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© Deutscher Ärzte-Verlag | DIVI | 2013; 4 (1) DIVI 1/2013 Mitgliederzeitschrift der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) März 2013 – www.divi-org.de DIVI DP AG Postvertriebsstück – Entgelt bezahlt – 18226 – Heft 1/2013 Deutscher Ärzte-Verlag GmbH – Postfach 40 02 65 – 50832 Köln Schluckstörungen auf der Intensivstation Einsatzbereitschaft von Klinik-Mitarbeitern unter Eigenrisiko Palliativmedizin und Sterben auf der Intensivstation Postpylorische Ernährungssonden zur enteralen Ernährung This Journal is regularly listed in CCMED/MEDPILOT.

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© Deutscher Ärzte-Verlag | DIVI | 2013; 4 (1) ■

DIVI1/2013

Mitgliederzeitschrift der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI)

März 2013 – www.divi-org.de

DIVI

DP AG Postvertriebsstück – Entgelt bezahlt – 18226 – Heft 1/2013 Deutscher Ärzte-Verlag GmbH – Postfach 40 02 65 – 50832 Köln

Schluckstörungen

auf der Intensivstation

Einsatzbereitschaft von

Klinik-Mitarbeitern unter Eigenrisiko

Palliativmedizin und Sterben auf

der Intensivstation

Postpylorische Ernährungssonden zur

enteralen Ernährung

This Journal is regularly listed in CCMED/MEDPILOT.

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N e o n a t o l o g i e

B E AT M U N G

A n ä s t h e s i e

H o m e c a r e

S c h l a f d i a g n o s t i k

P n e u m o l o g i e

S e r v i c e

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D I E N Ä C H S T E G E N E R AT I O N .

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Unsere vierteljährlich erscheinende Zeitschrift DIVI soll das Forum sein für alle, denen die Intensivmedizin wichtig ist: Ärz-te, Pflegekräfte, Physiotherapeuten und viele andere.

In diesem Forum soll man sich begegnen, sich austau-schen, Meinungen und Argumente vortragen und vertreten. Und zwar mit allen, die an der Intensivmedizin interessiert sind!

Bei der Komplexität der Intensivbehandlung erscheint es mir eminent wichtig, dass alle an der Behandlung Beteiligten die grundsätzlichen Strategien der jeweils anderen Behand-lungsgruppen verstehen und einschätzen können. Ohne dieses gegenseitige Verständnis für die Tätigkeiten der Anderen bleibt die Behandlung das Stückwerk einzelner Arbeitsgruppen. Erst mit dem Verständnis für das Ganze kann die Intensivbehand-lung nach einem Gesamtkonzept aufgebaut werden. Der beste Weg für guten Erfolg!

Und diesem Ziel sind wir jetzt etwas näher gekommen: Künftig werden wir unsere Zeitschrift auf allen Intensivstatio-nen in deutschen Krankenhäusern mit jeweils einem Beleg-exemplar kostenfrei anbieten. Wir hoffen, dass diese Beleg-exemplare gut und fleißig genutzt werden. Sie sind Ausdruck dieser Idee eines gemeinsamen Forums! Sie sollen alle anregen, sich am intensivmedizinischen Leben zu beteiligen, sollen neue Erkenntnisse verbreiten und sollen Diskussionen anstoßen.

Wir hoffen jetzt alle, dass dieser doch erhebliche Aufwand auf fruchtbaren Boden fällt.

Der Stellenwert relevanter Fragen unserer Intensivpfle-gekräfte für uns wird auch dadurch unterstrichen, dass diesem Heft ein Fragebogen zur Weiterbildung der Fachkrankenpflege beigefügt ist. Wir bitten alle Pflegekräfte auf den Intensivstatio-nen diesen Fragebogen auszufüllen und damit ein möglichst breites Meinungsbild zur Bereitschaft für fachliche Weiterbil-dung und zur Weiterentwicklung der beruflicher Qualifikation zu liefern.

Um den Wirkungsbereich der Zeitschrift zu verbreitern, ha-ben wir noch weitere Mit-Herausgeber gewinnen können; sie werden in diesem Heft einzeln vorgestellt.

Die für die Intensivmedizin so wichtige Physiotherapie war bislang nicht vertreten. Wir haben jetzt mit Frau Filipovic aus Marburg eine in Intensivmedizin erfahrene Physiotherapeutin gewinnen können. Wir hoffen, dass damit der Beitrag der Phy-siotherapie für die Intensivmedizin allen augenscheinlich ge-macht werden kann.

Zusätzlich haben wir den Neurologen, Herrn Dr. Rainer Kollmar, als weiteren neurologischen Mitherausgeber gewin-nen können. Hiermit soll die besondere Bedeutung der Neuro-Fächer in der Intensivmedizin unterstrichen werden.

Herr Prof. Dr. Martin Krause aus der Pädiatrischen Univer-sitätsklinik in Kiel musste leider aus Gründen der Aufgaben-Überlastung seine Mit-Herausgeberschaft abgeben. Wir dan-ken ihm für seine bisherige erfolgreiche Arbeit. Für ihn kommt Herr Dr. Christoph Härtl aus Lübeck, den wir in unserem Kreis herzlich begrüßen.

Ich danke allen Mit-Herausgebern für ihre Mitwirkung an dem vergangenen Jahrgang der Zeitschrift.

Wir alle wünschen uns, dass der neue Jahrgang mit den wichtigen Innovationen, von den Lesern – den bisherigen wie den neuen – mit Freude aufgenommen wird.

Hilmar Burchardi Hauptherausgeber

DIVI bietet das Forum für die Intensivmedizin

1EDITORIAL / EDITORIAL

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EDITORIAL / EDITORIAL ............................................... 1

GESELLSCHAFT / SOCIETY

MITTEILUNGEN AUS DER GESELLSCHAFT /

NEWS OF THE SOCIETY

A. Markewitz

Nachrichten aus der Gesellschaft ........................................3

R. Röhrig, Ch. Wrede

Die Verbindung von Medizinprodukten mit IT-Netzen – Nutzen und Risiken sollten bedacht werden ....................6

Interdisziplinarität zum Wohle des Patienten .................. 36

Zuwachs in der Mitherausgeberschaft der DIVI-Zeitschrift ............................................................38

TAGUNGSKALENDER / MEETINGS .............................. 21

WISSENSCHAFT / RESEARCH

ÜBERSICHT / REVIEW

R. Nusser-Müller-Busch

Schluckstörungen auf der Intensivstation: Atmen und Schlucken – eine vitale BeziehungSwallowing disorders in the ICU: Breathing and swallowing – a vital relationship ..................................7

P. Gretenkort, P. Thomas

Einsatzbereitschaft von Klinik-Mitarbeitern unter EigenrisikoWilligness of hospital staff to report to work in personal risk situations .................................................15

H. C. Müller-Busch

Palliativmedizin und Sterben auf der Intensivstation – kein WiderspruchPalliative care and dying in intensive care – no contradiction ............................................................22

S. Schröder, O. Schroeder, A. Hohn

Postpylorische Ernähurngssonden zur enteralen Ernährung bei Intensivpatienten mit erhöhtem gastralen RefluxPost-pyloric nutritional tubes for enteral nutrition in intensive care patients with increased gastric reflux .......... 28

PRAXIS / PRACTICE

DAS TEAM UNTER DER LUPE / FOCUS TEAMWORK

W. Fleischer

Intensivierung der Zusammenarbeit gibt Sicherheit und senkt die Kosten .........................................................34

MEDIEN / MEDIA

Buchbesprechungen / Book Reviews ..........................27, 35

Buchneuzugänge / New Publications ...............................37

INDUSTRIE UND HANDEL /

INDUSTRY AND TRADE ................................................37

IMPRESSUM / IMPRINT ................................................40

Titelbild: Dominik Pietsch

Befragung von Intensivpflegekräften zur Weiterentwicklung der Fachkrankenpflege in Deutschland

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

im Innenteil der DIVI finden Sie einen Fragebogen, in dem Ihre Vorstellungen und Wünschen zur beruflichen Qualifizierung für die Intensivpflege abgefragt werden. Ziel der Umfrage ist es, ein Meinungsbild aus der Intensivpflege darüber zu erhal-ten, ob und wie die Weiterbildung in der Intensiv pflege verändert werden sollte und ob und welche anderen Gesundheitsberufe und Spezialisierungen neben der Fachpflegekraft für Intensivmedizin sinnvoll sein könnten.

Wir freuen uns auf Ihren ausgefüllten Fragebogen!

2 INHALTSANGABE / TABLE OF CONTENTS

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Nachrichten aus der Gesellschaft

1. Aktuelles

1.1 Wahlen zum Präsidium

Auf der Mitgliederversammlung der DIVI am 06.12.2012 wurden Wahlen mit dem folgenden Ergebnissen durch-geführt:•• Wahl zum Präsident Elect (Prä-

sident für die Amtsperiode 2015/16): Herr Prof. Dr. Gerhard Jorch aus Magdeburg

•• Wahl zum Kongresspräsidenten 2014: Herr Prof. Dr. Andreas Unter-berg, Heidelberg

Der aktuelle Vorstand hat damit folgen-de Zusammensetzung:Präsidentin: Frau Prof. Dr. Elke Muhl Past Präsident: Herr Prof. Dr. Michael Quintel Präsident elect: Herr Prof. Dr. Gerhard Jorch

1.2 Satzungsänderung

Weiter wurde auf der Mitgliederver-sammlung eine Satzungsänderung ver-abschiedet, die den englischen Namen der DIVI betrifft. Dieser lautet nunmehr: „German Interdisciplinary Asso-ciation of Critical Care and Emer-gency Medicine”

1.3 Änderung der Mitglieds -beiträge

Schließlich verabschiedete die Mitglie-derversammlung eine neue Beitragsord-nung.

Die neuen Beiträge wurden im ein-zelnen wie folgt beschlossen:•• Division – MG – Ärzte• Für ordentliche Mitglieder beträgt der

Beitrag 150,00 € im Jahr, bei Mitglied-schaft in einer DIVI-FB Fachgesell-schaft 100,00 €, außerordentliche Mitglieder zahlen 75,00 € im Jahr, bei Mitgliedschaft in einer DIVI-FB Fach-gesellschaft 50,00 €.

•• Division – MG – Nichtärzte

• Der Beitrag für Mitglieder der Divisi-on-MG-Nichtärzte beträgt 25,00 € im Jahr. Mitglieder der Division – MG – Nichtärzte erhalten ab dem Jahr 2009 auf die Kongressregistrierung eine Er-mäßigung.

•• Fördernde Mitglieder• Der Jahresbeitrag für Fördernde Mit-

glieder beträgt mindestens 800,00 € pro Jahr.

•• Pensionierte oder berentete Mitglie-der werden auf Antrag vom Beitrag freigestellt. Die Zusendung der Zeit-schrift sowie die Rabattierung auf die Kongressgebühr entfallen dann. Die Zeitschrift kann weiter Online gelesen werden.

In diesem Zusammenhang sei auf das neue Verfahren der Rechnungsstel-lung hingewiesen: Im Rahmen der Neu-strukturierung der Mitglieder-Daten-bank auf ein DIVI-eigenes System wird auch das Rechnungssystem neu gestal-tet. Alle Mitglieder erhalten im März ei-ne Rechnung der DIVI. Der Rechnung wird ein Mitgliedsausweis beigefügt sein.

1.4 DIVI Kongress 2012

1.4.1 Allgemeines

Der Kongress war mit über 4.500 Teil-nehmern gut besucht. Neben zahlrei-chen positiven Rückmeldungen wurden die teilweise sehr kurzfristigen Absagen und damit die ersatzlose Streichung von im Programm ausgedruckten Vorträgen bemängelt.

Der letztgenannte Punkt war bereits im Vorjahr Anlass zur Kritik. Das DIVI-Präsidium hat daher beschlossen, bei kurzfristigen Absagen die jeweiligen Redner für den Ablauf von 3 Jahren nicht mehr anzufragen.

1.4.2 Preise und Stipendien

•• Else Kröner Memorial Award• Dieser mit 25.000 € dotierte Preis wur-

de im Jahre 2012 geteilt und an Herrn Dr. Dirk Schädler aus Kiel für seine Ar-beit „Automatic control of pressure

support for ventilator weaning in sur-gical intensive care patients“ sowie an Herrn PD Dr. Alexander Zarbock für seine Arbeit „Crucial role of SLP-76 and ADAP for neutrophil recruitment in mouse kidney ischemia-reperfusi-on injury“ verliehen.

•• Best Teacher Award • Dieser Preis in Höhe von 1.000 € für

den am besten bewerteten Fortbil-dungsvortrag ging an Frau Dr. Geral-dine de Heer aus Hamburg für ihren Vortrag zur Ulcusprophylaxe.

•• Forschungspreise DIVI 2012 • Der 1. Preis in Höhe von 2.000,00 €

ging an Herrn Dr. Julian Bösel aus Hei-delberg für seine Arbeit „Frühtracheo-tomie beim zerebrovaskulären Inten-sivpatienten ist machbar, sicher und reduziert den Analgosedierungs-bedarf: Ergebnisse der randomisierten Pilotstudie SETPOINT (Stroke-related Early Tracheostomy vs. Prolonged Orotracheal Intubation in Neurocriti-cal care Trial)“.

• Der 2. Preis in Höhe von 1.500,00 € wurde Frau Marlena Messer aus Mün-chen für ihre Arbeit „Welche Patien-ten wünschen lebensverlängernde Maßnahmen und Intensivmedizin? Eine prospektive Studie mit 1021 Pa-tienten“ verliehen.

• Den 3. Preis in Höhe von 1.000,00 € erhielt Herr PD Dr. Christoph Härtel aus Lübeck für seine Arbeit „Nosoko-miale Sepsis bei sehr kleinen Früh-geborenen: Risikofaktoren, epidemi-sche Mikrocluster und aktuelle Dis-kussion um präventive Maßnah-men“.

• Der 4.–8. Preis in Höhe von jeweils 500,00 € ging an die folgenden Kolle-gen:

• Herrn Dr. Klemens König aus Tübin-gen für seine Arbeit „Die funktionelle Blockade des Plexin C1 Rezeptors be-einflusst den hepatischen Ischämie-Reperfusionsschaden“

• Herrn Dr. Björn Hußmann aus Essen für seine Arbeit „Einfluss der präklini-schen Volumengabe bei schwerstver-letzten Kindern mit - hämorrhagi-schen Schock – eine matched pairs

3GESELLSCHAFT / SOCIETY DIVI / DIVI

■ © Deutscher Ärzte-Verlag | DIVI | 2013; 4 (1)

Analyse von 62 Patienten des Trauma-Registers der DGU“

• Herrn Dr. Matthias Weuster aus Kiel für seine Arbeit „Effects of Therapeu-tic Hypothermia on Hemodynamics in a New Porcine Polytrauma Model – Combination of Severe Chest and Ab-dominal Trauma with Hemorrhagic Shock“

• Herrn Dr. Stephan Braune aus Ham-burg für seine Arbeit „Extrakorporale CO

2-Elimination zur Intubationsver-

meidung bei hyperkapnischen Pa-tienten mit NIV-Versagen“

• Herrn Falko Harm aus Basel für seine Arbeit „In-hospital Cardiac Arrest af-ter Leaving a Monitored Bed – Do we Transfer Patients Too Early?“

•• Das Förderstipendium der DIVI-Stiftung in Höhe von 3.000,00 € wurde Herrn Dr. Christian Jung aus Je-na für seine Arbeit „Pathophysiologi-sche Relevanz des Enzyms Arginase für die Veränderung der Mikrozirkula-tion im kardiogenen Schock: Evaluati-on eines potenziellen therapeuti-schen Ansatzes“ zuerkannt.

1.5 DIVI Mitglieder aus der Industrie

Das DIVI-Präsidium hat auf seiner Sit-zung vom 24.11.2012 vor dem Hinter-grund von vereinzelten Missverständ-nissen durch und zwischen DIVI-Mit-gliedern folgendes beschlossen:Vertreter aus der Industrie können•• jederzeit Mitglied von DIVI Sektionen

werden, sein oder bleiben, sofern sie DIVI-Mitglied sind

•• keine Ämter oder Funktionen in der DIVI wahrnehmen

•• keinen Vorsitz oder Vortrag im wis-senschaftlichen Teil eines DIVI-Kon-gresses übernehmen

1.6 Interessenkonflikt

Das DIVI-Präsidium hat auf seiner Sit-zung vom 24.11.2012 zur Verbes-serung der Transparenz bei wissen-schaftlichen Präsentationen folgendes beschlossen:•• ein evtl. vorhandener bzw. ein

nicht vorhandener Interessenkon-flikt wird von jedem Vortragenden auf einem DIVI-Kongress in einer einleitenden Folie dargelegt. Dies Vorgehen ist ab dem DIVI 2013 ver-pflichtend.

2. Mitglieder

Ende des Jahres 2012 hatte die DIVI ins-gesamt 1.876 Mitglieder.

Im Einzelnen handelt es sich neben den 11 Ehrenmitgliedern der DIVI um •• 1.069 ordentliche und•• 504 außerordentliche ärztliche Mit-

glieder sowie um •• 291 nicht-ärztliche Mitglieder

Bei den ärztlichen Mitgliedern stel-len die Anästhesisten mit 1.142 die größte Gruppe, gefolgt von den Inter-nisten mit 434, den Chirurgen mit 291, den Neuromedizinern mit 130 und den Kinder- und Jugendmedizinern mit 87. (aufgrund der Möglichkeit von Mehrfach-

nennungen entsprechen diese Zahlen in der

Summe nicht der Mitgliederzahl).

Fünf Institutionen sind bislang als fördernde Mitglieder der DIVI auf-genommen (Details unter: http://www.divi-org.de/Foerdernde-Mitglieder. 170.0.html).

3. Sektionen

Details zur Zusammensetzung und Füh-rung der einzelnen Sektionen sind dem Interessierten jederzeit unter http://www.divi-org.de/Sektionen.13.0. html zugänglich.

3.1 Änderungen der Struktur bei den Sektionen

Um die Struktur der Sektionen an die eu-ropäischen Vorbilder (ESICM) anzuglei-chen, wurde auf dem DIVI-Kongress mit den Sektionssprechern eine neue Struk-tur konsentiert, die die Zusammenfas-sung der momentan 21 Sektionen in 10 Sektionen mit zahlenmäßig unter-schiedlichen Teileinheiten beinhaltet.

Die bisherigen Sektionen bleiben auf Arbeitsebene bestehen, weitere De-tails sowie die neue Geschäftsordnung für Sektionen und ihrer Teileinheiten werden derzeit von einer ad-hoc-Grup-pe geklärt.

Die 10 Sektionen der neuen Struktur sind:•1. Ethik•2. Hirn und Nervensystem•3. Kreislauf•4. Lunge•5. Notfallmedizin•6. Organversagen – Ersatztherapie

– Transplantation

• 7. Pädiatrische Intensivmedizin• 8. Sepsis• 9. Technik und Monitoring•10. Pflegeforschung und Pflegequa-

lität in der Intensivmedizin

3.2 Neuaufgenommene Sektionen

Es wurden zwei neue IAG unter der Sek-tion Notfallmedizin aufgenommen:•• Hyberbare-O

2 Therapie

•• Angewandte Pharmakologie in der Notfall- und Intensivmedizin

3.3 Themen ohne Bearbeitung von Sektionen oder einer ihrer Gruppen

•• Endokrinologie•• Nephrologie•• Infektiologie•• Perioperative Intensivmedizin

4. Aktuelle Projekte

4.1 Fort- und Weiterbildung

4.1.1 Fortbildungssitzungen auf dem DIVI Kongress 2013

Auf dem DIVI 2013 werden erneut 24 Themen aus dem Fortbildungscurricu-lum Gegenstand von Fortbildungssitzun-gen sein. Die Kerninhalte der einzelnen Fortbildungsvorträge werden zudem als Übersichtarbeiten in Buchform ver-öffentlicht werden, wobei das Buch zum Zeitpunkt des Kongresses vorliegen wird.

4.2 Qualitätsmanagement auf der Intensivstation

4.2.1 Peer Review auf Intensivsta-tionen

Bei diesem Verfahren geht es darum, dass Teams aus Intensivmedizinern und intensivmedizinischen Fachpflegekräfte sich auf ihren jeweiligen Intensivstatio-nen gegenseitig visitieren, um anhand definierter Kriterien zu evaluieren, ob und wenn ja, was noch besser gemacht werden kann. Details hierzu sind im In-ternet verfügbar (http://www.anaesthesieintensivmedizin-charite.de/nequi/index.php).

Für das Verfahren werden ausgebil-dete Peer Reviewer benötigt, so dass an

4 DIVI / DIVI GESELLSCHAFT / SOCIETY

dieser Stelle zur aktiven Mitarbeit kon-kret zur Ausbildung zum Peer Reviewer aufgerufen wird.

5. Sonstiges

5.1 Neue Homepage

Die neue DIVI-Homepage ist kurz vor der Fertigstellung. Sie finden alle Inhalte

unserer Gesellschaft demnächst unter folgender web-Adresse: www.DIVI.de.

6. Termine

Die Veranstaltungen, auf die wir Ihr Au-genmerk richten wollen, finden Sie unter http://www.divi.de/veranstaltungen-dritte.html

OTA Prof. Dr. Andreas MarkewitzGeneralsekretär der DIVIDirektor der Abt. XVII – Klinik für Herz-und GefäßchirurgieBundeswehrzentralkrankenhaus Rübenacher Str. 17056072 KoblenzTel.: 0261 2813701Fax: 0261 [email protected]

Korrespondenzadresse

5GESELLSCHAFT / SOCIETY DIVI / DIVI

Sicherheitund Komfortfür Patientund Pflege

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• Die richtige Wahl zur Optimierung der täglichen Mundpflege

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Die Verbindung von Medizinprodukten mit IT-Netzen – Nutzen und Risiken sollten bedacht werdenEin gemeinsames Positionspapier von DIVI, DGBMT und VDE zu einer Norm zum Risikomanagement von Medizinischen IT-Netzen (DIN EN 80001–1 / IEC 80001–1) erschienen

Ob Vitaldatenmonitor, Beatmungs-gerät, Spritzenpumpe, Hämofiltration, Endoskopie oder Ultraschall: Heute gibt es kaum noch ein aktives Medizinpro-dukt, welches nicht über eine Schnitt-stelle verfügt, um an ein Computer-netzwerk angeschlossen zu werden. Die Mehrwerte einer solchen Anbindung sind meist offensichtlich: Eine bessere Verfügbarkeit von Informationen, eine verbesserte Dokumentation, um Thera-pieentscheidungen und Behandlungs-verlauf nachvollziehbar zu machen, ei-nen Leistungsnachweis bei Prüfungen durch den MDK oder im Schadensfall, Effizienz in der Wartung der Medizin-produkte oder die Möglichkeit einer späteren Auswertung für wissenschaft-liche Fragestellungen (Sekundärdaten-analyse, Versorgungsforschung, kli-nische Studien).

Doch die Verbindung von Medizin-produkten mit IT-Netzwerken bringt ei-ne neue Komplexität und damit verbun-den neue Risiken in die Krankenhäuser: Was passiert, wenn das Netzwerk aus-

fällt oder Fehlfunktionen aufweist? Was passiert, wenn der Virenscanner wichti-ge Informationen „schluckt“? Was pas-siert, wenn eine Schadsoftware (Viren, Trojaner, etc.) ein Medzinprodukt (En-doskopieturm, Monitoringzentrale) be-fällt?

Die Krankenhäuser müssen lernen, diese Risiken zu erkennen, zu bewerten und zu beherrschen. Dies setzt eine enge Zusammenarbeit von Herstellern, Kran-kenhaus-IT, Medizintechnik und vor al-lem den klinisch tätigen Anwendern vo-raus. Eine „Best-Practice-Lösung“ bietet die Norm DIN EN 80001–1 (bzw. IEC 80001–1) „Anwendung des Risikomana-gements für IT-Netzwerke mit Medizin-produkten“. Basierend auf einem Exper-tenworkshop hat die DIVI-Sektion IT&MT und die Deutsche Gesellschaft für Biomedizinische Technik (DGBMT) im Verband der Elektrotechnik, Elektro-nik und Informationstechnik (VDE) ein Positionspapier zur Umsetzung der IEC 80001–1 in der Intensiv- und Notfall-medizin erarbeitet [1]. Das Positions-

papier soll die Motivation der Norm, ih-re Ziele und Inhalte, sowie Möglichkei-ten zur Umsetzung in den Kliniken aufzeigen.

