Dokument_44.pdf (1384 KB)

312
Blended Help Ein innovatives Konzept Sozialer Arbeit im Spannungsfeld von Marktökonomisierung und Betroffenenselbsthilfe Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophisch-Pädagogischen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt vorgelegt von Diplom-Sozialpädagoge (FH) Martin Stummbaum aus Eichstätt 2009

Transcript of Dokument_44.pdf (1384 KB)

Page 1: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Blended Help

Ein innovatives Konzept Sozialer Arbeit im

Spannungsfeld von Marktökonomisierung und

Betroffenenselbsthilfe

Inaugural-Dissertation zur

Erlangung des Doktorgrades der Philosophisch-Pädagogischen Fakultät

der Katholischen Universität

Eichstätt-Ingolstadt

vorgelegt von

Diplom-Sozialpädagoge (FH) Martin Stummbaum

aus Eichstätt

2009

Page 2: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Referent: PD Dr. Bernd Birgmeier

Koreferent: Univ.-Prof. Dr. Hans-Ludwig Schmidt

Tag der letzten mündlichen Prüfung: 27. November 2009 (gemäß § 15 Abs. 1)

Page 3: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Inhaltsübersicht

Vorwort

1 Themenhinführung: Marktökonomisierung und „Betroffenenselbsthilfeenga-gementisierung“ als Basistrends der Innovation „Blended Help“ 8

2 Themeneinführung: Dynamisierung Sozialer Arbeit im Spannungsfeld von Marktökonomisierung und „Betroffenenselbsthilfeenga-gementisierung“ 16

3 Basistrends: Marktökonomisierung und „Betroffenenselbsthilfeenga-gementisierung 27

3.1 Das „Soziale“ in der Betroffenenselbsthilfe 30

3.2 Marktökonomisierung und „Betroffenenselbsthilfeenga-gementisierung“ in der Postmoderne 54

4 Strategiekontext: Betroffenenselbsthilfe als marktstrategischer Erfolgsfaktor 65

5 Blended Help: Eine einführende Grundlegung 82

6 Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung

90

6.1 Dienstleistungskontext: Hybride Bewältigungsarrangements 101

6.1.1 Hybride Bewältigungsarrangements am Beispiel der Schuldnerberatung in der Sozialen Arbeit 118

Page 4: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6.2 Beratungskontext: Vom Empowerment zum Coaching von Betroffenen-selbsthilfeengagement 131

6.2.1 Empowerment von Betroffenenselbsthilfeengagement 131

6.2.2 Coaching von Betroffenenselbsthilfeengagement 145

6.3 Unterstützungskontext: Kundenselbsthilfegruppen als eine begleitete Neukonfigu-ration von Betroffenenselbsthilfeengagement 150

6.4 Kommunaler Kontext: Hilfe für die Hilfen vor Ort 169

6.4.1 Kommunale Daseinsvorsorge 169

6.4.2 Kommunales Blended Help 181

7 Blended Help: Eine kompakte Zusammenfassung 199

8 Forschungsdesiderate: Empirische Erhebung: Wertekonstruktion, Sinnzuschrei-bung und Identitätsentwicklung in Betroffenenselbsthilfeg-ruppen 221

9 Ausblick: Soziale Arbeit zwischen Selbstbeschränkung und Selbst-verwirklichung 245

Literaturverzeichnis 252

Page 5: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abb. 1 Marktwirtschaftliche Rautenkonfiguration der Sozialen Arbeit

19

Abb. 2 Strategische Grundszenarien 20

Abb. 3 Matrix zur (markt)strategischen Positionierung 22

Abb. 4 Verhältnis von Selbsthilfeengagierten sowie von an

Selbsthilfeengagement interessierten und an Selbsthilfeengagement uninteressierten Personen

53

Abb. 5 Bezugnahmesektoren gegenüber Selbsthilfegruppierungen

66

Abb. 6 GAP-Modell der Dienstleistungsqualität 68

Abb. 7 Qualitätslücken im Dienstleistungsprozess 69

Abb. 8 Empfehlungsmarketing und Betroffenenselbsthilfe 74

Abb. 9 Integration von Kunden/innen in den Dienstleistungs-

prozess

80

Abb. 10 Bewältigungsoptimales Arrangement Blended Help 83

Abb. 11 Realisierungskorridor von Blended Help 98

Abb. 12 Handlungsmodelle nach Engelhardt (2005) 111

Abb. 13 Qualitätsmodell nach Kano (1984) 115

Abb. 14 Kundenselbsthilfegruppen und Schuldnerberatung (Wartephase)

120

Abb. 15 Kundenselbsthilfegruppen und Schuldnerberatung

(Transferphase)

126

Abb. 16 Formen misslingenden Selbsthilfeengagements 154

Abb. 17 Blended Help und Selbsthilfekontaktstellen bzw. Selbsthilfeunterstützungseinrichtungen

162

Abb. 18 Modellvorhaben: Begleitete Selbsthilfegruppe 165

Abb. 19 Begleitete Selbsthilfegruppe in Blended Help 168

Page 6: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abb. 20 Hilfe für die Hilfen vor Ort 186

Abb. 21 Entwicklungsphasen der aktuellen Selbsthilfe-bewegung und Selbsthilfeunterstützung

199

Abb. 22 Kapitelstruktur der Dissertationsschrift 205

Abb. 23 Graswurzel-Paradigma der Selbsthilfeunterstützung 207

Abb. 24 Regenschirm-Paradigma von Blended Help 208

Abb. 25 Hilfe für die Hilfen vor Ort 210

Abb. 26 Anwendungsszenarien des hybriden Arrangements

von Blended Help

212

Abb. 27 Blended Help Realisierungskorridor 213

Abb. 28 Bewältigungsoptimales Arrangement Blended Help 213

Abb. 29 Blended Help und Selbsthilfekontaktstellen bzw. Selbsthilfeunterstützungseinrichtungen

214

Abb. 30 Theoretisches Modell zur Beschreibung der

Bedingungsfaktoren des Beginns und der Aufrecht-erhaltung von Selbsthilfegruppenengagement

226

Abb. 31 Die zehn Wertetypen nach Schwartz (1992) 235

Abb. 32 Hase-Igel-Phänomen 248

Tab. 1 Leistungen von innen- und außenorientierten Selbsthilfegruppen

47

Tab. 2 Motivationen und Problemkonstellationen von

Selbsthilfeengagierten

50

Tab. 3 Unabhängige Patientenberatung Statistik 184

Tab. 4 Fragebögen der Betroffenenselbsthilfestudie 229

Tab. 5 Wertedimensionen PVQ IV 237

Tab. 6 Ursachenzuschreibungen Gesundheit/Krankheit 241

Page 7: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Vorwort 6

Nachdem ich mein Studium der Diplompädagogik mit dem Schwerpunkt der Sozialpädagogik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt im Wintersemester 1998/1999 wegen eines schweren Autounfalls abbre-chen musste, arbeitete ich mehrere Jahre in der Praxis Sozialer Arbeit, ehe mich meine Tätigkeit beim Bundesmodellprogramm „Selbstbestimmt Wohnen im Alter“ wieder in Kontakt mit dem Lehrstuhl für Sozialpädagogik und (mittlerweile) Gesundheitspädagogik der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt brachte. Meine anschließende Tätigkeit als Geschäftsführer des Selbsthilfezent-rums München vertiefte schließlich den Kontakt zum Lehrstuhl für Sozial-pädagogik und Gesundheitspädagogik der Katholischen Universität Eich-stätt-Ingolstadt und ließ die Idee zur vorliegenden Dissertationsschrift rei-fen. Die vorliegende Dissertationsschrift fußt auf dieser Tätigkeit. Aus der So-zialpädagogik in die professionelle Selbsthilfeunterstützung der „gesund-heitsdominanten“ Betroffenenselbsthilfe kommend drängte sich mir bald die Frage auf, ob es denn nicht möglich sein könnte, neben der florieren-den gesundheitsbezogenen Betroffenenselbsthilfe auch eine Betroffenen-selbsthilfe mit sozialen Problemkontexten und für sozial benachteiligte Menschen zu unterstützen. Der Fokus dieser Fragestellung fundierte sich im Laufe meiner Tätigkeit und floss schließlich in ein Praxismodellprojekt zur Förderung der (sozia-len) Betroffenenselbsthilfe von sozial benachteiligten Menschen ein. Mein besonderer Dank gilt an dieser Stelle den selbsthilfeengagierten Menschen, denen ich in den über fünf Jahren meiner Unterstützungstätig-keit in der Betroffenenselbsthilfe begegnen durfte, und die mir nicht nur reichhaltige Quelle für die Beantwortung meiner Fragestellung waren, sondern Vorbild, wie sie mit den Erkrankungen und Schicksalsschlägen, von denen sie betroffen waren, umgingen. Ein besonderes Dankeschön gilt auch meinen früheren Kollegen/innen Herrn Dipl. Sozialpädagogen (FH) Andreas Schultz und Frau Dipl. Sozial-

Page 8: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Vorwort 7

pädagogin (FH) Mirjam Unverdorben, die mich an ihren reichhaltigen Er-fahrungsschätzen in der professionellen Unterstützung von Betroffenen-selbsthilfeengagement teilhaben ließen. Ein ganz besonderes Dankeschön gilt Herrn Univ.-Prof. Dr. phil. habil. Hans-Ludwig Schmidt, M.A., der mir die Möglichkeit gegeben hat, diese aus der Praxis entwickelte Fragestellung auf wissenschaftlicher Ebene weiterzubearbeiten und das Thema der Unterstützung von sozialer Betrof-fenenselbsthilfe in die Wissenschaft einzubringen und zu vertreten. Für sein Vertrauen und seine konstruktive und kritische Unterstützung und Förderung gebührt ihm ein herzliches Dankeschön. Neben Herrn Univ.-Prof. Dr. phil. habil. Hans-Ludwig Schmidt, M.A., danke ich im Besonderen Herrn PD Dr. phil. habil. Bernd R. Birgmeier, der in Erstbetreuung diese Arbeit begleitete und der in seiner theoretischen Er-schließung des Coachings für die Sozialpädagogik einen neuen Zugang der Unterstützung von Betroffenenselbsthilfeengagement ebnete. Des Weiteren gilt mein besonderer Dank Frau PD Dr. phil. habil. Margit Stein, die die im Rahmen des Promotionsvorhabens entwickelten und ent-standenen Forschungsprojekte „Wertekonstruktion, Sinnzuschreibung und Identitätsentwicklung in Selbsthilfegruppen“ und „Christliche Wertebildung in Selbsthilfegruppen“ mit ihrem Know-how in der Werteforschung berei-cherte und ermöglichte. Auch danke ich allen weiteren Mitarbeiter/innen, denen ich am Lehrstuhl für Sozialpädagogik und Gesundheitspädagogik begegnen durfte, nament-lich insbesondere Frau Irmgard Kleinert. Abschließend gilt mein besonderer Dank Frau Dipl. Pädagogin Ingrid Zan-ge, die dieses Promotionsprojekt immer wohlwollend kritisch begleitete.

Page 9: Dokument_44.pdf (1384 KB)

1. Themenhinführung 8

1. Marktökonomie und „Betroffenenselbsthilfeengagementisierung“ als Basistrends der Innovation „Blended Help“ Mit der (zunehmenden) Marktökonomisierung Sozialer Arbeit befinden sich Wohlfahrtsverbände und freigemeinnützige Trägerorganisationen in einem gravierenden Veränderungsprozess begriffen, der gleichermaßen von großen Chancen als auch von erheblichen Risiken flankiert ist (vgl. DAHME, KÜHNLEIN & WOHLFAHRT 2005, MENNINGER 2007). Die sich vollzie-henden Veränderungen betreffen dabei nicht nur die vom Trend zur Mark-tökonomisierung der Sozialen Arbeit unmittelbar betroffenen Bereiche der Leistungsfinanzierung und -erbringung, sondern erschüttern Wohlfahrts-verbände und freigemeinnützige Trägerorganisationen in ihrem wertege-bundenen und intermediären Organisationsverständnis (vgl. BACKHAUS-MAUL & OLK 1994). RAUSCHBACH, SACHßE und OLK (1995) markieren die Wegstrecke von der Wertegemeinschaft zum marktorientierten Dienstleis-tungsunternehmen, die wohlfahrtsverbandliche und freigemeinnützige Trägerorganisationen im Zuge der Marktökonomisierung der Sozialen Ar-beit zurücklegen müssen. Formal lässt sich der Transformationsprozess wohlfahrtsverbandlicher und freigemeinschaftlicher Trägerorganisationen auch an der (neu) aufkommenden Begriffskategorie sozialökonomischer Organisationen festmachen (vgl. ARNOLD & MAELICKE 1998). Die intermediäre Stellung von Wohlfahrtsverbänden und freigemeinnützi-gen Trägerorganisationen zwischen dem formellen Sektor (Staat/Markt) und dem informellen Sektor (Familie/Freunde/Nachbarn) begründet sich aus dem Subsidiaritätsprinzip, das der katholischen Soziallehre entstammt (vgl. MÜNDER & KREFT 1990, GOLL 1991, LAMPERT & ALTHAMMER 2001). Zum Subsidiaritätsprinzip wird in der Sozialenzyklika „Quadragesimo an-no“ von PAPST PIUS XI. (1931) ausgeführt: „Wie dasjenige, was der Ein-zelmensch aus eigener Initiative und mit eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das, was die kleineren und unter-geordneten Gemeinwesen leisten und zum guten Ende führen können, für

Page 10: Dokument_44.pdf (1384 KB)

1. Themenhinführung 9

die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen; zu-gleich ist es überaus nachteilig und verwirrt die ganze Gesellschaftsord-nung. Jedwede Gesellschaftstätigkeit ist ja ihrem Wesen und Begriff nach subsidiär; sie soll die Glieder des Sozialkörpers unterstützen, darf sie aber niemals zerschlagen oder aufsaugen“ (Die sozialen Enzykliken (1963: 64) in: BRÜCK 1976: 44). Für die Wohlfahrtsverbände und freigemeinnützigen Trägerorganisationen leitete sich aus dem Subsidiaritätsprinzip eine Vorrangstellung gegenüber öffentlichen Trägerschaften sowie sozialpolitische und sozialplanerische Mitgestaltungsmöglichkeiten ab (vgl. KLUG 1997). Auch wenn die eingeleiteten marktökonomischen Transformationsprozes-se bis dato noch keine präzise konturierte und detailliert ausgestaltete Zielvorstellung eines Markts der Sozialen Arbeit erkennen lassen, häufen sich Befürchtungen, dass die Privilegierung gemeinnütziger Trägerorgani-sationen sowie die wohlfahrtsverbandliche Mitgestaltungsfunktion an der deutschen Sozialpolitik und Sozialplanung auf dem Weg zu einem Markt der Sozialen Arbeit auf der Strecke bleibt und zu einer Mitbewerberfunkti-on verkümmert (vgl. BACKHAUS-MAUL 2003, BACKHAUS-MAUL & OLK 1994, DAHME, KÜHNLEIN & WOHLFAHRT 2005). Insofern überrascht es nicht, wenn Risikoszenarien im Mainstream aktuel-ler Fachdiskussionen mögliche Positivperspektiven überschatten. Die stra-tegische Blickrichtung wohlfahrtsverbandlicher und freigemeinnütziger Trägerorganisationen ist vor diesem Hintergrund auf die Vermeidung po-tenzieller marktwirtschaftlicher Risiken fixiert und lässt sozialpädagogische bzw. -arbeiterische Fachlichkeit und Innovation leicht ins Hintertreffen ge-raten. Im Rahmen dieser Dissertationsschrift soll der strategische Blick aus die-ser Fixierung gelöst und (wieder) auf sozialpädagogisches bzw. sozial-arbeiterisches Terrain gerichtet werden, um, dort angekommen, einen In-novationsansatz zu generieren, welcher sozialpädagogische bzw. sozial-

Page 11: Dokument_44.pdf (1384 KB)

1. Themenhinführung 10

arbeiterische Fachlichkeit mit betriebswirtschaftlichem Know-how zu einer überzeugenden Marktperformance wohlfahrtsverbandlicher und freige-meinnütziger Trägerorganisationen arrangiert. Intention ist demzufolge ein innovativer Ansatz, der gleichermaßen eine fachliche Weiterentwicklung Sozialer Arbeit anstößt, an marktökonomische Diskurse anschlussfähig ist sowie für wohlfahrtsverbandliche und freigemeinnützige Trägerorganisa-tionen eine marktstrategische Perspektive zur erfolgreichen Positionierung im sich konstituierenden Markt der Sozialen Arbeit aufzeigt. Bei den beiden dieser Dissertationsschrift zugrunde gelegten Innovationen handelt es sich um eine Weiterentwicklung des Grundsatzes „Hilfe zur Selbsthilfe“ sowie um das innovative Konzept Blended Help. Die Innovation des sozialrechtlichen und in der Sozialen Arbeit gängigen Grundsatzes „Hilfe zur Selbsthilfe“ lässt sich in zweierlei Richtungen voll-ziehen. Zum einen in Richtung eines „Updates“ und zum zweiten in Rich-tung eines „Upgrades“. Die Innovationsperspektive in Richtung eines Up-dates bedeutet, dass in sozialpädagogischen bzw. -arbeiterischen Berei-chen, in denen die Umsetzung dieses Grundsatzes bereits kollektive For-men der Selbsthilfe impliziert, diese optimiert werden. Die zweite Innovati-onsperspektive in Richtung eines Upgrades hingegen ergänzt sozial-pädagogische bzw. sozialarbeiterische Bereiche, in denen der Grundsatz „Hilfe zur Selbsthilfe“ lediglich auf einer individuellen Ebene umgesetzt wird, um kollektive Formen der Selbsthilfe. Beide Richtungsvarianten zie-len darauf, den Grundsatz „Hilfe zur Selbsthilfe“ in eine die Formen indivi-dueller und kollektiver Selbsthilfe gleichermaßen betonende Version über-zuführen. Auf die Fundamente eines solchermaßen aktualisierten Grundsatzes „Hilfe zur individuellen und kollektiven Selbsthilfe“ baut das innovative Konzept Blended Help auf. Das Label „Blended Help“ ist angelehnt an den Angli-zismus des „Blended Learning“ und bezeichnet einen integrativen Ansatz Sozialer Arbeit, der ein bewältigungsoptimales Arrangement sozialpäda-gogischer bzw. -arbeiterischer Hilfen mit individuellen und kollektiven For-men der Selbsthilfe vorsieht. Das Innovationszentrum von Blended Help

Page 12: Dokument_44.pdf (1384 KB)

1. Themenhinführung 11

liegt in einem methodischen Hilfesetting zur individuellen und kollektiven Selbsthilfe verortet. Blended Help unterscheidet sich damit nicht nur von Hilfeansätzen zur individuellen Selbsthilfe, sondern auch von den üblichen Angeboten zur Unterstützung von Selbsthilfegruppenengagement, die von sogenannten Selbsthilfekontakt- und Selbsthilfeunterstützungsstellen be-reitgestellt werden (vgl. DEUTSCHE ARBEITSGEMEINSCHAFT SELBSTHILFE-

GRUPPEN E.V. 2001). Das deutschlandweite Netz der Selbsthilfegruppen-unterstützung zählte 2007 insgesamt 273 Selbsthilfekontaktstellen und Selbsthilfeunterstützungseinrichtungen mit weiteren 46 Außen- bzw. Zweigstellen (NAKOS 2007). In ihren Arbeitsansätzen sind die Selbsthilfe-kontakt- und Selbsthilfeunterstützungsstellen (noch) vom Gründungsmy-thos der „neuen“ Selbsthilfebewegung Ende der 1970er Jahre geprägt. Zwar sind die damaligen Selbsthilfegruppenparadigmen wie beispielswei-se „Selbsthilfegruppen als gelebte Basisdemokratie„ und „Betroffenen-selbsthilfe als berufsprofessionelle Abstinenzzone“ mittlerweile löchrig ge-worden und haben in der aktuellen Selbsthilfegruppenszene schon längst ihren fundamentalen Gehalt verloren, dennoch sind die Angebotssettings der Selbsthilfekontakt- und Selbsthilfeunterstützungsstellen in ihren me-diaten und reaktiven Ausrichtungen vom Mythos dieser längst überholten Gründungszeit noch immer inspiriert. SCHILLER (2008: 7) weist in diesem Zusammenhang auf die Gefahr hin, dass sich Selbsthilfekontakt- und Selbsthilfeunterstützungsstellen aufgrund solcher abwartend reaktiver Ar-beitsansätze zunehmend zu einer Art von Servicestelle degradieren, de-ren Fokus auf die Bearbeitung eingehender Anfragen gerichtet ist. Im Vergleich zu den Selbsthilfekontakt- und Selbsthilfeunterstützungsstel-len ist das innovative Konzept Blended Help als immediates Unter-stützungssetting konzipiert und verfolgt eine offensive und initiierende An-gebotsausrichtung. Als Zwischenfazit lässt sich festhalten, dass die beiden Innovationen die Intentionsstellung dieser Dissertationsschrift auf den genannten drei An-forderungsebenen durchwegs erfüllen. Im einzelnen werden die drei Inten-tionsebenen einer fachlichen Weiterentwicklung Sozialer Arbeit, einer An-

Page 13: Dokument_44.pdf (1384 KB)

1. Themenhinführung 12

schlussfähigkeit an marktökonomische Diskurse sowie einer marktstrate-gischen Perspektivenformulierung für wohlfahrtsverbandliche und freige-meinnützigen Trägerorganisationen wie folgt erfüllt: Auf der ersten intentionalen Anforderungsebene sozialpädagogischer und sozialarbeiterischer Fachlichkeit sind die beiden Innovationen des Grund-satzes „Hilfe zur Selbsthilfe“ und „Blended Help“ überfällig, um den Trend zur Betroffenenselbsthilfeengagementisierung innerhalb der Sozialen Ar-beit entsprechend aufgreifen zu können. Der Neologismus der Betroffenenselbsthilfeengagementisierung etikettiert die Erfolgsgeschichte der „neuen“ Betroffenenselbsthilfe, die sich von ei-nem alternativen Nischenphänomen zu einer gesellschaftlichen Bewegung mit circa 100.000 Selbsthilfegruppen und geschätzten drei Millionen enga-gierten Bürger/innen entwickelt hat (ROBERT KOCH-INSTITUT 2004). Der Er-folgstrend zur Betroffenenselbsthilfeengagementisierung wird überwie-gend von Selbsthilfegruppen getragen, die in einem thematischen Bezug zum Gesundheitswesen und zum Kinderbetreuungsbereich stehen. Vor dem Hintergrund dieser Erfolgsgeschichte der „neuen“ Selbsthilfe-bewegung mag es verwundern, dass der Förderung und Unterstützung von Betroffenenselbsthilfe innerhalb der Sozialen Arbeit bisher nur eine marginale Bedeutung beigemessen wird. Ein vertiefter Blick hinter die vor-dergründige Affinität des Grundsatzes „Hilfe zur Selbsthilfe“ und der Be-troffenenselbsthilfe fördert ein Bündel von Unterschiedlichkeiten und Hemmfaktoren zutage. HILL (2008) weist in diesem Zusammenhang auf die grundsätzliche Problematik hin, dass in der Sozialen Arbeit „Hilfe zur Selbsthilfe“ „zwar eine viel zitierte, aber insgesamt eher weniger praktizier-te und oft sogar uneingelöste Maxime“ (HILL 2008: 23) darstellt. Erschwe-rend kommt hinzu, dass für Klienten/innen der Sozialen Arbeit gemeinhin angenommen wird, dass sich für diese Personengruppe der Zugang in die Betroffenenselbsthilfe i.d.R. schwierig gestaltet (vgl. NICKEL ET AL. 2006, GILLICH 2003). Die „neue“ Selbsthilfebewegung steht deshalb vielfach im Ruf, eine Mittelschichtsveranstaltung zu sein. BRÖMME und STRASSER (2000, 2001) bewerten Selbsthilfegruppierungen als exklusive Solidaritä-

Page 14: Dokument_44.pdf (1384 KB)

1. Themenhinführung 13

ten, die zunehmend an Stelle traditioneller Organisationen wie Gewerk-schaften, Kirchen und Wohlfahrtsverbänden treten, deren Mitgliedschaft bzw. Zugehörigkeit allerdings nicht mehr primär milieubezogen erlangt wird, sondern aus einem spezifischen Lebens- und Bewältigungskontext exklusiv angestrebt und aufgesucht werden muss. HILL, STUMMBAUM und ZINK (2007) resümieren, dass in der Sozialen Arbeit hinsichtlich der Be-zugnahme auf Betroffenenselbsthilfegruppierungen ein konzeptioneller und methodischer Nachholbedarf besteht. Auf der zweiten intentionalen Anspruchsebene sind die beiden Innovatio-nen eines Updates bzw. Upgrades des Grundsatzes „Hilfe zur Selbsthilfe“ und „Blended Help“ – wie postuliert – gegenüber betriebs- bzw. marktwirt-schaftlichen Diskursen anschlussfähig. Diese Anschlussfähigkeit ist u.a. hinsichtlich allgemeiner Fragestellungen des Kundenmanagements und der Leistungsallokation sowie gegenüber dem im Geschäfts- und Verwal-tungsbereich dominanten Strategietrend zum Miteinbeziehen von Kun-den/innen in den Herstellungsprozess von Waren und Dienstleistungen gegeben (vgl. VOSS & RIEDER 2005). Das Unternehmen Ikea fügte beispielsweise diesem letztgenannten Stra-tegietrend mit seinem die Herstellungskosten reduzierendem Geschäfts-modell, bei dem die Möbelendmontage an die Kundschaft ausgelagert wird, seinerzeit ein revolutionäres Etappenstück bei (vgl. BENKENSTEIN 1998). Die beiden Innovationen des Grundsatzes „Hilfe zur Selbsthilfe“ und „Blended Help“ finden sich in diesem Strategietrend nicht nur verortet, sondern können vor allem auch ein zukunftsweisendes Etappenstück zur weiteren Strategieentwicklung sowohl inner- als auch außerhalb der So-zialen Arbeit beisteuern, da sie kostenpositive Effekte nicht nur auf direk-tem, sondern auch indirektem Wege erzielen können. Direkte Kostenvor-teile können mittels der beiden Innovationen bei der Bereitstellung und im Herstellungsprozess von Dienstleistungen generiert werden. Beispielswei-se können direkte Kostenvorteile durch die Übertragung von Nachbe-treuungsaufgaben an Selbsthilfegruppen oder mittels von Selbsthilfegrup-pen getragenen Wochenendnotdiensten realisiert werden. Des Weiteren

