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Einleitung Über die möglichen Gesundheitsgefahren durch elektromagnetische Felder wird kontrovers und emotional diskutiert (Ahlbom et al. 2001, Krewski et al. 2001, Repacholi 2001). In den hochindustrialisierten Ländern sind Mensch und Tier heute durch die ubi- quitäre Verwendung elektrischen Stroms und die zu- nehmende Verbreitung von Hochfrequenzsendern für mobile Kommunikation und Fernseh- und Rund- funkübertragung elektrischen und magnetischen Fel- dern in einem Umfang ausgesetzt, der sich erheblich von der Belastung durch natürlich vorkommende Fel- der, z. B. dem statischen Erdmagnetfeld, unterscheidet und damit eine in der Evolutionsgeschichte von Mensch und Tier neue Einflussgröße darstellt. In die- sem Zusammenhang wurde der wenig präzise Begriff „Elektrosmog“ eingeführt, der die Überlagerung künst- ZUSAMMENFASSUNG: ››› Das mögliche Risikopotential hochfrequenter elektromagnetischer Felder des Mobilfunknetzes wird seit Jahren kontrovers und emotional diskutiert. Da Mobilfunksendeanlagen häufig auf landwirtschaftlich genutzen Flächen errichtet werden, stellt sich aus tier- medizinischer Sicht die Frage, ob an landwirtschaftli- chen Nutztieren in unmittelbarer Umgebung solcher Sendeanlagen Veränderungen in Gesundheit, Leistung oder Verhalten auftreten. Diese Übersichtsarbeit stellt eine Bestandsaufnahme dieses Themas dar. Neben ei- ner Reihe von Fallbeschreibungen bei Milchrindern, Schweinen und Geflügel wird die bayerische Rinder- studie diskutiert, die trotz zum Teil gravierender Män- gel einige besorgniserregende Unterschiede zwischen hoch und niedrig exponierten Betrieben zeigte, so eine Erhöhung von Missgeburten und Verhaltensänderun- gen, die zu einem Rückgang der Milchleistung führen können. Aufgrund dieser Beobachtungen planen eini- ge Arbeitsgruppen der Tierärztlichen Hochschule Han- nover eine epidemiologische Studie zur Auswirkung elektromagnetischer Felder von Mobilfunksendeanla- gen auf Leistung, Gesundheit und Verhalten von Rin- dern. Wir erwarten von dieser Studie eine weiter- führende Klärung der Frage, ob und unter welchen Be- dingungen eine Exposition in derartigen Feldern ein Risiko für landwirtschaftliche Nutztiere darstellt und zu ökonomischen Verlusten führen kann. SCHLÜSSELWÖRTER: Rinder, Milchleistung, Fruchtbarkeit, Verhalten, Elektrosmog Survey of effects of radio- frequency electromagnetic fields on production, health and behaviour of farm animals SUMMARY: ››› The risk potential, if any, of radiofrequency (RF) electromagnetic fields as used for cellular radio sys- tems is an ongoing topic for controversial discussion. Base stations and base station antennas transmitting RF fields are often located on or near to farms, leading to the question whether farm animals in the vicinity of such stations exhibit alterations in health, productivity or behaviour. This review surveys the available infor- mations on this topic. In addition to several case reports in dairy cattle, swine and poultry, the Bavarian cow stu- dy is discussed. Despite several logistical problems of the latter study, some alarming differences evolved between farms with high and low RF field exposure, in- cluding an increase in birth defects and behavioural al- terations in exposed cows which could lead to a reduc- tion in milk production. Based on these data, scientists of the Hannover School of Veterinary Medicine plan a large epidemiological study on the effects of RF field ex- posure on milk production, behaviour and health of dairy cows. We expect that this study will help to an- swer the question if and under which circumstances en- hanced RF field exposure poses a risk for farm animals. KEY WORDS: cattle, milk production, fertility, behaviour, melatonin Aus dem Institut für Pharmakologie, Toxikologie und Pharmazie der Tierärztlichen Hochschule Hannover (Direktor Prof. Dr. W. Löscher) Die Auswirkungen elektromagnetischer Felder von Mobilfunksendeanlagen auf Leistung, Gesundheit und Verhalten landwirtschaftlicher Nutztiere: Eine Bestandsaufnahme W. Löscher Praktischer Tierarzt 84: 11, (2003); © Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG; ISSN 0032-681 X

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Einleitung

Über die möglichen Gesundheitsgefahren durchelektromagnetische Felder wird kontrovers und

emotional diskutiert (Ahlbom et al. 2001, Krewski et al.2001, Repacholi 2001). In den hochindustrialisiertenLändern sind Mensch und Tier heute durch die ubi-quitäre Verwendung elektrischen Stroms und die zu-nehmende Verbreitung von Hochfrequenzsendern fürmobile Kommunikation und Fernseh- und Rund-

funkübertragung elektrischen und magnetischen Fel-dern in einem Umfang ausgesetzt, der sich erheblichvon der Belastung durch natürlich vorkommende Fel-der, z. B. dem statischen Erdmagnetfeld, unterscheidetund damit eine in der Evolutionsgeschichte vonMensch und Tier neue Einflussgröße darstellt. In die-sem Zusammenhang wurde der wenig präzise Begriff„Elektrosmog“ eingeführt, der die Überlagerung künst-

ZUSAMMENFASSUNG:

››› Das mögliche Risikopotential hochfrequenterelektromagnetischer Felder des Mobilfunknetzes wirdseit Jahren kontrovers und emotional diskutiert. DaMobilfunksendeanlagen häufig auf landwirtschaftlichgenutzen Flächen errichtet werden, stellt sich aus tier-medizinischer Sicht die Frage, ob an landwirtschaftli-chen Nutztieren in unmittelbarer Umgebung solcherSendeanlagen Veränderungen in Gesundheit, Leistungoder Verhalten auftreten. Diese Übersichtsarbeit stellteine Bestandsaufnahme dieses Themas dar. Neben ei-ner Reihe von Fallbeschreibungen bei Milchrindern,Schweinen und Geflügel wird die bayerische Rinder-studie diskutiert, die trotz zum Teil gravierender Män-gel einige besorgniserregende Unterschiede zwischenhoch und niedrig exponierten Betrieben zeigte, so eineErhöhung von Missgeburten und Verhaltensänderun-gen, die zu einem Rückgang der Milchleistung führenkönnen. Aufgrund dieser Beobachtungen planen eini-ge Arbeitsgruppen der Tierärztlichen Hochschule Han-nover eine epidemiologische Studie zur Auswirkungelektromagnetischer Felder von Mobilfunksendeanla-gen auf Leistung, Gesundheit und Verhalten von Rin-dern. Wir erwarten von dieser Studie eine weiter-führende Klärung der Frage, ob und unter welchen Be-dingungen eine Exposition in derartigen Feldern einRisiko für landwirtschaftliche Nutztiere darstellt undzu ökonomischen Verlusten führen kann.

SCHLÜSSELWÖRTER: Rinder, Milchleistung, Fruchtbarkeit, Verhalten, Elektrosmog

Survey of effects of radio-frequency electromagnetic fields on production, health and behaviour of farm animalsSUMMARY:

››› The risk potential, if any, of radiofrequency (RF)electromagnetic fields as used for cellular radio sys-tems is an ongoing topic for controversial discussion.Base stations and base station antennas transmitting RFfields are often located on or near to farms, leading tothe question whether farm animals in the vicinity ofsuch stations exhibit alterations in health, productivityor behaviour. This review surveys the available infor-mations on this topic. In addition to several case reportsin dairy cattle, swine and poultry, the Bavarian cow stu-dy is discussed. Despite several logistical problems ofthe latter study, some alarming differences evolvedbetween farms with high and low RF field exposure, in-cluding an increase in birth defects and behavioural al-terations in exposed cows which could lead to a reduc-tion in milk production. Based on these data, scientistsof the Hannover School of Veterinary Medicine plan alarge epidemiological study on the effects of RF field ex-posure on milk production, behaviour and health ofdairy cows. We expect that this study will help to an-swer the question if and under which circumstances en-hanced RF field exposure poses a risk for farm animals.

KEY WORDS: cattle, milk production, fertility, behaviour, melatonin

Aus dem Institut für Pharmakologie, Toxikologie und Pharmazie der Tierärztlichen Hochschule Hannover (Direktor Prof. Dr. W. Löscher)

Die Auswirkungen elektromagnetischer Felder von Mobilfunksendeanlagen auf Leistung, Gesundheit und Verhaltenlandwirtschaftlicher Nutztiere: Eine Bestandsaufnahme

W. Löscher

Praktischer Tierarzt 84: 11, (2003); © Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG; ISSN 0032-681 X

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lich erzeugter elektrischer, magnetischer und elektro-magnetischer Felder unterschiedlicher Frequenz undIntensität in unserer Umwelt umschreibt und in Ana-logie zur klassischen Smogbelastung durch die Anrei-cherung von Luftschadstoffen geprägt wurde.

