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Politikmagazin Ausgabe 2/2018 TAKTGEBER INFRASTRUKTUR DIE BEDEUTUNG UNSERER NETZE 24 | DIE NEUE TRINKWASSER-RICHTLINIE EU-Abgeordnete im Gespräch

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Politikmagazin

Ausgabe 2/2018

TAKTGEBER INFRASTRUKTUR

DIE BEDEUTUNG UNSERER NETZE

24 | DIE NEUE

TRINKWASSER-RICHTLINIE

EU-Abgeordnete im Gespräch

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Unter dem Eindruck der langanhaltenden Dürreperiode dieses „Jahrhundertsommers“ diskutierten die zuständigen Vertreter des Bundestages mit Gelsenwasser-Vorstand Dr. Dirk Waider – zugleich auch Vizepräsident des Deutschen Verbandes des Gas- und Wasserfachs (DVGW) – über die nötigen Schlüsse, die aus den neuen Herausforderungen gezogen werden müssen.

EDITORIAL

INHALTSVERZEICHNIS

03 | WIE KANN UNSERE INFRASTRUKTUR GESICHERT WERDEN? Gelsenwasser diskutiert mit Branche und Politik

05 | MÜNSTERLAND NETZGESELLSCHAFT Ein Vorzeigeprojekt interkommunaler Zusammenarbeit

06 | ZUSAMMENARBEIT ZAHLT SICH AUS Gemeinsam Energieinfrastruktur gestalten: Interview zur Partnerschaft

zwischen den Münsterland-Kommunen und Gelsenwasser

12 | SMART-METER-INFRASTRUKTUR ERMÖGLICHT ZUKUNFTSFÄHIGE GESCHÄFTSMODELLE In der Technologie steckt spartenübergreifendes Potenzial

14 | ELEKTROMOBILITÄT Fluch oder Segen für das Verteilnetz?

16 | ENERGIE FÜR DIE INTELLIGENTE WASSERINFRA-STRUKTUR Pydro entwickelt Turbinen zur autarken Stromversorgung entlang der

intelligenten Wasserinfrastruktur

17 | MULTIRESISTENTE ERREGER IM FOKUS Aber keine Gefahr für das Trinkwasser

18 | DENA-CHEF ANDREAS KUHLMANN IM INTERVIEW Die Rolle der Deutschen Energie-Agentur im energiepolitischen Umfeld

22 | HÜNXE VERWIRKLICHT KOMMUNALE KLIMAZIELE Gelsenwasser unterstützt bei Umsetzung

24 | EU-ABGEORDNETE IM GESPRÄCH Die neue Trinkwasserrichtlinie

Der Schatz unter der Straße

Der wunderbare Sommer 2018 mit seinen langanhaltenden „Dürre-perioden“ – so zumindest in vielen Medien etwas überzeichnet – hat uns eines vor Augen geführt. Die Wasserversorgung in Deutschland funktioniert auch in Extremsituationen dank seiner gut ausgebau-ten Infrastruktur einwandfrei.

Aber das könnte nicht der letzte „Jahrhundertsommer“ gewesen sein. Der Branche ist klar, dass sie sich dann perfekt aufstellen muss. In Infrastruktur muss investiert werden, langfristig und vorausschauend, damit Trinkwasser auch in Zukunft überall jederzeit ausreichend zur Verfügung steht.

Das Bewusstsein, dass diese Versorgung nicht zum Nulltarif daherkommt, sondern auch etwas kosten muss, ist nicht überall uneingeschränkt vorhanden. Das sollte sich ändern, damit nicht an manchen Stellen auf die nötige Professionalisierung und technische Maßnahmen verzichtet wird, aus Angst vor Medien, Bürgern oder Gemeindevertretern.

Für die Stromnetze in den Kommunen ist diese Erkenntnis stärker verankert, vielleicht weil das Projekt Energiewende seit Jahren in der Öffentlichkeit stark präsent ist. Es wäre kontraproduktiv, diese Infrastruktur kaputtzusparen. Denn eine erneuerbare, dezentrale Energieversorgung mit Elektromobilität muss über „intelligente Verteilnetze“ mit moderner IT ausgesteuert werden. Die Kosten sind „alternativlos“. Dabei ist es vermutlich klug, die vorhandene Gasinfrastruktur zu nutzen, wo immer es geht. Gas wird dabei lange der vielzitierte Partner der Erneuerbaren sein, der das System stützt. Bevor auch dieser Energieträger über Power-to-Gas natürlich ohne CO2 auskommen muss, um das Klima zu schonen.

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Dr. Arnt Baer

IMPRESSUM

Herausgeber: GELSENWASSER AG, Willy-Brandt-Allee 26, 45891 Gelsenkirchen,

0209 708-0, www.gelsenwasser.de

Redaktion: Dr. Arnt Baer, Lisa Albert, Heidrun Becker

0209 708-450, [email protected]

Layout: Seidl PR & Marketing GmbH, Essen

rauf ab, Schäden und Substanzverluste rechtzeitig zu vermeiden. Daher sollten diese eigentlich überall in Deutschland angewendet werden, so Linke.

Transparenz ist Basis und Herausforderung zugleich „Eine transparente Kommunikation ist in Zeiten, in denen jeder Kun-de sich selbst im Internet informieren kann, absolut zwingend“, so Dr. Waider. Ansonsten laufe man Gefahr, das hohe Vertrauen der Branche zu verlieren – was anderen Institutionen wie Kirche, Ban-ken oder auch Politik schon passiert ist.

Transparenz sei auch eine Grundvoraussetzung für einen professi-onellen Umgang mit dem eigenen „Schatz unter der Erde“. „Da bei der Verlegung der Leitungen insbesondere aus den 1950er oder 1960er Jahren oft nicht sachgemäß dokumentiert worden ist, wis-sen viele Versorger gar nicht exakt, wie es um ihre Infrastruktur be-stellt ist.“ In der Folge sei es sehr schwierig, gezielt und effizient zu investieren. Dadurch kämen in den nächsten Jahren große Heraus-forderungen auf die Branche zu, so Dr. Waider.

Ländliche Räume brauchen gleiche Lebensverhältnisse Und auch eine zweite Frage bewegte die Teilnehmer des Kongresses: Wie können Menschen in ländlichen Regionen, trotz der Verstäd-terung der Gesellschaft, gleichwertige Lebensverhältnisse geboten werden? Einige Vertreter waren der Auffassung, das könne ohne ge-zielte Förderung schlicht nicht gelingen.

Der Sommer 2018 – heiß und mit wochenlanger Trockenheit – hat nachhaltigen Eindruck auf die Politik gemacht. Einige Regionen stie-ßen bei der Wasserversorgung an ihre Grenzen. Klimawandel und demografische Entwicklung des ländlichen Raums sind große The-men für die Wasserinfrastruktur. Sie stellen die Wasserversorgung vor neue, große Herausforderungen.

Einig war man sich mit der Feststellung, dass technische Notwen-digkeiten und politische Ziele bei der Wasserversorgung oft nicht Hand in Hand gehen. Politik und Technik müssen daher unbedingt den begonnenen Dialog fortführen. Denn niedrige Wasserpreise und Abwassergebühren seien kurzfristig im Interesse der Bürger und aufgrund der sozialen Bedeutung des Gutes „Trinkwasser“ immer erstrebenswert.

Der Schatz unter der Straße: Infrastruktur muss gepflegt werden „Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Infrastruktur gepflegt werden muss, damit sie entsprechend lange erhalten bleibt“, sagt Dr. Dirk Waider. Die Aquädukte des römischen Reiches seien ein gutes Bei-spiel dafür, über welche Zeiträume und Qualitätsstandards man im Leitungsbau rede. Man könne nicht erst dann flicken, wenn Schä-den offensichtlich seien, zu diesem Zeitpunkt sei es deutlich teurer oder gar zu spät.

Professor Gerald Linke vom DVGW pflichtete dem Gelsenwasser-Vorstand bei. Die hohen technischen Standards zielten genau da-

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Ansprechpartner: Thilo Augustin GELSENWASSER Energienetze GmbH Geschäftsführer

0209 708-1310 [email protected]

Ansprechpartner: Dr. Arnt Baer GELSENWASSER AG Leiter Verbände und Politik

0209 708-450 [email protected]

Die Bundesregierung wird dazu im Herbst eine hochrangig besetz-te Kommission mit mehreren Ministerien, Ländern und kommuna-len Vertretern einberufen.

Dr. Dirk Waider sieht da ein weiteres Thema, für das der Gesetzge-ber verantwortlich ist: Es sei eine Ungleichbehandlung, wenn in der EU-Trinkwasserrichtlinie unterschiedliche Transparenzpflichten und Untersuchungshäufigkeiten für Wasserqualität diskutiert würden.

Hohes Niveau an allen zentralen Stellen sichern Insgesamt sprachen sich fast alle Teilnehmer für eine Professiona-lisierung beim Umgang mit Fragen der Wasserwirtschaft aus. Ge-sprächspartner auf Augenhöhe in den Ministerien und Behörden seien für die Branche sehr wichtig. Beispielweise müsse das sehr komplexe Thema der gesundheitlichen Bewertung von Spurenstof-fen schnell und kompetent bearbeitet werden. Hier dürfe nicht an der falschen Stelle gespart werden.

Angesprochen auf einen konkreten Wunsch für die nächsten Mo-nate sprach sich Dr. Waider für eine Umstellung der Agrarförderung auf EU-Ebene aus. Würde man die Förderung konsequent an öko-logische Kriterien anpassen, wären wir einen echten Schritt weiter.

Das Umweltministerium hat sich entschieden, einen zweijährigen Prozess für eine Wasserstrategie zu starten. Hier werden Konzepte für diese Fragen erarbeitet werden müssen.

„Denn der Bürger einer kleinen Kommune hat die gleiche Transparenz und Qualität verdient

wie derjenige, der in einer Großstadt lebt. Gleiches Recht für alle.“

Dr. Dirk Waider, Vorstand der GELSENWASSER AG

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Gelsenwasser steht seit über 130 Jahren für Partnerschaft mit Kommunen, Industrie und Bergbau. Im Jahr 2018 schließt die letzte Zeche. Das unterstreicht die Notwendigkeit zum stetigen Wandel. So hat sich Gelsenwasser vom Wasserwerk für das nördliche Kohlenrevier zu einem Fachpartner und Dienstleister für alle Herausforderungen der kommunalen Infrastruktur entwickelt. In dem Gelsenwasser-Netzwerk wird mit mehr als 50 Unternehmen Know-how ausgetauscht und weiterentwickelt.

