner: Von der dialogischen Verfasstheit des Menschen. Die Gabe des Lebens und das gegebene Wort als Grundlage für Antwort und Verantwortung, in: RoSE 6 (2015/12), S. 71-80, hier: S. 72f und vgl. Schaefer, Glaubenswelt Islam, S. 63. 185 Abu Dawud Tirmidhi, zitiert in: Adel Theodor Khoury: Der Hadith. Urkunden der islamischen Tradition. Religiöse Grundpflichten und Rechtschaffenheit, Bd. 2, Güthersloh: Güthersloher 2008, S. 366.

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5.3 Immanenter Dank zu den Mitmenschen richtet sich auf transzendenten

Dank zu Gott

Eine Geschichte des Propheten Davids im Buch „Geschichten des Propheten“ versucht die

Tugend der Dankbarkeit eines Menschen zu formulieren. In dieser kurzen Geschichte, die

nachfolgend erzählt wird, erfährt der Prophet David wahre Dankbarkeit eines tugendhaften

Mannes und sie zeigt, wie immanenter/horizontaler und transzendenter/vertikaler Dank in der

Tradition des Islams ineinander verwoben und immer auf Gott hin ausgerichtet sind. Die

Anekdote erzählt:

Der Prophet David betete einmal zu Gott, um ihm seinen Begleiter im Paradies unter den von Gott geliebten Gläubigen zu zeigen. Da sprach eine Stimme aus dem Unsichtbaren: „Morgen früh, geh zum Stadttor und sieh, wer das ist.“ Am nächsten Morgen als David zum Stadttor ging, traf er Mata, den Vater von Yunus, der auf der Suche nach einem Käufer für etwas Feuerholz, das er auf seinen Schultern trug, war. Da kam ein Mann, der dieses Holz kaufte. David trat vor, schüttelte ihm die Hand, umarmte ihn und fragte: „Ist es möglich, dass Sie mich heute als Ihren Gast einladen?“ Mata antwortete: „Es wäre mir ein Vergnügen. Kommen Sie doch mit!“ Mata kaufte etwas Mehl und Salz mit dem Geld, das er vom Brennholz eingenommen hatte, um drei Personen satt zu machen: Er selbst, David und Sulaiman. Er backte für seine Gäste Brot. Bevor Mata das Brot aß, hob er den Kopf zum Himmel und sagte rollenden Tränen über seinen Wangen: „O Herr! Du hattest den Samen für den Baum gesät, von dem ich dieses Holz erhielt. Du hast mir Kraft und die Fähigkeit gegeben, diese Arbeit zu erledigen. Du hast mir auch die Fähigkeit gegeben, meine Last zu tragen. Du hast mir den Käufer für das Holz geschickt. Der Weizen, aus dem ich dieses Mehl bekam, wurde auch von Dir und nur durch dich hergestellt. Du hast das alles möglich gemacht, wo auch immer wir auch sind, um deine Vorteile zu nützen!“ David wandte sich an Sulaiman und sagte: „Dankbarkeit stärkt die Tugend eines Mannes.“186

Im Dank des Mannes kommt nicht nur der Dank in der Gegenwart für das Essen und den

Besuch der Propheten zum Ausdruck, sondern im Dank verbindet er die Vergangenheit mit

der Gegenwart und dem Zukünftigen, auf immanenter und transzendenter Ebene. Denn der

Mann erkennt, dass die Freundschaft, die aus dieser Begegnung entstanden ist, von anderen

Dingen abhängig ist und nicht nur im gegenwärtigen Moment geschehen kann.

Der Mann spricht deshalb allem Dank aus, was zu dieser Freundschaft erst geführt hat und

erkennt, dass er letztlich selbst Geschöpf ist und deshalb auch Gott dankend antworten muss.

In dieser einen Begegnung mit dem Mann erfährt Mata ebenso auf bedeutende Weise in

seinem Dank einen Ort, an dem er Gott begegnet, indem er erkennt, dass alles, auf ihn hin

ausgerichtet ist und er daher zu Dank verpflichtet ist. Ein kurzer Hadith fasst die Eigenschaft

der Dankbarkeit als ein überzeitiges und nicht an Raum gebundenes Erlebnis zusammen:

186 Aus: „Stories of Prophets“, zitiert in: Abdul Dastghaib Shirazi: Heart oft he Qur‘an. A Commentary to Sura al Yasin, Qom: Ansariyan Publications o. A. in: https://www.al-islam.org/the-heart-of-the-quran-commentary-of-sura-yasin-ayatullah-dastaghaib [abgerufen am 03. August 2019].

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Wenn jemand dir einen wunderschönen, teuren und neuen Hut kauft, bist du dann nicht dankbar für dieses äußerst großzügige Geschenk? Aber solltest du nicht eher dankbarer für den Einen sein, der dir den Kopf geschenkt hat, um diesen Hut aufzusetzen?187

Das Erkennen, dass hinter jeder Gabe ein Zusammenhang und es in Verbindung mit dem

Schöpfer selbst steht, kann den Blick auf die Welt verändern. So beginnt James Fadiman und

Robert Frager ihre Einleitung in den Sufismus: „Dankbarkeit verwandelt uns (…)“ und weiter

heißt es: „Sie öffnet unsere Herzen und bringt uns näher zu Gott!“188

Was also vor allem in den Überlieferungen der Hadithe zum Ausdruck kommt, ist die enge

Verbindung zwischen dem Menschen und Gott, wenn Dank ausgesprochen wird. Dankbarkeit

weist den Menschen darauf hin, dass wir dem Schöpfer Gott Dankbarkeit schuldig sind und

ist dahingehend Antwort auf die Gaben und Geschenke. Dankbarkeit ist im Koran in diesem

Sinne Antwort auf die Zeichen, die sich in Gottes Schöpfung dem Menschen als Geschenke

offenbaren: „‚Schkr‘ und ‚Tarwa‘ 189 zeigen dabei die zwei geeigneten menschlichen

Reaktionen auf Gottes Zeichen!“190, schreibt der Islamwissenschaftler Toshihiko Izutsu über

das Konzept der Dankbarkeit in seiner ethischen und religiösen Ausarbeitung über den Koran.

5.4 Dankbarkeit Gott gegenüber

Geschenke und Gaben können ebenso als Zeichen in der Welt gesehen werden, die der

Mensch erkennt und für die er dankbar sein soll. Im Koran werden sie als Zeichen „ayat“

beschrieben, unter diesem Ausdruck sind die göttlichen Gaben gemeint, die der Mensch von

Gott selbst und unverdient erhalten hat. Diese Gnadengaben sind vielfältig: es zählen

physische und spirituelle Gaben dazu. Zu den physischen lässt sich zum Beispiel die

Schöpfung und der Mensch als Geschöpf sehen (vgl. 32:6-8), zu den spirituellen zum Beispiel

die Möglichkeit, zu glauben und erkennen zu können. In Bezug auf die physischen Zeichen

schreibt der Koran:191

Ein Zeichen ist für sie die tote Erde. Wir belebten sie und ließen Korn aus ihr wachsen, so dass sie davon essen können.

187 Zitiert in: James Fadiman und Robert Frager: Essential Sufism, San Francisco: Harper San Francisco 1999, S. 180. 188 Vgl. ebd., S. 178. 189 Bedeutet so viel wie Frömmigkeit, siehe dazu: Ashraf Adeel M.: Epistemology of the Quran. Elements of a virtue Approach to knowledge and understanding, Cham: Springer 2019 (Sophia Studies in Cross-cultural Philosophy of Traditions and Cultures 29) S. 101f. 190 Ebd., S. 200. 191 Vgl. Shirazi, Heart of the Qur‘an.

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Wir machten auf ihr Gärten aus Palmen und Weinstöcken Und ließen Quellen auf ihr sprudeln: Auf dass sie von all ihren Früchten essen Und von dem, was ihre Hände machten: Ja, wollen sie nicht dankbar sein? (36:33-35)

In der Schöpfung selbst erkennt man dahingehend die Größe Gottes, für die der Mensch

dankbar sein soll. Der Koran sagt, dass Gott der Schöpfer von allem ist, was in Sure 112:1-4

beschrieben wird. Gott als „Schöpfer von allem“ besagt demnach auch, dass der Mensch eine

Schöpfung Gottes ist. In dieser Bedeutung wird erkannt, dass der Mensch immer in

Abhängigkeit zu Gott selbst steht, als eine Existenz Gottes hin zu seinem Ursprung:192

Sprich: Er ist der Eine Gott: Gott der Ewige, der nicht verursachte Ursache allen Seins Er zeugt nicht, und auch wird er nicht gezeugt Und nichts gibt es, was Ihm vergleichbar wäre. (112:1-4)

In Gott seinen Ursprung zu sehen, macht den Menschen zu einem Wesen, das sich in einer

Form der Schuld Gottes selbst zeigt. Diese Gabe, sich der eigenen Existenz erkenntlich zu

zeigen, drückt das Konzept „Schkr“ im Koran aus. Als vernunftbegabter Mensch kann er es

als Pflicht sehen, für alles zu danken, was die Schöpfung hervorbringt, da er selbst ein solches

Geschöpf ist. Dank ist dabei die rechtmäßige Antwort.

An dieser Stelle gelangen wir noch einmal mehr zum Punkt, der die Anthropologie des

Menschen im Koran unterstreicht und das an „Fitrah“ gebunden ist: Als erkennendes und

vernunftbegabtes Wesen, das der Mensch im Koran darstellt, ist er in der Lage die Zeichen

Gottes zu er-kennen und anzuerkennen.193 Das macht dementsprechend den Unterschied der

Wesen des Menschen gegenüber den Tieren aus: Der Mensch dankt, da er erkennt; das Tier

erkennt nicht, kann deshalb auch keinen gebührenden Dank an Gott aussprechen. Der Mensch

hat deshalb die Aufgabe, zum Gebenden zu gehen und ihm Lob und Dank auszusprechen.

Anders ausgedrückt: Der Mensch ist als ein theomorphes Geschöpf ein Abbild Gottes, das

im Unterschied zum Tier die Intelligenz, die Erkenntnis, von Gott erhalten hat. Mit dieser

kann der Mensch erkennen, dass alles Kontingente von einer unbedingten Wirklichkeit

abhängt, dass alles, was existiert von Gott selbst kommt und der Mensch ihm dankbar

gegenübertreten soll, denn der Mensch ist sich seines Geschenkes bewusst.

192 Vgl. Muhammad M. Hanel: Die Qur’an Verse und die entsprechenden Kommentare von Muhammad Asad zu den 99 schönsten Namens Allahs 5 (2012), S. 57, siehe Anmerkung 386 und Tawus Raja: Patience and Gratitude. in: Message of Thaqalayn. A quarterly journal of islmaic studies 16 (2015/3), S. 23-38, hier: S. 28f. 193 Vgl. Hadi Sharifi: Anbetung und Dank in der Islamischen Religion, in: Seifert, Danken und Dankbarkeit, S. 200f.

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Der Mensch sieht also, noch einmal zusammenfassend, in der Schöpfung, der

Manifestation in der Welt Gottes, den unendlichen, gnadenvollen und barmherzigen Gott, der

sich seiner Schöpfung zuwendet. Als Reaktion auf diese gnadenvolle Zuwendung, wird im

Koran vor allem die Dankbarkeit selbst beschrieben. Aus den Ausführungen Izutsus kann man

nachfolgendes Diagramm zeichnen. Dieses Diagramm zeigt den Zusammenhang von Zeichen

und Erkennen und der Dankbarkeit:194

ayat `aql schkr

(Zeichen) (Verstehen/Erkennen) (Dankbarkeit)

5.5 Wege der Dankbarkeit im Koran

Im Koran werden drei Wege, wie man Gott gegenüber dankbar auf seine Zeichen hin sein

kann, erläutert:

1) Dankbarkeit vom Herzen (das Ich erkennt, dass es ein Geschenk Gottes ist): z. B. in folgendem Vers:

Gott hat euch herausgeholt aus dem Leibe eurer Mütter: Er machte euch Gehör, Augenlicht und Herzen. Vielleicht seid ihr ja dankbar! (16:78)

2) Dankbarkeit mit Worten (durch Worte diese Dankbarkeit auszudrücken)

3) Dankbarkeit durch Handlungen (das Ich macht etwas mit seinen Händen, Füßen und

Augen und handelt auch in einem Akt der Verehrung)195

Diese Arten der Dankbarkeit werden zum Beispiel Noah und Abraham zugeschrieben und

lassen sich in ihrer Darstellung nur schwer voneinander trennen. Deshalb werden die

verschiedenen Arten nun nachfolgend durch Verse aus dem Koran erläutert.

Noah wird das Attribut „dankbar“ zuteil, wenn er im Koran als ein „Sakur“ charakterisiert

wird, als ein „dankbarer Diener“: „Siehe, er war ein Knecht voll des Dankes.“ (17:3b).

Psychologisch und spirituell kann der Mensch die Dankbarkeit erst dann empfinden, wenn

sein Herz offen ist für die Zeichen Gottes. Deshalb kann der Mensch näher bei Gott sein, denn

das Herz ist der Ort, das Haus,196 an dem man Gott nahe sein kann.197 Dieses Herz, so kann es

194 Vgl. Izutsu, God and Man, S. 255. 195 Shomali, Key Concepts. 196 Rumi spricht in diesem Zusammenhang vom Kabba, dem Haus, in dem Gottesbegegnung stattfinden kann. 197 Vgl. Sharifi, Anbetung, S. 197.

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bildlich dargestellt werden, soll wie in einem „Frühjahrsputz“ immer wieder gereinigt werden.

Unter dieser Reinigung versteht man das unerlässliche Bewusstwerden des Strebens, Gott

ähnlich zu werden. Im Islam geht man nämlich davon aus, dass der Mensch sich immer mehr

dem Perfekten zuwenden soll, um Gott ähnlich zu werden, das auch in Verbindung mit der

Tugend der Dankbarkeit steht.198 Alles, was also nicht in das Haus gehört, nicht zu Gott

selbst, muss hinausgeworfen oder gereinigt werden. Somit dient dieser „Frühjahrsputz“ als

Basis für den Dank.

Darüber hinaus verfügt auch Abraham im Koran, als ein besonderes Vorbild im Glauben

und somit in der Dankbarkeit, die Fähigkeit Dankbarkeit mit dem Herzen, Worten und Taten

auszuführen: Er ist ein Mann, der dankbar ist und nach dem Willen Gottes handelt.

Im Vers werden die verschiedenen Wege der Dankbarkeit verbunden und Abraham

charakterisiert, das heißt, es ist nicht nur von Dankbarkeit, sondern auch von Glauben und

Demut die Rede, die eng an Dankbarkeit gebunden sind:199

Siehe, Abraham war eine Leitgestalt, demütig Gott ergeben, ein wahrer Gläubiger, war keiner der Beigeseller, dankbar gegenüber seinen Gnadengaben. (16:120-121)

Dankbarkeit durch Handlungen können sich, wie bereits beschrieben wurde, in Preisungen

und Lob zu Gott hin ausgerichtet, manifestieren – das ist die dritte Art Dank auszuführen und

dieses Loben und Preisen steht eng mit dem Wort „Schkr“ in Verbindung.200 Wie auch im

Alten Testament und Neuen Testament bereits erläutert, können Lob und Dank auch hier als

eine Wortfamilie gelesen werden: Gott gebührt das Lob für das, was alles in der Welt ist.

Dabei kann das Lob zu Gott als ein Akt der Kommunikation zwischen Mensch und Gott

beschrieben werden und ein Beziehungsverhältnis zwischen Geschöpf und Schöpfer durch

das Gebet zum Ausdruck kommen – das Geschöpf besinnt sich nämlich besonders im Gebet

auf die Quelle seines Seins. So fordert auch der Koran zum Lobpreis auf: 201

Sie sprechen: „Lobpreis sei Gott, der die Traurigkeit von uns nahm. Siehe, unser Herr ist fürwahr bereit zu vergeben, zu belohnen.“ (35:34)

198 Vgl. dazu den Artikel von William Chittick C.: The Islamic Concept of Human Perfection, in: http://themathesontrust.org/papers/islam/chittick-perfection.pdf [abgerufen am 07. Juli 2019]. 199 Vgl. Shomali, Key concepts. 200 Vgl. ebd. 201 Vgl. auch die Sure 35:34: Und sie werden sprechen: „Alles Lob gebührt Gott, der alle Sorgen uns verlassen ließ; Denn, wahrlich, unser Erhalter ist wirklich Viel-Vergebend, stets Dankbarkeit erwidernd (…).

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In einem Hadith des Propheten wird dieses Lob geschildert, das sich über eine innere und

äußere Ausrichtung der Dankbarkeit bezeugen lässt. Der Gebetsvorgang und dessen äußere

Symptome werden von seiner Frau erkannt, doch nicht die innere, ihr verborgene

Ausrichtung, die der Prophet durch die Intention der Dankbarkeit im Gebet an Gott richtet:

Aíscha berichtet: „Der Gesandte Allahs pflegte zu beten, bis seine Füße rissig wurden“. Da sage sie: „Oh, Gesandter Allas, warum machst du so etwas, während Allah dir doch deine vergangenen und künftigen Sünden vergeben hat?“ Er erwiderte: „Oh, Aisha, soll ich nicht ein dankbarer Diener sein?“202

Gebet und innere Ausrichtung in Demut verändern die Ausrichtung im Glauben des Menschen

auf Gott hin. Lex Nixon versucht in seinem Buch Heart of the Koran sich durch eine

Meditation an die Sure 17:43-44 anzunähern. Er sagt, dass eine Art des Seins das Preisen

Gottes ist. „Durch dieses Preisen erinnere ich mich selbst an meine Quelle des Ursprungs und

ebenso an mein Ziel – und in dieser Quelle erkennt das Ich die allumfassende Quelle der

Liebe“.203 Imam al-Kazim204 sagt dazu: „Gott ist großzügig, ob er gibt oder zurückhält, denn

wenn er gibt, gibt er, was dir nicht gehört; und wenn er zurückhält, hält er zurück, was dir

nicht gehört.“ Deshalb soll der Mensch Gott unter allen Umständen loben, ob wir es erreichen

oder nicht, in Freude und Schmerz, in Gesundheit und Krankheit. Positiv sollen immer die

Gedanken des Gläubigen sein, sonst wäre es schon ein Zeichen der Undankbarkeit und des

daraus resultierenden Unglaubens.205

Der Bericht, das Loben Gottes, kann dann eine Antwort und somit Rückgabe des

Menschen sein. Somit ist das Loben ein Ausdruck der wahren Dankbarkeit, der sich auch auf

Gott hin ausrichtet (1:2: „Lobpreis sei Gott, dem Herrn der Weltbewohner.“), wie es Tirmidhi,

Abu Dawud über den Propheten sagt:

Der Prophet sagte: Wer eine Gabe erhielt und etwas findet, womit er sich revanchiert, der soll damit (den Geber) belohnen. Wer nichts findet, der soll (ihn) loben. Denn wer lobt, der hat gedankt. Wer verschweigt, der hat sich undankbar gezeigt.206

202 Al-Buhari: Buch 21/Hadith 230. 203 Vgl. Lex Nixon: Heart of the Koran, New Dehli: Goodword Books 1998, S. 107. 204 Raja, Tawus: Patience and Gratitude, in: Ahlul Bayt World Assembly 16 (2015/3), in: https://www.al-islam.org/message-thaqalayn/vol-16-no-3-autumn-2015/patience-and-gratitude-tawus -raja [abgerufen am 06. Juli 2019]. 205 Vgl. Thomas Schirrmacher: Koran und Bibel. Die größten Religionen im Vergleich, Holzgerlingen: Hänssel 2008 (Hänssel kurz und bündig), S. 46f. 206 Zitiert in: Adel Theodor Khoury: Der Hadith. Urkunden der islamischen Tradition. Religiöse Grundpflichten und Rechtschaffenheit, Bd. 2, Güthersloh: Güthersloher 2008, S. 366.