Lange Zeit wurde die Möglichkeit eines Einflusseselektrischer und magnetischer Felder auf die Gesund-heit von Mensch und Tiere schlichtweg ignoriert. DieGrenzwerte orientierten sich lediglich an akuten Ge-sundheitsschäden, wie sie bei extrem hohen Belastun-gen am Arbeitsplatz auftreten können. Die zunehmen-de Kenntnis über die biologischen Wirkungen auchschwacher elektrischer oder magnetischer Felder undzahlreiche epidemiologische Studien über eine mögli-che Erhöhung des Krebsrisikos durch Magnetfeldex-position haben jedoch in den letzten Jahren zu einerveränderten Diskussion des möglichen Risikopotenti-als derartiger Felder geführt (Krewski et al. 2001, Ma-thes et al. 1997, Portier u. Wolfe 1998, Repacholi 2001,WHO 2002). Hierbei konzentrierte sich die wissen-schaftliche Untersuchung und Betrachtung zunächstauf niederfrequente Felder, wie sie v. a. durch die Ver-wendung von elektrischem Strom entstehen, hat sich inletzter Zeit aber zunehmend auf die z. B. für Mobilfunkverwendeten hochfrequenten elektromagnetischenFelder verschoben. Im Vordergrund der Betrachtungstand zunächst der Mensch, Tiere spielten nur als Ver-suchstiere zur Untersuchung möglicher Risiken durchelektromagnetische Felder eine Rolle.

Da große Mobilfunksendeanlagen häufig auflandwirtschaftlich genutzen Flächen errichtet werden,weil bei Standorten von Sendemasten auf relativ freienFlächen ein größerer Bereich mit Mobilfunk versorgtwerden kann, stellte sich aus tiermedizinischer Sichtdie Frage, ob an landwirtschaftliche Nutztiere in un-mittelbarer Umgebung solcher Sendeanlagen Verände-rungen in Gesundheit, Leistung oder Verhalten auftre-ten. Diese Übersichtsarbeit stellt eine Bestandsaufnah-me dieses Themas dar. Zunächst sollen jedoch zum bes-seren Verständnis der Thematik einige technische undbiologische Grundlagen erläutert werden.

Physikalische Grundlagen und biologische WirkungAlle elektrischen Einrichtungen, Geräte oder Leitun-gen (z. B. Haushaltsgeräte, Hochspannungsleitungen,Rundfunk- und TV-Sender, Mobilfunkgeräte und Mo-bilfunksendeanlagen) sind von elektrischen und mag-netischen Feldern umgeben und/oder senden elektro-magnetische Wellen aus (Repacholi 1996). Unter „elek-

tromagnetischer Umwelt“ versteht man die Gesamtheitaller zivilisatorisch bedingten elektrischen, magneti-schen und elektromagnetischen Felder, aber auch dernatürlichen elektrischen und magnetischen Felder, dieauf Mensch und Tier einwirken. Der Mensch nimmtdiese in seiner Entwicklungsgeschichte neuen Einwir-kungen oder Belastungen nicht bewusst wahr. Die Tat-sache, dass einige Tierarten, z. B. Vögel, sich am natür-lichen Erdmagnetfeld orientieren können (Walker et al.2002), und dabei wahrscheinlich das Pinealorgan eineRolle spielt (Reiter u. Richardson 1990, Reiter 1992,

1993), zeigt aber zweifelsfrei, dass selbst sehr schwachemagnetische Felder biologische Wirkungen haben kön-nen. Es wäre deshalb naiv anzunehmen, dass eine Ver-änderung der elektromagnetischen Umwelt keine Aus-wirkungen auf Mensch und Tier hat.

Elektrische und magnetische Felder werden v. a.nach ihrer Frequenz weiter differenziert. Die Gesamt-heit aller elektromagnetischen Felder, Wellen oderStrahlen wird als elektromagnetisches Spektrum be-zeichnet (Abb. 1). Es überdeckt die statischen Felder(0 Hertz), die niederfrequenten Felder (> 0–30 000Hertz), die hochfrequenten Felder oder Wellen(> 30 000 Hz–300 Giga-Hertz), die infrarote Strahlung(~ 1012–1014 Hertz), das Licht (> 1014 Hertz) bis hin zurionisierenden Strahlung (Röntgen- und Gammastrah-lung). Die gesundheitsschädlichen Wirkungen extremhochfrequenter Strahlung (UV-Licht, radioaktiveStrahlung) sind unumstritten, ob auch weniger hoch-frequente, nicht ionisierende Strahlung bzw. elektro-magnetische Wellen oder Felder gesundheitsschädi-gend wirken können, ist nach wie vor wissenschaftlichumstritten.

ABBILDUNG 1: Das elektromagnetische Spektrum (modifiziert nach Repa-choli, 1996). Das elektromagnetische Spektrum wird in Frequenzbereiche mitsehr unterschiedlichen Eigenschaften und biologischen Wirkungen unter-teilt. Zu den statischen Feldern (0 Hertz) gehört z. B. das natürliche Erdmag-netfeld. Künstlich erzeugte statische Magnetfelder werden u. a. zur Kern-spintomographie verwendet. Der Bereich der niederfrequenten Felder enthältu. a. elektrische oder magnetische Felder im extrem niedrigen Frequenzbe-reich von > 0 bis 300 Hertz. In diesem Frequenzbereich liegt z. B. der Wech-selstrom mit 50 oder 60 Hertz. Hochfrequente elektromagnetische Felder (imEnglischen auch als „Radiofrequency [RF] fields“ bezeichnet) haben Frequen-zen zwischen 30 000 Hertz und 300 Giga-Hertz. Wie bei statischen oder nie-derfrequenten Feldern gilt die Energie dieser Felder i. G. zu UV-Licht und io-nisierender Strahlung als zu schwach, um Moleküle zu ionisieren oder chemi-sche Bindungen zu brechen und damit direkte DNS-Schädigungen hervorzu-rufen. RF-Felder werden für alle Arten von Informationsübertragung, alsoRadio (AM, FM), Fernsehen, Mobilfunk und Radar verwendet. Erst oberhalbdieses Hochfrequenzbereiches spricht man von Strahlung. Immer noch imnicht-ionisierenden Bereich (von ~ 1012–1017 Hertz) liegt die optische Strah-lung, zu der Infrarot, sichtbares Licht und UV-Strahlung gehören. Im Fre-quenzbereich von > 1015–1022 liegt die ionisierende Strahlung (Röntgen- undGamma-Strahlung).

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Zwischen elektrischen und magnetischen Feldernbesteht ein enger, physikalischer Zusammenhang. Ru-hende (statische) elektrische Ladungen besitzen nurein elektrisches Feld, bewegte elektrische Ladungen er-zeugen darüber hinaus ein magnetisches Feld. Bei ho-hen Frequenzen (> 30 000 Hertz) können sich diese Fel-der von der verursachenden Quelle lösen und im Raumausbreiten, man spricht dann von elektromagnetischenFeldern (oder Wellen). Felder im Niederfrequenzbe-reich (also z. B. die durch Haushaltsstrom erzeugten 50Hertz-Felder) sind objektgebunden bzw. leitungsge-führt, d. h. die elektrischen oder magnetischen Felderbefinden sich in der Nähe des Gerätes oder einer Lei-tung und nehmen mit der Entfernung schnell ab. Daniederfrequente elektrische Felder im Gegensatz zu nie-derfrequenten magnetischen Feldern gut abgeschirmtwerden können, sind ihre gesundheitlichen Auswir-kungen nur noch selten Gegenstand der wissenschaft-lichen Forschung. Dagegen durchdringen niederfre-quente magnetische Felder biologische Gewebe undkönnen dadurch im Organismus Effekte hervorrufen,die mit gesundheitlichen Risiken verbunden sein kön-nen (Repacholi 1996).

Eine plausible Erklärung für biologischen Effekteund gesundheitliche Risiken durch Exposition in nie-

derfrequenten Magnetfeldern stellt die sog. „Melatoninhy-

pothese“ dar (Stevens et al. 1997). Nach dieser Hypothe-se senken sowohl elektrische als auch magnetischeWechselfelder bei sehr niedrigen Frequenzen (z. B. 50Hertz) die Produktion des Hormons Melatonin im Pi-nealorgan (Zirbeldrüse). Die gesenkte Melatoninpro-duktion führt zu einer Erniedrigung der im Körper mitdem Blut zirkulierenden Melatoninkonzentration. Da-mit wird der hemmende Effekt von Melatonin auf dieProduktion einiger Hormone (Estrogene, Prolaktin) re-duziert. Die daraus resultierende erhöhte Konzentrati-on von Estrogenen und Prolaktin stimuliert die Stamm-zellproliferation in der weiblichen Brustdrüse und er-höht dadurch das Brustkrebsrisiko (Stevens et al. 1997).Diese Hypothese, die erstmals von Richard Stevens auf-gestellt wurde (1987), konnte von der Arbeitsgruppe Lö-scher in einem Brustkrebsmodell an Ratten bestätigtwerden (Löscher 2001). Die Stärke (Flussdichte; gemes-sen in Tesla) der niederfrequenten (50 Hertz) magneti-schen Felder, die im Rattenmodell ko-kanzerogen wirk-te, lag bei 50–100 µTesla, d. h. im Bereich des in Deutsch-land mit der 26. Verordnung zur Durchführung des Bun-des-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über elek-tromagnetische Felder – 26. BImSchV) festgelegtenGrenzwertes (100 µTesla) für 50 Hertz-Magnetfelder. InAnalogie zu unseren Untersuchungen an Versuchstierenließen mehrere epidemiologische Studien in den USAund in Schweden einen Zusammenhang zwischen er-höhtem Brustkrebsrisiko und Magnetfeldexposition imµTesla-Bereich erkennen (Erren 2001).