Die ersten Jahre der Zusammenarbeit zeigen uns: Die Bemühungen haben sich gelohnt. Wir wollen die Partnerschaft um weitere Aufga-ben ergänzen. Dabei spielen nicht nur die bisherigen Fachkompe-tenzen von Gelsenwasser wie Wasser, Abwasser und Gas eine Rol-le. Sondern es geht auch um neue, aktuelle Geschäftsfelder, die die gemeinsame Entwicklung fördern, z. B. Windenergie.

Der Aufbau der Sparte Strom ist hier nur ein Beispiel. Die Auswei-tung der Fachkompetenz für Strom erfolgte zunächst in Gelsen-kirchen und in Bad Oeynhausen. Im Jahr 2017 haben wir an den Standorten Altenberge und Lüdinghausen das betriebliche Perso-nal aufgebaut. Uns ist es ein besonderes Anliegen, die gleiche aus-geprägte Fachkompetenz im Strom vorzuhalten, wie wir sie in den Sparten Wasser und Gas seit Jahrzehnten haben. So ist auch zu-künftig trotz Fachkräftemangel die notwendige Erfahrung und Inno-vationsfähigkeit sichergestellt.

Die Gründung der MNG findet bei vielen unserer kommunalen Part-ner Beachtung. Die Zusammenarbeit in Form von partnerschaft-lichen Beteiligungen setzt sich fort und ermöglicht es uns, unser Netzwerk kontinuierlich zu erweitern.

Eine gleichzeitige Zusammenarbeit mit acht Kommunen bleibt aber bis auf weiteres einzigartig.

Die Partnerschaft mit den acht Kommunen im Münsterland Asche-berg, Billerbeck, Havixbeck, Nordkirchen, Olfen, Rosendahl, Lüdinghausen und Senden bildet für diese Entwicklung einen ganz wesentlichen Meilenstein. Es ist gelungen, nach zehnjähriger inten-siver Verhandlung eine für Deutschland einmalige Zusammenarbeit in der MN Münsterland Netzgesellschaft mbH & Co. KG (MNG) zu leben.

Auf den ersten Blick scheint die MNG mit ihren 800 km Gasnetz und 4.000 km Stromnetz nicht gerade aufregend. Doch wenn man tiefer blickt, ist sie etwas ganz Besonderes. Die MNG ist die erste Netz-gesellschaft Deutschlands, die die Interessen von acht Kommunen vereint: die Energieinfrastruktur in den Münsterlandkommunen ge-stalten und fördern. Seit 2015 obliegt den Münsterlandkommunen die mehrheitliche Verantwortung und das Eigentum an der Energie-versorgung ihrer Kommunen.

Wir als Gelsenwasser waren früh in Gespräche und Verhandlungen eingebunden und prägen nun als Fachpartner in der MNG die opti-male Ausgestaltung der Strom- und Gasnetze vor Ort mit. Denn auch wir sind überzeugt, dass man die Entwicklung der Energieinfrastruk-tur kombiniert mit der Herausforderung der Energiewende nur vor Ort und gemeinschaftlich mit den Kommunen erfolgreich gestalten kann. Dabei haben wir im Blick, dass die Verantwortung zur kommunalen Daseinsvorsorge ein wichtiges Gut für die Bürger darstellt, das nicht an kurzfristigen Ergebnissen gemessen werden sollte.

Es gelingt ein regelmäßiger Austausch, um die kommunalen Bedürf-nisse wahrzunehmen und fachlich zu unterstützen. Als Netzbetreiber übernehmen wir dabei die operativen Risiken und reduzieren somit die Risiken der Kommunen.

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Baer: Warum und wie kam es zu dem Projekt MNG?Bergmann: Die Frage der Strom- und Gasversorgung war aus der Historie nicht ganz so einfach. Wenn die Kommune zukunftsweisende Ideen hatte, ist man früher oft an Grenzen gestoßen. Insofern haben vor meiner Zeit Herr Holz und Herr Himmelmann federführend beschlossen, als Kommunen die Verantwortung für unsere Strom- und Gasnetze zu übernehmen.

Sendermann: Grundüberlegungen zur Daseinsvorsorge sind schon viel früher im Jahr 2003 gemacht worden – allerdings in einem sehr überschaubaren Rahmen allein für Olfen. Es wurde aber deutlich, dass die größere, interkommunale Kooperation der bessere Weg ist.

Baer: Die Grundidee war also, zunächst selbst ein Stadtwerk zu gründen, und später hat man sich für das Modell mit acht Kommunen entschieden? Sendermann: Es gab eine denkwürdige Zusammenkunft im Ascheberger Rathaus mit einem Versorger zum Thema Straßenbe-leuchtung. Der Dienstleister wollte keinen Einblick in die Kostenstruktur innerhalb des Dienstleistungsvertrags geben, an den wir aber noch acht Jahre gebunden waren. Damit kam die Erkenntnis: Es ist nicht richtig, dass bei solchen Fragen der kommunalen Daseinsvorsorge ohne die Kommunen entschieden wird.

Baer: Kam die Entscheidung für eine Zusammenarbeit also auch, weil Sie plötzlich Schwierigkeiten gesehen haben? Bergmann: Es hat natürlich vorher noch eine Vielzahl von Gesprächen gegeben. Zunächst war es in der Tat noch nicht so überschaubar, was überhaupt auf uns zukommt. Es ist auch nicht immer einfach, auf Anhieb acht Gemeinderäte davon zu überzeugen. Danach hat es seine Zeit gedauert, um die vielen rechtlichen Dinge zu klären. Die Achterrunde ist aber immer zusammengeblieben und hatte Vertrauen zueinander. Das ist nicht selbstverständlich.

Sendermann: Hinzu kamen noch wichtige grundsätzliche Fra-gestellungen um die Netze, denn Eigentumsverhältnisse und Verantwortungsbereiche sind nicht leicht voneinander abzugrenzen. Deshalb waren es auch zum Teil kritische Auseinandersetzungen.

Baer: Sie haben neben der Netzbewertung eben einen weiteren spannenden Punkt angesprochen: Haben Sie sich mit allen Räten aller Kommunen regelmäßig getroffen?Täger: Wir hatten in der Stever Halle zwei Veranstaltungen mit allen Räten, denn gesellschaftsrechtlich war ziemlich früh klar, dass wir die kommunalen Netzgesellschaften bilden mussten, weil darüber erst eine Beteiligung möglich war. Über die Gesell-schafterversammlung der Netzgesellschaften konnten wir wichtige

strategische Entscheidungen mittragen. Es gab natürlich Themen, die in den Räten je nach Fraktion unterschiedlich gesehen worden sind, aber es gab ebenso wesentliche gemeinsame Zielsetzungen: Versorgungssicherheit, Mitgestaltungsrecht in Verbindung mit einem wirtschaftlich nachhaltigen Konstrukt, ohne schnell Cashflow erzielen zu wollen. Sondern Nachhaltigkeit. Das haben alle mitgetragen.

Baer: Wenn man sich dafür entscheidet, mit acht Kommunen zusammenzuarbeiten, ist es oft nicht so einfach, weil jeder Rat einen Verlust des eigenen Einflusses befürchtet.Sendermann: Es gab währenddessen Kommunalwahlen, neue Räte und Gesichter, die sich immer wieder in diese Themen einarbeiten mussten. Spannend war und ist es trotzdem, die Meinungsbildung aller acht zu sehen und dann aber doch die Entscheidung auf den Weg zu bringen. Individuelle, kommunalpolitische Interessen wurden in dieser Sache nach meinem Eindruck hinten angestellt.

Bergmann: Eine Maxime gab es von Anfang an: Nicht schnellen Cashflow zu machen, sondern das Eigentum an den Netzen innerhalb der nächsten 20 bis 25 Jahre zu übernehmen. Diese Grundvoraussetzung musste man auch jedem neuen Rat vorstellen.

Sendermann: Vor allem den Grund! Wir haben gesehen, dass es nicht gut ist, wenn in großen Konzernen Entscheidungen über unseren Kopf hinweg getroffen werden. Es war daher nicht alleine wichtig, schnell Erträge für den Haushalt zu erwirtschaften. Es reicht, wenn die nachfolgenden Generationen profitieren.

Mathis: Ja, die Kooperation ist definitiv perspektivisch angelegt. Als Geschäftsführerin der MNG kann ich das nur bestätigen. Entscheidend ist natürlich auch, dass über die Zeit in der Kooperation die langfristigen Verpflichtungen, die die Kommunen eingegangen sind, auch erfüllt werden. Die acht Münsterland-Kommunen haben den Kauf ihrer Netze Anfang 2016 mittels eines langfristigen Kredits finanziert. Ein wichtiger Aspekt für die langfristige Bedienung des Kredits in dieser Kooperation ist die Erwirtschaftung von geplanten Erträgen. Neben dem Abgleich der gemeinsamen strategischen Ausrichtung muss eine Struktur für die Umsetzung der Zusammenarbeit gefunden und etabliert werden. Darüber hinaus müssen die Partner kulturell zusammenpassen. In dieser Konstellation ist das gegeben.

Baer: Hand aufs Herz: Braucht es denn eigentlich einen Partner? Täger: Ja. Das war von vornherein allen klar. Wir haben in jeder Kommune unterschiedliche Expertise etwa für den Straßenbau oder Abwasserentsorgung. Aber ein solches Großthema wie „Netzge-sellschaft“ konnte nicht mit eigenem Know-how getragen werden.

Bergmann: Ich glaube, das war auch schon unseren Vorgängern wichtig: Interkommunal bedeutet auch Partnerschaft. Und eine Kooperation unter den Städten war auch in strategischer Hinsicht

Wir haben den Lenkungskreis und die Geschäftsführung der MNG in Horstmar getroffen und ein Interview mit Dietmar Bergmann, Bürgermeister der Gemeinde Nordkirchen, Wilhelm Sendermann, Bürgermeister der Stadt Olfen, Sebastian Täger, Bürgermeister der Gemeinde Senden, Ulrike Mathis und Petra Helgers, Geschäftsführerinnen der Gesellschaft, geführt.