Dr. med. Rainer RöhrigLeiter der Sektion Medizinische InformatikUniversitätsklinikum Standort GießenAnästhesie und operative IntensivmedizinRudolf-Buchheim-Str. 735392 GießenTel.: 0641 985 44494Fax: 0641 985 [email protected]

PD Dr. med. Christian WredeChefarzt des Notfallzentrums mit RettungsstelleHelios-Kliniken BerlinSchwanebecker Chaussee 5013125 BerlinTel.: 030 9401 [email protected]

Korrespondenzadressen

1. Ahlbrandt J, Dehm J, Röhrig R, Imhoff M, Wrede C: Risikomanagement für me-dizinische Netzwerke in der Intensiv- und Notfallmedizin – Gemeinsames Postitionspapier zur Norm ISO 80001–1 von der Deutschen Gesellschaft für Bio-medizinische Technik (DGBMT) im VDE e.V. und der Deutschen Interdiszip-linären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e.V. (DIVI) unter Beteili-gung des Bundesverbandes Gesund-

heits-IT (BVITG), der Deutschen Gesell-schaft für Fachkrankenpflege (DGF) und der Deutschen Kommission Elektro-technik Elektronik Informationstechnik (DKE) im DIN und VDE. VDE Frankfurt. 2012. ISBN 978–3–925512–33–9. On-line Verfügbar unter https://www.vde.com/de/InfoCenter/Studien-Reports/Seiten/Positionspapiere.aspx

Reprint (leicht verändert): Ahlbrandt J, Röhrig R, Dehm J, Wrede C., Imhoff M,

DIVI, Deutsche Gesellschaft für Biome-dizinische Technik (DGBMT) im VDE e.V.. Risikomanagement für medizi-nische Netzwerke in der Intensiv- und Notfallmedizin. Gemeinsames Positi-onspapier zur Norm IEC 80001–1.

GMS Med Inform Biom Epidemiol. 2013;9(1) –online Verfügbar unter: http://www.egms.de/dynamic/en/journals/mibe/volume9.htm

Literatur

6 DIVI / DIVI GESELLSCHAFT / SOCIETY

■ © Deutscher Ärzte-Verlag | DIVI | 2013; 4 (1)

Einleitung

Eine Dysphagie ist keine Erkrankung, sondern ein Symptomkomplex, aus dem Dehydratation, Mangelernährung und Aspirationsrisiken resultieren kön-nen. Während Hydratation und Ernäh-rung heutzutage gesichert werden kön-nen, muss das Augenmerk auf Aspira-tionen (von Speichel, Sekret oder Nah-rung) gelenkt werden, die auch „still“ ablaufen können, d. h. ohne rechtzeiti-gen Einsatz oder bei Fehlen von Schutz-reaktionen.

Schluckstörungen – allgemeine Aspekte

Zahlreiche Erkrankungen verschiede-ner Genese sind mit Dysphagien asso-ziiert (Tab. 1). Um das Schluckver-mögen wieder herzustellen und durch eine Dysphagie hervorgerufene Kom-plikationen zu vermeiden, kommen therapeutisch restituierende, kom-pensatorische und / oder adaptive Ver-fahren zum Einsatz [1, 2, 3]. Dyspha-gien erfordern je nach Ätiologie die Expertise und die Zusammenarbeit mehrerer Berufsgruppen, u. a. der Lo-gopäden, Physio- und Ergotherapeu-ten, Neurologen, HNO-Ärzte sowie Gastroenterologen.

Zur Identifizierung von Schluckstö-rungen existieren verschiedene Scree-ningverfahren, v. a. als Wasserschluck-tests, deren Zuverlässigkeit aber unbe-friedigend ist [4]. Selten können schluckgestörte Patienten Wasser schluckweise oder gar 90 ml Wasser aus einem Glas [5] „auf ex“ austrinken. Oft kommt es zu Verschluckszenarien, zum Abbruch des Tests mit der Folge der An-ordnung einer oralen Nahrungskarenz, obwohl der Patient andere, im Scree-ning nicht geprüfte Nahrungskonsisten-zen (wie etwa passierte Kost) eventuell bewältigen könnte.

Besonders verlangsamt reagierende Patienten versagen häufig im Wasser-schlucktest. Wasser mit seiner hohen Fließgeschwindigkeit läuft schnell durch den Schlucktrakt und die Luftwe-ge müssen dabei prompt verschlossen werden. Breiige, pürierte Konsistenz fließt langsamer. Das verbessert die Chance, dass die Atem-Schluck-Koor-dination (s. u.) gelingt und der Bolus si-cher geschluckt wird.

Erst seit 5 Jahren sind klinische Tests verfügbar, die zuerst das Schlucken von Speichel und im Anschluss das Schlu-cken breiiger Konsistenz prüfen. Ihnen liegt die Idee zugrunde, nicht nur die Störung zu diagnostizieren, sondern auch Ansatzpunkte für das therapeuti-sche Vorgehen und für eine diätetisch veränderte Ernährung zu erhalten. Hier-zu gehören insbesondere das Gugging

Swallow Screen (GUSS) [6], das für Stroke-Patienten entwickelt wurde, sowie der Berliner Schlucktest (BST) [7]. Zur Aktivie-rung von Schluckreaktionen, Aufmerk-samkeit und Wachheit wird beim BST die taktile Mundstimulation nach der Facio-Orale Trakt Therapie (F.O.T.T.) ein-gesetzt [8]. Dabei werden strukturiert Reize in der Mundhöhle, an Zahn-fleisch, Zunge und Gaumen gesetzt, wenn die Zunge nicht aktiv sein kann. Ziel ist es, reaktiv orale – und Schluck-bewegungen auszulösen und therapeu-tisch zu nutzen.

Die entstehenden Fragen und Hypo-thesen zum Störungsmechanismus der Dysphagie müssen ggf. durch bild-gebende Verfahren geklärt werden. Auf der Intensivstation eignet sich die „fiber-

optic endoscopic evaluation of swallowing“

(FEES), da sie im Gegensatz zur Röntgen-untersuchung mit dem transportablen Equipment vor Ort erfolgen kann und auch Patienten mit eingeschränkter Vi-gilanz untersucht werden können [9, 10, 11, 12]. Von außen nicht sichtbare Paresen, der Aufstau und Umgang mit Speichel im Pharynx oder Kehlkopf so-wie die Bewegung des Kehlkopfes beim Schlucken können beurteilt werden.

Sekundär erworbene Schluckstörungen

Intensivmedizinische Maßnahmen und Begleitumstände, die die Vigilanz, das Schlucken von Speichel / Nahrung und die pharyngeale / tracheale Schutzreak-tionen beeinträchtigen, können noso-komial sekundäre Dysphagien erzeu-gen. Im Vordergrund stehen hierbei ins-besondere der invasive Atemwegs-zugang, eine liegende Ernährungs- sonde, Medikamentennebenwirkun-gen, ein reduzierter Allgemeinzustand mit evtl. Multimorbidität, gastroöso-phageale Probleme oder ein Delir. Es be-darf einer erhöhten Aufmerksamkeit bei allen Beteiligten des intensivmedizi-nischen Teams, entstehende sekundäre Probleme frühzeitig zu erkennen. Einige Problemstellungen werden in diesem Abschnitt besprochen.

Fremdkörper

Nasogastrale Magensonden, Endotra-chealtuben, Trachealkanülen und / oder Cervikalorthesen sind therapeutisch notwendige Medizinprodukte, die – je-des für sich – einen normalen Schluck-ablauf mechanisch beeinträchtigen können.

Fallbeispiel

Herr F., 78 Jahre, Z. n. operativen Abdomi-

naleingriff und Langzeitbeatmung, ist mit

einer Magensonde versorgt. Beim Kostauf-

bau treten zunehmend Schluckprobleme

Tabelle 1 Beispielhafte Ätiologien der Dysphagie

Ätiologie der Dysphagie (Beispielhaft)

strukturell bedingt

neurogen bedingt

muskulär bedingt

psychogen bedingt

Erkrankungen / Traumen / Operationen / Bestrahlungen im Hals- Kopfbereich, der HWS, im oberen Aerodigestivtrakt, Thoraxbereich. Entzündungen, Nekrosen, Verätzungen im Mund- Rachenraum, Trachea, Ösophagus

Insulte, Schädel-Hirn-Traumen, ALS, Parkinson, Demenzerkrankungen, MS, Enzephalitis, Poliomyelitis, Tumore, Intoxikationen, Medikamen-tennebenwirkungen, Guillain-Barré-Syndrom, Neuropathien

Dermatomyositis, Polymyositis, endokrine / metabolische Myopathien, Myotonien, Muskeldystrophien

Phagophobie, Essstörungen

8

R. Nusser-Müller-Busch: Schluckstörungen auf der Intensivstation: Atmen und Schlucken – eine vitale Beziehung

Swallowing disorders in the ICU: Breathing and swallowing – a vital relationship

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auf, er nimmt kaum Nahrung zu sich. In der

logopädischen Eingangsuntersuchung des

wachen, geschwächten Patienten zeigen

sich verlangsamte, nicht komplette Kehl-

kopfbewegungen. Die Schluckfrequenz ist

reduziert. Herr F. bejaht die Frage der Logo-

pädin, ob er Schmerzen beim Schlucken ha-

be. Sie vermutet eine mechanische Irritation

durch die Magensonde. Im Schluckkonsil

mit dem HNO-Arzt wird diese Hypothese

endoskopisch bestätigt. Die Magensonde

reibt beim Schlucken am rechten Aryknor-

pel, dieser ist gerötet und ödematös.

Schmerzbedingt vermeidet Herr F. das

Schlucken. Der Speichel läuft an der Magen-

sonde entlang direkt in den Kehlkopf.

Damit Schlucken wieder möglich wird, muss aus Sicht der Untersucher die Ma-gensonde entfernt werden, um die fort-gesetzte mechanische Reizung an den laryngealen Strukturen zu unterbinden und deren Abschwellen zu ermöglichen. Dies erfordert eine alternative Ernäh-rungsform für die nächsten Tage, da Herr F. aufgrund der Kraftminderung und noch bestehender Vigilanzschwan-kungen nicht sofort vollständig oral er-nährt werden kann.

Wie so oft besteht beim symptom-orientierten Lösen von Problemen (hier: Ernährung via Magensonde) die Gefahr, dass sich neue bzw. zusätzliche Proble-me entwickeln (Schwellung des Ary-knorpels). Einen Ausweg gibt es erst dann, wenn es gelingt, kausale Zusam-menhänge zu identifizieren und sie an einer Stelle zu durchbrechen. Nach einer ersten Reaktion („Aber er braucht die Magensonde noch … “) ergibt die Bera-tung aller Beteiligten folgende kreative Zwischenlösung: Vorübergehende pa-renterale Ernährung, parallel dazu Schlucktraining und das häufige Anrei-chen kleiner Mengen hochkalorischer passierter Kost.

Sind mehrere dieser therapeuti-schen Hilfsmittel gleichzeitig im Ein-satz, entsteht ein hohes Problempoten-zial für eine suffiziente Schluckfähig-keit. So wird z. B. bei Halsmarkverlet-zungen die HWS operativ in einer Positi-on stabilisiert, in der der Bewegungs-spielraum für die zum Schlucken not-wendige hochzervikale Flexion der Kopfgelenke eingeschränkt oder un-möglich wird. In Kombination mit einer Cervikalorthese (Miami J Collar), einer Magensonde und u. U. einer geblockten Trachealkanüle kann das Schlucken und

somit der Transport durch den Rachen-raum in seiner Geschwindigkeit gestört werden. Schafft es der Patient nicht, sich an die Situation zu adaptieren und ent-sprechend zu kompensieren, landet das Fehlgeleitete in den Luftwegen statt in der Speiseröhre.

Intubation und Trachealkanülen

Skoretz et al. [13] fanden in ihrem Re-view eine große Variationsbreite der In-zidenz für Dysphagien nach endotra-chealer Intubation (3–83 %). El Solh et al. [14] konnten mit einer FEES-Unter-suchungen (2, 5, 9, und 14 Tage danach) zeigen, dass Patienten aller Altersstufen in diesem Zeitraum Speichel aspirierten (52 % der Patientengruppe > 65 Jahre vs. 36 % der unter 65-Jährigen). Bei 13 % der älteren Patientengruppe persistieren die Schluckprobleme über 2 Wochen. Nur der funktionelle Status vor Beginn der Intensivbehandlung bei den unter-suchten Patienten war die einzig signifi-kante Determinante, die die Rückbil-dung der Schluckstörungen nach Intu-bation zu beeinflussen schien. Die Auto-ren empfehlen daher die FEES-Unter-suchung besonders für ältere Intensiv-patienten.

Durch Endotrachealtuben und / oder Trachealkanülen verursachte Schä-den an der Trachea (Knorpeleinbrüche, tracheo-laryngeale Fisteln etc.) können zu schwerwiegenden respiratorischen Komplikationen, zum Scheitern einer Extubation und permanenter stiller Aspiration führen [15, 16]. Das Ver-ständnis für den Umgang mit Tracheal-kanülen in Kombination mit Schluck-störungen, die dadurch bedingten funk-tionellen Auswirkungen und Einschrän-kungen sind nach Ansicht von Seidl et al. [17] noch nicht weit verbreitet.

Medikamenten- nebenwirkungen

Medikamente können den Speichelfluss minimieren (z. B. Psychopharmaka) oder erhöhen (z. B. Haloperidol). Bei De-lir schränken therapeutisch eingesetzte Medikamente, wie Haloperidol, die Vigi-lanz und somit die Schluckfähigkeit und -frequenz weiter ein. Endoskopisch kön-nen dabei massive Speichelmengen im

Pharynx sichtbar werden. Sedativa und Neuroleptika können Einfluss auf die Reaktionsfähigkeit und die Bewegungs-fähigkeit (auch) der am Schlucken betei-ligten Muskulatur haben.

Folgen erschwerter Mundhygiene

Bei geschwächten, hospitalisierten Pa-tienten mit neurogenen und stress-bedingten Störungen der Kieferöffnung, Beißreaktionen oder Störungen des Mundschlusses ist die Mundhygiene er-schwert und wird täglich zu einer Herausforderung [8, 18]. Liegt eine Schluckstörung vor, können pathogene orale Mikroorganismen und Zungenbe-lag mit Speichel vermengt in die unte-ren Atemwege aspiriert werden und pul-monale Komplikationen auslösen.

Teambasiertes Vorgehen auf der ITS

Herkömmliche logopädische Untersu-chungs- und Therapieansätze [1], die die kognitive und aktive Mitarbeit des Pa-tienten erfordern, sind auf der Intensiv-station nur bedingt einsatzfähig. Struk-turen in der Mundhöhle und Bewe-gungsabläufe können oft nicht beurteilt werden, wenn z. B. der Patient nicht wach genug ist und / oder auf Aufforde-rung den Mund nicht öffnen kann.

Für ITS-Patienten bietet sich die The-

rapie des Facio-Oralen Trakts (F.O.T.T. ) an, ein ursprünglich für neurologische Pa-tienten entwickelter alltagsorientierte Ansatz, bei dem die Patienten nicht wach sein und / oder verstehen können müssen. Die F.O.T.T. ist nicht nur auf die Behandlung der Dysphagie, sondern auf die fazio-oralen Funktionsstörungen ausgerichtet. Diese werden durch Fakto-ren wie Vigilanz, gesamtkörperliche Be-wegungsfähigkeit, Atmung, Stellung des Schultergürtels, der Nacken- und Kopf-stellung beeinflusst und verursachen Probleme beim Kauen, Essen, Trinken, Schlucken, Sprechen und bei der Mund-hygiene.

Das Vorgehen wird an den Bedürf-nissen des Patienten ausgerichtet. Die mit ihm arbeitenden Berufsgruppen, wie Pflege, Physio- und Ergotherapeu-ten, Logopäden etc., steuern ihre Exper-tise zur Verbesserung seiner Aktivitäten

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des täglichen Lebens bei. Auch ein Tra-chealkanülen-Management (TKM) wird hier einbezogen. Der therapeutisch be-gleitete Prozess der Entwöhnung von der Kanüle ist nicht nur auf die Anpas-sung der Atmung ausgerichtet, sondern auch auf die Verbesserung der Schluck- und Sprechfähigkeit [19, 20, 21, 22].

Der klinischen, alltagsorientierten Untersuchung im Rahmen der F.O.T.T.

geht immer ein Gespräch mit den Pfle-genden voraus, die aufgrund des kon-tinuierlichen Kontakts zum Patienten für die Therapie zielführende Informa-tionen weitergeben können. In der kli-nischen Befunderhebung werden mit „hands on“ nicht nur die Probleme, son-dern auch die Fähigkeiten und das Po-tenzial des Patienten ermittelt. Die Hän-de des Therapeuten werden gezielt ein-gesetzt, um Stabilität z. B. für den Rumpf oder den Kiefer zu geben und / oder Arm- und Handbewegungen zu füh- ren.

Aufgrund des reduzierten All-gemeinzustandes und der oft multiplen medizinischen Probleme der Intensiv- und Akutpatienten ist das Schlucken von Nahrung oft noch gar nicht mög-lich, obwohl diese Fragestellung sehr häufig an die Schlucktherapeuten he-rangetragen wird. Bevor das Schlucken von Nahrung geprüft werden kann, muss die dringlichste Frage geklärt wer-den: Wie sicher ist das Schlucken von Speichel (Qualität) und über welchen Zeitraum (Quantität)? Aspirationen können „still“ ablaufen. Sie werden nicht von Hustenreaktionen begleitet und sind klinisch nur an den Atemirrita-tionen zu bemerken.

Das Augenmerk richtet sich immer auch auf die Beurteilung der Qualität (Vollständigkeit und zeitliches Zusam-menspiel) der von außen sichtbaren Be-wegungen beim Schluckvorgang, auf die Quantität (Frequenz / Minute) und auf die Atem-Schluck-Koordination (s. u.). Verändern sich Atmung und Stimme nach dem Schlucken? Klingt die Stimme feucht / gurgelig, weil Speichel, Sekret oder Nahrung auf den Stimmbändern liegt?

Um diese Fragen beim Patienten be-urteilen zu können, müssen die Team-mitglieder sich differenziert mit dem Schluck- und Atemvorgang auseinan-dersetzen und sich selbst und andere beobachten (Selbsterfahrung als Me-thode).

Das Normale kennen

Wir schlucken in ruhigen, wachen Pha-sen 1–2mal / Minute automatisiert unse-ren Speichel. Bei Nahrungsaufnahme steigt die Frequenz. Die Angaben in der Literatur schwanken zwischen 580–2000mal / 24 Stunden [1]. Im Schlaf sind schluckfreie Phasen von 20 Minuten bekannt [23]. Ohne Speichel ist Schlu-cken kaum möglich. Voraussetzung ist, dass das zentrale Nervensystem intakt ist und keine schwerwiegenden organi-schen Probleme, wie Paresen oder Resek-tionen an der Zunge, im Pharynx oder Larynx vorliegen. Ein Mindestmaß an Si-tuationsverständnis, an Bewegung und Koordination im Schlucktrakt müssen für die willentliche Steuerung der präora-len und oralen Phase gegeben sein. Im Al-ter kann unter anderem durch den Elasti-zitätsverlust der Strukturen die Schluck-fähigkeit nachlassen (Presbyphagie) [24].

„Schlucken ist das Ergebnis kombinier-

ter Kräfte, die den Bolus in den Magen beför-

dern und ihn dabei aus den Luftwegen he-

raushalten.“ [9]

Dieses Schluckmodell betont das Zu-

sammenspiel von Atmung und Schlucken. Schlucken ist bei intakten Strukturen nur dann erfolgreich, wenn Bewegung und Atmung zeitlich sowie ausreichend schnell koordiniert werden können. Schlucken ist nicht alleine die Bewegung, die den Bolus in den Magen befördert. Erst mittels des dabei auftretenden Atem-stopps, bei dem sich die Stimmbänder annähern oder schließen, und der da-durch entstehenden Druckveränderun-gen im Mund- und laryngo-pharynge-alen Raum wird der Bolus über den ge-senkten Kehldeckel, der sich schützend über den Kehlkopfeingang legt, in Rich-tung Ösophagus gelenkt.

Im Rahmen der Dysphagietherapie können daher auch atemtherapeutische Maßnahmen (z. B. die Elastizitätsför-derung des Diaphragmas und der Atem-hilfsmuskulatur [25]) dazu beitragen, die Ausatmung zu verlängern und Pausen zu ermöglichen, in denen das Schlucken suffizient ablaufen kann.

Atem-Schluck-Koordination

Schlucken unterbricht die Atmung. Der Atempause folgt bei den meisten gesun-den Menschen reflektorisch ein Aus-atmen. Die in der Medulla oblongata ge-

steuerte Atem-Schluck-Koordination wird flankiert von körpereigenen Schutz-mechanismen, die bei Verschlucken z. B. von Nahrung durch Husten und Räus-pern die oberen Atemwege reinigen. Das Expektorat wird danach geschluckt oder ausgespuckt [26].

Der Organismus muss also in der Lage

sein, die Atmung während des Schluckens

ausreichend lang unterbrechen zu können.

Ist dies nicht möglich, kommt es zu Dys-

pnoen, zu einer Vernachlässigung des Schlu-

ckens zugunsten der wichtigsten Vitalfunkti-

on, dem Atmen. Speichel kann dabei unkon-

trolliert in die geöffneten Atemwege laufen

und aspiriert werden.

Störungen der Atem-Schluck-Koordination

Patienten mit neurogenen Schluckstö-rungen zeigen häufig eine Störung der Atem-Schluck-Koordination mit einem Einatmen nach dem Schlucken [27]. Der dabei entstehende Sog zieht fehlgeleitete Nahrungsreste und v. a. Speichel in die unteren Atemwege. Bei (langzeit)beat-meten Patienten wird die Atmung unter Ausschaltung des Rachens und des Kehl-kopfes über die Trachealkanüle umgelei-tet. Die von der Medulla oblongata ge-steuerte Atem-Schluck-Koordination ist dadurch verändert. Die künstliche Atem-luft nimmt einen anderen als den physio-logischen Weg; die Beatmungsdrücke und Rhythmen sind nicht körpereigen ange-passt, sondern von außen vorgegeben. Es kommt zu einer Beeinträchtigung der Sensibilität im Larynx, der Schluckaus-lösung und der Schutzmechanismen [28].

Patienten nach tumorbedingten Re-sektionen im Pharynx oder Larynx, z. B. nach horizontalen Teilresektionen mit Entfernung der Epiglottis, zeigen post-operativ ebenfalls zum Teil ein aus-geprägtes Aspirationsrisiko. Hier ist der Grund nicht in der zentralen Koordinati-onsstörung zu suchen, sondern vielmehr in der operativen Entfernung eines Teils des Zungengrundes, der normalerweise den Bolus in Richtung Speiseröhre drückt und die Epiglottis über den Larynx kippt.

Fazio-orale Sequenzen beobachten lernen

In der Beobachtung und Beurteilung des Schluckvermögens ist es sinnvoll, nicht

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vom „Schluckakt“ auszugehen, sondern vielmehr die fazio-oralen Aktivitäten als Sequenzen zu analysieren, die sich im Laufe eines Tages hinweg abwechseln. Diese Aktivitäten werden unterbrochen durch die vitalen Funktionen Atmen und Speichelschlucken (Abb. 1).

Viele Sequenzen können beobachtet werden:

Schlucken nach Husten / Räuspern,

Niesen, Gähnen, Ausspucken, in Sprech-

und Singpausen und beim Zähneputzen,

beim Gehen, etc. ….