Melatonin, das bei allen Säugetieren v. a. in derNacht gebildet wird, spielt aber auch eine wichtige Rolleals endogener Radikalfänger und als Immunmodulator,so dass eine reduzierte Melatoninproduktion auch fürandere Krebstypen und andere Erkrankungen relevantsein könnte (Bartsch et al. 2001). Eine sehr große Anzahlepidemiologischer Untersuchungen zeigte in den letztenrund 20 Jahren einen Zusammenhang zwischen erhöhter

Exposition (> 0,3 µTesla) in niederfrequenten Magnetfel-dern (z. B. in der Nähe von Hochspannungsmasten) undkindlichen Leukämien (Ahlbom et al. 2001, Portier u.Wolfe 1998). Diese besorgniserregenden Befunde führtendazu, dass zunächst die Gesundheitsbehörde der U.S.A.,später auch die „International Agency for Research onCancer (IARC)“ der Weltgesundheitsorganisation(WHO) niederfrequente (50 oder 60 Hertz) Magnetfelderals „mögliches Karzinogen“ für den Menschen einstuf-ten (Portier u. Wolfe 1998, WHO 2002). Bisher sind jedochweder diese tierexperimentellen noch epidemiologi-schen Befunde bei der Grenzwertfestlegung in Deutsch-land berücksichtigt worden.

Neben einem möglichen Zusammenhang zwi-schen niederfrequenten Magnetfeldern und Krebsrisi-ken gibt es umfangreiche Hinweise auf Interaktionenvon Magnetfeldern mit dem Hormonhaushalt (s. o.),dem Biorhythmus, dem Immunsystem, dem Nerven-system, dem Verhalten und psychischen Funktionen,die zu Beeinträchtigungen der Gesundheit führen kön-nen (Adey 1993, Blank 1995, Frey 1993, Löscher u. Li-burdy 1998, Portier u. Wolfe 1998, WHO 2002). Hierbeiwird häufig vergessen, dass nicht nur der Mensch, son-dern auch exponierte Haus- und Nutztiere solchen ge-sundheitlichen Beeinträchtigungen durch Feldexposi-tion, z. B. in der Nähe von Hochspannungsmasten, aus-gesetzt sein können (Marks et al. 1995). So war ähnlichzu epidemiologischen Studien an Menschen auch beiweiblichen Hunden, die in Wohnräumen in der Nähevon Hochspannungsmasten gehalten wurden, dasBrustkrebsrisiko signifikant (um das siebenfache) ge-genüber nicht-exponierten Tieren erhöht (Reif et al.1995). Untersuchungen an Rindern mit erhöhter Expo-sition in niederfrequenten Magnetfeldern, die entwe-der als Feldbeobachtung oder mit kontrollierter Stall-exposition durchgeführt wurden, zeigten Veränderun-gen von Leistung und Gesundheit wie Rückgang derMilchleistung, veränderter Milchzusammensetzungund Fertilitätsprobleme, die jedoch zum Teil in ande-ren Untersuchungen nicht bestätigt wurden (Algers u.Hultgren 1985 a, b, 1987, Amstutz u. Miller 1980, An-derson 2000, Angell et al. 1990, Broucek et al. 2001, 2002,Burchard et al. 1996, 1998, Marks et al. 1995, Martin etal. 1986, Rodriguez et al. 2002, 2003). Auch Untersu-chungen an anderen landwirtschaftlichen Nutztierenkamen zu widersprüchlichen Ergebnissen (Anderson2000). Generell ist die Reproduzierbarkeit von biologi-schen Effekten niederfrequenter elektromagnetischerFelder ein Problem, da die beobachteteten Effekte häu-fig moderat und variabel sind (Anderson et al. 2000).Dies ist aber nicht nur ein Problem bei der Untersu-chung der „elektromagnetischen Veträglichkeit“, son-dern auch bei anderen potentiell risiko-belasteten abernur schwach wirksamen physikalischen oder chemi-schen Agentien in der Toxikologie (Hayes 1994). Des-halb ist die Kenntnis der Einflussgrößen, die die Varia-bilität eines Effektes bestimmen, von größter Bedeu-tung für die Risikoabschätzung elektromagnetischerFelder (Anderson et al. 2000). Neuere Untersuchungender Arbeitsgruppe Löscher weisen darauf hin, dass diegesundheitlichen Auswirkungen niederfrequentermagnetischer Felder von genetischen Faktoren abhän-gen, die die Variabilität der Ergebnisse zwischen ver-

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schiedenen Untersuchungen zumindest zum Teil er-klären könnten (Anderson et al. 2000). Die Bedeutunggenetischer Faktoren für Magnetfeldeffekte wurdeauch für landwirtschaftliche Nutztiere diskutiert (DiCarlo u. Litovitz 1999).

Hochfrequente elektromagnetische Wellen breitensich, im Gegensatz zu niederfrequenten Feldern, imfreien Raum völlig ungehindert über große Entfernun-gen aus, haben jedoch im Gegensatz zu niederfrequen-ten Magnetfeldern eine begrenzte Eindringtiefe in bio-logisches Gewebe (Mathes 1996). Die absorbierte Ener-gie wird im Körperinneren hauptsächlich in Wärme um-gewandelt. Ein Maß dafür ist die spezifische Absorpti-onsrate (SAR) in Watt pro Kilogramm, die die Energiebeschreibt, die pro Kilogramm Körpergewicht in einerbestimmten Zeit aufgenommen wird. Die Eindringtiefevon elektromagnetischen Feldern ist generell bei hohenFrequenzen geringer als bei niedrigen Frequenzen.Während der so genannte thermische Effekt starkerhochfrequenter elektromagnetischer Felder unstrittigist und zu Schädigungen führen kann, werden nicht-thermische Wirkungen schwacher hochfrequenter elek-tromagnetischer Felder kontrovers diskutiert (Bern-hardt et al. 1997, Juutilainen u. de Seze 1998, Krewski etal. 2001, Repacholi 2001). Diskutiert werden besondersathermische Wirkungen auf die Entstehung von Krebs,auf die Embryonalentwicklung oder auf das neuronaleoder endokrine System (Bernhardt et al. 1997, Krewskiet al. 2001). Auch Befindlichkeitsstörungen wie Kopf-schmerzen, Reizbarkeit, Ermüdungserscheinungenund Augenreizungen werden von einigen Wissen-schaftlern auf nichtthermische Wirkungen hochfre-quenter elektromagnetischer Felder zurückgeführt. Be-findlichkeitsstörungen sind aber ohne entsprechendeKontrolluntersuchungen schwer wissenschaftlich zubeurteilen, da der Mensch durch Medienberichte über„Elektrosmog“ verunsichert wird, und es allein da-durch zu derartigen, psychosomatisch ausgelöstenStörungen kommen kann. Derartige subjektive Fakto-ren können bei tierexperimentellen Untersuchungenoder Felduntersuchungen an landwirtschaftlichenNutztieren ausgeschlossen werden.

Neben der Frequenz spielt die Feldstärkeamplitu-de eine entscheidende Rolle für die Induktion biologi-scher oder gesundheitlicher Effekte elektromagneti-scher Felder. Auch bei hochfrequenten Feldern mussdabei zwischen der elektrischen Feldstärke (E) in Voltpro Meter und der magnetischen Feldstärke (H) in Am-pere pro Meter unterschieden werden. Als Maß für ei-ne Immission oder Exposition in hochfrequenten Fel-dern wird häufig die Leistungsflussdichte (S) verwen-det , die (stark vereinfacht) das Produkt aus der elek-trischen und der magnetischen Feldstärke darstellt.Zum Schutz vor niederfrequenten und hochfrequentenelektromagnetischen Feldern im nicht-ionisierendenBereich (s. Abb. 1) wurden in Deutschland mit der26. BlmSchV Grenzwerte festgelegt, die sich bei hoch-frequenten Feldern jedoch an den thermischen Effek-ten der Felder orientieren und athermische Wirkungenunberücksichtigt lassen.

Zum mobilen Telefonieren wurde in der Bundes-republik Deutschland nach den Vorgänger-Netzen A(1958) und B (1972) 1984 das technisch verbesserte C-

Netz (450-465 MHz) eingeführt, dessen Kapazität je-doch ab etwa 1992 ausgeschöpft war. Seitdem wurdemit den D- (890–960 MHz) und E-Netzen (1760–1865MHz) das GSM (Global System for Mobile Communi-cation) eingeführt, der europaweit gängige genormteMobilfunkstandard. Zur Zeit wird mit UMTS (Univer-sal Mobile Telephone Services, 1900–2170 MHz) dieflächendeckende Mobilfunknutzung auch für Fotos,Musik und Drucktexte ausgebaut.

Der Teil des elektromagnetischen Spektrums, dervom Mobilfunk genutzt wird, gehört zu den hochfre-quenten Feldern. Dabei kann Information (z. B. Spra-che) auf unterschiedliche Weise transportiert werden:

Beim analogen Rundfunk wird die Informationder hochfrequenten Trägerwelle aufmoduliert, indemihre Amplitude (AM-Rundfunk im Lang-, Mittel- undKurzwellenbereich) bzw. ihre Frequenz (FM-Rund-funk im Ultrakurzwellen[UKW)]-Bereich, analoge Mo-biltelefone, C-Netz) verändert wird. Der Zugriff amEmpfänger auf die verschiedenen Signale erfolgt danndurch Abstimmung auf die jeweilige Trägerfrequenz.