Page 15: Dokument_44.pdf (1384 KB)

1. Themenhinführung 14

können indirekte kostenpositive Effekte entfaltet werden, da die beiden In-novationen auf das besondere Verhältnis zwischen Produktion und Kon-sumption im Sinne einer Koproduktion von Dienstleistungen in der Sozia-len Arbeit positiv einwirken können. Dieses geschieht beispielsweise da-durch, dass Selbsthilfegruppen einen unterstützenden Rahmen für den Koproduktionsprozess sozialer Dienstleistungen bereitstellen können. Auf der dritten intentionalen Anspruchsebene lassen sich hinsichtlich der beiden Innovationen – wie postuliert – für wohlfahrtsverbandliche und frei-gemeinnützige Trägerorganisationen in mehrfacher Hinsicht marktstrate-gische Potenziale identifizieren. Beide Innovationen bahnen einen konzep-tionell-methodischen Korridor für immediate Bezugnahmen auf den Trend zur Betroffenenselbsthilfeengagementisierung. Mit dem Beschreiten dieses immediaten Bezugskorridors auf die Betroffe-nenselbsthilfe erschließen sich für wohlfahrtsverbandliche und freigemein-nützige Trägerorganisationen nicht nur (markt)strategische und operative Potenziale, professionelle Hilfesettings kosten- und ergebnispositiv(er) zu gestalten, sondern grundsätzlich auch die Perspektive, wertefundierte und intermediate Organisationssphären mittels Betroffenselbsthilfeengage-ment zu (re)vitalisieren. Die immediate Bezugnahme auf die Betroffenen-selbsthilfe ist im Ansatz vergleichbar mit der u.a. von BACKHAUS-MAUL und SPECK (2006) formulierten Organisationsstrategie bürgerschaftliches En-gagement nicht nur hinsichtlich der Notwendigkeit der Legitimation wohl-fahrtsverbandlicher und freigemeinnütziger Privilegien zu fördern, sondern im Zuge der Marktökonomisierung Sozialer Arbeit vor allem auch als stra-tegisches Marktpotenzial gegenüber kommerziellen Marktanbietern zu entwickeln. Bei der Umsetzung dieser beiden Strategien ist zu beachten, dass Betroffenenselbsthilfe zwar definitorisch dem Bürgerschaftlichen En-gagement zugeordnet ist, jedoch aufgrund der eigenen Betroffenheit der Selbsthilfeengagierten gesonderte Bezugskorridore notwendig sind. Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass es aufgrund des interdis-ziplinären Gehalts der beiden einführend vorgestellten Innovationen der

Page 16: Dokument_44.pdf (1384 KB)

1. Themenhinführung 15

Weiterentwicklung des Grundsatzes „Hilfe zur Selbsthilfe“ und des innova-tiven Konzepts Blended Help gelingt, die Bewältigung wohlfahrtsverband-licher und freigemeinnütziger Herausforderungen der (zunehmenden) Marktökonomisierung Sozialer Arbeit aus der Federführung eines be-triebswirtschaftlichen Kontextes in den originären Kontext der Sozialen Arbeit zurückzuholen. Mit diesem Rückholvorgang strategischer Manage-mentkompetenz sollen keine Umkehrprozesse in der Marktökonomisie-rung Sozialer Arbeit eingeleitet werden, sondern ein im doppelten Sinne innovatives Marktverständnis soll in den Diskurs der Marktökonomisierung Sozialer Arbeit eingeführt werden. Innovativ in einem ersten Sinnkontext, weil dieses Marktverständnis au-ßerhalb der in der Sozialen Arbeit gängig diskutierten Marktvorstellungen liegt und damit einen wichtigen Beitrag leisten kann, die Diskussionshori-zonte der Marktökonomisierung Sozialer Arbeit zu weiten. Und innovativ in einem zweiten Sinnkontext, weil es sich um ein Marktver-ständnis handelt, dessen zentraler Marktmechanismus sich aus Innovati-onsprozessen bildet. Ein erfolgreiches Markthandeln setzt demzufolge auf Organisationsseite ein fundiertes Innovationshandeln voraus (vgl. SCHUM-

PETER 2006, GREINER 1993). Für einen Markt Sozialer Arbeit lässt sich in einem solchen Verständniskontext ein Koordinatensystem entwerfen, in dem fachliche, ökonomische und soziale Aspektebenen nicht kontradikto-risch stehen müssen, sondern in dynamischen Innovationsprozessen zu-sammen finden können. Für die Soziale Arbeit und im besonderen für die wohlfahrtsverbandlichen und freigemeinnützigen Trägerorganisationen kann dieses Koordinaten-system – in Abgrenzung gegenüber kommerziellen Marktanbietern – einen Weg weisen, auch auf dem neuen Terrain eines Marktes der Sozialen Ar-beit erfolgreich zu sein.

Page 17: Dokument_44.pdf (1384 KB)

2. Themeneinführung 16

2. Dynamisierung Sozialer Arbeit im Spannungsfeld von Marktöko- nomisierung und „Betroffenenselbsthilfeengagementisierung“

Die mit dem Terminus der Marktökonomisierung und dem Neologismus der Betroffenenselbsthilfeengagementisierung bezeichneten Entwick-lungstrends weisen in ihrer Komplexität und ihren Interdependenzen über den Gegenstandsbereich Sozialer Arbeit hinaus und implizieren Zielvor-stellungen, die in ihren Ausgestaltungen bis dato noch sehr vage bzw. normativ und unkonkret formuliert sind. Hinsichtlich des Trends zur Marktökonomisierung Sozialer Arbeit ist der Mainstream fachlicher Diskussionen vielfach in einer Pro- und Contra-Polarisierung verfangen, die die Konstitutionsprozesse eines Marktes der Sozialen Arbeit bisher nur unzureichend erfassen und abbilden. Der Weg von der Kameralistik eines verwaltungsbasierten über ein kosten- und leis-tungsbezogenes hin zu einem marktwirtschaftlich orientierten Setting So-zialer Arbeit wird weiter aufgrund des Umstandes erschwert, dass Frages-tellungen des Managements (in) der Sozialen Arbeit lange keine entspre-chende Thematisierung fanden. WÖHRLE (2003) chronologisiert, dass die Thematik des (Sozial)Managements erst seit Beginn der 1980er Jahre in die fachlichen Diskussionszusammenhänge Sozialer Arbeit eingeflossen sei. WENDT und WÖHRLE (2007) konstatieren zusammenfassend, dass So-zialmanagement hinsichtlich Begrifflichkeit und Theorie noch in der Ent-wicklung begriffen sei. Insofern verwundert es nicht, wenn Wohlfahrtsver-bände und freigemeinnützige Träger dem Trend zur Marktökonomisierung gemeinhin nicht mit fachlichen und marktökonomischen Innovationen be-gegnen, sondern auf die Vermeidung marktwirtschaftlicher Risikopotenzia-le fixiert sind. Neben dem Trend zur Marktökonomisierung greifen die dieser Dissertati-onsschrift zugrunde liegenden Innovationen auch den Trend zur Betroffe-nenselbsthilfeengagementisierung auf. Die Wortneuschöpfung der Be-troffenenselbsthilfeengagementisierung etikettiert die Geschichte der

Page 18: Dokument_44.pdf (1384 KB)

2. Themeneinführung 17

„neuen“ Selbsthilfebewegung, die sich in den letzten vier Jahrzehnten seit Ende 1970 von einem alternativen Nischenphänomen zu einem gesell-schaftlich anerkannten und in Teilbereichen gesetzlich verfassten Bewälti-gungs- und Unterstützungsarrangement von und für Betroffene entwickelt hat. Der Trend zur Betroffenenselbsthilfeengagementisierung wurde bis-her vor allem von gesundheits- und familienbezogenen Selbsthilfegruppie-rungen getragen. Im Zuge einer thematischen Diversifikation werden mitt-lerweile auch Überlegungen angestellt und umgesetzt, Betroffenenselbst-hilfe auch im Bereich der Pflege (vgl. STUMMBAUM & STEIN 2009) und der Sozialen Arbeit (vgl. HILL, STUMMBAUM & ZINK 2007) stärker zu etablieren. Beide Trends für sich genommen führ(t)en bereits zu Wandlungsprozes-sen innerhalb der Sozialen Arbeit. Das (vermehrte) Hinzukommen von ge-winnorientierten Trägerorganisationen und Selbsthilfegruppierungen dy-namisiert das für die Soziale Arbeit traditionelle Dreiecksverhältnis von Leistungsempfänger/in, Leistungserbringer und Kostenträger. Ergänzt um gewinnorientierte Trägerorganisationen und Selbsthilfegruppierungen als Akteure des sich konstituierenden Marktes der Sozialen Arbeit lässt sich das traditionelle sozialrechtliche Leistungsdreieck in Richtung einer markt-wirtschaftlichen Rautenkonfiguration der Sozialen Arbeit wandeln. Wie weit die skizzierten Dynamisierungsprozesse in Richtung der in Abbil-dung 1 dargestellten marktwirtschaftlichen Rautenkonfiguration letztlich fortschreiten werden, kann bis dato nicht abschließend beantwortet wer-den. Wegbereitend für den zukünftigen Prozessverlauf zu einer rautenför-migen Marktkonfiguration dürfte aber sein, inwieweit die Konstituierung ei-nes Marktes der Sozialen Arbeit nicht nur den Bereich der Leistungser-bringung, sondern auch den der Leistungsfinanzierung inkludiert. Solche in Richtung einer umfassenden Vermarktung der Sozialen Arbeit weisende erste Schritte wurden von Gesetzgeberseite beispielsweise in den Bereichen der Arbeitsförderung sowie der Behinderten- und Altenhilfe bereits gegangen.

Page 19: Dokument_44.pdf (1384 KB)

2. Themeneinführung 18

Im Zuge der sogenannten Hartz-Gesetze wurden in der Arbeitsförderung die Grundlagen geschaffen, dass Leistungsberechtigte seit dem 01.01. 2008 Bildungsgutscheine erhalten. Mit diesen Bildungsgutscheinen kön-nen Leistungsberechtigte dann bei den von der Agentur für Arbeit zuge-lassenen Bildungsanbietern ein für sich passendes Bildungsangebot „ein-kaufen“. Die Abrechnung der Bildungsmaßnahme erfolgt anhand der Bil-dungsgutscheine direkt zwischen dem ausgewählten Bildungsanbieter und der Agentur für Arbeit. Die Einführung dieses Gutscheinsystems leite-te in der Arbeitsförderung einen Paradigmenwechsel ein. Aus vormals von der Agentur für Arbeit in Bildungsmaßnahmen zugewiesenen Leistungs-empfängern/innen wurden Kunden/innen. Ein ähnlicher Statuswechsel bei den Leistungsberechtigten vollzog sich fünf Jahre später in der Behinderten- und Altenhilfe. Seit dem 01.01.2008 haben Leistungsberechtigte dort – wahlweise zur Gewährung von Sach-leistungen – einen Rechtsanspruch auf Gewährung eines persönlichen Budgets zum Einkauf von individuellen Unterstützungsleistungen (vgl. TRENDEL 2008).

Page 20: Dokument_44.pdf (1384 KB)

2. Themeneinführung 19

GESETZ- UND FINANZIERUNGSGEBER

GemeinnützigeTrägerorganisationen

DYNAMISIERUNGSOZIALER ARBEIT

GewinnorientierteTrägerorganisationen

Selbsthilfe-Gruppierungen

Konsumenten/innen

Abb. 1: Marktwirtschaftliche Rautenkonfiguration der Sozialen Arbeit

Den mit der Einführung von Bildungsgutscheinen und des persönlichen Budgets einhergehenden Änderungen in den Bereichen der Leistungs-erbringung und Leistungsfinanzierung können Leistungssettings, die sich aus einem traditionellen wohlfahrtsstaatlichen Arrangement (vgl. KAUF-MANN 1997) generieren, nur mehr unzureichend entsprechen. Wohlfahrts-verbände und freigemeinnützige Trägerorganisationen befinden sich damit in einer Zwickmühlensituation zwischen ihren mildtätigen bzw. kon-fessionellen Wertefundamenten und den (neu) aufkommenden markt-wirtschaftlichen Anforderungen. LAKES (1998) differenziert hinsichtlich des Umgangs mit dieser Dilemma-situation für das strategische Management von Wohlfahrtsverbänden und freigemeinnützigen Trägerorganisationen vier Szenarien, die in Abbildung 2 dargestellt werden.

Page 21: Dokument_44.pdf (1384 KB)

2. Themeneinführung 20

Abb. 2: Strategische Grundszenarien (in Anlehnung an LAKES 1998)

Während unter die ersten beiden Szenarien der Abbildung 2 defensiv-orientierte Strategien subsumiert werden, beinhalten die beiden letzt-genannten Szenarien offensiv ausgerichtete Strategien im Umgang mit dem vorab skizzierten Spannungsverhältnis. Bei den Offensivszenarien werden der dritten Kategorie strategische Herangehensweisen zuge-ordnet, die marktwirtschaftliche Vorgaben abschwächen bzw. Zusatz-potenziale für die Realisierung trägerspezifischer Wertekanons er-schließen. SCHREIBER (2001: 235) expliziert dieses Strategieszenario am Beispiel einer Trägerorganisation, die Spendenmittel dafür einsetzt, die engen Zeitvorgaben der Pflegeversicherung für eine humanere Alten-pflege „aufzuweichen“. Unter die vierte Kategorie fallen Strategien, die das (vermeintliche) Dilemmaverhältnis mittels innovativer Ansätze auflösen wollen. Die im ersten Kapitel einführend erläuterten Innovationen des Grund-satzes „Hilfe zur Selbsthilfe“ und des innovativen Konzepts Blended Help

STRATEGIESZENARIENim Umgang mit Spannungsverhältnis zwischen

mildtätigen bzw. konfessionellen Wertefundamenten und marktwirtschaftlichen Anforderungsperspektiven

Aushalten von Widersprüchlichkeiten 1

Marktwirtschaftliche Anpassung von Wertekanon2

Abmildern von marktwirtschaftlichen Vorgaben 3

Überwinden von Gegensätzlichkeiten4

Page 22: Dokument_44.pdf (1384 KB)

2. Themeneinführung 21

lassen sich exakt in diesem letztgenannten Strategieszenario verorten. Beide Innovationen greifen den Trend zur Betroffenenselbsthilfe-engagementisierung auf, um das Spannungsverhältnis zwischen den (vermeintlichen) Antipoden von Marktökonomisierung und von Wert-gebundenheit in der Sozialen Arbeit positiv aufzulösen. Die beiden besagten Innovationen bedingen sich jedoch nicht a priori und aus dem Trend zur Betroffenenselbsthilfeengagementisierung, sondern müssen aus entsprechenden strategischen Managementprozessen generiert werden. Strategischen Managementprozessen kommt vor allem in Zeiten des Wandels – wie sie die Konstitution eines Marktes der Sozialen Arbeit darstellt – eine existenzielle Bedeutung zu. Sie umfassen „alle unternehmenspolitischen Aktivitäten, die für den Bestand, die zu-künftige Entwicklung und den dauerhaften Erfolg von Unternehmen in ihrer Gesamtheit rahmensetzend und richtungsweisend sind, und dazu beitragen, Unternehmen gemäß der ihnen obliegenden Zwecke im Innen- und Außenverhältnis zu konfigurieren, zu positionieren und zu fokussieren“ (BECKER 1998: 12). Je nach strategischer Managementausrichtung können sich Wohlfahrts-verbände und andere freigemeinnützige Trägerorganisationen gegenüber Betroffenenselbsthilfegruppierungen unterschiedlich positionieren. In der nachfolgenden Abbildung 3 sind in Form einer Matrix mögliche Szenarien der strategischen Positionierung gegenüber Betroffenenselbsthilfe-gruppierungen dargestellt. Die Matrix lässt sich anhand der beiden Achsen „Strategieansatz“ und „Bezugsverhältnis“ aufspannen und entwirft vier Szenarien der strategi-schen Positionierung von Wohlfahrtsverbänden und freigemeinnützigen Trägerorganisationen gegenüber Betroffenenselbsthilfegruppierungen. Die genannten Szenarien stellen keine Richtig- oder Falsch-Alternativen dar, sondern Optionen einer (markt)strategischen Positionierung gegenüber Betroffenenselbsthilfegruppierungen.

Page 23: Dokument_44.pdf (1384 KB)

2. Themeneinführung 22

KONTRAREITÄT PARALLELITÄT

DA

CB

TOP DOWN STRATEGIE

BOTTOM UP STRATEGIE

Abb. 3: Matrix zur (markt)strategischen Positionierung

Auf der vertikalen Achse wird der Strategieansatz in den beiden Katego-rien „Top down“ und „Bottom up“ abgebildet. Zu beachten ist dabei, dass sich die Differenzierungslinie zwischen diesen beiden Kategorien nicht aus einem organisationshierarchischen Oben-Unten-Verständnis, sondern aus dem Prozessablauf der Strategieentwicklung markiert. Die „Top down“-Kategorie enthält demnach sogenannte „Regenschirm“-Ansätze. Bei die-sen Ansätzen vollzieht sich die Strategieentwicklung aus der Formulierung von Planungsergebnissen. Anhand dieser Planungsergebnisse wird dann ein strategischer „Regenschirm“ aufgespannt, unterhalb dessen schließ-lich entsprechende Schritte zur Strategierealisierung vollzogen werden. In der „Bottom up“-Kategorie hingegen werden sogenannte „Graswurzel“-An-sätze subsumiert. Bei diesen Ansätzen formieren sich Strategieprozesse aus dem alltäglichen Organisationshandeln. Die horizontale Achse stellt die grundsätzlichen Bezugsverhältnisse dar, in welchen die Hilfe- bzw. Unterstützungsleistungen eines Wohlfahrtsver-

Page 24: Dokument_44.pdf (1384 KB)

2. Themeneinführung 23

bandes oder einer freigemeinnützigen Trägerorganisation zu Betroffenen-selbsthilfegruppierungen stehen. Während sich die erste Kategorie der Kontrareität auf nicht aufeinander bezogene und unabgestimmte Bezugs-konstellationen bezieht, umfasst die zweite Kategorie der Parallelität auf-einander abgestimmte Bezugsverhältnisse. Die in Abbildung 3 erstellte Matrix lässt sich grundsätzlich noch weiter ausdifferenzieren. Für die Verortung der beiden dieser Dissertationsschrift zugrunde liegenden Innovationen im Kontext des strategischen Manage-ments ist sie in der vorliegenden Kategoriendifferenzierung völlig ausrei-chend. Die beiden Matrixfelder A und B markieren Bezugsverhältnisse, die von einer Kontrareität der Hilfe- und Unterstützungsleistungen eines Wohl-fahrtsverbandes bzw. einer freigemeinnützigen Trägerorganisation gegen-über Betroffenenselbsthilfegruppen geprägt sind. Diese beiden Matrixfel-der erfahren ebenso wie das Matrixfeld C keine weitere Erläuterung im Rahmen dieser Dissertationsschrift. Im Matrixfeld C sind bezogene Be-zugsverhältnisse angesiedelt, die sich aus dem alltäglichen Organisati-onshandeln im Sinne der „Graswurzel“-Ansätze beispielsweise aufgrund von persönlichen Präferenzen oder positiven Erfahrungen entwickelt ha-ben. Dem Matrixfeld D sind aufeinander abgestimmte Bezugsverhältnisse zugeordnet, die im Sinne der „Regenschirm“-Ansätze auf einem bewuss-ten und abgeleiteten Strategieprozess basieren. Die im ersten Kapitel einführend dargestellten Innovationen des Grundsat-zes „Hilfe zur Selbsthilfe“ und des Konzepts Blended Help sind diesem letztgenannten Matrixfeld zugehörig. Im weiteren Verlauf dieser Dissertationsschrift wird die zentrale Innovation Blended Help in einem „Top down“-Verständnis in einem Dreischritt von Strategieplanung, -implementierung und -etablierung bzw. von Invention,

Page 25: Dokument_44.pdf (1384 KB)

2. Themeneinführung 24

Innovation und Diffusion ausgearbeitet und diskutiert. In Kapiteln stellen sich diese weiteren Ausführungen wie folgt dar: Im dritten Kapitel werden die beiden Basistrends der „Betroffenenselbsthil-feengagementisierung“ und der Marktökonomisierung einer erläuternden Darstellung zugeführt. Im Zentrum des Erkenntnisinteresses steht zum ei-nen die Suche und Identifikation des „Sozialen“ in der Betroffenenselbst-hilfe und zum zweiten das Bezugsverhältnis, in dem sich die beiden Basis-trends der „Betroffenenselbsthilfeengagementisierung“ und der Marktöko-nomisierung befinden. Hierzu werden in einem ersten Schritt ausgewählte Entwicklungslinien der aktuellen Selbsthilfebewegung nachgezeichnet, um verdeutlichen zu kön-nen, warum die Betroffenenselbsthilfe stark „gesundheitslastig“ ist. Weiter werden die Potenziale einer sozialen Betroffenenselbsthilfe identifi-ziert und erläutert. In einem zweiten Schritt wird am Beispiel des Gesundheitswesens ge-zeigt, dass es sich bei der (zunehmenden) Marktökonomisierung der So-zialen Arbeit um keinen professionsspezifischen Vorgang handelt, son-dern um ein Phänomen der Postmoderne, welches mit der „Betroffenen-selbsthilfeengagementisierung“ korrespondiert. Aus dieser postmodernen Kontextuierung der beiden Basistrends lassen sich Implikationen für ein verändertes Verständnis der beiden Basistrends der (zunehmenden) Marktökonomisierung und der „Betroffenenselbsthil-feengagementisierung“ ableiten. Im vierten Kapitel wird auf der Basis des in Kapitel 2 aufgespannten Mat-rixfeldes D eine grundlegende Systematisierung der Bezugnahme von ge-meinnützigen Trägerorganisationen auf Betroffenenselbsthilfegruppierun-gen konturiert.

Page 26: Dokument_44.pdf (1384 KB)

2. Themeneinführung 25

Anhand dieser so genannten 4-K-Systematik werden abschließend die be-reits im zweiten Kapitel grundsätzlich dargestellten marktökonomischen Potenziale der Betroffenenselbsthilfe und die bereits im dritten Kapitel er-läuterten marktökonomischen Notwendigkeiten unter dem Postulat der Kunden(selbsthilfe)orientierung einer fokussierten Darstellung unterzogen. Im fünften Kapitel erfolgt eine einführende Grundlegung des Innovations-kerns von Blended Help. Dieser Innovationskern entfaltet sich aus der unmittelbaren Verschränkung von Sozialer Arbeit als Fremdhilfe und Kun-denselbsthilfe als neue Form sozialer Betroffenenselbsthilfe und weist sig-nifikante Spezifika gegenüber den sich etablierenden Bezugskontexten gesundheitsbezogener Betroffenenselbsthilfe und dem Gesundheitswesen auf. Aufgrund dieser Unterschiedlichkeiten wird im Weiteren Überlegungen ei-ne Absage erteilt, die erfolgserprobten Konzepte gesundheitsbezogener Betroffenenselbsthilfe(unterstützung) auf das innovative Konzept Blended Help zu übertragen. Solche Überlegungen mögen gemäß der Devise „Warum das Rad neu erfinden, …“ auf den ersten Blick arbeitsrational er-scheinen. Ein zweiter Blick – wie er in diesem Kapitel grundlegend und im nächsten Kapitel vertiefend vorgenommen wird – verdeutlicht sehr schnell, dass sich die Erfolge gesundheitsbezogener Betroffenenselbsthilfe(unter-stützung) nicht als Transfergut, sondern lediglich als Anstoßgeber zur Konzeptionierung unmittelbarer Bezugsverhältnisse von Sozialer Arbeit und sozialer Betroffenenselbsthilfe eignen. Mit dem sechsten Kapitel vollzieht sich in der als Argumentationsfigur un-terlegten Dreischrittsystematik nun der Wechsel von der ersten zur zwei-ten Etappe. In dieser zweiten Etappe der Strategieimplementierung bzw. der Innovation fokussiert die vorliegende Dissertationsschrift auf Aspekte und Fragen der Praktikabilität von Blended Help.