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All die Schöpfung kann Gott lobpreisen, was ein natürlicher Vorgang des Lebens ist: Es ist

das Lob, das Gott gebührt und das mit Dankbarkeit für die Schöpfung in Verbindung steht.207

5.6 Das Gebet als Ausdruck von Dank und ein Ort der Gottesbegegnung im

Koran

Durch dieses Beten und Loben kann nun auch das Verständnis zwischen „Hamd“ und „Schkr“

erläutert werden, das bereits im etymologischen Teil ansatzweise erklärt wurde. Mohammad

sagt: „Hamd ist der Anfang von Shukr. Wer das Lob nicht spricht, ist nicht dankbar.“208,

wodurch das oben angeführte Zitat sich noch ergänzen ließe, denn erst wer loben kann, kann

dankbar sein – und hier wird im Gebet eine kommunikative Dimension zwischen dem Ich und

dem Du, Gott, eröffnet.209 Gebet kann dahingehend als ein Ort verstanden werden, in dem

Gottesbegegnung stattfindet, dabei spielt die Dankbarkeit im Gebet eine wichtige Rolle. Der

Koran ist dann die „immanente Offenbarung, aber das Gebet ist die transzendente

Offenbarung“210. Das bedeutet, dass das Gebet darauf abzielt, Gott, das Ich und die Welt zu

erfahren, das Gebet ist somit die Offenbarung des Menschen an Gott. Der Koran hingegen ist

Gottes Offenbarung an die Menschen: „Im Koran offenbart sich Gott, im Gebet offenbart sich

der Mensch.“211 So ist das Ziel des Gebets nicht eine gottesdienstliche Handlung und ein

einfaches Danksagen, sondern es soll zum Nachdenken anregen und Einsicht und Erkenntnis

bringen.

So beginnt auch das Pflichtgebet („salat“) im Islam mit den dankbaren Worten: „Im

Namen Gottes, dem Barmherzigen und Mitfühlenden“ und dem anschließenden Ausruf:

„Alles Preisen/Danken ist zu Gott hin“. 212 Dabei kann das Lob nicht genug gesprochen

werden, denn Gottes Gaben können keine rechtmäßige Antwort erhalten, stellt der Koran dar

(16:18): „Wollt ihr Gottes Gnaden zählen, ihr könntet sie nicht berechnen! Siehe, Gott ist

fürwahr bereit zu vergeben, barmherzig.“

207 Vgl. Hamideh Mohagheghi: Theologie des Herzens. Im Gebet Liebe und Nähe Gottes erfahren, in: „Im Namen Gottes…“. Theologie und Praxis des Gebets in Christentum und Islam, Regensburg: Friedrich Pustet 2006 (Theologische Forum Christentum-Islam), S. 65. 208 Tirmidhi, Abu Dawud, in: Adel Theodor Khoury: Der Hadith. Urkunden der islamischen Tradition. Religiöse Grundpflichten und Rechtschaffenheit, Bd. II., Güthersloh: Güthersloher 2008, S. 366. 209 Vgl. Abdullah Takim: „Wirf dich nieder und nähere dich Gott!“ (Sure 96,19). Das Gebet im Islam als Ausdruck der Gottesnähe, in: Schmid, Im Namen Gottes, S. 127-142, hier: 131. 210 Hamid Kasiri: Theologie des Herzens. Die Erfahrung der Anwesenheit Gottes im Islam, Frankfurt am Main/Berlin u.a: Peter Lang (Islam 21/1), S.174. 211 Ebd. 212 Ebd. S.178-180.

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Es soll aber die Beziehung zu Gott stets aufrecht erhalten bleiben und an ihn gedacht werden.

In den verschiedene Tagesabschnitten soll das Ich sich zu Gott hinwenden und Gott gedenken.

Es ist wie eine Erinnerung (vgl. 20:14), sodass der Mensch die Nähe Gottes nicht verliert und

die Gegenwart Gottes verspüren kann. Gebet ist immer Anbetung, direkte Anrufung,

Lobpreisung und Danksagung an den einzigen Gott im Koran.213

Darüber hinaus gibt es auch das Bittgebet („du’a“) und Ausdruck der innigen Liebe zu

Gott.214 In beiden Gebeten kommuniziert der Mensch mit Gott und erfährt die Nähe Gottes.

Jegliches Gespräch ist dabei, wie es Toshihiko Izutsu beschreibt, „das Gespräch des

menschlichen Herzens mit Gott“215 . Gott im Koran ist dem Menschen dabei sehr nahe,

obwohl er gleichzeitig auch der transzendente Gott ist. Der Koran sagt (8:24):

O ihr, die glaubt! Schenkt Gott und seinem Gesandten Gehör, wenn er euch zu etwas aufruft, was euch Leben spendet! Und wisset, dass Gott zwischen den Mann und sein Herz tritt Und dass ihr zu ihm versammelt werdet.

Das Herz ist dabei der Ort, in dem die Gotteserkenntnis stattfindet kann, in dem Zuneigung,

Wünsche und innere Wahrnehmungen des Menschen sind.216 Dort lässt sich auch die wahre

Dankbarkeit verankern.

Unter dem Gebet „dirk“ wird das Gedenken Gottes verstanden: „Gedenkt Meiner, damit

Ich euer gedenke: und seid Mir dankbar und verleugnet Mich nicht!“ (2:152). Gedenken ist

hier stark mit dem Dank verbunden (denken und danken). Es heißt, dass das Ich Gottes Gaben

an-erkennt und sich der Schöpfung erinnert. Es ist das bewusste Erinnern an das, was Gott

dem Ich geschenkt hat. Das Herz findet hier die Ruhe und Zuversicht, auf Gott bauen zu

können (vgl. 13:28). Das betende Ich ist dankbar für die Gnade Gottes (vgl. 22:35) und

konzentriert sich auf Gott und lässt sich nicht von anderen irdischen Dingen ablenken (vgl.

63:9). Wenn also das Ziel ist, die Gaben Gottes in der Welt durch das Gebet zu erkennen, so

ist im Koran die logische Schlussfolgerung für den/die Gläubigen, dass er Gott im Gebet

begegnet und so wahre Dankbarkeit für das, was ihm/ihr geschenkt worden ist, verspürt.217

Das Gebet ist dann Ausdruck des Vertrauens zwischen dem Ich und dem Du und das Ich ist

213 Vgl. Mohagheghi, Theologie des Herzens, S. 54. 214 Vgl. Kasiri, Theologie des Herzens, S.172. 215 Izutsu, God and Man, S.133-139. 216 Vgl. Mohagheghi, Theologie des Herzens, S. 55. 217 Vgl. ebd., S. 68.

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sich bewusst, wie viel ihm an Gnade zuteil wurde, sodass dessen passende Antwort nur der

Dank sein kann. So schreibt ein bedeutendes Dankgebet aus der schiitischen Tradition:

The Whispered Prayer of the Thankful

میحرلا نمحرلا الله مسب (…) My God, my thankfulness is very small before the magnitude of your blessings,

يرشنو يئآنث يایإ كماركإ بنج يف لءاضتو ، And my praise and spreading of your news shrink beside your generosity toward me!

لالح نامیلإا راونأ نم كمعن ينتللج ، Your favors have wrapped me in the robes of the lights of faith,

لالك زعلا نم كرب فئآطل يلع تبرضو ، And your subtle goodness have let down over me delicate curtains of dignity!

لفت لا اقاوطأ ينتقوطو ،لحت لا دئلاق كنم ينتدلقو ، Your kindness has put on me collars not to be moved and adorned me with neck-rings not to be broken!

اھئاصحإ نع يناسل فعض ةمج كؤلاآف ، Your blessings are plentiful but my tongue is too weak to count them!

اھئآصقتسا نع لاضف اھكاردإ نع يمھف رصق ةریثك كؤآمعنو ، And your favours are many ,but my understanding of them falls short of grasping them, let alone exhausting them!

ركشلا لیصحتب يل فیكف ، So how can I achieve giving thanks?

ركش ىلإ رقتفی كایإ يركشو ، For my thanking you will require me to thank you for giving me the capacity to Thank

دمحلا كل :لوقأ نأ كلذل يلع بجو ،دمحلا كل :تلق املكف . Whenever I say, 'To you belongs all praise!', it becomes obligatory for me to mention your gift that allows me to express this praise. (…)

كعنصب انتیبرو ،كفطلب انتیذغ امكف يھلإ ،218

Gott ist im Gebet der Hörende, ein weiteres Attribut das ihm zukommt. Er steht im

Mittelpunkt des Dialogs. Aber er ist nicht nur passiver Zu-hörer von Dankesaussprüchen und

Gebeten, sondern er antwortet den Menschen, in Zeichen. Darüber hinaus antwortet er dem

Menschen auch im Akt der Dankbarkeit mit einem aktiven Akt der Dankbarkeit – er

verschließt sich nicht vor dem Menschen, sondern versucht, einen Dialog zu schaffen.

5.7 Dankbarkeit als reziprokes Beziehungsverhältnis zwischen Gott und

Mensch

In den vorangehenden Ausführungen wurde das Verhältnis zwischen Gott und Mensch

beschrieben, das Ich des Dankes war dabei der Mensch, der für die Gaben, die er von Gott

erhalten hat, auf verschiedene Weise dankt. Aber das Konzept von „Schkr“ wird im Koran

nicht nur auf den Menschen bezogen, der dankbar sein soll, sondern auch Gott selbst kann

Subjekt des Dankes sein und den Menschen mit dieser Eigenschaft gegenübertreten, wobei

218 Al-Sahifah, Al-Kamilah und Al-Sajjadiyyah: The Psalms of Islam. Übersetzt von William C. Chittick, Qom: Ansariyn Publications 2008, S. 242.

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eine besondere Beziehung mit dem Menschen eingegangen wird.219 Dankbarkeit ist also nicht

nur als Monolog vom Menschen an Gott gerichtet zu verstehen, sondern Gott tritt in einen

Dialog mit den Menschen. Gott liebt die Gläubigen und wendet sich denen gnädig zu, die

seinen Willen tun.220 Gott liebt die, die ihm dankbar sind und Gott ist denen dankbar, die ihm

und den Mitmenschen dankbar sind. Die Dankbarkeit Gottes ist ergo Antwort auf das

menschliche rechtmäßige Handeln in der Welt.

Diese Eigenschaften finden ihren Ausdruck in den „Schönsten Gottesnamen“: das Nomen

„Schakur“, dessen Bedeutung über „Schakir“, „der Dankbare“, zu „Schakur“ „Der

Dankbarste“ bis hin zum „Überaus großen Dankbaren“ hinausreicht, wird darin erwähnt. Drei

Mal wird so dieser Gottesname in Verbindung mit „Schukr“ im Koran dargelegt: in den Suren

„Der Schöpfer“ (35:34), „Die Beratung“ (42:23) und in „Die Übervorteilung“ (64:17).221

In den ersten beiden göttlichen Beschreibungen wird Gottes stete dankbare Erwiderung an

die Glaubenden betont.222 „Schakur“ kommt dabei in den meisten Fällen im Zusammenhang

mit dem Vergebenden („ghafur“) vor, dem alles Lob gebührt:

Das ist es, was Gott verkündet denen seiner Diener, die glauben und gute Werke tun. Sprich: „Ich verlange keinen Lohn von euch dafür, bis auf die Liebe zu den Angehörigen.“ Und wer eine gute Tat begeht, dem verschönern wir sie noch. Siehe, Gott ist bereit, zu vergeben, zu belohnen.‘ (42:23)

Die Vergebung und der Dank liegen an beiden Textstellen eng in ihrer Bedeutung zueinander,

die bereits oben beschrieben wurden und auch in der Wortsemantik eng verbunden sind.

„Ghafur“ leitet sich vom Stamm „Isfahani“: „Kleidung, die vor Schmutz schützen soll“ ab.

Übertragen auf Gottes Vergebung kann dies wie ein Schutz vor Sünden gedeutet werden.

Dieser Schutz ist ein Akt der Barmherzigkeit und des Wohlwollens. Nicht ohne Grund werden

diese beiden Wortstämme im Koran zusammengebracht, denn zusammen ergeben sie eine

Symmetrie der Namen Gottes: Einerseits ist Gott jemand, der freilegt, freimacht (ausgedrückt

im Wort „Schakr“), andererseits bedeckt er die Sünden, indem er unendlich Verzeihen

schenkt.

219 Vgl. dazu auch: Amer Gheituri und Arsalan Golfam: God-Man Communication in the Quran: A Semiological Approach, in: Intl. J. Humanities 16 (2009), S. 45-61. 220 Vgl. Schirrmacher, Koran und Bibel, S. 69. 221 Vgl. Zilio-Grandi, The Graditude of Man, 45f. 222 Ebd., 46f.

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Das heißt, Dankbarkeit kann im Koran als ein reziprokes und dialogisches

Beziehungsverhältnis dargestellt werden, in dem Gott selbst Objekt und Subjekt des Dankes

wird. Dankbarkeit ist ergo reziprok. Das heißt, dass auch Gott selbst sich dem Menschen

gegenüber dankbar erweist, der ihm gegenüber dankbar ist, das lässt sich, wie bereits

erläutert, durch sein Attribut, Gott ist der Dankbarste beschreiben. Gott wird so zum Subjekt,

das den Dank an den Menschen ausspricht. Darüber hinaus ist Gott dem Menschen dankbar,

der einem anderen Menschen mit Dankbarkeit gegenübertritt. Im Koran lässt sich

dahingehend folgender Vers finden:

Als euer Herr ankündigte: „Wenn ihr dankbar seid, will ich euch noch mehr erweisen, wenn ihr jedoch undankbar seid, dann wird meine Strafe wahrlich streng sein!“ (14:7)

Vielmehr wird in diesem Beziehungsverhältnis auch die ethische Relation zwischen Mensch

und Gott beschrieben: Gott selbst wirkt auf den Menschen in einer ethischen Weise ein, indem

er Gott in Gerechtigkeit und Güte darstellt.223 Darüber hinaus ist die Dankbarkeit also wie das

„fette Kamel“ (siehe Kap. 2), das nur wenig braucht, aber viel zurückgibt. Der Mensch ist

dankbar und Gott begegnet dem Ich als der Dankbarste in der Welt. Dabei muss erkannt

werden, dass des Menschen Gebens end-lich ist, doch Gottes Gabe ist end-los.224 Ähnlich

wird dies auch im Alten Testament dargestellt, wenn sich Gott dem Volk Israel offenbart.

Ein weiterer Punkt in der Übersetzung sei hier angemerkt. Wenn Gott als der „Schkr“ den

Menschen gegenübertritt, dann gibt er ihnen nicht nur mehr an Gaben und Dank zurück,

sondern macht den Menschen. Durch Dankbarkeit wird das Ich des Dankes gestärkt und

verwandelt sich. Dank macht aus dem Mensch mehr. Wie es schon erwähnt wurde:

„Dankbarkeit verwandelt den Menschen.“ – sie macht ihn regelrecht mehr und verändert am

eigenen Ich etwas.

5.8 Dankbarkeit als Synonym für den Glauben

Nicht nur Beziehung allein drückt sich im Konzept „Schkr“ im Koran aus, sondern das

Konzept ist eng mit dem Glauben selbst verbunden. Das konnte bereits gezeigt werden, wenn

die Tugenden und die Gottesfürchtigkeit in den Mittelpunkt der Dankbarkeit gerückt sind.

Glaube ist nämlich an Gott in der Anerkennung des alleinigen, ewigen Gottes und seiner

223 Vgl. Izutsu, God and Man, S. 254f. 224 Vgl. Shomali, Key Concepts.

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Allmacht gebunden und beschreibt das Werk des Herzens und all die Einzelheiten, wie die

Gläubigen in der Welt leben.225 All die Taten und Handlungen des Menschen werden auf Gott

hin ausgerichtet. Das, was Gott für böse hält, soll unterlassen werden und das, was Gott für

gut befindet, soll Platz im Leben der Gläubigen finden.226 Deshalb kann an dieser Stelle ein

direkter Bezug zum Wort „Schkr“, dessen Akronym mit der Wortwurzel „k-f-r“ beschrieben

wird, erkannt werden. Die Bedeutung des Gegenteils ist Undankbarkeit, aber auch Unglauben

(vgl. Kap. 2 und 39:7). Glauben beschränkt sich nicht nur auf eine innere Ausrichtung und

einen Akt des Verständnisses zur Hinwendung zum einen Gott, als ein theoretisches Für-wahr-

Halten von bestimmten Glaubens-Wahrheiten, die im Koran verankert sind, sondern hat

primär Konsequenzen im Glaubensleben. Vermerkt wird dies in Sure 3:110:

Ihr seid die beste Gemeinschaft, die jemals für die Menschen geschaffen wurde. Ihr gebietet das Rechte, verbietet das Schlechte und glaubt an Gott! Wenn auch die Buchbesitzer glauben würden, es wäre gut für sie. Es gibt ja unter ihnen Gläubige, doch die meisten von ihnen sind Abtrünnige.