Dagegen nutzen die modernen Mobilfunk-Kommu-nikationssysteme ausschließlich digitale Modulations-verfahren, bei denen die analoge Information zunächst ineinen Signalstrom einzelner „Bits“ der Amplitude „0“oder „1“ umgewandelt und in einen digitalen Code ver-packt wird (sog. „Quellencodierung“). Die Aufbereitungdieser Digitalsignale zur Übertragung mit einem hoch-frequenten Träger geschieht nach systemspezifischen Re-geln in der sog. „Kanalcodierung“, bei der meist eine di-gitale Phasenmodulation des Trägers verwendet wird.

Ein Spezifikum der unterschiedlichen Mobilfunk-systeme ist außerdem das sog. Zugriffsverfahren, d. h.die Methode, nach der aus der Vielzahl der auf der Luft-schnittstelle vorhandenen Signale das für den jeweili-gen Empfänger bestimmte Signal herausgefiltert wird.Man unterscheidet nach Zugriffszeiten (time domainmultiple access[TDMA]), Zugriffsfrequenzen (fre-quency domain multiple access[FDMA]) und Zugriffs-codes (code domain multiple access[CDMA]).

• TDMA – Bei diesem Verfahren stehen einem Teil-nehmerkanal nur kurze, periodisch wiederkehren-de Zeitintervalle zur Verfügung, in denen die zuge-ordnete Information übertragen werden kann.Nachbarkanäle werden zeitversetzt abgearbeitet.Beim GSM-System führt diese Zeitschlitzstrukturbeispielsweise auf die typische 217 Hz-Pulsung desHochfrequenzträgers.

• FDMA – Bei dieser Zugriffsart werden unterschied-lichen Kanälen unterschiedliche Trägerfrequenzenzugewiesen. Häufig sind FDMA und TDMA in ei-nem System kombiniert. Bei GSM werden beispiels-weise grundsätzlich auch „uplink“ (VerbindungHandy-Basisstation) und „downlink“ (VerbindungBasisstation-Handy) frequenzmäßig voneinandergetrennt.

• CDMA – Bei diesem Zugriffsverfahren werden diemit derselben Trägerfrequenz übertragenen Kanäledadurch unterschieden, dass jeder mit einem eige-nen digitalen Code belegt ist, den nur der berech-tigte Empfänger entschlüsseln kann. Bei UMTS wer-den (neben FDMA und teilweise TDMA) für dieses ▼ ▼

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Verfahren Codes von 5 MHz Bandbreite verwendet,was den „rauschähnlichen“ Charakter der Zeitver-läufe von UMTS-Signalen bedingt. Erwähnt werdensoll noch die obligatorische schnelle Leistungsrege-lung bei UMTS, die zu zusätzlichen 1,5 kHz-Schwankungen der Hochfrequenzleistung führt.

Das Mobilfunknetz wird von fest installierten Sendern,den Basisstationen (Sende- und Empfangsstation für denFunkverkehr einer Region) gebildet. Eine Basisstation ver-sorgt je nach abgestrahlter Leistung und Nutzerdichte einGebiet mit bis zu 30 km Ausdehnung. Die drahtlose Infor-mationsübertragung geschieht mit Hochfrequenzfeldern,die von den Sendeantennen abgestrahlt werden. Um dieAnzahl der Mobilfunkstandorte auf ein Mindestmaß zubeschränken, werden die Antennenträger (z. B. Sendetür-me) oft von mehreren Mobilfunkbetreibern gemeinsambenutzt. Zum Betreiben eines Senders benötigt der Betrei-ber eine Standortbescheinigung der Regulierungsbehör-de für Telekommunikation und Post, in der Sicherheitsab-stände zu Wohngebieten geregelt werden.

Elektromagnetische Felder (oder Wellen), die einSendeturm abstrahlt, breiten sich in Lichtgeschwindigkeitaus und werden von den Antennen der Mobiltelefoneempfangen und abgestrahlt. Für die Exposition vonMensch und Tier ist einerseits die Leistungsflussdichte derhochfrequenten elektromagnetischen Felder (Funkwel-len) von Bedeutung, andererseits kommt der Pulsung deshochfrequenten Feldes möglicherweise eine erheblicheRolle für biologische Effekte zu (s. u.). Eine Expositionkann einerseits durch die Abstrahlung der Felder von Sen-deanlagen erfolgen, andererseits beim Menschen natür-lich durch die Handybenutzung selbst. Für die Expositionin der Nähe von Basisstationen/Sendeanlagen ist außer-dem die Versorgung der Station mit Strom, also das da-durch entstehende 50-Hertz Magnetfeld, zu beachten.

Art und Größe der Immission in der Umgebung ei-ner Mobilfunksendeanlage (Basistation) hängen von ei-ner Vielzahl von Faktoren ab, die nicht voneinander iso-liert betrachtet werden dürfen (Mathes 1996). So wird dieImmission stark von der Größe bzw. Leistung der Anla-ge, von den verwendeten Sendeantennen und ihrer Aus-richtung, vom Abstand zur Basisstation sowie von um-liegenden Gebäuden oder der Vegetation beeinflusst.Deswegen ist im allgemeinen zur exakten Immissionser-mittlung an einem bestimmten Ort eine Messung derFelder unumgänglich. Typischerweise liegen die dabeiermittelten Leistungsdichten (in Watt pro Quadratmeter)oder Feldstärken (in V/m oder A/m) hochfrequenterelektromagnetischer Felder weit unter den Grenzwertender 26. BImSchV, also im niedrigen athermischen Bereich,was aber nicht bedeutet, dass diese Felder keine biologi-schen oder gesundheitlichen Effekte ausüben.

Zu möglichen Effekten hochfrequenter elektro-magnetischer Felder auf Gesundheit, Leistung oderVerhalten von landwirtschaftlichen Nutztieren lageni. G. zu Untersuchungen mit niederfrequenten Feldern(s. o.) bis vor kurzem kaum Untersuchungen vor. Balo-de (1996) fand im Blut von Rindern einer Farm in derNähe einer Radarsendeanlage eine signifikante Er-höhung von Mikronuklei in Erythrozyten, ein Hinweisauf einen erbgutschädigenden (genotoxischen) Effektder Exposition. Mikronuklei entstehen infolge der Ein-

wirkung klastogener Agenzien, z. B. ionisierenderStrahlung, auf die Zelle während der Mitose oder durchInterferenz des Spindelapparates und werden nach ei-ner speziellen Anfärbung histologisch als kleine Kör-perchen in Erythrozyten sichtbar (Almassy et al. 1987).Mikronuklei sind ein Indiz für Chromosomenbrücheund Chromosomenaberrationen. Ein Anstieg der Häu-figkeit von Mikronuklei ist daher ein Indikator fürmorphologische, d. h. klastogene oder numerische Chromosomenanomalien (Almassy et al. 1987). Dienormale Häufigkeit von Mikronuklei in Erythrozytenist sehr niedrig und liegt beim Rind bei etwa 0,1 Mikronukleus/1000 Erythrozyten (Balode 1996).Aufgrund der Befunde von Balode (1996) wurde dieHäufigkeit der Mikronuklei in Erythrozyten von Rin-dern deshalb auch in der Nähe von Mobilfunksende-anlagen untersucht (s. u.).

Fallbeschreibungen der Auswirkung elektromagne-tischer Felder von Mobilfunksendeanlagen auf Leis-tung,Gesundheit und Verhalten von Rindern

Der erste und wohl bekannteste Fall eines möglichen Zu-sammenhangs zwischen Feldexposition und Leistung,Gesundheit und Verhalten von Rindern ist der Fall Alten-weger in Schnaitsee, Bayern. Seit Herbst 1995 bemerkteder Landwirt Altenweger erhebliche Verhaltensänderun-gen, Gesundheitsbeeinträchtigungen (u. a. Entzündun-gen der Augen), Fertilitätsprobleme, Fehl- oder Missge-burten, vermehrte Zwillingsgeburten und Minderungender Milchleistung und des Milchfettgehaltes seiner Kühe.Vor diesen Problemen war der Bestand mehrfach für diehohe Milchleistung seiner Kühe prämiert worden. EinTierarzt des zuständigen Veterinäramtes vermutete nachAusschluss zahlreicher anderer Ursachen am ehesten dieelektromagnetische Hochfrequenzimmission nahegele-gener Fernseh- und Mobilfunksendetürme als Ursache.Auf den Sendetürmen, die sich in 300–500 m Entfernungvom Bestand befinden, sind mehrere Fernseh-, Rund-funk-, Richtfunk- und Mobilfunksendeanlagen installiert(s. Löscher u. Käs 1998). Der Fernsehturm war schon vorInstallation von Mobilfunksendern in Betrieb, ohne dasses zu einer erkennbaren Beeinträchtigung von Gesund-heit oder Leistung der in der Nähe gehaltenen Milchkühedes Bestandes Altenweger kam. Erst nach der Installationder Mobilfunksender ab 1995 traten diese Beeinträchti-gungen auf. Eine vom Veterinäramt veranlasste Umstal-lung zweier Kühe in einen 20 km entfernten Betrieb mitgleicher Aufstallung führte zu einer Besserung bzw. zu ei-nem Verschwinden der Symptome. Nach Zurückver-bringen in den Bestand traten die Verhaltensauffälligkei-ten der Tiere wieder auf. Dieser Fall wurde ausführlichvon Löscher und Käs 1998 auf der Basis der Untersu-chungen des Amtstierarztes beschrieben. Löscher undKäs (1998) vermuteten aufgrund experimenteller Befun-de, dass hochfrequente elektromagnetische Felder alsStressor wirken, der bei Hochleistungskühen, die auf je-de stressbedingte Veränderung ihrer Umwelt oder Hal-tung sensibler reagieren als Tiere, die nicht diese extremeMilchleistung erbringen, zu den aufgetretenen Verände-rungen führen kann. Ziel der Veröffentlichung war, dietierärztliche Öffentlichkeit und die Landwirtschaft aufdie Möglichkeit von Effekten von Mobilfunksendeanla-