ZUSAMMENARBEIT ZAHLT SICH AUS Marion Dirks

Bürgermeisterin der Stadt Billerbeck

Von Beginn an war ich überzeugt, dass die Netze als lebenswichtige Infrastruktur zurück in die kommunale Hand gehören. Wir schaffen mehr und mehr kommunales Vermögen. Mir persönlich ist noch wichtiger, dass wir Kommunen lange vermissten Einfluss zurückgewonnen haben. Wir können zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger mitgestalten. Wir sind als Kommunen noch näher zueinandergerückt, ein Wert an sich. Und wir haben mit Gelsenwasser einen Partner gefunden, mit dem wir uns auf Augenhöhe begegnen.

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Dr. Bert Risthaus

Bürgermeister der Gemeinde Ascheberg

Unsere Städte und Gemeinden haben zusammen mit Gelsenwasser eine verstetigte Basis geschaffen, um die kommunale Daseinsvorsorge gemeinsam strategisch auszurichten. Mit der strategischen Partnerschaft innerhalb der MNG können wir einen hohen Standard bei der Energieversorgung vor Ort sichern und die Wertschöpfung bündeln. Es ist gut zu wissen, dass wir auf dieser Grundlage zudem gemeinsame Projekte wie das Kommunale Energieeffizienz-Netzwerk betreiben können und dadurch immer am Puls der Zeit bleiben.

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Klaus Gromöller

Bürgermeister der Gemeinde Havixbeck

Die MNG war ein langes, aber letztlich sehr erfolgreiches Projekt insbesondere zur Rekommunalisierung der Strom- und Gasnetze. Ganz entscheidend finde ich, dass die Einflussnahme der Kommune gestärkt wird ebenso wie der kommunale Vermögensaufbau. Mir ist wichtig und das haben wir erreicht: Wertschöpfung findet vor Ort statt und nicht bei einem externen Player.

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von Vorteil für sie, denke ich. Wenn ich das Projekt jetzt sehe und seine Komplexität, war das auch wirklich richtig.

Täger: Ich glaube, es ist auch von Vorteil, dass wir acht kleinere, bodenständige, westfälische Kommunen sind. Es war von vornherein klar, dass keine wichtigen Posten geschaffen, politisch besetzt und vergütet werden.

Sendermann: Genau, so darf man dabei nicht denken. Das Entscheidende ist doch: Wir können mitgestalten und lassen nicht andere über uns entscheiden.

Baer: Wie sieht es denn in der Realität mit der Mitgestaltung aus? Mathis: Es hat sich ein Prozess etabliert. Darin holen wir frühzeitig die Rückmeldung aus den Kommunen ab, um diese dann in die Wirtschaftspläne einfließen zu lassen. Jedes Projekt wird diskutiert und es wird alles versucht, um es in dem zur Verfügung stehenden regulatorischen Rahmen umzusetzen.

Täger: Es wäre ein Unding, wenn wir nicht mitreden könnten. Man kann ja so auch viel besser Baumaßnahmen abstimmen. Die Kommunikation ist da bei uns leichter und immens wichtig. Wir überlegen uns auch kreisweit Konzepte, wie wir das strategisch angehen.

Baer: Die MNG ist noch gar nicht so lange operativ. Haben Sie schon ein Gefühl, wie sie in der Bevölkerung angenommen wird? Bergmann: Wir haben seit gestern Kugelschreiber und Schreibblock (lacht). Die Bürger hat die Netzübernahme interessiert, sie nehmen das auch zur Kenntnis, können es aber nicht richtig einordnen. Daher ist Vertrieb und Sichtbarwerden für uns ein Thema.

Sendermann: Das gesamte Feld der Energieversorgung ist doch unüberschaubar geworden. Man sucht sich im Internet einen Anbieter, versteht aber gar nicht, wo der Strom herkommt. Viele Bürger können das System nicht durchblicken. Möglicherweise ist auch kein Interesse vorhanden. Wichtig ist, dass ich sicher und günstig Strom bekomme. Daher ist für uns ganz wichtig: Wie können wir wahrgenommen werden? Mit einer regionalen eigenen Marke wäre das sicher leichter.

Mathis: In der Netzgesellschaft kann man auch nur sehr wenig PR und Marketing machen. Wir versuchen zum Beispiel, über die Baustellenschilder zumindest dort mit dem Logo präsent zu sein.

Helgers: Gleiches erarbeiten wir bei den Hausanschlussanträgen. Zudem schalten wir Pressemitteilungen, um auf uns aufmerksam zu machen.

Täger: Es ging zwar immer nur um die Netze, aber es gab auch immer die Überlegung, vertrieblich aktiv zu werden. Aber im Moment

ist die Entscheidung richtig und vernünftig, sich erstmal auf die Infrastruktur zu konzentrieren.

Bergmann: Auch wenn der Bürger das nicht so wahrnimmt, aber wir als Kommune haben uns bewusst für einen strategischen Partner mit kommunaler Nähe entschieden. Mit Gelsenwasser haben wir einen Partner gefunden, der immer vor Ort war, der die Strukturen schon kannte und auch den kurzen Draht zu den Rathäusern hat.

Helgers: Diese Rückmeldung habe ich auch von den Hochbau-ämtern bekommen. Mit bekannten Partnern war es leichter, in den Planungsprozess einzusteigen.

Täger: Alles andere wäre daher faktisch ein Schritt zurück gewesen. Man hat schon vorher mit Gelsenwasser in vielen Feldern auf operativer Ebene zusammengearbeitet, Vertrauen aufgebaut. Da lag die Zusammenarbeit nah.

Baer: Schön. Wie geht’s denn weiter? Stehen Themen auf der Agenda?Sendermann: Breitband ist durch. Es gibt in Coesfeld ein Durch-einander an unternehmerischen Aktivitäten. Wir haben leider verschiedene kleine Anbieter. Eine kreisweite Entwicklungsstrategie hätte ein besseres Ergebnis gebracht.

Bergmann: Die Themenpalette ist groß, es ist noch vieles denkbar: Geodaten zum Beispiel. Oder Elektromobilität. Bei solchen Themen und Zukunftsfragen macht es Sinn, gemeinsam mit dem strategischen Partner zu entwickeln.

Sendermann: Es ist wichtig, dass wir nicht wie beim Thema Breitband den Anschluss verpassen. Ich bin ziemlich sicher, dass unsere Welt in einigen Jahrzehnten nicht nur von Strom, Gas und Wasser geprägt sein wird.

Richard Borgmann

Bürgermeister der Stadt Lüdinghausen

Wir arbeiten innerhalb der MNG mit Gelsenwasser und den weiteren sieben Kommunen eng zusammen. Es ist uns gelungen, den Ausbau der Energie-Infrastruktur aktiv mitzugestalten, was sehr komplex ist und daher eine partnerschaftliche Lösung erfordert. Es ist uns gelungen, in einer finanzschwierigen Zeit sog. „Tafelsilber“ wieder zurückzuerwerben. Mit dem Fachpartner Gelsenwasser haben wir einen persönlichen Ansprechpartner auf Augenhöhe gewinnen können. Die gute Zusammenarbeit lässt sich meiner Meinung nach auch über die Strom- und Gasversorgung hinaus weiter fortsetzen.

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Christoph Gottheil

Bürgermeister der Gemeinde Rosendahl

Die MNG ist das Ergebnis eines langen gemeinsamen Weges mit dem Ziel, Energie zur kommunalen Aufgabe zu machen mit vielen positiven Nebeneffekten: Man lernt voneinander und weiß die Partnerschaft im operativen Geschäft zu schätzen. Denn für uns als Kommune ist die strategische Unterstützung durch einen starken Partner wichtig, um uns unter anderem in den Sparten Strom und Gas optimal aufzustellen.

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Josef Himmelmann

Ehemaliger Bürgermeister der Stadt Olfen

Die Gründung der MNG damals war eine äußerst wichtige Entscheidung. Eine Strukturentscheidung, um die Energieversorgung aus eigener Hand bereitstellen zu können. Mit Gelsenwasser haben wir einen Partner gefunden, der auf unsere Belange achtet. Mit dem alten Versorger in dem ursprünglichen Konstrukt hatten wir keinerlei Entscheidungshoheit. Ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass MNG mit einer Marke für Strom und Gas für die Bürgerinnen und Bürger präsenter wird und die Bemühungen um die Netze sichtbar werden.

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Baer: Wie könnte ein Mobilitätskonzept für Ihre Region aussehen? Individualverkehr?Täger: Mit der Digitalisierung hat man ganz viele Möglichkeiten, den Bürger einzubinden. Wir setzen seit einigen Jahren einen „Bürgerbus“ ein, der sehr gut angenommen wird. 40 % der CO2-Emissionen bundesweit entstehen im Verkehr. Im Münsterland sind es sogar knapp über 50 %. Würde man jetzt über E-Mobilität gehen, würde man noch mehr Strom benötigen und das kann nur regenerativer sein, damit es Sinn macht. Vielleicht sind auch hier noch Kooperationsmöglichkeiten. Regenerative Stromerzeugung, z. B. Windenergieanlagen mit Bürgerbeteiligung. Ich denke auch, die Palette der Möglichkeiten zur Zusammenarbeit ist groß.

Sendermann: Ja. Der Bürger will. Wir haben ein Windenergieprojekt gemacht. Die Bürgerbeteiligung war in kürzester Zeit vergeben. Ich bin ziemlich sicher, wenn gute finanzielle Rahmenbedingungen geschaffen sind, ist der Bürger bereit, hier zu investieren.

Täger: Dieser Trend ist schon zum einen der niedrigen Zinslage geschuldet. Denn mit der Bürgerbeteiligung kann im Verhältnis dazu eine ansprechende Rendite erzielt werden. Zum anderen spielt auch der enorme Bewusstseinswandel hin zu Nachhaltigkeit eine Rolle.

Baer: Politisch wird zurzeit auch das Thema gleichwertige Lebens-verhältnisse für ländliche Räume diskutiert. Sehen Sie sich eigentlich betroffen?Mathis: Ich komme ursprünglich aus der Nähe von Magdeburg und kenne die Probleme, die da vorherrschen. Ich würde sagen, dass es im Münsterland diese Problematik nicht gibt. Die Struktur ist in Ordnung, es gibt ausreichend Bevölkerung und Zuwachs.