Es gilt herauszufinden, wann der Pa-tient in seinem aktuellen Alltag schluckt oder versucht zu schlucken. Nach diesen zu erwartenden Bewegungsreaktionen (oder ihrem Ausbleiben) kann gezielt ge-sucht werden, um sie zu analysieren und zu fördern.

Weiteres Vorgehen

Die eingeschränkten Möglichkeiten des Patienten zur physiologischen „Selbst-stimulation“ können zu sensorischer Deprivation im fazio-oralen Trakt und zu einer Reduktion von Bewegungen oder aber zu Überreaktionen wie festem Kieferschluss und Beißreaktionen füh-ren. In basalen Alltagssituationen wer-den mit Stimulationstechniken fazio-orale Bewegungen angebahnt, gefördert und Schluckhilfen eingesetzt, die Bewe-gungsantworten des Patienten elizitie-ren (= hervorlocken) und fazilitieren (= erleichtern) können.

Umlagern, Drehen, Aufsetzen eines Patienten bieten hervorragende Mög-lichkeiten, orale Reaktionen auszulösen und sie therapeutisch zu nutzen. Wäh-rend der Bewegungen verändert auch der in der Wange gesammelte, nicht ge-schluckte und inzwischen nicht mehr gespürte Speichel seine Position. Er wird dadurch wieder wahrgenommen und löst orale Reaktionen aus, die therapeu-tisch mit einer manuellen Hilfe in ein Schlucken überführt werden können. Diverse internationale Studien weisen auf die Notwendigkeit einer adäquaten Mundhygiene zur Pneumonieprophyla-xe hin [29, 30]. In der F.O.T.T. dient die Mundhygiene auch zur Problemanalyse und zur Anbahnung physiologischer Be-wegungsabläufe, wie Schlucken und Ausspucken von Wasser etc. [8].

Im weiteren Verlauf werden zur An-bahnung und Verbesserung von Kiefer-,

Zungen- und Schluckbewegungen vor-erst kleine Nahrungsmengen, z. B. kleinste Mengen Obstmus (1/3 Teelöffel / Tag) angereicht. Kauen kann zu gege-bener Zeit mit Apfelstückchen in feuch-ter Gaze angebahnt werden. In Gaze deshalb, damit die zerbissenen Teile wie-der kontrolliert aus dem Mund geholt werden können anstatt verschluckt zu werden. Das Wegschlucken des im Mund verbliebenen Saftes kann dann mit einer taktilen Schluckhilfe, z. B. am Mundboden, unterstützt werden.

Kann der Patient die Transport- und Schluckbewegungen in der Therapie wieder abrufen, wird im Team geklärt, wie oft im Tagesverlauf kleine Nah-rungsmengen mit nun sicher zu bewälti-genden passierter Konsistenz freigege-ben werden. Das mehrmalige Anbieten kleiner Mengen im Laufe des Tages fußt auf therapeutischen Überlegungen: Die einsetzenden Schluckbewegungen wer-den dabei in Bewegungsausmaß und Ausdauer wiederholt trainiert. Dadurch kann auch mehrmals am Tag die Auf-merksamkeit und die Motivation des Pa-tienten gefördert werden.

Eine FEES sollte bei Bedarf und im Idealfall gemeinsam von einem HNO-Arzt, einem Schlucktherapeuten und im Beisein eines zuständigen Pflegenden durchgeführt werden. Strukturelle Schä-digungen und Funktionsstörungen im Oropharynx, Larynx und besonders der intrapharyngeale Umgang mit Speichel und Residuen können elektronisch auf-gezeichnet und ausgewertet werden. Die Schlussfolgerungen werden dann ge-meinsam diskutiert. Ziel der Unter-suchung ist es, Aspirationen (oder Tu-more) auszuschließen und den Patho-mechanismus der Schluckstörung zu verstehen. Dann kann das Ernährungs-management eingeleitet und das wei-tere therapeutische Vorgehen (auch über den Intensivaufenthalt hinaus) be-schlossen werden.

Im Anschluss müssen die Frage „ora-le Nahrungszufuhr vs. orale Nahrungs-karenz“ (nihil per os [NPO]) oder eine vorläufige, diätetisch angepasste Ernäh-rungsform gemeinsam mit den Ärzten und Pflegenden der Intensivstation be-sprochen werden, damit die Empfeh-lung des Konsiliardienstes nicht mit an-

Abbildung 1 Die fazio-oralen Funktionen: Die fazio-oralen Funktionen wechseln sich koordi-

niert ab (Pfeile). Sie passen sich kontextabhängig an die jeweilige Aktivität und an. (Ent-

nommen aus [26], mit freundlicher Genehmigung des Springer-Verlages GmbH)

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deren aktuellen medizinischen / pflege-rischen Konstellationen kollidieren. Zwischen den Polen „oral“ und „NPO“ sind Zwischenstufen hilfreich: • Welche Konsistenzen können – in wel-

cher Menge, wie oft am Tag – sicher be-wältigt werden?

Ein diätetisch angepasstes Kostange-bot kann initial einen Einstieg ermögli-chen [31]. Erfahrungsgemäß ist bei In-tensivpatienten zu Beginn breiige Kost oft das Mittel der Wahl. Passierte Kost fließt langsamer als Flüssigkeiten und ist leichter zu bewältigen. Im Gegensatz zum Kauen mit seinem komplexen Zu-sammenspiel rotierender Kiefer- und Zungenbewegungen erfordert das Schlucken passierter Kost „nur“ die Rückwärtsbewegung der Zunge (ähnlich der Zungenbewegung beim Speichel-schlucken oder wenn wir „n-ga“ sagen).

Flüssigkeiten können mit Geliermit-teln angedickt werden, die auf der Inten-sivstation vorrätig sein sollten ebenso wie verschiedene breiige Speisen z. B. Jo-ghurts, Obstmus, Pudding und Götter-speise, so dass unterschiedliche Vorlieben bedient werden können. Oft bringen An-gehörige zu gegebener Zeit auch gerne Suppen oder Lieblingsspeisen mit; gibt es ihnen doch das Gefühl, einen aktiven Beitrag zur Genesung beitragen zu kön-nen. Schluckprotokolle ermöglichen eine Einschätzung über einen zurückliegen-den Zeitraum, die dann zu Änderungen im Therapieregime führen können [32].

Voraussetzungen für orale Nah-rungsgaben werden in Tabelle 2 dar-gestellt.

Trachealkanülen – Schlucken und Schutz

Der Ausatem ist Wächter und Initiator der

Schluckreaktion. Mit dem Ausatmen wer-

den Residuen und Essensreste im Rachen

oder Kehlkopf aufgespürt und anschließend

weggeschluckt oder ausgespuckt.

Damit der Patient wieder Alltags- und Kommunikationskompetenz auf-bauen kann, werden in der F.O.T.T. als wichtigste Ziele in den Phase A und B (Frührehabilitation) das Anbahnen und Wiederherstellen des sicheren Speichel-schluckens als Voraussetzung für die De-kanülierung bei stabiler Atemsituation gesehen.

In der Langzeit- und Dauerbeat-mung erleichtern Trachealkanülen das

Weaning und die Bronchialtoilette; sie sind notwendig bei Dysphagien mit fortgesetzter Aspiration. Die Auswahl des Tracheotomieverfahrens (chirur-gisch oder dilatativ) kann das weitere Atemwegsmanagement und die Schluckrehabilitation maßgeblich be-einflussen [16]. Bei vorliegender oder vermuteter Schluckstörung, aber auch bei prognostisch langwierigen Verläu-fen, ist die Anlage einer Dilatationstra-cheotomie nicht sinnvoll [17].

Inwieweit die Blockung einer Tra-chealkanüle Einfluss auf die Schluckfre-quenz hat, wird kontrovers diskutiert. In der F.O.T.T. wird durch das Entblocken und den Einsatz eines Sprechaufsatzes die Exspiration wieder physiologisch über den Larynx und Rachen geleitet. Dadurch wird u. a. die Sensibilität wie-der hergestellt, die Schluckantworten er-möglicht und somit die Kontrolle beim Schlucken verbessert. Eine Erhöhung der Schluckfrequenz kann die Folge sein [33].

Das erste Entblocken sollte von er-fahrenen Teammitgliedern übernom-men werden. Bei Patienten mit qualita-tiv und quantitativ eingeschränkten Schluckbewegungen sollte dies gemein-sam mit einem Schlucktherapeuten er-folgen. Mit einem Sprechaufsatz wird der Ausatemweg wieder physiologisch über Kehlkopf und Rachen geleitet und kann Fehlgeleitetes aufspüren und eine Schluck- oder Hustenreaktion einleiten, die therapeutisch unterstützt werden können. Ziel ist, dass sich das Speichel-schlucken automatisiert und sich gleichzeitig die Atemmechanik an den

nun wieder physiologischen, aber län-geren Atemweg langsam adaptieren kann.

CAVE: • Bei Einsatz des Sprechaufsatzes

muss immer sichergestellt werden, dass die Ausatmung über den Ra-chen, Mund (und Nase) nicht be-hindert ist!

• Es kann zu einem lebensbedrohli-chen Ausatemstau kommen, wenn Sekret, Granulationen oder eine zu große Kanüle die Trachea und den Ausatemweg verlegen.

• Das Auftreten von Schluckreaktio-nen heißt per se nicht, dass das Schlucken sicher abläuft! Diverse Störungen, wie Zungen-, Pharynx- oder Stimmbandparesen oder eine Störung der Atem-Schluck-Koor-dination, können zu Aspirationen führen.

• Treten während des Entblockens keine Schluckreaktionen auf, sind die Atemwege ungeschützt. Es be-steht Aspirationsgefahr.

Erst wenn Schluckreaktionen regel-mäßig und anhaltend beobachtet wer-den, können die Intervalle einer ent-blockten Trachealkanüle ausgedehnt werden. Frank et al. [34] konnten zeigen, dass seit der Einführung des interdiszi-plinären F.O.T.T.-Trachealkanülen-Ma-nagement im Rehab Basel (Zentrum für Querschnittgelähmte und Hirnverletz-te, Schweizerisches Paraplegikerzen-trum Basel) die schwer schädelhirnver-letzten Frührehabilitations-Patienten

Tabelle 2 Voraussetzungen für orale Nahrungsgaben

Voraussetzungen für orale Nahrungsgaben

Wachheit

Situationsverständnis

orale – und Kehlkopfbewegungen (von außen sichtbar)

Speichel wird sicher geschluckt

vorhandene Stimmproduktion / klarer Stimmklang

vorhandene Reinigungsmechanismen (Husten / Räuspern) mit produktivem Sekrettransport und Nachschlucken

möglichst aufrechte Sitzposition (ggf. unterstützt)

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signifikant schneller von den Kanülen entwöhnt werden konnten als im Zeit-raum vor deren Einführung.

Essen mit geblockter / ungeblockter Kanüle – eine ewige Streitfrage?

Aspiration bezeichnet das Eindringen von Fremdmaterial (Speichel, Nahrung, Magensaft, Kontrastmittel oder Fremd-körper) unterhalb der Stimmbänder in die unteren Atemwege. Auf dem Cuff liegendes Sekret oder Nahrungsreste sind also bereits fehlgeleitet und aspi-riert! Damit der Patient wieder das Nor-male einüben kann, sollten nach dem F.O.T.T.-Verständnis erste orale Gaben bei nicht geblockter Trachealkanüle mit Sprechaufsatz durchgeführt werden (vgl. Tab. 2); nur so können Aspiratio-nen und Atemturbulenzen sofort vom Therapeuten oder Essensgeber bemerkt werden. Er kann aufhören, Essen zu rei-chen, die Situation analysieren und sei-ne Hilfen anpassen: z. B. die Lagerung des Patienten oder die Konsistenz der Nahrung ändern und / oder längere Pau-sen zwischen den einzelnen Anreichun-gen einhalten.

Dekanülierung – überlegt und strukturiert

Eine Dekanülierung wird nicht erfolg-reich sein, solange die Schluck- und Schutzreaktionen, die Atem-Schluck-Koordination und die Atemzugmecha-nik noch nicht suffizient sind. Das Mo-dell „Schutz der unteren Atemwege“ er-möglicht dem Team, die notwendigen Faktoren und ihr Zusammenspiel ge-meinsam abzuwägen (Abb. 2).

Die Schluckfähigkeit setzt sich zu-sammen aus einer zeitgerechten Aus-lösung des Schluckens und dem erfolg-reichen Ankommen des Bolus im Ma-gen. Die Abwehrmaßnahmen wie Hus-ten, Räuspern und der Sekrettransport

aus den unteren Atemwegen müssen ef-fizient sein. Ein erfolgreiches Zusam-menspiel erfolgt nur auf der Basis eines suffizienten Allgemeinzustandes, bei ausreichender Vigilanz, Koordinations-fähigkeit und situativer Anpassungs-fähigkeit der Atmung, des Tonus und der Haltung.

Besonders bewährt hat sich das Mo-dell für Entscheidungsprozesse zur Deka-nülierung bei Patienten mit Hirnschädi-gungen und hohen Querschnittverlet-zungen [35, 36]. Bei Patienten mit kom-pletten Halsmarklähmungen sind das produktive Abhusten und die zum Hus-ten notwendige Bauchpresse aufgrund der Thoraxlähmung nicht ausreichend. Viele Tetraplegiker brauchen deshalb le-benslang einen Zugang zum Absaugen, der zwar nur gelegentlich, dann aber um-so dringender gebraucht wird, wenn die manuelle Sekretmobilisation versagt [37].

Gemeinsam vorgehen

Da standardisierte Vorgehensweisen zur Dysphagie bei Intensivpatienten fehlen, schlägt Heffner [38] ein teambasiertes Vorgehen vor (Plan-Do-Study-Act), ein projektbezogenes, reflektiertes Lernen aus Erfahrung. Das erfordert den Willen zur Kommunikation, Planung, Zeitma-

nagement und die Bereitschaft, Neues zu lernen.

In Bezug auf die fazio-oralen Se-quenzen ergeben sich im Laufe des Tages viele interdisziplinäre Schnittstellen. In gemeinsamen Schulungen und im ge-meinsamen Tun können individuelle atem- und schluckfördernde Lagerun-gen und Alltagshilfen für den Patienten entwickelt werden. Diese sollten dann zu jeder Zeit therapeutisch von allen Be-teiligten (ggf. auch von den Angehöri-gen) eingesetzt werden, bis die Patien-ten sie im Laufe der Zeit wieder selbst-ständig mit der nötigen Kraft, Ausdauer und Frequenz ausführen können.

Auch das von Nydahl et al. [39] aus-gegebene Motto „Wake up, breath, mobi-lize“ könnte kreativ um einen wichtigen Punkt ergänzt werden: „Wake up, breath, mobilise and swallow”! Denn auch beim Gehen muss man schlucken!

Interessenkonflikt: Die Autorin Frau Nusser-Müller-Busch erklärt, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

Weitere Informationen zum Thema finden Sie auf den Internetseiten www.formatt.org, www.schlucksprechstunde.de, www.manuelle-schlucktherapie.de

Abbildung 2 Modell: Schutz der unteren Atemwege (Modifiziert nach [17], mit freundlicher

Genehmigung des Springer-Verlages GmbH)

1. Bartolome G, Schröter-Morasch H: Schluckstörungen. Diagnostik und Re-habilitation. München: Elsevier/Urban & Fischer, 2010

2. Nusser-Müller-Busch R: Konsensus-empfehlungen zur Facio-Oralen Trakt Therapie (F.O.T.T.). Neuro Rehabil 2008;14:275–281

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Literatur

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Ricki Nusser-Müller-Busch, MSc NeurorehabilitationRüsternallee 4514050 [email protected]

KorrespondenzadresseZitierweise:Nusser-Müller-Busch R: Schluckstörun-gen auf der Intensivstation: Atmen und Schlucken – eine vitale Beziehung. DIVI 2013;4:7-14. DOI 10.3238/DIVI.2013. 0007-0014

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R. Nusser-Müller-Busch: Schluckstörungen auf der Intensivstation: Atmen und Schlucken – eine vitale Beziehung

Swallowing disorders in the ICU: Breathing and swallowing – a vital relationship

© Deutscher Ärzte-Verlag | DIVI | 2013; 4 (1) ■

P. Gretenkort1, P. Thomas2

Einsatzbereitschaft von Klinik-Mitarbeitern unter EigenrisikoWillingness of hospital staff to report to work in personal risk situations

In Katastrophensituationen mit angenommenem oder tatsächlich bestehendem Eigenrisiko gibt es ernst zu

nehmende Beweggründe, welche Klinik-Mitarbeiter aller Be-rufsgruppen potenziell vom Dienst abhalten. Die differen-zierte Bewertung von Einflussgrößen und Motiven eröffnet Potenziale, die Bereitschaft der Mitarbeiter zu steigern, um im Einsatzfall mit einer breiten Personaldecke arbeiten zu können. Zu den möglichen Schritten zählen Sicherheitsmaß-nahmen für Mitarbeiter und deren Angehörige, aber vor al-lem auch die Verbesserung von Ausbildungs- und Trainings-stand und die Entwicklung der ethischen Grundhaltung von Mitarbeitern und Führungskräften. Eine frühzeitige und nach verschiedenen möglichen Szenarien differenzierte Vorberei-tung ist erforderlich.

Schlüsselwörter: Pandemieplanung; Behandlungspflicht; Arbeitsbereitschaft; ethische Aspekte

Hospital staff may have serious reasons for not reporting to work under personal risk conditions during a catastrophe. The assessment of the determining factors of staff moti-vations can lead to measures that will increase willingness to report into work. This is vital in order to provide full staffing in a critical situation. One such measure would be the im-provement of personal security for employees and their relatives. But on the front line, the development of issue-re-lated education, skills training and strong ethics in co-workers and executives is key. Robust preparations which are differentiated for a variety of different scenarios should be implemented at an early stage.

Keywords: pandemic preparedness; duty to care; willingness to report; ethical issues

1 Institut für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, Allgemeines Krankenhaus Viersen GmbH2 Klinik für Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin, Medizinisches Zentrum Städteregion Aachen GmbH3 Dr. Urbani arbeitete als Epidemiologe für die WHO in Vietnam, von wo aus er im Februar 2003 die WHO über ein neuartiges Krankheitsbild mit noch unbekanntem Erreger

und schweren Verläufen informierte. Nur einen Monat später starb er selbst an dieser Erkrankung, die inzwischen den Namen SARS erhalten hatte.

Dr. med. Peter Gretenkort ist Facharzt für

Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfall-

medizin und spezielle Schmerztherapie.

Er ist Chefarzt am Allgemeinen Krankenhaus

Viersen und Mitglied der Sektion Ethik der

DIVI. Foto: Privat

ZitierweiseGretenkort P, Thomas P: Einsatzbereitschaft von Klinik-Mit-arbeitern unter Eigenrisiko. DIVI 2013;4:15-20. DOI 10.3238/DIVI.2013.0015-0020

“If I can’t work in such situations, what am I here for? Answering e-mails, going to cocktail parties and pushing paper?”

(Carlo Urbani 1956–2003)3

15WISSENSCHAFT / RESEARCH Übersicht / Review

■ © Deutscher Ärzte-Verlag | DIVI | 2013; 4 (1)

Einleitung

Zu den besonderen Herausforderungen für die Gesundheitsversorgung einer Re-gion gehören saisonal typische Umwelt-ereignisse wie tropische Wirbelstürme, Schneestürme und Überschwemmun-gen, aber auch technische Großscha-denslagen und die Auswirkungen terro-ristischer Anschläge oder militärischer Übergriffe. Diesen unterschiedlichen Szenarien ist gemeinsam, dass die Infra-struktur der stationären und ambulan-ten Versorgung beeinträchtigt sowie die Sicherheit der Mitarbeiter gefährdet sein kann.

Die Gesundheitssysteme Mittel-europas haben in den letzten Jahrzehn-ten nur punktuelle und umschriebene Erfahrungen in Krisensituationen ma-chen müssen. Meist war die Gesund-heitsversorgung der direkt Betroffenen wie auch der Gesamtbevölkerung nicht über längere Zeit in Frage gestellt. Erst in jüngerer Zeit wird anhand von vorher-gesagten Epidemie- und Pandemie-Sze-narien deutlich, dass auch hier die Aus-einandersetzung mit Situationen statt-finden muss, in denen lokale und regio-nale Behandlungsressourcen wie auch ethische Auffassungen an ihre Grenzen geführt werden können.

In Planungen für Großschadens-lagen und Katastrophen wird ange-nommen, dass es möglich sei, die per-sonelle Besetzung von Krankenhäu-sern kurzfristig zu erweitern. Es gibt je-doch seit langem Hinweise darauf, dass in Abhängigkeit vom angenom-menen oder tatsächlichen persönli-chen Risiko des eingesetzten Personals eine Rekrutierung im Krisenfall nicht selbstverständlich ist. Die Beweggrün-de, welche Mitarbeiter potenziell vom Dienst abhalten, sind durchaus ernst zu nehmen. Für die Krankenhäuser er-gibt sich die Aufgabe, mögliche Hin-derungsgründe zu erkennen und wo-möglich zu beseitigen, damit im Ein-satzfall mit voller Belegschaft gearbei-tet werden kann.

Erkenntnisse über die Bereitschaft von Mitarbeitern des Krankenhauses zur Arbeit unter Eigenrisiko wurden in den vergangenen Jahrzehnten durch Befra-gungen von potenziell betroffenen Mit-arbeitern des Gesundheitswesens im zeitlichen Kontext von realen Bedro-hungen gewonnen. Es lassen sich dabei verschiedene Phasen unterscheiden.

Episodische Erkenntnisse vor „9–11“

Bereits im Jahr 1991 wurde in Israel eine landesweite Befragung von Kranken-haus-Mitarbeitern durchgeführt, in de-ren Fokus die Dienstbereitschaft bei ei-nem Raketenangriff stand. Das Land lag während des zweiten Golfkriegs mehrere Wochen unter Raketenbeschuss. Es zeig-te sich, dass unter dem vorgestellten Sze-nario ohne weitere Vorkehrungen nur weniger als die Hälfte der Antwortenden ihren Dienst aufnehmen würden, wäh-rend unter der Gewährleistung zusätzli-cher Sicherheitsmaßnahmen diese Rate auf fast 90 % hätte gesteigert werden kön-nen. Als dienstbereit beschrieben sich überwiegend Männer, Personen mit Füh-rungsaufgaben sowie Eltern von Kindern über 14 Jahren. Zwischen den zehn be-fragten Krankenhäusern wurden erhebli-che Unterschiede deutlich, woraus die Notwendigkeit abgleitet wurde, die Mit-arbeiterbereitschaft in jedem Haus vor der Erstellung von Alarmplänen differen-ziert zu erfassen [1].

Eine amerikanische Untersuchung, durchgeführt unter dem Eindruck von Hurricane „Floyd“ (1999), einem der fol-genreichsten Wirbelstürme der letzten Jahrzehnte, zeigte auf, dass die Mitarbei-ter sich neben der eigenen Sicherheit am Arbeitsplatz vor allem auch um die Si-cherheit ihrer Familien und ihrer Haus-tiere sorgten. Auch hier gab es große Un-terschiede innerhalb der Belegschaft bei der Bereitschaft, in einer Katastrophen-situation zur Arbeit zu kommen. Die Teilnehmer der Befragung erwarteten neben einer arbeitsvertraglichen Be-rücksichtigung des erhöhten Risikos vor allem auch direkte Unterstützung für Versorgung und Sicherheit der Familie durch das Krankenhaus [2].

Systematische Untersuchungen nach „9–11“

Nach dem 11. September 2001 zielten Untersuchungen zur Mitarbeiterbereit-schaft zunächst auf den Vergleich ver-schiedener Katastrophenszenarien. Die angegebene Einsatzbereitschaft der Be-fragten war deutlich größer bei einer Na-turkatastrophe als bei einem terroristi-schen Anschlag [3]. 90 % der Befragten gaben mindestens einen Hinderungs-grund an. Am häufigsten genannt wur-

den die häusliche Verantwortung für Kinder bzw. Eltern, fehlende Transport-möglichkeiten sowie persönliche ge-sundheitliche Gründe [4].