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gen auf Leistung, Gesundheit und Verhalten von Rindernaufmerksam zu machen. Mit ähnlichem Ziel wurde derFall auch in der landwirtschaftlichen Presse beschrieben.Auf die Veröffentlichungen meldeten sich mehrere Land-wirte und Tierärzte aus Bayern und anderen Bundeslän-dern mit ähnlichen Fallberichten. Auffällig war immerwieder das Auftreten von Fertilitätsstörungen, Zunahmevon Fehl-, Zwillings- oder Missgeburten und Reduktionder Milchleistung, die von mehreren Milchviehbetriebennach Inbetriebnahme nahegelegener Mobilfunksendean-lagen berichtet und von unabhängiger Seite dokumen-tiert wurden (s. z. B. Schweinberger 1998). Diese Proble-me traten vor allem bei Hochleistungskühen, also Tierenmit sehr hoher Milchleistung, auf. Sowohl das Bundesamtfür Strahlenschutz als auch das bayerische Staatsministe-rium für Landesentwicklung und Umweltfragen (BStM-LU) wiesen jeden möglichen kausalen Zusammenhangzwischen Exposition von Kühen in der Nähe von Mobil-funksendern und Beeinträchtigungen von Leistung undGesundheit kategorisch zurück, da die in Beständen ge-messenen Feldstärken weit unter den Grenzwerten derBImSchV lagen. Um eine Klärung herbeizuführen, be-schloss jedoch das bayerische Umweltministerium dieDurchführung einer prospektiven Feldstudie („Rinder-studie“), in der untersucht werden sollte, ob sich in mo-bilfunksendeanlagen-nahen Bauernhöfen vermehrt Fehl-geburten, Leistungsminderungen oder Verhaltensände-rungen nachweisen lassen (BStMLU 2001). Diese Klärungschien aus mehreren Gründen notwendig.

• Die Leistungseinbussen und damit verbundenenEinkommensverluste im Bestand Altenweger undeinigen anderen mobilfunkexponierten Beständenwaren so hoch, dass sich andere Landwirte zuneh-mend weigerten, der Aufstellung eines Mobilfunk-senders auf ihrem Gelände zuzustimmen, was fürdie Telekommunikationsindustrie v. a. in Hinblickauf den geplanten Ausbau des UMTS-Netzes er-hebliche Konsequenzen hat.

• Wenn Kühe auf athermische elektromagnetische Fel-der deutlich unterhalb der bestehenden Grenzwertereagieren, wären auch Risiken für den Menschennicht länger auszuschließen. Damit wäre das derzei-tige Grenzwertkonzept, welches nur akute thermi-sche Wirkungen berücksichtigt, nicht länger haltbar.

• Damit stehen staatliche Stellen, die bisher alle unspe-zifischen Beschwerden von Menschen in der Nähe vonMobilfunksendern mit dem Hinweis auf Grenzwerteals psychosomatisch abtaten, vor einem erheblichenGlaubwürdigkeitsproblem, was für das Vertrauenund die Akzeptanz des Bürgers hinsichtlich des Vor-sorgeprinzips staatlicher Entscheidungen im Rahmendes Risikomanagements nicht gerade förderlich ist.

Erste Feldstudie zur Untersuchung der Auswirkung elek-tromagnetischer Felder von Mobilfunksendeanlagenauf Leistung,Gesundheit und Verhalten von Rindern

Im Rahmen des Forschungsprojektes „Untersuchungenzum Einfluss elektromagnetischer Felder von Mobil-funkanlagen auf Gesundheit, Leistung und Verhaltenvon Rindern“ wurden im Auftrag des Bayerischen Staats-ministeriums für Landesentwicklung und Umweltfra-

gen (BStMLU) in den Jahren 1998 bis 2000 umfangreicheUntersuchungen in landwirtschaftlichen Betrieben mitRinderhaltung durchgeführt (BStMLU 2001). Zwei Uni-versitätsinstitute wurden vom BStMLU mit den Unter-suchungen beauftragt: das Institut für Tierhygiene, Ver-haltenskunde und Tierschutz (Prof. J. Unshelm) derTierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Uni-versität München und das Fachgebiet Veterinärmedizi-nische Genetik und Zytogenetik (Prof. A. Herzog) der Ju-stus-Liebig-Universität Gießen. Die Messung der elek-tromagnetischen Exposition in den einzelnen Betriebenerfolgte durch die Ingenieurgemeinschaft für Geowis-senschaften und Umwelttechnik (Dr. M. Wuschek), Mün-chen. Dabei sollten sowohl die Feldstärken in den Stall-gebäuden als auch auf der Weise gemessen werden, dadie Exposition auf der Weide durch die fehlende Gebäu-dedämpfung deutlich höher als im Stall sein kann.Außerdem sollten auch hochfrequente Felder durchRundfunk- und TV-Sender miterfasst werden, die auf-grund der flächendendeckenden Versorgung an jedemOrt vorhanden sind und in ihrer Stärke im Vergleich zumMobilfunk häufig stark unterschätzt werden.

Die Untersuchung wurde durch Mittel von Mobil-funkbetreiberfirmen (Mannesmann Mobilfunk, E-plus,VIAG Interkom) finanziell unterstützt. Die Betreiberfir-men schlugen auch aufgrund ihrer Daten zu Standortenvon Mobilfunksendeanlagen einen Teil (14) der expo-nierten Betriebe vor. Fünf Betriebe, in denen sich Pro-bleme nach Installation von Mobilfunksendeanlagenentwickelt hatten, so auch der Betrieb Altenweger, wur-den auf Vorschlag des BStMLU in die Untersuchungenmit einbezogen. Außerdem wurden 19 weitere Betriebedurch Haustierärzte, die untersuchenden Wissenschaft-ler sowie auf Selbstvorschlag der Betriebe für die Unter-suchung, ausgewählt. Insgesamt nahmen 38 Rinderbe-stände mit zusammen etwa 1 000 Kühen in Bayern undHessen an der Untersuchung teil. Die Betriebe befandensich zu etwa gleichen Teilen in unmittelbarer Nähe oderin sehr weiter Entfernung zu Mobilfunksendeanlagendes D- und E-Netzes. Mit dieser Auswahl sollte erreichtwerden, dass die Rinderhaltungen in zwei Gruppen mitmöglichst stark unterschiedlicher Feldexposition unter-teilt werden können (BStMLU 2001). Nach Abschluss derUntersuchungen wurde vom BStMLU in München am29. November 2000 ein Abschlusskolloquium mit einemExpertengremium aus den Untersuchern, Vertretern derMobilfunkunternehmen und des Ministeriums sowie ei-nigen eingeladenen Wissenschaftlern durchgeführt, andem auch W. Löscher teilnahm. Auf diesem Abschlus-skolloqium wurden von den beteiligten Gruppen Un-tersuchungsergebnisse gezeigt und diskutiert, die nurzum Teil Eingang in den vom BStMLU publizierten Ab-schlussbericht fanden (BStMLU 2001). Die im Folgendenzusammengefassten Untersuchungsergebnisse und ih-re Bewertung beruhen deshalb auf den Informationendes Abschlussberichtes und des Abschlusskolloqiumssowie der persönlichen Einschätzung der Ergebnissedurch W. Löscher, die zum Teil erheblich von der Ein-schätzung des BStMLU abweichen, aber auf den glei-chen Ergebnissen basieren. Leider wurden bei der Pla-nung der Untersuchung einige gravierende Fehler ge-macht (s. u.), sodass die Untersuchung nur sehr be-grenzte Aussagen erlaubt. ▼ ▼

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Anhand der gemessenen Expositionssituation derBestände wurden die 38 Betriebe in vier Expositions-gruppen (A-D) unterteilt. In allen Betrieben lagen dieim Stall gemessenen Feldstärken weit unter den ge-setzlichen Grenzwerten. Für die Gesamtimmissionwurden wie bereits angesprochen auch hochfrequenteFelder durch TV und Radio berücksichtigt:

• Gruppe A: höchste Mobilfunkexposition (Summen-exposition durch GSM-Felder über 0,337 Promilledes gesetzlichen Grenzwertes; die tatsächlichenWerte lagen zwischen 0,857 und 5,193 Promille. DieGSM-Immission machte mehr als 50 % der Gesamt-immission am Messort aus).

• Gruppe B: höchste Mobilfunkexposition (Summen-exposition durch GSM-Felder über 0,337 Promille;die GSM-Immission machte jedoch weniger als 50 %der Gesamtimmission am Messort aus).

• Gruppe C: Niedrige Mobilfunkexposition (Sum-menexposition durch GSM-Felder unter 0,337 Pro-mille des gesetzlichen Grenzwertes. Die Summen-exposition, verursacht durch andere Quellen wie TVund Radiosender lag allerdings über dem Durch-schnitt aller Messungen)

• Gruppe D: Niedrige Mobilfunkexposition (Summen-exposition durch GSM-Felder unter 0,337 Promilledes gesetzlichen Grenzwertes; die tatsächlichen Wer-te lagen zwischen 0,017 und 0,192 Promille. Die Sum-menexposition, verursacht durch andere Quellen, lagunter dem Durchschnitt aller Messungen).