Glaube ist in Anlehnung an diesen Vers an Taten, an das aktive Handeln, bezogen und soll

sich dem Guten ausrichten. Es reicht nicht, nur das Buch des Korans zu lesen. Dankbarkeit

richtet sich an das Anerkennen des Guten, der besonderen Taten Gottes und lässt den

Menschen sein Abhängigkeitsverhältnis zum Schöpfer erkennen. Als die positive Ausrichtung

ist Glaube zu verstehen. Es resultiert daraus ein religiöses und moralisches Konzept, das

Dankbarkeit und Glauben in direktem Zusammenhang stellt. Durch den Zusammenhang in

der Semantik zwischen „Schkr“ und „Kafr“, kann die Un-dankbarkeit als Un-glaube

verstanden werden und ist stark negativ konnotiert.227 Der Koran kritisiert demnach die nicht

vorhandene Dankbarkeit unter den Menschen:

Sie machen für ihn, was er will: Paläste und Standbilder, Schüsseln, groß wie Bottiche, und Töpfe, fest verankert. „Tut eure Arbeit, Sippe Davids, in Dankbarkeit!“ Doch nur selten ist jemand unter meinen Knechten, der aufrichtig dankbar ist. (34:13) Siehe, der Mensch ist seinem Herrn nicht dankbar – Denn dafür zeugt er ja selbst. (100:6-7)

Der verwendete Begriff „k-f-r“ ist ein Wort, das Negatives ausdrückt: Er bedeckt das Gute

und kann deshalb nichts Anderes in den Vordergrund stellen. Daraus lässt sich folgern, dass in

225 Vgl. Karl Jaros: Der Islam, Wien/Köln/Weimar: Böhlau 2012 (UTB), S. 155. 226 Schirrmacher, Koran und Bibel, S. 63. 227 Zilio-Grandi, Gratitude and Ingratitude, S. 47f.

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einer undankbaren Umwelt nichts gedeihen kann – nichts kann gezeigt werden und ist der

Schönheit Gottes würdig. Denn der Mensch ist selbst seines Glückes Schmied und wird durch

seine Undankbarkeit auch als ungläubig beschrieben. So wird im Koran die enge Verbindung

zwischen Dankbarkeit und Undankbarkeit mit dem Glauben erläutert.228 „Schkr“ ist demnach

ein Synonym für „Iman“, den Glauben an Gott selbst, dessen Gegenteil „Kufr“ darstellt und

verbunden mit dem Unglauben ist. Wo keine Dankbarkeit ist, da ist auch kein Glaube an den

einen Gott.

Durch die positive Konnotation „Schkr“ auf der anderen Seite kann Glaube an den einen

Gott wachsen und die wahre Dankbarkeit ihre Basis finden und Beziehung zu Gott und dem

Mitmenschen stattfinden: Sie kann wie eine Blume des Glaubens zu wachsen beginnen und

durch ihr zwischenmenschliches Wirken im Alltag und darüber hinaus zu Gott hin aufblühen

und sich entfalten.

228 Atif, On cultivating, S. 2-3.

Page 71: Diplomarbeit Dankbarkeit Ein Beziehungsgeschehen zwischen ...

71

6 Dankbarkeit zwischen Kultur, Gefühl und

Kommunikation – ein Vergleich der Heiligen Schriften

Die Heiligen Schriften und ausgewählten Texte unterliegen verschiedenen Kulturen, die auf

verschiedene Codes verweisen. Ebenso wurden die Texte poetologisch auf je differente Weise

abgefasst und unterliegen unterschiedlichen Traditionen: Der Koran zum Beispiel ist ein

Meisterwerk des Arabischen, der in einer poetischen Sprache verfasst wurde und die

(monologisch aufgebaute) Rede Gottes darstellt.229 Auf der anderen Seite spiegelt der Psalm

aus dem Alten Testament eine Sonderform der hebräischen Dichtkunst, den Toda-Psalmen,

dar und versucht Dankbarkeit auf einer metaphorischen Ebene in der Kunst der hebräischen

Dichtung darzustellen. Im Neuen Testament wiederum stellt die Textstelle aus dem

Evangelium einen Ausschnitt aus dem Leben und Wirken Jesu dar. Sie ist vom Evangelisten

Lukas verfasst und wird von seinem hellenistischen Denken stark geprägt. Die Textstellen aus

dem paulinischen Korpus lassen sich primär auf epistologische Schreibkunst zu Zeiten Paulus

zurückführen und haben vor allem die verständliche Übermittlung des Evangeliums und

dessen Werte zum Ziel.

Trotz der verschiedenen Arten der Abfassung der Heiligen Schriften können auch

Ähnlichkeiten festgestellt werden. So kann Dankbarkeit einerseits auf Gefühlsebene erläutert

werden und darüber hinaus ist Dankbarkeit tief mit dem Lob verbunden und an die Schöpfung

und die Gnadengaben Gottes gerichtet. Andererseits stellt sie einen wesentlichen Teil des

moralischen Systems, wenn zum Beispiel der Begriff der Tugenden verwendet wird, in den

Heiligen Schriften dar, um ein gelingendes und positives Zusammenleben zwischen Mensch

und Mensch und Mensch und Gott zu beschreiben.

Merkmal ist darüber hinaus die Verbindung mit dem Herzen und dem Gefühl der Freude:

Dankbarkeit richtet sich in den Beschreibungen immer auf etwas Positives und geht mit einer

innerlichen, freudigen Gefühlsregung der Dankbarkeit einher. Der Philosoph Thomas Nister

schreibt in diesem Zusammenhang in seiner Monografie:

Dankbarkeit ist im ursprünglichen und eigentlichen Sinn ein Gefühl. Dankbarkeit ist im abgeleiteten und weiteren Sinn eine Tugend. Dabei ist Dankbarkeit ein komplexes oder zusammengesetztes Gefühl. Dankbarkeit als Gefühl birgt nämlich zwei elementare Gefühle: Dankbarkeit enthält Freude und

229 Vgl. Shomali, Islamic Belief System, S. 148-150 und Joachim Gnilka: Bibel und Koran. Was sie verbindet, was sie trennt, Freiburg/Basel/Wien: Herder 32004, S. 63.

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72

Wohlwollen. Wer dankbar ist, freut sich über die Wohltat; es bereitet ihm oder ihr Freude, die Dankbarkeit auszudrücken und die Wohltat angemessen zu erwidern.230

All diese verschiedenen Beschreibungen der Dankbarkeit in den Heiligen Schriften münden in

einen wesentlichen Aspekt: dem dialogischen Beziehungsaspekt der Dankbarkeit. Dieser lässt

sich sowohl auf horizontaler als auch auf vertikaler Relation beschreiben und setzt einen

Kommunikationsakt voraus. Dieser Kommunikationsakt, oder auch Dankesakt, manifestiert

sich in der Sprache und den Handlungen der Menschen und Gottes.

Der positive Kommunikationsakt der Dankbarkeit setzt, wie bereits in der

sprachphilosophischen Annäherung an Dankbarkeit und dem nachfolgenden Teil der Exegese

der Heiligen Schriften ersichtlich wurde, ein Ich (Subjekt) und ein Du (Objekt) des Dankes

voraus, dessen Beziehung nur in einer Zuwendung zum Anderen funktionieren kann. Das

Subjekt des Dankes richtet also seinen Dank auf das Du, das Objekt, aus – ein Dialog und

eine Kommunikation resultiert daraus.231 Dieses Du kann ein anderer Mensch, ein anderes

Gegenüber (horizontal), aber wesentlicher für die Beschreibung in den Heiligen Schriften, der

Schöpfer selbst sein (vertikal).

Miteinher mit der Dankbarkeit geht immer eine Gabe, dessen Basis sowohl Geben als auch

Empfangen ist. Dankbarkeit ist auf anthropologische Weise das Beziehungsverhältnis des Ichs

und Dus, das sich als ein „Gewebe unseres Lebens“232, wie es der Soziologe Jean Starobinski

formuliert, charakterisieren lässt.

Diese Verbindung zwischen Ich und Du ist durchaus keine statisches, sondern sie hängt

von beiden Komponenten Ich und Du und deren Verhaltensweisen ab. Dieses

Beziehungsverhältnis bringt auch die Abhängigkeit in der Welt von Ich und Du zum

Ausdruck. Der Neutestamentler David Pao fügt an dieser Stelle hinzu:

Dankbarkeit scheint der integrale Ausdruck unserer Abhängigkeit zueinander zu sein. Jemanden zu danken, heißt, dass wir zugeben, dass wir zuerst Hilfe gebraucht haben oder zuerst bereichert werden mussten. Also auch für diejenigen, die narzisstische Gedanken beim Danken haben, die widerstehen oft dem Ausdruck aus tiefsten Herz, weil das die vorangehende Unzugänglichkeit des eigenen Selbst nicht zugeben wollen, da es eine Beleidigung für das übergeordnete Selbst wäre.233

Beschreibungen wie diese eines Kommunikationsaktes und darüber hinaus eines Dialoges

sind in der (Kommunikations-)Forschung nichts Neues – im Gegenteil – schon in der Antike

230 Thomas Nister: Dankbarkeit, Würzburg: Königshausen & Neumann 2012, S. 214. 231 Diese Beschreibung der Dankbarkeit ist ein zutiefst existenziell geprägt und auch mit der Anthropologie verbunden. 232 Jean Starobinski: Gute Gaben, schlimme Gaben die Ambivalenz sozialer Gesten. Aus d. Franz. von Horst Günther, Frankfurt am Main: Fischer 1994, S. 10. 233 Pao, Thanksgiving, S. 194.

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73

haben Platon und seine Schüler sich mit zwischenmenschlichen Phänomenen der

Kommunikation wie dem Dialog befasst. Ansatzpunkt fanden diese im Faktum der

Mehrdimensionalität des Wesens des Menschen. Der zoon politikon braucht ein Gegenüber,

um seinen Daseinszweck, in der Gemeinschaft erfüllen zu können.

Der Religionsphilosoph Martin Buber, der sich Lebezeiten mit der Dialogphilosophie oder

auch Begegnungsphilosophie genannt, beschäftigte und diese maßgeblich geprägt hat,

schreibt Folgendes: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung.“234 Mit dieser Begegnung sind

Begegnungen mit einem Anderen, mit einem Du gemeint. In dieser Begegnung kann dem

Menschen ein neuer Raum eröffnet werden.

An dieser Stelle wird die Analyse der Dankbarkeit mit der Perspektive Martin Bubers in

Verbindung gebracht, da sich Dankbarkeit als ein Akt zwischen zwei Personen darstellen lässt

und in der Begegnung zum Anderen sich eine besondere Beziehung entwickeln kann.

6.1 Die Ich-Du-Beziehung bei Martin Buber als „Dialogisches-Prinzip“

Mit der These „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“235 hat Martin Buber einen wesentlichen

Beitrag zur Beschreibung des Dialogs als eines Beziehungsverhältnisses im 19. Jahrhundert in

seinem Aufsatz Ich und Du geleistet, dessen Tradition dem Chasidissmus 236 und der

hebräischen Bibel unterliegt. Mit seinem dialogischen Prinzip setzt er an das dialogische

Denken und an die dialogische Philosophie seiner Zeit an und versucht diese durch die

Sprache in einem jüdisch-christlichen Kontext darzustellen.237 In seinen Schriften stellt er

Thesen auf, wie es zu tatsächlichen Begegnungen und somit zu wahrhaftigen Beziehungen

kommen kann.

234 Martin Buber: Ich und Du, Stuttgart: Reclam 2009 (Reclams Universal-Bibliothek 9342), S. 12. 235 Ebd. 236 Martin Buber erwähnt in seinen Ausführungen selbst, dass er wichtige Überlegungen seiner dialogischen Philosophie aus den Gedanken der chassidischen Überlieferung herangezogen hat. Dabei ist wesentlicher Grundgedanken, dass Gott seine Wohnung in seinen Geschöpfen nimmt und ist vergleichbar mit den Gedanken aus der Tora (vgl. Lev 26,11). Somit ist auch für Buber die Welt, die Gegenwart das, wo sich der Glaube selbst abspielt und wo Gott sich dem Menschen offenbart. Gott ist nicht der allmächtige Weltenlenker, sondern kann den Menschen in der Welt begegnen. Siehe dazu den Artikel: Andreas Schmidt: Vertrauen und Dialog. Das religiöse Denken Martin Bubers, in: http://buber.de/de/vertrauen_dialog [abgerufen am 23. August 2019]. 237 Vgl. Luiz Carlos Sureki: Zur Aktualität des philosophischen Denkens Ebners für die theologische Reflexion, in: Sureki, Luiz C.: Zur Aktualität des philosophischen Denkens Ebners für die theologische Reflexion, in: https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&cad=rja&uact=8&ved=2ahUKEwj6zcbZ9aLkAhWml4sKHZY5BUUQFjAAegQIABAC&url=https%3A%2F%2Fwww.uibk.ac.at%2Ftheol%2Fleseraum%2Fpdf%2Fsureki.pdf&usg=AOvVaw1zWtjrhdepLx_GC5RAsrw6 [abgerufen am 27. August 2019], S. 1.

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74

Der Dialog stellt per definitionem nicht nur eine „von zwei oder mehreren Personen

abwechselnd geführte Rede und Gegenrede; [ein] Zwiegespräch, [eine] Wechselrede“238 dar,

sondern geht über diese Definition, die eng mit einem Sprechakt in Verbindung steht, hinaus,

wenn das zweite Wort, der Logos, näher betrachtet wird. Logos möchte nicht nur als ein

statisches, einfaches Wort verstanden werden, sondern geht über den Sprechakt selbst und die

Sprache hinaus. Er stellt eine Denk- und Sprechweise dar, die durch den Logos „hindurch-

geht“. Es kann also kein Gerede sein, sondern ist ein Denken, Sprechen und Handeln über und

durch den Menschen selbst.239 Das bedeutet, dass der Dialog nicht ausschließlich Redeweise,

sondern Begegnung mit dem Gegenüber, einer Person oder einem ansprechbaren Subjekt, ist.

In buberschen Sinn ist der Dialog die unmittelbare Begegnung von Person zu Person in einer

Ich-Du-Beziehung.240

Martin Buber versucht in seinem Gesamtwerk des dialogischen Prinzips, mit dem er sich

zeitlebens beschäftigte, Fragen der Antropho-logie nachzugehen. Durch seine Philosophie des

Menschen möchte er die Stellung des Menschen in der Welt erläutern und die Frage

beantwortet, wie Menschsein möglich sein kann. Er verankert es in einem Prinzip der

Urdistanz und Beziehung. In der Beziehung findet Martin Buber eine Antwort auf die Frage

nach der Verwirklichung des Menschseins und wie der Mensch in der Welt ist und welche

Haltungen er zur Welt einnehmen kann.241

Nach Buber erlangt der Mensch sein wirkliches Menschsein in einer „doppelten“

Bewegung. Diese beiden Bewegungen nennt er „Urdistanzierung“ und „In-Beziehung-treten“.

Die Urdistanzierung ist dabei Voraussetzung für das In-Beziehung-treten des Menschen.242

Das Tier kann zwar die Welt abbilden, aber es unterliegt seinen natürlichen Bedürfnissen

und reagiert auf seine Umwelt. Somit steht das Tier in einem Hin und Her an

Sinneswahrnehmungen und natürlichen Bedürfnissen, die dem Tier als ein natürlicher Antrieb

dienen.

Anders steht der Mensch zu seiner Welt. Er denkt seine Welt als eine selbstständige Welt,

die ihm gegenübersteht. Er ist in der Lage, im Gegensatz zum Tier, die Welt um sich herum

losgelöst von sich seiend erkennen zu können. Darin sieht Martin Buber den Prozess der

238 Art. Dialog, in: https://www.duden.de/rechtschreibung/Dialog [abgerufen am 28. Juli 2019]. 239 Vgl. Karl-Martin Dietz: Dialog. Die Kunst der Zusammenarbeit, Heidelberg: Menon 32010, S. 8. 240 Vgl. Martin Buber: Das dialogische Prinzip, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2009, S. 7f. 241 Vgl. Dietz, Dialog, S. 8. 242 Vgl. Mathias Evertz: Dialogisches Prinzip und Führungskultur, Koblenz/Landau 2016 (Dissertation Universität Koblenz/Landau), S. 45.

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75

Distanzierung. Diese nennt Martin Buber „Urdistanzierung“, da sie dem Menschen eigen und

dem Vorbewussten untergeordnet ist. Sie ist also nicht durch Erfahrung erworben.

Diese strukturelle Distanzierung ist Prämisse, dass der Mensch sich unabhängig zur Welt

wahrnehmen kann. Er kann sich die Welt und das eigenen Ich (getrennt voneinander)

vorstellen. Damit sich der Mensch realisieren kann, fordert das Prinzip der Distanzierung laut

Buber das In-Beziehung-treten, ein potenzielles Überwinden dieser Distanz. Diese

Beziehungsfähigkeit stellt somit eine Potenzialität für den Menschen dar.

Als ein Beispiel kann hier die Beziehung zwischen der Mutter und dem (Klein-)Kind

beschrieben werden, die diesen Prozess der Urdistanzierung als erstes Beziehungsgeschehen

jedes menschlichen Lebens verdeutlichen soll.243

In dieser Beziehung ist eine Einheit zwischen der Mutter und dem Kind vorhanden, die

sich im Laufe der frühkindlichen Entwicklung (ver-)ändert. In der ersten Zeit kann der

Säugling nur in Bezug zur Mutter, zu einem Du, existieren. Nach und nach kann sich das

Kleinkind von diesem Du ablösen und zu einem eigenständigen Ich werden. Dadurch kommt

ein Bruch zwischen dem Ich und der Realität zustande. Die Urdistanz findet in diesem

Augenblick ihren Ausgangspunkt:

Nun erst erfährt er die Dinge als Summe von Eigenschaften: Eigenschaften waren wohl aus jedem Beziehungserlebnis, dessen erinnertem Du zugehörig, in seinem Gedächtnis verblieben, aber nun erst bauen sich ihm die Dinge aus ihren Eigenschaften auf.244

Von diesem Ausgangspunkt her kann das Ich zwei Grundworte sprechen, die es in seinem

Zusammenhang erfahren hat und kann Beziehung und Erfahrung voneinander trennen und in

einem kausalen Zusammenhang deuten. Somit zeigt uns hier die Sprache das vermittelte

Umgehen mit der Welt. Die Sprache schafft hier eine Distanz zwischen der Welt und dem Ich,

sprich einen Bruch zwischen mir und der Welt. In Bubers Überlegungen schafft dahingehend

die Sprache die verschiedenen Haltungen zur Welt und verweist auf spezifische Momente.245

Buber stellt in diesem Zusammenhang am Anfang seines wichtigsten Werks des

„Dialogischen Prinzips“ Ich und Du diese Haltungen zur Welt: „Die Welt ist dem Menschen

243 Martin Buber gibt in seinem Buch Ich und Du, S. 19-22 und S. 24-28 das Beispiel in den Sprachen der „Primitiven“ an, „deren Leben sich in einem schmalen Umkreis gegenwartsstarker Akte aufbaut“, vgl. dazu auch die Ausführungen in Dilger, Das dialogische Prinzip, S. 33-35. 244 Buber, Ich und Du, S. 245 Vgl. Simon Zangerle: Martin Bubers Philosophie des Dialogs und die Existenzanalyse, in: Existenzanalyse 31 (2017), S. 16-27, hier: S. 19f.