Individuelle Motivation und Ein-schränkungen wurden deutlicher, als in weiteren Befragungen zwischen der ob-jektiven Möglichkeit sowie der subjekti-ven Bereitschaft der Mitarbeiter bei ver-schiedenen Katastrophen-Szenarien dif-ferenziert wurde, darunter Großscha-dens- und Anschlagszenarien, Umwelt-ereignisse sowie Epidemien übertrag-barer Erkrankungen. Die objektiven Möglichkeiten wurden durch die bereits genannten Kriterien eingeschränkt, während die subjektive Bereitschaft zu-sätzlich durch eigene Ängste sowie Sor-gen um die Familie beeinträchtigt war.

Die Relation von objektiver Möglich-keit und subjektiver Bereitschaft war von Szenario zu Szenario unterschiedlich, wobei die subjektive Bereitschaft mit zunehmender Ungewissheit über die Sicherheitslage abnahm. Bei einem an-genommenen SARS-Ausbruch betrug die Bereitschaft lediglich 48 %. Demgegen-über war die objektive Möglichkeit am deutlichsten bei einem angenommenen Schneesturm eingeschränkt: Nur 49 % der befragten Krankenhausmitarbeiter wären überhaupt in der Lage gewesen, in einer solchen Situation zur Arbeit zu kommen. Bei einem Massenanfall von Verletzten lagen dagegen sowohl subjek-tive Bereitschaft als auch objektive Mög-lichkeit deutlich über 80 % [5].

Die Ergebnisse wurden sinngemäß in einer weiteren Befragung repro-duziert. Die Bereitschaft zur Arbeit bei Umweltkatastrophen reichte je nach vorgestelltem Szenario von 75 bis 83 %, während sie bei biologisch-chemisch-ra-diologischen Einsatzlagen unter 60 % lag. Ein bemerkenswertes Teilergebnis war in dieser Befragung, dass 21 % der Mitarbeiter eine gleichzeitige weitere Verpflichtung im Rahmen des Katastro-phenschutzes angaben [6].

In einer jüngeren, an frühere Unter-suchungen angelehnten Befragung war die subjektive Bereitschaft bei einer ra-diologischen Gefahrenlage am gerings-ten, während wiederum die objektiven Möglichkeiten bei einer angenom-menen Naturkatastrophe am meisten eingeschränkt waren. Je nach Szenario waren Bereitschaft und / oder Mög-lichkeit bei bis zu 30 % der Mitarbeiter nicht gegeben [7].

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P. Gretenkort, P. Thomas: Einsatzbereitschaft von Klinik-Mitarbeitern unter Eigenrisiko

Willingness of hospital staff to report to work in personal risk situations

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Unter dem Eindruck einer Serie von Milzbrand-Anschlägen im Jahre 2001 fokussierten einzelne Untersuchungen zur Mitarbeiterbereitschaft auf bioterro-ristische Bedrohungslagen. Unter Mit-arbeitern im Bereich der ambulanten Versorgung wurde für diese Sondersitua-tion übereinstimmend ein schlechter Ausbildungs- und Kenntnisstand festge-stellt, der sich neben anderen Faktoren negativ auf die Arbeitsbereitschaft im Einsatzfall auswirkte [8, 9].

An dem weiteren Spezialfall eines angenommenen „dirty bomb“-Szena-rios wurden Haltungen und Überzeu-gungen der Mitarbeiter mit der indivi-duellen Dienstbereitschaft korreliert. Mehrere Aspekte wurden deutlich: Mit-arbeiter, die auch im Regelfall keine Überstunden leisten (können), wiesen geringere Dienstbereitschaft im Einsatz-fall auf, ebenso wie Mitarbeiter, die da-von ausgingen, dass auch ihre Kollegen keine Einsatzbereitschaft zeigen, sowie diejenigen Mitarbeiter, die nicht von der Wichtigkeit ihrer persönlichen Funk-tion im Einsatz überzeugt waren [10].

Erkenntnisse vor dem Hintergrund von Epidemien und Pandemien

Im zurückliegenden Jahrzehnt prägten der SARS-Ausbruch 2003 sowie Ausbrü-che der Vogelgrippe A/H5N1 in 1997 und 2003 / 2004 und die weltweit mit höchster Warnstufe der WHO belegte „Neue Grippe“-Pandemie A/H1N1 in 2009 / 2010 die Diskussion zur Vorberei-tung der Krankenhäuser auf hochviru-lente übertragbare Erkrankungen. Meh-rere Arbeitsgruppen beschäftigten sich unter quantitativen Aspekten mit der Frage der Dienstbereitschaft unter dem Risiko einer Übertragung gefährlicher Infektionen.

Zwischen 20 und 50 % der Beschäf-tigten würden womöglich in einer Pan-demie-Situation nicht zum Dienst kom-men [11, 12, 13, 14]. Auch hier zeigen Mitarbeiter, die bereits unter Regelbe-dingungen keine außerplanmäßigen Dienste übernehmen (können), eine um den Faktor 17 geringere Bereitschaft in der Risikosituation gegenüber der Ver-gleichsgruppe [14].

Die Bereitschaft war insgesamt bei Ärzten höher als bei Pflegepersonal so-wie bei Männern größer als bei Frauen.

Ein wichtiger Aspekt für Mitarbeiter, die sich bei der Entscheidung unsicher sind, ist die Frage, ob das Krankenhaus in der Lage ist, seine Mitarbeiter ausreichend zu schützen, während eine höhere Ent-lohnung offenbar nur für wenige Mit-arbeiter einen Anreiz darstellen würde [12].

In einer neueren Untersuchung zeigten sich 16 % der Mitarbeiter nicht bereit, bei einer Influenza-Pandemie den Dienst aufzunehmen, unabhängig vom Schweregrad der Erkrankung. Je nach Überzeugung vom Ernst der Lage einerseits und vom Wirkungsgrad der ei-genen Möglichkeiten andererseits vari-ierte die Rate der Dienstbereiten inner-halb der auf diese Weise darstellbaren Untergruppen um den Faktor 30 [15].

Auch in einer japanischen Befra-gung, die einen Monat nach dem Gipfel eines regionalen A/H1N1-Ausbruchs ab-geschlossen wurde, fand sich ein Anteil von 15 % der Mitarbeiter mit ausgepräg-ter Zurückhaltung gegenüber einer Ar-beitsaufnahme unter Pandemiebedin-gungen. Zu den Faktoren, bei denen sich die nach ihrer Antwort gruppierten Mit-arbeiter bezüglich Motivation bzw. Zu-rückhaltung am deutlichsten unter-schieden, zählte die Einschätzung, wie effektiv sie von der Politik bzw. vom Krankenhaus geschützt werden. Bemer-kenswert ist, dass eine positive Einschät-zung zu diesem Aspekt nur bei 5,7 bzw. 20 % der Mitarbeiter vorlag [16].

Ein Viertel der Ärzte und Pflegekräf-te eines deutschen Universitätsklini-kums zeigten Verständnis dafür, dass Mitarbeiter in Gesundheitsberufen ih-ren Arbeitsplatz verlassen, um sich und ihre Familien zu schützen. Ein ähnlicher Anteil vertrat die Ansicht, dass die Mit-arbeiter selbst darüber entscheiden soll-ten, ob sie zur Arbeit kommen oder nicht. Jedoch waren fast 80 % dagegen, dass Mitarbeiter, die der Arbeit fern blei-ben, entlassen werden sollten. Nur ein kleiner Teil der Befragten stimmte dem Vorschlag zu, dass während einer Pande-mie in erster Linie Mitarbeiter ohne Kin-der zum Dienst herangezogen werden sollten [17].

In einem anderen deutschen Uni-versitätsklinikum lehnten 14,3 % der Mitarbeiter (6,1 % der Ärzte, 17,2 % der Pflegekräfte und 23,7 % der Verwal-tungsmitarbeiter) den Arbeitseinsatz während einer Pandemie ab. Hin-zugerechnet diejenigen Mitarbeiter, die

aufgrund versorgungspflichtiger Ange-höriger oder fehlender Transportmög-lichkeiten (bei angenommenem Ausfall öffentlicher Verkehrsmittel) nicht in der Lage wären zu kommen, würden 36,2 % der Mitarbeiter womöglich nicht zum Dienst erscheinen. Eine ethische Ver-pflichtung zum Einsatz auch unter In-kaufnahme eines persönlichen Risikos empfanden 55,5 % aller Befragten und 66,6 % der befragten Ärzte [18].

Aussagekraft bisheriger Untersuchungen

Episodische Presseberichte belegen, dass Krankenhaus-Mitarbeiter in Risikositua-tionen den Dienst verweigern und die Organisation der Patientenversorgung dadurch beeinträchtigt wird (New York Times, 21.03.2003: „Asian Medics Stay Home, Imperiling Respiratory Patients“; Associated Press, 09.09.2004: „Nurses Fi-red for Not Working Hurricane“). Ob es möglich ist, das tatsächliche Verhalten von Mitarbeitern des Gesundheits-wesens in einer zukünftig zu erwarten-den, mit individueller Gefährdung ver-bundenen Krisensituation durch einen Fragebogen quantitativ zu erfassen, muss zunächst offen bleiben. Nicht zu bestreiten sind jedoch objektive Hin-derungsgründe und vielfache Faktoren, die die Entscheidung von Mitarbeitern in die eine oder andere Richtung beein-flussen können. Viele der bisher durch-geführten Befragungen beanspruchen Repräsentativität aufgrund multizentri-scher Anordnung und großer Zahl der befragten Mitarbeiter. Statistische Auf-arbeitung und Analyse gehen in neue-ren Arbeiten über die rein deskriptive Darstellung der Ergebnisse hinaus. Bei der Erstellung der Fragenprofile wie auch bei der Auswertung wurden ent-wickelte verhaltenspsychologische Mo-delle berücksichtigt [10, 19].

Die subjektive Perspektive der Mitarbeiter

Die Untersuchungen zu den Motiven von Krankenhausmitarbeitern zur Dienstaufnahme bzw. Dienstverweige-rung in Risikosituationen zeigen ein breites Spektrum unterschiedlicher Ein-flussfaktoren. Es wird deutlich, dass es auch bei ausgeprägtem moralischen

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P. Gretenkort, P. Thomas: Einsatzbereitschaft von Klinik-Mitarbeitern unter EigenrisikoWillingness of hospital staff to report to work in personal risk situations

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Pflichtbewusstsein von Mitarbeitern ernst zu nehmende Gründe geben kann, die den Einzelnen von der Dienstauf-nahme abhalten können. Diese reichen von einfachen Transportproblemen (tatsächlicher oder zu befürchtender Ausfall des öffentlichen Personenver-kehrs) bis zu konkurrierenden Pflichten von gleicher Wertigkeit, beispielsweise häusliche Betreuung von Angehörigen oder nebenamtliche Aufgaben im Kata-strophenschutz. Darüber hinaus führen Ängste vor negativen Folgen für die eige-ne Gesundheit oder für die Gesundheit der Familie zu schweren Entscheidungs-konflikten. Auch Ängste vor sozialer Ächtung im Wohnumfeld sind nicht unbegründet, wenn beispielsweise dort bekannt ist, dass jemand beruflichen Kontakt zu Patienten mit einer hoch-ansteckenden Krankheit hat [20].

Aus verhaltenspsychologischer Sicht sind in einer angstbesetzten Situation so-wohl die Wahrnehmung einer Bedro-hung als auch die Erwartung der Selbst-wirksamkeit (i. e. das Vertrauen, in einer bestimmten Situation die eigenen Fähig-keiten und verfügbare Mittel auf dem Hintergrund bisheriger Erfahrungen er-folgreich einsetzen zu können) motivie-rende Faktoren für eigene Handlungs-intentionen. Beide Faktoren müssen ein gewisses Ausmaß erreichen, damit spezi-fische Reaktionen ausgelöst werden. Auf diesem Konzept basieren Befragungen durch eine Arbeitsgruppe, die unter ver-schiedenen Bedingungen auf die Arbeits-bereitschaft von Klinikpersonal ange-wendet wurden. Es zeigte sich dabei, dass die Selbstwirksamkeitserwartung eine deutlich höhere Auswirkung auf die Ar-beitsbereitschaft ausübt als das Ausmaß der wahrgenommenen Bedrohung. An-nahmen zu den eigenen Fähigkeiten und zum situationsbezogenen Ausbildungs-stand wirkten sich weniger deutlich auf die Arbeitsbereitschaft aus [10, 14, 15].

Der Begriff der Selbstwirksamkeit spielt auch in der Theorie des geplanten Verhaltens [21] eine Rolle und stellt dort neben Fachwissen und strukturell ver-fügbaren Ressourcen einen Baustein der empfundenen Verhaltenskontrolle dar, welche gemeinsam mit individuellen Haltungen und sozialen Normen die In-tention zu einem bestimmten Verhalten definiert. Die messbaren Faktoren dieses Konzeptes wurden in einer Studie mit der freiwilligen Bereitschaft zur Pflege von SARS-Patienten korreliert, wobei

sich in der Regressionsanalyse die Selbst-wirksamkeit vor der Verfügbarkeit säch-licher Ressourcen als wichtigste unab-hängige Variable der Intention zur Ar-beitsaufnahme zeigte. Der Faktor „vor-bestehende Kenntnisse“ spielte hier für die Arbeitsbereitschaft nur eine nach-geordnete Rolle [19].

Bei der Anforderung, in Risikositua-tionen im Krankenhaus zu arbeiten, handelt es sich nicht nur um eine indivi-duelle, sondern auch um eine kollektive und durch soziale Normen mitbestimm-te Entscheidungssituation. Die Ent-scheidung des Einzelnen ist in vorderer Linie geprägt durch das Verhalten der Kollegen und durch die empfundene Rollenzuteilung und Kompetenz im Kontext des Teams. Die Annahme, dass sich zugleich auch Kollegen und Vor-gesetzte zum Dienst in einer Risikositua-tion bereit erklären, führte zu einer 10- bis 17-fach höheren Bereitschaft bei den Befragten selbst [10, 14]. Die Überzeu-gung von der Wichtigkeit der eigenen Rolle im Team erhöhte die Bereitschaft um ein Vielfaches [11, 14, 15].

Die ethische Verpflichtung zur Hilfe-leistung leitet sich zwar auch aus explizi-ten Vereinbarungen (arbeitsvertragliche Regelung der Arbeitszeiten) und implizi-ten Übereinkünften (Tätigkeit analog der Alltagspflichten) ab. Jedoch werden an-dere Aspekte als Grundlage für einen in-dividuellen ethischen Standpunkt höher bewertet. Hierzu zählen das im Beruf er-worbene Fachwissen und die fachliche Spezialisierung, die den Mitarbeitern im Krankenhaus eine Alleinstellung in der Patientenbehandlung und gleichzeitig eine zusätzliche Sicherheit verleihen, um sich im Umgang mit den Risiken persön-lich schützen zu können. Die Aufgaben in Risikosituationen solidarisch mit Mit-arbeitern und Kollegen der eigenen und anderer Berufsgruppen fachgerecht aus-zuüben, führt zu einer Verteilung der Ri-siken und damit zu einer Reduktion des Risikos für jeden einzelnen Beschäftig-ten. Nach dem Prinzip der Gegenseitig-keit besteht eine ethische Begründung zur Hilfeleistung auch darin, dass Ausbil-dung und Tätigkeit in der Gesundheits-versorgung unter üblichen Bedingungen ein Privileg darstellen, welches die Ge-sellschaft dem einzelnen Mitarbeiter bie-tet. Dies gilt insbesondere, wenn durch ein eingetretenes Ereignis Auswirkungen auf die Funktion der gesamten Gesell-schaft zu erwarten sind. Es besteht die

hohe Erwartung der Öffentlichkeit, dass Ärzte und Pflegekräfte in der Lage sein werden, Risikosituationen einzugrenzen und dem einzelnen Betroffenen die Hilfe zu leisten, die er benötigt [22].

Die ethische Haltung der Führungskräfte

Die ethischen Grundsätze der Indivi-dualmedizin (Autonomie, Nicht-Scha-den, Fürsorge, Gerechtigkeit, nach Beau-

champ und Childress 1977) sind mit den ethischen Prinzipien des öffentlichen Gesundheitsdienstes (Gegenseitigkeit, öffentliches Vertrauen, Fundamentali-tät, Gerechtigkeit) nicht deckungsgleich [23]. Medizinische Behandlungen wer-den nicht mehr nur bestimmt im indivi-duellen Arzt-Patient-Verhältnis, son-dern auch und vielleicht vorwiegend durch behördliche Entscheidungen. Die Nichtbeachtung von ethischen Prinzi-pien bei Führungsentscheidungen birgt in einer solchen Situation sowohl die Gefahr eines Vertrauensverlustes der Öf-fentlichkeit als auch einer nachlassen-den Arbeitsmoral der Mitarbeiter. Wich-tige ethische Prozesse sind Verlässlich-keit, Einbeziehung der Mitarbeiter in Entscheidungen, von denen sie betrof-fen sind, Offenheit und Transparenz so-wie Kritikfähigkeit. Ethische Werte als Grundlage für Entscheidungen sind un-ter anderen Gerechtigkeit, Verhältnis-mäßigkeit, Gegenseitigkeit, Solidarität, Verantwortung und Vertrauen [24, 25]. Insbesondere zum Aspekt der Gegensei-tigkeit bestehen vielfältige Aufgaben, die der Klinikträger wie auch Vorgesetz-te innerhalb des Hauses zu erledigen ha-ben: exakte Kommunikation der zuge-dachten Aufgaben und Schutzmöglich-keiten; angemessene Unterstützung der klinischen Tätigkeiten; Bereitstellung ausreichender Ressourcen; Trainings-möglichkeiten; sichere Arbeits-umgebung und Unterbringung; Kom-munikationsmittel; medizinische Be-treuung; Beratung und psychologische Unterstützung; Sicherheit vor äußeren Übergriffen; Bereitstellung von Medika-menten und Impfstoffen. Eine Risiko-Kompensation durch Gehaltszuschläge wird aufgrund realer Erfahrungen kon-trovers diskutiert, indem dadurch mög-licherweise solidarisches Verhalten und Team-Zusammenhalt gestört werden können [26].

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P. Gretenkort, P. Thomas: Einsatzbereitschaft von Klinik-Mitarbeitern unter Eigenrisiko

Willingness of hospital staff to report to work in personal risk situations

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Zur Aufrechterhaltung des Gesund-heitssystems kann es erforderlich sein, die Behandlungspflicht von Mitarbei-tern einzufordern, wenn eine Dienstpla-nung auf freiwilliger Basis nicht aus-reicht. Grenzen der Behandlungspflicht sind jedoch dort zu akzeptieren, wo beim einzelnen Mitarbeiter andere Pflichten von gleicher Wichtigkeit inter-ferieren. Darüber hinaus reicht die Pflicht zur Inkaufnahme eines persönli-chen Risikos nicht bis zu jedem Ausmaß an Risiko. Bei der Diensteinteilung zu potenziell vital bedrohlichen Tätigkei-ten muss außerdem berücksichtigt wer-den, dass Mitarbeiter im Gesundheits-wesen keine unerschöpfliche Ressource darstellen, so dass sich auch hieraus Grenzen der Behandlungspflicht erge-ben können [22].

Lösungsansätze

Bereits anlässlich erster Befragungen zur Mitarbeiterbereitschaft in Risikositua-tionen wurden Lösungsvorschläge ge-macht, die sich an die Adresse der Kran-kenhausträger wenden. Viele der Bedin-gungen, die die Bereitschaft der Mit-arbeiter potenziell verringern, sind be-einflussbar, wenn sie frühzeitig im Vor-

feld einer zu erwartenden Risikosituati-on angegangen werden [1, 5, 7, 15]. Die strukturelle Verbesserung der Sicherheit am Arbeitsplatz, je nach Situation z. B. durch konsequente präklinische Dekon-tamination von Patienten, Bereitstel-lung geeigneter Schutzausrüstung oder frühzeitiger Impfung der Mitarbeiter, ist jedoch, wie sich zeigt, nur ein vorder-gründiger Teilaspekt. Die Kompensation des Risikos durch Gehaltszuschläge wirkt sich nur bedingt positiv auf die Mitarbeiterbereitschaft aus.

Von besonderer Wichtigkeit sind die nachhaltige Versorgung und der Schutz von Angehörigen (meist Kindern) für die Zeit der Abwesenheit der in Über-stunden oder Zusatzschicht arbeitenden Eltern sowie deren Schutz vor direkten gesundheitlichen Schäden wie z. B. In-fektionsübertragung. In der Konsequenz muss auf die Schaffung bzw. Ausweitung von Kinderbetreuungsmöglichkeiten und / oder Übernachtungsmöglichkei-ten für Familienmitglieder im Bereich des Krankenhauses hingearbeitet wer-den. In ähnlicher Weise muss eine Be-treuung bei erforderlicher häuslicher Quarantäne bedacht werden.

Zur Vorbereitung auf Risikosituatio-nen ist die frühzeitige Vermittlung von Grundlagenwissen (Welche konkreten

Gefahren drohen? Welche Schutzmög-lichkeiten bestehen?) wie auch das Trai-ning spezieller Skills (Welche konkreten Verhaltensweisen zum Eigenschutz sind möglich und erforderlich? Wie werden vorhandene Ressourcen richtig einge-setzt? Nach welchen Kriterien erfolgt die Triage?) unerlässlich [5, 10]. Darüber hi-naus muss es aber in problembezogenen Fortbildungsprojekten auch darum ge-hen, subjektive Normen und ethische Standpunkte zu vermitteln und zu ent-wickeln [10].

In der Einsatzsituation müssen die Mitarbeiter davon ausgehen können, dass sie und ggfs. auch ihre Familien zu den bevorzugten Empfängern bei der Zuteilung von Medikamenten oder Impfstoffen gehören und dass sie im Er-krankungsfall eine effektive Behand-lung erfahren. Vorgesetzte haben die Aufgabe, ihre Mitarbeiter bestmöglich zu schützen, und sie haben die Möglich-keit, die Arbeitsbereitschaft ihrer Mit-arbeiter durch nachhaltige und verant-wortungsvolle Dienstplanung und transparente Kommunikation hoch zu halten.

Interessenkonflikt: Die Autoren ge-ben an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

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P. Gretenkort, P. Thomas: Einsatzbereitschaft von Klinik-Mitarbeitern unter EigenrisikoWillingness of hospital staff to report to work in personal risk situations

■ © Deutscher Ärzte-Verlag | DIVI | 2013; 4 (1)

Japan during the pandemic (H1N1) 2009. BMC Public Health. 2010;10:672

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southern Taiwan. Kaohsiung J Med Sci 2004;20: 389–398

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21. Ajzen I: The theory of planned beha-vior. Organizational Behavior and Hu-man Decision Processes 1991;50: 179–211

22. van der Weijden CP, Bredenoord AL, van Delden JJ: The duty to treat in the context of an influenza pandemic. Vac-cine 2010;28:5260–5264

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26. Simonds AK, Sokol DK: Lives on the line? Ethics and practicalities of duty of care in pandemics and disasters. Eur Respir J 2009;34:303–309

Zitierweise: Gretenkort P, Thomas P: Einsatzbereit-schaft von Klinik-Mitarbeitern unter Eigenrisiko. DIVI 2013;4:15-20. DOI 10.3238/DIVI.2013.0015-0020

Dr. med. Peter GretenkortInstitut für Anästhesiologie, Intensivmedizin und SchmerztherapieAllgemeines Krankenhaus Viersen GmbHHeesstr. 2–1041751 Viersen

Peter ThomasKlinik für Anästhesie, Intensiv- und NotfallmedizinMedizinisches Zentrum Städteregion Aachen GmbHMauerfeldchen 25, 52146 Würselen

Korrespondenzadressen

20

P. Gretenkort, P. Thomas: Einsatzbereitschaft von Klinik-Mitarbeitern unter Eigenrisiko

Willingness of hospital staff to report to work in personal risk situations

Daß die Menschen so oft falsche Urteile fällen, rührt gewiß nicht allein aus einem Mangel an Einsicht und Ideen her, sondern hauptsächlich davon, daß sie nicht jeden Punkt im Satz unter das Mikroskop bringen, und bedenken.