Täger: Ländliche Regionen bergen Chancen und Herausforderungen. Man muss wie gesagt das Thema Mobilität und Wohnen miteinander verbinden. Wir zum Beispiel wachsen, es gibt Ströme von Zuwanderern nach Münster und ins Ruhrgebiet. Und auch das gilt es mit einzuplanen.

Sendermann: Dennoch lassen sich ländlich geprägte Räume nicht immer miteinander vergleichen. Sicherlich muss in den Ballungsräumen Ruhrgebiet oder Münster die Verkehrsinfrastruktur anders sein als im Münsterland. Ich hätte kein Problem damit, mit dem Auto nach Datteln zu fahren, um dann mit einem „schicken Teil“ innerhalb von 35 Minuten nach Düsseldorf zu kommen.

Bergmann: Solange man es pünktlich schafft und es bezahlbar bleibt.

Baer: Vielen Dank für das kurzweilige Interview.

Martin Brück von Oertzen

Wolter Hoppenberg Rechtsanwälte

Partnerschaft mbB, Rechtsanwalt u. Partner

Die MNG ist ein Prototyp interkommunaler Zusammenarbeit. Eine Infrastruktur-Partnerschaft, die sich seit über fünf bis sechs Jahren bewährt, ist einzigartig in Deutschland. Die Kommunen übernehmen durch gegenseitige Unterstützung Verantwortung für ihre kommunalgelegene Infrastruktur und machen Wirtschaftspolitik vor Ort. Insgesamt eine brillante Kombination aus kommunaler Gestaltung und Ertrag.

Dr. Dirk Waider

Technischer Vorstand der

GELSENWASSER AG

Wir freuen uns sehr, dass die Kommunen im Münsterland uns das Vertrauen entgegenbringen, mit ihnen die Versorgung vor Ort schrittweise weiter zu entwickeln. Für uns ist die MNG eines der zentralen Projekte.

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Bergmann: Das ließe sich ja über unsere Infrastrukturgesellschaft abbilden, die zwar noch eine Vorratsgesellschaft ist, aber gedanklich für mehrere Sparten vorgesehen ist. Man muss aber auch ehrlicherweise sagen: Die letzten Jahre haben wir uns nur um Strom und Gas kümmern können. Wir hatten keine Geschäftsführung, da blieb auch nicht viel Zeit. Aber richtig, es gibt auch noch andere Geschäftsfelder.

Sendermann: Aber vielleicht sieht ja ein großes Unternehmen auch in den kommunalen Bereichen Entwicklungsperspektiven? Und man erkennt, dass es mit der kommunalen Seite vielleicht leichter geht. Wo entwickelt sich Daseinsvorsorge insgesamt hin?

Baer: Ich hätte Fantasien. Was glauben Sie, wo die sich hinentwickelt? Über welche Themen werden wir bald reden?Bergmann: Zum Beispiel ist das ganze Feld der urbanen Mobilität zentral. Es stellen sich konkrete Fragen, wie ob die Kommune die Elektrotankstelle selbst warten muss oder sie einen operativen Partner hat, der unterstützt.

Sendermann: Das Thema muss vielleicht auch in Verbindung mit den großen Städten gedacht werden. Gerade da wäre es wichtig, Probleme im Individualverkehr zu lösen.

Alfred Holz

Ehemaliger Bürgermeister

der Gemeinde Senden

Hinter der Gründung der MNG steckte die Motivation, die Energieversorgung vor Ort mit in die Verantwortung der Kommunen zu überführen. Und damit einher ging ein kommunales Mitspracherecht zur Unterhaltung und zum Ausbau der Energienetze. Außerdem gehen die Netze nach und nach in das kommunale Vermögen über. Zugegebenermaßen war die Entstehungs- und Gründungsphase ein langer Prozess, aber wir alle können froh sein über das Ergebnis und die gelungene Partnerschaft. Die gewünschten Mitspracherechte sind eingetreten und vielleicht profitieren die Kommunen bald auch von finanziellen Erträgen.

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Gelsenwasser arbeitet auf dem Gebiet des Messwesens eng mit dem Bielefelder Zählerhersteller eBZ und dem Bochumer Start-up-Unternehmen PHYSEC zusammen, das erst jüngst auf der CeBIT ausgezeichnet wurde. Einer der beiden Geschäftsführer, Herr Christian Zenger, erklärt im Kurzinterview das aktuelle Problem.

transparent: Herr Zenger, in der Energiewirtschaft wurde sehr lange um den richtigen Weg für einen Rollout von Smart Metern gerungen. Das Gesetz gilt seit September 2016. Wo stehen wir? Christian Zenger: Es ist gut messbar, dass der Rollout von fernauslesbaren Zählern stockt, weil es weiterhin keine zertifizierten Smart-Meter-Gateways (SMG) gibt. Dadurch erscheinen Versorger in einer Art Schwebezustand, da man nicht weiß, ob alternative Lösungen langfristig Bestand haben und sich der Aufwand somit rechnen kann. Die offizielle Aussage des Abteilungsleiters für Standardisierung im BSI Fritz Bollmann auf dem BDEW-Kongress in Berlin ist, dass aufgrund von IT-Problemen eine Zertifizierung eines SMGs im Jahre 2018 nicht garantiert werden kann.

Des Weiteren entwickelt sich seit einiger Zeit ein enormer Gegen-wind zur aktuellen Digitalisierungsstrategie durch Branchen wie Hausautomatisierung, Elektromobilität und Submetering. Dies liegt

Für den Umbau der Energieversorgung in Richtung Energiewende gelten dezentrale Anlagen, mit denen erneuerbarer Strom erzeugt wird, als essentiell. Ebenso unverzichtbar scheint aber die Smart-Metering-Technologie. Doch während in anderen Ländern Europas der Einbau solcher Technologien systematisch vorangetrieben wird, stockt der Rollout im einstigen Vorreiterland Deutschland.

ROLLOUT

Der Rollout mit sogenannten intelligenten Messsystemen wird nach dem Gesetz scharf geschaltet, sobald drei Smart-Me-ter-Gateways die Zertifizierungen nach BSI und PBT erhalten haben. Das PBT prüft die eichrechtlichen Bestimmungen, das BSI hingegen prüft, ob das Produkt den Katalog der Voraus-setzungen des BSI-Schutzprofils erfüllt. Diese bestehen bspw. aus internetfähigen kryptografischen Protokollen wie TLS und besonders kurzen Schlüsselerneuerungs-Intervallen, um po-tenziell erfolgreiche Angriffe nicht eskalieren zu lassen.

Gemeldet sind aktuell neun Hersteller. Nach Stand Juli 2018 hat kein einziges der Smart-Meter-Gateways die BSI-Zertifizierung erfolgreich durchlaufen. Die Aussagen divergieren stark, ob und wann dies geschehen wird. Einige sagen, dass der Zeitpunkt für die erste Generation verpasst sei und es nur Sinn mache, direkt die zweite Generation mit herzustellen, die eine sternför-mige Kommunikation gewährleisten muss und erst für 2020 vorgesehen ist.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) vergibt jährlich den Preis „Digitales Start-up des Jahres 2018“ – früher „IKT-Gründung des Jahres“. Dieses Jahr wur-de PHYSEC mit dem 1. Preis ausgezeichnet. Auf der CeBIT in Hannover nahmen Christian Zenger und Dr. Heiko Koepke den Preis entgegen. Insgesamt wurden vier Jungunternehmen ausgezeichnet. Sie erhielten zur Weiterentwicklung Geldprei-se in Höhe von 100.000 Euro – 50.000 Euro für das erstplat-zierte Team, 30.000 Euro für Platz zwei und je 10.000 Euro für den doppelt vergebenen dritten Platz.

PHYSEC-Gründer Dr. Christian Zenger und Dr. Heiko Koepke

daran, dass die gesetzlich vorgeschriebene IT-Sicherheitsarchitektur zu statisch, oft technisch ungeeignet oder schlicht zu teuer ist, um die unterschiedlichen Anforderungen und realen Bedingungen der anderen Branchen zu erfüllen. Aus diesem Grund hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie angekündigt, die Standardisierung in unterschiedliche Segmente zu unterteilen.

Heißt das, es wurden bei den Festlegungen des Gesetzes in der Rückschau Fehler gemacht? Ich denke, die Intention des Gesetzes ist sehr gut und absolut wichtig für unsere digitale Zukunft. Jedoch ist das Gesetz aktuell an ein spezielles Schutzprofil gekoppelt, das für viele Fälle nicht wirtschaftlich ist. Die meisten der vorgeschriebenen Funktionen werden in der Überzahl an Anwendungen und Endgeräten nicht benötigt und machen die Systeme komplex und damit teuer. Die Frage, die wir uns gestellt haben, ist, ob die Zwecke nicht auch mit anderen Technologien erfüllt werden können. Die Lösung, die wir gemeinsam mit Gelsenwasser und eBZ entwickelt haben, kann viele der Anforderungen erfüllen, insbesondere die an die IT-Sicherheit. Wir können zwar z. B. keine Photovoltaikanlage managen, können dafür aber fast alle Tarife zur Fernauslese umsetzen.

Die große Sorge des BSI und der Verbraucherverbände scheint aber eher die Sicherheit der Daten zu sein, oder? Zu Recht ist die Datensicherheit fundamental, um die digitale Privatsphäre zu schaffen und zu bewahren. Dies ist jedoch auch mit alternativen Ansätzen möglich. Unsere Lösung setzt auf eine vollständige „Ende-zu-Ende“-Sicherheit zwischen Smart Meter und Messstellenbetreiber via Low-Power Wide Area Networks (LPWAN). Dies ist sowohl von der Seite der Funkkommunikation als auch von der IT-Sicherheit ein moderner und zukunftssicherer Ansatz.

Große Vorteile liegen auf der Kostenseite. Zum Beispiel können Zähler ohne lokalen Internetzugang und IT-affine Endkunden durch LPWAN einfach und sehr günstig internetfähig und fernauslesbar gemacht werden. Des Weiteren können alle Sicherheitsziele, die für eine WAN-Kommunikation relevant sind, erfüllt werden.