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76

zwiefältig nach seiner zwiefältigen Haltung. Die Haltung des Menschen ist zwiefältig nach

der Zwiefalt der Grundworte, die er sprechen kann.“246

So kann für Martin Buber die Welt erst entstehen, wenn der Mensch sich von seinem

eigenen (Lebens)-bereich abrückt und sich anschließend in seiner Welt ergänzt. Dies kann ein

möglicher Ausgangspunkt für einen Prozess der Veränderung des Ichs im In-Beziehung-treten

darstellen. Ob und wie der Mensch zur Welt in Beziehung tritt, kann nicht vorbestimmt

werden. Distanzierungsvorgang ist lediglich Ermöglichung eines Beziehungsakts, ist aber

nicht an diesen gebunden. Das heißt auf anderer Ebene auch, dass das Verwirklichen des

Menschseins einer Kontingenz unterliegt, es ist durchaus möglich, aber nicht zwingend

notwendig.

Wie bereits ersichtlich wurde, ist Beziehung Dreh- und Angelpunkt für Martin Bubers

Philosophie. In ihr sieht er das wesentliche Merkmal der Verwirklichung des Menschseins

verankert. Sowohl Distanzierungsakte, als auch Beziehungsgeschehen sind Kriterium. Der

Mensch verhält sich darüber hinaus in Distanzierungs- und Beziehungsabläufen

unterschiedlich zur Welt. Diese Arten, wie der Mensch in Relation zur Welt steht, nennt

Martin Buber Grundhaltungen/Grundworte. Grundworte zu sprechen bedeutet dahingehend

für Buber, eine bestimmte Haltung zur Welt einnehmen.247 Daran lässt sich die Anthropologie

Martin Bubers festmachen. Er sieht das Mensch-sein im Einnehmen einer bestimmten

Haltung zur Welt und zum Anderen verankert.

Die „zwiefältige“248 Haltung, die der Mensch zu Dingen und Mitmenschen in der Welt

einnehmen kann, wird durch seine Urdistanz und des In-Beziehung-Tretens ermöglicht. Beim

Vorgang der Distanzierung können Menschen und Dinge zum Es werden, bei

Beziehungsabläufen folglich zum Du. Aus dieser Zwiefältigkeit resultieren die zwiefältigen

Grundworte, die der Mensch sprechen kann. Es sind die Wortpaare Ich-Es und Ich-Du.

Die Wortpaare mit den beiden unterschiedlichen Korrelata „Es“ bzw. „Du“ bezeichnen für

Buber zwei verschiedene Weisen sich zur Welt in ein Verhältnis zu setzen. Martin Buber zieht

die Konsequenz daraus: „Somit ist auch das Ich des Menschen zwiefältig.“249 Die Grundworte

können nur als Wortpaar auftreten. Das menschliche Ich ist nicht losgelöst vom Es oder Du,

für sich seiend, denkbar. Es ist nur in einem Grundwort verankert. Es bildet immer einen Teil

246 Buber, Ich und Du, S. 3. 247 Ebd. 248 Ebd. 249 Vgl. ebd.

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des Grundverhältnisses zur Welt. Martin Buber schreibt dazu: „Es gibt kein Ich an sich,

sondern nur das Ich des Grundworts Ich-Du und das Ich des Grundworts Ich-Es.“250 Diese

beiden Grundworte, Ich-Es und Ich-Du, sind parallel zwei verschiedenen Haltungen und

stehen für zwei grundsätzlich mögliche Arten des In-der-Welt-seins. Das Grundwort Ich-Es

steht dabei für „Erfahrung“, das Grundwort Ich-Du steht im Gegensatz dazu für „Begegnung“

und „Beziehung“. 251 In Martin Bubers Worten: „Die Welt als Erfahrung gehört dem

Grundwort Ich-Es zu. Das Grundwort Ich-Du stiftet die Welt der Beziehung.“252Diese beiden

Grundworte Ich-Es und Ich-Du werden nun erläutert, um das Verhältnis der Korrelata besser

verstehen zu können und die Unterschiede dieser beiden Grundwörter aufzuzeigen.

6.1.1 Das Grundwort Ich-Es

Spricht der Mensch Ich-Es, so erfährt er die Welt und ist nicht mir ihr verbunden. Der Mensch

distanziert sich von der Welt. Er betrachtet die Welt als ein Objekt, um sie beobachten zu

können. Dieses Es, das das Ich erfährt und beobachtet, ist nicht das Andere, sondern nur das,

was der/die Erfahrende subjektiv wahrnimmt.253 Es kann als ein Besitzen und Gebrauchen der

Welt beschrieben werden. Charakteristika dieser Es-Welt sind folgende:

1) Die Es-Welt kann bestimmt werden. Sie ist beschreibbar, objektivierbar und darstell-

bar. Sie ist an Raum und Zeit gebunden und unterliegt einer Kausalität.254 Der Mensch

kann dieses Sein wahrnehmen und in ihrem Zusammenhang von Raum und Zeit deu-

ten. Der Mensch kann, weil er nicht in Beziehung zu seinem Gegenüber steht, sondern

von ihr distanziert ist, die Welt erfahren und Aussagen über sie machen.

2) Um die Welt kontrollieren, gebrauchen und benützen zu können, ist das Ich-Es-

Verhältnis von Wichtigkeit. Erst in der Es-Welt kann der Mensch sich mit dem Ande-

ren verständigen, da die Welt hier als Welt von Objekten und bestimmten Erfahrungen

betrachtet wird: „Und in allem Ernst der Wahrheit, du: ohne Es kann der Mensch nicht

leben. Aber wer mit ihm allein lebt, ist nicht Mensch.“255 Dies ist die Voraussetzung,

um einen Alltag zu führen. Wenn das Leben auf die Ich-Du-Beziehung erschöpft oder

begrenzt ist, fehlt dem Menschen etwas Wichtiges.

250 Buber, Ich und Du, S.8. 251 Vgl. Zangerle, Martin Bubers Philosophie, S. 20. 252 Buber, Ich und Du, S. 6. 253 Diese Beschreibung gleicht Kants Vorstellung der Erfahrung. Die Erfahrung ist auch bei ihm nur ein Bild der Gegenstände, wie sie dem Menschen erscheinen und nicht das, wie sie wirklich sind. Erfahrung findet immer im Subjekt der Erfahrung selbst statt, sie ist nicht zwischen dem Ich und der Welt. 254 Vgl. Buber, Ich und Du, S. 36. 255 Buber, Ich und Du, S. 34.

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3) In dem Grundwort Ich-Es ist das Grundwort einer Trennung inbegriffen, das heißt,

dass der/die Erfahrende keinen Anteil an der Welt hat, da der Mensch in sich selbst die

Welt erfährt: „Der Erfahrende hat keinen Anteil an der Welt. Die Erfahrung ist ja ‚in

ihm‘ und nicht zwischen ihm und der Welt. Die Welt hat keinen Anteil an der Erfah-

rung. Sie lässt sich erfahren, aber es geht sie nichts an, denn sie tut nichts dazu, und ihr

widerfährt nichts davon.“ 256 Das bedeutet, dass im Grundwort der Trennung der

Mensch sich in einem Monolog verhält.

4) Vergangenheit ist das Tempus dieses Grundwortes. Durch das Gebrauchen und Erfah-

ren der Dinge und Gegenstände in seiner Umwelt, lebt er mit ihnen. Er schließt somit

die Gegenwart einer Beziehung mit anderen Menschen aus. Martin Buber schreibt da-

zu: „Wesenheiten werden in der Gegenwart gelebt, Gegenständlichkeiten in der Ver-

gangenheit.“257 Im Moment des Beschreibens, ist nämlich der Gegenstand/das Be-

schriebene schon vorbei.

5) „Ich erfahre Etwas.“258, schreibt Marin Buber. In der Sprache manifestiert sich ein we-

sentliches Merkmal der Ich-Es-Welt: Das Ich tritt nicht über die Urdistanz hinaus und

beschreibt die Dinge in der Welt stets im Akkusativ und in der dritten Person. So sieht

sich das Ich als das erfahrende und beschreibende Subjekt in der Welt.

In dieser Ich-Es-Beziehung ist das Ich ein Eigenwesen. „Das Eigenwesen wird sich

seiner selbst als ein So-und-nicht-anders-seienden bewusst.“ 259 , erläutert Martin

Buber. Das Eigenwesen sieht sich als das, was es ist, als „So bin ich.“260 Es grenzt sich

in dieser Beziehung vom Gegenüber ab und hebt die Dinge hervor, die es vom Es

unterscheidet. Die Unterschiede sind für das Ich mehr von Bedeutung als das Ich und

das Du in einem Verhältnis zueinander zu sehen.261

Die Es-Welt ist nicht vermeidbar, sie ist notwendig, da sie unsere (Um-)Welt darstellt. Die

Gefahr liegt in der Totalisierung der Ich-Es-Beziehung, das heißt, dass dem Ich die Welt nur

mehr unter diesem Blickwinkel begegnet und damit eine reine Objektwelt entstehen kann.262

Deshalb beschreibt Martin Buber das zweite Grundwort als ein Grundwort der Beziehung und

Begegnung.

256 Buber, Ich und Du, S. 6. 257 Ebd., S. 13. 258 Ebd., S. 5. 259 Ebd., S. 62. 260 Ebd. 261 Vgl. Zengerle, Martin Bubers Philosophie, S. 25. 262 Grimme, Hans-Werner: Ich - Du - Ewiges Du. Religionsphilosophische Aspekte der Dialogik Martin Bubers, Stuttgart: Ibidem 2002, S. 93.

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6.1.2 Das Grundwort Ich-Du

Dieses Grundwort findet im Hier und Jetzt seine Zeit. Spricht das Ich zu einem Gegenstand

oder einem Mitmenschen in der Welt das Wort Du, tritt das Ich in eine Ich-Du-Beziehung ein.

Das Leitwort dieser Beziehung ist der Dia-log. Es kommt zu einer „aktualen Begegnung“, das

bedeutet, dass das Du dabei immer gegenwärtig und wirklich ist. Martin Buber möchte dabei

Wirklichkeit als eine Wirkmacht beschreiben, die an Ich und Du gebunden ist:

Wer in Beziehung steht, nimmt an einer Wirklichkeit teil, das heißt: an seinem Sein, das nicht bloß an ihm und nicht bloß außer ihm ist. Alle Wirklichkeit ist ein Wirken, an dem ich teilnehme, ohne es mir eignen zu können. Wo keine Teilnahme ist, ist keine Wirklichkeit.263

Wirklichkeit kann Buber selbst nur in Relation zu einem Gegenüber denken, da alle

Wirklichkeit auch ein Wirken am Anderen darstellt. 264 Denn „Alles wirkliche Leben ist

Begegnung“.265 Diese Begegnung prägt die Realität. Spezifika, die diese Ich-Du-Begegnung

ausmachen, werden im folgenden Abschnitt erläutert:

1) Ich-Du-Beziehung kann nicht nur von den beiden Partnern alleine hergestellt werden.

Die beiden Partner/Partnerinnen können jeweils für das Beziehungsgeschehen nur of-

fen sein, das heißt, dass nur die Möglichkeit einer Beziehung vorhanden sein kann. Es

braucht immer die „Gnade“ vom Gegenüber. Beziehung ist also möglich, aber nicht

zwingend notwendig.

2) Martin Buber postuliert: „Den Menschen, zu dem ich Du sage, erfahre ich nicht. Aber

ich stehe in Beziehung zu ihm, im heiligen Grundwort. Erst wenn ich daraus trete, er-

fahre ich ihn wieder. Erfahrung ist Du-Ferne“.266 In der Ich-Du-Beziehung stellt das

Du kein beschreibbares Objekt im Gegensatz zum Es dar. Das Gegenüber ist gegen-

wärtig und unmittelbar, er ist dahingehend kein zu gebrauchender und zu benützender

Gegenstand.

3) „Beziehung ist Gegenseitigkeit.“, formuliert Martin Buber. Gegenseitigkeit ist in die-

sem Sinne ein weiteres Merkmal der Beziehung zwischen dem Ich und Du. Das heißt,

es ist Platz für einen Dialog. Beziehung beruht auf Gleichwertigkeit der Beteiligten.

Es kann zu keinem Gefälle zwischen Ich und Du kommen, wie es in der Ich-Es-Welt

263 Buber, Ich und Du, S. 61. 264 Vgl. Zangerle, Martin Bubers Philosophie, S. 19. 265 Buber, Ich und Du, S. 12. 266 Ebd., S. 9.

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der Fall ist: Dort wird der Monolog durch Beobachter/in und beobachteten Gegenstand

charakterisiert. Das heißt, dass in der Ich-Du-Beziehung die Partizipation beider Sei-

ten vorhanden sein muss.267

4) „Nur dadurch, dass das Du gegenwärtig wird, entsteht Gegenwart“268, beschreibt Mar-

tin Buber. Beziehung kann erst in Gegenwart entstehen. Das Ich muss das gegenüber-

stehende Du in einer Beziehung denken und es als sein (ansprechbares) Gegenüber er-

kennen. Erst in dieser Form der Begegnung kann Beziehung zwischen Ich und Du ent-

stehen. Das Ich muss sich, um sich in der Welt verwirklichen zu können, der Welt zu-

wenden und kann nicht in einer Distanz zur (Um-)Welt verharren.

5) Jede Ich-Du-Beziehung ist zeitlich begrenzt, sie kann nicht ewig sein, denn „In bloßer

Gegenwart lässt sich nicht leben, sie würde einen aufzehren, wenn da nicht vorgesorgt

wäre, dass sie rasch und gründlich überwunden wird.“269, stellt Martin Buber fest. Das

Ich kann zum Du nicht in einer dauerhaften Beziehung stehen. Daraus lässt sich fol-

gern, dass jedes Du nach Beendigung des Beziehungsgeschehens wieder ein Es wer-

den muss. Dieses Es hat die Möglichkeit, nach Heraustreten des Beziehungsgescheh-

nisses wieder Du in einem anderen Akt zu werden. Es ist das „Erwähltwerden und Er-

wählen“270, „Aktion und Passion“271 bei Buber. Das heißt, das „aktuale“ Du hängt mit

dem „latenten“ Du in einem engen Zusammenhang – es ist immer die Möglichkeit für

das Es vorhanden, eine Beziehung mit dem Ich eingehen zu können.

6) In der Ich-Du-Beziehung wird das Ich zur Person, da es mit anderen Personen in Be-

ziehung tritt. Es stellt kein empfindendes und erfahrendes Subjekt mehr dar.272 Das

heißt, dass es unverfälscht dem Du gegenüberstehen kann und von ihm ebenso ange-

nommen wird. Es kann sich als ein Teil in der Welt erkennen. Es wird „zum wahren

Selbst“273 Das Ich ist nicht nur mehr „Eigenwesen“, das es in der Ich-Es-Beziehung

war, sondern tritt in eine Beziehung zur anderen Person. Das Ich will seinen Zweck

der „Berührung des Du“274 und die Erfüllung der eigenen Person im Beziehungsge-

267 Vgl. Evertz, Dialogisches Prinzip, S. 48. 268 Buber, Ich und Du, S. 13. 269 Ebd., S. 34. 270 Ebd., S. 11. 271 Ebd. 272 Vgl. Dilger, Irene: Das Dialogische Prinzip bei Martin Buber, Frankfurt am Main: Haag und Herchen 1983, S. 43. 273 Dilger, Das dialogische Prinzip, S. 31. 274 Buber, Ich und Du, S. 61.

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schehen finden. Person-Sein ist dahingehend mit einem dynamischen Akt im Verhält-

nis zum Du verbunden und nicht statisch zu verstehen.275

Die Beziehung, die der Religionsphilosoph in Ich und Du beschreibt, ist immer ausgehend

vom Ich. Er bezeichnet das Ich selbst als das „wahre Schibboleth der Menschheit.“276 Von

diesem Schibboleth Ich ausgehend versucht Martin Buber Beziehung und seine Anschauung

über Welt zu definieren. So beginnt auch sein Buch, wenn er die Zwiefältigkeit des Ich

beschreibt und damit die zwei Haltungen des Ich zur Welt erläutern möchte. Das Ich hat

immer eine bestimmte Intention, das Ziel ist also immer auf Beziehung, auf „die Berührung

des Du“ 277 ausgerichtet und unterliegt einer „Hinwendung“. Unter dieser Hinwendung

versteht Martin Buber eine aktive Grundbewegung, das Anrufen zum Du hin. Diese stellt eine

Antwort dar.

Die Grundbewegung ist tief mit dem „Reich des Zwischen“ verbunden, in dem sich

unterschiedliche, zwischenmenschliche Phänomene abspielen können. In diesem „Zwischen“

kann das Ich Unmittelbarkeit zum Du in der Beziehung erreichen. In der Beziehung darf

nichts zwischen dem Ich und dem Du stehen (wie zum Beispiel: Vorwissen, Phantasie etc.).278

„Die Sphäre des Zwischenmenschlichen ist die des Einander-gegenübers; ihre Entfaltung

nennen wir das Dialogische.“279, schreibt Martin Buber in seinem Aufsatz Elemente des

Zwischenmenschlichen. Es ist der Dialog, in dem Hinwendung zum Du geschehen kann. Das

Gegenteil dieser Hinwendung ist laut Martin Buber das „Rückbiegen“, das Eingehen in einen

Monolog, wo kein Dialog stattfinden kann und auch keine Möglichkeit der Beziehung mehr

vorhanden ist.