Quelle: aus den Sudelbüchern F 856, 1778. Insel Taschenbuch

Foto: Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers Simon Dittrich.

Nach einer Farbradierung G.C. Lichtenberg.

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DIVIDeutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin

German Interdisciplinary Association of Critical Care - and Emergency Medicine www.divi-org.de

Geschäftsstelle der DIVI

Luisenstraße 4510117 Berlin

Rücksendung per FAX: 0049 30 400 5637

Befragung von Intensivpflegekräften

zur Weiterentwicklung der Fachkrankenpflege in Deutschland

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

wir fragen Sie nach Ihren Vorstellungen und Wünschen zur beruflichen Qualifizierung für die Intensivpflege. Ziel der Umfrage ist es, ein Meinungsbild aus der Intensivpflege darüber zu erhalten, ob und wie die Weiterbildung in der Intensivpflege verändert werden sollte und ob und welche anderen Gesundheitsberufe und Spezialisierungen neben der Fachpflegekraft für Intensivmedizin sinnvoll sein könnten.

Weitere Fragebögen für Ihre Kollegien und Kollegen finden Sie auf der Homepage der DIVI zum herunterladen: www.divi-org.de

Vielen Dank, dass Sie an der wichtigen Umfrage teilnehmen.

Bitte füllen Sie den Fragenbogen in Ruhe und vollständig aus. Die Auswertung erfolgt anonym. Die Daten werden ausschließlich in zusammengefasster Form veröffentlicht. Die DIVI garantiert, dass externe Stellen weder Personen noch Krankenhäuser identifizieren können.

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DIVIDeutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin

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1. Fragen zur Ihrer Person und berufl ichen Situation (Mehrfachnennung erlaubt):Mein Alter: □ unter 30 Jahre □ 31–55 Jahre □ 56 Jahre oder älter Geschlecht: □ weiblich □ männlich

□ Ich habe ein Examen Gesundheits- und Krankenpfl ege

□ Ich habe ein Examen Weiterbildung Intensivpfl ege

□ Die Zeit zwischen Krankenpfl egexamen und Beginn Weiterbildung Intensivpfl ege betrug _______ Jahre

□ Ich habe studiert: Fach / Abschluss __________________________________

□ Ich arbeite derzeit auf einer Intensivstation mit

□ weniger als 5 Bettplätze □ 6–10 Bettplätze □ 11 bis 15 Bettplätze □ 16 Bettplätze und mehr

□ Ich habe mehr als 5 Jahre Intensivpfl egeerfahrung

□ Ich bin in leitender Funktion tätig

□ Ich bin derzeit in einem anderen Bereich tätig: ____________________________

2. Arbeiten als Intensivpfl egekraftEs gibt für mich gute berufl iche Entwicklungsmöglichkeiten

Die Arbeit in der Intensivpfl ege ermöglicht es mir, immer neue Arbeitsfelder kennen zu lernen

Mein Fachwissen und meine Kompetenzen kann ich im Rahmen der Intensivpfl ege voll umfänglich einsetzen

Neue Aufgabenverteilungen führen zu Konfl ikten im interprofessionellen Team

Begründetes, wissenschaftlich evaluiertes Fachwissen in derPfl ege verbessert die Patientenversorgung

Die Zusammenarbeit und Akzeptanz im therapeutischen Team bezeichne ich als sehr gut

Mit meinem Gehalt bin ich zufrieden

Die gesellschaftliche Wertschätzung meines Berufs fi nde ich hoch

3. Rahmenbedingungen der Weiterbildung zur Intensivpfl egekraftMein Arbeitgeber bezahlt die Qualifi zierung nicht bzw. ich muss Weiterbildungsgebühren selbst bezahlen

Wenn zutreffend, wie hoch war die Selbstbeteiligung in Euro: _____

Ich muss für die Qualifi zierung Freizeit einsetzen.

Ich muss eine Verpfl ichtungserklärung bei meinem Arbeitgeber unterzeichen,

Es gibt Wartezeiten bei der Qualifi zierung zur Intensivpfl egekraft

Arbeitgeber übernimmt alles

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German Interdisciplinary Association of Critical Care - and Emergency Medicine www.divi-org.de

4. Qualifi zierung zur Intensivpfl egekraftDie Weiterbildung vermittelt die notwendigen Kompetenzen

Die Weiterbildung könnte besser modular aufgebaut werden (z.B. Anästhesie getrennt von der Intensivpfl ege)

Die Aus- und Weiterbildungszeit bis zur Fachkrankenpfl egekraft dauert zu lange (6–7 Jahre).

Eine staatliche Anerkennung für meinen Abschluss Intensivpfl ege ist mir wichtig.

Eine bundesweite Vergleichbarkeit der Qualifi kation als Intensivpfl egekraft ist wichtig.

Eine europaweite Vergleichbarkeit der Qualifi kation als Intensivpfl egekraft ist wichtig.

Ein pfl egebezogenes berufsbegleitendes Studium der Intensivpfl ege ist die richtige, zukünftige Art der Qualifi zierung

Diese Qualifi zierung sollte dann die Übernahme bislang ärztlicher Tätigkeiten erlauben

Eine Weiterbildung im klassischen Stil ist die richtige, zukünftige Art der Qualifi zierung

Theorie-Praxis Verknüpfung ist sehr wichtig in der Qualifi zierung für eine Intensivpfl egekraft

Ziel einer Qualifi zierung ist es, meine Aufgaben besser bewältigen zu können

Der Weiterbildungsabschluss sollte einem akademischen Abschluss entsprechen

5. Eine Qualifi zierungsmaßnahme für die Intensivpfl ege sollte zu folgenden Handlungskompetenzen führen…(Zutreffendes bitte ankreuzen und ergänzen, Mehrfachnennung möglich)

□ Pfl egediagnostik und Pfl egeplanung

□ Prävention und Prophylaktische Pfl egeinterventionen

□ Kommunikation / Gesprächsführung

□ Umgang mit dem Patientenumfeld (Psychosoziale Aspekte)

□ Angewandte Pfl egewissenschaften (Anwendung evidenzbasierten Pfl egehandelns)

□ Forschung (Fragestellungen entwickeln, untersuchen und Ergebnisse publizieren)

□ Organersatzverfahren

□ Beatmungstherapie (invasiv – non invasiv)

□ Ernährungs- und Flüssigkeitstherapie

□ Sedierung und Schmerztherapie

□ Notfall- und Akutbehandlung

□ Intra- und Interhospitaltransporte

□ Diagnostik, erweitertes Monitoring und Befundinterpretation (z.B. EKG)

□ Erweiterte invasive Maßnahmen (Notfallintubation, ZVK, art. Kanüle…)

□ Sicheres, refl ektiertes handeln in ethischen Grenzsituationen

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DIVIDeutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin

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6. Meine Motivation zur Weiterbildung/Studium zur Intensivpflegekraft (Mehrfachnennungen möglich)

Ich möchte meine berufliche Position verbessern (Aufstieg)

Ich möchte mehr Verantwortung übernehmen

Ich möchte mehr und umfassenderes Wissen zur Pflege

Ich möchte meine Aufgaben besser bewältigen können

Ich möchte mehr Geld verdienen

Ich möchte mich beruflich innerhalb der Pflege neu orientieren

Ich möchte nicht mehr direkt am Patienten arbeiten

Ich möchte nicht mehr im Schichtdienst arbeiten

7. Vorstellungen zu zusätzlichen Qualifizierungen 7 a. Es sollte über die Weiterbildung in der Intensivpflege hinaus bundesweit anerkannte Weiterbildungen geben mit einer engeren Spezialisierung für bestimmten Aufgabengebieten

(Zutreffendes bitte ankreuzen und evtl. ergänzen, Mehrfachnennung möglich)

□ für Beatmungstherapie

□ für Nierenersatztherapie

□ für Kardiotechnik

□ für Schmerztherapie

□ für Ernährungsmanagement

□ für Frühmobilisation

□ für Wundmanagement

□ für psychologische Betreuung / Krisenintervention

7 b. Es sollte solche zusätzlich spezialisierende Weiterbildungen für Berufsbilder innerhalb der Intensivmedizin geben

(Zutreffendes bitte ankreuzen und ergänzen, Mehrfachnennung möglich)

□ weil man dann ausschließlich in dem Spezialisierungsfeld tätig sein könnte

□ weil ich dann weniger Grundpflege machen muss

□ weil ich dann evtl. keinen Schichtdienst mehr machen muss

□ weil ich dann erweiterte Kompetenzen habe

□ weil ich dann zusätzliche Tätigkeiten in der Schnittstelle Medizin / Pflege übernehmen kann

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MÄRZ

14. – 16.03.2013, Wendisch RietzGrundlagen der Intensivmedizin

Info: http://www.ai-online.info/aionline/Kongress-Kalender

15.03.2013, Dresden6. Dresdner Tracheotomie-Tag

Info: http://www.khdf.de

15. – 16.03.2013, Baden-BadenNotfallmedizinische Jahrestagung der

Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Notärzte e.V.

Info: http://www.agswn.de

16.03.2013, OffenbachUltraschallkurs Notfallsonographie

Info: www.notfallsono.de

17. – 18.03.2013, Bad Krozingen40-stündiger TEE-Kurs für Anästhesisten

nach den Richtlinien der DGAI

Info: http://www.ai-online.info/aionline/Kongress-Kalender

19. – 22.03.2013, Brüssel33rd International Symposium on Intensive Care and

Emergency Medicine

Info: http://www.intensive.org

20. – 23.03.2013, Hannover54. DGP-Kongress

Info: http://www1.pneumologie.de

APRIL

06. – 09.04.2013, WiesbadenKongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM)

Info: http://dgim2013.de

11. – 12.04.2013, Frankfurt a.M.Symposium SOCRATES

Info: http://www.orthopaedische-uniklinik.de

15. – 16.04.2013, Wendisch RietzGrundlagen der Intensivmedizin Kinder I

Info: http://www.ai-online.info/aionline/Kongress-Kalender

18. – 20.04.2013, Lübeck-Travemünde9. Notfallsymposium der AGNN

Info: www.agnn.de

20. – 22.04.2013, NürnbergDeutscher Anästhesiecongress

Info: http://www.dac2013.de

30.04. – 03.05.2013, München130. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie

Info: http://www.chirurgie2013.de

TAGUNGSKALENDER / MEETINGS

Es handelt sich um ein intermittierendes Mehrkammer-Kompressionsgerät mit Bein- und Fußmanschette. DasBesondere ist die Erfassung der Venenrückfüllzeitdurch die einzigartige VRD-Technik. Damit wird auchder venöse Rückfluss erfasst sowie der optimale Blut-/Lymphfluss erzielt.

OP / Chirurgie / Intensiv

Allgemein / Stationär

Reha / Pflegeheim

Ambulant / Zuhause

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Gemäß S3-Leitlinie der DGP: intermittierende,pneumatische Kompression (IPK oder AIK)

durch einen pneumatischen Hochleistungs-Impuls (FIT-Technik) aktiviert. Effekt wie z.B. beim Gehen, nurwesentlich höher. Durch diesen Impuls wird der venöseRückfluss angeregt und massiv gesteigert, bis zu 250 %.

Wirkung:die Förderung der Wundheilung um bis zu 30%, durch die schon obenerwähnten Effekte. In den betroffenen Regionen sollte eine Restfunktionvorhanden sein und /oder sich alternative Shunts, Kollaterale bilden.

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angedacht werden.

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H. C. Müller-Busch

Palliativmedizin und Sterben auf der Intensivstation – kein WiderspruchPalliative care and dying in intensive care – no contradiction

Intensivstationen gehören zu den Bereichen, wo in Krankenhäusern besonders häufig und oft wiederholt

die letzte Lebenszeit verbracht wird. Die hohe Morbidität und Mortalität dieser Intensivpatienten bedeutet auch, dass bei fast allen palliative Bedürfnisse bestehen. Zwischen 2 und mehr als 10 % aller Sterbenden befinden sich bis zum Tod in intensivmedizinischer Behandlung und sterben auf der Inten-sivstation. Lebensqualität und die Bestimmung von Behand-lungszielen sind Fragen, die im Spannungsfeld von medizi-nischen Möglichkeiten, sozialen Interessen, gesellschaftlichen Prioritäten und individuellen Erwartungen bzw. Vorstellun-gen zunehmend bedeutsamer werden. Im Grenzbereich zwi-schen Leben und Sterben bestehen häufig Probleme und Konflikte, die Orientierung benötigen: Es geht darum zu ent-scheiden, welche Prioritäten im Hinblick auf Lebensqualität und Lebensverlängerung gesetzt werden oder aber, den Tod zuzulassen und das Sterben würdig zu gestalten. Die frühzei-tige Integration palliativer Prinzipien in die Notfall- und In-tensivmedizin kann nicht nur zu einer verbesserten Lebens-qualität und Zufriedenheit von Betroffenen und Angehörigen beitragen; sie senkt auch die Gesundheitskosten, ohne dass die Lebenszeit verringert wird oder die Mortalität steigt.

Schlüsselwörter: Intensivbehandlung; Palliativmedizin; Entscheidungen am Lebensende; Therapiebegrenzung; Therapiezieländerung; Lebensqualität

Intensive care units (ICU) are the places of care in hospital where the last time in life is spent most often and repeatedly. The high mortality and morbidity of these patients also means that in nearly all palliative needs must be considered. Between 2 and more than 10 % of all deaths occur in inten-sive care. Quality of life and the determination of treatment goals are questions which become increasingly more import-ant in an area of conflict between medical possibilities, social interests, social priorities and individual expectations. In the border line between life and death often problems and con-flicts arise where more orientation is needed. Medical deci-sion making in intensive end of life care should be based on effective communication considering the clinical condition, personal values and biographical aspects of the patient in the ICU. Early integration of palliative principles can con-tribute not only to an improved quality of life and satisfac-tion of patients and proxies confronted with life limiting ill-nesses in intensive care. It also reduces health care costs without increasing mortality.

Keywords: intensive care; palliative treatment; end-of-life decisions; withdrawing life support; quality of life

ZitierweiseMüller-Busch HC: Palliativmedizin und Sterben auf der Inten-sivstation – kein Widerspruch. DIVI 2013;4:22-27. DOI 10.3238/DIVI.2013.0022-0027

H. C. Müller-Busch war bis 2008 Ltd. Arzt der

Abteilung für Anästhesiologie, Palliativmedi-

zin und Schmerztherapie am Gemein-

schaftskrankenhaus Havelhöhe, Berlin. Von

2006–2010 war er Präsident der Deutschen

Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP).

Foto: Privat

22 Übersicht / Review WISSENSCHAFT / RESEARCH

© Deutscher Ärzte-Verlag | DIVI | 2013; 4 (1) ■

Einleitung

Das „medizinisch Machbare“ bestimmt immer noch weitgehend die Orientie-rung in der Intensivmedizin. Es ist das besondere Problem der modernen Medi-zin und vor allem der Intensivmedizin, dass sie sich bislang zu wenig darum ge-kümmert hat, wie ein Mensch wieder zum Subjekt seines eigenen Lebens auch in der Sterbesituation wird [1]. Neben den unbestreitbaren Möglichkeiten hochtechnisierter Medizin muss auch der Bereich der „ungesehenen oder un-beabsichtigten Nebenfolgen“ stärker in das Bewusstsein gebracht werden. Sol-che Nebenfolgen sind z. B. die Fortfüh-rung der eingeschlagenen Behandlungs-wege, selbst wenn nach kritischem Ab-wägen die Aussichten auf Erfolg im Ver-hältnis zu den Belastungen denkbar ge-ring sind. Hier müssen wir lernen, um-zudenken. Das individuelle Wohl des Patienten muss als oberster Wertmesser der Behandlung angesetzt werden.

Technik kann die Effektivität ärzt-lichen Handelns enorm steigern, aber sie kann natürlich auch zu Missbrauch verführen. Besonders in der Intensivme-dizin zeigt sich, dass Technik auch eine faszinierende Form von Macht ist [2]. Der Einsatz von High-Tech- und Appara-temedizin hat nichts daran geändert, dass das Leben des Menschen trotz der Beeinflussbarkeit einer Unzahl von Pa-rametern letztlich unberechenbar bleibt. So genießt die differenzierte Lin-derung und Begleitung individuellen Leidens in der spezialisierten Welt der Medizin viel weniger Anerkennung als der hochspezialisierte Kampf gegen die Krankheit. Während Intensivmedizin die Möglichkeiten der Hochleistungs-medizin symbolisiert, verdeutlicht Pal-liativmedizin die Grenzen dieser Mög-lichkeiten, aber auch die Zuwendung zu individuellem Leid.

Die Rettung eines früher vom siche-ren Tode bedrohten Lebens durch inten-sivtherapeutische Maßnahmen, durch eine Herz- oder Knochenmarktransplan-tation, durch künstlichen Lungen- oder Leberersatz oder aggressive Immun- und Kreislaufunterstützung ist heute ein großartiger Erfolg. Vielerorts werden al-lerdings risikoreiche oder sogar experi-mentelle Verfahren in Situationen mit minimaler Hoffnung auf Erfolg und oh-ne ausreichende wissenschaftliche Evi-denz durchgeführt – und das mit dem

Argument medizinischer Notwendig-keit! Das hat die Angst geschürt vor ei-ner Medizin, der man in Situationen des Sterbenskrankseins hilflos und ohne ei-gene Entscheidungsmöglichkeit aus-geliefert ist. Ein „schneller“ Tod wird heute von vielen Menschen als weniger bedrohlich angesehen als ein Überleben mit eingeschränkter Kommunikation, Behinderung und Belastung anderer. Die Angst vor der Medizin hat die Angst vor dem Tod verdrängt.

Eine Untersuchung in den USA zeig-te, dass sinnlose medizinische Maßnah-men bzw. Komplikationen medizi-nischer Behandlungen nach Herz-Kreis-lauferkrankungen und Krebs als dritt-häufigste Todesursache angesehen wer-den [3]. Die Anzahl der Menschen, die in den USA an vermeidbaren Nebenwir-kungen und Fehlern medizinischer Be-handlungen in Krankenhäusern ster-ben, wird auf ca. 100.000 geschätzt [4]. Das ist sicher in Deutschland nicht we-sentlich anders.

Die Betreuung des lebensbedrohlich oder unheilbar erkrankten Menschen wird zwar allgemein als wichtiger und nicht zu vernachlässigender Bereich an-erkannt. Doch zur Frage, welche Priori-täten bei Krankheiten mit minimalen Erfolgschancen der Heilung gesetzt wer-den, gibt es bisher auch in Fachkreisen noch keinen Konsens. Ist es die aufwän-dige palliative Begleitung oder die expe-rimentelle und eher unwahrscheinliche Chance auf eine Lebensverlängerung?

Seit 2 Monaten liegt Herr P, ein 48-jäh-

riger Kameramann nach einem schweren

Schlaganfall mit andauernder Bewusst-

losigkeit auf der Intensivstation. Im CT

wurden ausgedehnte inoperable, zerebrale

Gefäßmissbildungen festgestellt. Infauste,

aussichtslose Prognose. Zunächst dachte

man, dass Herr P nur wenige Tage überleben

würde, aber nun hat er sich doch etwas „sta-

bilisiert“, wie die Ärzte so schön sagen. Seit

einigen Tagen berichten die Pflegenden der

Intensivstation und auch die Ehefrau, die

jeden Tag stundenlang am Bett sitzt, dass

Herr P etwas reagiert: seine Mimik ver-

ändert sich auf Ansprache. Es ist nicht fest-

zustellen, was er zum Ausdruck bringen

möchte: Erstaunen, Schmerz, Einsamkeit,

Entschlossenheit, eine Aufforderung zum

Weitermachen oder endlich in Ruhe gelas-

sen zu werden. Vielleicht ist es auch nur ei-

ne Reaktion aus weiter Ferne in einer uner-

reichbaren Eigenwelt ohne Emotion, ohne

Wille, ohne Ziel? Über seinen mutmaß-

lichen Willen lässt sich nur spekulieren. Ak-

tuell steht die Entscheidung an, ob Herr P

wegen zunehmendem Nierenversagen er-

neut dialysiert werden soll. Bis vor einigen

Tagen noch wollten sich die Ärzte von der

intensivmedizinischen Behandlung zurück-

ziehen, aber nun überlegen sie, ob Herr P.

nicht doch wegen einer zunehmenden Nie-

reninsuffizienz dialysiert werden soll. Frau

P wurde zur Betreuerin bestellt, Herr P. hat

sich wiederholt dahingehend geäußert, dass

er kein Pflegefall werden möchte. Wer über-

nimmt die Verantwortung für das weitere

Vorgehen. Wo befindet sich der Patient?

Sterben auf der Intensivstation

Die Frage nach dem Bedarf an Intensiv-medizin am Ende des Lebens und wel-che Maßnahme wann sinnvoll sind, wird sehr stark bestimmt von den Pers-pektiven, den Wertvorstellungen und Interessen der an der medizinischen Versorgung Beteiligten. Dabei spielen si-cherlich auch kulturelle Normen und Traditionen eine Rolle. So werden z. B. in den skandinavischen Ländern inten-sivmedizinische Maßnahmen bei Pa-tienten häufiger begonnen, jedoch frü-her abgebrochen, wenn das angestrebte Behandlungsziel mit den Intensivmaß-nahmen nicht erreicht werden kann. Demgegenüber wird im Süden Europas mit dem Beginn von Intensivmaßnah-men oft gewartet, dann aber werden sie – wenn sie eingesetzt werden – meist länger fortgeführt [5].

Am Beispiel Japans lässt sich dies weiter verdeutlichen: Intensivmedizin und Organersatz werden bei alten Men-schen hier eher zurückhaltend einge-setzt; die Lebenserwartung ist aber deut-lich höher als in den USA oder West-europa. Obwohl in Japan prozentual mehr hochaltrige Menschen als in allen andern Ländern der Erde leben, liegt der Anteil der Patienten mit einem Alter über 85 Jahre, die in Japan am Ende des Lebens intensivmedizinisch behandelt werden, nur bei 1,2 %. Dagegen beträgt in den USA und Europa der Anteil der über 85-jährigen Menschen, die zuletzt auf einer Intensivstation behandelt wer-den, bis zu 5,3 % [6].

Es gibt keine genauen statistischen Erhebungen zur Sterberate auf Intensiv-stationen in Deutschland; je nach Aus-

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H. C. Müller-Busch: Palliativmedizin und Sterben auf der Intensivstation – kein WiderspruchPalliative care and dying in intensive care – no contradiction

■ © Deutscher Ärzte-Verlag | DIVI | 2013; 4 (1)

richtung ist sie unterschiedlich [7]. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass ca. 10–20 % der in Krankenhäusern verstorbenen Patienten zuletzt auf einer Intensivstationen waren, das sind etwa 5–10 % aller Todesfälle. Die Intensivsta-tion ist damit in vielen Krankenhäusern der Ort, wo die meisten Menschen ster-ben.

In den USA sterben ca. 540.000 Menschen jährlich auf Intensivstatio-nen oder unmittelbar nach Beendigung einer intensivmedizinischen Behand-lung, das sind ca. 22 % aller Verstorbe-nen [8]. In den letzten Jahren konnte je-doch gezeigt werden, dass die frühe Inte-gration palliativer Gesichtspunkte bei schwerstkranken Menschen zu einer verbesserten Lebensqualität ohne Ver-änderung der Mortalität bzw. der Entlas-sungsrate führte. Darüber hinaus wur-den auch die Aufenthaltszeiten auf der Intensivstation und damit die Gesamt-fallkosten reduziert. So konnten durch Palliativberatung die durchschnittliche Verweildauer der Patienten auf der In-tensivstation von 16 auf 9 Tage gesenkt werden [9]. Die Arbeitsgruppe um Diane

Meier zeigte eindrucksvoll, dass in Kran-kenhäusern mit palliativmedizinischen Konsiliardiensten die „Gesundheitskos-ten“ z. B. durch aufwändige Diagnostik, interventionelle Maßnahmen und In-tensivbehandlungen wirksam reduziert wurden; bei unveränderter Mortalität der matched pairs starben darüber hinaus im Durchschnitt nur 4 % der Pa-tienten auf der Intensivstation, in der Vergleichsgruppe jedoch 18 % [10] (Abb. 1).