Wir setzen die gemeinsam erarbeitete Lösung nun erstmalig im nicht-regulierten Bereich Wasser ein. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass sie aufgrund technologischer Ästhetik und wirtschaftlicher Attraktivität einen wichtigen Quantensprung für digital kommunizierende Zähler darstellt und auch für andere Sparten in Betracht gezogen werden muss. Für die anderen Sparten im Bereich des Zählwesens sehen wir großes Potenzial und messen auch bereits große Resonanz im Kontext Smart City, da Anwendungen, die man hierfür nachfragt, via LPWAN sehr einfach umzusetzen sind.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Zenger. Das Interview führte Dr. Arnt Baer.

SMART-METER-INFRASTRUKTUR ERMÖGLICHT ZUKUNFTSFÄHIGE GESCHÄFTSMODELLE

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Das Ausmaß dieser Frage wird deutlich, wenn man ein Extrem-szenario von Detlef Fischer, Geschäftsführer des Verbandes der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (VBEW), vor-stellt. Demnach würde eine sehr hohe Leistung von 77 GW be-nötigt, um den Bedarf an Strom zu decken, wenn jeder Haus-halt in Bayern heute schon ein Elektroauto hätte und alle gleichzeitig abends an die Ladestation kämen. Zwar würden die Akkus von Zeit zu Zeit größer, sodass nicht alle gleichzeitig laden müssten. Allerdings zeigt dieses Beispiel, dass vor allem die Verteilernetze vor einer großen Herausforderung in Sachen Elektromobilität stehen.

Der Aufbau einer dichten Ladeinfrastruktur ist Grundvoraussetzung für den Erfolg der Elektromobilität. Dabei betrifft die Verteilnetzbetrei-ber vor allem die Integration von privaten Wechselstrom-Ladestati-onen mit einer Ladeleistung zwischen 11 kW und 22 kW. Werden diese am Abend gleichzeitig zur Ladung der Elektrofahrzeuge ge-nutzt, kann es zu lokalen Überlastungen der Verteilnetze kommen. Eine intuitive Antwort auf die Frage, wie Verteilnetzbetreiber diese zusätzlichen Anforderungen auffangen könnten, wäre der Ausbau des Verteilnetzes. Dieser Ansatz wird von der aktuell geltenden An-reizregulierung wirtschaftlich forciert. Was folgt, ist die Solidarisie-rung der Kosten dieses Netzausbaus über die Netznutzungsentgelte auf die Bürger. Und vor allem die verpasste Chance, Elektromobile in die dezentrale Energiewende einzubinden.

Intelligente Steuerung im VerteilnetzEine bessere Alternative als der Kupferausbau ergibt sich aus der Energiewende – die intelligente Steuerung. Mit Hilfe dieser können die am Verteilnetz angeschlossenen Ladestationen die Aufladung des Elektromobils von den Spitzenzeiten am Abend in Schwachlast-phasen in der Nacht verschieben. Bei einer angenommenen Kapa-

zität von 30 kWh und einer Ladeleistung von 11 kW ist die Batte-rie in knapp drei Stunden vollgeladen. Das Elektrofahrzeug wäre für den morgendlichen Arbeitsweg ebenso vollgetankt, wenn die La-dung erst um 02:00 Uhr beginnen würde.

Um Verteilnetzbetreibern diese intelligente Steuerung zu ermögli-chen, müssen Voraussetzungen geschaffen werden. Verteilnetzbe-treiber benötigen Informationen über die Installation der Ladestatio-nen in Haushalten. Außerdem erleichtert die initiale Ausrüstung der Ladestationen mit Kommunikations- und Steuereinheiten dem Ver-teilnetzbetreiber die Steuerung der Ladestationen.

Elektromobile bieten SpeicherkapazitätWelche Vorteile könnten bei den Verteilnetzbetreibern durch die Elektromobilität entstehen? Sechs Millionen Elektromobile im Jahr 2030 auf den Straßen Deutschlands bedeuten auch 150 GWh an zusätzlicher Speicherkapazität. Bei einer durchschnittlichen Stand-zeit von 23 Stunden pro Tag stünde dieser Speicher dem Verteilnetz nahezu komplett zur Verfügung. Dieser Ansatz nennt sich Vehicle- to-Grid. Voraussetzung dafür sind die bidirektionale Ladefähigkeit von Elektrofahrzeugen und spezielle Ladesäulen, die bei Bedarf das Elektrofahrzeug nicht nur laden, sondern auch aus der Batterie in das Verteilnetz einspeisen können. Wird ein Fahrzeug am Mittag also mit überschüssiger elektrischer Energie aus Photovoltaikanlagen ge-laden, kann diese Energie in Zeiten der Spitzenlast am Abend vom Verteilnetzbetreiber zur Deckung jener genutzt werden. Dieser Ansatz bietet das Potenzial, dezentrale erneuerbare Energieanlagen zu inte-grieren, den Verkehrssektor zu dekarbonisieren und Laststeuerungs-aufgaben zu übernehmen.

Die Elektromobilität bietet für Verteilnetzbetreiber vor allem Potenzial, um die Energie- und Verkehrswende aktiv mitzugestalten. Dafür müssen diese den nächsten Schritt in Richtung Digitalisierung des Verteilnetzes gehen. Dann würden nicht nur die Besitzer von Elektro-fahrzeugen, sondern vor allem auch die Gesellschaft von der Elek-trifizierung des Verkehrssektors profitieren.

ELEKTROMOBILITÄT: FLUCH ODER SEGEN FÜR DAS VERTEILNETZ?

Ansprechpartner: Patrick Mutert GELSENWASSER AGStrategie und Organisation

0209 708-367 [email protected]

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ENERGIE FÜR DIE INTELLIGENTE WASSERINFRASTRUKTURWasser ist in Deutschland rund um die Uhr in ausreichender Menge und sehr guter Qualität verfügbar. Mit der zunehmenden weltweiten Wasserknappheit und dem Klimawandel nimmt jedoch die Bedeutung des Wissens über unser Wasser in den Verteilungsnetzen zu. Das Startup-Unternehmen Pydro aus Hamburg entwickelt modulare Trinkwasserturbinen zur autarken Stromversorgung von Sensoren und Ventilen entlang der intelligenten Wasserinfrastruktur. Die durch diese alternative Energiequelle ermöglichten Echtzeitdaten können dabei helfen, Wasserverluste sowie den immensen Energieeinsatz beim Wassertransport zu mindern.

nen ist mit hohen Personalkosten für den regelmäßigen Austausch von Batterien verbunden. Zudem ist teilweise die benötigte Energie für Messstationen zu gering oder die Rohrleitungen sind zu abge-legen, als dass es für viele Versorger und Stromnetzbetreiber wirt-schaftlich Sinn macht, einen Anschluss nur für die Messeinrichtung herzustellen.

Pydro hat es sich zur Aufgabe gemacht, dieser Herausforderung mit modularen Trinkwasserturbinen zu begegnen. Das vom Unter-nehmen konzipierte Turbinensystem soll zur autarken Stromversor-gung von Sensoren entlang der intelligenten Wasserinfrastruktur die-nen. Dabei setzt Pydro auf eine kompakte Technologie, die sich ähnlich wie ein Turbinen-Durchflussmesser in Rohrleitungen instal-lieren lässt. Der Druck, mit dem Wasser bereitgestellt wird, kann mit dieser Technologie effektiver geregelt werden. Überschüssiger Druck kann in Energie umgewandelt werden, bei nicht ausreichen-dem Druck funktioniert die Turbine auch als Pumpe und sorgt für eine Druckerhöhung.

Ende 2018 sollen sich die ersten beiden Turbinen im Rahmen eines Pilotprojekts drehen. Für 2019 ist Pydro auf der Suche nach weite-ren Pilotkunden, um insgesamt 40 Messstationen autark mit Strom aus Trinkwasserkraft zu versorgen.

Pydro ist als Gewinner aus dem Gelsenwasser-Wettbewerb junger Unternehmen „Perfect Match“ im Frühjahr des Jahres hervorgegan-gen. Für ein halbes Jahr wurde das Unternehmen finanziell gefördert und – was noch wichtiger ist – bei seinen Tests und der Weiterent-wicklung des Produkts unterstützt.

Sowohl die Novellierung der EU-Trinkwasserrichtlinie, die ab 2019 den Bürgern umfangreiche Informationsrechte einräumen könnte, als auch die Einführung von Kennzahlen zur Messung von Wasser-verlusten bringen Aufgaben rund um das Thema Daten mit sich. Eine intelligente Wasserinfrastruktur mit einer integrierten Palette von Feldsensoren, Mess- und Steuerungsgeräten kann Versorgungsun-ternehmen unterstützen, Probleme kontinuierlich per Fernüberwa-chung zu diagnostizieren und Daten zu verwenden, um die Wasser-verteilung zu optimieren.

Die Digitalisierung von Wassernetzen bringt also sehr viele positi-ve Effekte für Klima, Kunde und Betreiber mit sich. Bisher hat je-doch der Aufwand für die elektrische Versorgung der Geräte den Einsatz neuer Technologien erschwert. Der Betrieb von Messstatio-

Intensiv diskutierten die Expertinnen und Experten aus den verschiedensten Berei-chen die MRE-Thematik.

Hauptursachen sind anerkanntermaßen Abwässer von Krankenhäusern, mangeln-de Hygiene und der übermäßige Einsatz von Antibiotika in der Tierzucht. Der zweite gemeinsame Nenner: Die Forschung muss deutlich ausgebaut werden.

Medizin: Immer schärferes Bewusstsein für Prävention zu erkennenProf. Dr. Georg Tuschewitzki vom Hygie-ne-Institut des Ruhrgebiets verwies darauf, dass in der Medizin zum Glück ein immer schärferes Bewusstsein für Prävention zu er-kennen ist. Vorsorgender Gewässerschutz und damit auch ein direkter Gesundheits-schutz betreffen also nicht nur Trinkwasser-schutzgebiete oder die Landwirtschaft, son-dern sind an vielen Stellen notwendig.

Landwirtschaft: problembewusst, aber wirtschaftlich sehr unter DruckAuch Dr. Michael Drees von der Bundes-tierärztekammer stellte sich der Debatte. Er wies darauf hin, dass bereits viel passiert und der Einsatz von Antibiotika bei der Tier-

haltung in den letzten Jahren bereits halbiert worden sei. Die Landwirtschaft sei aus sei-ner Sicht hierzu sehr problembewusst, stün-de aber unter großem wirtschaftlichen Druck aufgrund des globalen Wettbewerbs.