6.1.3 Liebe als das Wesen der Beziehung bei Martin Buber

„Beziehung ist Gegenseitigkeit. Mein Du wirkt an Mir, wie ich an ihm wirke.“280, schreibt

Martin Buber in Ich und Du. In der Hinwendung zum Du durch das Ich entsteht durchaus eine

Bewegung, die mit einer Wirkung zusammenhängt. Die Wirkung ist an das Du gebunden und

275 Vgl. Zangerle, Martin Bubers Philosophie, S.18. 276 Buber, Ich und Du, S. 64. 277 Ebd., S. 61. 278 Vgl. Dilger, Das Dialogische Prinzip, S. 41. 279 Martin Buber: Elemente des Zwischenmenschlichen, in: ders.: Die Schriften über das dialogische Prinzip, Heidelberg: Lambert Schneider 1954, S. 262. 280 Buber, Ich und Du, S. 16.

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kohäriert mit der Liebe. Das Ich versucht laut dem Religionsphilosophen am Du unmittelbar

durch die Liebe zu wirken.

Gefühle werden ‚gehabt‘; die Liebe geschieht. Gefühle wohnen im Menschen; aber der Mensch wohnt in seiner Liebe. Das ist keine Metapher, sondern die Wirklichkeit: die Liebe haftet dem Ich nicht an, so dass sie das Du nur zum ‚Inhalt‘, zum Gegenstand hätte; sie ist zwischen Ich und Du.281

Liebe wird in Martin Bubers Erörterungen nicht als ein menschliches Gefühl dargestellt,

sondern sind im „Zwischen“ situiert und beschreibt die „Verantwortung eines Ich für ein

Du“282 Im Gegensatz zur Liebe sind Gefühle Begleiterscheinungen der Beziehung und der

Liebe „machen sie jedoch nicht aus“283. Sie können lediglich „gehabt“ werden. Sie sind im

„Drinnen“ des Menschen verankert. Im Gegensatz zu den Gefühlen, den Affekten, ist die

Liebe das Moment, das im „Zwischen“ der Menschen „geschieht“. Jemanden als Person

wahrzunehmen, ihn anzunehmen und zu erkennen, das ist das Wesen der Liebe bei Martin

Buber. 284 Liebe, so verstanden, ist eine grundsätzliche Haltung in der Relation zum

Gegenüber, nicht eine Emotion im Subjekt. 285 Sie will nicht unersättlich „erfahren und

gebrauchen“, nimmt das Gegenüber nicht als Objekt der Erfahrung wahr.286

Wenn das Ich das Gegenüber als Ganzes wahrnimmt, kann sich das Ich aus der

Selbstbezogenheit und Gebundenheit der Welt entziehen und loslösen. Somit kann es zu einer

beidseitigen Ich-Du-Beziehung der Ausschließlichkeit kommen. Erst in dieser

Ausschließlichkeit und Gegenwart des Beziehungsgeschehens kann das „Geheimnis der

Wechselwirkung“287 (und Gegenseitigkeit) im Zwischen des Ichs und Dus vollzogen werden.

Wer diese Wechselwirkung in Liebe nicht wahrnimmt und das Gegenüber als Ganzes und

nicht in seiner Einmaligkeit sieht und dies ablehnt, ist dadurch auch in seiner eigenen

Verwirklichung des Menschseins behindert. Das heißt, dass auch die Liebe dort an Grenzen

stößt, wo in der Beziehung zwischen Ich und Du Ablehnung oder Wahrnehmungsdefizite

auftreten. So kann ausgesagt werden, dass das Wesen der Beziehung zwischen dem Ich und

dem Du die Liebe selbst ist.

281 Buber, Ich und Du, S. 15. 282 Ebd. 283 Ebd. 284 Vgl. ebd., S. 43. 285 Vgl. ebd., S. 15f. 286 Michael Matzer: Die Möglichkeit der Liebe bei Martin Buber und dessen Atomismus im Personalen Zur Aktualität von Ich und Du, in: https://www.philosophie.ch/philosophie/highlights/liebe-und-gemeinschaft/die-moeglichkeit-der-liebe-bei-martin-buber-und-dessen-atomismus-im-personalen [abgerufen am 26. August 2019]. 287 Buber, Ich und Du, S. 15.

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83

6.1.4 Der Geist als Antwort des Ichs

Wie die bereits erläuterte Liebe als das Wesen der Beziehung zwischen Ich und Du sich im

Zwischen der Beziehung festmachen lässt, ist auch der Geist in der Dimension des Zwischen

zu verankern. Martin Buber beschreibt das Wesen des Geistes zwischen den beiden

Beziehungspartnern in Ich und Du folgendermaßen:

Geist in seiner menschlichen Kundgebung ist Antwort des Menschen an sein Du. Der Mensch redet in vielen Zungen, Zungen der Sprache, der Kunst, der Handlung, aber der Geist ist einer, Antwort an das aus dem Geheimnis erscheinende, aus dem Geheimnis ansprechende Du. Geist ist Wort. Und wie die sprachliche Rede wohl erst im Gehirn des Menschen sich worten, dann in seiner Kehle sich lauten mag, beides aber sind nur Brechungen des wahren Vorgangs, in Wahrheit nämlich steckt die Sprache nicht im Menschen, sondern der Mensch steht in der Sprache und redet aus ihr, – so alles Wort, so aller Geist. Geist ist nicht im Ich, sondern zwischen Ich und Du.288

Geist als Antwort-geben ist der Akt, der in der Hinwendung vom Ich an das Du dahingehend

im Zwischen geschieht. Es ist „Wort“, aber dieses Wort geht über das gesprochene Wort

hinaus und umfasst jegliche zwischenmenschlichen Interaktionen. „In diesem Antwort-geben

können wir nun sehr individuell und besonders sein. Insofern uns dieses Anwort-geben

gelingt, verwirklichen wir uns als Person“289, schreibt Simon Zangerle in seinem Artikel und

geht dabei auf die Gegenseitigkeit des Beziehungsgeschehens ein. Er versucht die

Auswirkungen auf das Ich in seinem dialogischen Wesen zu erläutern.

Geist ist bei Martin Buber primär Erwiderung vom Ich an das Du und darüber hinaus das

Ereignis, das zum Dialog, zur Begegnung zwischen den beiden beiträgt und unerwartet

geschieht. In der Hinwendung vom Ich zum Du kann der Geist hervorgebracht werden,

„entzündet“ wird er aber erst, wenn es zur wahren Begegnung kommt.290 „Der Geist ist also

nicht, sondern entsteht in der Begegnung, erst dann kann er sein.“, schreibt Evertz in seiner

Dissertation.291 Geist stellt somit die Folge des Begegnungsvorganges dar und kann Auslöser

für eine „lebendige Beziehung“ zum Du sein. „Er ist nicht wie das Blut, das in dir kreist,

sondern wie die Luft, in der du atmest. Der Mensch lebt im Geist, wenn er seinem Du zu

antworten vermag.“292, betont der Religionsphilosoph. In dieser „lebendigen Beziehung“ und

Antwort zum Du kann der Mensch am Du zum Ich werden293 Die Person kann sich erst neu

ausrichten, wenn sie in Beziehung zum Du steht. Das Du wirkt in dieser Beziehung

288 Buber, Ich und Du, S. 37. 289 Vgl. Zangerle, Martin Bubers Philosophie, S. 18. 290 Vgl. Dilger, Das dialogische Prinzip, S. 45-48. 291 Evertz, Dialogisches Prinzip, S. 44. 292 Buber, Ich und Du, S. 37. 293 Vgl. Buber, Ich und Du, S. 28.

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wesentlich auf das Ich ein und macht das Ich erst zur Person.294 So ist der Geist in Bubers

Überlegungen etwas Ermöglichendes.

6.2 Das Wesen des „echten Gesprächs“

In der Ich-Du-Beziehung kann Geist und Liebe im Zwischen wirken und Begegnung

zwischen Ich und Du ermöglichen. Das Ich wird dabei von der Beziehung wesentlich

beeinflusst, wie auch das Du. „Dieses Ich lebte in der Beziehung zum Menschen, die sich im

Gespräch verkörpert“, erläutert der Religionsphilosoph. Demzufolge kann sich eine lebendige

Beziehung auch in einem Gespräch äußern. Dabei ist das Gespräch nicht nur eine verbale

Kommunikation.

Martin Bubers These ist, dass des Menschen Sprechen im Wesentlichen einem „Gerede“

gleicht, denn sie sprechen nicht „wahrlich“ zueinander, sondern das Ich schafft sich selbst ein

Gegenüber als Projektionsfläche der Kommunikation.295 Diese Projektionsfläche gibt es aber

nur in der Welt des Ichs. Dieses postulierte „Gerede“ von Buber hindert den Menschen an

einer wahren Begegnung und Beziehung zum Gegenüber. Um ein wahres Gespräch

verwirklichen zu können, sollen sich beide Gesprächsteilnehmenden als Menschen anerkannt

fühlen. In Martin Bubers Worten: Der Mensch

(…) werde dessen inne, dass er anders, wesenhaft anders ist als ich, in dieser bestimmten ihm eigentümlichen einmaligen Weise wesenhaft anders als ich, und ich nehme den Menschen an, den ich wahrgenommen habe, so dass ich mein Wort in allem Ernst an ihn, eben als ihn, richten kann.296

Unter Innewerden versteht der Religionsphilosoph das Gegenüber in seiner Ganzheit und

„Einmaligkeit“ zu erfahren. 297 Dieses Innewerden wird nur ermöglicht, wenn beide

Partner/Partnerinnen das Du nicht als Objekt einer Betrachtung sehen. Das Ich muss das Du

als ein Du, als ein gegenwärtiges Subjekt, anerkennen. Martin Buber bezeichnet diesen Akt

als die „personale Vergegenwärtigung“298. Es gibt folgende Axiome, die das „echte Gespräch“

ausmachen. In seinem Aufsatz „Elemente des Zwischenmenschlichen“299 beschreibt er diese

wie folgt:

294 Vgl. Zangerle, Martin Bubers Philosophie, S. 18f. 295 Vgl. Buber, Elemente des Zwischenmenschlichen, S. 268. 296 Ebd., S. 269. 297 Ebd., S. 270. 298 Buber, Elemente des Zwischenmenschlichen, S. 270. 299 Ebd., S. 279-283.

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1) Ein echtes Gespräch kann nur in Hinwendung zum/zur Partner/in geschehen. Es ist

eine Hinwendung mit seiner gesamten Person. Damit erkennt er das Gegenüber als

eine „personhafte Existenz“. Das Ich nimmt das Du als seinen Partner/seine Partnerin

im Gespräch an. Es ist eine wahre Akzeptanz – ein regelrechtes Ja zur Person.

2) Jede/r, der an einem Gespräch teilnimmt, muss sich selbst einbringen, damit ein echtes

Gespräch funktionieren kann. Das wiederum bedeutet, dass die

Gesprächsteilnehmenden teilnehmen wollen und die Bereitschaft für ein Gespräch da

ist. Das Ich muss sich mit seiner ganzen Person in das Gespräch einbringen können

und das sagen, was er zu sagen hat. Er soll als ein einmaliger Mensch einen

einmaligen Platz im Gespräch haben.

3) Darüber hinaus soll das Gespräch nicht von Täuschung geprägt sein. Das, was gesagt

wird und das, was das Ich und das Du von sich preisgeben, muss „wahrlich“ sein. Erst

in der Abwendung der Scheinwelt können sich die beiden Partner/innen „wahrhaftig“

gegenüberstehen und das Gespräch kann Frucht bringen.

4) Echte Gespräche sind nicht vorprogrammierbar. Sie können nicht angeordnet oder gar

befohlen werden, sondern sie geschehen im Laufe des Gesprächs selbst.

In einem solchen wahren Gespräch kann die Berührung vom Ich zum Du vollzogen werden

und die Beziehung beidseitig Wirkung erzielen. Aber es wird auch Raum für etwas frei, das

nicht zu beschreiben ist. Es wird Raum für etwas Unbeschreibliches eröffnet.

6.3 Die Eröffnung eines Raumes der Gottesbegegnung

In seinem Buch: „Gottesfinsternis“ versucht Martin Buber ein Zwiegespräch zu beschreiben.

Das eine mit einem Fabriksmitarbeiter bezeichnet er als ein misslungenes, da keine

Begegnung zwischen dem Ich und dem Du stattfinden konnte. Der Fabriksarbeiter blieb

Martin Buber in seinem Gespräch fremd. Das andere mit einem Philosophen über das

„beschmutzte Wort Gott“ wird als „vollendet“ beschrieben.300 Beide Gespräche sind nicht

ausgewählt, da sie wissenschaftliche Aufzeichnungen belegen, sondern sind von subjektiver

Gestalt. Sie sind grundlegend verschieden, haben andere Ausgangssituationen und

Gesprächsteilnehmende. Sie sind auch verschieden, da sie anders zu einem Ende kommen.

300 Vgl. Martin Buber. Vorspruch. Bericht über zwei Gespräche, in: Martha Friedenthal-Haase und Ralf Koerrenz (Hg.): Martin Buber. Bildung, Menschenbild und Hebräischer Humanismus. Mit der unveröffentlichten deutschen Originalfassung des Artikels „Erwachsenenbildung“ von Martin Buber, Paderborn u.a.: Ferdinand Schöningh 2005 (Studien zum Judentum und Christentum), S. 4f.

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Das eine war unvollendet und hätte noch Zeit der Begleitung und Berührung benötigt.301 Das

andere ist vollendet, da beide Gesprächspartner sich „wahrlich“ gegenüberstanden. Das

Gespräch findet seinen Ausgang in einer Begegnung.302

Dieses vollendete Gespräch mit dem Philosophen über das Wort Gott sieht Martin Buber

als Zentrum seiner Überlegungen zum dialogischen Prinzip: „Das Gespräch war vollendet.

Denn wo zwei wahrhaft beisammen sind, sind sie im Namen Gottes.“ 303 Durch diesen

Abschluss der beschriebenen zwei Gespräche versucht Martin Buber wesentliche

Unterschiede von Gesprächen darzustellen und das echte Gespräch zu betonen.

Das echte Gespräch könne nach Buber dort stattfinden, wo die Axiome des Gesprächs

eingehalten werden. Was die echten Gespräche für Buber verbindet und eigen macht ist, die

Eröffnung einer Bedingung der Möglichkeit für einen Raum der Begegnung mit dem „Ewigen

Du“.

Freilich kann ein Christ/eine Christin in diesem Abschluss des Buches den Verweis auf das

Matthäusevangelium erkennen, wo Jesus ausspricht: „Denn wo zwei oder drei in meinem

Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen!“ (Mt 18,20). Darüber hinaus können

ebenso die Gedanken des französischen Philosophen Emmanuel Levinas in diesem Ausspruch

gefunden werden, wenn er formuliert, dass es keine Erkenntnis Gottes geben könne ohne die

Beziehung zum Anderen.304 In diesem Zusammenspiel wird auch die Relation von Gottes-

und Menschenbeziehung, zwischen Theo-logie und Anthropo-logie verortet, denn nur in der

Beziehung und Begegnung zum Mitmenschen kann es zu einer Erkenntnis Gottes kommen.

Denn jegliche Beziehungen zum Du „schneiden sich im ewigen Du“ 305 , ist Bubers

Überlegung und „Durch jedes geeinzelte Du spricht das Grundwort das ewige an.“306 Das

heißt, dass jede Form wahrer Beziehung im Sinne der Ich-Du Beziehung letztlich auf das

Ewige Du hin ausgerichtet ist. Für Buber ist diese wahre Beziehung, die er in einem echten

Gespräch verortet dann die absolute Beziehung, die „Erfülltheit der Beziehungen“307. Es ist

wie ein sehnlicher Schrei nach dem Du, durch den man versucht, das „Höchste“ durch ein Du

im Gespräch anzusprechen.308 Das „Ewige Du“ ist nicht an Raum und Zeit gebunden und

301 Vgl. Buber, Vorspruch, S. 3. 302 Vgl. ebd., S. 5. 303 Ebd., S. 5. 304 Emmanuel Levinas zitiert zum Beispiel in: http://www.denkberatung.de/texte/julius-schaaf-emmanuel-levinas/ [abgerufen am 27. August 2019]. 305 Buber, Ich und Du, S. 71. 306 Ebd. 307 Buber, Ich und Du, S. 71. 308 Vgl. Buber, Vorspruch, S. 5.

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bleibt immer das ewige Du, es kann nie zu einem Es werden, das heißt in eine Welt des

Objektiven, des Beschreibbaren übergehen. 309 Denn das ewige Du bleibt immer „das ganz

Andere.“310 Es unterliegt also nicht der irdischen Kausalität. Bubers Gottesvorstellung ist

demnach die eines dialogischen Gottes, zu dem die Menschen in Beziehung stehen und mit

dem sie kommunizieren können.

Wenn der Religionsphilosoph vom Ewigen Du spricht, dann bezieht er sich auf die

Exoduserzählung. Martin Buber stellt also die Eröffnung mit der Figur Gottes im Buch

Exodus in Verbindung.311 Es ist das Ewige Du, das zu Mose gesprochen hat, das das Volk

Israel aus der Sklaverei aus Ägypten befreit und in das gelobte Land geführt hat. Die Basis

seines dialogischen Prinzips bildet der Gott des Exodus, der „Ich-bin-der-ich-sein-werde“

(vgl. Ex 3,6).312 Mit diesem Vergleich wird deutlich, dass der Gott des Exodus ein Gott ist, der

sich dem Menschen offenbart, ihn befreit, führt, mit ihm spricht und in Beziehung zu ihm tritt.

Er ist ein dynamischer, naher Gott, der dem Menschen begegnet und nicht ein statischer ferner

Gott, der über den Menschen herrscht. In dieser Geschichte des Exodus wird das dialogische

Verhältnis zwischen Ewigen Du und dem Menschen deutlich zum Ausdruck gebracht. Diese

Begegnung zwischen Immanenz und Transzendenz schafft einen Raum für ein Gefühl der

Beziehung, für ein Gefühl des Vertrauens und für die Offenheit des Volkes Israels der

vollendeten Begegnung mit dem Ewigen Du.

In dieser Beziehung gibt es nichts Trennendes mehr und das Ich sieht im Du alles, nicht

nur Teile der Welt, sondern erkennt den (Ur-)Grund selbst. Wenn wahre Begegnung

stattfindet, dann ist „Gott in der Welt“313 und der Mensch begegnet dem Ewigen Du und kann

mit ihn in Beziehung und in ein Gespräch treten. „(…) all die Welt mit im Du begreifen, der

Welt ihr Recht und ihre Wahrheit geben, nichts neben Gott, aber auch alles in ihm fassen, das

ist vollkommene Beziehung.“ 314 Die vollkommende Beziehung bei Martin Buber heißt

Begreifen über das Du, das Gespräch und die Begegnung im Ewigen Du selbst zu finden.