Page 27: Dokument_44.pdf (1384 KB)

2. Themeneinführung 26

Hierzu werden ausgewählte Aspekte und Kontextbedingungen erörtert, die als notwendig erachtet werden, um das innovative Konzept Blended Help entsprechend umsetzen zu können. Anhand ausgewählter konzeptioneller und theoretischer Folien wie etwa der strukturalen Bildungstheorie (MAROTZKI 1988), eines sozialpädagogi-schen Coachings (BIRGMEIER 2006), des Qualitätsmanagementmodells von KANO (1984), der Handlungsmodellsystematik von ENGELHARDT (2005), des kommunalen Modellansatzes der Hilfe für die Hilfen vor Ort (STUMMBAUM & BIRGMEIER 2009) sowie dem Konzeptansatz eines werte- und sinnbasierten Betroffenenselbsthilfeengagements (STUMMBAUM &

STEIN 2008) werden mögliche Entwicklungskorridore markiert, die innova-tive (Rahmen)Konzeption Blended Help inhaltlich und methodisch zu fun-dieren. Im siebten Kapitel wird Blended Help nochmals in seinem Innovationskern und seinen zentralen konzeptionellen Bestandteilen einer zusammenfas-senden Darstellung zugeführt und im Kontext der allgemeinen Betroffe-nenselbsthilfe(unterstützung) positioniert. Nachdem die Forschung im Bereich der Betroffenenselbsthilfe bis dato von Unsystematik und Lückenhaftigkeit geprägt ist (vgl. BORGETTO 2001; 2004) steht im Zentrum des achten Kapitels ein empirisches Erhebungs-vorhaben, das seinen Ursprung in der Konzeptphase dieses Promotions-vorhabens nahm. Im neunten Kapitel wird auf der Basis eines kurzen historischen Abrisses der Sozialen Arbeit das innovative Konzept Blended Help in disziplinäre Bezüge eingefügt und ein Zukunftsszenario einer Sozialen Arbeit im Mög-lichkeitsspielraum von Selbstbeschränkung und Selbstverwirklichung skiz-ziert.

Page 28: Dokument_44.pdf (1384 KB)

2. Themeneinführung 27

Das neunte Kapitel markiert als dritte Etappe der Strategieetablierung bzw. Diffusion den Endpunkt in der als Argumentationsfigur hinterlegten Dreischrittsystematik.

Page 29: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 28

3. Marktökonomie und Betroffenenselbsthilfeengagementisierung Die beiden Basistrends der „Betroffenenselbsthilfeengagementisierung“ und der Marktökonomisierung generieren ein Spannungsfeld, in dem ge-meinnützige Trägerorganisationen der Sozialen Arbeit vielfach oszillierend zwischen den beiden Spannungspolen um strategische Perspektivenfin-dung ringen (vgl. ALBERT 2006; KLUG 1997; HELMIG 2007; WOHLFAHRT &

BREITKOPF 1995: 115ff). NEUMANN (2005: 41) sieht gemeinnützige Organisationen der Sozialen Ar-beit „aktuell mit turbulenten Umweltbedingungen konfrontiert. Marktöko-nomisierung als Ausdruck einer prinzipiellen Restrukturierung des Wohl-fahrtssystems und „Betroffenenselbsthilfeengagementisierung“ als Mani-festation eines fundamentalen Wandels gesellschaftlicher Kontextbedin-gungen erschüttern gemeinnützige Organisationen nicht nur in ihrem tra-dierten Selbstverständnis, sondern auch in ihren Existenzgrundlagen. NEUMANN (2005) erhebt und beschreibt die Anpassungsstrategien ge-meinnütziger Organisationen gegenüber den sich dynamisch verändern-den Kontextbedingungen. Auffällig ist dabei, dass die gewählten Strate-gien vielfach wenig Innovations- und Nachhaltigkeitspotenzial erkennen lassen. Beispielsweise trifft dieses auf die Anpassungsstrategie der Ent-kopplung zu. „Eine Entkopplung ist in diesem Zusammenhang durch den Zustand gekennzeichnet, dass Organisationen nach außen ein erwartetes Verhalten dokumentieren, parallel aber losgelöst von den ausgewiesenen Verfahrensweisen abweichende Praktiken oder Strukturen aufweisen.“ (NEUMANN 2005: 259). Der geringe Innovations- und Nachhaltigkeitsgehalt von Organisationsstra-tegien lässt sich als anpassungsprozessbedingt erklären. Anpassungspro-zesse laufen nach NEUMANN (2005: 136) wie folgt ab: „Impulse der Umwelt werden […] erst durch die Akteure aufgenommen, auf der Basis von spe-zifischen Entscheidungsgrundlagen interpretiert und anschließend in

Page 30: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 29

Handlungen […] umgesetzt. […] Die Impulse aus den Umweltdimensionen werden durch den Wahrnehmungsfilter der Akteure in den Organisationen geführt und sind konstitutiv für die organisationalen Anpassungen an die Veränderungen der Umweltdimensionen.“ Beim Wahrnehmungsfilter handelt es sich um ein Dreifachfiltermodell mit regulativen, kognitiven und normativen Filterprozessen (vgl. NEUMANN

2005: 138). Die Schwierigkeit, organisationale Anpassungsprozesse innovativ und nachhaltig zu gestalten, besteht darin, dass kontextuelle Wandlungspro-zesse sich nicht a priori in organisationalen Wandlungsprozessen fortset-zen. Kontextuelle Wandlungsprozesse können in den drei Filterprozessen des organisationalen Wahrnehmungsfilters zu unterschiedlichen, mitunter konflikthaften bzw. sich blockierenden Teilwahrnehmungen führen. Dieses ist umso wahrscheinlicher, wenn kontextuelle Wandlungsprozesse nicht nur die additive Institutionalisierung von etwas Neuem bedingen, sondern auch die Deinstitutionalisierung von tradierten Organisationsbeständen er-fordern. Blended Help markiert einen innovativen Weg, Soziale Arbeit in gemein-nützigen Organisationen mit den beiden Basistrends der Marktökonomi-sierung und der „Betroffenenselbsthilfeengagementisierung“ zu einer zu-kunftsweisenden Strategieperspektive zu verbinden. Im weiteren Kapitelverlauf erfahren die – in den beiden vorangestellten Kapiteln bereits skizzierten – Basistrends der Marktökonomisierung und der „Betroffenenselbsthilfeengagementisierung“ eine weitere Fundierung. Unter 3.1 wird das „Soziale“ in der Betroffenenselbsthilfe identifiziert und hinsichtlich seiner Potenziale für die Soziale Arbeit erörtert. Es wird ge-zeigt, dass sich soziale Betroffenenselbsthilfe als ein noch vernachlässig-tes Engagementfeld darstellt, das insbesondere im postmodernen Heraus-forderungskontext ex aequo für die Soziale Arbeit als auch für hilfesu-chende Bürger/innen von herausragender Relevanz sein kann.

Page 31: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 30

Da – wie eben zitiert – neben der kognitiven auch eine normative Filter-scheibe die Wahrnehmung von kontextuellen Veränderungsimpulsen de-terminiert, wird unter 3.2 ein marktökonomisches Verständnis eingeführt, das den in Themenkonstellationen wie etwa „Soziale Arbeit zwischen Ökonomie und Menschenrechtsprofession“ (GAITANIDES 2000), „Soziale Arbeit zwischen Markt und Moral“ (HAUPERT 2002), „Soziale Institutionen zwischen Markt und Moral“ (EURICH ET AL. 2005) oder „Professionelle Iden-tität zwischen Ökonomisierung und ethischer Verantwortung“ (ALBERT

2006) mitschwingenden antagonistischen Einstellungen eine marktöko-nomische Positivperspektive Sozialer Arbeit entgegensetzt. Am Beispiel des Gesundheitswesens wird gezeigt, dass es sich bei der (zunehmenden) Marktökonomisierung der Sozialen Arbeit um keinen pro-fessionsspezifischen Vorgang handelt, sondern um ein Phänomen der Postmoderne, welches mit dem Basistrend der „Betroffenenselbsthilfeen-gagementisierung“ korrespondiert. Aus dieser postmodernen Kontextuierung der beiden Basistrends werden schließlich Implikationen für ein korrespondierendes Verständnis der bei-den Basistrends der „Betroffenenselbsthilfeengagementisierung“ und der (zunehmenden) Marktökonomisierung abgeleitet. 3.1. Das „Soziale“ in der Betroffenenselbsthilfe Die Anlässe für ein Engagement in der Betroffenenselbsthilfe sind ver-schieden: Ein lebensbedrohlicher Unfall, eine unheilbare Krankheit, ein bösartiger Tumor, ein plötzlicher Herzinfarkt, ein behindert geborenes Kind, ein unerwarteter Arbeitsplatzverlust wegen Unternehmensverlage-rung – Ereignisse, die das Leben von Menschen schlagartig und tief grei-fend verändern können. Die Konsequenzen solcher negativer Lebensereignisse sind unter-schiedlich: Verunsicherung zwischen Hoffen und Bangen, Zerrissenheit zwischen Hilfebedürftigkeit und Autonomiestreben, Verlust- und Zukunfts-

Page 32: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 31

ängste, enttäuschte Hoffnungen und unsichere Zukunftsperspektiven, Iso-lation und Selbstzweifel – Konsequenzen, die Lebensentwürfe vielfach in Frage stellen können und ein hohes Maß an persönlicher Bewältigungs-kapazität und sozialer Unterstützung einfordern. Ein Engagement in der Betroffenenselbsthilfe kann Bewältigungs- und Un-terstützungsressourcen unter Gleichbetroffenen erschließen. Im Jahre 2004 engagierten sich in Deutschland geschätzte drei Millionen Bür-ger/innen in circa 70.000 bis 100.000 Selbsthilfegruppen (ROBERT KOCH- INSTITUT 2004). Selbsthilfegruppen definieren sich als „freiwillige, meist lose Zusammen-schlüsse von Menschen, deren Aktivitäten sich auf die gemeinsame Be-wältigung von Krankheiten, psychischen oder sozialen Problemen richten, von denen sie – entweder selber oder als Angehörige – betroffen sind. Sie wollen mit ihrer Arbeit keinen Gewinn erwirtschaften. Ihr Ziel ist eine Ver-änderung ihrer persönlichen Lebensumstände und häufig auch ein Hin-einwirken in ihr soziales und politisches Umfeld. In der regelmäßigen, oft wöchentlichen Gruppenarbeit betonen sie Authentizität, Gleichberechti-gung, gemeinsames Gespräch und gegenseitige Hilfe. Die Gruppe ist da-bei ein Mittel, die äußere (soziale gesellschaftliche) und die innere (per-sönliche, seelische) Isolation aufzugeben. Die Ziele von Selbsthilfegrup-pen richten sich vor allem auf ihre Mitglieder und nicht auf Außenste-hende. Darin unterscheiden sie sich von anderen Formen des Bürgeren-gagements. Selbsthilfegruppen werden nicht von professionellen Helfern geleitet. Manche ziehen jedoch gelegentlich Experten zu bestimmten Fra-gestellungen hinzu" (DEUTSCHE ARBEITSGEMEINSCHAFT SELBSTHILFE-GRUPPEN E.V. 1991: 20f). Das Spektrum an Selbsthilfegruppen, die Menschen bei der Problem- und Krankheitsbewältigung unterstützen und begleiten, ist vielfältig und reicht beispielsweise von A wie Anonyme Alkoholiker oder Alzheimer Selbst-hilfe, über B wie Borreliose Selbsthilfe, E wie Eltern behinderter Kinder, Endometriose Selbsthilfe oder erwachsene Inzestopfer, F wie Frauen

Page 33: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 32

nach Brustkrebs, G wie Glaukom Selbsthilfe, J wie Junge Depressive, L wie an Leukämie erkrankte Erwachsene oder Lokführer nach Personen-unfällen, M wie Mobbing in der Altenpflege, P wie pflegende Angehörige, R wie Rheuma Selbsthilfe oder Russischsprachige Diabetiker, S wie Schlaganfallselbsthilfe oder Sarkovizidose Selbsthilfe, T wie Türkische Frauen mit psychischen Erkrankungen, (...) bis Z wie Zöliakie Selbsthilfe. Die vorausgegangene Aufzählung spiegelt einen kleinen Ausschnitt mögli-cher thematischer Anlässe von Selbsthilfegruppen wider und verdeutlicht in ihrer Themenzusammenstellung, dass die Erfolgsgeschichte der „ak-tuellen“ Selbsthilfebewegung seit den 1970er Jahren überwiegend von der Vielzahl gesundheitsbezogener Selbsthilfegruppen getragen ist. Der Anteil gesundheitsbezogener Betroffenenselbsthilfe an der „aktuellen“ Selbsthil-febewegung betrug im Jahre 2004 deutschlandweit schätzungsweise 70 Prozent (vgl. ROBERT-KOCH-INSTITUT 2004: 14; vgl. ASSION 2000: 162). Die „aktuelle“ Selbsthilfebewegung lässt sich in ihrem Entwicklungsverlauf anhand verschiedener Aspekte untergliedern (vgl. GEENE ET AL. 2009: 11; MATZAT 1997). In ihrer epochalen Bestimmung können Verortungsver-suche bis in die Anthropologie eines homo agens und eines homo sozilo-gicus sowie der mittelalterlichen Bruderschaften, Gilden und Zünfte ge-spannt werden. BADELT (1980: 18) definiert die aktuelle Selbsthilfebewe-gung als eine Mixtur genossenschaftlichen und sozialistischen Gedanken-guts garniert mit Aspekten der katholischen Soziallehre. BAUER (1988: 42ff) identifiziert in den Entstehungsprozessen der „aktuellen“ Selbsthilfe-bewegung signifikante Parallelitäten zur Entstehungsgeschichte der deut-schen Wohlfahrtsverbände. Ein weiterer (zeitlich) nahe liegender Ver-ortungsversuch lässt sich für die „aktuelle“ Selbsthilfebewegung gegen-über den „Anonymen Alkoholikern“ kontextuieren. Die „Anonymen Alkoholiker“ entstanden 1935 in Ohio/USA und entwickel-ten sich zu einer internationalen Selbsthilfegruppierung. Im Jahre 2001 existierten in Deutschland ca. 2.700 der weltweit insgesamt über 100.000

Page 34: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 33

AA-Selbsthilfegruppen (ANONYME ALKOHOLIKER e.V. 2009a). Amerikani-sche Soldaten brachten die Idee der Anonymen Alkoholiker nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland. Im Jahre 1953 wurde in München die erste deutsche AA-Selbsthilfegruppe von einem Amerikaner und drei Deutschen gegründet (ANONYME ALKOHOLIKER e.V. 2009b). Die AA-Selbsthilfegruppen sind Vorläufer und Bestandteil der in den 1970 Jahren ihre Anfänge findenden „aktuellen“ Selbsthilfebewegung. In den zurückliegenden vier Jahrzehnten seit den 1970er Jahren hat sich die „aktuelle“ Selbsthilfebewegung aus einem alternativen Nischendasein zu einem gesellschaftlich und politisch anerkannten Bewältigungs- und Unterstützungsarrangement entwickelt (vgl. ASSION 2000: 162). TROJAN (1986) veröffentlichte zu den Anfängen der „aktuellen“ Selbsthilfe-bewegung eine Buchpublikation mit dem Titel „Wissen ist Macht“. In die-sem Publikationstitel kristallisiert sich das Stimmungsbild der gesell-schaftlichen Subkulturen in den siebziger und achtziger Jahren des vor-herigen Jahrhunderts, in denen die Erfolgsgeschichte der (gesund-heitlichen) Betroffenenselbsthilfe ihren Ursprung nahm. Die damalige Gesundheitsselbsthilfe ist mit dem emanzipatorischen An-spruch gestartet, Erfahrungswissen von Patienten/innen neben medizini-schem Expertenwissen im Behandlungsprozess placieren zu können (vgl. WIEDEMANN 2006). Die Mitglieder der damaligen Selbsthilfegruppen woll-ten als Patienten/innen sowohl als Mensch als auch in der Diagnose nicht auf ein krankes Organ („Das Lungenkarzinom auf Zimmer 122“) reduziert werden. Gesundheitsselbsthilfe war geprägt von einem (Selbst)Ver-ständnis als Gegenmacht zur etablierten (Über)Macht des Gesundheits-systems. In den damaligen Gesundheitsselbsthilfegruppen bildeten und unterstützten Patienten/innen sich gegenseitig, um als mündige und in-formierte Patienten/innen dieser Abwertung auf ein Krankheitssyndrom entgegen zu treten und einen alternativen Entwurf für ein humaneres Ge-sundheitswesen zu formulieren. Verfolgt wurden diese Zielsetzungen auf zwei Prozessebenen der Betroffenenselbsthilfe. Auf einer selbsthilfe-gruppeninternen Prozessebene der Transformation individueller in kollek-

Page 35: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 34

tive Bewältigungsressourcen sowie auf einer selbsthilfegruppenexternen Ebene der gesellschaftspolitischen Eigenvertretung (vgl. RICHTER 1972; KICKBUSCH & TROJAN 1981; TROJAN 1986). Vor dem Hintergrund, dass die Entstehungsprozesse der (gesundheits-bezogenen) Selbsthilfe ihre Anfänge inmitten und als Teil alternativer Bür-gerinitiativen wie der Antiatomkraft-, Frauen-, Friedens- Ökologie- sowie der Schwulen- und Lesbenbewegung fanden, lässt sich ein weiterer Veror-tungskontext aufzeigen und eine Erklärungshypothese für die seinerzeit dominant gesellschaftspolitische Wahrnehmung der Betroffenenselbsthilfe finden. Selbsthilfegruppierungen wie beispielsweise das Sozialistische Pa-tientenkollektiv an der Universität Heidelberg stellten zwar (auch) inner-halb dieser neuen Bewegung Extremphänomene dar, prägten aber das (Selbst)Verständnis der (damaligen) Betroffenenselbsthilfe. Das Sozialistische Patientenkollektiv gründete sich 1970 an der Psychiat-rischen Klinik der Universität Heidelberg und war als Selbsthilfe-gruppierung der Antipsychiatriebewegung zuzuordnen. In ihrer Parole „Aus Krankheit eine Waffe machen“ (SOZIALISTISCHES PATIENTENKOLLEKTIV 1972) plakatiert sich der umfassende Anspruch, psychische Erkrankungen in individuelle, kollektive und gesellschaftliche Veränderungen über-zuführen. Psychische Erkrankungen wurden vom Sozialistischen Patien-tenkollektiv in eine grundlegende Kapitalismuskritik transzendiert und soll-ten im Setting einer gegenseitigen Therapie der Betroffenen mittels Subli-mierung pathologischer Krankheitsmuster in revolutionäre politische Aktivi-täten bewältigt werden (vgl. BOPP 1980). Die Entwicklungsprozesse der „aktuellen“ Selbsthilfebewegung lassen sich (in diesen gesellschaftspolitischen Entstehungskontexten) theoretisch im Empowerment-Ansatz verorten (vgl. STARK 1996; BOBZIEN/STARK 1988; 1991; BOBZIEN 1993). Spezifiziert auf die Betroffenenselbsthilfe zielt Em-powerment auf die Selbstorganisation von Betroffenen in Selbsthilfegrup-

Page 36: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 35

pen, um Prozesse der Selbstbefähigung und Selbstermächtigung auf indi-vidueller, kollektiver und gesellschaftlicher Ebene anzuregen. Die den Anfängen der „aktuellen“ Selbsthilfebewegung zugrunde liegen-den Empowerment-Prozesse im Sinne der Gründung von Selbsthilfegrup-pen waren in die gesellschaftspolitischen Utopien und Dynamiken der da-maligen alternativen Bürgerinitiativen-Szene eingebettet. Im Laufe der Jahre verdorrte dieses alternative und gesellschaftspolitische Wurzelge-flecht zusehends und (gesundheitsbezogene) Betroffenenselbsthilfe er-langte eine parteienübergreifende und gesamtgesellschaftliche Anerken-nung (vgl. GÜNTHER & ROHRMANN 1999). ERLER (2006) attestiert, dass die Zeit des Aufstands und der Auseinander-setzung vorbei sei und Betroffenenselbsthilfe mittlerweile „kreuznormal“ geworden ist. Insbesondere die gesundheitsbezogene Betroffenenselbsthilfe vollzog sukzessiv einen Wechsel von einer markant außerhalb des Gesundheits-systems positionierten Kritikinstanz zu einem dem öffentlichen Gesund-heitswesen immanenten Leistungsbereich. Der jetzige bayerische Minis-terpräsident Horst Seehofer unterstrich zu seiner Zeit als Bundes-gesundheitsminister die über die Jahre erlangte Bedeutung der Selbsthil-febewegung, indem er die gesundheitsbezogene Betroffenenselbsthilfe neben der ambulanten Versorgung, der stationären Versorgung und den öffentlichen Gesundheitsdiensten als vierte Säule des Gesundheitswe-sens bezeichnete (vgl. BORGETTO 2004; KEIDEL 2008). In dieser Säulenmetapher lässt sich die Janusköpfigkeit der Entwicklungs-geschichte gesundheitsbezogener Betroffenenselbsthilfe erschließen. Ei-ne Entwicklungsgeschichte, die mit der Einreihung der gesundheits-bezogenen Betroffenenselbsthilfe als vierte Säule des Gesundheitswe-sens einerseits eine große Anerkennung und Bedeutungszuschreibung er-fährt. Diese Anerkennung und Bedeutungszuschreibung bild(et)en u.a. ein

Page 37: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 36

Fundament für die öffentliche Finanzierung gesundheitsbezogener Betrof-fenenselbsthilfe. Mit dem § 20 Abs. 4 SGB V verfasste der Gesetzgeber, dass gesund-heitsbezogene Betroffenenselbsthilfe durch die gesetzlichen Krankenkas-sen zum 01.01.2000 erstmals verpflichtend zu fördern ist. (vgl. BORGETTO 2004: 263). Die mit dem § 20 Abs. 4 SGB V erfolgte Verankerung der öf-fentlichen Förderung gesundheitsbezogener Betroffenenselbsthilfe wird gemeinhin als ein „Meilenstein“ in der Erfolgsgeschichte gesundheitsbe-zogener Betroffenenselbsthilfe bewertet (vgl. ASSION 2000: 162). Ein nochmaliger Blick auf die in diesem Kapitel bereits erwähnte Selbsthilfe-gruppierung der „Anonymen Alkoholiker“ relativiert die Bedeutung von öf-fentlicher Finanzierung für die Betroffenenselbsthilfe. Die weltweite Selbsthilfegruppierung der „Anonymen Alkoholiker“ verzichtet gemäß ihren satzungsgemäßen Prinzipien auf öffentliche Finanzierungen und finanziert sich ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen (ANONYME ALKOHOLIKER 2009b). Die gewählte Erfolgsmetapher der Entwicklungsgeschichte der aktuellen Selbsthilfebewegung verkennt andererseits die vielfältigen Engagement-kontexte gesundheitsbezogener Betroffenenselbsthilfe und presst das spezifische Engagementpotenzial gesundheitsbezogener Betroffenen-selbsthilfe in das starre Profil einer Säule des Gesundheitswesens. Mit dieser Versäulung besteht die Gefahr einer Gleichsetzung der gesund-heitsbezogenen Selbsthilfe mit den drei weiteren Säulen des Gesund-heitswesens. Bei einer solchen Synonymisierung wird jedoch verkannt, dass gesundheitsbezogene Betroffenenselbsthilfe sich nicht nach den pro-fessionellen Funktionsprinzipien der anderen drei Säulenbereiche des Ge-sundheitswesens, sondern nach spezifischen Engagementpotenzialen generiert. Die Bedeutungszuschreibung als vierte Säule des Gesundheitswesens bürdet der gesundheitsbezogenen Betroffenenselbsthilfe damit (zu) große Verpflichtungen und Lasten auf, unter denen die spezifischen Engage-mentpotenziale der Betroffenenselbsthilfe u.U. Schaden nehmen bzw. ver-

Page 38: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 37

lustig gehen können. WIEDEMANN (2006) sieht den zurückgelegten Ent-wicklungsprozess von einer Vielzahl von Erfolgen gesäumt. Kritisch merkt er allerdings an, dass gesundheitsbezogene Betroffenenselbsthilfe auf dem Weg zur vierten Säule des Gesundheitswesens sich ihrer gesell-schaftlichen Ideale entkleidet hat, und sich als „Clubgut“ arrangiert, wel-ches Betroffenenselbsthilfeengagierten einen „clubspezifischen“ Vorteil in der individuellen Erlangensmöglichkeit der besten Leistungen des Ge-sundheitssystems verschafft. BRÖMME und STRASSER (2000) klassifizieren (gesundheitsbezogene) Betroffenenselbsthilfe hinsichtlich dieser Indivi-dualvorteilsarrangements als exklusive Solidaritäten. WATERMANN (2001: 16) warnt die (gesundheitsbezogene) Betroffenenselbsthilfe vor „der Ver-suchung der Politik, die sich anheischig macht, Selbsthilfe zum integralen Bestandteil des Staatswesens zu machen.“ Weitere janusköpfige Negativfolgen lassen sich außerhalb der gesund-heitsbezogenen Betroffenenselbsthilfe in den Bereichen der professionel-len Selbsthilfeunterstützung sowie der sozialen Betroffenenselbsthilfe identifizieren. SCHILLER (2008: 6) konstatiert mit Blick auf die Etablierung der gesundheitsbezogenen Betroffenenselbsthilfe, dass dieser unbestreit-bare Erfolg auf Kosten der Vernachlässigung der sozialen Betroffenen-selbsthilfe seitens der Selbsthilfeunterstützung erzielt worden ist. Die die-sem Resümee intendierte Kritik spiegelt die in der Praxis gemeinhin offen-sichtliche „Gesundheitslastigkeit“ der so genannten Selbsthilfekontakt- und Selbsthilfeunterstützungsstellen in Deutschland wider. Im Jahre 2007 umfasste das deutschlandweite Netz der Selbsthilfegrup-penunterstützung insgesamt 273 lokale Selbsthilfekontakt- bzw. Selbsthil-feunterstützungseinrichtungen mit 46 Außen- bzw. Zweigstellen. (NAKOS 2007). Die ersten Selbsthilfekontakt- und Selbsthilfeunterstützungsstellen wurden 1981 in Hamburg, 1983 in Berlin und 1985 in München gegründet (vgl. THIEL 2006). Die ersten Neugründungen waren vorrangig aus ge-sundheitsbezogenen Kontexten erwachsen. In Hamburg beispielsweise einwickelte sich die erste Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe-gruppen aus dem Forschungsvorhaben „Laienpotential, Gesundheits-