Kläranlagen: Technik kann nicht sämtli-che Stoffe aus dem Abwasser holenEs gebe keine Technik, die sämtliche Stoffe aus dem Abwasser holen kön-ne, so Dr. Issa Nafo von der EMSCHER-GENOSSENSCHAFT / LIPPEVERBAND. Würde man sämtliche Erreger entfernen wollen, so müsse man automatisch zwei bis drei Technologien neu bauen und mit-einander kombinieren und es sei nicht garantiert, dass resistente Erreger sich keine neuen Träger in Form von Umwelt-bakterien suchten.

UBA: Für Trinkwasser besteht keine RelevanzDr. Ingrid Chorus vom Umweltbundes-amt (UBA) bestätigte, dass die Thematik für Trinkwasser wegen des geringen Ex-positionsrisikos kaum von Bedeutung sei. Laut UBA besteht nach derzeitigem Wis-sensstand im normalen Alltag keine erhöh-te Gesundheitsgefährdung durch antibioti-

karesistente Bakterien. Voraussetzung sei allerdings die Einhaltung der Regeln und Standards der Trinkwasserversorgung. Chorus betonte die Bedeutung der Zulas-sungen von Arzneimitteln und der Prüfung von Umweltverträglichkeit für die gesamte Diskussion um die Spurenstoffe. Nicht im-mer wurden die beiden Themen voneinan-der abgegrenzt.

Es bleibt abzuwarten, wie sich das Thema weiterentwickelt. Von den derzeit laufenden Forschungsprojekten erhoffen sich viele, auch Gelsenwasser, belastbare Ergebnisse, damit auch in Zukunft die besten Lösungen für sauberes Trinkwasser eingesetzt werden können.

Ansprechpartner: Mulundu Sichone Pydro – Bringing Power To Smart Water Gründer und Geschäftsführer

040 766293642 [email protected]

Ansprechpartner: Henning Pretis GELSENWASSER AGVerbände und Politik

0209 708-472 [email protected]

MULTIRESISTENTE ERREGER IM FOKUS – ABER KEINE GEFAHR FÜR DAS TRINKWASSER

Geniale Idee: Die Turbine in der Wasserleitung liefert Strom

Von multiresistenten Erregern geht derzeit keine Gefahr für das Trinkwasser in Deutsch-land aus, auch wenn das Thema stark im Fokus der Öffentlichkeit steht. Dies war die Kernbotschaft eines „Parlamentarischen Abends“, zu dem Gelsenwasser im Sommer bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH) in Berlin eingeladen hatte. Der Bundestag griff das Thema ebenfalls in einer Anhörung am Folgetag auf. Das Thema ist also mehr als nur in Fachkreisen angekommen.

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„Wir wollen wieder neuen Schwung aufbauen“

transparent: Herr Kuhlmann, seit Juli 2015 stehen Sie als Nachfolger von Stephan Kohler der dena vor. Wie sehen Sie die Rolle der dena in Berlin seitdem? Andreas Kuhlmann: Energiewende verändert sich. Und das muss dann auch für die Unternehmen und Organisationen gelten, die sich mit Energiewende befassen. Klar, viele alte Themen sind geblieben: zum Beispiel Energieeffizienz oder die richtige Geschwindigkeit beim Ausbau der erneuerbaren Energien und der Netze. Aber es sind auch wichtige neue Themen hinzugekommen: die sektorübergreifende integrierte Energiewende zum Beispiel. Oder die vielen Innovationen, die wir heute sehen, verbunden mit neuen Geschäftsmodellen, die verschiedene Akteure versuchen umzusetzen – wie zum Beispiel Gelsenwasser. Über Digitalisierung und sogar Blockchain wird heute vielerorts diskutiert. All das haben wir in den letzten Jahren sehr stark in den Vordergrund gestellt. Auch die internationalen Aktivitäten haben wir professionalisiert und vorangetrieben. Ich denke, dass die dena heute bei Fragen der Gestaltung von Energiewende und Klimaschutz ganz vorne mit dabei ist. Getragen von vielen engagierten und guten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber

auch von einem großen Netzwerk an Partnern in Unternehmen, Politik und Zivilgesellschaft.

Böse Zungen in der Branche sagen, die Politik werde zu sehr von Think-Tanks wie der Agora Energiewende gemacht. Inwieweit haben sie recht? Nein, das glaube ich nicht. Zumindest kann das kein Vorwurf an die Think-Tanks sein. Davon gibt es bei so bedeutenden Projekten wie der Energiewende und dem Klimaschutz meines Erachtens eher noch viel zu wenige. Ich finde es gut, dass zum Beispiel die dena, der BDI, aber auch die Wissenschaftsakademie acatech große sektorübergreifende Studien vorgestellt haben. Es liegt an der Politik, wie sie damit umgeht. Jeder will natürlich, dass seine Ergebnisse umgesetzt werden, aber Politik muss abwägen. Die Interessen einer funktionierenden Gesellschaft und eines guten Miteinanders sind vielschichtig. Verteilungsfragen spielen eine wichtige Rolle. Auch Akzeptanz und die Zukunft von Arbeitsplätzen und der Strukturwandel. Im Guten wie im Negativen. Politik hat es nicht leicht. Jeder Input sollte als Unterstützung wahrgenommen

werden. Für uns Think-Tanks heißt das aber auch, Verantwortung im Ganzen zu übernehmen, die Zusammenhänge zu erkennen und Politik gut zu beraten. Ich denke, für die dena kann ich sagen, dass wir das als „Agentur für angewandte Energiewende“ gut umsetzen.

Die dena hat Anfang Juni ihre vielbeachtete Leitstudie „Integrierte Energiewende“ präsentiert. Haben Sie die Ergebnisse überrascht? Wir haben mit sehr vielen Experten aus den unterschiedlichsten Wirtschaftssektoren an diesem Projekt gearbeitet. Ich denke, bei diesem Austausch haben wir alle miteinander viel gelernt. Es zeigt sich: Die reine Fokussierung auf Wind, Sonne und die Direktverstromung ist nicht immer die beste Lösung, wenn man das Gesamtsystem im Blick hat. Was das konkret heißt und wie man es besser und günstiger machen kann, das haben wir an vielen Punkten sehr gut herausarbeiten können. Auch welche grundsätzlichen Fragen miteinander geklärt werden müssen, damit wir alle den gleichen Blick auf die vor uns liegenden Aufgaben haben. Die Definition von Versorgungssicherheit und unsere Rolle im internationalen Energiemarkt zum Beispiel. Angesichts einer Bearbeitungszeit von

18 Monaten, die wir in zwei Phasen mit allerlei kritischen Überprüfungen aufgeteilt haben, kann ich sagen: Die „Aha-Erlebnisse“ haben sich über die Zeit gut verteilt. Am Ende waren die Überraschungen dann nicht mehr so groß. Ich bin aber überzeugt davon, dass es gut wäre, wenn sich viele Akteure mit diesen Analysen auseinandersetzen würden. Denn zu viele glauben noch, Wind und Sonne werden es schon richten. So einfach ist das aber nicht. Spannend fand ich vor allem zu sehen, welche Chancen dieses Transformationsprojekt mit sich bringt. Aber es braucht auch Mut, Entschlossenheit und Urteilskraft. Das fehlt manchmal ein bisschen.

Unser Politikexperte Dr. Arnt Baer trifft in Berlin Andreas Kuhlmann, den Vorsitzenden der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur (dena). Im Gespräch diskutieren die beiden die politische Lage in Bezug auf die Energiewende. Was die dena als „Agentur für angewandte Energiewende“ ausmacht, warum es wichtig ist, das große Ganze nicht aus den Augen zu verlieren und wie sich der Energiemarkt aus Sicht von Kuhlmann entwickeln wird, verrät er im transparent-Interview.

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Die „Kohlekommission“ ist sehr breit gesetzt. Jeder Verband scheint nun seine Agenda hineinzutragen. Was erwarten Sie sich bei dieser Konstellation? Ich bin ganz sicher, dass die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ – so ihr vollständiger Name – Ergebnisse liefern wird, die uns voranbringen werden. Auf den ersten Blick ist die Zusammensetzung in der Tat bunt und auch überraschend. Aber vielleicht ist das gerade eine Chance.

Inwiefern wird die Kommission konkrete Lösungen entwickeln können?Der Zeitplan ist leider etwas knapp. Lösungen, die mit genau durchdachten Konzepten hinterlegt sind, wird es sicher allenfalls in Teilen geben können. Es gibt bei alledem regionalspezifische Fragen zu klären: Jobs, Perspektiven und Infrastruktur. Aber eben auch ener-giewirtschaftliche: Welchen Kraftwerkspark brauchen wir in Zukunft? Wie ist das mit der Versorgungssicherheit, dem Netzausbau und den benötigten Speichern? Haben wir das richtige Marktdesign dafür? Ich glaube nicht. Daneben gibt es auch noch industriepolitische Fragestellungen: Was passiert mit den Strompreisen und welche Auswirkungen hat das auf den Industriestandort Deutschland? Aber auch, welche Chancen schaffen wir mit dem Kohleaus-stieg – auch für neue Ideen und Geschäftsmodelle, für neue Jobs und guten Strukturwandel und für den Klimaschutz? Ich fände es gut, wenn es gelingen würde, die zu klärenden Fragen genau zu identifizieren und einigermaßen klar mit Zeitplänen und richtungsweisenden Hinweisen zu hinterlegen.

Geht das überhaupt? Ja, das geht. Es ist eine Frage der Moderation und der Bereitschaft der Kommissionsmitglieder, sich darauf einzulassen. Wenn wir vorankommen und wieder mehr Zuversicht bei den Themen haben wollen, dann brauchen wir eine klarere Orientierung. Das kann die Kommis-sion, das muss sie aber auch liefern.

Bei Ihrer großen Erfahrung für politische Abläufe: Hat Gas langfristig eine Rolle in der Energie- und der Wärmeversorgung oder ist es der nächste Energieträger, der entsorgt wird? Gas wird aus unserer Sicht in der Wärmeversorgung, aber auch darüber hinaus, wichtig bleiben. Irgendwann auf der Strecke wird es aber nicht mehr das fossile Erdgas sein, das wir heute vor allem noch kennen. Klimafreundliche, erneuerbar erzeugte Gase – wie Methan oder Wasserstoff – werden immer wichtiger. Wir reden von synthetischen Gasen, die mit Strom aus erneuerbaren Energien unter Einbeziehung von CO2 hergestellt werden. Hier sehen wir spannende Perspektiven und guten Fortschritt in Forschung und Anwendung. Politik zögert noch sehr beim Setzen der richtigen Rahmenbedingungen. Aber so langsam ändert sich das.