In der Intensivmedizin geht es da-rum, lebensbedrohliche Entwicklungen zu bekämpfen, während die Palliativme-dizin in der Regel davon ausgeht, dass ei-ne lebenslimitierende Erkrankungs-situation eingetreten ist. Die Übergänge sind manchmal schwierig festzustellen.

Es ist immer besonders schwierig zu akzeptieren, dass alle Anstrengungen ein Menschleben zu retten, nicht zum Erfolg führen. Die Möglichkeiten der In-tensivmedizin haben zweifellos groß-artige Erfolge in Erkrankungssituatio-nen erzielt, die früher mit Sicherheit zum Tode geführt hätten. Gleichzeitig ist aber auch der Zeitpunkt des Todes in

der Intensivsituation in besonderer Wei-se zu einer Variablen in der Hand der Ärzte geworden ist.

Begrenzungsentscheidungen, die das Sterben zulassen, sind schwierig in Situationen, in denen alle Aktivitäten daraufhin ausgerichtet sind, Lebenszeit zu verlängern. Noch belastender sind diese, je jünger die Betroffenen sind – das gilt insbesondere für die neonatolo-gische und pädiatrische Intensivmedi-zin.

In der Intensivsituation hat die „Wiederbelebung“ in Grenzsituationen eine zentrale Bedeutung und ist Aus-druck des Anspruchs Leben zu erhalten. Demgegenüber wird in der Palliativsi-tuation der „Verzicht auf Reanimation“ und die würdige Begleitung des Sterben-den und Erleichterung im Sterben als wichtigste Aufgabe angesehen. Bei bei-den hat Interdisziplinarität, Teamarbeit und Multiprofessionalität einen hohen Stellenwert [11].

Diagnostik, invasive Überwachung der Vitalfunktionen, belastende Eingrif-fe haben in der Intensivmedizin eine weitaus größere Bedeutung als in der

Abbildung 1 Gesundheitskosten bei palliativmedizinischer Beratung. (nach Morrison RS et al. und persönlicher Mitteilung Diane Meier [10])

24

H. C. Müller-Busch: Palliativmedizin und Sterben auf der Intensivstation – kein Widerspruch

Palliative care and dying in intensive care – no contradiction

© Deutscher Ärzte-Verlag | DIVI | 2013; 4 (1) ■

Palliativmedizin. Umgekehrt sind die Berücksichtigung von Basis- und Kom-fortmaßnahmen z. B. durch Lagerung, von individuellen Wünschen und auch der bewusste Verzicht auf belastende Maßnahmen ein besonderes Anliegen der Palliativbetreuung. Dabei bekommt das Prinzip des Nicht-Schadens im Rah-men des sog. Bioethischen Quartetts von Beauchamps und Childress [12] eine stärker gewichtete Bedeutung für die ethische Beurteilung von möglichen Maßnahmen in Grenzsituationen des Lebens.

Dies setzt eine bedürfnisorientierte und weniger diagnoseorientierte Heran-gehensweise voraus. Das kann aber nur gelingen, wenn über Behandlungs- optionen effektiv kommuniziert wird und darauf basierend reflektiertes und für alle Beteiligten nachvollziehbares und transparentes Entscheiden erfolgt [13].

Sterben diagnostizieren

In der Intensivmedizin ist es besonders schwierig zu beurteilen, ab wann ein Mensch ein Sterbender ist, oder ob und weshalb in fortgeschrittenen Erkran-kungssituationen eine Lebensverlänge-rung durch medizinische Maßnahmen angestrebt werden soll oder nicht.

Die Kommunikation hierzu erfor-dert nicht nur die Kenntnis typischer Verlaufsformen bei unterschiedlichen Erkrankungen, sondern auch die Be-rücksichtigung, dass gerade in der Inten-sivmedizin häufig für das Unwahr-scheinliche ein therapeutischer Opti-mismus gefordert wird.

Dieser an sich lobenswerte thera-peutische Optimismus sollte allerdings auch kritisch in Relation zur prognosti-schen Unsicherheit überprüft werden; er kann im Einzelfall zu riskanten und den Bedürfnissen des Patienten kaum entsprechenden Entscheidungen ver-führen. So müssen die Ergebnisse der be-kannten Multicenterstudie von Lynn aus dem Jahre 1997 nachdenklich stimmen, nach der bei 45–51 % der Intensivpa-tienten eine Woche vor dem tatsächlich eingetretenen Tod noch ein Überleben von mehr als 2 Monaten prognostiziert wurde; am Tag vor dem tatsächlichen Tod wurde sogar noch bei 14–17 % eine Überlebenszeit von über 2 Monaten an-genommen [14]. Ein Grund für diese er-

schreckende Diskrepanz liegt in der Tat-sache, dass Prognosescore-Systeme die Überlebenswahrscheinlichkeit von Gruppen berechnen, nicht aber für die Prognose von Individuen vorgesehen sind. Dies zeigt aber gleichzeitig, wie schwer es im Einzelfall sein kann, den Tod tatsächlich mit einer gewissen Si-cherheit vorauszusehen.

Diese Schwierigkeiten, Beginn und Dauer des Sterbens im Einzelfall zu be-stimmen und das Handeln daran adä-quat zu orientieren, führt zu Unsicher-heiten, wenn es darum geht, in Grenz-situationen zu Entscheidungen zu ge-langen, die der besonderen Würde die-ser letzten von der Natur gegebenen Ge-wissheit gerecht werden.

Suchen wir nicht immer noch den Tod der Natur zu entreißen? Werden wir durch die Entwicklung der medizi-nischen Möglichkeiten nicht zuneh-mend dazu gezwungen? Jahrtausende hat die Menschheit gegen den Wider-stand der Natur gekämpft, nun ist er scheinbar in wichtigen Dingen wegge-fallen. Nicht mehr die Natur setzt die Grenzen, sondern der Mensch muss sich selbst Grenzen setzen.

Ein Beispiel wie der biologische Vor-gang des Sterbens hinausgezögert wurde und wie sich Interessenskonflikte ent-wickeln können, ist der Fall des sog. Er-

langer Baby. Hier wurde der nach gesi-cherten Regeln festgestellte klinische Tod seiner eigentlichen Bedeutung ent-hoben [15]: die Mutter wurde zwar als tot, als Leiche angesehen, war aber den-noch imstande, durch Aufrechterhal-tung des Kreislaufs und funktionieren-der Hormonproduktion den Fetus zu er-nähren. Auch für potenzielle Organ-spender gilt ja, dass der Mensch als Indi-viduum für tot erklärt wird, aber sein Or-ganismus noch bis zur Entnahme „le-bensfrischer“ Organe für eine Trans-plantation funktionieren muss.

Der Beginn des Sterbens wird in der heutigen Medizin nur noch selten von einer natürlichen Autonomie bestimmt. Es wird begründet durch die Irreversibi-lität einer Krankheit und des Zusam-menbruchs der Grundfunktionen, der Verengung der Behandlungsmöglich-keiten, von der Unzumutbarkeit intensi-ver Maßnahmen, ist aber trotzdem oft von physiologisch nicht nachvollzieh-baren, für den Patienten nutzlosen The-rapieoptionen ohne klinischen Erfolgs-nachweis begleitet.

In der Intensivmedizin wurde die in der Palliativmedizin handlungsleitende Frage des „Lebenswertes“ und der „Le-bensqualität“ im Kampf gegen den Tod lange Zeit verdrängt. Erst in den letzten Jahren werden Entscheidungen zur The-rapiebegrenzung bzw. Therapieziel-änderung notwendigerweise auch unter dem Gesichtspunkt einer qualitativen Beurteilung einer verbleibenden Le-bensperspektive bzw. einer angestrebten Lebenszeitverlängerung diskutiert und getroffen.

Dabei ist die Bewertung eines ande-ren, fremden Lebens und die Beurteilung, weshalb und wann eine belastende Situa-tion als nicht oder nicht mehr „lebens-wert“ angesehen wird, immer auch eine Herausforderung an das eigene Selbstver-ständnis. Die Grundsätze der Bundesärz-tekammer zur ärztlichen Sterbebeglei-tung [16], aber auch Leitlinien und Emp-fehlungen zur Therapiezieländerung [17, 18, 19], stellen hier eine wichtige Orien-tierungshilfe dar. Auf die Praxis der Inten-sivmedizin abgestimmt ist das neue Posi-tionspapier der DIVI [20].

Diese Entscheidungshilfen werden allerdings vielerorts immer noch nicht ausreichend beachtet, so dass Entschei-dungen am Ende des Lebens häufig in-tuitiv bzw. hierarchisch gefällt werden und weder medizinisch-rational, noch juristisch einwandfrei oder nachvoll-ziehbar ethisch begründet und für alle Beteiligten stimmig sind.

Die Bestimmung des Sterbe- und To-deszeitpunkts ist jedoch nicht nur ab-hängig von Wissen, Erfahrung und Ein-fühlungsvermögen, sondern bedeutet immer auch Verantwortungsübernah-me – sogar mit der Möglichkeit des Irr-tums. Wir erleben ja die paradoxe Situa-tion, dass sich die Medizin in ihrer ra-santen Entwicklung einerseits immer mehr vom Sterbenden abgewendet hat – der würdelose Tod im Krankenhaus ist von Aries sehr treffend beschrieben wor-den [21]; andererseits muss der hirntote Organspender durchaus auch intensiv-medizinisch betreut werden bis seine Organe explantiert sind. In solchen Fäl-len tut sich die Medizin gelegentlich schwer mit der Beachtung der Würde des Sterbenden.

Auch in der Palliativmedizin ist es bei der Betreuung von Menschen mit lebenslimitierenden Erkrankungen kei-neswegs immer so, dass die Bereit-schaft, das Sterben anzunehmen und

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H. C. Müller-Busch: Palliativmedizin und Sterben auf der Intensivstation – kein WiderspruchPalliative care and dying in intensive care – no contradiction

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den Tod zu zulassen, eine im Krank-heitsverlauf konstante und sich viel-leicht verfestigende Entscheidung dar-stellt. So ist oft festzustellen, dass Le-benswille und die Bereitschaft zu ris-kanten und belastenden Therapiemög-lichkeiten in todesnahen Situationen zuzunehmen scheint. Das kann durch-aus mit Konflikten verbunden sein, wenn z. B. eine lebensverlängernde Be-handlung aus medizinischer Sicht nicht mehr als sinnvoll angesehen wird, sondern diese nur noch das Ster-ben verzögert, der Sterbende und seine Angehörigen aber alles einfordern, „was noch getan werden kann“.

Integration palliativer Ansätze in die Intensivmedizin

Welche Möglichkeiten der Veränderung gibt es? Durch die oben erwähnten Un-tersuchungen in den USA ist die Bedeu-tung palliativer Gesichtspunkte für die Intensivmedizin eindrucksvoll belegt worden. So wurde nicht nur die Lebens-qualität schwerstkranker Menschen in le-bensbedrohlichen Situationen verbes-sert, sondern es konnten in einem be-deutsamen Rahmen auch Kosten redu-ziert werden [22]. In den USA hat man be-rechnet, dass durch die Etablierung pal-liativmedizinischer Konsile die Behand-lungskosten von etwa 10–12 Mrd. Dollar für die letzten Lebenswochen eingespart werden könnten. Insofern sind der pal-

liative Ansatz und die Einbeziehung pal-liativer Möglichkeiten eigentlich ein un-verzichtbarer Teil einer guten, am Men-schen orientierten Intensivmedizin.

Warum könnte es nicht in jedem Krankenhaus in Deutschland ähnlich wie einen Hygienebeauftragten auch ei-nen Palliativbeauftragten geben, der für die Integration palliativer Gesichts-punkte in den verschiedensten Berei-chen zuständig ist?

Wichtig scheint zu sein, dass die In-tegration palliativer Aspekte auch in der Intensivmedizin frühzeitig erfolgt und nicht erst am Ende als Alternative aus-sichtsloser intensivmedizinischer Be-treuung. Palliativmedizin und Intensiv-medizin schließen sich nicht aus. Im Ge-genteil: Sie sind wie zwei Seiten einer Medaille!

Palliativmedizinische Beratung im Rahmen der intensivmedizinischen Be-handlung sollte sich auf folgende Aspek-te konzentrieren: •1. Diagnose und Therapie belastender

körperlicher und psychischer Symp-tome sowie Beachtung spiritueller Probleme

•2. Frühzeitige Kommunikation über Prognose und Behandlungsaspekte trotz aller Unsicherheiten mit Betrof-fenen und Angehörigen sowie mit dem Behandlungsteam

•3. Realistische und angemessene Be-handlungszielsetzung unter Berück-sichtigung des aktuellen biologischen Krankseins, der biographischen Le-

benssituation und der Werte des Pa-tienten

•4. Bedürfnisorientierte gemeinsame Ver-sorgungsplanung mit Dokumentati-on der Behandlungsprioritäten im Falle von Komplikationen

•5. Unterstützung der Angehörigen•6. Beratung und Unterstützung des in-

tensivmedizinischen Behandlungs-teams bei schwierigen medizinischen, ethischen und emotional belastenden Maßnahmen.

Durch die Nähe zu Sterben und Tod haben fast alle Intensivpatienten auch palliative Bedürfnisse. Die frühzeitige Integration palliativer Prinzipien ist ei-ne wichtige Herausforderung für die In-tensivmedizin. Trotz aller technischen Möglichkeiten, lebensbedrohliche Si-tuationen zu beherrschen und Lebens-zeit zu verlängern, müssen wir auch die Endlichkeit im Blick zu haben und ein Sterben unter würdigen Bedingungen zulassen.

Der Intensivmediziner ist nicht nur für die heilenden Erfolge seiner Behand-lung verantwortlich. Er hat sich ebenso zu verantworten für die Misserfolge und Fehleinschätzungen, die ein unzumut-bares Verlängern des Leidens und Ster-bens mit sich bringt. Der gute Intensiv-mediziner sorgt sich auch um ein Ster-ben unter würdigen Bedingungen!

Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass keine Interessenkonflikte be-stehen.

1. Wachinger L: Angetastet und Gerettet werden. Süddeutsche Zeit. 28./29.3.1992. Zitiert n. Beck-Gernsheim E: Im Zeit-alter des medizintechnischen Fort-schritts. In: Beck-Gernsheim E Hrsg). In welche Gesundheit wollen wir? Frank-furt/M: Suhrkamp, 1995:7–24

2. Bender HJ: Intensivmedizin zwischen Faszination und Wirklichkeit. In: Bauer AW (Hrsg). Medizinische Ethik am Be-ginn des 21. Jahrhunderts. Heidelberg: JA Barth, 1998: 102–113

3. Starfield B: Is US health really the best in the world? JAMA 2000;284:483–485

4. Brennan TA, Leape LL, Laird NM et al.: Incidence of adverse effects and negli-gence in hospitalised patients. NEJM 1991;324:370–376

5. Vincent JL: Ethical principles in end-of-life decisions in different European countries. Swiss Med Wkly 2004;134: 65–68

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9. Norton S, Hogan L, Holloway RG et al.: Proactive palliative care in the medical intensive care unit: Effects on length of stay for selected high-risk patients. Criti-cal Care Medicine 2007;35: 1530–1535

10. Morrison RS, Dietrich J, Ladwig S et al.: Palliative care consultation teams cut hospital costs for Medicaid beneficia-ries. Health Aff 2011;30:454–463

11. Kettler D, Beck D, Rathgeber J: Palliativ- und Intensivmedizin – Unterschiede und Gemeinsamkeiten. In: Aulbert E,

Klaschik E, Pichlmaier H (Hrsg). Pallia-tivmedizin – Verpflichtung zur Interdis-ziplinarität Stuttgart: Schattauer, 2000

12. Beauchamp, TL. Childress JF: Principles of Biomedical Ethics. Oxford Univer-sity Press, New York 1994

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16. Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung 2011; 108:A346–A348

17. Konsensuspapier der Intensivmedizini-schen Gesellschaften Österreichs. Emp-

Literatur

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Palliative care and dying in intensive care – no contradiction

■ © Deutscher Ärzte-Verlag | DIVI | 2013; 4 (1)

S. Schröder1, O. Schroeder1, A. Hohn1

Postpylorische Ernährungssonden zur enteralen Ernährung bei Intensivpatienten mit erhöhtem gastralen RefluxPost-pyloric nutritional tubes for enteral nutrition in intensive care patients with increased gastric reflux

Intensivpatienten scheinen von einer frühen enteralen Ernährung zu profitieren. Die Zufuhr enteraler Ernäh-

rungslösungen erfolgt dabei in der klinischen Praxis am häu-figsten über gastrale Ernährungssonden. Bei prolongierter gastraler Atonie, wie sie beim Intensivpatienten häufig anzu-treffen ist, kann Sondenkost auch über postpylorische Ernäh-rungssonden zugeführt werden. Diese können intraoperativ als Jejunalfisteln, bettseitig ohne technische Hilfsmittel oder im Rahmen einer Endoskopie platziert werden. Alternativ be-steht die Möglichkeit, minimalinvasiv mit einer elektromag-netischen Methode Corflo-Tube-Sonden zu legen. Dabei handelt es sich um ein in Deutschland neuartiges System zur bettseitigen Platzierung von postpylorischen Ernährungsson-den ohne Endoskopie: die Platzierung erfolgt mit Unterstüt-zung eines Detektors und Monitors, auf dem der Verlauf der magnetisierten Spitze vom Mandrin beim Vorschieben mit dem Ziel der postpylorischen Positionierung abgebildet wird. Durch ihre einfache Handhabung und schnelle Verfügbarkeit stellen die Corflo-Tube-Sonden eine Alternative zu aufwändi-geren Verfahren dar und haben auch als Versuch bei fehlen-der Möglichkeit der endoskopischen Anlage postpylorischer Sonden, z.B. am Wochenende oder bei logistischen Engpäs-sen, eine gerechtfertigte Indikation.

Schlüsselwörter: postpylorische Ernährung; selbstwandernde Ernährungssonden; Magen-Darmatonie; bettseitige Platzierung; Intensivpatienten

Intensive care patients apparently benefit from early enteral nutrition. In clinical practice, enteral nutrition mostly is ad-ministered through gastral tubes. However, increased gastral reflux and atonia can make gastral feeding impossible. In these cases, enteral feeding can take place through post-py-loric feeding tubes. These can be positioned intraoperatively as jejunal fistulas, at the bedside without technical assistance or in the course of endoscopy. On the other hand, the elec-tromagnetic method with Corflo tube probes offers a mini-mally invasive procedure for inserting a nutritional probe, which is novel in Germany. This system permits bedside po-sitioning of nutritional probes without endoscopy, using a detector and a monitor, which maps the path of the mag-netic tip of the mandrin as it is pushed forward towards its post-pyloric position. As it is easy to handle and rapidly avail-able, the Corflo tube probe offers an alternative to more tedious procedures. It is also justified to attempt this pro-cedure if endoscopic insertion of a post-pyloric probe is im-possible, for example, during the weekend or when there are logistic bottlenecks.

Keywords: Postpyloric feeding; self-propelling feeding tube; gastrointestinal atonia; bedside placement; intensive care patients

Zitierweise:Schröder S, Schroeder O, Hohn A: Postpylorische Ernährungs-sonden zur enteralen Ernährung bei Intensivpatienten mit er-höhtem gastralen Reflux. DIVI 2013;1/28-33. DOI 10.3238/ DIVI.2013.0028-0033

Prof. Dr. med. Stefan Schröder

Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, ope-

rative Intensivmedizin und Schmerztherapie,

Krankenhaus Düren gGmbH

Foto: Christoph Lammertz

1 Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie, Krankenhaus Düren gem. GmbH

28 Übersicht / Review WISSENSCHAFT / RESEARCH

© Deutscher Ärzte-Verlag | DIVI | 2013; 4 (1) ■

Einleitung

Bei vielen Intensivpatienten besteht ei-ne Magen-Darm-Atonie, z. B. postopera-tiv, traumatisch oder septisch bedingt, von der die einzelnen Abschnitte des Gastrointestinaltrakts unterschiedlich lange betroffen sein können. Im Durch-schnitt bestehen gastrale Paresen 24–48 Stunden, Atonien des Dünndarms bis zu 24 Stunden und des Dickdarms 3–5 Tage [1]. Mit der Atonie ist der gastrale Reflux assoziiert. In einer Untersuchung von Mentec hatten Patienten, die eine entera-le Ernährung über eine nasogastrale Sonde erhielten und in 2 aufeinander folgenden Messungen Refluxmengen zwischen 150 und 500 ml aufwiesen, höhere Aspirations- und Pneumoniera-ten als die Vergleichsgruppe mit nasoje-junalen Ernährungssonden. Die Ver-weildauer und Sterblichkeit auf der In-tensivstation waren in der Gruppe mit dem erhöhten Reflux ebenfalls erhöht [2].

Insgesamt scheinen Patienten die je-junale Zufuhr von Sondennahrung bes-ser zu vertragen als die gastrale Ernäh-rung [3]. Eine andere Untersuchung konnte zeigen, dass Patienten mit post-pylorischer Nahrungszufuhr seltener unter Regurgitationen und damit ver-bundenen Mikroaspirationen litten als Patienten mit gastraler Ernährung [4]. Aus diesen Erkenntnissen lässt sich schlussfolgern, dass die enterale Nah-rungszufuhr über Ernährungssonden trotz Atonie und gastralem Reflux zwar möglich ist, eine effiziente Ernährung für diese Patienten aber den postpylori-schen Zugang erfordert. Dies liegt mög-licherweise daran, dass jejunale Darm-abschnitte eine Atonie schneller über-winden.

Applikationswege und Sonden zur enteralen Ernährung

Grundsätzlich sollte die Magensonde der primäre Zugangsweg sein, wenn ei-ne orale Kostaufnahme unmöglich ist, da dies der physiologischen Nahrungs-aufnahme am ehesten entspricht. Pa-tienten mit ausgeprägter Gastroparese sind durch Regurgitation und Mikro-aspiration gefährdet, sodass in diesen Fällen die Anlage einer postpylorischen Ernährungssonde empfohlen wird [5]. Bei Oberbaucheingriffen kann bei zu er-

wartender prolongierter Magen-Darm-atonie eine Ernährungssonde, z. B. Freka Trelumina (Fa. Fresenius), in Zusam-

menarbeit zwischen Chirurg und Anäs-thesist postpylorisch platziert werden (Abb. 1).

Abbildung 1 Freka Trelumina (Fa. Fresenius): Die Sonde kann entweder endoskopisch oder

bei Oberbaucheingriffen in Zusammenarbeit mit dem Chirurgen und Anästhesisten postpylo-

risch platziert werden. Sie besitzt neben dem distalen (intestinalen) Lumen zur postpylorischen

Ernährung zwei weitere Lumina zur gastralen Entlastung und Belüftung beim Absaugen.

Abbildung 2 Bengmark-Sonde (Fa. Pfrimmer Nutricia): Die Sonde wird in den Magen vorge-

schoben. Die endständige Spiralform wird zur Anlage mit einem Führungsdraht in die Gerade

gestreckt. Nach dem Entfernen des Führungsdrahts soll sie sich mithilfe der Restperistaltik in

routierenden Bewegungen in das Jejunum vorarbeiten. Distal finden sich 2 seitliche Ausgänge

für den Austritt von Nahrung und Medikamenten.