Page 39: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 38

selbsthilfe und Patientenaktivierung“ (TROJAN & ESTORFF-KLEE 2004: 8). Bei der Gründung des Münchner Selbsthilfezentrums wiederum fungierte der dortige Gesundheitsladen als Wegbereiter und Mitinitiator (WIEDEMANN 2006: 44). Aufgrund dieser gesundheitsbezogenen Wurzeln und vor dem Hintergrund einer bereits florierenden gesundheitsbezogen Betroffenenselbsthilfe wird es verständlich, dass der (neu) konstituierte Bereich der Selbsthilfeunter-stützung seinen zentralen Arbeitsfokus nicht auf den dümpelnden Bereich der sozialen oder sonstigen Betroffenenselbsthilfe lenkte. Perpetuiert wur-de diese Schwerpunktsetzung aufgrund der weit verbreiteten und lange Zeit unhinterfragten Annahme, dass Betroffenenselbsthilfe für Menschen in sozial benachteiligten bzw. randständigen Lebenskontexten eine Über-forderung darstellen würde. In der Folgezeit kam für die Etablierung einer sozialen Betroffenenselbst-hilfe erschwerend hinzu, dass die finanzielle Selbsthilfeförderung der ge-setzlichen Krankenkassen – die auf der Grundlage des § 20 Abs. 4 SGB V zum 01.01.2000 von einer Ermessens- zu einer Pflichtleistung wurde – eine Sogwirkung auslöste, Anlässe und Thematiken von Selbsthilfegrup-pen möglichst gesundheitsbezogen zu formulieren. Viele Selbsthilfegrup-pen, die ebenso bzw. eigentlich der sozialen Betroffenenselbsthilfe zu-zuordnen sind, verorten sich aus finanzstrategischen Überlegungen im Bereich der gesundheitsbezogenen Betroffenenselbsthilfe. Die im Schatten der von Seiten der Selbsthilfeunterstützung und Selbsthil-feförderung präferierten und boomenden gesundheitsbezogenen Betroffe-nenselbsthilfe existierende soziale Betroffenenselbsthilfe lässt sich nur schwer in einem prägnanten Kontext verorten. Vielfach werden soziale Selbsthilfegruppen in einer Art Negativdefinition als nichtgesundheitsbe-zogene Selbsthilfegruppen etikettiert, die in unterschiedlichen sozialen Problemattribuierungen stehen. In der Zuordnungskategorie der nichtge-sundheitsbezogenen Betroffenenselbsthilfe subsumieren sich:

Page 40: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 39

1. Selbsthilfegruppen, die auf Anlässe und Thematiken bezogen sind, die im öffentlichen Verständnis als soziale Probleme definiert sind. Soziale Probleme lassen sich in diesem Sinne als ein Zustand be-stimmen, der in der öffentlichen Meinung von einer bedeutsamen Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern als untragbar bewertet wird und dessen Behebung erwartet wird (vgl. GROENEMEYER 1999: 16). Unter diese erste Kategorie würde beispielsweise eine Selbsthilfe-gruppe für arbeitslose Menschen über 50 Jahre fallen.

2. Selbsthilfegruppen, die sich der Bewältigung von Problemen an-

nehmen, die in einem sozialen Bedingungskontext stehen. Dieser zweiten Kategorie würde beispielsweise die Selbsthilfegruppe „Als Kind missbraucht“ und die Selbsthilfehilfegruppe „Anonyme Ko-Abhängige“ zuzuordnen sein.

3. Selbsthilfegruppen, die es ihren Teilnehmer/innen ermöglichen,

individuelle Probleme im sozialen Gruppenkontext zu bewältigen. Zu dieser dritten Kategorie würden beispielsweise die Selbsthilfe-gruppe „Verursacher von Unfällen mit Todesfolge“, die Selbst-hilfegruppe „Schüchterne Menschen“ und die Elternselbsthilfe-gruppe „Plötzlicher Kindstod“ gehören.

4. Selbsthilfegruppen, die sich mit sozialen Problemen beschäftigen,

die aufgrund sozialer Exklusion oder formaler bzw. gesell-schaftlicher Stigmatisierung hervorgebracht sind. Zu dieser vierten Kategorie würde beispielsweise eine Selbsthilfegruppe für Menschen mit sichtbaren Brandverletzungen und eine Selbsthilfe-gruppe für südafrikanische Migranten/innen in Deutschland ge-hören.

In dieser Vielschichtigkeit ist soziale Betroffenenselbsthilfe Ausdruck und Abbild postmoderner Gesellschaften (vgl. etwa WELSCH 1994; 2002; LYO-

TARD 1999; HABERMAS 1988). Soziale Betroffenenselbsthilfe verfügt über

Page 41: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 40

ein brachliegendes Potenzial, das sich umso mehr entfalten kann, umso adäquatere Angebotsformen der Selbsthilfeunterstützung geschaffen wer-den. Die spezifische Unterstützung einer dezidiert sozialen Betroffenenselbst-hilfe befördert das „Soziale“ auf zweierlei Art und Weise. Erstens über eine Zunahme von Betroffenenselbsthilfegruppierungen mit expliziten sozialen Themenbezügen (vgl. etwa OTTO 2001) und zweitens mittels einer Erhö-hung der Teilnahmezahlen von sozial benachteiligten Bürger/innen an Be-troffenenselbsthilfegruppen (vgl. etwa OEHLER 2007; MÄCHLER 1994). Betroffenenselbsthilfeengagement wird eine Vielzahl positiver Wirkweisen zugeschrieben. Betroffenenselbsthilfeengagement soll u.a. einen problem- bzw. krankheitsbezogenen Kompetenzerwerb und Erfahrungsaustausch ermöglichen, Unterstützungs- und Bewältigungspotentiale aktivieren, Aus-grenzung und Isolation verhindern, emanzipatorisch wirken, bürger-schaftliches Engagement fördern, präventiv wirken und ökonomisch ange-zeigt sein. Der Terminus „Betroffenenselbsthilfeengagement“ dient aufgrund dieser Vielfalt und Vielschichtigkeit intendierter positiver Wirkweisen als eine Art Chiffre, die in verschiedenen Diskursen unterschiedlich ausformuliert wer-den kann. WOHLFAHRT und BREITKOPF (1995: 34f) beispielsweise buchstabieren den Terminus „Betroffenenselbsthilfe“ in Abgrenzungs- und Bezugskontexten gegenüber professionellen Angeboten der sozialen Daseinsvorsorge aus und unterscheiden dabei die nachfolgenden drei Formen:

1. Betroffenenselbsthilfe als neue Subsidiarität 2. Betroffenenselbsthilfe als Konturierung des Alltags 3. Betroffenenselbsthilfe als Empowerment

Page 42: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 41

Jede der drei genannten Formen von Betroffenenselbsthilfe begründet sich in Abgrenzung bzw. Bezugnahme gegenüber dem professionellen Angebotsbereich sozialer Daseinsvorsorge und thematisiert damit defizitä-re bzw. kritische Aspekte insbesondere gegenüber den deutschen Wohl-fahrtsverbänden (vgl. WOHLFAHRT & BREITKOPF 1995: 115ff). Zusammenfassend kristallisieren sich diese Defizit- und Kritikpunkte in dem Vorwurf, dass sich die Wohlfahrtsverbände zu quasistaatlichen Or-ganisationen entwickelt haben (vgl. etwa SCHMID 1996; HERMANN 1984), und deshalb ihr Hauptaugenmerk mittlerweile nicht mehr auf die Interes-senslagen und Bewältigungsbedarfe hilfesuchender Bürger/innen legen, sondern auf die Transformation sozialpolitischer Wohlfahrtsprogramme in wohlfahrtsverbandliche Leistungsangebote (vgl. SCHMID 1996). „Wohl-fahrtsverbänden wird [in diesem Zusammenhang] vorgeworfen, sie defi-nieren die Interessen der Klienten in ihrem Sinne um. Statt sich vorbe-haltslos hinter die Interessen der Hilfs- und Schutzbedürftigen zu stellen, sei ihr Hauptanliegen der eigene Organisationserhalt, alles andere werde diesem Ziel untergeordnet. Damit würden berechtigte Forderungen der Klientel unterdrückt, abgepuffert und entpolitisiert.“ (KLUG 1997: 85). Vor diesem skizzierten Hintergrund kann soziale Betroffenenselbsthilfe in-sbesondere auch als weiter und damit näher zum hilfesuchenden Bürger hin deklinierte Form der Subsidiarität verstanden werden. Wie lässt sich nun aber diese neue Subsidiarität in Form sozialer Betroffe-nenselbsthilfe fassen? Hierüber geben eine Vielzahl von Autor/innen Aus-kunft. Im Nachfolgenden wird dieser Fragestellung anhand ausgewählter Ansätze der Typologie von Betroffenenselbsthilfe nachgegangen. MOELLER (1996: 98; zitiert nach BARTH 2005: 29) typologisiert Betroffenen-selbsthilfe wie folgt:

1. „Psychologisch-therapeutische Selbsthilfegruppen 2. Medizinische Selbsthilfegruppen und Selbsthilfeorganisationen

Page 43: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 42

3. Bewusstseinsverändernde Selbsthilfegruppen 4. Lebensgestaltende Selbsthilfegruppen 5. Arbeitsorientierte Selbsthilfegruppen 6. Lern- bzw. ausbildungsorientierte Selbsthilfegruppen 7. Bürgerinitiativen“

BORGETTO (2004: 27ff) wiederum unterscheidet sechs konzeptionelle Aus-formulierungen von Betroffenenselbsthilfe:

1. Betroffenenselbsthilfe als Psychotherapie 2. Betroffenenselbsthilfe als Gegenmacht 3. Betroffenenselbsthilfe als Alltagshandeln 4. Betroffenenselbsthilfe als Ergänzung der medizinischen Versor-

gung 5. Betroffenenselbsthilfe als bürgerschaftliches Engagement 6. Betroffenenselbsthilfe als integrativer Bestandteil des Gesundheits-

systems Eine weitere Differenzierung kann gemäß der organisatorischen Verfasst-heit von Betroffenenselbsthilfeengagement vorgenommen werden. Unter dem Oberbegriff der (Betroffenen)Selbsthilfegruppierung lassen sich (Be-troffenen)Selbsthilfegruppen, (Betroffenen)Selbsthilfeorganisationen und (Betroffenen)Selbsthilfeinitiativen unterscheiden (vgl. SIELER 2009: 15ff; BORGETTO 2004: 81ff). (Betroffenen)Selbsthilfegruppen sind charakterisiert durch einen Face-to-Face-Kontakt zwischen den Gruppenmitgliedern sowie eine geringe For-malstruktur. Für TROJAN und HALVES (1984: 149) besteht ein weiteres Charakteristikum von Selbsthilfegruppen in der „Kontinuität ihrer gemein-samen Arbeit, die meist wöchentliche, in der Regel aber mindestens mo-natliche Treffen erfordert.“ Eine Sonderform stellen (an)geleitete (Betroffenen)Selbsthilfegruppen dar, die über eine professionelle Leitung verfügen. Die Bezeichnung „(an)ge-

Page 44: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 43

leitete (Betroffenen)Selbsthilfegruppe“ erweist sich als irreführend, da sie suggeriert, dass (Betroffenen)Selbsthilfegruppen ohne diesen voranges-tellten Zusatz „(an)geleitete“ leitungslos und basisdemokratisch organisiert sind. BORGETTO (2004: 83) weist aber darauf hin, dass „etwa die Hälfte der ,reinen’ Selbsthilfegruppen geleitet werden (TROJAN ET AL. 1986: 33f) – al-lerdings von betroffenen Mitgliedern der Gruppe und nicht von einer nicht selbst betroffenen Fachkraft.“ (Betroffenen)Selbsthilfeorganisationen weisen in der Regel eine formale und arbeitsteilige Struktur auf. Als (über)regionale bzw. landes- und bun-desweite Organisationen offerieren sie für ihre angeschlossenen lokalen (Betroffenen)Selbsthilfegruppen und ihre Mitglieder sowie oftmals auch für Nichtmitglieder betroffenenspezifische Dienstleistungsangebote. Viele (Betroffenen)Selbsthilfeorganisationen sind als eingetragener Verein kons-tituiert, sodass ihre Mitglieder einen vereinsrechtlichen Mitgliederstatus er-langen. Bei den bundesweiten (Betroffenen)Selbsthilfeorganisationen sind laut BORGETTO (2004: 85) hauptberufliche Mitarbeiter/innen „eher die Re-gel als die Ausnahme.“ Während bei den ersten beiden Organisationsformen von Betroffenen-selbsthilfeengagement eine relative definitorische Übereinstimmung be-steht, divergieren die Vorstellungen über (Betroffenen)Selbsthilfeinitiativen wie die beiden nachfolgenden Definitionen verdeutlichen. Als (Betroffenen)Selbsthilfeinitiativen „gelten alle Gruppen, Organisationen und Verbände, die jenseits von Markt und Staat vor dem Hintergrund so-zialer oder gesundheitlicher Probleme im Sinne einer Bedarfsdeckung Be-troffener tätig werden. Die Handlungsformen in Selbsthilfeinitiativen kön-nen dabei Selbsthilfe und Fremdhilfe sowie ehrenamtliche und hauptamtli-che (bezahlte) Arbeit umfassen und übergreifend als bürgerschaftliches Engagement bezeichnet werden. Wesentlich ist, dass die Gruppe, die Or-ganisation oder der Verband sich am Bedarf und nicht an der Erzielung von Gewinn orientieren.“ (BORGETTO 2004: 86f)

Page 45: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 44

(Betroffenen)Selbsthilfeinitiativen „sind in der Regel zeitlich befristet und orientieren sich zielgerichtet an einem Missstand. Nach dem Wegfall des gemeinsamen Zieles, ob durch Erreichen oder Scheitern, lösen sich Initia-tiven meistens auf. Diese Zusammenschlüsse sind vorwiegend auf regio-naler Ebene tätig. Selbsthilfe-Initiativen, häufig auch als Bürger-Initiativen bezeichnet, wollen auf soziale, ökologische oder politische Missstände aufmerksam machen und diese beseitigen. Die Mitglieder einer Selbsthil-fe-Initiative setzen sich mit Informations- und Diskussionsveranstaltungen, Informationsständen, Rundschreiben, Pressemitteilungen und/oder Unter-schriftenaktionen für die Realisierung ihres gemeinsamen Zieles ein, wie zum Beispiel für einen neuen Kinderspielplatz, für eine Umgehungsstraße, für eine barrierefreie Gestaltung öffentlicher Räume und ähnliches mehr. ,Selbsthilfe-Initiativen sensibilisieren die Öffentlichkeit für aktuelle The-men. Dadurch sind sie häufig Motor für große und kleine gesellschaftliche Veränderungen.’ (MINISTERIUM FÜR ARBEIT UND SOZIALES BADEN-WÜRTTEMBERG 2005: 10).“ (SIELER 2009: 19). TROJAN und HALVES (1984: 150) erklären die vorgefundenen definitori-schen Diskrepanzen damit, dass unterschiedlich weite Verständnishori-zonte von Betroffenenselbsthilfe existieren, und verweisen unter Bezug-nahme auf BELLERMANN (1981) darauf, dass „dieses extrem weite Ver-ständnis […] historische Vorläufer [hat]: Auch Ende des 19. Jahrhunderts wurden unter ,Selbsthilfe’ alle nichtstaatlichen sozialen Hilfen verstanden.“ Diese Patchwork-Konstitution hat der Erfolgsgeschichte (gesundheitsbe-

zogener) Betroffenenselbsthilfe bis dato nicht erkennbar geschadet. TRO-

JAN und HALVES (1984: 148) betrachten diese Patchwork-Konstitution so-

gar als einen Erfolgsgaranten, indem sie bilanzieren: „Der Begriff

,Selbsthilfegruppen’ ist nicht zuletzt deswegen so populär geworden, weil

er mit zahlreichen verschiedenen Inhalten und Wunschvorstellungen ge-

füllt werden kann.“

Page 46: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 45

Die Bedeutungsdivergenzen, die bei den eben vorgenommenen Typologi-

sierungen von Betroffenenselbsthilfeengagement zutage traten, potenzie-

ren sich in der Praxis zu einem bunten Kaleidoskop von Betroffenen-

selbsthilfegruppierungen.

Vor diesem kaleidoskopischen Hintergrund werden im Folgenden einige

Erhebungsbefunde rezipiert, um das Phänomen der Betroffenenselbsthilfe

greifbarer machen zu können. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die

meisten Erhebungen und Untersuchungen der Selbsthilfeforschung nur

bedingt aussagekräftige Ergebnisse liefern, da „die meisten Studien […]

wenig oder keinen Bezug zu den vorhergehenden oder gleichzeitig ablau-

fenden Arbeiten her[stellen]. Es erscheint oftmals zufällig, welche Arbeiten

bei der Entwicklung der eigenen Fragestellung und der Beurteilung des

aktuellen Stands der Forschung auch in eingegrenzten Bereichen der

Selbsthilfeforschung zitiert werden – geschweige denn, dass die vorgän-

gigen Arbeiten systematisch diskutiert und der eigenen Arbeit zugrunde

gelegt würden.“ (BORGETTO 2001: 122).

Die eingangs nachgezeichnete Erfolgsgeschichte der aktuellen Selbsthil-

febewegung ging mit einer zunehmenden gesellschaftlichen Aufgeschlos-

senheit gegenüber (gesundheitsbezogener) Betroffenenselbsthilfe einher.

Innerhalb eines 15-jährigen Zeitraums von 1983 bis 1998 stieg in Deutsch-

land der Anteil der Bürger/innen, die sich prinzipiell vorstellen könnten, an

einer Selbsthilfegruppierung teilzunehmen von 35 auf 76 Prozent, wie sich

anhand der beiden repräsentativen Umfragen von GRUNOW ET AL. (1983)

und der DEUTSCHEN ANGESTELLTEN KRANKENKASSE (1998) belegen lässt.

In einer für die Bevölkerung in Deutschland repräsentativen Umfrage für das Gesundheitsbarometer der DEUTSCHEN ANGESTELLTEN KRANKENKASSE (1998) benannten 81 Prozent der Frauen und 70 Prozent der Männer den Erfahrungsaustausch mit anderen Krankheitsbetroffenen sowie den Infor-

Page 47: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 46

mationsaustausch über Behandlungsmöglichkeiten und behandelnde Ärz-te/innen als vorrangige Teilnahmeerwartung an Selbsthilfegruppierungen. Bei einer Befragung von Betroffenenselbsthilfegruppen (ISAB 1992) nach der Wichtigkeit von Gruppenleistungen bzw. von Gruppenaktivitäten wur-de zwischen innenorientierten und außenorientierten Betroffenenselbsthil-fegruppen unterschieden. Das Kriterium der Innenorientierung bedeutet, dass Betroffenenselbsthil-fegruppen den Fokus ihrer Leistungen bzw. Aktivitäten auf die Mitglieder und das Innenleben der Betroffenenselbsthilfegruppe richten (vgl. etwa WOHLFAHRT & BREITKOPF 1995: 48). Außenorientierte Betroffenenselbsthilfegruppen hingegen erbringen ihre Leistungen und Aktivitäten nicht ausschließlich für ihre Mitglieder, sondern auch für nichtgruppenzugehörige Betroffene (vgl. etwa WOHLFAHRT &

BREITKOPF 1995: 48).

Page 48: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 47

Die Ergebnisse dieser Studie des Instituts für sozialwissenschaftliche Ana-lysen und Beratung (ISAB 1992) sind in der nachfolgenden Tabelle 1 dar-gestellt. Tabelle 1: Leistungen von innen- und außenorientierten Selbsthilfe- gruppen (ISAB 1992: 61, zitiert nach WOHLFAHRT & BREIT- KOPF 1995: 51)

50 % 39 %Neue Mitglieder gewinnen

56 %24 %Öffentliche Aktionen und Veranstaltungen

50 %56 %Für Probleme von Gruppen-mitgliedern gemeinsam eine Lösung finden

60 %77 %Gegenseitige emotionale Unterstützung

82 %81 %Informationen austauschen

außeninnen Wichtige Leistungen

SelbsthilfegruppenOrientierung

50 % 39 %Neue Mitglieder gewinnen

56 %24 %Öffentliche Aktionen und Veranstaltungen

50 %56 %Für Probleme von Gruppen-mitgliedern gemeinsam eine Lösung finden

60 %77 %Gegenseitige emotionale Unterstützung

82 %81 %Informationen austauschen

außeninnen Wichtige Leistungen

SelbsthilfegruppenOrientierung

Empirische Studien (vgl. etwa GRUNOW ET AL. 1983; MOELLER ET AL. 1984; TROJAN ET AL. 1986; ENGELHARDT ET AL. 1995; OLA & ZICHNER 1996; JANIG 1999) bezüglich der Krankheits- und Problembetroffenen, die an Selbsthil-fegruppierungen teilnehmen, fokussieren auf die nachfolgenden drei

Page 49: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 48

Hauptcharakteristika der in Selbsthilfegruppierungen engagierten Krank-heitsbetroffenen:

1. Sozioökonomische Kontextbedingungen 2. Stabile Persönlichkeitseigenschaften im Sinne von trait-Variablen 3. Variable Motivationslagen und Problemkonstellationen im Sinne

von state-Variablen. Zu Punkt 1 ergab sich hinsichtlich der Betroffenenstruktur in Selbsthilfe-gruppierungen, dass weibliche Personen sowie Personen höheren Le-bensalters in den meisten Selbsthilfegruppierungen und insbesondere im Bereich der gesundheitsbezogenen Betroffenenselbsthilfe überrepräsen-tiert sind. Dieses kann vor dem Hintergrund, dass schwerwiegende und chronische Erkrankungen zumeist erst in einem höheren Lebensalter auftreten, nicht verwundern. Nach dem telefonischen Gesundheitssurvey des ROBERT KOCH-INSTITUTS (2006c: 50) engagieren sich über 60 Prozent wegen ihrer eigenen Ge-sundheit in der gesundheitsbezogenen Betroffenenselbsthilfe. Bezüglich des Betroffenenselbsthilfeengagements wegen der Gesundheit von Ange-hörigen fällt auf, dass „Männer aus allen Schichten sowie Frauen aus der Mittel- oder Unterschicht […] an Selbsthilfegruppen eher wegen ihrer ei-genen Gesundheit teil[nehmen]. Dagegen gehen Frauen aus der Ober-schicht häufiger wegen der Gesundheit einer anderen Person zu Selbsthil-fegruppen. Auch bei den Männern der Oberschicht ist der Anteil derer, die als Grund für die Inanspruchnahme einer Selbsthilfegruppe die Gesund-heit einer anderen Person angeben, deutlich höher als bei Männern der Mittel- oder Unterschicht.“ (ROBERT KOCH-INSTITUT 2006c: 51). Der gemeinhin für die in der Betroffenenselbsthilfe engagierte Personen-gruppe postulierte Mittelschichts-Bias, der BRÖMME und STRASSER (2000) veranlasste, Betroffenenselbsthilfegruppierungen als exklusive Solidaritä-ten zu titulieren, lässt sich insbesondere bei gesprächsorientierten Betrof-