Jegliches Suchen des Ewigen Du ist ohne Erfolg, denn laut Martin Buber kann man Gott

nicht finden, aber in der Begegnung, im Gespräch mit dem Anderen (wie zum Beispiel im

vorangehenden Beispiel im Gespräch über das Wort Gott mit dem Philosophen) wird Raum

dafür eröffnet:

309 Vgl. Buber, Ich und Du, S. 96. 310 Buber, Ich und Du, S. 75. 311 Vgl. Evertz, Dialogisches Prinzip, S. 50. 312 Ebd. 313 Buber, Ich und Du, S. 75. 314 Ebd.

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Man findet Gott nicht, wenn man in der Welt bleibt, man findet Gott nicht, wenn man aus der Welt geht. Wer mit dem ganzen Wesen zu seinem Du ausgeht und alles Weltwesen ihm zuträgt, findet ihn, den man nicht suchen kann.315

Im wahrhaftigen Hinwenden zum Ewigen Du, wo alle Schleier und Masken abfallen, da kann

erst die Möglichkeit der Eröffnung eines Raumes der Begegnung geschaffen werden. Diese

Begegnung ist nicht vom Ich herstellbar, sondern stellt ein Gnadengeschenk des Ewigen Du

dar. Das Ewige Du ist es, das sich dem Ich zuwendet und mit ihm in Beziehung treten möchte.

Es ist es, das die Intention für einen Raum der Begegnung zwischen Ich und dem Ewigen Du

schafft. Dabei ist aber die „Gnade“ Gottes nicht allein der Ausgangspunkt der wahren

Beziehung, sondern der Mensch muss selbst tätig werden und das Ich muss die Beziehung

„beginnen“.316

Im Sinne der Heiligen Texte kann das Ewige nicht einfach gefunden werden, denn es ist in

allem gegenwärtig. Über das Ewige kann das Ich zuallererst nur Aussagen machen, erst wenn

sich das Andere dem Menschen zuwendet, kann die Möglichkeit einer Beziehung eröffnet

werden.317 Das Ewige Du möchte im Sinne Martin Bubers mit dem Menschen kommunizieren

und um das Ewige für den Menschen zu sein, „braucht“ es den Menschen, es braucht das Ich.

Erst wenn Gott den Menschen anspricht, kann auch der Mensch zu einem Du werden. Dieses

Ansprechen ist die Prämisse für jegliche wahre (menschliche) Beziehung und den Dialog.318

Der Religionsphilosoph stellt diese große Frage des Sinns der menschlichen Existenz in

einem schöpfungstheologischen Hintergrund: „Warum gäbe es den Menschen, wenn Gott ihn

nicht brauchte, und wie gäbe es dich?“319 Nur so kann das Ich seine Einmaligkeit und das

Verhältnis zum Ewigen verstehen, das es in der Eröffnung des Raumes der Gottesbegegnung

in einem wahren Gespräch erkennen kann. Dann wird das Ewige Du ein ansprechbares.

So kann im Dialog ein möglicher Raum eröffnet werden, in dem Gotteserfahrung

stattfinden kann. Auch Dankbarkeit ist ein Akt, der vom Ich und Du abhängt und sich in

einem Gespräch vollzieht. Ob das über sich selbst hinaus weisende Gefühl der Dankbarkeit

ebenso als ein locus theologicus gedacht werden kann, ist die Frage, die an dieser Stelle

Überlegungen bedarf. Kann somit die Erfahrung der Dankbarkeit des Menschen einen Ort

darstellen, an dem Gotteserkenntnis über den Dialog mit dem Du stattfinden und somit als ein

315 Buber, Ich und Du, S. 75. 316 Vgl. Evertz, Dialogisches Prinzip, S. 50. 317 Ebd., S. 76f. 318 Ebd., S. 50. 319 Ebd., S. 78.

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Entstehungsort des Glaubens verstanden werden kann? Unterliegt dieser Ort der Begegnung

einer persönlichen Natur?

Im nächsten Abschnitt der Diplomarbeit wird auf diese fundamentaltheologischen

Fragestellungen eingegangen und es werden Überlegungen über das Verhältnis zwischen der

Dankbarkeit, dem Glauben und der Beziehung zu Gott unter Betrachtung Martin Bubers

dialogischem Prinzip gemacht. Dabei wird versucht, die Worte Martin Bubers in die

Erfahrung der Dankbarkeit in den Heiligen Schriften zu übertragen. Dadurch wird gezeigt,

dass Dankbarkeit als ein Ort der Begegnung etwas zutiefst Persönliches ist und nicht an

Religion und Konfession gebunden ist.

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7 Dankbarkeit als wahres Gespräch

Wahre Dankbarkeit ist ein Moment der Begegnung, in dem zwei Menschen 320 sich

„wahrhaftig“ gegenüberstehen. Damit kann gemeint sein, dass das Ich in einer Relation zum

Du steht. Zuerst hat das Du am Ich durch eine wohlwollende Tat gewirkt. Das Ich erkennt im

Gegenzug die Abhängigkeit zum Du und sein „Mitmenschsein“ in der Welt an und tritt in

Beziehung mit dem Du. In dieser Beziehung eines wahren Gesprächs können beide

Teilnehmenden wahrhaft Person werden.

Im nächsten Kapitel wird aufgrund der Ähnlichkeiten zwischen einem wahren Dankesakt

und einem wahren Gespräch versucht, Dankbarkeit als ein „wahres zwischenmenschliches

Gespräch“ darzustellen, das erfüllt werden kann und Raum für Begegnung schaffen kann.

Das Mitmenschsein, das in wahrer Dankbarkeit verwirklicht werden kann, unterliegt einer

Gegenseitigkeit. Beide Teilnehmer/innen wirken am je anderen. Dadurch kann erst ein

positives (Abhängigkeits-)Verhältnis zwischen Nehmer/in und Geber/in entstehen. 321 In

buberschen Sinn bedeutet es: „Mein Du wirkt an mir, wie ich an ihm wirke.“322

Die Gabe und der Dank, ist dabei dialogisch, das heißt, dass das Ich erkennt, dass es nicht

alles selbst im Griff haben kann, auf ein Du in der Welt angewiesen ist und diesem Du

gewisse Sachverhalte verdankt.

Damit nun wahre Dankbarkeit vollzogen werden kann, müssten die oben beschriebenen

Axiome eines echten Gesprächs funktionieren. Essentiell ist dahingehend, dass sich beide

Seiten wahrhaftig gegenüberstehen und den anderen im Gespräch als das wahrnehmen, das

er/sie ist.

In der Wahrhaftigkeit des/der Gebers/in und Nehmer/in ist Raum für die Erfahrung der

Dankbarkeit, in der zwei Menschen aufeinander in einem Dialog bezogen sind. Es kann kein

Monolog mehr stattfinden, wenn sich zwei Menschen in einem wahren Akt der Dankbarkeit

320 Buber, Ich und Du, S. 6: beschreibt drei verschiedene Sphären, auf denen Dialog passiert. Diese sind: „das Leben mit der Natur“,„das Leben mit dem Menschen“ und „das Leben mit den geistigen Wesenheiten“. Diese drei Ebenen können ebenso auf den Akt der Dankbarkeit übertragen werden: Das Subjekt kann dabei seinen Dank auf die Lebewesen und die Natur (Schöpfung) richten, ihren Ausdruck der Dankbarkeit auch auf zwischenmenschlicher Ebene verleihen, wenn sie einem Gegenüber dankbar ist und auf der dritten Sphäre einer metaphysischen Gestalt Dank abstatten, in den Heiligen Schriften ist dieser Dank auf den Schöpfer gerichtet. Wie auch Buber betont, ist der Dank auf erster Ebene ohne jegliche Gegengabe/-aktion, auf zweiter Ebene kann auch ein sprachlicher und handlungsabhängiger Akt geschehen; dritte genannte Sphäre ist etwas komplexer, da ein metaphysisches Sein im Du angesprochen wird. Dieser Aspekt wird im Folgenden erläutert. Dankbarkeit wird zuerst als eine Begegnung zwischen dem Ich und dem Du auf immanenten/horizontaler Ebene und anschließend auf der Beziehungsebene von Ich und dem Ewigen Du auf vertikaler/transzendenten Ebene. 321 Vgl. Schwarz, Dank als Gesinnung und Tat, S. 16f. 322 Ebd., S. 16.

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gegenüberstehen. Wirkliche Dankbarkeit ist dabei die Überschreitung von Konventionen, von

verbalen und nonverbalen Sprechhandlungen und von irdischen Wechselgeschäften. Es kann

gezeigt werden, dass sie weit über den Gabenaustausch hinaus reicht. Dies konnte bereits in

den Heiligen Texten der Bibel und des Korans zum Ausdruck gebracht werden.

Dankbarkeit greift tief in das Innere des Menschen ein und verändert die Menschen und

deren Ausrichtung im Leben. Zum Beispiel sind Anerkennung der eigenen Person und des

anderen und Wertschätzung des Gegenübers Begleiterscheinungen, die das Wesen der

Dankbarkeit ausmachen. In diesem Rahmen kann Möglichkeit für ein echtes Gespräch

zwischen zwei Menschen geschaffen werden. Das im Besonderen im Akt der Dankbarkeit

nicht nur an Verbalisierungen gebunden ist, sondern über diese hinaus reicht und die

menschliche Gefühlswelt aller Beteiligten berührt und sich vor allem in Gestik und Mimik zu

manifestieren versucht.

Als „Gedächtnis des Herzens“323 beschreibt in diesem Zusammenhang der Theologe Jean-

Baptiste Massillon die Dankbarkeit und betont dabei die Emotionalität, die sich mit dem Dank

in Verbindung bringen lässt. In diesem Sinne ist Dankbarkeit nicht nur ein rationaler Akt,

sondern eine Erfahrung im Inneren des Menschen und folgt der Logik des Herzens. Sie kann

erst durch die unterschiedliche Sprache324 des Menschen das Gegenüber, das Du, wirklich

erreichen. Erst in einer Äußerung des Dankes kann eine mögliche Begegnung stattfinden.

Grundvoraussetzung bleibt dabei die Ausrichtung zum Guten. Wie kann an dieser Stelle

Dankbarkeit als eine Begegnung mit dem Du beschrieben werden?

Wenn die Worte „Ich bin dir dankbar!“ zum Ausdruck kommen, kann ein Ort entstehen, in

dem Begegnung mit dem Du stattfinden kann. Das Ich tritt aus seiner Selbstbezogenheit,

seiner Urdistanz, heraus und kann das Du als den/die Gebenden an-erkennen. Im Du sieht es

die Wohlgesonnenheit und Zuwendung am Ich. Gegeben wird in einem wahren Akt der

Dankbarkeit ohne Intentionalität. Das Du verfolgt keinen Zweck und kein Ziel. Wenn das Ich

erfährt, dass die Gabe („Gratia“), gratis, ohne etwas zu erwarten vom Du gegeben wurde und

eine freiwillige Leistung darstellt, kann es sich dem Du auch wahrlich zeigen.325 Denn das Ich

erfährt dann, dass die Gabe ein Geschenk des Herzens ist, mit dem sich das Du dem Ich

liebend zuwenden möchte.

323 Jean-Baptiste Massillon (französischer Prediger, Theologe, Bischof und Kanzelredner [1663 – 1742]), in: https://www.gutzitiert.de/zitat_autor_jean-baptiste_massillon_thema_dank_zitat_5851.html [abgerufen am 19. August 2019]. 324 Unter dem Ausdruck Sprachen sind hier sowohl verbale als auch nonverbale Ausdrücke gemeint. 325 Schwarz, Dank als Gesinnung und Tat, S. 25.

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7.1 Liebe als das Zwischen in einem Dankesakt

„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“ (vgl. Lev 19,18 und Mt 22, 39 und Lk 10,27), heißt

es in biblischer Sprache. Dieses Gebot der Nächstenliebe im Alten sowie Neuen Testament

könnte in Verbindung mit der Dankbarkeit gebracht werden. So schwierig es auch ist, die

Kategorie der Liebe zu bestimmen, könnte man sagen, dass es gemeinsame Elemente

zwischen dem Wesen der Dankbarkeit und der Liebe gibt.

Liebe den/die Nächste/n und sei ihm/ihr dankbar für das, was er/sie dir gegeben hat, gibt

und geben wird, kann eine vergleichbare Aufforderung sein, die sich aus den Heiligen

Schriften ableiten lässt.

Nach Martin Bubers Auffassung des Liebesbegriffs kann Dankbarkeit als die Hinwendung

zum Ich verstanden werden. Hier erfährt das Ich, was das Du Gutes an ihm getan hat und dass

das Du dem Ich wohl gesinnt ist. Denn Liebe ist für das Ich gleichermaßen Verantwortung

zum Du. Beide Seiten können dann wahrlich aus der Selbstzentriertheit, einer egoistischen

Eigenliebe und einem Monolog heraustreten und den Dialog der Nächstenliebe in

Dankbarkeit wagen.

(Nächsten-)Liebe ist dahingehend auch mit der Anerkennung des Ich und des Du

verbunden. Einerseits muss das Ich erkennen, dass es wahre Hilfe benötigt, andererseits muss

sich auch das Du in einem Akt der Freiheit dem Ich zuwenden und ihm wohlwollend

gegenüberstehen. Somit kann in dieser Hinwendung ein Akt der zwischenmenschlichen

Nächstenliebe durch Dankbarkeit entstehen. Liebe ist insofern mit der Dankbarkeit

verbunden, da sie sich zwischen den beiden Gesprächspartnern abspielt und Raum für eine

zärtliche und wahrhaftige Zuneigung zum Anderen eröffnet, wie es auch das Wesen der Liebe

bei Martin Buber darzustellen vermag.

In diesem Akt wird das Ich und Du nicht in Liebe gefesselt, sondern kann sich in Freiheit

als Person entfalten, da es durch die Anerkennung auch sich selbst als einzigartige Person in

diesem wahren Gespräch wahrnehmen kann.326

Das metaphysische Zitat zur Dankbarkeit: „Gratias ago, ergo sum!“327, des Philosophen

Tadeuzs Styczen kann diese Personwerdung in einem Dankesakt beschreiben. Der Dankesakt

verweist auf das Ich, das in einer Abhängigkeit zum Du steht, die durchaus positiv ist. Das Ich

erkennt, dass Teil seines Seins vom Du abhängt und das Ich das Du braucht, um sich als

Person verwirklichen zu können. In einem „wahrhaftigen“ Dankesakt nämlich kann das Ich

326 Vgl. Buber, Ich und Du, S. 15. 327 Tadeusz Styczen: Danken heißt Beschenken, in: Seifert: Danken und Dankbarkeit, S. 68.

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seine Masken fallen lassen und als eine verletzliche und hilfsbedürftige Person, die sie im

Moment der Gegenwart und Zuwendung ist, vor dem Du stehen (vgl. dazu den Begriff

„Misericordia“). Wenn das Ich die Notwendigkeit des Dankesakt anerkennt und wahrnimmt,

kann das Ich erst wahrhaft Person werden und dem Du „wahrlich“ begegnen.

„Der Mensch hat oft das am notwendigsten, woran er am wenigsten denkt!“ 328, schreibt in

diesem Zusammenhang der Philosoph Sören Kierkegaard. Damit kann die Wichtigkeit eines

wahren Dankesakts im Leben des Menschen erläutert werden. Der Dankesakt geht über eine

irdische und zwischenmenschliche Begegnung hinaus. Er schafft Raum für mehr als die bloße

Begegnung. Das Ich kann in einem wahren Dankesakt das Du berühren und erfährt, was

Dankbarkeit mit seiner Person macht. Diese Begegnung kann einen Ort bieten, in dem

Unbeschreibliches für die Teilnehmenden sich abspielen kann. Es kann ein Raum eröffnet

werden, der auf etwas verweist, in dem eine Begegnung mit dem Anderen geschaffen wird,

für die die Sprache nicht mehr ausreichend ist.

7.2 Dankbarkeit als Ort der Gottesbegegnung

Wie bereits in dieser Arbeit mehrmals erwähnt und in diesem Kapitel in Bezug auf das wahre

Gespräch erläutert, ist Dankbarkeit ein äußerst komplexer Vorgang. Sie ist nicht immer

einfach zu erklären, wenn es darum geht, alle Komponenten eines Dankesakt zu beschreiben.

Zwischenmenschlicher Dank kann zwischen zwei Personen stattfinden, trotzdem eröffnet sich

„etwas“ in diesem Handlungs- und Sprechakt der Dankbarkeit, das wesentlich für die

Betrachtung der Dankbarkeit. Dieses Etwas ist wesentlich für die theologisch-philosophischen

Überlegungen.

Besonders wenn Martin Buber in „Gottesfinsternis“ erläutert, dass Begegnung mit dem

Anderen dort stattfinden kann, wo zwei oder mehrere in seinem Namen beisammen sind, wird

der Raum für das Andere noch einmal mehr betont. Wie könnte aber für dieses Andere in

einem Dankesakt ein wahrhafter Ort der Begegnung geschaffen werden? Wie kann er

geschaffen werden, wenn es doch das wahrhaft Andere ist?

Wenn das Ich in der wahrhaftigen Begegnung mit dem Du etwas wahrnimmt, das es nicht

auszuführen vermag, ist dennoch eine Tiefe da, die über das Du hinaus geht. In dieser Tiefe

kann in diesem Augenblick eine Möglichkeit der Erfahrung der Dankbarkeit gegeben sein, wo

das Geheimnis des Anderen sich vollziehen kann.

328 Sören Kierkegaard, zitiert in: Balduin Schwarz: Dank als Gesinnung und Tat, in Seifert, Danken und Dankbarkeit, S. 26.

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Diese Möglichkeit einer Begegnung mit dem Anderen wurde versucht, im dritten Kapitel

dieser Arbeit darzustellen. Dazu wurden verschiedene Heilige Texte ausgewählt und unter

dem Aspekt der Dankbarkeit beleuchtet. Auch in diesen Heiligen Texten geht es primär um

eine Antwort auf die Gabe, die Gnade Gottes, die sich wie ein Dialog zwischen dem Du und

dem Ich darstellen lässt. Dieser Dialog konnte auch als ein Ort der Gottesbegegnung in den

Heiligen Schriften erläutert werden.

Der Mensch hat im echten Gespräch zum Mitmenschen eine Möglichkeit geschaffen, zum

Ewigen Du vorzudringen. Das Ich hat eine Potenzialität geschaffen, den wahrlichen Grund

seiner Existenz zu erfahren. Wie Martin Buber es beschreibt: Wo zwei miteinander ins

Gespräch kommen, da kann der Ort für den Ewigen erkennbar werden.