Die Rolle von Gas ist auch deswegen von großer Bedeutung, weil wir hier eine bestehende Infrastruktur haben. Gute und moderne Gasnetze, sogar große saisonale Speicher stehen zur Verfügung. Das Wechselspiel der Strominfrastrukturen mit den Gasinfrastrukturen wird uns in den kommenden Jahren ebenfalls stark beschäftigen. Insgesamt würde ich sagen: Viel zu tun, aber kein Grund zum Verzweifeln. Ganz im Gegenteil.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Kuhlmann. Das Interview führte Dr. Arnt Baer.

Aus dem 100-Tage-Gesetz wird ein Energiesammelgesetz, nennens-werte Projekte sind seit Beginn der Legislatur noch nicht realisiert. Hand aufs Herz: Ist Energiepolitik nicht mehr interessant? Doch, doch. Interessant auf jeden Fall! Aber eben auch kompliziert. In der Vergangenheit galt in Deutschland: Klimaschutz ist Energiewende, Energiewende ist Wind und Sonne. Das wiederum regelt das EEG und das ist kompliziert und teuer. Viele haben die Lust verloren, sich mit all den komplizierten Fragen auseinanderzusetzen. Das Gerangel rund um das sogenannte Energiesammelgesetz ist ein trauriges Beispiel dafür. Doch immer stärker sehen wir jetzt neue Berührungspunkte. Die Veränderungen im Verkehr zum Beispiel. Elektromobilität wird immer interessanter. Auch die Digitalisierung hilft uns, mehr Service-Leistungen für die Kunden zu entwickeln und dadurch mehr Freude zu erzeugen, mitzumachen bei Energiewende und Klimaschutz. Ich denke, aktuell haben wir auch wieder ein starkes Gefühl dafür in der Bevölkerung, dass wir in den vergangenen Jahren vielleicht ein bisschen zu nachlässig und behäbig geworden sind bei den Themen Energiewende und Klimaschutz. Jetzt wollen wir wieder neuen Schwung aufbauen und die Dinge vorantreiben. Das finde ich gut. Es gibt viele Gründe dafür und auch viele gute Ideen. Aber natürlich gibt es bei so einem Projekt auch komplizierte Probleme. Den Netzausbau zum Beispiel. Das darf man nicht kleinreden. Und es ist gut, dass sich Minister Altmaier nun entschlossen darum kümmern will. Wir helfen da gerne mit.

Dr. Arnt Baer trifft Andreas Kuhlmann, den Vorsitzenden der dena-Geschäftsführung, in Berlin.

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Haushalt. Dieses Projekt, das ebenfalls über die Kommunalrichtlinie gefördert wird, amortisiert sich nach wenigen Jahren.

Im Jahr 2015 hat diese Gemeinde am Niederrhein bereits erfolgreich die Straßenbeleuchtung im Rahmen eines haushaltsschonenden Contracting-Modells auf energieeffiziente LED-Technologie umgestellt. Es sind schon ca. 917 der 1.400 Leuchten auf LED umgerüstet. Das spart jährlich ca. 280.000 kWh und entlastet den Gemeindehaushalt. Der CO2-Ausstoß reduzierte sich dadurch pro Jahr um 148 Tonnen.

Neben mehr Energieeffizienz hat Hünxe auch den Einsatz erneu-erbarer Energien vorangetrieben. So sind seit 2010 über 250 kWp an Photovoltaik-Erzeugungsleistung allein auf den kommunalen Dachflächen installiert worden – auch das spart aufgrund des Eigenverbrauchanteils Energiekosten für die Gemeinde. Derzeit werden durch Photovoltaikanlagen pro Jahr ca. 250.000 kWh sauberer Strom erzeugt und CO2 in Höhe von mindestens 95 Tonnen eingespart. Darüber hinaus hat die Gemeinde bereits vor mehreren Jahren die Weichen gestellt, um Windenergieanlagen in den dafür vorgesehenen Konzentrationszonen zu bauen. Mitte 2018 gingen zwei Windparks in Betrieb, in denen sieben Anlagen mit einem Investitionsvolumen von rund 35 Mio. Euro errichtet wurden. An einem davon ist die Gemeinde über ihre Fachpartner beteiligt, so dass sie – neben der CO2-Einsparung von ca. 43.000 Tonnen pro Jahr – auch finanziell von diesen Anlagen profitiert.

Weitere Maßnahmen in Sachen „Umsetzung Klimaschutz und Energiewende“ stehen in Hünxe in den Startlöchern – die Gemeinde will ihre Vorreiterrolle bei diesem Thema weiter ausbauen.

HÜNXE VERWIRKLICHT KOMMUNALE KLIMAZIELE Gelsenwasser unterstützt bei Umsetzung

Ansprechpartner: Michael Häsel Gemeinde HünxeStellvertretender Kämmerer

02858 69-210 [email protected]

Ansprechpartner: Volkan Karagece GELSENWASSER AGDienstleistungsmanagement

0209 708-1838 [email protected]

Durch neue Beleuchtung und erneuerbare Energien geht die Gemeinde Hünxe in Sachen Klimaschutz vor-an. Unterstützt von den Gemeindewerken Hünxe und Gelsenwasser sorgen neue Technologien für eine CO2-Einsparung von über 43.000 Tonnen. Das macht sich auch in der Gemeindekasse bemerkbar.

Eines sollte klar sein: Klimaschutz ist kein fertiges Produkt, das es „von der Stange“ gibt. Jede Kommune erstellt für ihre speziellen Gegebenheiten und Bedürfnisse ein individuelles Konzept und erarbeitet idealerweise einen Weg mit realistischen Meilensteinen. Allerdings reicht es nicht aus, einen Plan zu erarbeiten. Es gilt, die beabsichtigten Maßnahmen gemeinsam mit den Bürgern und Fachpartnern der Gemeinde in die Realität umzusetzen.

Die Gemeinde Hünxe am Niederrhein hat sich das Ziel gesetzt, in allen öffentlichen Gebäuden und Liegenschaften kontinuierlich CO2 zu reduzieren und Energie einzusparen sowie den Einsatz erneuerbarer Energien zu erhöhen. Um diese Ziele zu erreichen, hat die Gemeinde gemeinsam mit ihren Fachpartnern, den Gemein-dewerken Hünxe und der GELSENWASSER AG, unterschiedliche Klimaschutzprojekte vorbereitet und umgesetzt.

Sanierungsfahrpläne für jedes GebäudeZunächst wurde zur Identifikation und Bewertung von Energieeffizienzpotenzialen in den kommunalen

Liegenschaften und technischen Anlagen eine zent-rale Datenerfassung mit Hilfe einer speziellen Software

installiert, um daraus erste Optimierungsmöglichkeiten für Verbrauch und Kosten abzuleiten. Zusätzlich zur Erstellung

eines integrierten Klimaschutzkonzepts hat sich die Gemeinde mit vier weiteren Kommunen am Kommunalen Energieeffizienznetzwerk Niederrhein KEEN (www.gel-senwasser.plus/keen) beteiligt. Ziel hierbei ist, praxisnah Erfahrungen auszutauschen und durch das Festlegen von

Energieeinsparzielen konkrete Maßnahmen umzusetzen. Außerdem hat die Gemeinde ihre Fachpartner beauftragt, ein Klimaschutzteilkonzept für die eigenen Gebäude und Liegenschaften zu erstellen. Damit verbunden ist der Aufbau eines langfristig angelegten Energiemanagements, mit dem die CO2-Emissionen und die Energiekosten durch Sanie-rungsfahrpläne für jede Liegenschaft nachhaltig gesenkt werden.

Diese Klimaschutzprojekte sowie die Stelle der Klima-schutzmanagerin wurden über die Kommunalrichtlinie gefördert. Informationen dazu und zur Förderung von Klimaschutzprojekten sind online verfügbar: https://goo.gl/EMbFSN

Neues Licht und erneuerbare Energien sparen ca. 43.268 Tonnen CO2 und GeldZusätzlich zur Optimierung der Wärmeerzeugung und des Energiebezugs wurde die Innenbeleuchtung des Rathauses auf energieeffiziente LED-Leuchten umge-rüstet. Hünxe spart dadurch pro Jahr ca. 25 Tonnen CO2 und ca. 45.000 kWh ein und entlastet damit den

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EU-Abgeordnete im Gespräch: die neue Trinkwasserrichtlinie

➊ Die in der Neufassung der Trinkwasserrichtlinie vor-gesehene Einführung eines „risikobasierten Ansatzes“ unterstützen wir grundsätzlich. Der vorsorgende und voraus-schauende Gewässerschutz ist die Grundlage für sauberes Trinkwasser. Im Detail wird über die Ausgestaltung des „risikobasierten Ansatzes“ zu diskutieren sein. Auch mit Blick auf die Struktur der Wasser-versorgung/Wasserwirtschaft in Deutschland ist in einzelnen Punkten noch nicht klar, wie die praktische Umsetzung wirklich aussehen soll. Kritische Stim-men, die befürchten, dass der „risikobasierte Ansatz“ den Besorgnisgrundsatz im WHG abschwächen könnte, nehmen wir sehr ernst. Hohe Schutzstandards für Wasser und eine Stärkung des Vor-sorgeprinzips müssen höchste Priorität haben.

➋ Verbraucherinformation über Qualität und Kontrollen von Trinkwasser sind wichtig – das schafft Transparenz und Vertrauen. Die Informati-onspflichten sollten sich also auf die Trinkwasserqualität beziehen bzw. der Trinkwasser-qualität dienen. Darüber hinaus ist genau zu prüfen, welche weiteren Informationen für die Verbraucher/-innen relevant sind und zur gewünschten Transparenz in der Wasserver-sorgung beitragen. Klar ist, die Informationspflichten dürfen nicht zu einer bürokratischen Überforderung insbesondere der zahlre ichen k le inen Wasserversorger führen, die die Struktur der deutschen Wasserwirtschaft prägen.