Page 50: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 49

fenenselbsthilfegruppierungen vorfinden. In Betroffenenselbsthilfegruppie-rungen, die ihren Engagementfokus vorrangig auf den Austausch und die Weitergabe von Informationen ausrichten, bildet sich ein Mittelschichts-Bias weniger deutlich aus. Zusammenfassend hält BORGETTO (2004: 100f) fest, dass gemeinhin die Zugangsgrenzen von Betroffenenselbsthilfe „in den sprachlichen und ref-lexiven Fähigkeiten gesehen [werden], die eher bei Angehörigen der obe-ren und mittleren Gesellschaftsschichten anzutreffen sind.“ Weiter verfügen nach ENGELHARDT ET AL. (1995), OLA und ZICHNER (1996) sowie BORGETTO (2004) in Selbsthilfegruppierungen engagierte Betroffene häufig über keine bzw. keine intakten primären familiären Netzwerke. In Anlehnung an BORGETTO und KOLBA (2008) lässt sich zu Punkt 1 das Fazit ziehen, dass die sozioökonomischen Betroffenenverteilungen bei den vorhandenen (gesundheitsbezogenen) Selbsthilfegruppierungen nicht generell von sozialen Ungleichheiten geprägt sind, sondern diese nach Anlass bzw. Themenstellung, Art und Zielsetzung der Selbsthilfegruppie-rung unterschiedlich auftreten. Zu Punkt 2 lässt sich konstatieren, dass sich die Persönlichkeitseigen-schaften von Betroffenen, die sich in Selbsthilfegruppierungen engagieren und Betroffenen, die sich nicht in Selbsthilfegruppierungen engagieren, deutlich, aber ohne einheitlichen Trend unterscheiden. Eine Erhebung belegt beispielsweise, dass an Rheuma erkrankte Perso-nen, die sich in der Betroffenenselbsthilfe engagieren, über deutlich höhe-re interne Kontrollüberzeugungen bezüglich ihrer Erkrankung verfügen (BORGETTO 2004). Andere Studien wiederum attestieren in Selbsthilfegruppierungen enga-gierten Krankheits- und Problembetroffenen eine geringere emotionale Gefestigtheit und schlussfolgern, dass insbesondere Betroffene, die von

Page 51: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 50

Krankheiten und Schwierigkeiten destabilisiert sind, eher einer Selbsthilfe-gruppierung beitreten (GRUNOW ET AL. 1983). Die unter Punkt 3 aufgeführten und in verschiedenen Erhebungen darges-tellten Motivationen differenziert BORGETTO (2004: 110) in so genannte Weil-Motive und so genannte Um-Zu-Motive. Während Weil-Motive in der Vergangenheit verortet sind, fokussieren sich Um-Zu-Motive teleologisch auf die Erwartungen bezüglich der Teilnahme an Selbsthilfegruppierungen (siehe Tabelle 2). Tabelle 2: Motivationen und Problemkonstellationen der Engagierten

(in Anlehnung an BORGETTO 2004: 110)

Kommunikation mit anderen BetroffenenBewältigungHilfserwartung und HilfsbereitschaftVerbesserung der primärsozialen NetzeVon anderen Betroffenen lernenSelbst- und Sozialveränderung Selbsterfahrung

UM-ZU-MOTIVE

nach: Grunow et al. (1983); Moeller et al. (1984); Trojan et al. (1986a/b); Engelhardt et al. (1995); Ola & Zichner (1996); Janig (1999)

Sozialstaatliches Versorgungssystem: Mangelhaftigkeit o. kein AngebotVertrauenskriseAbhängigkeitsgefühle

Primärsoziale Netzwerke:Mangelhaftigkeit o. Nichtvorhandensein

WEIL-MOTIVE

Kommunikation mit anderen BetroffenenBewältigungHilfserwartung und HilfsbereitschaftVerbesserung der primärsozialen NetzeVon anderen Betroffenen lernenSelbst- und Sozialveränderung Selbsterfahrung

UM-ZU-MOTIVE

nach: Grunow et al. (1983); Moeller et al. (1984); Trojan et al. (1986a/b); Engelhardt et al. (1995); Ola & Zichner (1996); Janig (1999)

Sozialstaatliches Versorgungssystem: Mangelhaftigkeit o. kein AngebotVertrauenskriseAbhängigkeitsgefühle

Primärsoziale Netzwerke:Mangelhaftigkeit o. Nichtvorhandensein

WEIL-MOTIVE

Motive zur Teilnahme an Selbsthilfegruppen

Page 52: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 51

Die vorangegangene Tabelle 2 zeigt eine weit und oft unhinterfragt ver-breitete Sichtweise über die Anlässe von Selbsthilfeengagement. Selbst-hilfeengagement nimmt demnach seinen Verlauf aus einer Kontextuierung primärsozialer und/oder professioneller Defizite. TROJAN (1986, zitiert nach BORGETTO 2004: 100) entwirft ein Entste-hungsmodell, in dem sich gesundheitsbezogenes Betroffenenselbsthil-feengagement aus einer prozessualen Verschränkung von Faktoren wie Kontrollverlust aufgrund der professionellen Monopolisierung gesundheitli-cher Leistungsangebote, Abhängigkeitsgefühlen wegen des Vorhanden-seins einer Erkrankung, Vertrauensschwund wegen der Wahrnehmung von professionellen Mängeln, primärsoziale Unzulänglichkeiten und aus dem „Vorhandensein bestimmter Eigenkompetenzen wie Reste eigener Verfügungsgewalt, Wissen und Gegenerfahrungen“ ableitet. Während TROJAN (1986) sich mit seinem Entstehungsmodell explizit auf die gesundheitsbezogene Betroffenenselbsthilfe bezieht, entwirft OEHLER (2007) im Rekurs auf ENGELHARDT (2005) dezidiert ein Entstehungsmodell von Betroffenenselbsthilfeengagement im Referenzbereich der Sozialen Arbeit. OEHLER (2007: 184f) geht davon aus, „dass zwischen Selbsthilfe und pro-fessioneller Hilfe ein Entstehungszusammenhang besteht, nämlich der, dass sehr häufig der Initiative zur Selbsthilfe die Enttäuschung über pro-fessionelle Hilfe voraus geht. Diese Grundthese, dass die Mängel im pro-fessionellen Hilfssystem einen zentralen Referenzpunkt – neben den sub-jektiven Gründen – für die Entstehung von Selbsthilfeinitiativen bzw. die Teilnahme an Selbsthilfeprojekten darstellt, bildet sozusagen den theoreti-schen und interessengeleiteten Horizont […]. Aus dieser Optik kann Selbsthilfe als eine Reaktion auf ,Hilfeversagen’ interpretiert werden. Da-mit stellt sich für die Hilfeprofession Soziale Arbeit die Frage, wie sie sich gegenüber Menschen, die von ihren Dienstleistungen als enttäuschte Konsumenten abwandern – ohne, dass ihr Problem befriedigend gelöst ist

Page 53: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 52

–, verhält und wie sie als Akteur im gesellschaftlichen Feld der Hilfe mits-pielt, und welche Position sie darin einnimmt.“ Im Unterschied zu den beiden vorangegangen Modellen der Entstehung von Betroffenenselbsthilfeengagement fokussiert das innovative Konzept Blended Help nicht auf negativ gefasste Entstehungsprozesse von Betrof-fenenselbsthilfeengagement, sondern auf ein Betroffenenselbsthilfeenga-gement unterstützendes und begleitendes Arrangement professioneller Fremdhilfe. Blended Help basiert auf einem Update bzw. Upgrade des Grundsatzes „Hilfe zur (individuellen) Selbsthilfe“ und zielt in dieser aktualisierten Wei-terentwicklung auf eine „Hilfe zur individuellen und insbesondere kollekti-ven Selbsthilfe“. In diesem Grundverständnis begleitet und unterstützt So-ziale Arbeit gleichwohl individuelle wie auch kollektive Selbsthilfeprozesse. Das innovative Konzept Blended Help setzt damit – anders als die beiden vorangegangen Entstehungsmodelle – die Bereitschaft und Fähigkeit zum Betroffenenselbsthilfeengagement nicht als gegeben voraus, sondern macht diese zum Bestandteil professioneller Sozialer Arbeit. Im spezifischen Verständniskontext einer Hilfe zur Betroffenenselbsthilfe wendet sich Blended Help insbesondere an Kunden/innen der Sozialen Arbeit, die an einem Betroffenenselbsthilfeengagement interessiert sind. Nach der vorab bereits zitierten repräsentativen Umfrage für das Gesund-heitsbarometer der DEUTSCHEN ANGESTELLTEN KRANKENKASSE (1998) be-steht bei 76 Prozent der deutschen Bevölkerung eine grundsätzliche Be-reitschaft bzw. ein grundsätzliches Interesse sich im Falle einer Erkran-kung in der (gesundheitsbezogenen) Betroffenenselbsthilfe zu engagieren. Inwieweit diese grundsätzliche Bereitschafts- bzw. Interessensäußerung im Falle einer Erkrankung bzw. von sozialen Problemen tatsächlich zu ei-nem Engagement in der Betroffenenselbsthilfe führt, darüber kann auf-grund der uneinheitlichen Ergebnislage vorhandener Erhebungen nur spekuliert werden. Der telefonische Gesundheitssurvey, den das Robert

Page 54: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 53

Koch-Institut im Jahre 2003 durchführte, kommt zu dem Ergebnis, dass neun Prozent der Befragten im Alter von 18 bis 79 Jahren aus Gründen der eigenen Gesundheit oder der Gesundheit von Angehörigen schon einmal an einer gesundheitsbezogenen Selbsthilfegruppe teilgenommen haben (ROBERT KOCH-INSTITUT 2004: 12). Ein ausgewählter Blick auf an-lassspezifische Engagementraten zeigt eine Streubreite von zwei Prozent bis 17 Prozent: In der Suchtselbsthilfe sind beispielsweise etwa zwei bis sechs Prozent der Betroffenen, bei den an Krebs erkrankten Frauen sind circa drei bis vier Prozent der Betroffenen und in der Deutschen Hunting-ton Selbsthilfe sind rund 17 Prozent der rund 8.000 Betroffenen engagiert (ROBERT KOCH-INSTITUT 2004: 12). In der nachfolgenden Abbildung 4 sind die eben zitierten zentralen Zah-lenangaben abschließend nochmals in visualisierter Form dargestellt.

Selbsthilfe-engagementUninteressierte

Selbsthilfe-engangementInteressierte

Selbsthilfeengagierte

Selbsthilfe-engagementUninteressierte

Selbsthilfe-engangementInteressierte

Selbsthilfeengagierte Abb. 4: Verhältnisses von Selbsthilfeengagierten, an Selbsthilfeen- gagement Interessierten und an Selbsthilfeengagement Unin- teressierten Die in Abbildung 4 visualisierten Zahlenverhältnisse zwischen Selbsthilfe-engagierten, an Selbsthilfeengagement Interessierten und an Selbsthilfe-

Page 55: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 54

engagement Uninteressierten bereiten einen weiteren Begründungszu-sammenhang hinsichtlich der Notwendigkeit des innovativen Konzepts Blended Help, das sich auf die Gruppe der an einem Selbsthilfeengage-ment interessierten Bürger/innen wendet. 3.2 Marktökonomisierung und „Betroffenenselbsthilfeengagementi-sierung als korrespondierende Megatrends der Postmoderne Die moderne Epoche ist von einer fortschreitenden Differenzierung ihrer Strukturen und Funktionen charakterisiert. Von Vertretern der klassischen Soziologie wurde der Prozess der Moder-nisierung von der traditionalen zur (post)modernen Gesellschaft dezidiert als ein Prozess der zunehmenden Differenzierung konstituiert (DURKHEIM 1893/1992; 1902/03/1973). Die moderne und postmoderne Epoche gene-riert sich demzufolge als höchst differenziert und funktional arbeitsteilig. Im gesamtgesellschaftlichen Kontext dient die forcierte Differenzierung als Arbeitsteilung der Produktivitätssteigerung und dem zivilisatorischen Fort-schritt. Einhergehend mit dem Prozess der Differenzierung verkomplizie-ren sich industrielle und dienstleistungsbezogene Produktionsabläufe und erfordern von Arbeitstätigen hoch spezialisierte Kompetenzen. Auf der individuellen Kontextebene dient die fortschreitende Differenzie-rung nach Auffassung DURKHEIMS (1893/1992) einerseits der Förderung subjektiver Individualität und andererseits der gesellschaftlichen Ver-schränkung und Integration. Der Prozess der Differenzierung beispiels-weise in Form einer fortschreitenden Arbeitsteilung bedingt Formen ge-genseitiger Angewiesenheit bzw. Abhängigkeit, die etwa frühere Formen bäuerlicher Selbstversorgung heutzutage unmöglich machen würden. Aus diesen postmodernen Abhängigkeiten werden „Interaktionsverhältnisse von Menschen [bestimmt] und Solidaritätsbeziehungen zwischen ihnen [etabliert]“ (ROSA, STRECKER & KOTTMANN 2007: 78). Nach PARSON

Page 56: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 55

(1971/1985) befördert eine hoch arbeitsteilige und weite Teile des gesell-schaftlichen Lebens durchdringende Bürokratie eine Optimierung gesell-schaftlichen Lebens. Die Auffassung, dass sich gesellschaftliche Entwicklungen auch in der postmodernen Epoche anhand der Leitvorstellung der Differenzierung be-schreiben lassen, dominiert bis dato die gesellschaftlichen und insbeson-dere die gesellschaftssoziologischen Diskurse (PARSON 1971/1985). In diesem Diskurskontext lässt sich auch in der postmodernen Epoche je-des System und jedes Subsystem sowohl auf der gesellschaftlichen als auch auf der individuellen Ebene anhand seiner unterschiedlichen Diffe-renzierungen in Strukturen und Funktionen charakterisieren. Ein System definiert sich „als Zusammenhang von aufeinander bezogenen Elementen […], die in einer geregelten Verbindung stehen und sich im Blick des Beobachters als strukturierte Einheit von ihrer Umwelt abheben“. (ROSA, STRECKER & KOTTMANN, 2007: 153). Modernisierung im Sinne PARSONS verfolgt eine erwünschte Evolution und Anpassung eines Systems an die gesellschaftlichen Bedürfnisse (ROSA, STRECKER & KOTTMANN 2007). Unter diesem Evolutions- und Anpassungs-postulat sind postmodernen Gesellschaften fortschreitende Institutionali-sierungsprozesse immanent. Diese Institutionalisierungsprozesse sind darauf ausgerichtet, neue Institutionen zu gründen, um Strukturierungs-prozesse zu befördern, und um hoch differenzierte Subfunktionen in der Gesellschaft einnehmen zu können. Mittels dieser hoch differenzierten Un-terfunktionen lassen sich Institutionen unterscheiden und abgrenzen. PARSON (1971/1985) beschreibt den Gesamtprozess der Modernisierung als viergliedrig. Zu dem bereits erläuterten Leitprozess der Differenzierung sind noch die Prozesse der Standardhebung, der Wertverallgemeinerung und der Inklusion hinzuzufügen.

Page 57: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 56

Standardhebung kann beispielsweise darauf zielen, mittels einer Erhö-hung des Bruttosozialprodukts eine Wohlstandsmehrung für die Bevölke-rung zu realisieren. Wertverallgemeinerung intendiert im Modernisierungsprozess eine Uni-versalisierung von Werten und Normen. Und Inklusion zielt auf die Beteiligung möglichst vieler Bevölkerungsteile, um Tendenzen von Marginalisierung und Diskriminierung vorzubeugen. Gegenwärtig finden sich in der globalisierten Welt der Postmoderne ver-mehrt Anzeichen, dass sich der Leitprozess einer fortlaufenden Differen-zierung einbremst bzw. umkehrt und einer gegenläufigen Entdifferenzie-rung ausgesetzt ist. HARDT und NEGRI (2000) haben in ihrem häufig rezipierten Werk „Empire“ mit als erste darauf aufmerksam gemacht, dass in der globalisierten Welt die Grenzen zwischen unterschiedlichen Lebensbereichen wie Arbeit und Freizeit, zwischen Institutionen wie Familie und Schule sowie zwischen Funktionssphären wie Erwerbsarbeit und Bürgerschaftlichem Engagement verschwimmen. Menschen aus verschiedenen Herkunftskontexten, aus soziokulturell unterschiedlichen Lebenssettings sowie aus unterschiedli-chen Generationen leben und arbeiten vermehrt zusammen. Die Zuordnung von bestimmten Strukturen und Funktionen zu bestimmten Institutionen und Instanzen verflüchtigt sich im Sinne von BAUMAN (2003) und Sozialisationsinstanzen verlieren zunehmend ihre von PARSON

(1971/1985) zugedachte Bestimmungsfunktion über ihre Strukturen und Funktionen. Diese einführend erläuterten Prozesse einer Entdifferenzierung vollziehen sich sowohl im gesamtgesellschaftlichen als auch im individuellen Kontext. Im gesellschaftlichen Kontext rekurrieren diese Prozesse einer Entdiffe-renzierung unter dem Leitbegriff der Globalisierung als Abbau von Gren-zen zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen, religiösen, politischen und weltanschaulichen Systemen sowie der Verschränkung von nach

Page 58: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 57

PARSON abgegrenzten Systemen wie etwa der Kultur, des Gemeinwesen, der Wirtschaft und der Politik. Diese Verschränkung vollzieht sich beispielsweise, indem Nationalstaaten sukzessive Kompetenzrechte an die Europäische Union oder die Verein-ten Nationen abtreten. Weiter zeigt sich dieses Phänomen beispielsweise in der (Mit)Beeinflussbarkeit von Politik durch Wirtschaftslobbyisten und darin, dass Kunst, Kultur und auch Bildung unter das Primat wirtschaftli-cher Verwertbarkeit gestellt werden (HARDT & NEGRI 2000; ROSA, STRE-

CKER & KOTTMANN 2007). Im individuellen Kontext befördern die Prozesse der Entdifferenzierung un-ter der Leitkategorie der Individualisierung den Grenzabbau zwischen vor-mals separaten Sphären wie u.a. von Arbeit und Freizeit beispielsweise mittels (Tele)Heimarbeit, gleitender Arbeitszeit und moderner Kommunika-tions- und Informationsverarbeitung (HARDT & NEGRI 2000; ROSA, STRE-

CKER & KOTTMANN 2007). Das Gesundheitswesen stellt sich ebenso wie andere Systeme der Post-moderne als höchst differenziertes und arbeitsteiliges System dar, wel-ches stark in unterschiedliche Sphären bzw. Zuständigkeitsbereiche ge-gliedert ist. PARSON (1971/1985) vertritt in seiner Theorie die Auffassung, dass jedes System zum einen durch seine Struktur und zum anderen durch seine Funktion zu definieren ist. Die Strukturen des Gesundheitswesens werden determiniert mittels unter-schiedlicher Hierarchien und Zuständigkeiten beispielsweise zwischen ambulantem und stationärem Bereich oder zwischen den Facharztdomä-nen. Die Funktion des Gesundheitswesens bestimmt sich aus den beiden funktionalen Aufgabenstellungen der Prophylaxe sowie der Metaphylaxe. SIMON (2009) kommt zu der Gesamtbewertung, dass sich das deutsche Gesundheitswesen als ein hochkomplexes System abbildet, dessen diffe-renzierte Strukturen und Funktionsweisen in unterschiedlichen Subsyste-

Page 59: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 58

men und Aufgabenfunktionen – selbst für Expert/inn/en – wenig transpa-rent sind. Befördert wird die Intransparenz durch den Umstand, dass sich das Gesundheitswesen auf der Suche nach adäquaten Steuerungsmög-lichkeiten als fortlaufendes Reformvorhaben darstellt. SCHROEDER und PAQUET (2009) weisen auf die unzureichenden Steue-rungsmöglichkeiten und den Reformbaustellencharakter des deutschen Gesundheitswesens bereits im Untertitel ihrer Publikation zur Gesund-heitsreform 2007 dezidiert hin, indem sie formulieren „Gesundheitsreform 2007 – Nach der Reform ist vor der Reform“. In Anlehnung an PARSON stellen die beschriebenen Schwierigkeiten keine Absage gegenüber der als positiv zu bewertenden evolutionären Moderni-sierung dar, sondern können als Ausdruck einer unzureichenden Beach-tung der Viergliedrigkeit des Gesamtprozesses der Modernisierung gewer-tet werden (vgl. ROSA, STRECKER & KOTTMANN 2007). Im Zuge der evolutionären Modernisierung können pathologische und dis-funktionale Strukturen und Funktion auftreten, wenn der Gesamtprozess der Modernisierung in seiner Viergliedrigkeit missachtet wird. Disfunktionale Störungen können auftreten, wenn Ungleichgewichtigkeiten den viergliedrigen Gesamtprozess der Modernisierung einseitig strukturie-ren und dabei einzelne – unter Vernachlässigung anderer – Modernisie-rungsprozesse überbetont werden. Die aktuellen Schwierigkeitskontexte im deutschen Gesundheitswesen lassen sich als disfunktionale Störungen definieren. Diese disfunktionalen Störungen treten im deutschen Gesundheitswesen auf, weil die Moderni-sierungsprozesse der Standardhebung und der Differenzierung sehr rasch fortschreiten, während die Modernisierungsprozesse der Wertverallgemei-nerung und der Inklusion nur eine rudimentäre Beachtung finden. Der Modernisierungsprozess der Standardhebung wird als Folge des ra-schen medizinischen Fortschritts erheblich befördert. Gleichzeitig steigen

Page 60: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 59

infolge dieser Standardhebung die Ausgaben für das Gesundheitswesen exorbitant an. Im Jahre 2007 wurden 10,7 Prozent (OECD-Durchschnitt 9,0 Prozent) des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland für das Gesundheitswesen auf-gewandt (OECD HEALTH DATA 2007). Die Pro-Kopf-Ausgaben im deutschen Gesundheitswesen verzeichneten im Zeitraum von 1990 bis 2005 eine Steigerung um 80 Prozent, während das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland im selben Zeitraum lediglich um 37 Prozent anstieg (OECD HEALTH DATA 2007). Dieser rasante Kostenanstieg im deutschen Gesundheitswesen ist zweier-lei Entwicklungen auf Seiten der Nachfrage und auf Seiten des Angebots geschuldet. Auf Seiten der Nachfrage wirkt beispielsweise die demographische Ent-wicklung zu einem höheren Bevölkerungsanteil von über 65-jährigen Men-schen kostentreibend. Laut dem STATISTISCHEN BUNDESAMT (2002) entfie-len auf die 20 Prozent der Bevölkerung, die im Jahre 2002 über 65 Jahre waren, bereits 43 Prozent der Gesundheitsausgaben. Auf Seiten des Angebots bedingt die fortschreitende Differenzierung und Arbeitsteilung, die einen erheblichen Bürokratieaufwand nach sich zieht, sowie die Standardhebung infolge medizinischen Fortschritts einen Ans-tieg der Gesundheitsausgaben. Die beiden Modernisierungsprozesse der Wertverallgemeinerung und der Inklusion befinden sich gegenüber den beiden eben erörterten Modernisie-rungsprozessen der Differenzierung und Standardhebung in einer rück-ständigen und unzureichend beachteten Position. Mit der Vernachlässigung des Modernisierungsprozesses der Wertverall-gemeinerung stehen überfällige Schritte aus, beispielsweise salutogeneti-sches Gedankengut im Gesundheitswesen gesamtprogrammatisch zu etablieren. Eine Thematisierung, wie das krankheitszentrierte Gesund-heitswesen zu einem salutogenetischen und damit tatsächlichen Gesund-

Page 61: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 60

heitswesen überzuführen ist, erfolgte bis dato in den gesundheitspoliti-schen und gesundheitsphilosophischen Debatten äußerst ungenügend (HURRELMANN & LAASER 2006). Ebenso wie der Modernisierungsprozess der Werteverallgemeinerung ist auch der Modernisierungsprozess der Inklusion gegenüber den beiden flo-rierenden Modernisierungsprozessen der Differenzierung und Standard-hebung rückständig. Hinter dem plakativen Schlagwort der Zwei-Klassen-Medizin verbirgt sich eine mangelnde Inklusion weiter Teile der Bevölkerung. Mangelnde Inklu-sion in das Gesundheitswesen manifestiert sich grundlegend etwa in der geringeren Lebenserwartung von Bürger/innen mit niedrigeren Bildungs-abschlüssen oder in der schlechteren Gesundheitsverfassung von Kindern aus der Unterschicht gegenüber Kindern aus der Mittel- und Oberschicht wie dieses von der aktuellen Kindergesundheitsstudie des Robert Koch-Instituts aufzeigt wird (ROBERT KOCH-INSTITUT 2006b; STEIN 2009). Angesichts der vorab nachgezeichneten „Kostenexplosion“ im Gesund-heitswesen wurde sukzessive eine Marktökonomisierung eingeleitet. Die-se Marktökonomisierung manifestiert sich u.a. im Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung – allgemein als Gesundheitsreform 2007 bekannt – und entspringt dem von HARDT und NEGRI (2000) beschriebenen Prozess der Entdifferenzierung. Der Prozess der Entdifferenzierung kann als Prozess gegen die (weitere) Differenzierung verstanden werden, wobei die Verschränkung von Markt-ökonomie und Gesundheitswesen unter gewissen Umständen auch Pro-zesse im Sinne einer (weiteren) Differenzierung anstoßen kann, bei-spielsweise indem sich die Patiententypologie der gesetzlich, gesetzlich plus zusatz- und der privat versicherten Patient/inn/en um weitere markt-ökonomisch gefasste Varianten ausdifferenziert.