Der Wert 0,337 Promille wurde als willkürlicherSchnittwert gewählt; der höchste im Stall gemesseneMobilfunkexpositionswert lag bei 5,2 Promille desGrenzwertes. Nach dieser Einteilung lag die ge-gensätzlichste Exposition bei Gruppe A (12 Betriebe)und Gruppe D (13 Betriebe) vor; im Durchschnitt wa-ren die Höfe der Gruppe A um den Faktor 50 stärkerGSM-exponiert als die Betriebe der Gruppe D. DieseHöfe waren damit besonders gut für die Beurteilungder möglichen Effekte einer Mobilfunkexposition ge-eignet, da Effekte durch Felder von anderen Funkdiens-ten (TV, Radio etc.) als dem GSM-Mobilfunk besondersunwahrscheinlich waren. Gleichzeitig muss jedoch be-achtet werden, dass nicht auszuschließen ist, dass es ge-rade bei gleichzeitig hoher Exposition in Feldern un-terschiedlicher Funkdienste (Beispiel Altenweger, s. o.)zu Problemen kommt. Die Expositionswerte auf derWeide lagen zum Teil deutlich (bis 22fach) höher als dieWerte im Stall, erreichten jedoch maximal auch nur9 Promille des derzeitigen Grenzwertes.

Alternativ wurde eine einfachere Einteilung inzwei Gruppen nur unter Betrachtung der GSM-Feldervorgeschlagen: zu Gruppe E (Exposition) würden alleBetriebe gehören, bei denen die Mobilfunkexpositionüber 0,337 Promille des Grenzwertes lag, zu Gruppe K(Kontrolle) alle anderen Betriebe. Gruppe E enthieltedie Betriebe der Gruppen A und B, Gruppe K die Be-triebe aus C und D. Bei dieser Einteilung in E und Kwären die Höfe der Gruppe E um den Faktor 23 stärkerGSM-exponiert als die Betriebe der Gruppe K.

Die in jedem Stall zusätzlich durchgeführte Mes-sung der niederfrequenten Magnetfelder ergab in kei-

nem Bestand Werte über 0,3 µTesla, sodass niederfre-quente Felder für die weitere Betrachtung möglicher Ef-fekte elektromagnetischer Felder in den untersuchten Be-ständen vernachlässigt werden konnten (BStMLU 2001).

Der Betrieb Altenweger in Schnaitsee nahm imVergleich zu allen anderen untersuchten Betrieben ei-ne außergewöhnliche Stellung ein. In diesem Bestandwar die Exposition durch Felder im Frequenzbereichdes C-Netzes ungewöhnlich hoch (etwa 17-mal größerals der Durchschnitt). Auch die Felder von UKW undTV waren hier, v. a. auf der Weide, durch einen großenSendeturm der Telekom am stärksten ausgeprägt,während die Exposition durch GSM-Mobilfunk durch-schnittlich war (BStMLU 2001).

Bei Betrachtung der Bundesländer (Bayern, Hes-sen), in denen die Betriebe liegen, fiel bei der Diskussi-on der Untersuchungen auf, dass der weit überwie-gende Teil (17 von 21) der Mobilfunk-exponierten Be-triebe der Gruppe E in Bayern lag, während der weit-aus überwiegende Teil (13 von 17) der „Kontrollbetrie-be“ der Gruppe K in Hessen lag. In Bayern und Hessenwerden jedoch unterschiedliche Rinderrassen gehal-ten, und die Haltungsbedingungen unterscheiden sichzum Teil erheblich. So befanden sich Betriebe mit rot-bunten und schwarzbunten Rindern ausschließlich inHessen, Betriebe mit Braunvieh ausschließlich in Bay-ern, während Fleckvieh in beiden Bundesländern ver-treten war. Damit ist z. B. der in den erwähnten Fallbe-schreibungen sensible Faktor Milchleistung nicht be-urteilbar, da die mittlere Milchleistung der Rinderras-sen der überwiegend in Bayern lokalisierten exponier-ten Betriebe aufgrund von Rasseunterschieden vonvorherein deutlich unter der Milchleistung der Küheder überwiegend hessischen Kontrollbetriebe liegt.

Ein weiteres Problem ergab sich durch das Vor-kommen der Bovinen Virusdiarrhoe (BVD) in den Be-ständen. Leider war eine Untersuchung auf BVDzunächst nicht geplant, sodass sich zahlreiche BVD-po-sitive Betriebe in der Untersuchung befanden, was erstim Verlauf der Untersuchung auffiel. Da BVD in Bay-ern im Untersuchungszeitraum häufiger vorkam als inHessen, ergab sich möglicherweise bereits aus der un-terschiedlichen Expositionsverteilung zwischen denbeiden Bundesländern, dass BVD in exponiertenbayerischen Betrieben häufiger vorkam als in den hes-sischen Kontrollbetrieben. Es fragt sich natürlich, obdie auffällig hohe Infektionsrate mit BVD bei den Mo-bilfunk-exponierten bayerischen Betrieben auf dashäufigere Vorkommen von BVD in Bayern oder zu-mindestens zum Teil auch auf die Mobilfunkexpositi-on zurückzuführen ist. Trotz dieser aufgrund von Pla-nungsfehlern entstandenen Einschränkungen in derAussagefähigkeit der Untersuchung ergaben sich eini-ge besorgniserregende Unterschiede zwischen expo-nierten Betrieben und Kontrollbetrieben, die nichtdurch geographische Faktoren oder BVD zu erklärenwaren.

(1) Der m. E. besorgniserregenste Befund der Studieist eine dramatisch erhöhte Zahl von missgebildeten Käl-bern (Missgeburten mit z. B. Gliedmaßenanomalien) inden exponierten Beständen (38 missgebildete Kälber inden exponierten versus 11 in den Kontrollbeständen) imUntersuchungszeitraum. Da eine BVD-Infektion Miss-

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geburten fördern kann, wurde dieser Befund auf die er-höhte Inzidenz von BVD in den exponierten Beständenzurückgeführt. Allerdings traten auch in nicht-BVD-infi-zierten Beständen mit Mobilfunk-Exposition mehr alsdoppelt soviel Missgeburten auf (12) wie bei nicht-BVD-infizierten Kontrollbeständen (5).

(2) In den exponierten Betrieben traten vermehrtErkrankungen (z. B. Augenentzündungen) auf, dieauch schon in dem von Löscher und Käs (1998) anek-dotisch berichteten Fall in Schnaitsee beobachtet wor-den waren.

(3) Aufgrund der Publikation zu Mikrokernen inErythrozyten von Rindern in der Nähe einer Radaran-lage (Balode 1996) wurde auch das Vorkommen von Mi-krokernen in der bayerischen Rinderstudie untersucht.Mikrokerne, die normalerweise nur sehr selten inErythrozyten auftreten, sind ein Hinweis auf eine erb-gutschädigende Wirkung und werden z. B. durch ioni-sierende Strahlen oder krebserzeugende Chemikalienhervorgerufen. In der bayerischen Untersuchung anMilchkühen wurde keine Zunahme von Erythrozytenmit Mikrokernen bei mobilfunk-exponierten Kühenfestgestellt, allerdings hatten mobilfunk-exponierteRinder signifikant häufiger als Kontrollrinder zwei Mi-krokerne pro Erythrozyt, ein unerwarteter und besorg-niserregender Befund. Weitere Hinweise auf genotoxi-sche Wirkungen (z. B. Schwesterchromatidaustausche)gab es jedoch nicht.

(4) Schließlich ergaben sich eindeutige Verhal-tensänderungen bei Mobilfunk-exponierten Kühen. Sozeigten exponierte Tiere kürzere Liegezeiten und eineerniedrigte Wiederkaudauer und -frequenz (Wenzel etal. 2002), was in der Konsequenz zu einer schlechterenNahrungsverwertung führt und den von Löscher undKäs (1998) berichteten Rückgang der Milchleistung beiexponierten Kühen erklären könnte. In der bayerischenStudie wurde der Einfluss einer Mobilfunk-Expositionauf die Milchleistung leider nicht eingehend unter-sucht. Die umfangreichen verhaltensphysiologischenUntersuchungen der Arbeitsgruppe Unshelm sind derbisher einzige Teil der bayerischen Rinderstudie, derausführlich in einer Fachzeitschrift publiziert wurde(Wenzel et al. 2002). Für die Untersuchungen wurdenBVD-erkrankte Tiere ausgeschlossen, um Verhal-tensänderungen möglichst eindeutig der Exposition inhochfrequenten elektromagnetischen Feldern zuord-nen zu können. Analog zu Löscher und Käs (1998) führtauch die Gruppe von Unselm die in ihren Untersu-chungen beobachteten Befunde an exponierten Kühenauf eine chronische Stressbelastung durch das hochfre-quente elektromagnetische Feld zurück, was durch dieMessung von Speichelcortisolkonzentrationen imACTH-Stimulationstest unterstützt wurde (Wenzel etal. 2002).