Diese Tiefe, diese Erfahrung eines Geheimnisses, das über das Gespräch hinaus geht, kann

auch in Dankbarkeit erlebbar werden. So wie bei Martin Buber der Weg für die

Gotteserkenntnis der Weg über den Mitmenschen ist, so kann in einer ähnlichen Art und

Weise dazu die Dankbarkeit zum Mitmenschen ein Weg zur Dankbarkeit zu Gott und mehr

noch zur Begegnung mit den Anderen sein. An dieser Stelle kann für das Ich ein Raum

eröffnet werden, wo die Quelle seines eigenen Seins wahrgenommen werden kann. Im

Erkennen der eigenen Kontingenz wird eine Grenzerfahrung gemacht, die nicht mehr an Zeit

und Raum gebunden ist. Es kann zu einem Sprung kommen, der über das eigene Ich hinaus

geht und in das Bewusstsein des Transzendenten übergeht.

Das Ich kann im Du die Tat des Dankesaktes erkennen und darüber hinaus die

Einmaligkeit des Du erkennen, das dem Ich gegenübersteht. Die Begegnung mit diesem Du

kann nur in einem Verhältnis zum Ewigen Du erkannt werden.

In einem Verständnis der Heiligen Schriften könnte dieser Ort nämlich als ein Raum

gesehen werden, in dem sich das Geschöpf und der Schöpfer, das „ganz Andere“ 329 begegnen

können. In dieser Relation wäre dann auch das Du ein Geschöpf Gottes und das Ich erkennt

noch einmal mehr den Zusammenhang zwischen Ich und Du als Teil des gesamten

Schöpfungswerks des Ewigen Du. So kann der Dank an das Du gerichtet in der Verlängerung

auf die horizontale Linie ausgeweitet werden, denn auch das Du kann nur aufgrund der

Schöpfungstat des Ewigen Du existieren.

Die passende Antwort für das Ich ist dann der Dank selbst. In dieser Erfahrung der

Dankbarkeit ist sich das Ich, in den Worten der Heiligen Texte gesprochen, seiner

Abhängigkeit zum Schöpfer bewusst und kann sich zugleich in ganzer Freiheit dem größten,

329 Buber, Ich und Du, S. 75.

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persönlichen Liebes-Geschenk des Schöpfers seiner Existenz hingeben, denn „auch Gott

braucht dich – für ebendiesen Sinn des Lebens.“330, schreibt Martin Buber in Ich und Du.

Damit möchte er den Gedanken an den Sinn und Zweck der Schöpfung des Menschen zum

Ausdruck bringen. Das Ich kann in der Begegnung zum Du in Dankbarkeit den eigenen Sinn

seiner Schöpfung erkennen, die dem Ich einen wesentlichen und einzigartigen Teil in der

Schöpfung des Anderen verspricht. Erst durch ein „wahrhaftiges“ Ja zum Schöpfer kann ein

Raum für eine Begegnung mit dem Schöpfer eröffnet werden. Dieser Raum kann Angebot für

eine persönliche Gottesbeziehung sein. Persönlich insofern, da das Ich in dieser Beziehung

wahrhaftig dem Ewigen Du gegenübersteht und in einem Dialog der Dankbarkeit zu ihm tritt.

So wendet sich Gott seinem Geschöpf in Dankbarkeit zu, wenn das Ich den Raum der

Begegnung mit dem Ewigen betritt und dort das Unbeschreibliche erfährt.

In diesem Sinn kann der Dialog mit dem Du selbst das erste Ereignis seiner Anwesenheit

sein. Gott ereignet sich in seiner Nähe im Moment des Gesprächs mit dem Ich. Ausgehend

vom echten Gespräch zwischen dem Du und dem Ich, kann Gott erfahrbar werden und wird in

seiner Unzugänglichkeit, Transzendenz, Unfasslichkeit und Unaussprechlichkeit so nahe

vernommen. 331 Der Dankesakt und die Dankesgeste kann ein möglicher Ausdruck des

Naheseins Gottes in seiner Abwesenheit und Ferne sein.

Im echten Gespräch zum Mitmenschen kann sich ein Raum eröffnen, der an die Nähe

Gottes, an die Nähe des Ewigen Du gebunden ist und sich in der Erfahrung der Dankbarkeit

manifestiert. Auch Martin Buber erkennt im Mitmenschen selbst die eigentliche Gleichung für

die Beziehung zu Gott selbst. In Martin Bubers Worten: „Die Beziehung zum Menschen ist

das eigentliche Gleichnis der Beziehung zu Gott: darin wahrhafte Ansprache wahrhafte

Antwort zuteil wird.“332 Das heißt auch, wie in der Tradition des Islams berichtet wird:

„Derjenige, der anderen gegenüber nicht dankbar ist, ist nicht dankbar gegenüber Allah.“333

Darüber hinaus kann im vollendeten Gespräch, in der Erfahrung der Dankbarkeit, nicht nur

Gottesbegegnung generiert werden, sondern auch ein Ort geschaffen werden, in dem Glauben

wachsen kann. Wenn das Ich dem Ewigen Du begegnet, können sie sich in einem

Vertrauensakt zuwenden, in dem Geschöpf und Schöpfer zueinander in besonderer Weise in

Beziehung gesetzt werden.

330 Buber, Ich und Du, S. 78. 331 Vgl. Buber, Ich und Du, S. 74. 332 Buber, Ich und Du, S. 99. 333 Tirmidhi, Hadith, S. 366.

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7.3 Dankbarkeit als Ursprung des Glaubens

Wenn Gott in der Begegnung der Dankbarkeit das Angebot der Gottesbegegnung stellt, kann

der Mensch mit einer Antwort des Glaubens agieren. Das Ich kann „Ja“ zu dem sagen, was es

an Tiefe in diesem Akt der Dankbarkeit und Beziehung erlebt und erfährt. Dann kann der

Glaube eine mögliche Antwort auf die Selbstoffenbarung Gottes in Vertrauen zwischen Ich

und dem Ewigen Du sein. In der Sprache der Heiligen Texte wird in diesem Vertrauensakt das

Verhältnis zwischen Schöpfer und Geschöpf zum Ausdruck gebracht. Glaube ist dabei ein

Geschenk. Glaube ist immer Gnade des Ewigen Du. Glaube kann nicht vom Ich generiert

werden, sondern Glaube ist

(…) die Realisierung der Gnade Gottes im Menschen. Weil beim Glauben Gott der Schenkende und der Mensch der Empfangende ist, darum gibt es nicht einen Lohn nach Leistungsprinzip. Glauben heißt, sich von Gott beschenken lassen.334

Der Geschenkcharakter ist nach Gerhard Friedrich eng mit dem menschlichen Glauben

verbunden. In diesem Geschenkcharakter können Ähnlichkeiten mit den Erzählungen des

Gottes des Exodus gefunden werden. Der Gott des Exodus aus dem Alten Testament steht mit

seinem Volk Israel in einem positiven Beziehungsverhältnis. Er wirkt in seinem Volk und das

Volk Israel antwortet seinem Gott.

Auch Martin Buber bezieht sich primär auf die Exodusgeschichte, in der das Ewige Du als

ansprechbarer Gott seinem Volk gegenübertritt. Das Volk lernt aus der Geschichte, seinem

Gott Vertrauen zu schenken. So ist die Beziehung zwischen dem Ich und dem Du in der

Exodusgeschichte von Vertrauen geprägt. In Bezug auf die Dankbarkeit ist dieses Vertrauen

ein Vertrauen auf den Geber, dass dem Ich das geschenkt wurde, wird und werde, was das Ich

zur Verwirklichung seiner Person benötigt.

Dabei ist Vertrauen die Verbundenheit und eine positive Haltung und Hinwendung vom Ich

zum Du. In buberschen Worten ist genau diese Ich-Du-Beziehung eine Beziehung des

Vertrauens. Das Ich erkennt ein Getragen-werden vom Gegenüber und kann dem Du

vertrauen. Das Ich findet dahingehend Halt im Seinsgrund, im Ewigen Du.335 In diesem

Vertrauen kann ein Raum eröffnet werden, in dem Glauben als die positive Hinwendung zum

334 Friedrich, Glaube und Verkündigung, S. 112. 335 Vgl. Zangerle, Martin Bubers Philosophie, S. 22.

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Sinn des Lebens wachsen kann. Dieser Glaube ist dann primär „Vertrauenssache“336 in der

Beziehung zwischen den Menschen und einem möglichen Sinn der Existenz.

Der Glaube stellt hier nicht ein Gefühl und im Herzen des Ichs dar, „sondern sein Eintritt

in die Wirklichkeit, in die ganze Wirklichkeit, ohne Abstrich und Verkürzung. Diese

Feststellung ist einfach; aber sie widerspricht der Denkgewohnheit“337. Das heißt, der Glaube

begrenzt sich nicht nur über die Texte der Heiligen Schriften und deren Bekenntnisse, sondern

geht in den Erfahrungshorizont der Menschen hinein.

Glaube geht in die Erfahrung der Dankbarkeit hinein und lässt das Ich dort erkennen, dass

es wahrhaftig und einmalig eine Begegnung mit dem Ewigen Du im Gespräch vollziehen

kann. Durch die Dankbarkeit kann dann ein Raum eröffnet werden, wo der Glaube die Welt in

ihren kleinen Teilen zusammenhält und die Wirklichkeit ein wenig mehr verstehen lässt.

Glaube kann dann einen Weg zeigen, wie man die Welt in einem Blick auf den Anderen in

einem positiven Verhältnis des Vertrauens wahrnehmen kann.

Glaube kann im Beziehungsverhältnis der Dankbarkeit zwischen dem Ich und dem Ewigen

Du als ein reiner Vertrauensakt gesehen werden,338 dessen Initiative immer von Gott ausgeht,

da er im Dankesakt dem Menschen als der Gebende, gegenübersteht. Der Glaube und ebenso

die Dankbarkeit ist dabei etwas tiefst Persönliches, die/das sich im Inneren des Menschen

abspielt. Josef Ratzinger erläutert in Bezug auf den Glauben als eine persönliche und geteilte

Angelegenheit, Folgendes in einem Interview mit dem Jesuitentheologen Jacques Servais:

Es geht um die Frage, was Glaube ist und wie man zum Glauben kommt. Glaube ist einerseits eine höchst persönliche Berührung mit Gott, die mich ins Innerste hinein trifft und mich ganz unmittelbar dem lebendigen Gott gegenüberstellt, so dass ich ihn anreden, ihn lieben, mit ihm in Gemeinschaft treten kann. Aber dieses höchst Persönliche hat doch zugleich untrennbar mit Gemeinschaft zu tun: Zum Wesen des Glaubens gehört es, dass er mich in das Wir der Kinder Gottes, in die Weggemeinschaft mit den Brüdern und Schwestern hineinnimmt. Die Begegnung mit Gott bedeutet immer zugleich, dass ich selbst geöffnet, aus meiner Verschlossenheit herausgerissen und in die lebendige Gemeinschaft der Kirche hineingenommen werde. Sie vermittelt mir auch die Begegnung mit Gott, der mich dann freilich ganz persönlich ins Herz trifft.339

336 Klaus Müller: Glauben und Wissen oder: Das Christentum auf dem Areopag der Philosophie, in: Johann Reikerstorfer und Josef Kreiml: Suchbewegungen nach Gott. Der Mensch vor der Gottesfrage heute, Frankfurt am Main/Berlin u. a.: Peter Lang 2007 (Religion, Kultur, Recht 5), S. 106. 337 Martin Buber: Gottesfinsternis, Mit Entgegnung „Religion und Psychologie“ von C.G. Jung, Gerlingen: Lambert Schneider 21994.), S. 7. 338 Vgl. Steindl-Rast, Dankbarkeit, S. 83. 339 Interviews mit Benedikt XVI.: Der Jesuitentheologe Jacques Servais im Gespräch mit dem emeritierten Papst über die Frage „Was ist der Glaube, und wie kommt man zum Glauben?“, in: https://kathspace.com/papst-und-vatikan/interview-mit-papst-benedikt-xvi/1708/ [abgerufen am 27. August 2019].

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Dankbarkeit findet zuerst im Ich statt und in einem Beziehungsverhältnis, aber wie auch in

den Heiligen Schriften zum Ausdruck kam, kann eine lebendige Beziehung in der

Gemeinschaft, im Aussprechen in der Gemeinschaft vollzogen werden. Dankbarkeit kann nur

als ein (öffentliches) Bekenntnis eine Möglichkeit sein, sich dem Glauben an Gott in der

Gemeinschaft hinzuwenden. Da geschieht der Glaube dann nicht nur im Verborgenen,

sondern reicht nach außen in die Communio und kann dort eine Potentialität eines Freudens-

und Glaubensakts geben. So kann wahre Dankbarkeit ein Akt der Be-kenntnis zum Ewigen

Du sein, ohne Anerkennung, ist sie keine wahre Dankbarkeit, da auch ein Glaube ohne

Bekenntnis kein Glaube ist. 340 Diese Form in der Communio kann dann als ein

gemeinschaftsstiftendes Element gedeutet werden, wo sich die Dankenden auf die

gemeinsamen Wurzeln in der Welt, auf das Ewige Du selbst rückbesinnt und sein

Gnadengeschenk an-erkennt.

Primär geht es nicht darum, den wahren Glauben zu verstehen, sondern das Leben als ein

Leben in Abhängigkeitsverhältnissen und in diesem Sinne dankbar dem ganzen Leben

entgegenzutreten. Wenn der Mensch die Dankbarkeit als die Quelle des Glaubens in einem

Beziehungsakt zu Gott versteht, dann können die verschiedenen Darstellungen der Heiligen

Schriften auf dies hingedeutet werden und im buberschen Sinn als ein echtes Gespräch

zwischen dem Ich und dem ewigen Du durch das Du erfahren werden.

Vor allem in den Heiligen Texten werden Situationen der Menschen, des Ichs, erläutert, die

in Klage, Trauer, Sehnsüchte, Fragen, aber auch in Jubel und Freude zu Gott sprechen wollen.

In diesem Dialog wird Gott nicht zum (ansprechbaren) Objekt, sondern er bleibt das

dynamische Subjekt als das Unfassbare des Ewigen Du im Dialog, der in den verschiedenen

Religionen andere Namen erhielt. So schreibt Martin Buber:

(…) ewige Du haben die Menschen mit vielen Namen angesprochen. Als sie von dem so Benannten sangen, meinten sie immer noch Du: die ersten Mythen waren Lobgesänge. Dann kehrten die Namen in die Essprache ein; immer stärker trieb es die Menschen, ihr ewiges Du als ein Es zu bedenken und zu bereden. Aber alle Gottesnamen bleiben geheiligt: weil in ihnen nicht bloß von Gott, sondern auch zu ihm beredet worden ist.341

Dann ist dieses Ewige Du, das Buber in der dialogischen Beziehung erkennt, das Ewige Du

der abrahamitischen und monotheistischen Religionen, der Gott, der zum Propheten Mose als

erstes gesprochen hat (vgl. Ex 3) und sich seinem Volk offenbart hat und es aus der Sklaverei

340 Vgl. Müller, Glauben und Wissen, S. 113. 341 Buber, Ich und Du, S. 71.

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geführt hat (vgl. Exoduserzählung), der Gott, der auch zum Propheten Mohammed

gesprochen hat und im Koran noch zu den Menschen spricht (vgl. 2,185; 4:82) und der Gott,

der die Welt so sehr geliebt hat, dass er seinen einzigen Sohn gesandt hat für die Sünden der

Menschen (vgl. 1 Joh 4,9f.) und unter uns gelebt hat.

7.4 Darstellung der Dankbarkeit in den Heiligen Schriften als Ort der

Gottesbegegnung und Ursprung des Glaubens

In diesem Sinn der Beziehung und des Glaubens der Dankbarkeit können auch die zuvor

beschriebenen Beispiele aus den Heiligen Schriften gelesen werden. Es sind Beispiele, die

von einem Ich zu einem Du sprechen und den Menschen darauf aufmerksam machen, dankbar

zu sein. Diese Vorgehensweisen haben existenzielle Auswirkungen auf das Ich: Sie schaffen

wahre Beziehung und Begegnung zum Mitmenschen und mehr noch zu Gott hin und

verändern die Person, die Dank ausspricht, wesentlich.

So konnte in Psalm 30 dieses Vertrauen in einem kollektiven Aufruf an die Gemeinde

gefunden werden. Das lyrische Ich formuliert seinen Dank in einem Lobpreis und weist

darauf hin, dass es durch seinen Glauben aus dem Sheol gerettet wurde. Dankbarkeit als

Antwort auf die Heilstat Gottes führt das lyrische Ich dazu, sich auf die Quelle der Tat

zurückzubesinnen. Es erkennt im Ewigen den Retter aus der Not, dem es zu Dank verpflichtet

ist. Im Dank und im Gebet selbst kann das lyrische Ich einen Raum finden, indem es Gott

nahe sein kann.

Im Lukasevangelium wird ebenso eine individuelle Situation zu einem universalen Akt der

Dankbarkeit angeführt. Wenn der eine Samariter zurückkehrt, um Jesus Dank auszusprechen

und Gott zu loben, dann ist dieser ein Vorbild des wahren Glaubens. Durch Jesu Worte: „Dein

Glaube hat dich gerettet“ – verdichtet sich der Zusammenhang von seinem Vertrauen zur

Dankbarkeit hin. Der Samariter ist als einziger von den zehn Aussätzigen zurückgekehrt und

hat sich auf Gott besinnt. Er ist es, der erkannt hat, dass er Teil an der Gnade Gottes hat. Aus

diesem Gnadengeschenk und der Hinwendung in Dankbarkeit kann der Glaube des Samariters

wachsen. Auch für ihn wird ein Raum eröffnet, in dem es durch seine Zuwendung zum Du zu

Gottesbegegnung kommen kann. So wird hier Dankbarkeit als Dreh- und Angelpunkt des

Glaubens verstanden, wo der Samariter Gottesnähe erfahren kann.