Page 62: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 61

Diese Ausdifferenzierung der Patiententypologie führt dazu, dass Patien-ten/innen bei der Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheitssys-tems zunehmend nicht nur in ihrer Patienten-, sondern auch in ihrer Kon-sumentenrolle gefordert sind. Als Zwischenfazit lässt sich festhalten, dass beide Prozessentwicklungen der Differenzierung und der Entdifferenzierung eine patientensubjektive Wahrnehmung eines anomischen und entmenschlichten Gesundheitswe-sen sowie des Verlustes an holistischen Krankheits- und Gesundheitser-fahrungen begünstigen. Und insofern lässt sich gesundheitsbezogenes Betroffenenselbsthilfeengagement als eine postmoderne Strategie deuten, Gesundheitshandeln in einem von den Prozessentwicklungen der Diffe-renzierung und Entdifferenzierung gleichwohl geprägten Gesundheitswe-sen individuell steuerbar zu machen. Der Trend zur gesundheitsbezogenen „Betroffenenselbsthilfeengagemen-tisierung“ korrespondiert in diesem Steuerungskontext mit dem Trend zur (zunehmenden) Marktökonomisierung. Beide Trends markieren Entwick-lungen, postmodernen Steuerungsanforderungen entsprechen zu können. Während gesundheitsbezogenes Betroffenenselbsthilfeengagement diese Zielsetzung auf der Ebene der Bürger/innen verfolgt, stellt die (zunehmen-de) Marktökonomisierung einen Steuerungsansatz auf der Systemebene dar. Die Verschränkung und Konfundierung von Marktökonomie und Gesund-heitswesen markiert dabei einen Systemwechsel in der Steuerung des Gesundheitswesens. An Stelle der staatlich-politischen Steuerungsinstan-zen tritt (zunehmend) eine marktökonomische Steuerung. Vor dem postmodernen Hintergrund verspricht eine marktökonomische Steuerung gegenüber staatlichen Steuerungsinstanzen im Vorteil zu sein. Inwieweit diese Vorteile letztlich auch realisiert werden können, ist insbe-sondere von den Rahmenbedingungen, die staatlicherseits gesetzt wer-den, abhängig.

Page 63: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 62

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass Marktökonomisierung ei-ne Strategie darstellt, staatliche Steuerungsdefizite, die in der Postmoder-ne auftreten, auszugleichen. Für die (zunehmende) Marktökonomisierung der Sozialen Arbeit lässt sich hieraus ableiten, dass Diskurse, die in einer antagonistischen Thematisierung von Sozialer Arbeit als human und mo-ralisch versus Marktökonomisierung als inhuman und unmoralisch verfan-gen bleiben, weder den Realitäten einer tradierten noch den Herausforde-rungen einer gegenwärtigen bzw. zukünftigen Sozialen Arbeit entsprechen können. In dieser antagonistischen Inszenierung der Marktökonomisierung der Sozialen Arbeit läuft selbige Gefahr, ihre Mitgestaltungspotenziale hin-sichtlich eines Marktes der Sozialen Arbeit zu verspielen. Diese Mitgestal-tungspotenziale sind gegeben, da die bis dato eingeleiteten marktökono-mischen Transformationsprozesse noch keinen Markt der Sozialen Arbeit konturiert, geschweige denn etabliert haben. Aktuell stellt sich Soziale Arbeit als ein Quasi-Markt dar. Dies bedeutet, dass marktökonomische Elemente implementiert wurden, um etwa bei der Vergabe von öffentlichen Zuschüssen einen Wettbewerb inszenieren zu können (vgl. etwa KEICHER & ANHORN 2005). Mit dem trägerübergreifenden Persönlichen Budget für Menschen mit Be-hinderung und Menschen, die von Behinderung bedroht sind, wurde ein wegweisender Schritt zu einem Markt der Sozialen Arbeit getan. Mit dem Inkrafttreten des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) zum 01.07.2001 wurde erstmals in § 17 SGB IX ein trägerübergreifendes Persönliches Budget für Menschen mit Behinderung und Menschen, die von Behinderung bedroht sind, gesetzlich verankert. Anfangs als Modell-vorhaben und als Ermessensleistung besteht seit dem 01.01.2008 ein Rechtsanspruch auf das Persönliche Budget (vgl. TRENDEL 2008). Das persönliche Budget ermöglicht dem im SGB IX genannten Personen-kreis als Budgetnehmer/innen „den ‚Einkauf’ […] [von] Leistungen eigen-verantwortlich, selbstständig und selbstbestimmt regeln [zu] können: sie werden Käufer, Kunden oder Arbeitgeber. Als Experten in eigener Sache entscheiden sie so selbst, welche Hilfen für sie am besten sind und wel-

Page 64: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 63

cher Dienst und welche Person zu dem von ihnen gewünschten Zeitpunkt eine Leistung erbringen soll. Diese Wahlfreiheit fördert die Selbstbestim-mung behinderter Menschen. Das Persönliche Dreieck löst das bisherige Dreieck zwischen Leistungsträger, Leistungsempfänger oder Leistungs-empfängerin und Leistungserbringer auf.“ (BUNDESMINISTERIUM FÜR ARBEIT

UND SOZIALES 2008: 7). Das Persönliche Budget stellt einen wegweisenden Schritt dar, da es Leis-tungsempfänger/innen nicht nur qua Marketing- bzw. Leitbilddefinition ei-nen Status als Kund/inn/en zubilligt, sondern sie auch mit den entspre-chenden Finanz- und Verfügungsressourcen ausstattet. Damit einher gehend werden die so genannten nichtschlüssigen Transak-tionsverhältnisse, die den tradierten sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis-sen zwischen Leistungsträger, Leistungsempfänger/in und Leistungserb-ringer immanent sind, hinfällig. Soziale Arbeit kann damit auf der Basis so genannter schlüssiger Transaktionsverhältnisse – also ohne Hinzuziehung eines Dritten – als marktökonomischer Ausgleich von Angebot und Nach-frage vollzogen werden. Auf der Basis solcher Ausgleichsverhältnisse von Angebot und Nachfrage lässt sich ein Markt der Sozialen Arbeit konstituieren. Ein Markt lässt sich demnach als Ort, an dem Angebot und Nachfrage ihren Ausgleich finden, definieren (vgl. GUDEHUS 2007). Gegenüber staatlichen Steuerungsansätzen verspricht eine marktökono-mische Steuerung, die über den Ausgleichsmechanismus von Angebot und Nachfrage für eine optimale Allokation und Distribution sozialer Dienstleistungen sorgt, besser geeignet, im postmodernen Kontext eine effiziente und effektive Soziale Arbeit zu ermöglichen. Neben den staatli-cherseits gesetzten Rahmenbedingungen bzw. der zugrunde gelegten Marktordnung sind für die Realisierung eines Marktes der Sozialen Arbeit insbesondere die zukünftigen Kund/inn/en von grundlegender Bedeutung.

Page 65: Dokument_44.pdf (1384 KB)

3. Basistrends 64

Das in den folgenden Kapiteln ausgebreitete innovative Konzept Blended Help unterstützt hilfesuchende Bürger/innen in ihrer Rolle als Kund/inn/en eines Marktes der Sozialen Arbeit. Blended Help unterstützt hilfesuchende Bürger/innen dabei sowohl in ihrer individuellen Rollenidentität als Kun-de/in der Sozialen Arbeit als auch in ihrer kollektiven Rollenidentität als Kunden/innen der Sozialen Arbeit. In Anlehnung an HENGSBACH (2006) kommt für einen funktionierenden Markt der Sozialen Arbeit insbesondere der Etablierung einer kollektiven Rollenidentität der Kund/inn/en der Sozia-len Arbeit im Sinne des Verbraucherschutzes und der Interessenvertre-tung eine herausragende Bedeutung zu (vgl. auch BAUER 2001). Während in der Funktion des Verbraucherschutzes auf bestehende Angebotsstruk-turen des allgemeinen Verbraucherschutzes zurückgegriffen werden kann, müssen in der Funktion der Interessenvertretung erst entsprechende Strukturen aufgebaut werden. Bei der Interessenvertretung der Kund/inn/en eines Marktes der Sozialen Arbeit ist besonders das Spezifi-kum zu beachten, dass der marktökonomische Kundenstatus einer ent-sprechenden sozialstaatlichen Finanzausstattung bedarf. RAUSCH (2006: 8) weist in diesem Zusammenhang auch auf die Ressen-timents hin, die innerhalb der Sozialen Arbeit gegenüber einem Kunden-begriff geäußert werden: „Während die irreführende Bezeichnung ,Produkt’ nahezu kritiklos übernommen und Arbeitshandlung treu und brav in Produktbeschreibungen aufgelistet werden, gibt es jede Menge Fach-leute, die sich der kritischen Destillierung des Begriffes ,Kunde’ hingeben.“ Die im nachfolgenden Kapitel 4 eingeführte Konfiguration der Kunden-selbsthilfegruppe als neue Form der Betroffenenselbsthilfe kann in diesem Zusammenhang ein Medium darstellen, um sowohl einen positiven Kun-denbegriff in die Soziale Arbeit zu transportieren als auch für eine Interes-senvertretung hinsichtlich einer nachhaltigen und adäquaten Finanzaus-stattung der Kund/inn/en der Sozialen Arbeit zu sorgen.

Page 66: Dokument_44.pdf (1384 KB)

4. Strategiekontext 65

4. Betroffenenselbsthilfe als marktstrategischer Erfolgsfaktor

Selbsthilfegruppe „Eltern an Leukämie erkrankter Kinder“ der Kranken-haussozialarbeit am städtischen Klinikum, Selbsthilfegruppe „Familien in der Privatinsolvenz“ der Schuldnerfachberatung, Selbsthilfegruppe für Bewohner/innen der Notunterkunftsanlage in der Längsseestraße, Selbst-hilfegruppe „Muslimische Frauen in Deutschland“ der Fachstelle für Migra-tion, Selbsthilfegruppe „Erwerbslose 50plus“ im Arbeitslosentreff Nord, Selbsthilfegruppe „Zwillingseltern“ des kommunalen Familienzentrums, Selbsthilfegruppe „Pflegende Angehörige“ der Seniorentagesstätte „Son-nenhof“, Selbsthilfegruppe „Manisch-depressiv erkrankte Menschen“ des Sozialpsychiatrischen Dienstes Ost, Selbsthilfegruppe „Lebens- und Sinn-krisen“ der psychosozialen Beratungsstelle, (…). Selbsthilfegruppen, die in den eingangs exemplifizierten immediaten Be-zugsverhältnissen zu (wohlfahrts)verbandlichen Trägerorganisationen der Sozialen Arbeit stehen, stellen unter den rund 100.000 Selbsthilfegruppen in Deutschland noch eine seltene, kaum beachtete und vage Erscheinung dar (vgl. ROBERT KOCH-INSTITUT 2004). Die gezielte Bezugnahme auf Selbsthilfegruppierungen kann für (wohl-fahrts)verbandliche Trägerorganisationen strategische Optionen erschlie-ßen, die gleichermaßen die mit der (zunehmenden) Marktökonomisierung Sozialer Arbeit sich eröffnenden Chancen erhöhen als auch die damit ver-bundenen Risiken minimieren können. Diese strategische Optionenvielfalt lässt sich im Leitbild der Kun-den(selbsthilfegruppen)orientierung subsumieren und – wie ein Blick auf Abbildung 5 veranschaulicht – in vier Bezugnahmesektoren untergliedern. Die Bezugsverhältnisse, die in den ersten drei Gliederungssektoren ange-siedelt sind, konstituieren sich im Organisationskontext professioneller Sozialer Arbeit. Im letztgenannten vierten Optionsfeld finden sich Bezugs-

Page 67: Dokument_44.pdf (1384 KB)

4. Strategiekontext 66

verhältnisse, die im Dienstleistungsprozess professioneller Sozialer Arbeit verortet sind.

Abb. 5: Bezugnahmesektoren gegenüber Selbsthilfegruppierungen Bei der Initiierung von Bezugsverhältnissen kann auf be- und entstehende Selbsthilfegruppierungen zugegangen werden. Eine weitere Initiierungs-möglichkeit liegt in der eigenständigen bzw. eigenveranlassten Gründung von Selbsthilfegruppierungen durch (wohlfahrts)verbandliche Trägerorga-nisationen. Bei der erst genannten Variante gründet eine (wohlfahrts)verbandliche Trägerorganisation eine Selbsthilfegruppierung und schafft damit ein Ar-rangement für (potenzielles) Betroffenenselbsthilfeengagement. Bei der als zweites genannten Variante werden Betroffene motiviert und unters-tützt, eine Selbsthilfegruppierung zu gründen. Im Verhältnis von (wohlfahrts)verbandlicher Trägerorganisation und Selbsthilfegruppierung lässt sich zwischen einer mittelbaren und einer un-mittelbaren Bezugnahme unterscheiden. Im mittelbaren Verhältniskons-

TRÄGER ORGANISATION

Kooperation

Konsultation

Koproduktion

Kommunikation

1 2

3 4

TRÄGER ORGANISATION

Page 68: Dokument_44.pdf (1384 KB)

4. Strategiekontext 67

trukt stehen (wohlfahrts)verbandliche Trägerorganisation und Selbsthilfe-gruppierung in einem thematischen bzw. projektbezogenen Bezugnahme-kontext, beispielsweise aufgrund der gemeinsamen Veranstaltung des Aktionstages „Arbeitslos, aber nicht perspektivenlos“ durch das Arbeitslo-senzentrum Nord und die Selbsthilfegruppe „Jung und arbeitslos“. Bei der unmittelbaren Konstruktvariante befinden sich wohlfahrtsverband-liche bzw. sonstige Trägerorganisation und Selbsthilfegruppierung in ei-nem der eingangs in diesem Kapitel exemplifizierten Bezugnahmeverhält-nisse. In solchen immediaten Verhältnissen sind Selbsthilfegruppierungen idealiter in einen formalen und (leistungs)abgestimmten Bezugskontext gegenüber der (wohlfahrts)verbandlichen Trägerorganisation eingefügt wie beispielsweise die Selbsthilfegruppe „Geschlagene Frauen“ der öku-menischen Frauenberatungsstelle. Beispielbleibend konkretisierend kann dieses unmittelbare Bezugnahmearrangement bedeuten, dass besagte Selbsthilfegruppe für Kundinnen der Frauenberatungsstelle vor-, zu- oder nachgeschaltet ist. Mit dieser besonderen Konfiguration von Betroffenenselbsthilfeengage-ment erweitert sich die Typologie unterschiedlicher Selbsthilfegruppierun-gen (vgl. SIELER 2009: 15-19). Gemäß des Grundsatzes „Nomen est Omen“ lässt sich diese innovative Erscheinungsform von Betroffenen-selbsthilfe als so genannte Kundenselbsthilfe betiteln. Die weiteren Ausführungen kaprizieren sich auf diesen eben eingeführten Typus der Kundenselbsthilfe, der für die beiden dieser Dissertationsschrift zugrunde liegenden Innovationen, nämlich des Grundsatzes „Hilfe zur Selbsthilfe“ und des Konzeptes „Blended Help“ eine umsetzungsoptimale Infrastruktur verspricht. Im Zuge der (zunehmenden) Marktökonomisierung Sozialer Arbeit kann der Kundenselbsthilfe(gruppen)orientierung wohlfahrtsverbandlicher und sonstiger Trägerorganisationen eine zentrale Strategierelevanz zukom-men.

Page 69: Dokument_44.pdf (1384 KB)

4. Strategiekontext 68

Dieser Bedeutungsgehalt der Kundenselbsthilfeorientierung lässt sich am Gap-Modell der Dienstleistungsqualität von ZEITHAML, PARASURAMAN und BERRY (1992) illustrieren. Im Vergleich zum in der Sozialen Arbeit vielfach zugrunde gelegten drei-dimensionalen Qualitätsverständnis nach DONABEDIAN (1980), welches im Bereich öffentlicher Gesundheitsdienstleistungen seine Entstehung fand und zwischen Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität differenziert (vgl. BOEßENECKER ET AL 2003: 8), entwickelt das Gap-Modell ein Qualitätsver-ständnis, welches sich dezidiert aus der Kundensicht von erwarteter und wahrgenommener Dienstleistung ableitet (vgl. BRUHN 2006: 153ff). Das in Abbildung 6 dargestellte Gap-Modell der Dienstleistungsqualität lokalisiert im Dienstleistungsprozess fünf Lücken (engl.: gaps), die für ein kundenadäquates Dienstleistungsergebnis geschlossen werden müssen.

Erwartete Dienstleistung

WahrgenommeneDienstleistung

Individuelle Bedürfnisse

Spezifikation Dienstleistung

Mund-zu-Mund-Kommunikation Vorerfahrungen

WahrgenommeneKundenerwartung

KundenkommunikationGAP 1

GAP 2

GAP 3

GAP 5

Erstellung Dienstleistung

GA

P 4

Erwartete Dienstleistung

WahrgenommeneDienstleistung

Individuelle Bedürfnisse

Spezifikation Dienstleistung

Mund-zu-Mund-Kommunikation Vorerfahrungen

WahrgenommeneKundenerwartung

KundenkommunikationGAP 1

GAP 2

GAP 3

GAP 5

Erstellung Dienstleistung

GA

P 4

Abb. 6: Gap-Modell der Dienstleistungsqualität (in Anlehnung an ZEITHAML, PARASURAMAN & BERRY 1992)

Page 70: Dokument_44.pdf (1384 KB)

4. Strategiekontext 69

Ein Blick auf Abbildung 7 konkretisiert diese dienstleistungsprozessimma-nenten Lücken und verdeutlicht, dass die Bezugnahme auf Selbsthilfe-gruppierungen insbesondere im Leitbild der Kundenselbsthilfeorientierung einen innovativen und wichtigen Beitrag leisten kann, um Qualitätslücken im Dienstleistungsprozess zu füllen.

Abb. 7: Qualitätslücken im Dienstleistungsprozess (in Anlehnung an ZEITHAMEL, PARASURAMAN & BERRY 1992)

GAP 1

GAP 3

GAP 2

GAP 5

GAP 4

Wahrnehmungslücke

Entwicklungslücke

Leistungslücke

Kommunikationslücke

Kundenlücke

z.B. aufgrund ungenügender Marktforschung z.B. aufgrund mangelhafter Kundenkommunikation

z.B. aufgrund schlechtem Kundenmanagement z.B. aufgrund inadäquater Leistungsorganisation

z.B. aufgrund unzureichender Kundenintegration in den Dienstleistungsprozess

z.B. aufgrund von unsystematischer Kunden- kommunikation im Dienstleistungsprozess

aufgrund von Kumulation von GAP 1 bis GAP 4

Page 71: Dokument_44.pdf (1384 KB)

4. Strategiekontext 70

Mittels des Strategieansatzes der Kundenselbsthilfeorientierung kann in einer ersten Etappe die Dienstleistungsqualität innerhalb (wohlfahrts) verbandlicher Trägerorganisationen optimiert werden. In einer zweiten Etappe kann die (un)mittelbare Bezugnahme auf Selbsthilfegruppierungen der qualitätsbezogenen Kundenperspektive in der Sozialen Arbeit einen weiteren Entwicklungsschub verleihen, einen Entwicklungsschub, der Fra-gen kundenbezogener Qualität anders als im Gap-Modell nicht an den Grenzen von Trägerorganisationen bzw. des Marktes der Sozialen Arbeit enden lässt, sondern in gesellschaftliche und politische Kontexte hinein-wachsen lässt. Nach SCHAARSCHUCH (2003: 2) erschließt sich in einer solchen kundenbe-zogenen Ermöglichung eines gesellschaftlichen und politischen Qualitäts-diskurses zudem eine Meta-Qualität bzw. Qualität zweiter Ordnung der Sozialen Arbeit. Der Strategieansatz der Kunden(selbsthilfegruppen)orientierung bezieht sich gleichermaßen auf die beiden von SCHAARSCHUCH formulierten Quali-tätskategorien der ersten und zweiten Ordnung. In beiden Qualitätskategorien stehen die so genannten Kundenselbsthilfe-gruppen im Zentrum der operativen Umsetzung. Mittels der Kunden-selbsthilfegruppen soll das (vermeintliche) Konfliktfeld zwischen markt-ökonomischem Handeln (müssen) und intermediärem Wirken (wollen) in ein Synergiefeld transformiert werden. Auf der Basis einer kunden(selbsthilfegruppen)orientierten Dienstleis-tungsqualität lassen sich in den vier in Abbildung 5 veranschaulichten Be-zugnahmesektoren der „Kommunikation“, „Konsultation“, „Kooperation“ und der „Koproduktion“ insbesondere folgende marktstrategische und intermediäre Synergien generieren: Im Zuge der (zunehmenden) Marktökonomisierung Sozialer Arbeit kommt der Kommunikation als einem Prozess des wechselseitigen Austausches von Informationen zwischen (wohlfahrts)verbandlichen Trägerorganisatio-

Page 72: Dokument_44.pdf (1384 KB)

4. Strategiekontext 71

nen der Sozialen Arbeit und deren Kund/inn/en eine hervorgehobene marktstrategische Bedeutung zu. „Tue Gutes und sprich darüber“ bedeutet in einer marktgemäßen Adaption „Schaffe Kundennutzen und kommuniziere diesen mit (potenziellen) Kund/inn/en“. Bei diesem Relaunch eines gemeinhin in der Sozialen Arbeit verbreiteten Leitspruchs handelt es sich nicht nur lediglich um eine semantische Ang-leichung an den sprachlichen Zeitgeist. Einhergehend mit diesem Anpas-sungsprozess ist vielmehr ein sukzessiver Wandel im Verständnis der Be-ziehung von (wohlfahrts)verbandlichen Trägerorganisationen der Sozialen Arbeit und (potenziellen) dienstleistungsnehmenden Kund/inn/en. (Vor-malige) Leistungsempfänger/innen werden im Zuge der Vermarktlichung bzw. Verwettbewerblichung zu (künftigen) Kund/inn/en, deren persönliche Präferenzen und „Einkaufsentscheidungen“ den (wirtschaftlichen) Erfolg von Angebotsorganisationen der Sozialen Arbeit determinieren. Seine konzeptionelle Verortung kann dieses veränderte Beziehungsver-ständnis im Managementansatz des (Sozial)Marketings finden (vgl. BORN-

HOLDT, NOLL & RUCKH 2006). Innerhalb des (Sozial)Managements kann (Sozial)Marketing als ein weite-rer Aufgabenbereich neben beispielsweise der Finanzierung und der Per-sonalführung eingereiht und/oder als (Sozial)Managementphilosophie im-plementiert werden. Aufgrund dieses zweifachen Bedeutungsgehaltes als Managementaufgabe und -grundhaltung wird (Sozial)Marketing auch als „duales Managementkonzept“ bezeichnet (MEFFERT ET AL 2008: 13). Der Strategieansatz der Kunden(selbsthilfegruppen)orientierung findet sich idealiter im letztgenannten Sozialmarketingverständnis wieder und zielt auf eine kunden(selbsthilfegruppen)orientierte Ausrichtung der (wohl-fahrts)verbandlichen Trägerorganisation und deren Dienstleistungspro-zesse.

Page 73: Dokument_44.pdf (1384 KB)

4. Strategiekontext 72

Für das Sozialmarketing bzw. Sozialmanagement bedeutet eine solche Ausrichtung, dass die organisationsexterne Perspektive der Kund/inn/en integriert werden muss. Klassische Marketingmaßnahmen zur Kundenkommunikation wie Zei-tungsanzeigen, Informationsbroschüren, Fernseh-, Hörfunk- und Kinower-bung sowie Eventaktionen fußen im Leitverständnis „Tue Gutes und sprich darüber“ und können nur bedingt eine Integration der Kundenperspektive befördern (vgl. auch STUMMBAUM 2008: 28). WENDT (2005: 35) weist in diesem Zusammenhang auf den widersprüchli-chen Sachverhalt hin, dass Sozialmarketingmaßnahmen „unpersönlich kommuniziert werden“, während „Soziale Arbeit personenbezogen geleis-tet wird“. Eine Alternative bzw. Ergänzung zu klassischen Marketingmaßnahmen sowie ein im Sinne von WENDT widerspruchsfreier Sozialmarketingansatz stellt das Empfehlungsmarketing dar. Empfehlungsmarketing richtet das Augenmerk auf die kundenbezogene Qualität laufender Organisations- und Dienstleistungsprozesse und zielt auf die Empfehlungsabgabe der Kund/inn/en. Empfehlung ist nach MARKERT (2008: 14) „die persönliche, mündliche oder schriftliche Weitergabe der positiven Beurteilung eines Unternehmens, eines Mitarbeitenden, einer Marke, eines Produkts oder einer Dienstleis-tung an eine Person oder Personengruppe mit dem Ziel, bei den Empfän-gern der Beurteilung psychologische und verhaltensbezogene Wirkungen bezüglich des Beurteilungsobjekts und/oder des Senders herbeizuführen.“ In der populärwissenschaftlichen Literatur und der Ratgeberliteratur wird der Themenbereich des Empfehlungsmarketings u.a. als „Marketing zum Nulltarif“ (MISNER 2004) „gehypt“. Dabei wird verkannt, dass Empfeh-lungsmarketing – bei einer seriösen und nachhaltigen Ausführungsvarian-

Page 74: Dokument_44.pdf (1384 KB)

4. Strategiekontext 73

te – kein voraussetzungsloser Selbstläufer ist, sondern auf einem kunden-orientierten (Sozial)Marketing bzw. (Sozial)Managementansatz fußt. In der operativen Umsetzung eines Empfehlungsmarketings besteht die methodische Schwierigkeit, eine systematisierte positive Mund-zu-Mund-Propaganda zu initiieren. Unter Bezugnahme auf Selbsthilfegruppierungen lässt sich dieses Realisierungsproblem umgehen bzw. minimieren. Die Bezugnahme auf Selbsthilfegruppierungen erschließt im Empfeh-lungsmarketing den gebündelten Zugang zu einer größeren Anzahl von (potenziellen) Kund/inn/en, die aufgrund ihres Betroffenenselbsthilfeenga-gements gemeinhin als problembewusst(er) und bewältigungsenga-giert(er) (als Nichtbetroffenenselbsthilfeengagierte) eingestuft werden können (vgl. BORGETTO 2004: 105f). Weiter verfügen Selbsthilfegruppie-rungen im Allgemeinen über ein hohes Multiplikatoren- und Vernetzungs-potenzial und gewährleisten damit beste Voraussetzungen für ein Empfeh-lungsmarketing. Diese positiven Grundlagen für ein Empfehlungsmarketing können noch optimiert werden, indem Kommunikationsprozesse mit Selbsthilfegruppie-rungen dialogorientiert gestaltet werden, um damit einen wechselseitigen Informationsfluss in Gang zu setzen (vgl. SOHLAU & WÜRFEL 2006) Ein Empfehlungsmarketing unter Bezugnahme auf Selbsthilfegruppierun-gen erschließt (wohlfahrts)verbandlichen Trägerorganisationen die markt-strategische Perspektive, Kundenkommunikation nicht mittels Marketing-aktionen und -materialien (teuer) erkaufen zu müssen, sondern im dialo-gischen Kunden(selbsthilfegruppen)kontakt im Organisationskontext und im Dienstleistungsprozess erarbeiten zu können. Im Vergleich zu nichtorganisierten Kund/inn/en lässt sich bei Selbsthilfe-gruppierungen positive Mund-zu-Mund-Propaganda leichter und beständi-ger systematisieren. Selbsthilfegruppierungen, die in einem immediaten

Page 75: Dokument_44.pdf (1384 KB)

4. Strategiekontext 74

Bezugsverhältnis in den Dienstleistungsprozess eingebunden sind, offerie-ren wiederum im Vergleich – wie in Abbildung 8 dargestellt – zu anderen Selbsthilfegruppierungen und nichtorganisierten Kund/inn/en die nachhal-tigsten Perspektiven für ein erfolgreiches Empfehlungsmarketing.