➊ Die verpflichtende Ein-führung des risikobasierten Ansatzes halte ich für richtig, denn nur wer alle Gefahren kennt, kann Risiken verant-wortungsvoll managen. Durch die Gefahrenanalyse für die Wasserkörper ist es in der Trink-wasserrichtlinie beispielsweise erstmals möglich, systematisch Verunreinigungsquellen zu identifizieren. Als langjährige Kommunalpolitikerin weiß ich natürlich auch, dass eine solche Umstellung für Behörden und Wasserversorger mit Aufwand verbunden ist. Die praktische Umsetzbarkeit ist für mich daher ein zentrales Anliegen. Bei der reibungslosen Umsetzung sind für mich besonders zwei Dinge zentral: Die Verantwortlichkeiten innerhalb des risikobasierten Ansatzes müssen klar definiert sein und die Überwachungs-verpflichtungen müssen die Ressourcen – besonders bei kleinen Wasserversorgern – berücksichtigen.

➋ Die Richtlinie soll in erster Linie eine gleichmäßig hohe Wasserqualität in Europa sicherstellen. Zu einem guten Verbraucherschutz gehört in meinen Augen auch, dass die Bürgerinnen und Bürger sich über die Produkte – in diesem Fall Trinkwasser – umfangreich informieren können. Daher begrüße ich die Einführung der Informationspflichten zur Wasserqualität sehr. Auf einer Mineralwasserflasche kann der Verbraucher schließlich jetzt schon die wesentlichen chemischen Werte nachlesen. Und wenn der Verbraucher weiß, wie beispielsweise Geruch, Geschmack und Trü-bung seines Leitungswassers üblicherweise beschaffen sind, ist die Wasserqualität für ihn besser nachvollziehbar. Das schafft Vertrauen.

➊ Der „risikobasierte Ansatz“ ist aus meiner Sicht wichtig, um alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen und damit das Verursacher-Prinzip umzu-setzen. Sicherstellen müssen das jedoch die Mitgliedstaaten und nicht die Wasserversorger. Diese brauchen Unterstützung dabei, die Verursacher mit in die Verantwortung zu nehmen. Eine vierte Reinigungsstufe gegen Arzneimittelrückstände ist aus meiner Sicht keine ausreichende und nachhaltige Lösung, weil sie teuer und aufwändig ist, nicht alle Rück-stände bereinigen kann und möglicherweise schädliche Abbauprodukte verursacht.

➋ Die Verbraucherinnen und Verbraucher sollten wissen, welche gesundheitlich rele-vanten Werte ihr Trinkwasser hat und informiert werden, wenn gesundheitlich relevante Grenzwerte überschritten werden. Es ist dabei wichtig, dass die Informationen verständlich aufbereitet und einfach zugänglich sind. Umfangreiche Informationen über die Bewirtschaftung der Wasserwerke sollten meines Erachtens nicht unter die Trinkwasserrichtlinie fallen.

➊ Im Grundsatz finde ich den risikobasierten Ansatz richtig. Dieser ganzheitliche Ansatz besteht in dieser Form auf europäischer Ebene bereits seit einiger Zeit auf freiwilliger Basis. Nun soll er verbindlich eingeführt werden und damit könnten bestehende Unter-schiede angeglichen werden. Ich möchte hier einen Aspekt nennen, der mich schon seit langem bei meiner Arbeit im Ausschuss für Umweltfra-gen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit beschäftigt: Materialien, die mit Wasser in Kontakt kommen, sollten keine Stoffe an das Was-ser abgeben dürfen. Deutsch-land hat hier mit vier anderen Mitgliedstaaten bereits eine Vorreiterrolle eingenommen, aber bisher fehlt es an einer klaren europäischen Regelung. Dabei ist es aber auch wichtig, dass wir bei der Einführung neuer Vorgaben mit Augenmaß vorgehen, denn die lokalen und regionalen Begebenheiten sind je nach Mitgliedstaat sehr unterschiedlich.

➋ Ich finde, dass rein wirt-schaftliche Informationen für den Verbraucher nicht in erster Linie relevant sind. Außerdem sind diese größtenteils schon zugänglich. Wichtige Informa-tionen für den Verbraucher sind Informationen, die die Qualität des Trinkwassers betreffen. Gerade in heißen Sommern – wie in diesem Jahr – stellt sich auch die Frage nach der Versorgungs-sicherheit. Ich finde, dass dem Verbraucher vor Augen geführt werden muss, dass sauberes Trinkwasser eine endliche Ressource ist. Aus diesem Grund finde ich wichtig, dass Verbraucher darüber informiert werden, wie sich der eigene Wasserverbrauch im Vergleich zu anderen Verbrauchern gestaltet. Diese Information könnte zu einem sparsameren Gebrauch dieser wertvollen Ressource beitragen.

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Die Trinkwasserrichtlinie soll modernisiert werden. Damit soll der „risikobasierte Ansatz“ Pflicht werden. Was halten Sie davon und wie kriegen alle Beteiligten den Ansatz umgesetzt?

Die Richtlinie umfasst diverse neue Informationspflichten der Wasserversorger an die Verbraucher. Welche Informationen halten Sie für wichtig für die Menschen?

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MARTIN HÄUSLING

TIEMO WÖLKENSPD-Europaabgeordneter

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BIRGIT COLLIN-LANGENCDU-Europaabgeordnete

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ULRIKE MÜLLEREuropaabgeordnete der FREIEN WÄHLER

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Wie weit sind die Mitgliedstaaten auseinander? Wird die DWD noch bis zur nächsten Wahl zustande kommen? 4.

➌ Wir unterstützen die Vor-schläge der EU-Kommission, den Zugang zu Wasser für alle Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen. Dieses war ein Kernanliegen der Euro-päischen Bürgerinit iative Right2Water. Die Bereitstellung öffentlicher Trinkbrunnen oder von kostenlosem Trinkwasser in öffentlichen Gebäuden, Kantinen oder Restaurants unterstützen wir.

➍ Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich nicht abschätzen, ob es noch zu einer Einigung in dieser Legislaturperiode kommt.

➌ Jeder Mensch sol l te Zugang zu sauberem Trink-wasser haben, da sind sich alle einig. Ich halte es auch für richtig, die Mitgliedstaaten in die Pflicht zu nehmen, falls dieser Zugang noch nicht aus-reichend sichergestellt wird. Allerdings unterscheiden sich die Strukturen in den verschie-denen Ländern und Regionen stark voneinander. Deshalb ist es der richtige Weg, dieses Thema im Rahmen einer Richtlinie zu regeln. So können wir die notwendige Flexibilität sicherstellen, damit jeweils vor Ort eine angemessene Lösung gefunden werden kann.

➍ Das hängt ganz vom Thema ab. Bei einigen Fragen, wie bei-spielsweise den Materialien in Kontakt mit Trinkwasser, erlebe ich eine große Einigkeit der Mitgliedstaaten. Bei anderen Themen, wie dem Zugang zu Wasser, gibt es natürlich auf-grund der unterschiedlichen lokalen Strukturen verschie-dene Ansichten. Ich würde die Richtlinie sehr gerne vor der Wahl abstimmen, weil ich mir davon viel für die Bürgerinnen und Bürger verspreche. Das hängt aber ganz davon ab, ob der Rat pragmatisch arbeitet.

➌ Es ist richtig, dass die bis-herige Trinkwasserrichtlinie vor allem die Qualität des Wassers regelt. Wir Sozialdemokratin-nen und Sozialdemokraten wollen, dass sie auch den Zugang zu Trinkwasser regelt. Wir schlagen daher eine Ausweitung des Anwendungs-bereichs vor. Sauberes Trink-wasser ist ein Menschenrecht und universaler Zugang ist auch vielen Bürgerinnen und Bürgern wichtig, das hat die Europäische Bürgerinitiative hierzu gezeigt. Daher setzen wir uns dafür ein, dass die europäischen Regierungen sich verpflichten, den Zugang aller Menschen zu Trinkwasser sicherzustellen.

➍ Bei einigen Themen sind die Mitgliedstaaten sich sehr einig und haben eher Meinungs-verschiedenheiten mit der Europäischen Kommission. Hierzu gehört sicherlich der Aspekt der Standardisierung von Materialien im Kontakt mit Trinkwasser. Viele elementare Fragen, wie beispielsweise der Zugang zu Wasser, sind aber auch noch nicht in der erforderlichen Tiefe diskutiert worden. Ich hoffe, dass die österreichische Ratspräsi-dentschaft aufs Tempo drückt, dann wird die Trinkwasserricht-linie auch noch vor der Wahl abgeschlossen.

➌ Ja, das ist tatsächlich eines der kontroversesten Themen, aber auch ein sehr wichtiges! Es ist ein Thema, das die Bürger sehr beschäf tigt. Dieser Anspruch geht auf die europäische Bürgerinitiative „Right2Water“ zurück, die von 1,6 Millionen Bürgern unterstützt wurde. Ich finde, dass in der Richtlinie auch hier Regelungen mit Augenmaß gefunden werden müssen, die den lokalen Begebenheiten der jeweiligen Mitgliedstaaten angepasst sind. Denn es ist beispielsweise schwierig, bei Minusgraden im Winter den freien Zugang zu Wasser ganz-jährig zu gewähren. Auch bei schwierigen topografischen Verhältnissen – zum Beispiel Bergregionen – steht der finanzielle Aufwand, fließen-des Wasser für jeden Hof zu garantieren, nicht in Relation zum Nutzen.

➍ In vielen Punkten sind die Mitgliedstaaten weit vonei-nander entfernt. Das liegt unter anderem daran, dass die lokalen Begebenheiten innerhalb der Europäischen Union sehr unterschiedlich sind und natürl ich auch daran, wie die ursprüngliche Richtlinie bereits umgesetzt wurde. Weitreichendere Vor-gaben bringen wenig, wenn die grundlegenden Vorgaben noch nicht erreicht sind. Ob wir die Trinkwasserrichtlinie noch in dieser Legislaturperiode verabschieden werden, hängt im hohen Maße auch von der Arbeit und Kompromissbereit-schaft der Mitgliedstaaten im Rat ab. Das Parlament arbeitet intensiv, es liegt jedoch nicht nur in unserer Hand.

Eines der kontroversesten Themen ist der sogenannte „Zugang zu Wasser“. Was sollte die Richtlinie hierzu regeln?3.

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