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S. Schröder et al.: Postpylorische Ernährungssonden zur enteralen Ernährung bei Intensivpatienten mit erhöhtem gastralen RefluxPost-pyloric nutritional tubes for enteral nutrition in intensive care patients with increased gastric reflux

■ © Deutscher Ärzte-Verlag | DIVI | 2013; 4 (1)

Eine Übersichtsarbeit von Haslam aus dem Jahr 2006 konnte keinen Gold-standard zur Anlage nasoenteraler Er-nährungssonden aus den Veröffent-lichungen der letzten Jahre definieren. Das liegt vor allem an den fehlenden prospektiven Studien mit großen Pa-tientenkollektiven, die Standard- und neuere Methoden miteinander verglei-chen. Der Autor folgert, dass gut sei, was technisch und logistisch auf einer Stati-on umsetzbar ist [6].

Eine der wenigen randomisierten Studien zum Methodenvergleich ist eine Untersuchung von Foote an 43 Patien-ten, die zeigte, dass die endoskopische Anlage postpylorischer Sonden eine über 90%ige Erfolgsrate hat und im Durchschnitt nach ca. 15 Minuten eine erfolgreiche Sondenanlage ermöglicht. Damit ist sie ebenso erfolgreich wie die fluoroskopische Sondenanlage [7]. Al-lerdings hat nicht jede Intensivstation die logistischen Möglichkeiten, eine En-doskopie innerhalb von 24 Stunden nach Aufnahme durchzuführen, um die Bedingungen für eine frühe enterale Er-nährung erfüllen zu können.

Die frühe enterale Nahrungszufuhr über Ernährungssonden gilt als Ernäh-rungsform der Wahl bei Intensivpatien-ten, die nicht innerhalb von 3 Tagen in der Lage sind, ausreichende Kalorien per oral aufzunehmen [8]. Die Stabilisierung der Darmmukosa und damit eine Re-duktion von nosokomialen Infektio-nen, Krankenhausverweildauer und Mortalität auf der Intensivstation sowie eine hieraus folgende Kostenreduktion, sind einige Vorteile der enteralen Ernäh-rung gegenüber einer rein parenteralen [9, 10].

Bettseitige Anlage postpylorischer Ernährungssonden

Berger und Kollegen konnten zeigen, dass die bettseitige Anlage selbst-wan-dernder jejunaler Ernährungssonden beim schwerkranken Intensivpatienten möglich ist. Verwendet wurden Beng-mark-Sonden (Abb. 2), die durch ihr „schweineschwanzartig“ aufgerolltes Ende eine Vorwärtsbewegung im Ma-gen-Darm-Trakt unterstützen sollen. Bei 128 Versuchen waren 49 % (63/128) der verwendeten Bengmark-Sonden nach 3 Tagen in korrekter Position, ein Großteil

davon lag bereits nach 24 Stunden jeju-nal. Dabei war die Progressionsrate der Sonden abhängig von der hämodyna-mischen Stabilität bzw. dem Analgose-dativa- und Katecholaminbedarf der Pa-tienten. Allerdings geschah die Anlage der Sonden nicht im Rahmen der frühen enteralen Ernährung; die Erfolgsraten waren erwartungsgemäß höher, je län-ger ein Patient schon auf der Intensiv-station behandelt wurde, da einige Pa-tienten die Darmatonie zu diesem Zeit-punkt wohl bereits überwunden hatten [11].

In einer Studie von Lai wurden 30 Patienten untersucht, von denen aber nur 14 eine Magen-Darmatonie aufwie-sen. Die Patienten erhielten randomi-siert entweder die Bengmark-Sonde oder eine gerade jejunale Ernährungssonde. Innerhalb von 24 Stunden lagen bei den Patienten ohne Darmmotilitätsstörung 78 % der Bengmark-Sonden im Jeju-num, bei den Patienten mit Atonie aller-

dings nur 57 %. Die gerade Sonde hatte eine Erfolgsrate von 14 % bzw. 0 % in der Atoniegruppe [12].

Eine weitere Untersuchung belegt die geringere Erfolgsrate der korrekten Platzierung der Bengmark-Sonde bei nachgewiesener Darmatonie [13]. Dabei wurde die Bengmark-Sonde mit der Ti-ger-Tube-Sonde (Abb. 3) verglichen, bei-des Sondentypen, die aufgrund ihrer Bauart und mithilfe vorhandener Rest-peristaltik im Magen-/ Dünndarm-bereich selbstständig vom Magen in je-junale Abschnitte wandern sollen. Ins-gesamt wurden 28 Intensivpatienten in die Untersuchung aufgenommen, 16 er-hielten eine Tiger-Tube-Sonde, 12 Pa-tienten eine Bengmark-Sonde. Spätes-tens nach Ablauf des 72-stündigen Beob-achtungszeitraumes wurden durch kon-ventionelle Röntgenaufnahmen 14 von 16 verwendeten Tiger-Tubes in korrekter Lage nachgewiesen (87,5 %), während dies nur für 2 von 12 Bengmark-Sonden

Abbildung 3 Tiger-Tu-

be-Sonde (Fa. Cook):

Nachdem die Sonde (a)

in den Magen vorge-

schoben wurde, kann

diese Bauart bedingt mit

Hilfe von seitlichen

„Flaps“ am Sondenende

(b) nicht invasiv durch

eine geringe Restperistal-

tik über den Pylorus in

das Jejunum wandern.

Die Sonde hat distal seit-

liche Löcher für den

Durchtritt von Nahrung

und Medikamenten.

a

b

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S. Schröder et al.: Postpylorische Ernährungssonden zur enteralen Ernährung bei Intensivpatienten mit erhöhtem gastralen Reflux

Post-pyloric nutritional tubes for enteral nutrition in intensive care patients with increased gastric reflux

© Deutscher Ärzte-Verlag | DIVI | 2013; 4 (1) ■

gelang (16,6 %). Die Platzierungsdauer wurde für die Tiger-Tube-Sonde im Me-dian mit 18,5 Stunden (Spannweite 2–68) und für die Bengmark-Sonde mit 36,5 Stunden (Spannweite 28–45) be-stimmt. Die Autoren diskutieren, dass dies möglicherweise an der Bauart der Ti-ger-Tube-Sonde liegt, die sich mit den seitlichen Widerhaken auch bei nach-gewiesener Darmatonie besser vorarbei-ten kann, während die Restperistaltik für den Mechanismus der Bengmark-Sonde nicht auszureichen scheint.

Erste Erfahrungen mit elektromag-netischer Führung zur postpylorischen Sondenanlage wurden 1997 von Gabriel und Kollegen publiziert [14]. Bei 35 Pa-tienten erzielten sie eine Erfolgsrate für eine korrekte postpylorische Lage in 88 % und benötigten ca. 15 Minuten (Spannweite 10–45 Minuten) zur erfolg-reichen Anlage. Es kam zu keinen Kom-plikationen. Eine prospektive Multicen-terstudie [15] untersuchte 156 Sonden-anlagen und kam ebenfalls zu dem Schluss, dass mithilfe elektromagneti-scher Führung Ernährungssonden kom-plikationslos postpylorisch platziert ge-legt werden können, die Erfolgsrate be-trug aber nur 60 %. Auch konnte keine Lernkurve bei den Anwendern fest-gestellt werden, vielmehr lag die Erfolgs-quote am Geschick des Einzelnen. Eine weitere Untersuchung von Gabriel und Kollegen mit nahezu identischem Studi-endesign zu der 1997 publizierten Arbeit erzielte bei 329 gelegten Sonden eine Er-folgsrate von 89 % [16].

Elektromagnetisch unter-stützte Anlage postpylorischer Ernährungssonden

Ergebnisse neuerer Untersuchungen mit einer elektromagnetisch unterstützten Sondenanlage erscheinen erfolgverspre-chend [17, 18]. Dafür wird das Cortrak-System, ein Monitor mit Computertech-nologie, verwendet, um die Platzierung der Corflo-Tube-Sonde (Abb. 4) und die Lage der Sondenspitze beim aktiven Vorschieben durch den Gastrointesti-naltrakt in Echtzeit wiederzugeben. An der Spitze des Mandrins der Corflo-Tu-be-Sonde befindet sich ein elektromag-netischer Sender. Ein Detektor über dem Xiphoid des Patienten empfängt die Sig-nale des Führungsdrahtes während die Corflo-Tube-Sonde mit dem Mandrin

durch den Anwender im Gastrointesti-naltrakt des Patienten bewegt wird. Bei erfolgreicher postpylorischer Anlage zeigt sich der typische bogenförmige Verlauf im duodenalen C in der Vorder-ansicht in Kombination mit einem in die Tiefe verlaufenden Mandrin in Rich-tung Treitzsches Band in der Quer-schnittsansicht auf dem Monitor. Der Rat des Herstellers bezüglich Kontra-indikationen geht dahin, das Cortrak-System nicht bei Patienten anzuwen-den, die ein implantiertes medizinisches Gerät tragen, das durch ein elektromag-

netisches Feld irritiert werden kann. Entgegen dieser Herstellerempfehlung wird die Anwendung des Cortrak-Sys-tems nach Kompatibilitätstestungen der Firmen Medtronic und St. Jude Medical mit Schrittmachern und implantier-baren Kardiovertern / Defibrillatoren als sicher eingestuft [19]. Die Ernährungs-sonde ist laut Herstellerinformation aus Polyurethan hergestellt und kann im Rahmen von Untersuchungen in der Magnetresonanztomographie belassen werden, nur der Mandrin muss vorher entfernt worden sein.

Abbildung 4 Corflo-Tube-Sonde (Fa. Corpak Medsystems): Die Anlage der Sonde (a) erfolgt

mit Unterstützung eines Detektors und Monitors auf dem der Verlauf der magnetisierten Spitze

vom Mandrin beim Vorschieben mit dem Ziel der postpylorischen Positionierung abgebildet

wird (b). Der blaue Detektor liegt über dem Xiphoid des Patienten, so dass dieser Signale des

elektromagnetischen Senders an der Spitze des Mandrins empfangen kann, während die Corflo-

Tube-Sonde mit dem Mandrin durch den Anwender im Gastrointestinaltrakt des Patienten be-

wegt wird und der Sondenverlauf in Echtzeit auf dem blauen Monitor wiedergegeben wird. Die

Sonde hat eine distale Öffnung für den Austritt von Nahrung und Medikamenten.

Abbildungen 1–4: Christoph Lammertz, Unternehmenskommunikation; Krankenhaus Düren gem.GmbH

a

b

31

S. Schröder et al.: Postpylorische Ernährungssonden zur enteralen Ernährung bei Intensivpatienten mit erhöhtem gastralen RefluxPost-pyloric nutritional tubes for enteral nutrition in intensive care patients with increased gastric reflux

Anschluß für Monitor

Corflo-Tube-Sonde

Mandrin

■ © Deutscher Ärzte-Verlag | DIVI | 2013; 4 (1)

In der Untersuchung von Schröder [17] konnten 45 von 50 Corflo-Tube-Sonden (90 %) im Median innerhalb von 15 Minuten mit einer Spannweite von 1–150 Minuten erfolgreich platziert werden, wobei diese Zeit nicht der Bin-dungszeit des Anwenders am Patienten entsprechen musste, da bei einem Sto-cken der Anlage durchaus die Möglich-keit einer Pause mit der Übernahme an-derer Tätigkeiten bestand. Komplikatio-nen bei der Anlage und beim Entfernen der Sonden traten nicht auf. Ein ver-gleichbares Ergebnis fand sich auch in der Untersuchung von Holzinger [20]. Hier wurde in 91 % der Fälle die Corflo-Tube-Sonde erfolgreich platziert.

Durch die einfache Handhabung und schnelle Verfügbarkeit ist dieses in Deutschland neuartige System zur bett-seitigen Platzierung von postpylori-schen Ernährungssonden ohne Endos-kopie eine gute Alternative zu aufwändi-geren Verfahren. Die Technik wird nicht nur bei Erwachsenen erfolgreich ange-wendet.

Eine prospektive Studie an 107 kri-tisch kranken Kindern verglich die Son-denanlage mit Hilfe elektromagneti-scher Führung mit der Anlage ohne Vi-sualisierung des Sondenvorschubs. Mit Hilfe elektromagnetischer Führung konnten Sonden in 82 % der Fälle er-folgreich platziert werden, in der Kon-trollgruppe nur in 38 %. Die durch-schnittliche Zeit bis zur korrekten Lage lag in der Kontrollgruppe bei 21 Stun-den und in der Gruppe mit elektromag-netischer Führung der Sonden bei 1,7 Stunden [21].

Prozess- und Kostenanalysen

Der Vergleich mit den Daten von Foote [7] zur endoskopischen Anlage post-pylorischer Sonden zeigt, dass die Ergeb-nisse zur Erfolgsrate und Platzierungs-dauer der Corflo-Tube-Sonden bei Er-wachsenen vergleichbar sind. Ein Ver-

gleich der Kosten für die beiden Metho-den ist schwierig. Prozess- und Kosten-analysen aus der Endoskopieabteilung eines großen deutschen Versorgungs-krankenhauses ergaben für einfache en-doskopische Prozeduren Kosten zwi-schen 70,00 und 140,00 € [22]. Zusätz-lich müssen die Kosten für die postpylo-rische Ernährungssonde berücksichtigt werden.

Die Corflo-Tube-Sonden können von erfahrenen Fachpflegekräften für Intensivmedizin nach Anordnung und unter Aufsicht der Intensivärzte plat-ziert werden, wie es durchaus auch in anderen Kliniken praktiziert wird, weil es sich um eine einfach umsetzbare und sichere Methode handelt [23]. Die Fach-pflegekräfte können die Sondenanlage in ihren Arbeitsablauf am Patientenbett integrieren und haben die Möglichkeit der Übernahme anderer Tätigkeiten beim Stocken der Sondenanlage. Des-halb wird die eindeutige Zuordnung der anteiligen Kosten für den Arbeitsauf-wand der Sondenanlage schwierig bis unmöglich.

In einer kürzlich publizierten Studie aus Großbritannien wurden die durch-schnittlichen Kosten für eine postpylori-sche Sondenanlage mit dem elektromag-netisch Bild gebenden System mit 131,40 € beziffert [24]. Die Autoren die-ser und Autoren zweier weiterer Studien beschreiben verminderte Kosten durch Vermeidung von Röntgenuntersuchun-gen, endoskopischen Anlagen, Kompli-kationen sowie der Verschreibung paren-teraler Ernährungssubstrate [24, 25, 26].

Schlussfolgerungen

Zusammenfassend ist die postpylorische Ernährung bei Intensivpatienten mit er-höhtem gastralen Reflux ein sinnvolles und erfolgversprechendes Konzept. Da-für stehen neben der endoskopischen Anlage bettseitig anzulegende Ernäh-rungssonden zur Verfügung, die auch

als Versuch bei fehlender Möglichkeit der endoskopischen Anlage postpylori-scher Sonden, z. B. am Wochenende oder bei logistischen Engpässen, eine ge-rechtfertigte Indikation darstellen. Der Zeitaufwand für eine erfolgreiche Posi-tionierung der Sonden wird in der Lite-ratur sehr unterschiedlich gefunden, Zeitspannen von wenigen Minuten bis mehrere Stunden werden genannt. Da-bei wird eine radiologische Lagekontrol-le empfohlen, die beim Cortrak-System mit der Corflo-Tube-Sonde entfallen kann, wenn sich die erfolgreiche post-pylorische Anlage durch den typischen bogenförmigen Verlauf im duodenalen C in der Vorderansicht in Kombination mit einem in die Tiefe verlaufenden Mandrin in Richtung Treitzsches Band in der Querschnittsansicht auf dem Mo-nitor zeigt. Im Fall der korrekten post-pylorischen Lage sollte die Anlage einer zusätzlichen Magensonde zur gastralen Entlastung, bzw. zur Kontrolle eines gas-tralen Refluxes erfolgen.

Vielversprechend ist das Cortrak-System mit der Corflo-Tube-Sonde mit einer hohen Erfolgsrate der korrekten postpylorischen Platzierung und der Möglichkeit der zügigen Applikation en-teraler Ernährung. Im Rahmen einer Be-trachtung des Prozessablaufs ist diese neuartige Technik auch eine interessan-te Alternative im Hinblick auf mögliche Kosteneinsparungen. Dennoch werden randomisierte prospektive Studien mit großen Patientenkollektiven benötigt, um einen Goldstandard für die Anlage von Ernährungssonden formulieren zu können.

Interessenkonflikt: Der Autor Prof. Dr. Stefan Schröder gibt folgende mögli-che Interessenkonflikte an: Vortrags-honorare und Reisekosten der Fimen B/Braun, Fresenius Healthcare, Thermo-fischer sowie die Entrichtung von Stand-gebühren von Symposien der Firmen Baxter, B/Braun, Abbott, Fresenius He-althcare, Nestle, Nutricia, Porta Medical.

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Literatur

32

S. Schröder et al.: Postpylorische Ernährungssonden zur enteralen Ernährung bei Intensivpatienten mit erhöhtem gastralen Reflux

Post-pyloric nutritional tubes for enteral nutrition in intensive care patients with increased gastric reflux

© Deutscher Ärzte-Verlag | DIVI | 2013; 4 (1) ■

Zitierweise:Schröder S, Schroeder O, Hohn A: Postpylorische Ernährungs-sonden zur enteralen Ernährung bei Intensivpatienten mit er-höhtem gastralen Reflux. DIVI 2013;1/28-33. DOI 10.3238/ DIVI.2013.0028-0033

Prof. Dr. Stefan SchröderKlinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und SchmerztherapieKrankenhaus Düren gem. GmbHRoonstraße 30, 52351 Düren02421 30–136902421 30–[email protected]

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S. Schröder et al.: Postpylorische Ernährungssonden zur enteralen Ernährung bei Intensivpatienten mit erhöhtem gastralen RefluxPost-pyloric nutritional tubes for enteral nutrition in intensive care patients with increased gastric reflux

■ © Deutscher Ärzte-Verlag | DIVI | 2013; 4 (1)

Unter dem zunehmenden Kosten-druck ist es für Kliniken und Kranken-häuser unverzichtbar, die Möglichkei-ten zur Verbesserung der Ablauforgani-sation optimal auszuschöpfen. Das gilt selbstverständlich auch für die Inten-sivstationen, schließlich gehören sie aufgrund ihrer hohen Vorhaltungskos-ten hinsichtlich Personal und Ausstat-tung zu den kostenintensivsten Berei-chen einer Klinik. Auch vor diesem Hintergrund sind möglichst kurze Lie-gezeiten der Patienten ein erstrebens-wertes Ziel.

Aber noch finden sich auf vielen Intensivstationen – insbesondere in Häusern der Grundversorgung – Orga-nisationsstrukturen, die unnötig viel Zeit und damit Geld kosten. Sie lassen sich mit einfachen Maßnahmen opti-mieren, ohne die Patientensicherheit zu gefährden oder die Personalbelas-tung zu erhöhen – im Gegenteil.

Im Vordergrund steht dabei die In-tensivierung der interdisziplinären und der berufsgruppenübergreifenden Zusammenarbeit. Gerade auf der In-tensivstation spielt sie eine wichtige Rolle und je besser sie funktioniert, um so reibungsloser und sicherer sind die Abläufe. Ein wichtiger Grundstein da-für ist der partnerschaftliche Dialog zwischen allen an der Patientenversor-gung beteiligten Berufsgruppen sowie mit den Kollegen* anderer Stationen.

Dieser partnerschaftliche Dialog ist die Basis für folgende Maßnahmen:•• Eine multimodale Intensiv-Visite,

die nach im Vorfeld vereinbarten Regeln verläuft, wird eingeführt. An ihr nehmen Ärzte und Pflegekräfte teil. Sie findet in einem verbindlich festgelegten Zeitraum statt und wird von allen Beteiligten eingehalten. Lediglich Notfälle rechtfertigen den verspäteten Beginn oder Unterbre-chungen.

•• Der Behandlungsverlauf wird trans-parent und nachvollziehbar doku-mentiert. Bei Rück- oder Weiterver-legungen des Patienten erhält der nachverantwortliche Arzt einen Arztbrief inklusive Behandlungs-regime. Dieser wird vom ersten Tag an geschrieben und täglich ergänzt.

•• Alle relevanten Informationen, ins-besondere die ärztlichen Anord-nungen, aus der vorherigen Schicht werden schriftlich und mündlich übergeben. Zusätzlich werden diese Schichtübergaben genutzt, um im Ärzte-Team über Möglichkeiten und Strategien der Behandlung zu sprechen.

•• Die Zusammenarbeit mit der Pflege erfolgt eng abgestimmt, sodass sich die ärztliche und die pflegerische Ar-beit optimal ergänzen. Die Verant-wortlichkeiten sind gut verzahnt und spiegeln sich auch in den Entschei-dungsstrukturen wieder. Das medika-

mentöse Therapieregime bleibt dabei selbstverständlich im Verantwor-tungsbereich des Arztes. Jedoch le-gen zum Beispiel bei der Entwöh-nung von der Beatmung Arzt und Pflegekraft gemeinsam einen Thera-pieplan fest. Bei der Dekubituspro-phylaxe hingegen baut der Arzt auf die Kompetenz der Pflege.

Auf kaum einer anderen Station bieten sich so viele Möglichkeiten zur berufsgruppenübergreifenden Teamar-beit wie auf der Intensivstation. Dieses Potenzial zu nutzen, gibt Sicherheit: den behandelnden Ärzten, den Pfle-gekräften, den Patienten und ihren Angehörigen und letztlich auch der Klinikleitung. Denn ein gut eingespiel-tes Team arbeitet nicht nur wesentlich effizienter, es trägt auch maßgeblich zur Patientenzufriedenheit und damit zum Renommee der Klinik bei.

Werner Fleischer

* Die im Text verwendete maskuline Schreibweise

dient ausschließlich der besseren Lesbarkeit.

Intensivierung der Zusammenarbeit gibt Sicherheit und senkt die Kosten

Dipl.-Päd. Werner FleischerBeratung, Coaching, ModerationFreschenhausener Weg 2a21220 Seevetal04105 66805204105 [email protected] www.ihrcoach.com

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34 DAS TEAM UNTER DER LUPE / FOCUS TEAMWORK

■ © Deutscher Ärzte-Verlag | DIVI | 2013; 4 (1)

Interdisziplinarität zum Wohle des Patienten

Das Motto des Kongresses der Deut-schen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) vom 5. bis 7. Dezember 2013 im Con-gress Center Hamburg (CCH) lautete „Erfolg durch Interdisziplinarität“. Der Kongresspräsident Prof. Dr. Tobias Welte betonte auf der Pressekonferenz, die an-lässlich des Kongresses stattfand: „Die Intensiv- und Notfallmedizin ist tradi-tionell ein Bereich, in dem die Koope-ration verschiedener Berufsgruppen ei-nen herausragenden Stellenwert hat.“ Für den Patienten ist es wichtig, dass durch optimale Vernetzung der ver-schiedenen Berufsgruppen eine schnelle Diagnose gestellt wird, um die richtige Therapie einzuleiten.

Um die Qualität der medizinischen Versorgung in der Intensivmedizin auf-recht zu erhalten und weiter zu verbes-

sern, wird die DIVI innovative Konzepte erarbeiten. Der demografische Wandel wird dazu führen, dass die Zahl der Men-schen, die eine intensivmedizinische Betreuung benötigen, steigen wird.

„Doch die Zahl der Ärzte und Pflegekräf-te, die in diesem hochanspruchsvollen Bereich arbeiten wollen, sinkt und auch aufgrund struktureller Probleme ist es nicht einfach, neue Fachkräfte zu rekru-tieren,“ prophezeite Prof. Dr. Michael Quintel, Leiter der Anästhesiologie am Universitätsklinikum Göttingen. Um die Kernkompetenzen für die Pflegen-den neben den bereits existierenden Kernkompetenzen der Ärzte in der In-tensivmedizin zu definieren, wurde in-zwischen ein Fragebogen formuliert, der ein Meinungsbild zur Weiterbildung ab-fragen soll. Eine weiterführende Qualifi-zierung für motivierte Intensivpflegen-de mit klar definierten Perspektiven kann nach der Auswertung angepasst bzw. verändert werden. Der Fragebogen ist in diesem Heft mit eingebunden.