Wohlfahrtsverbandliche bzw. sonstigeTrägerorganisation

Empfehlungsmarketing

Selbsthilfe-gruppe

Klient/in

Klient/in

Klient/in

Kundenselbsthilfe-

gruppe

Wohlfahrtsverbandliche bzw. sonstigeTrägerorganisation

Empfehlungsmarketing

Selbsthilfe-gruppe

Klient/in

Klient/inKlient/in

Klient/in

Kundenselbsthilfe-

gruppe

Abb. 8: Empfehlungsmarketing und Betroffenenselbsthilfe Für (potenzielle) Kund/inn/en der Sozialen Arbeit kann Empfehlungsmar-keting in der Phase der Dienstleistungsauswahl wichtige Funktionen erfül-len. Die Phase der Dienstleistungsauswahl lässt sich im Allgemeinen und in der Sozialen Arbeit im Besonderen als risikobehaftet charakterisieren Nach FOCHT und SWOBODA (2005: 84) speist sich diese phasenbezogene

Page 76: Dokument_44.pdf (1384 KB)

4. Strategiekontext 75

Risikohaftigkeit in Anlehnung an SOLOMON, BAMOSSY und ASKEGAARD (2001: 260) aus sieben Risikolagen, deren Aktivierung wesentlich von kundenspezifischen Prädispositionen sowie Typus und Kontextualisierung der Dienstleistung bestimmt ist. Grundsätzlich gilt die Dienstleistungs- im Vergleich zur Produktauswahl-phase risikobesetzter, da Dienstleistungsprozesse aufgrund spezifischer Eigenschaften (vgl. MEFFERT & BRUHN 2006: 36ff) nicht umfassend zu überprüfen und bewerten sind. Immaterialität, Individualität und Integrativität (von Kund/inn/en) als (vorab) bewertungsschwierige Spezifika sind in Dienstleistungsprozessen der So-zialen Arbeit im Allgemeinen in einem hohen Maße immanent. Bei der Auswahl von Dienstleistungen (in der Sozialen Arbeit) bleibt damit ein Restrisiko bestehen (vgl. BAUER 1976: 208). Dies hat zur Folge, dass nach WORATSCHEK (1996: 64ff und 1998a: 23) der gesamte Dienstleis-tungsprozess von einer gewissen Verhaltensunsicherheit okkupiert ist. Für Kund/inn/en (der Sozialen Arbeit) bedeutet dies, dass sie bei der Auswahl von Dienstleistungen und im Dienstleistungsprozess einen ge-wissen Vertrauensvorschuss einbringen müssen. Die Bezugnahme auf Selbsthilfegruppen kann in diesem Zusammenhang hilfreich wirken. Potenzielle und neue Kund/inn/en treffen in Selbsthilfe-gruppen auf Menschen, die aufgrund eigener Betroffenheit persönliche Hintergrundinformationen und authentische Empfehlungen aussprechen können. Für potenzielle und neue Kund/inn/en kann dieses zweierlei be-wirken. Ersten, dass die Kriterienbasis für die Dienstleistungsauswahl fun-diert wird, und zweitens, dass Vertrauen für die Auswahl und die Inans-pruchnahme notwendiger Dienstleistungen gewonnen wird. Konsultation beschreibt in einem kundenorientierten Paradigma das Be-mühen, Kund/inn/en in strategische Managementprozesse adäquat einzu-

Page 77: Dokument_44.pdf (1384 KB)

4. Strategiekontext 76

binden. Bei ausgewählten Managementprozessen beispielsweise zur In-novationsentwicklung oder zur zukünftigen Marktpositionierung sollen Konsultationen mit Kund/inn/en eine markt- und kundengerechte(re) Ent-scheidungsfindung unterstützen (vgl. LUTHE & NOLL 2006). Für den Bezugnahmesektor der Konsultation finden auch die vorangegan-genen kunden(selbsthilfegruppen)orientierten Ausführungen zum Bezugs-feld der Kommunikation eine entsprechende Gültigkeit. Im psychiatrischen Bereich entwickelte sich (unter Mitwirkung von Selbst-hilfegruppierungen) mit dem Trialog eine verbreitete Verfahrensweise der Konsultation. Der Trialog intendiert gleichberechtigte Konsultationsprozes-se zwischen Betroffenen, Angehörigen und Fachkräften mit der Zielset-zung, Betroffene und Angehörige aktiv an den Belangen psychiatrischer Einrichtungen und deren Dienstleistungen zu beteiligen (vgl. DÖRNER ET

AL. 2004: 461-512; MAYER 2001: 233-242; BOMBOSCH, HANSEN & BLUME 2007).

Im Strategiefeld der Kooperation mit Kund/inn/en erweist sich die Bezug-nahme auf Selbsthilfegruppierungen hinsichtlich des organisatorischen Aufwands – im Vergleich mit nichtorganisierten Kund/inn/en – grundsätz-lich ebenfalls als vorteilhaft. Eine Kooperationsnotwendigkeit ist nach VAN SANTEN und SECKINGER (2003: 13) aufgrund des mit der fortschreitenden Pluralisierung und Spe-zialisierung sozialarbeiterischer/-pädagogischer Angebote vielfach einher-gehenden Verlustes an Lebensweltbezug gegeben. Zum Ausgleich dieser Nebenwirkung der Angebotspluralisierung und -spezialisierung in der So-zialen Arbeit bieten sich insbesondere Kooperationssettings mit Selbsthil-fegruppierungen an. Selbsthilfegruppierungen verfügen aufgrund der per-sönlichen Betroffenheit ihrer Teilnehmer/innen über umfangreiche lebens-weltbezogene Erfahrungswissensbestände, welche vor allem im Bereich

Page 78: Dokument_44.pdf (1384 KB)

4. Strategiekontext 77

der gesundheitsbezogenen Betroffenenselbsthilfe zunehmend von medi-zinischen und ärztlichen Fachkräften in Anspruch genommen werden. Die Kooperationsgeschichte gesundheitsbezogener Betroffenenselbsthilfe und des professionellen Gesundheitswesens kann anhand der Schlag-wortreihe „Vom Gegeneinander über das Nebeneinander zum Miteinan-der“ grob chronologisiert werden (vgl. KRETZSCHMAR & SLESINA 2005; STUMMBAUM 2006: 59). Zum derzeitigen Kooperationsstadium konstatiert der Vorstand der Kas-senärztlichen Bundesvereinigung für den hausärztlichen Bereich Carl-Heinz Müller: „Ärzte profitieren vom Erfahrungswissen einer Selbsthilfe-gruppe zu einem bestimmten Krankheitsbild. Dabei stärkt das größere Verständnis der spezifischen Probleme das Verhältnis zwischen Patient und Arzt. Es verbessert die Compliance und macht einen Therapieerfolg wahrscheinlicher.“ (RABBATA 2008: A1420). Die Bezugnahme auf Selbsthilfegruppierungen kann für den professionel-len Bereich grundsätzlich ein breites Spektrum an Kooperationsarrange-ments erschließen (vgl. SLESINA & KNERR 2007; BELLWINKEL & KRESULA 2005; STUMMBAUM 2008). SLESINA und KNERR (2005: 6) unterscheiden zwischen indirekten und di-rekten Formen der Kooperation. Zu den indirekten Kooperationsformen gehören beispielsweise das (ge-genseitige) Weiterverweisen und -empfehlen, der Praxisaushang von Selbsthilfegruppen-Informationen sowie ärztliche Informationsarbeit zur Betroffenenselbsthilfe. Bei den direkten Kooperationsformen lassen sich in der Fachliteratur und der so genannten „grauen“ Literatur zahlreiche dokumentierte Praxisbei-spiele finden. Beispielsweise schildern BAHRS und NAVE-AHMAD (1999) die Erfahrungen mit interdisziplinären Qualitätszirkeln, die in Kooperation mit Vertreter/innen gesundheitsbezogener Selbsthilfegruppierungen stattfin-den. BOGENSCHÜTZ (2004) informiert über gemeinsame Fortbildungsver-anstaltungen von Ärzten und Selbsthilfegruppen. WALLEIT (2009) berichtet

Page 79: Dokument_44.pdf (1384 KB)

4. Strategiekontext 78

über eine von Ärzten und Selbsthilfegruppen gemeinsam veranstaltete Fachtagung zum Post-Polio-Syndrom und RIEDEL (2009) dokumentiert ein Kooperationsprojekt zur Hospitation von Medizinstudenten/innen in ge-sundheitsbezogenen Selbsthilfegruppierungen. Die vorangegangene Aufstellung gibt einen Überblick über Kooperations-maßnahmen und verdeutlicht die „Gesundheitslastigkeit“ (vgl. STUMMBAUM 2007) der Betroffenenselbsthilfe in ihren Kooperationsbeziehungen. Maßnahmen im Kooperationsfeld von Betroffenenselbsthilfe und Sozialer Arbeit bzw. Sozialwesen stellen im Vergleich dazu eine (noch) seltene Er-scheinung dar (vgl. z.B. HILL, STUMMBAUM & ZINK 2006). Ein Blick in den kommerziellen Wirtschaftsbereich zeigt im so genannten Crowdsourcing einen fortschrittlichen Trend, der navigatorische Hinweise für die Weiterentwicklung im Kooperationsfeld der Betroffenenselbsthilfe mit dem Gesundheits- und Sozialwesen bzw. der Sozialen Arbeit liefern kann. Der Neologismus „Crowdsourcing“ kreiert sich aus den beiden Worten „crowd“ und „outsourcing“ und benennt die Strategie kommerzieller Unter-nehmen, Entwicklungs- und Konzeptaufgaben mittels öffentlicher Aus-schreibung und meist Web 2.0 internetbasiert an die Masse (engl.: crowd) der (potenziellen) Kund/inn/en und anderer nichtkommerziell Interessierter auszulagern (engl.: outsourcing) (vgl. SCHELSKI & LIPPERT 2008). Beim Crowdsourcing profitieren Unternehmen insbesondere von der früh-zeitigen Einbindung von (potenziellen) Kund/inn/en sowie von der Gewin-nung einfallsreicher und kundenadäquater Aufgabenlösungen, die sich aus der Synthese heterogener Wissensbestände der „Masse“ generieren. In manchen Bereichen haben sich aus der „Masse“ der „Crowdsourcer“ feste Netzwerke gebildet, in denen zu bestimmten Themen dauerhafter gearbeitet wird. Weltweit existieren beispielsweise über 13.000 „adult fan of Lego“, die in Netzwerken organisiert sind und für die Firma Lego neue Modellvariationen entwickeln (vgl. RAMGE 2007). Die Firma Lego verheim-

Page 80: Dokument_44.pdf (1384 KB)

4. Strategiekontext 79

licht diese nichtprofessionelle Unterstützung nicht und lässt verlautbaren, dass „unseren Designern der kreative Input von außen gut tut. Die Lego-Fans, mit denen wir arbeiten, haben oft 30 oder 40 Jahre Erfahrung. Die wissen, wie man baut, und vor allem, wie man auch mal anders baut.“ (RAMGE 2007: 132). Crowdsourcing entwickelt sich in der letztgenannten Variante zum Com-munitysourcing und bietet für die Soziale Arbeit interessante Anknüp-fungspunkte für ein „Selfhelpgroupsourcing“. Die Koproduktion von (wohlfahrts)verbandlichen Trägerorganisationen und Selbsthilfegruppierungen bezieht sich auf die integrative Erbringung einer Dienstleistung mit der Zielsetzung, deren Wirkungsnutzen zu erhöhen und zugrunde liegende Bewältigungs- und Hilfeprozesse zu systematisieren und zu koordinieren. Strategisches Sozialmanagement folgt damit der Erkenntnis, dass soziale Dienstleistungen im Erbringungsprozess wesentlich durch das besondere Bezogensein von Produktion und Konsumption bestimmt sind. In der Programmformel der Kunden(selbsthilfegruppen)orientierung integ-rieren (wohlfahrts)verbandliche Trägerorganisationen ihre Kund/inn/en als Koproduzenten/innen in den Dienstleistungsprozess. Die unmittelbare Bezugnahme auf Selbsthilfegruppierungen kann zu un-terschiedlichen Modellen der Integration von Kund/inn/en führen. In Ab-bildung 9 werden unter den Punkten A und B übliche Modelle der Integra-tion von Kund/inn/en dargestellt. Beiden Modellen gemeinsam ist, dass die Integration der Kund/inn/en in den Dienstleistungsprozess der Sozialen Arbeit ohne bzw. ohne direkte Beteiligung von Selbsthilfegruppierungen erfolgen soll.

Page 81: Dokument_44.pdf (1384 KB)

4. Strategiekontext 80

B

C

D

A

DIENSTLEISTUNGSPROZESS

Intern

e Dien

stleistun

gsfakto

ren

Extern

e Dien

stleistun

gsfakto

ren

Organisation Klient/in

B

C

D

A

DIENSTLEISTUNGSPROZESS

Intern

e Dien

stleistun

gsfakto

ren

Extern

e Dien

stleistun

gsfakto

ren

Organisation Klient/in

BCD

A Einzelkunde/innen von Dienstleistungsorganisation

LE

GE

ND

E

Einzelkunden/innen in Selbsthilfegruppen ohne Bezug zu DienstleistungsorganisationEinzelkunden/innen in Selbsthilfegruppen mit mittelbarem BezugEinzelkunden/innen in Kundenselbsthilfegruppen mitunmittelbarem Bezug zu Dienstleistungsorganisation

BCD

A Einzelkunde/innen von Dienstleistungsorganisation

LE

GE

ND

E

Einzelkunden/innen in Selbsthilfegruppen ohne Bezug zu DienstleistungsorganisationEinzelkunden/innen in Selbsthilfegruppen mit mittelbarem BezugEinzelkunden/innen in Kundenselbsthilfegruppen mitunmittelbarem Bezug zu Dienstleistungsorganisation

Abb. 9: Integration von Kund/inn/en in den Dienstleistungsprozess

Page 82: Dokument_44.pdf (1384 KB)

4. Strategiekontext 81

Unter Punkt C wird ein Modell veranschaulicht, bei dem Kund/inn/en einer (wohlfahrts)verbandlichen Trägerorganisation an einer Selbsthilfegruppe teilnehmen. Selbsthilfegruppe und (wohlfahrts)verbandliche Trägerorgani-sationen befinden sich in einem mittelbaren Bezug. Diese Fallkonstellation wäre beispielsweise gegeben, wenn sich Kund/inn/en der Elternberatungsstelle Ost aus eigener Veranlassung zu der Selbsthilfegruppe „Eltern behinderter Kinder der Elternberatungsstelle Ost“ zusammenschließen. Unter Punkt D wird das im Zentrum dieser Dissertationsschrift stehende Modell einer Kundenselbsthilfegruppe illustriert. In dieser Fallkonstellation stehen Selbsthilfegruppe und (wohlfahrts)verbandliche Trägerorganisation in einem unmittelbaren Bezug. Kund/inn/en, (wohlfahrts)verbandliche Trä-gerorganisation und Kundenselbsthilfegruppe sind als Koproduzen-ten/innen unmittelbar in den Dienstleistungsprozess integriert. Unter dem Leitbild der Kunden(selbsthilfegruppen)orientierung folgt dieses Modell der Intention, Kund/inn/en als externen Dienstleistungsfaktor über das Arrangement der Kundenselbsthilfegruppe besser in den Dienstleis-tungsprozess integrieren zu können. Die intensivierte Integration von Kund/inn/en über das Konstrukt der Kundenselbsthilfegruppe verspricht eine abgestimmte Kombinationsperspektive von internen Dienstleistungs-faktoren und Kund/inn/en als externem Dienstleistungsfaktor.

Page 83: Dokument_44.pdf (1384 KB)

5. Blended Help: Eine einführende Grundlegung 82

5. Blended Help: Eine einführende Grundlegung

Im vorangegangenen Kapitel 5 wurden die marktstrategischen Potenziale der Bezugnahme (wohlfahrts)verbandlicher Trägerorganisationen auf die Betroffenenselbsthilfe anhand der 4-K-Matrix erörtert. Die vier Matrixfelder der Kommunikation, Konsultation, Kooperation und Koproduktion differenzieren den marktstrategischen Potenzialgehalt und sind gleichzeitig integrale Bestandteile der im Vorkapitel ebenfalls formu-lierten Leitkategorie der Kunden(selbsthilfegruppen)orientierung. Innerhalb der Kunden(selbsthilfegruppen)orientierung befindet sich das vierte Matrixfeld der Koproduktion in einer finalen Verortung. Während die ersten drei Matrixfelder im Organisationskontext angesiedelt sind, ist das vierte Matrixfeld der Koproduktion in den Dienstleistungserbringungs-prozess inkludiert. Im Dienstleistungserbringsprozess kann die unmittelbare Bezugnahme auf die Betroffenenselbsthilfe marktstrategische Potenziale auf der kosten- und ergebnismäßigen Bewertungsebene von Dienstleistungen entfalten. Mit der Neukonfiguration der Kundenselbsthilfegruppe ist ein Arrangement kreiert, das Betroffenenselbsthilfeengagement unmittelbar in den Dienst-leistungskontext (wohlfahrts)verbandlicher Trägerorganisationen einbin-det. Aus der Erweiterung des Koproduktionsverhältnisses von Kunde/in und (wohlfahrts)verbandlicher Trägerorganisation um die Kundenselbsthilfe generiert sich die Basis für eine sowohl unter Kosten- als auch Ergebnis-gesichtspunkten bewältigungsoptimale(re) Ressourcenallokation. Zu dieser bewältigungsoptimal(er)en Ressourcenallokation tragen Kun-denselbsthilfegruppen mittels einer zweifachen Brückenfunktion bei. Erstens als integrative Brücke, die objektive Bewältigungsanforderungen an und subjektive Lebensvorstellungen von Betroffene(n) verbindet. Und zweitens als intermediäre Brücke, die individuelle Bewältigungsstrategien und gesellschaftlich-öffentliche Bewältigungsansprüche verbindet.

Page 84: Dokument_44.pdf (1384 KB)

5. Blended Help: Eine einführende Grundlegung 83

In Abbildung 10 sind die eben skizzierten Zusammenhänge veranschau-licht. Ergänzt wird diese Visualisierung um die optionalen Transitperspek-tiven zu den Bereichen des Bürgerschaftlichen Engagements und der Be-troffenenselbsthilfe.

Dienstleistungs-organisation

Kundenselbst-hilfegruppe

BEWÄLTIGUNGKUNDE/IN SHG-TEILNEHMER/IN

BürgerschaftlichesEngagement

Betroffenen-selbsthilfe

Dienstleistungs-organisation

Kundenselbst-hilfegruppe

BEWÄLTIGUNGKUNDE/IN SHG-TEILNEHMER/IN

BürgerschaftlichesEngagement

Betroffenen-selbsthilfe

Abb. 10: Bewältigungsoptimales Arrangement Blended Help Im aktuellen Kapitel 5 sollen im Folgenden zentrale Aspekte für die Im-plementierung des innovativen Konzepts Blended Help erörtert werden. Blended Help bezeichnet einen integrativen Ansatz Sozialer Arbeit, der ein bewältigungsoptimales Arrangement von Dienstleistungen der Sozialen Arbeit mit Dienstleistungen aus dem Bereich des Bürgerschaftlichen En-gagements vorsieht. Der Innovationskern von Blended Help fokussiert auf die Integration von Betroffenenselbsthilfe in die Soziale Arbeit.

Page 85: Dokument_44.pdf (1384 KB)

5. Blended Help: Eine einführende Grundlegung 84

Unter dem Leitaxiom der Kunden(selbsthilfegruppen)orientierung sollen bewältigungsoptimale Hilfesettings generiert werden, die neben den vor-genannten Bewertungsaspekten insbesondere auch über die Neukonfigu-ration der Kundenselbsthilfegruppe die Zugänglichkeit von Dienstleistun-gen der Sozialen Arbeit optimieren. Blended Help befindet sich damit im von LOB-HÜDEPOHL (2009) im Rekurs auf HINTE (2005) exklamierten Paradigmenwechsel, dass die originäre Methodenfrage nicht mehr lautet „Wie bekommt Soziale Arbeit Zugang zu den Klienten/innen“, sondern „Wie bekommen die Klienten/innen Zugang zur Sozialen Arbeit“. Vor dem Hintergrund der Erfolgsgeschichte gesundheitsbezogener Be-troffenenselbsthilfe, in die seit Ende der 1970er Jahre Millionen Menschen Zugang und Hilfe fanden, mögen Überlegungen, diese erfolgserprobten Konzepte gesundheitsbezogener Betroffenenselbsthilfe(unterstützung) in das Konzept Blended Help zu transferieren, auf den ersten Blick als arbeitsrational nach der Devise „Warum das Rad neu erfinden, …“ er-scheinen. Ein zweiter Blick – der im Nachfolgenden vorgenommen werden soll –

zeigt jedoch sehr deutlich, dass die Erfolge gesundheitsbezogener Betrof-

fenenselbsthilfe(unterstützung) nicht als Transfergut, sondern lediglich als

Anstoßgeber bzw. Richtungsweiser für eine entsprechende Konzeptionie-

rung in der Sozialen Arbeit fungieren können.

Die einem – auf den ersten Blick nahe liegend erscheinendem – Transfer

abträglichen Aspekte finden sich auf den Vergleichsebenen zwischen Ge-

sundheits- und Sozialwesen, zwischen gesundheitlichem und sozialem

Betroffenenselbsthilfeengagement sowie zwischen gesundheitsbezogenen

und sozialen Selbsthilfegruppierungen.

Im Systemvergleich zwischen Gesundheits- und Sozialwesen als Bezugs-

kontexte gesundheitsbezogener bzw. sozialer Betroffenenselbsthilfe mani-

Page 86: Dokument_44.pdf (1384 KB)

5. Blended Help: Eine einführende Grundlegung 85

festiert sich die angeführte Nichttransferierbarkeit am unterschiedlichen

Grad der Professionsbildung der beiden zentralen akademischen Profes-

sionen von Ärzten/innen im Gesundheitswesen und von Sozialpäda-

gog/inn/en bzw. Sozialarbeiter/innen im Sozialwesen (vgl. auch STICHWEH

1996).

Der Arztberuf genießt als eine der drei klassischen Professionen in

Deutschland ein hohes öffentliches Ansehen (vgl. MÜLLER 2005: 733).

Das Allensbacher Institut für Demoskopie quantifiziert in seiner Berufs-

prestigestudie 2005 das ärztliche Renommee und lässt verlautbaren, dass

„der Arztberuf […] in Deutschland seit langer Zeit ganz besonderes Anse-hen [genießt]. Seit den 60er Jahren, als das Institut für Demoskopie Al-lensbach an Hand einer Liste zum ersten Mal das Image verschiedener Berufe untersuchte, hat sich daran nie etwas geändert. 71 Prozent der Bevölkerung rechnen den Beruf des Arztes zu jenen Berufen, die sie am meisten schätzen.“ (INSTITUT FÜR DEMOSKOPIE ALLENSBACH 2005: 1).

Das ärztliche Renommee stützt sich u.a. auf einen exklusiven Fachwis-

sensfundus, auf eine autonome Standesorganisation sowie ein gesonder-

tes Berufsrecht in Form der Bundesärzteordnung, der Approbationsord-

nung und der Kammergesetze (vgl. SPECKE 2000: 11ff; BESKE & HALLAUER

1999: 214ff).