Wenn Paulus in seinem Philipperbrief die Freude als Schlüsselbegriff seiner

Korrespondenz zur Gemeinde betont, dann möchte auch er für das dankbar sein, was ihm

widerfahren ist. Er bedankt sich für seine Beziehungen, für die Güter, die er erhalten hat und

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für das Wirken des Evangeliums in der und durch die Gemeinde. In all dem erkennt er selbst

die Gnade Gottes für die er zu Dank verpflichtet ist. Er ist es, der durch sein dankbares Tun

ein Vorbild für seine Gemeinde sein möchte und im Vertrauen zu Gott seine Dankbarkeit

gegenüber den anderen lebt. Paulus richtet sein Leben nach dem Evangelium aus. Er ist dabei

für alles dankbar, was ihm geschenkt wurde. Jegliche horizontale Dankbarkeit mündet bei

Paulus in der Verlängerung der vertikalen Dankbarkeit. Genau hier kann das Geheimnis der

Dankbarkeit erkannt werden, wenn Paulus durch seine Dankbarkeit einen Raum schafft, in

dem er Gott begegnen kann und erfährt, dass alles, was ihm zuteil wurde, ihm durch Gnade

Gottes zugekommen ist. Erst im Glauben, der aus der Dankbarkeit resultiert, kann Paulus den

Raum schaffen, in dem wahre Gottesbegegnung als Besinnung auf die Quelle des Lebens

stattfinden kann.

Im islamischen Kontext ist Dankbarkeit als essentielle Tugend, die in das Leben der

Gläubigen eingreift, eng mit dem Glauben an sich gebunden. Dankbarkeit soll auf den

Menschen und auch auf Gott selbst ausgerichtet sein und eröffnet schon im Koran einen Ort

der Gottesbegegnung, vor allem durch das geforderte Gebet. Gott im Koran ist „der

Dankbarste“342 selbst und fordert die Gläubigen auf, der Dankbarkeit immer zu leben. Dies

hat auch eschatologische Auswirkungen. Der/die Gläubige soll in seinem/ihrem irdischen

Leben an-erkennen, dass alles Geschenk und Gnade Gottes ist. Gott, das Ewige Du, ist der,

der sich in seinem Wort offenbart und zu allen Menschen gesprochen hat. Ein Leben in

Dankbarkeit soll sich auf diesen Gott hin ausrichten. Das, was einem geschenkt wurde,

verlangt Antwort. Diese rechtmäßige Antwort kann Dankbarkeit sein. Daraus resultiert, dass

Antwort auf Gottes Zeichen auch Glauben sein kann. In diesen Formulierungen kann die

Verbindung zwischen Dankbarkeit und Vertrauensakt gesehen werden. Gott ist der, der den

Menschen anspricht und ihm wohlwollend gegenübersteht, wenn der Mensch das macht, was

Gott für gut befindet.

7.5 Die vergessene Dankbarkeit

So dynamisch wie sich die Gottesbegegnungen in den Heiligen Schriften beschreiben lassen,

so können auch die Wege sein, die das Ich versucht einzunehmen, um eine Gottesbeziehung

aufbauen zu können. Die Menschen möchten immer wieder, Stabilität in eine

Gottesbeziehung bringen und entwickeln dabei verschiedene Strategien. Der Mensch

342 Vgl. Zilio-Grandi, Gratitude and Ingratitude, S. 28.

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unterliegt laut Martin Buber einem „Kontinuitätsdurst“.343 Je mehr jedoch diese Strategien

einer kollektiven, normativen und konventionellen Ausübung von Gesprächen unterliegt,

desto weniger Raum wird für eine persönliche Hinwendung zu Gott geschaffen. Daraus kann

eine Leere des Raumes der Gottesbegegnung resultieren. In dieser Leere kann nichts Tiefes

mehr gefunden werden, sondern sie ist von verschiedenen generierten Akten überladen.

Gerade in der heutigen geprägten Zeit von Säkularisierungsprozessen und Schnelllebigkeit,

gibt es kaum mehr Möglichkeiten, sich auf das Wesentliche im Leben zu besinnen, das

„Wahrhaftige“ in einem Gespräch zwischen dem Ich und dem Du zu erkennen und den

wahren Geist in der Beziehung zum Mitmenschen zu erfahren, wird kaum mehr möglich.

Immer mehr gehen in den Beziehungen die wahrhaftige Bindung zwischen dem Du und

dadurch zum Ewigen verloren, stellt schon Martin Buber in seinem Werk Ich und Du fest.344

Es steht seiner Meinung nach immer etwas zwischen dem Ich und dem Du, das als

Unterbrechung der Beziehung gelten kann. Damit können die Ablenkungen, die

verschiedenen Gedanken, all die innere Unruhe, aber auch der immer stärker werdende Drang

zur Selbstverwirklichung in heutiger Zeit gemeint sein. Diese verschiedenen Komponenten

können eine wahrhaftige Beziehung unterbrechen und sie können dazu führen, dass es zu

keinem echten Gespräch kommen kann. Es gibt nämlich keinen Platz mehr, um

anzuerkennen, dass das Du von Notwendigkeit im Leben ist.

Da auch Dankbarkeit, wie in dieser Arbeit erläutert wurde, einem echten Gespräch ähnlich

ist, kann gesagt werden, dass Unterbrechungen des Alltags auch Dankbarkeit zu einer

Unmöglichkeit machen. Immer mehr entfernt sich das Ich vom Du im Dankesakt, wenn es

nicht wahrhaftig dem Du gegenübersteht, sondern nur die Konventionalität, die Pflicht des

Dankes im Vordergrund steht. Das Du ist dann in diesem Akt der Dankbarkeit ein vergessenes

und vorübergehendes Du, das nicht auf das Ich einwirken kann. Dankbarkeit kann dann keine

Chance für das Ich und das Du darstellen, eine lebendige Beziehung leben zu können und

darüber hinaus eine Chance sein, in dem ein Raum eröffnet werden kann, wo Begegnung mit

dem Anderen stattfinden könnte. Etwas härter formuliert kann keine Möglichkeit mehr

bestehen, eine lebendige Beziehung oder überhaupt Beziehung zum Du und Ewigen Du

aufzubauen, Das Ich lebt in einer Abgeschiedenheit und Du-Ferne, in der es keine Tiefe

verspürt. Das Ich ist dann nur noch ein Ich in einer Welt von anderen Ichs, die sich nicht als

ein Ganzes sehen.

343 Buber, Ich und Du, S. 110. 344 Vgl. ebd.

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Martin Buber meint, der Mensch könne sich selbst aus dieser Du-Ferne und auch Gottesferne

befreien, indem er sich immer wieder bemüht, dem Ewigen Du in der Welt zu begegnen. Das

Ich soll dahingehend immer wieder versuchen, Räume für eine mögliche Gottesbeziehung zu

schaffen. „Der Mensch kann der Beziehung zu Gott, deren er teilhaftig geworden ist, nur

gerecht werden, wenn er nach seiner Kraft, nach dem Maß jedes Tages neu Gott in der Welt

verwirklicht“345, schreibt der Religionsphilosoph über diese immerwährende Möglichkeit in

Beziehung zu treten.

So persönlich wie die Beziehungsakte sein sollen, damit wahre Gespräche und

Begegnungen stattfinden können, so sollen auch die Dankesakte persönlich sein. Abgewandt

von konventionellen Dankesakten können Räume geschaffen werden, in denen Begegnung

mit dem Anderen über ein Du erfahrbar werden kann. Diese Begegnungen sollen nicht an

Religion gebunden sein, sondern primär eine Potentialität der Begegnung mit dem Du sein

und dann erst in eine Begegnung mit dem Transzendenten, dem Anderen übergehen. In dieser

Begegnung soll das Ich vor allem die Quelle seiner eigenen Existenz erfahrbar werden.

Darüber hinaus soll das Ich wahrnehmen, dass es als ein einmaliges Wesen in der Welt in

Beziehung zu anderen leben darf und dass all das ein wahres Geschenk darstellt und nicht

bedingt sein kann.

Vielleicht kann in diesem Bewusstsein dann wahre Dankbarkeit eine Potenzialität für die

Schaffung eines Raumes sein, in dem sich das Ich in der heutigen Gesellschaft die Zeit und

Ruhe nehmen kann, sich auf das Wesentliche zurückzubesinnen.346 Hier könnte ein „echtes

Gespräch“ mit dem Ich und seinen Mitmenschen seinen Platz finden. Dieses echte Gespräch

kann ein Ort sein, in dem ein vollendetes Gespräch zwischen zwei Menschen stattfinden kann

und ein Raum eröffnet werden kann, wo das Ich Gottesbegegnung erfährt. Es ist nicht

wichtig, an den einen Gott zu glauben, an JHWH, dem Herrn, Gott oder Allah, sondern man

soll sich selbst als beschenkt wissen und in der Begegnung mit dem Du Möglichkeit finden,

Ich selbst zu werden.

Durch diese Möglichkeit, Ich selbst zu werden, kann eine unbeschreibliche Tiefe entstehen,

die nicht rational erklärbar ist. Wenn das Ich dankbar dem Du gegenübersteht, kann sich etwas

(Gemeinschaftliches) eröffnen: „Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind,

da bin ich mitten unter ihnen.“ (Mt 18,20)

345 Buber, Ich und Du, S. 110. 346 Vgl. dazu: Rosa, Alienation and Acceleration.

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8 Zusammenfassung und Ausblick

In dieser Diplomarbeit wurde versucht, Dankbarkeit als einen möglichen Ort der

Gottesbegegnung durch die verschiedenen Heiligen Schriften und der Erfahrung des Glaubens

darzustellen.

Dabei wurde schon in der Untersuchung der verschieden Wortbefunde im zweiten Kapitel

von „Dank“ und „Dankbarkeit“ herausgefunden, dass Dankbarkeit immer als ein

zwischenmenschliches Geschehen verstanden werden kann, das von einem Du und einem Ich

abhängig ist und in Verbindung mit einer (Wohl-)tat steht. Manche Sprachen haben keinen

expliziten Ausdruck für „Danken“. Trotzdem lassen sie sich als ein Austauschakt verstehen,

der verschiedenen kulturellen Codes unterliegt und in diesem Zusammenhang gelesen werden

muss.

Im nächsten Abschnitt der Diplomarbeit wurde versucht, durch ausgewählte Texte des

Korans, der Hadiths und der Bibel, Dankbarkeit und ihre verschiedenen (Sprach-)Bilder

darzustellen und zu analysieren. Für diese Exegese wurde der Psalm 30, Lk 17, 11-19, der

Philipperbrief und verschiedene Verse aus dem Koran ausgewählt. Trotz der Unterschiede, die

aufgrund der Auswahl an Texten und deren Exegese gefunden wurden, konnte festgestellt

werden, dass sich in den Heiligen Texten der Dank primär auf Gott, auf die vertikalen Ebene,

bezieht und in diesem Zusammenhang einen Raum für Gottesbeziehung eröffnet werden

kann. Auch die Beschreibungen wie dieser Raum eröffnet werden kann, sind different in den

Heiligen Texten.

Das verbindende Element der Gottesbeziehung wurde herausgenommen und es wurde

versucht, Dankbarkeit als ein Beziehungsgeschehen zwischen dem Ich und dem Du und dem

Ewigen Du darzustellen. Herangezogen wurde an dieser Stelle das „dialogische Prinzip“ des

Religionsphilosophen Martin Bubers, das wesentliche Grundzüge des Chassidismus und der

hebräischen Bibel als Basis hat. Deshalb konnte mit dieser Verbindung auch Dankbarkeit mit

einem Ort einer lebendigen Beziehung zu Gott, dem Anderen, dem Ewigen verbunden

werden.

Durch die verschiedenen Untersuchungen in den vorangehenden Kapiteln wurde auf die

zwischenmenschliche Dimension der Dankbarkeit verwiesen, die immer ein

Abhängigkeitsverhältnis zeigt. Dieses wurde herangezogen, um in diesem Zusammenhang die

Theorie des Dialogs mit Dankbarkeit zu verbinden. Das Ich tritt dem Du gegenüber und

spricht das Du an. In diesem Rahmen wurden die Komponenten des „echten Gesprächs“

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erläutert, damit ausgehend von diesem, Dankbarkeit als ein möglicher Ort der

Gottesbegegnung ansatzweise beschrieben werden konnte. Mit den Worten Buber wurde so

versucht, Dankbarkeit als Ausgangspunkt für die Gotteserkenntnis zu sehen, die ebenso als

die Quelle des Glaubens dienen kann.

Besonderer Wert wurde in dieser Ausarbeitung darauf gelegt, dass es um die

Gottesbegegnung geht, die nicht an Religionen gebunden ist, sondern dass Dankbarkeit zu

einer Begegnung mit dem Mitmenschen und darüber hinaus zur Gottesbegegnung führen

kann. Dankbarkeit wurde somit als eine Quelle für den Glauben an dieses Etwas gedeutet.

Dankbarkeit dient als ein verbindendes Element, das Vertrauen zu diesem Gott schafft, das

Raum eröffnet, sich auf das Wesentliche zu besinnen und das wahr zu nehmen, auf das der

Mensch hin geschaffen ist. Dankbarkeit bieten einen Ort, in dem der Mensch sich Zeit nimmt

und primär den (Mit-)Menschen in seiner Beziehung sieht. Das Ich erkennt, dass er von

anderen Menschen abhängig ist und nicht alles in der Welt alleine schafft. Darüber hinaus ist

Dankbarkeit ein möglicher Ort, in dem sich die Beziehung zum Transzendenten vollzieht. In

der Sprache der Heiligen Texte kann die Abhängigkeit zwischen Schöpfer und Geschöpf

manifestiert werden. So gilt Dankbarkeit als eine lebendige Mystik des Alltags, wo das Ich

dem Du mit offenen Augen gegenüber steht und das Ich ein warmes Gefühl der Begegnung

wahrzunehmen vermag, in dem das Ich Ich und das Du Du sein kann und beide so

angenommen werden, wie sie sind und sich in seiner/ihrer Person verwirklichen können.

Dankbarkeit wird dann zu einem Ort, wo lebendige Beziehung stattfindet.

Dankbarkeit eröffnet einen möglichen Raum, der sich immer wieder öffnet, wo sich das

Ich in einem positiven Verhältnis aus seiner Selbstbezogenheit dem Gegenüber hinwendet und

somit den (Mit-)Menschen nicht einfach vergisst. Das Gefühl der Dankbarkeit ist dann, die

persönliche Begegnung mit dem Mitmenschen und mit dem Anderen, an das der Mensch sich

immer wieder erinnert. Im Erinnern und Gedenken findet der Mensch im Getriebensein des

Alltags einen möglichen Ort, wo (Gottes-)Begegnung erfahrbar wird. Diese damit

verbundenen Gefühle können dann eine mögliche nicht zu vergessene Rückbesinnung auf das

Notwendige und Wesentliche für das Ich sein, an das es sich immer wieder erinnert.

„Die Menschen vergessen, was du sagst und was du tust. Aber wie sie sich in deiner Gegenwart gefühlt haben,

vergessen sie nie.“347 (Maya Angelou)

347 Maya Angelou, in: https://gutezitate.com/zitat/231987 [abgerufen am 3. August 2019].

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105

9 Literaturverzeichnis

9.1 Bibel- und Koranübersetzungen

Bobzin, Hartmut: Der Koran. Aus dem Arabischen neu übertragen von Hartmut Bobzin unter

Mitarbeit von Katharina Bobzin, München: C.H. Beck 22015.

Zürcher Bibel hg. v. Kirchenrat der Evangelisch-Reformierten Landeskirchen des Kantons

Zürich, Zürich 2008.

Zürcher Bibel, in: https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/zuercher-

bibel/bibeltext/bibel/text/lesen/stelle/52/170001/179999/ [abgerufen am 23. Juni 2019].

Zürcher Bibel, in: https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/zuercher-

bibel/bibeltext/bibel/text/lesen/stelle/60/10001/19999/ [abgerufen am 23. Juni 2019].

9.2 Primärliteratur

Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übers. und hrsg. v.: Krapinger Gernot, Stuttart: Reclam

2017 (Reclams Universal-Bibliothek 19448).

Buber, Martin: Das dialogische Prinzip, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2009.

Buber, Martin: Elemente des Zwischenmenschlichen, in: ders.: Die Schriften über das

dialogische Prinzip, Heidelberg: Lambert Schneider 1954.

Buber, Martin: Gottesfinsternis, Mit Entgegnung „Religion und Psychologie“ von C.G. Jung,

Gerlingen: Lambert Schneider 21994.

Buber, Martin: Ich und Du, Stuttgart: Reclam 2009 (Reclams Universal-Bibliothek 9342).

Buber, Martin. Vorspruch. Bericht über zwei Gespräche, in: Martha Friedenthal-Haase und

Ralf Koerrenz (Hg.): Martin Buber. Bildung, Menschenbild und Hebräischer Humanismus.

Mit der unveröffentlichten deutschen Originalfassung des Artikels „Erwachsenenbildung“

von Martin Buber, Paderborn u.a.: Ferdinand Schöningh 2005 (Studien zum Judentum und

Christentum).

Cicero: De officis I, 15, 47.

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106

9.3 Sekundärliteratur

Abu Dawud, Tirmidhi, in: Adel Theodor Khoury: Der Hadith. Urkunden der islamischen

Tradition. Religiöse Grundpflichten und Rechtschaffenheit, Bd. 2, Güthersloh:

Güthersloher 2008.

Adeel, Ashraf M.: Epistemology of the Quran. Elements of a virtue Approach to knowledge

and understanding, Cham: Springer 2019 (Sophia Studies in Cross-cultural Philosophy of

Traditions and Cultures 29).

Al-Buhari: Buch 21/Hadith 230.

Al-Raghib, in: Ida Zilio-grandi: The Gratitude of Man and the Gratitude of God. Notes on

šukr in Traditional Islamic Thoughts, in: Islamochristiana 38 (2012), S. 45–61.

Al-Sahifah, Al-Kamilah, Al-Sajjadiyyah: The Psalms of Islam. Übersetzt von William C.

Chittick, Qom: Ansariyn Publications 2008.

Alfred J. Loader: Psalm 30 Read Twice and Understood Two Times, in: OTEs 16 (2003), S.

291–308.

Balz, Horst und Schneider, Gerhard (Hg.): Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament,

Stuttgart: Kohlhammer 31980.

Bauer, Walter: Griechisch-Deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und

der übrigen urchristlichen Literatur, Berlin: Töpelmann 61963.

Berger, Klaus: Kommentar zum Neuen Testament, Güthersloh: Güthersohler 22012.

Bornkamm, Günther: Lobpreis. Bekenntnis und Opfer. Eine alttestamentliche Studie, in: ders.:

Geschichte und Glaube. Gesammelte Aufsätze 3, Bd. 1, München: Kaiser 1968 (Beiträge

zur evangelischen Theologie. Theologische Abhandlungen 48), S. 122-139.

Bovon, Francois: Das Evangelium nach Lukas. Lk 15,1-19,27, Bd. 3, Zürich: Benzinger 2001

(EKK).

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