Die neue DIVI-Präsidentin Prof. Dr. Elke Muhl vom Universitätsklinikum Lübeck erklärte, dass die Intensivpfle-gekräfte ihre eigene Professionalität hät-ten und schon längst nicht mehr nur ausführendes Organ ärztlicher Weisun-gen seien. Die Kooperation auf Augen-höhe mit den intensivmedizinischen Ärzten sei ihr sehr wichtig.

Das Thema Sepsis war u.a. ein wich-tiger Bestandteil des DIVI-Kongesses 2012. Täglich sterben 162 Patienten an einer Sepsis und trotzdem spielt diese Krankheit im Bewusstsein der Men-schen kaum eine Rolle. „Wir wollen ver-suchen neue Wege zu finden, um so-wohl Ärzte als auch die Bevölkerung für diese so dramatisch unterschätzte

Krankheit zu sensibilisieren, sie früher zu erkennen und gezielter zu behan-deln,“ forderte Prof. Welte. Ein wei- terer sehr wichtiger Faktor sind die Kos-ten, die auch gesenkt werden können, ohne dass die medizinische Qualität lei-det. Prof. Dr. Gerhard Sybrecht, der ehe-malige Präsident der DIVI, sagte dazu „Bei Patienten mit einer Sepsis, bei de-nen jede Behandlungsminute zählt, kann eine optimal koordinierte Thera-pie mit geballtem Expertenwissen durchaus über Leben und Tod entschei-den. Aber auch Patienten, die beatmet werden müssen, können davon nur pro-fitieren.“

Hochkarätige Referenten hielten ne-ben dem Thema Sepsis u. a. Vorträge zu aktuellen Themen wie zur Situation der Organspende, den internationalen Kon-zepten zum Hirntod oder zu Notfällen im Kindesalter.

Die Hands-on-Kurse wurden von knapp 1.000 Teilnehmern genutzt und sollen in 2013 in Leipzig auf die Wün-sche, Bedürfnisse und Interessen der Kursteilnehmer zugeschnitten werden. Prof. Dr. Andreas Markewitz, OFA, DIVI-Generalsekretär, hält den jährlichen Kongressturnus der DIVI für unabding-bar. Nur so kann die DIVI den an der In-tensivmedizin beteiligten Fachgruppen gerecht werden, um dem ständigen Fort-schritt im medizinischen Wissen und die zunehmende Arbeitsverdichtung mit einem kompakten Fortbildungspro-gramm zu begegnen.

G. Schubert, Köln

Für Fragen offen:

Prof. Dr. Tobias Welte,

Prof. Dr. Elke Muhl,

Prof. Dr. Gerhard

Sybrecht (v.l.n.r.).

Fotos: DIVI

Knapp 1000 Teilnehmer nutzten die

Hands-on-Kurse.

36 DIVI / DIVI GESELLSCHAFT / SOCIETY

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Buchneuzugänge

Hinkelbein, J.; Genzwürker, H.:Formeln und Scores in Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie

Berechnung, Bewertung, klinische Anwendung. MWV Medizinisch Wis-senschaftliche Verlagsgesellschaft, 1. Auflage, 2012. 462 Seiten, bro-schiert. ISBN 978–3–941468–97–9. EUR 54,95Wie in keinem anderen Fachgebiet kom-men in der Anästhesiologie tagtäglich Formeln und Scores bei der Beurteilung des Patientenstatus, zur Berechnung von spezifischen Therapieparametern und Dosierungen oder zur Auswahl und Ein-stellung von Instrumenten und Geräten zum Einsatz. Dieses einmalige Hand-buch präsentiert nahezu alle Formeln und Scores für dieses breite Fachgebiet

und liefert neben Informationen zur exakten Berechnung auch Hintergrund-informationen zum Gebrauch und zur klinischen Relevanz der Formeln.

Braun, J.; Preuss, R.:Klinikleitfaden Intensivmedizin

Mit Zugang zum Elsevier-Portal. Else-vier GmbH, Urban & Fischer Verlag, 8. Auflage, 2013. 798 Seiten, 83 Abb., Taschenbuch. ISBN 978–3–437–23762–1. EUR 44,99 Für mehr Routine und Sicherheit auf der Intensivstation: Der Klinikleitfaden In-tensivmedizin bringt das komplette Wissen für die Arbeit auf der ICU kom-pakt auf den Punkt – umfassend und leitlinienbasiert. Das ideale Werk zum schnellen Nachschlagen im Stations -alltag.

Pfeiffer, P.; Reuchsel, C.:AINS in Frage und Antwort

Fragen und Fallgeschichten – mit Zu-gang zum Elsevier-Portal. Urban & Fischer in Elsevier, 1. Auflage, 2012. 240 Seiten, 35 Abb., Taschenbuch. ISBN 978–3–437–41724–5. EUR 24,99Die „In Frage und Antwort“-Reihe steht für die effiziente Vorbereitung auf münd-liche Prüfungen während des Semesters und im Examen. Lebensechte Prüfungs-fragen mit mustergültigen Antworten und anschaulichen Kommentaren zum Selbststudium und zum gegenseitigen Abfragen in der Lerngruppe. Die Aus-wahl der Fragen basiert streng auf der Auswertung von Prüfungsprotokollen.

Nach langjährig bestehendem Diabetes mellitus kann sich das diabetische Fuß-syndrom (DFS) entwickeln. In Deutsch-land kommt es in der Folge zu schät-zungsweise jährlich 40.000 bis 50.000 Amputationen*1.Um den Blutfluss und damit die Mikro- und Makrozirkulation als auch die Lymphaktivität zu fördern, können mo-derne Technologien wie die forcierte Im-puls-Therapie (A-V Impulse System) und Vascular Refill Detection (SCD 700 Kompressionssystem) das Risiko für Am-putationen und Thrombosen verrin-gern. Mit der forcierten Impuls-Therapie (A-V Impulse System) wird der Blutrückfluss mittels eines Impulses gegen die Fuß-sohle beachtlich gesteigert. Der Impuls regt den venösen Rückfluss an und er-höht diesen bis zu 250 %. Durch das A-V Impulse System wird u. a. der natürliche Vorgang des Gehens imitiert, während der Betroffene liegt oder sitzt. Es wird vermehrt Stickoxid (NO) freigesetzt, die Durchblutung und die lokale Sauerstoff-versorgungs- und Stoffwechselsituation wird verbessert.

Das A-V Impulse System und das SCD 700 Kompressionssystem können auch sehr gut in Kombination angewendet werden:• Therapie von venös und arteriell be-

dingten Ulcera cruris, diabetischem Fußsyndrom sowie bei pAVK-Sympto-matik,

• schnelle und effektive Therapie bei Ödemen und Schwellungen der obe-ren und unteren Extremität,

• effektive Prophylaxe von venenösen Thromboembolien mit gleich hoher Wirksamkeit wie niedermolekulares Heparin bei einer Anwendung von > 15 Stunden pro Tag,

• keine unerwünschten Nebenwirkun-gen,

• auch bei leichten Stufen von arteriel-len Erkrankungen anwendbar,

• prä-, intra- und postoperativ einsetzbar, • selbst bei externer Fixatur, OP-Wun-

den oder Gips einsetzbar, da nur der Fuß/die Hand benötigt wird.

Diese Therapien gehören zu den physi-kalischen Maßnahmen und sind unter dem Begriff: intermittierende pneumati-sche Kompressionsmaßnahmen (IPK)

oder AIK (apparative intermittierende Kompressionstherapie) medizinisch an-erkannt und in den Leitlinien S2 (Phle-bologie 2005; 3:176 – 180) und S3 (AWMF-Register Nr. 003–001, Stand 1.5.2010) empfohlen. Die Anwendung ist einfach durchzuführen, nach GOÄ abrechenbar und nicht budgetrelevant.

*1 DDB (Homepage 2013)

OxyCare GmbH Holzweide 6, 28307 BremenTel.: 0421 48996–6, Fax: 0421 48996–[email protected]; www.oxycare-gmbh.de; www.oxycare.eu

PRAXIS / PRACTICE Industrie und Handel / Industry and Trade

37PRAXIS / PRACTICE Buchneuzugänge / Publications

OxyCare GmbH

Vermeidung von Amputationen (Diab. Fußsyndrom)durch IPK (Intermittierende Pneumatische Kompressionsmaßnahmen) mit dem A-V Impuls- oder SCD 700 Kompressionssystem

■ © Deutscher Ärzte-Verlag | DIVI | 2013; 4 (1)

Zuwachs in der Mitherausgeberschaft der DIVI-Zeitschrift

Silke Filipovic BSc.Physiotherapeutin mit Schwerpunkt Inten-

sivmedizin und Abteilungsleiterin der Ab-

teilung Physiotherapie am Universitätskli-

nikum Gießen und Marburg GmbH am

Standort Marburg

Silke Filipovic, Jahrgang 1980, hat nach ihrem Abitur im Jahr 2000 eine Physio-therapieausbildung in Marburg absol-viert. Direkt im Anschluss begann sie mit ihrer physiotherapeutischen Lauf-bahn an der Uniklinik in Marburg. Silke Filipovic sammelte Erfahrungen als Phy-siotherapeutin in Marburg und anderen kleineren Häusern auf den Intensivsta-tionen. Sehr zeitnah orientierte sie sich um und begann Physiotherapie an der Hochschule Fulda in Kooperation mit der Universität Marburg zu studieren. Praktisch arbeitete Silke Filipovic im Be-reich Orthopädie und Sport und nahm an größeren Events als Physiotherapeu-tin teil, z. B. der Leichtathletik Welt-meisterschaft in Berlin. Mit ihrem Examen und der Bachelor-Arbeit 2009 ergriff die Physiotherapeutin abermals das Thema „Intensivmedizin“ und legte den Grundstein für ihre jetzige intensiv-

medizinische Arbeit, indem sie „Die Rol-le der Physiotherapie im Weaningpro-zess“ genauer analysierte. Mit Rückkehr an die Universitätsklinik Marburg er-hielt sie bald die leitende Position der Abteilung Physiotherapie. Der prakti-sche Schwerpunkt lag im Bereich der herzchirurgischen Intensivstation. Die

Arbeit untermauerte die ehrgeizige Phy-siotherapeutin mit diversen Vorträgen auf nationalen Kongressen (DIVI, DGP, HAI) sowie Symposien und Veröffent-lichungen. Mit ihrem Team entwickelte sie das „Das Marburger Stufenkon-zept“. Mit dem Netzwerk „Frühmobi-lisierung“, deren Sprecherin sie ist, findet ein reger Austausch von Ideen, Konzepten, Visionen und Möglichkei-ten zwischen verschiedenen Berufsgrup-pen statt. Inzwischen ist die engagierte Physiotherapeutin Mutter einer kleinen Tochter und freut sich als Mitheraus-geberin im Kreise der DIVI ihre Kennt-nisse weiter auszugestalten und für die Physiotherapie auf der Intensivstation werben zu können.

PD Dr. med. Christoph HärtelOberarzt an der Klinik für Kinder- und

Jugendmedizin Lübeck

PD Dr. med. Christoph Härtel ist seit 2009 als Oberarzt an der Klinik für Kin-der- und Jugendmedizin Lübeck mit den Schwerpunkten Neonatologie/Pädiatri-sche Intensivmedizin sowie Pädiatrische Hämatologie/Onkologie tätig. Zudem betreut er die Spezialambulanz für Pä-diatrische Immunologie, Infektiologie und Rheumatologie.

Verschiedene Auslandsaufenthalte haben die Kompetenzen in seinem jetzi-gen Tätigkeitsbereich gestärkt: Ful -bright-Stipendiat an der Graduate School for Molecular Genetics, Bioche-

mistry and Immunology der University of Cincinnati, USA, Forschungsaufent-halt Harvard Medical School, Boston, USA, DIVI-Traveller Stipendium 2004 (Aufenthalt am Karolinska Hospital Stockholm, Schweden), Fellow in der Abteilung Neonatologie am Royal Prince Alfred Hospital Sydney und in den Abteilungen Pädiatrische Onkolo-gie bzw. Neonatologie des Children’s Hospital Westmead, Australien. Dr. Här-tel hat ein Graduiertenstipendium so-wie mehrere Vortragspreise erhalten und kann umfangreiche Publikationen sowohl national als auch international vorweisen. Dr. Härtel arbeitet außerdem in dem seit 2009 vom Bundesministeri-um für Bildung und Forschung geförder-

Silke FilipovicUniversitätsklinikum Gießen und Marburg, Abteilung PhysiotherapieBaldinger Straße35033 [email protected]

Korrespondenzadresse

Silke Filipovic BSc. Foto: privat

PD Dr. med. Christoph Härtel Foto: Hatje

38 DIVI / DIVI GESELLSCHAFT / SOCIETY

© Deutscher Ärzte-Verlag | DIVI | 2013; 4 (1) ■

ten bundesweiten Deutschen Frühgebo-renen-Netzwerk (German Neonatal Net-work, Leiter: Prof. Wolfgang Göpel), das auf Initiative der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Campus Lübeck des Universitätsklinikums Schleswig-Hol-stein gegründet wurde. Der Intensivme-diziner ist in Rostock geboren, 39 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder.

PD Dr. med. Christoph HärtelOberarzt Neonatologie/Pädiatrische IntensivmedizinPädiatrische Hämatologie/OnkologieKlinik für Kinder- und Jugendmedizin LübeckRatzeburger Allee 160, 23538 LübeckTel. +49–451–500–2685/2546Fax. +49–451–500–[email protected]

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Rainer KollmarDirektor der Klinik für Neurologie und Neu-

rogeriatrie am Klinikum Darmstadt

PD Dr. Kollmar ist seit Juli 2012 Direktor der Klinik für Neurologie und Neuroger-iatrie am Klinikum Darmstadt. Zuvor war er leitender Oberarzt der Neurologi-schen Klinik am Universitätsklinikum Erlangen und absolvierte dort seine Facharztausbildung für Neurologie so-wie Weiterbildung für neurologische In-tensivmedizin und Geriatrie. Von 1999 bis 2006 war Dr. Kollmar Assistenzarzt der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg. Wissenschaftliche und klini-sche Schwerpunkte liegen in der experi-mentellen und klinischen Schlaganfall-therapie sowie der neurologischen In-tensivmedizin. Dabei beschäftigt sich Dr. Kollmar insbesondere mit therapeu-tischer Hypothermie beim ischä-mischen Schlaganfall, intrazerebraler Blutung sowie Subarachnoidalblutung.

Der Neurologe ist Mitantragsteller einer großen Phase III Studie zur therapeuti-schen Hypothermie beim ischämischen

Schlaganfall (Eurohyp-1) sowie PI meh-rerer klinischer Phase II Studien. Berufs-begleitend absolvierte er das Studium „Master of Medical Education/MME“. Dr. Kollmar publizierte bisher über 80 peer-gereviewte Artikel, über 25 Buch-kapitel sowie 3 Bücher als Herausgeber, darunter eines zum Thema Pflege auf der Stroke-Unit. Dr. Kollmar ist verheiratet, 41 Jahre alt, in Heilbronn am Neckar auf-gewachsen und hat zwei Kinder.

PD Dr. med. Rainer KollmarDirektor der Klinik für Neurologie und Neurogeriatrie Klinik für Neurologie und Neurogeriatrie Grafenstraße 9, 64283 DarmstadtTel.: 06151 107 4501Fax: 06151 107 [email protected]

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Rainer Kollmar Foto: privat

39GESELLSCHAFT / SOCIETY DIVI / DIVI

■ © Deutscher Ärzte-Verlag | DIVI | 2013; 4 (1)

IMPRESSUM / IMPRINT40

Organschaft / AffiliationDeutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e.V.c/o Volker ParvuDIVI-GeschäftsstelleLuisenstr. 4510117 BerlinTel.: +49 30 40005607Fax: +49 30 40005637E-Mail: [email protected]

Präsident / PresidentProf. Dr. med. Elke Muhl

Hauptherausgeber / Editor in ChiefProf. Dr. med. Hilmar Burchardi, FRCAKiefernweg 2, 37120 BovendenTel.: +49 551 3813678Fax: +49 551 3813313E-Mail: [email protected]

Mitherausgeber / Editorial BoardProf. Dr. med. Hans Anton Adams Interdisziplinäre Notfall- und Katastrophenmedizin Medizinische Hochschule Hannover E-Mail: [email protected]

Rolf Dubb, Fachkrankenpfleger für Anästhesie und IntensivpflegeE-Mail: [email protected]

Silke FilipovicUniversitätsklinikum Gießen und Marburg, Abteilung PhysiotherapieBaldinger Straße, 35033 MarburgE-Mail: [email protected]

Prof. Dr. med. Wolfgang HartlChirurgische Klinik und Poliklinik,Klinikum Großhadern der LMU MünchenE-Mail: wolfgang.hartl@ med.uni-muenchen.de

PD Dr. med. Christoph HärtelOberarzt Neonatologie/Pädiatrische IntensivmedizinPädiatrische Hämatologie/OnkologieKlinik für Kinder- und Jugendmedizin Lübeck, Ratzeburger Allee 160, 23538 LübeckE-Mail: [email protected]

PD Dr. med. Rainer KollmarDirektor der Klinik für Neurologie und Neurogeriatrie Klinik für Neurologie und Neurogeriatrie Grafenstraße 9, 64283 DarmstadtE-Mail: Rainer.kollmar@ -mail.klinikum-darmstadt.de

Univ.-Prof. Dr. med. Gernot MarxDirektor Klinik für Operative Intensivmedi-zin und Intermediate CareUniversitätsklinikum der RWTH AachenE-Mail: [email protected]

PD Dr. Konstantin MayerMedizinische Klinik II und Poliklinik, Innere Medizin/PneumologieUniversitätsklinik Gießen und Marburg GmbHE-Mail: konstantin.mayer@ innere.med.uni-giessen.de

Tilmann Müller-WolffWissenschaftlicher MitarbeiterAkademie der Kreiskliniken Reutlingen GmbHE-Mail: [email protected]

Oliver Rothaug, Fachkrankenpfleger für Anästhesie und IntensivpflegeE-Mail: [email protected]

Prof. Dr. med. Thorsten Steiner, MMEChefarzt Abtl. Neurologie Klinikum Frankfurt Höchst GmbHE-Mail: thorsten.steiner@ med.uni-heidelberg.de

Verlag / PublisherDeutscher Ärzte-Verlag GmbHDieselstr. 2, 50859 KölnPostfach 40 02 65, 50832 KölnTel.: +49 2234 7011-0Fax: +49 2234 7011-224www.aerzteverlag.de

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Redaktionelle Koordination / Editorial OfficeDipl. oec. troph. Gabriele SchubertTel.: +49 2234 7011-241Fax: +49 2234 7011-6241E-Mail: [email protected]

Produktmanagement / Product ManagementSabine BoschTel.: +49 2234 7011-386Fax: +49 2234 7011-6386E-Mail: [email protected]

Vertrieb und Abonnement / Distribution and SubscriptionTel.: +49 2234 7011-467 E-Mail: [email protected]

Erscheinungsweise / FrequencyDie Zeitschrift erscheint 4 x jährlichJahresbezugspreis Inland: 118,00 €Ermäßigter Preis für Studenten jährlich: 70,00 €Jahresbezugspreis Ausland: 123,12 €Ermäßigter Preis für Studenten jährlich Aus-land: 75,12 €Einzelheftpreis: 29,50 €Einzelheftpreis Ausland: 30,78 €Preise inkl. Porto und 7 % MwSt.Die Kündigungsfrist beträgt 6 Wochen zum Ende des Kalenderjahres. Gerichtsstand Köln. Für Mitglieder der Deutschen Interdiszipli-nären Vereinigung für Intensiv- und Not-fallmedizin e.V. ist der Bezug im Mitglieds-beitrag enthalten.

Leiter Kunden Center / Leader Customer Service: Michael Heinrich, Tel. +49 2234 7011–233 E-Mail: [email protected]

Leiterin Anzeigenmanagement verantwortlich für den Anzeigenteil / Advertising CoordinatorMarga Pinsdorf, Tel.: +49 2234 7011-243, E-Mail: [email protected]

Verlagsrepräsentanten IndustrieanzeigenVerlagsgebiete Nord / Ost Götz KneiselerUhlandstraße 161, 10719 BerlinTelefon: +49 30 88682873Fax: +49 30 88682874Mobil: +49 172 3103383E-Mail: [email protected]

Verlagsgebiet West Eric Le Gall Königsberger Str.11 51469 Bergisch Gladbach Telefon: +49 2202 9649510 Fax: +49 2202 9649509 Mobil: +49 172 2575333 E-Mail: [email protected]

Verlagsgebiet Süd Peter Ocklenburg Langenbachweg 2, 79215 Biederbach Telefon 07682 9265020 Telefax 07682 9265022 Mobil: +49 178 8749013 E-Mail: [email protected]

Herstellung / Production Department Deutscher Ärzte-Verlag GmbH, Köln, Vitus Graf, Tel.: +49 2234 7011-270 E-Mail: [email protected], Alexander Krauth, E-Mail: [email protected]

Datenübermittlung Anzeigen / Data Transfer Advertisement E-Mail: [email protected]

Layout / Layout Stephanie Schmitz

Druckerei / Printery Rademann, Lüdinghausen

Konten / Account Deutsche Apotheker- und Ärztebank, Köln, Kto. 010 1107410 (BLZ 370 606 15), Postbank Köln 192 50–506 (BLZ 370 100 50)

Zurzeit gilt Anzeigenpreisliste Nr. 4, gültig ab 1.1.2013

Druckauflage: 4000 Ex.

Der Verlag ist Mitglied der Arbeitsgemein-schaft LA-MED Kommunikationsforschung im Gesundheitswesen e.V.

4. Jahrgang; ISSN print 1869–716X ISSN online 2190–801X

Urheber- und Verlagsrecht / Copy-right and Right of Publication Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind ur-heberrechtlich geschützt. Mit Annahme des Manuskriptes gehen das Recht der Veröffent-lichung sowie die Rechte zur Übersetzung, zur Vergabe von Nachdruckrechten, zur elek-tronischen Speicherung in Datenbanken, zur Herstellung von Sonderdrucken, Fotokopien und Mikrokopien an den Verlag über. Jede Verwertung außerhalb der durch das Urhe-berrechtsgesetz festgelegten Grenzen ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig.

© Copyright by Deutscher Ärzte-Verlag GmbH, Köln

DIVI

© Deutscher Ärzte-Verlag | DIVI | 2013; 4 (1) ■

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www.divi2012.de

13.Kongress der Deutschen InterdisziplinärenVereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin

Innovation trifft Kompetenz

05.–07.12.2012CCH – Congress Center Hamburg04.–06.12.2013CCL – Congress Center Leipzig

Veranstalter

K.I.T. Group GmbH

Association & Conference Management

Kurfürstendamm 71

10709 Berlin

E-Mail: [email protected]

Kongresspräsident

Univ. Prof. Dr. Gernot Marx

Klinik für Operative Intensivmedizin

und Intermediate Care

Universitätsklinikum der RWTH Aachen

Pauwelsstraße 30

52074 Aachen

E-Mail: [email protected]

Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung

für Intensiv- und Notfallmedizin e.V.

Geschäftsstelle

Luisenstraße 45

10117 Berlin

E-Mail: [email protected]

www.divi-org.de

www.divi2013.deCall forAbstracts bis 01. August 2013

· 130 wissenschaftliche Symposien

· 14 Pro/Contra Debatten

· 36 Praktische Workshops

· Fortbildungskurs mit 72 „State of the Art“

Vorträgen

· Posterwettbewerb/Posterpräsentation

· Sonderveranstaltungen/Hot Topics

· Durchgehendes Pflegeprogramm

· Clinical Documentation Challenge

· Tele-Intensivmedizin live

· TED Sitzungen

· Durchgehender notfallmedizinischer Strang

· Neu: Managementkurse

Registrierungsdeadlines:15.01.2013

Beginn Registrierung Frühbucher

01.05.2013

Beginn Registrierung Standardbucher

16.09.2013

Beginn Registrierung Spätbucher

Das ganze Spektrum der Intensiv- und Notfallmedizin!

■ © Deutscher Ärzte-Verlag | DIVI | 2013; 4 (1)

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