Zusammenfassend zeigt die bayerische Untersu-chung an Mobilfunk-exponierten Milchkuhbeständenalso eine Reihe von Tendenzen, die besorgniserregendsind und dringend der weiteren Abklärung bedürfen.Die bisher vorliegenden Beobachtungen könnten da-durch erklärt werden, dass elektromagnetrische Felderim Sinne eines chronischen Stressors wirken, der zuLeistungs- und gesundheitlichen Veränderungenführt. Diese Annahme wird durch zahlreiche experi-

mentelle Befunde unterstützt (zur Übersicht s. Smith1996). Dagegen ist die Rolle des in Zusammenhang mitbiologischen Effekten elektromagnetischer Felder oftzitierten Hormons Melatonin (s. o.) für die Vermittlungbiologischer Effekte einer Exposition in hochfrequen-ten mobilfunk-relevanten Feldern umstritten (Bortkie-wicz et al. 2002, Burch et al. 2002, de Seze et al. 1999). Ineiner Untersuchung an Personen am Arbeitsplatz führ-te häufiges Benutzen eines Handys zu einer signifikan-ten Reduktion der Melatoninkonzentration (gemessendurch die nächtliche Urinausscheidung des Melato-ninmetaboliten 6-Hydroxymelatoninsulfat), die durchgleichzeitig erhöhte Exposition in einem niederfre-quenten (60 Hertz) Feld verstärkt wurde (Burch et al.2002). Dagegen zeigten Untersuchungen mit experi-menteller (im Labor durchgeführter) Exposition vonFreiwilligen keinen Effekt einer Mobilfunkexpositionauf die Melatoninkonzentration (Bortkiewicz et al.2002, de Seze et al. 1999, Radon et al. 2001). ÄhnlicheWidersprüche zwischen Arbeitsplatz- und Laborun-tersuchungen hatte es bereits bei Exposition in nieder-frequenten Magnetfeldern gegeben, so dass geschlos-sen wurde, dass Laboruntersuchungen „Real-Life“-Ex-positionen nicht adäquat wiedergeben (Burch et al.1999). Untersuchungen an Milchkühen in der Nähe ei-ner Mobilfunksendeanlage ergaben keine signifikanteVeränderung der Melatoninkonzentrationen im Spei-chel (Stärk et al. 1997). Auch in der bayerischen Rin-derstudie wurden keine Hinweise auf eine Erniedri-gung der Melatoninkonzentration im Speichel expo-nierter Kühe gefunden (BStMLU 2001). Der Nacht-Tag-Rhythmus der Melatoninproduktion, die erhebliche in-tra- und interindividuelle Varianz der Melatoninkon-zentrationen und die bereits für niederfrequenten Mag-netfeldern berichtete Variabilität der Effekte von elek-tromagnetischen Feldern auf die Melatoninkonzentra-tion in Pinealorgan und Plasma (Löscher et al. 1998) er-schweren jedoch abschließende Aussagen zu mögli-chen Effekten hochfrequenter elektromagnetischerFelder auf die Melatoninproduktion bei Rindern er-heblich. Hinzu kommt, dass für niederfrequente mag-netische Felder gezeigt wurde, dass unabhängig vonder Konzentration von Melatonin die Wirkung von Me-latonin durch Magnetfelder beeinträchtigt wird (Lö-scher u. Liburdy 1998). Derartige Untersuchungen lie-gen für hochfrequente elektromagnetische Felder bis-her nicht vor, sodass eine Beteilung des Melatonin-Sys-tems an den Wirkungen hochfrequenter elektromagne-tischer Felder auf Leistung und Gesundheit von Rin-dern m. E. nicht ausgeschlossen werden kann.

Epidemiologische Studie zur Auswirkung elektromag-netischer Felder von Mobilfunksendeanlagen auf Leistung,Gesundheit und Verhalten von Rindern

Zur weiteren Abklärung der Auswirkung von Mobil-funksendeanlagen auf Leistung und Gesundheit vonKühen plant eine Reihe von Arbeitsgruppen derTierärztlichen Hochschule Hannover eine umfangrei-che, prospektive Untersuchung bei Mobilfunk-expo-nierten Milchviehbeständen und Kontrollbeständen inNiedersachsen. Folgende Institute und Kliniken derTiHo wollen sich an der Untersuchung beteiligen: ▼ ▼

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Koordination/Epidemiologie/Biometrische Auswer-tung: Prof. L. Kreienbrock, Institut für Biometrie, Epi-demiologie und InformationsverarbeitungBestandsbetreuung: Prof. M. Hoedemaker, Klinik fürRinderMilchleistung: Prof. J. Hamann, ZentrumsabteilungHygiene und Technologie der Milch, Zentrum für Le-bensmittelwissenschaftenStallklima: Prof. J. Hartung, Institut für Tierhygiene,Tierschutz und NutztierethologieWirkungsmechanismen: Prof. W. Löscher, Institut fürPharmakologie, Toxikologie und Pharmazie

Die Expositionsmessung und -bewertung soll von Prof. V.Hansen (Lehrstuhl für Theoretische Elektrotechnik derBergischen Universität Wuppertal) durchgeführt werden.

Zunächst soll in einer ersten Projektphase eineräumliche Erfassung aller Mobilfunksendeanlagen inder Studienregion Weser-Ems vorgenommen werden.Desweiteren ist für die Studienregion ein Verzeichnis al-ler Milchviehbetriebe zu erstellen, die einer regelmäßi-gen Milchleistungskontrolle angeschlossen sind, um ei-ne ordnungsgemäße Protokollierung von Milchlei-stungsdaten auch in der Vergangenheit zu gewährlei-sten. Die Informationen zu Sendeanlagen und Betriebenstellen die Basis der weiteren Projektphasen dar und er-lauben, Betriebe repräsentativ auszuwählen. Außerdemkönnen bereits in dieser Projektphase durch den Ver-gleich der protokollierten Milchleistung vor und nach In-betriebnahme einer Mobilfunksendeanlage möglicheVeränderungen der Milchleistung erfasst werden.

In einer zweiten Projektphase sollen 30 Betriebe mithöherer Exposition und 30 Betriebe mit geringer Exposi-tion in hochfrequenten elektromagnetischen GSM-Fel-dern in die Studie aufgenommen und charakterisiertwerden. Die dritte Projektphase sieht eine weitere Expo-sitionsquantifizierung sowie eine Querschnittsuntersu-chung an Einzeltieren vor. In Projektphase 2 und 3 wer-den zahlreiche betriebsspezifische und tierindividuelleExpositions-, Leistungs-, Gesundheits- und Verhaltens-parameter erfasst. Die Untersuchung soll nach den Prin-zipien Guter Epidemiologischer Praxis (GEP) der Deut-schen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie durchge-führt werden und wird voraussichtlich drei Jahre in An-spruch nehmen. Dabei soll neben Gruppenvergleichen(hoch exponiert zu niedrig exponiert) auch jeder hoch ex-ponierte Bestand mit Auffälligkeiten im Gegensatz zurbayerischen Rinderstudie individuell betrachtet werden.Ziel ist die Identifizierung von Faktoren, die möglicher-weise erklären, warum es in Rinderbeständen mit ver-gleichbarer Mobilfunkexposition in einigen Fällen zu ty-pischen Problemen kommt (Rückgang der Milchlei-stung, Fruchtbarkeitsstörungen, Missgeburten) und inanderen Fällen nicht. Diese Faktoren können expositi-onsspezifisch (z. B. Installation mehrer interagierenderMobilfunksendeanlagen oder Interaktion zwischen Mo-bilfunksendeanlagen und TV-/Radiosendeanlagen)oder bestandsspezifisch sein. Da diese Faktoren bishernicht bekannt sind, können sie nicht in einem Versuchs-stall simuliert werden, so dass die Durchführung einerexperimentellen Studie an Kühen in einem Versuchsstallmit definierter Mobilfunkexposition zur Zeit wenig sinn-voll erscheint.

Falls die bisher berichteten Beobachtungen wis-senschaftlich bestätigt werden können, hätte dies er-hebliche Konsequenzen für die Beurteilung der ge-sundheitlichen Risiken durch hochfrequente elektro-magnetische Felder von Mobilfunkanlagen für Tierund Mensch. Leider ist die Finanzierung der geplantenUntersuchung in Niedersachsen vor allem aufgrundvon Bedenken des Bundesamtes für Strahlenschutzbisher nicht gesichert, obwohl zunächst vom Bundes-umweltministerium eine Finanzierung in Aussicht ge-stellt worden war.

Fallbeschreibungen der Auswirkung elektromagneti-scher Felder von Mobilfunksendeanlagen auf Leistung,Gesundheit und Verhalten von anderen Tierarten

Nach der Beschreibung des Falles in Schnaitsee durchLöscher und Käs (1998) meldeten sich bei den Autorennicht nur weitere Rinderhalter, sondern auch Landwir-te, die nach Aufnahme des Betriebes von Mobilfunk-sendeanlagen auf oder in der Nähe ihrer Betriebe Prob-leme bei Leistung und Gesundheit anderer in den Be-trieben gehaltener Tierarten beobachteten. Am bestendokumentiert sind dabei zur Zeit die Veränderungen,die nach Inbetriebnahme einer GSM-Mobilfunksende-anlage in einem Zuchtsauenbetrieb in Westoverledin-gen/Ostfriesland auftraten. Die Sendeanlage befindetsich in ca. 100 m Entfernung zum Betrieb. Immis-sionmessungen ergaben, dass die Feldstärke der hoch-frequenten elektromagnetischen D- und E-Mobilfunk-felder weit unter den zur Zeit geltenden Grenzwertenliegen. Seit Inbetriebnahme der Anlage kam es jedochzu Fertilitätsproblemen bei den Zuchtsauen und einerdramatischen Zunahme von Fehl- und Missgeburten.Infektionskrankheiten oder andere mögliche Ursachenfür diese Probleme wurden durch den betreuendenTierarzt in umfangreichen Untersuchungen ausge-schlossen. Zurzeit wird der Bestand von Mitarbeiterndes Zentrums für Umweltforschung und Umwelttech-nologie, Allgemeine und Theoretische Ökologie (FrauProf. J. Filser), der Universität Bremen wissenschaftlichuntersucht. In einem benachbarten Milchviehbetriebkam es nach Inbetriebnahme der Sendeanlage zu Ferti-litätsproblemen.

Ähnliche Probleme wie im Fall des Zuchtsauen-betriebes in Westoverledingen wurden auch von einemZuchtsauenbetrieb in Rainbach im Innkreis, Öster-reich, berichtet. Auch nach Bestandssanierung und An-schaffung neuer, gesunder Tiere kam es nach wenigenWochen wieder zu gesundheitlichen Beeinträchtigun-gen, die in dieser Form vor Inbetriebnahme naher ge-legener Mobilfunksendeanlagen nicht im Bestand auf-getreten waren. Der Landwirt zeigte darauf hin die Mo-bilfunkbetreiber an.

Ein weiterer, im letzten Jahr berichteter Fall betriffteine Gänseherde, die unter einem Sendemast der Tele-kom in Goch, Niederrhein, gehalten wird, und derenEier als Bruteier verkauft werden. Seit Inbetriebnahmedes Mastes sank die Befruchtungsrate der Bruteier von85 % auf unter 5 %. Außerdem sind die Tiere seitdemaußerordentlich unruhig. Sowohl die Fertilitätsproble-me als auch die Verhaltensänderungen erinnern an dieProbleme der Rinderhaltung in Schnaitsee (s. o.). Zwei

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weitere Gänseherden, die im Umkreis von 5 km vomSendemast unter den gleichen Bedingungen gehaltenwerden und das gleiche Futter bekommen, sind in ih-rer Befruchtungsrate unverändert.

Aus der gleichen Region wurden nach Inbetrieb-nahme der Telekom-Anlage in der Nähe (ca. 30–50 m)des Senders Fertilitätsprobleme und Störungen derTrächtigkeit bei Pferden berichtet. Wiederum ergabentierärztliche Untersuchungen weder bei der betroffe-nen Gänseherde noch bei Pferden Erklärungen für diebeobachteten Probleme.

Dies ist nur eine Auswahl von Fällen, die dem Au-tor direkt berichtet wurden und besonders gut doku-mentiert sind. Weitere Fälle bei Schweine- und Pferde-haltern liegen dem Autor vor. Dabei muss natürlich be-achtet werden, dass sich Tierhalter, bei denen es zu kei-nen Veränderungen im Bestand nach Inbetriebnahmeeiner Mobilfunksendeanlage kommt, nicht meldenwerden. Die bestands- oder expositions-spezifischenFaktoren, die für mögliche Beeinträchtigungen bei Tie-ren eine Rolle spielen, sind bisher, wie bereits bei denRinderuntersuchungen angesprochen, nicht bekannt.

SchlussfolgerungenAbschließend kann die Frage, ob hochfrequente elektro-magnetische Felder von Mobilfunksendeanlagen negati-ve Auswirkungen auf Leistung, Gesundheit und Verhal-ten von landwirtschaftlichen Nutztieren haben, wissen-schaftlich zur Zeit nicht eindeutig beantwortet werden.Anekdotische Fallbeschreibungen erlauben keinen si-cheren Rückschluss auf einen Kausalzusammenhangzwischen Exposition und den dokumentierten Verände-rungen, und die bisher einzige vorliegende großange-legte Untersuchung, die bayerische Rinderstudie, weisterhebliche Planungsmängel auf, die ihre Aussagekraftstark einschränken. Andererseits fallen die Analogien beiden beobachteten Veränderungen bei nieder- und hoch-frequenten Feldern sowie bei verschiedenen Tierartenauf. Immer wieder werden Fertilitätsstörungen, Fehl-oder Missgeburten und Verhaltensanomalien beobach-tet. Zudem scheinen v. a. Tiere in besonderer Leistungs-situation, also trächtige oder zu besonderer Hochleistunggezüchtete Tiere betroffen zu sein. Tiere in besondererLeistungssituation sind auch besonders empfindlich aufalle Veränderungen in ihrer Umgebung, die mit Stressverbunden sind, so dass die durch Verhaltensbeobach-tungen gestützte Vermutung, dass elektromagnetischeFelder in Form eines Stressors auf den Organismus ein-wirken, plausibel erscheinen (Löscher u. Käs 1998, Wen-zel et al. 2002).

Aufgrund der Bedeutung des Hormons Melatoninfür Fruchtbarkeit und Fortpflanzungsverhalten (Reiter1992, Reiter u. Richardson 1992) könnte die „Melatonin-hypothese“ als biologisch plausible Erklärung der Wir-kungen niederfrequenter magnetischer Felder auch fürdie bei mobilfunk-exponierten Nutztieren beobachtetenVeränderungen eine Rolle spielen, was durch die vorlie-genden Speicheluntersuchungen an Rindern aber bishernicht gestützt wird. Allerdings haben Melatoninunter-suchungen im Speichel eine Reihe von Nachteilen, so-dass die Frage der möglichen Rolle von Melatonin für diebei Rindern beobachteten Veränderungen von Frucht-

barkeit, Fortpflanzungsverhalten und Milchleistung derweiteren Untersuchung bedarf. Hier sollte in Analogie zuUntersuchungen am Menschen (Burch et al. 2002) dienächtliche Urinausscheidung des Melatoninmetaboliten6-Hydroxymelatoninsulfat bestimmt werden, da dieseim Gegensatz zu Speichel- oder Plasmakonzentrations-bestimmungen von Melatonin weniger variabel ist undeinen Rückschluss auf das Ausmaß der Melatoninpro-duktion erlaubt.

Unklar ist bisher, warum es in einigen Tierbeständenin der Nähe von Mobilfunksendeanlagen zu Verände-rungen bei exponierten Tieren kommt, in anderen Be-ständen bei ähnlicher Exposition aber nicht. Die ab undzu in diesem Zusammenhang diskutierten niederfre-quenten Kriechströme scheiden nach Ansicht von Exper-ten aus (BStMLU 2001). Dagegen kann die Interaktionzwischen verschiedenen Mobilfunksendern oder zwi-schen Mobilfunksender(n) und TV- oder Radiosenderneine entscheidende Rolle spielen, die der weiteren Unter-suchung bedarf (Löscher u. Käs 1998). Neben expositions-assozierten Faktoren können auch genetische Faktorender exponierten Tiere für Unterschiede zwischen Tierbe-ständen eine entscheidende Bedeutung haben (s. o.). Einewichtige bestandsspezifische Bedeutung hat möglicher-weise auch der experimentell belegte Synergismus zwi-schen elektromagnetischen Feldern und verschiedenenanderen Stressoren, z. B. Hitze (Gutzeit 2001).

Eine offene Frage ist auch, warum die Expositionin viel stärkeren hochfrequenten Feldern von Radiound TV i. G. zu Mobilfunk anscheinend keine Verän-derungen bei landwirtschaftlichen Nutztieren hervor-ruft (s. Beispiel Altenweger). Hier könnte wie wieder-holt vermutet der Typ der Modulation, also die nieder-frequente Pulsung der hochfrequenten Mobilfunkfel-der, eine entscheidende Rolle spielen (Tenforde 1997).

Zusammenfassend bedarf die Frage, ob und unterwelchen Umständen die erhöhte Exposition von land-wirtschaftlichen Nutztieren in hochfrequenten elektro-magnetischen Feldern von Mobilfunksendeanlagennegative Auswirkungen auf Gesundheit, Leistung oderVerhalten ausübt, der weiteren wissenschaftlichen Un-tersuchung. Nach Einschätzung des Autors lassen diebisher vorliegenden Fallberichte und Untersuchungenden Schluss zu, dass derartige Auswirkungen wahr-scheinlich sind, die expositions- und bestandsspezifi-schen Faktoren, die derartige Auswirkungen begünsti-gen, aber bisher weitestgehend unbekannt sind. DieAufklärung dieser Faktoren könnte dazu beitragen, diemöglichen Risiken elektromagnetischer Feldexpositi-on zu minimieren und sollte deshalb sowohl im Inter-esse der Politik, der Gesundheitsbehörden alsauch der Mobilfunkindustrie liegen.

Danksagungen: Ich danke Prof. V. Hansen, Dr. J. Streckert und

Herrn A. Bitz, Bergische Universität Wuppertal, Fachbereich Elek-

trotechnik und Informationstechnik, Lehrstuhl für Theoretische

Elektrotechnik, für die umfangreichen Hinweise zu den techni-

schen Ausführungen dieser Arbeit und Frau Dr. M. Fedrowitz für

die Hilfe bei der Erstellung der Abbildung.

Anschrift des Verfassers: Prof. Dr.Wolfgang Löscher, Institut für

Pharmakologie, Toxikologie und Pharmazie der Tierärztlichen

Hochschule Hannover, Bünteweg 17, 30559 Hannover.

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