Diese autonom-stabile Verfasstheit ärztlicher Tätigkeit alimentierte unge-

wollt die Erfolgsgeschichte gesundheitsbezogener Betroffenenselbsthilfe.

In den Anfängen der aktuellen Selbsthilfebewegung geschah dieses, in-

dem die Ärzteschaft mit ihrem autonomen und Kritik von außen abwen-

dendem Selbstverständnis sich als ideales „Feindbild“ gerierte. Für die

sich formierende Selbsthilfebewegung akzentuierte dieses äußere „Feind-

bild“ die Wahrnehmung und lenkte von internen Unstimmigkeiten und Wi-

dersprüchen im eigenen Entwicklungsprozess ab.

Page 87: Dokument_44.pdf (1384 KB)

5. Blended Help: Eine einführende Grundlegung 86

Im weiteren Entwicklungsverlauf begrenzte die autonom-stabile Konstituie-

rung der Ärzteschaft zwar das Spektrum gegenseitiger Bezugnahmen,

gleichzeitig aber beförderten die gesetzlich verfassten und apodiktisch

vertretenen Gegenstandsbereiche der ärztlichen Profession gegenseitige

Bezugnahmen.

Gesundheitsbezogene Betroffenenselbsthilfe etablierte sich mit den Jah-

ren in den vakanten Funktionsbereichen des Gesundheitswesens und

wurde schließlich als „vierte Säule“ in das Gesundheitswesen integriert.

WIEDEMANN (2006: 46f) bedauerte an diesem Prozess der gegenseitigen

Bezugnahme, „dass sich Selbsthilfegruppen und -organisationen viel zu

sehr mit der medizinischen Sicht auf Krankheit identifizieren. Der kritische

und mündige Patient wird zu einem Patienten, der darauf achtet, dass sein

Arzt nach den weltweit neuesten und technisch ausgefeiltesten Methoden

in Diagnostik und Therapie arbeitet. Partnerschaft und Gleichberechtigung

bedeuten dann, die Qualität medizinischer Leistungen zu überprüfen, im

besten Fall gemeinsam mit dem Arzt nach der medizinisch optimalen Be-

handlung zu suchen bzw. sich darauf zu einigen. […] Nach meiner Beo-

bachtung führt dies dazu, dass unser Medizinsystem sich eher in eine

noch technischere Richtung entwickelt: Die Patienten fordern dies ja gera-

dezu.“

Im Vergleich zur prosperierenden gesundheitsbezogenen Betroffenen-

selbsthilfe ist eine dezidiert soziale Betroffenenselbsthilfe bisher nur rudi-

mentär entwickelt.

Im Rekurs auf die vorangegangenen Ausführungen lässt sich für eine for-

cierte Weiterentwicklung der sozialen Betroffenenselbsthilfe eine Schwie-

rigkeit in der geringen öffentlichen Reputation von Sozialpädagogen/innen

bzw. Sozialarbeiter/innen identifizieren.

Obwohl in dem von THIERSCH (1992) und RAUSCHENBACH (1999) als sozi-

alpädagogisches Jahrhundert proklamierten 20. Jahrhundert der Beschäf-

Page 88: Dokument_44.pdf (1384 KB)

5. Blended Help: Eine einführende Grundlegung 87

tigungszuwachs im Berufsfeld der Sozialen Arbeit vor allem „im letzten

Viertel […] eine Dynamik entwickelt [hat] wie nur wenige andere Berufs-

zweige“ (ZÜCHNER 2007: 9), ist das öffentliche Renommee von Sozialpä-

dagogen/innen und Sozialarbeiter/innen weiterhin gering (vgl. auch CLOOS

& ZÜCHNER 2005; GALUSKE 2002: 11ff).

HEESE (2009: 133) resümiert, dass das Berufsprestige von Sozialpädago-

gen/innen bzw. Sozialarbeiter/innen „auf der recht unspektakulären Stufe

der Verwaltung im gehobenen öffentlichen Dienst“ angesiedelt ist, und

dass das sozialpädagogische bzw. sozialarbeiterische Berufsbild in der

Öffentlichkeit vielfach nur marginal bekannt ist.

Soziale Arbeit offenbart im Vergleich zum ärztlichen Berufsfeld eine wenig

inspirierende Außensicht und mancher nach außen gerichtete Erklärungs-

versuch befördert die Vorstellung einer Sozialen Arbeit als Jedermannstä-

tigkeit. Dieses Image einer Jedermannstätigkeit speist sich nach BOCK

(1984: 157 zit. nach GALUSKE 2005: 40) aus dem Umstand, dass „[…] So-

zialpädagogen/innen „mehr als das die meisten Berufe tun, ihr Wissen und

Können auch mit sogenannten Laien [teilen]“. GALUSKE (2005: 39) zeigt

Verständnis für diese Außensicht von Sozialer Arbeit, indem er feststellt,

dass „[es] für ein Laienpublikum […] schwer einsehbar [ist], dass es hier

besonderer Fähigkeiten oder besonderer ,Experten’ bedarf.“

In der Binnensicht entfaltet sich Soziale Arbeit als Semi-Profession (vgl.

etwa OEVERMANN 1996; GALUSKE 2005: 121ff) bzw. nach SCHÜTZE (1996a)

als „bescheidene Profession“, deren Gegenstandsbereich sich in seinem

Postulat der Allzuständigkeit (vgl. etwa GALUSKE 2005: 35ff) als diffus und

inkonsistent charakterisiert (vgl. auch MAEDER & NADAI 2003; SCHÜTZE

1996b)

In diesem in Anlehnung an HELTZEL (2003: 14) plakativ als kaleidosko-

pisch-wechselhaft zu illustrierenden Tätigkeitskontext Sozialer Arbeit sind

Page 89: Dokument_44.pdf (1384 KB)

5. Blended Help: Eine einführende Grundlegung 88

Bezugsverhältnisse zwischen Sozialer Arbeit und (sozialer) Betroffenen-

selbsthilfe erschwerten Bedingungen ausgesetzt.

Im Vergleich zur Ärzteschaft können Sozialpädagogen/innen bzw. Sozial-

arbeiter/innen auf keine allgemein verfasste Professionsdomäne (vgl. etwa

HELTZEL 2003; MERTEN & OLK 1996) verweisen, von der aus sich exakte

Korridore konkludieren lassen, in denen Bezugsverhältnisse mit (sozialer)

Betroffenenselbsthilfe opportun sind. Für die gegenseitige Bezugnahme

von Sozialer Arbeit und (sozialer) Betroffenenselbsthilfe bedeutet dieses

einen erheblichen Aushandlungs- und Koordinationsbedarf, dem mit ei-

nem Transfer der erfolgserprobten Konzepte der Bezugnahme von Ge-

sundheitswesen und gesundheitsbezogener Betroffenenselbsthilfe nicht

entsprochen werden kann (vgl. NICKEL ET AL. 2006: 16; HILL, STUMMBAUM &

ZINK 2007).

In der zweiten Vergleichsebene zwischen gesundheitsbezogenem und so-

zialem Betroffenenselbsthilfeengagement lassen sich insbesondere fol-

gende einem Transfer entgegenstehende Aspekte identifizieren:

Der Weg in die Betroffenenselbsthilfe kann unmittelbar oder mittelbar über

Empfehlungen, via Selbsthilfeorganisationen oder über die professionelle

Infrastruktur der Selbsthilfeförderung und -unterstützung erfolgen.

Die Zugänglichkeit bzw. Vermittlung über diese professionelle Infrastruktur

mit ihren deutschlandweit über 270 lokalen Selbsthilfekontaktstellen und

Selbsthilfeunterstützungseinrichtungen ist als hochschwellig einzustufen.

Selbsthilfekontaktstellen und -unterstützungseinrichtungen arbeiten grup-

pen-, themen- und trägerübergreifend und sind u.a. für die Vermittlung von

Interessierten in die Betroffenenselbsthilfe zuständig (vgl. SIELER 2009:

19ff; BORGETTO 2004: 87f).

Page 90: Dokument_44.pdf (1384 KB)

5. Blended Help: Eine einführende Grundlegung 89

Im tradierten Setting der professionellen Vermittlungsarbeit der Selbsthil-

fekontaktstellen und -unterstützungseinrichtungen sind die offerierten

Hauptzugänge in die Betroffenenselbsthilfe von Unwägbarkeiten belastet,

die i.d.R. innerhalb dieses professionellen Vermittlungssettings nicht adä-

quat behandelt werden.

Im ersten Hauptzugang in die Betroffenenselbsthilfe können Interessierte

in die Betroffenenselbsthilfe vermittelt werden. Die professionelle Vermitt-

lungsberatung findet ihren Abschluss mit Bekanntgabe der Kontaktdaten

der entsprechenden Selbsthilfegruppierung. Eine weitergehende Beglei-

tung ist im Rahmen professioneller Vermittlungsarbeit im Allgemeinen

nicht intendiert.

Schwierigkeiten, die beim Einstieg in eine Selbsthilfegruppierung auftreten

können (vgl. etwa NICKEL ET AL. 2006: 15), werden lediglich dann Thema

der Vermittlungsberatung, wenn Interessierte aufgrund dieser Probleme

von sich aus nochmals die Vermittlungsberatung in Anspruch nehmen.

In der Vermittlungsberatung kann einem problembehafteten bzw. misslin-

genden Zugang in die Betroffenenselbsthilfe vorgebeugt werden, indem in

der Vermittlungsberatung ein passgenaues Zusammenführen (Matching)

von Neuteilnehmer/in und in Frage kommenden Selbsthilfegruppierungen

erfolgt.

Ein gelingendes Matching ist wesentlich davon abhängig, dass Vermitt-

lungsberater/innen über fundierte Hintergrundinformationen der lokalen

Selbsthilfegruppierungen verfügen. Eine solche Kundigkeit kann bei Ver-

mittlungsberater/innen allerdings nicht per se für die gesamte Betroffenen-

selbsthilfe vor Ort vorausgesetzt werden, sondern ist von Selbsthilfegrup-

pierung zu Selbsthilfegruppierung in unterschiedlichem Ausmaß vorhan-

den.

Gemeinhin dürften Vermittlungsberater/innen bei Selbsthilfegruppierun-

gen, die ihre regelmäßigen Aktivitäten (z.B. Gruppentreffen) in den Räum-

lichkeiten der jeweiligen Selbsthilfekontaktstellen bzw. Selbsthilfeunters-

Page 91: Dokument_44.pdf (1384 KB)

5. Blended Help: Eine einführende Grundlegung 90

tützungseinrichtungen durchführen, am ehesten über adäquate Hinter-

grundinformationen verfügen können.

Bei Selbsthilfegruppierungen, die nur in einer losen oder keiner Verbin-

dung zu Selbsthilfekontaktstellen bzw. Selbsthilfeunterstützungseinrich-

tungen stehen, muss grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass für

Vermittlungsberatungen nur lückenhafte bzw. gar keine Hintergrundinfor-

mationen verfügbar sind.

Die Negativfolgen eines solchen fragmentarischen Matchings werden in

der professionellen Selbsthilfeunterstützung allenfalls aufseiten der Selbst-

hilfegruppierungen im Rahmen des Qualitätsmanagements erhoben. Die

belastenden Konsequenzen für die von einer problembehafteten bzw.

misslungenen Vermittlung betroffenen Bürger/innen bleiben im vorherr-

schenden System professioneller Selbsthilfeunterstützung weitgehend un-

beachtet (vgl. VOGEL 1990).

Dieses Aufbürden von zusätzlichen Belastungen bzw. das Schei-

tern(können) im Vermittlungsprozess in die Betroffenenselbsthilfe dürfte

ein grundlegendes Zugangshemmnis für die sozial benachteiligten Kun-

den- bzw. Klientengruppen Sozialer Arbeit darstellen.

Diese Einschätzung bestätigt auch eine von NICKEL ET AL. (2006) durchge-

führte schriftliche Befragung der bundesdeutschen Selbsthilfekontaktstel-

len und -unterstützungseinrichtungen zu den Chancen und Barrieren beim

Zugang von sozial benachteiligten Bürger/innen in die Betroffenenselbst-

hilfe.

Beim zweiten Hauptzugang in die Betroffenenselbsthilfe gründen Interes-

sierte, nachdem für sie keine passende Selbsthilfegruppierung vorhanden

war, eine neue Selbsthilfegruppierung. Interessierte können in diesem Fall

im Allgemeinen zusätzlich zur Vermittlungsberatung eine optionale Grün-

dungsberatung in Anspruch nehmen.

Page 92: Dokument_44.pdf (1384 KB)

5. Blended Help: Eine einführende Grundlegung 91

Beide Hauptzugänge in die Betroffenenselbsthilfe bergen Herausforde-

rungen, die im allgemeinen Setting professioneller Vermittlungs- und ggf.

Gründungsberatung nur fragmentarisch begleitet werden. Für Bür-

ger/innen in sozial benachteiligten Lebenslagen – also typische Klienten-

bzw. Kundengruppen der Sozialen Arbeit – können diese Herausforderun-

gen leicht in eine Überforderungssituation münden.

NICKEL ET AL. (2006: 23) klassifizieren in diesem Zusammenhang dezidiert

von Arbeitslosigkeit betroffene Bürger/innen sowie Bürger/innen mit Migra-

tionshintergrund und im Sozialhilfebezug als Personengruppen, die im ak-

tuellen System der Selbsthilfeunterstützung in ihrem Betroffenenselbsthil-

feengagement nicht adäquat berücksichtig werden.

Neben dem mittelbaren Zugang über die Selbsthilfekontaktstellen und die

Selbsthilfeunterstützungseinrichtungen können interessierte Bürger/innen

auch einen unmittelbaren Einstieg in die Betroffenenselbsthilfe anvisieren.

Einzelne Selbsthilfegruppen inserieren in Stadtteilzeitungen, machen Aus-

hänge in Arztpraxen, Kirchengemeinden, Supermärkten oder Universitä-

ten, geben Interviews im Lokalradio, unterhalten eigene themen- und

gruppenspezifische Beratungsstellen oder informieren zunehmend im

Internet (vgl. etwa BARTH 2005; GIERTZ-BIRKHOLTZ 2006), so dass für

Interessierte vielfältige Möglichkeiten eines unmittelbaren Zugangs zu

Selbsthilfegruppierungen offen stehen.

Auch für die unmittelbaren Zugangsvarianten gelten die im Zusammen-

hang mit den unmittelbaren Zugangswegen erörterten Hemmnisse.

Zusammenfassend lässt sich für die zweite Vergleichsebene festhalten,

dass die Zugänglichkeit in die Betroffenenselbsthilfe das Kriterium der

Niederschwelligkeit bzw. der Kundenorientierung nicht erfüllen kann, wo-

durch insbesondere der Zugang typischer Kunden- bzw. Klientengruppen

der Sozialen Arbeit erschwert wird.

Page 93: Dokument_44.pdf (1384 KB)

5. Blended Help: Eine einführende Grundlegung 92

In der dritten Vergleichsebene zwischen gesundheitsbezogenen und so-

zialen Selbsthilfegruppierungen ergeben sich einem Transfer wider-

sprechende Aspekte im Wesentlichen aus der Gegensätzlichkeit der öf-

fentlichen Wahrnehmung von Betroffenenselbsthilfe.

Gesundheitsbezogene Betroffenenselbsthilfe genießt mittlerweile eine

große öffentliche Anerkennung, die von einer Vielzahl öffentlichkeitsorien-

tierter Selbsthilfeorganisationen getragen ist (vgl. etwa SIELER 2009: 18f).

„Selbsthilfeorganisationen sind […] Organisationen mit überregionaler

Interessenvertretung, meist größeren Mitgliedszahlen, formalisierten Ar-

beits- und Verwaltungsabläufen, bestimmten Rechtsformen und meist

ausgeprägten Kontakten zu professionellen Systemen. Selbsthilfeorgani-

sationen können als Zusammenschluss von Selbsthilfegruppen entstehen

bzw. deren Gründung anregen und Selbsthilfegruppen unterstützen.

Selbsthilfeorganisationen erbringen weit über den eigenen Mitgliederbe-

stand hinaus Beratungs- und Informationsleistungen. Wichtige Merkmale

von [Selbsthilfe]Organisationen sind die mehrheitliche Leistung durch Be-

troffene, die Vertretung von Interessen von Selbsthilfegruppen und deren

Einbeziehung in den Organisationskontext.“ (BORGETTO 2004: 85; Hervor-

hebungen im Original).

THIEL (2008) differenziert die in der Datenbank der Nationalen Kontakt-

und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfe-

gruppen in 2007 gelisteten 345 bundesweiten Selbsthilfeorganisationen

und kommt zu dem Ergebnis, dass rund 70 Prozent der gesundheitsbezo-

genen, etwa 24 Prozent der psychosozialen und knapp über 6 Prozent der

sozialen Betroffenenselbsthilfe zuzuordnen sind.

Die „Gesundheitslastigkeit“ von Betroffenenselbsthilfe in Deutschland, die

sich auch in der eben zitierten Datenauswertung widerspiegelt, gewinnt

auf der bundesweiten Ebene der Selbsthilfeorganisationen noch weiter an

Gewicht, da nach einer Erhebung von MÖLLER-BOCK und SCHILLING (2008:

6) über 90 Prozent der bundesweiten Selbsthilfeorganisationen nicht nur

Page 94: Dokument_44.pdf (1384 KB)

5. Blended Help: Eine einführende Grundlegung 93

Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit, sondern auch Leistungen für Nicht-

Mitglieder als ihre Aufgabenbereiche nennen.

Gesundheitsbezogene Selbsthilfeorganisationen wie die Deutsche Alz-

heimer Gesellschaft, der Deutsche Diabetikerbund, die Deutsche Rheu-

ma-Liga und die Deutsche Schmerzliga verfügen über institutionalisierte

Vernetzungsstrukturen und bedienen sich der professionellen Instrumen-

tarien erfolgreicher Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit.

Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft setzt(e) hierzu beispielsweise pro-

minente Schirmherrschaften wie Renate Schmidt und Christine Bergmann,

die ehemaligen Bundesministerinnen für Familie, Senioren, Frauen und

Jugend, den Kabarettisten Dieter Hildebrandt und den TV-Pfarrer Jürgen

Fliege ein (vgl. DEUTSCHE ALZHEIMER GESELLSCHAFT 2009).

Die Deutsche Schmerzliga mit rund 5.000 Mitgliedern und deutschlandweit

über 100 Selbsthilfegruppen lässt sich seit 1996 von der Autorin und TV-

Moderatorin Dr. Marianne Koch als Präsidentin prominent vertreten. (vgl.

DEUTSCHE SCHMERZLIGA 2009).

Der Deutsche Diabetikerbund investiert in ein namhaftes Fördermitglied-

schaftssystem, dem so bekannte Unternehmen wie die Beiersdorf AG, die

Bitburger Braugruppe, die Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim,

Ratiopharm und Schwarz Pharma Deutschland, sowie der Nahrungsmit-

telkonzern Unilever Bestfoods Deutschland angehören (vgl. DEUTSCHER

DIABETIKERBUND 2009).

Die Deutsche Rheuma-Liga wurde 1970 gegründet und verfügt als eine

der größten Selbsthilfeorganisationen über rund 260.000 Mitglieder, die

sowohl von Rheuma betroffen als auch nicht betroffen sind (DEUTSCHE

RHEUMA-LIGA 2009a).

1996 übernahm erstmals ein von Rheuma betroffenes Mitglied die Ver-

bandspräsidentschaft (DEUTSCHE RHEUMA-LIGA 2009b).

Im Jahresbericht 2007 weist der Bundesverband der Deutsche Rheuma-

Liga bei einem Haushaltsvolumen von fast 2,4 Millionen Euro Einnahmen

Page 95: Dokument_44.pdf (1384 KB)

5. Blended Help: Eine einführende Grundlegung 94

aus Spenden und Sponsoring von rund 93.000 Euro aus. Als bedeutende

Sponsoren werden u.a. die Pharmaunternehmen Abboth, Pfizer und Ro-

che benannt (DEUTSCHE RHEUMA-LIGA 2008: 14f).

Der vorgenommene kurze Exkurs in die Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit

gesundheitsbezogener Betroffenenselbsthilfe exemplifiziert, warum Betrof-

fenenselbsthilfe in der Öffentlichkeit oftmals synonymisiert als Gesund-

heitsselbsthilfe wahrgenommen wird (STUMMBAUM 2007: 230).

Die im öffentlichen Schatten gesundheitsbezogener Betroffenenselbsthilfe

existierende soziale Betroffenenselbsthilfe erzielt mit ihrer (Öffentlichkeits)

Arbeit nicht nur weitaus geringere positive Resonanzen, sondern ist mitun-

ter auch öffentlichen Vorbehalten ausgesetzt.

Diese Vorbehalte gelten beispielsweise der Betroffenenselbsthilfe von

Exhibitionisten, Migranten/innen und Obdachlosen und äußern sich in un-

terschiedlichen Argumentationskontexten.

Exemplarisch werden nachfolgend die Vorbehaltsdebatten gegenüber der

Betroffenenselbsthilfe als Anlass von Obdachlosigkeit und Exhibitionismus

ausschnittsweise dargelegt.

GILLICH (2007) verdeutlicht an ausgewählten Selbsthilfeaktivitäten von

wohnungslosen Bürger/innen, dass die Settings der dominierenden (ge-

sundheitsbezogenen) Betroffenenselbsthilfe den Bewältigungsvorstellun-

gen von Bürger/innen der Mittelschicht entspringen, und nicht mit dem Be-

troffenenselbsthilfeengagement von Bürger/innen in prekären sozialen Le-

bensverhältnissen kompatibel sind.

Der Negativeinstufung „Unfähig zur (Betroffenen)Selbsthilfe“ liegt nach

GILLICH (2007) vielfach eine mittelschichtsorientierte Interpretationsfolie

von (Betroffenen)Selbsthilfeengagement zugrunde, die dem (Betroffe-

Page 96: Dokument_44.pdf (1384 KB)

5. Blended Help: Eine einführende Grundlegung 95

nen)Selbsthilfeengagement von wohnungslosen Bürger/innen enge Gren-

zen setzt.

Solche mittelschichtsorientierten Restriktionen manifestieren sich in der

Abwertung von fremdhilfebasierter Betroffenenselbsthilfe und führen zu

Prozessen der Umdeutung und Negierung von (Betroffenen)Selbsthilfe-

engagement.

Dieses geschieht beispielsweise, „wenn sich Wohnungslose aus Folien,

Kisten, Hölzern etc. ihre ,Platte’ bauen, sich folglich Schutz vor Regen und

Kälte schaffen, wird diese Tätigkeit nicht verstanden als eine Form der

Selbsthilfe, sondern uminterpretiert als Ordnungswidrigkeit, zu deren Ver-

hinderung und Beseitigung die Ordnungsbehörde gerufen wird.“ (GILLICH

2002: 5).

Ebenso verhält es sich, wenn „ein ehemals Wohnungsloser einen Woh-

nungslosen auf[nimmt] und […] ihm dadurch vielleicht das Leben rettet,

gilt es als anstößig und eben nicht als konkrete Selbsthilfe, sondern wird

aus dem Blickwinkel von Pädagogen als nicht gelungene Ablösung vom

Milieu betrachtet.“ (GILLICH 2002: 5).

Eine weitere Erklärung, die im eben entfalteten mittelschichtsorientierten

Argumentationskontext anschlussfähig ist, liefert das nachfolgende State-

ment eines wohnungslosen Bürgers, der als „Wagenburgler“ mit anderen

wohnungslosen Bürgern (im Zuge von Betroffenenselbsthilfeengagement)

in einer illegalen Wagenburg aus ausrangierten Bauwägen, Zugwaggons

und Campingwägen lebt:

„Wenn Penner in Hauseingängen schlafen, in Parks, Klos oder Telefon-

zellen … – die Gesellschaft braucht das als Abschreckung, um nicht so

tief zu kommen. Aber in dem Moment, in dem sie sich zusammenschlie-

ßen, sind sie ein unerträglicher Vorwurf.“ (BERTHOLD 1997: 132)

Page 97: Dokument_44.pdf (1384 KB)

5. Blended Help: Eine einführende Grundlegung 96

In dem vorangegangen Zitat findet die Betroffenenselbsthilfe wohnungslo-

ser Bürger/innen ebenfalls aufgrund anderer Gesellschaftsgruppen enge

Restriktionen.

Diese Restriktionen äußern sich jedoch nicht in Form von Vorgaben, wie

Betroffenenselbsthilfe richtigerweise stattzufinden hat, sondern drücken

sich als Empörung über die mit der Betroffenenselbsthilfe von wohnungs-

losen Bürgern/innen zutage tretenden gesellschaftlichen Vorwürfe aus.

Betroffenenselbsthilfe von wohnungslosen Bürgern/innen wird demzufolge

abgewehrt bzw. erschwert, sodass individuelle Attributierungen bezüglich

Wohnungslosigkeit in der Gesellschaft unhinterfragt fortbestehen können.

Die bei der Betroffenenselbsthilfe von wohnungslosen Bürger/innen vorab

erörterten öffentlichen Restriktionen erfahren bei der Betroffenenselbsthil-

fe von Exhibitionisten eine weitere Verschärfung.

Neben Befürchtungen, dass einer solchen Selbsthilfegruppierung die Ge-

fahr inhärent ist, dass sich Exhibitionisten bei ihren Gruppentreffen gegen-

seitig Tipps und Unterstützung geben, um ihrem Selbstentblößungstreiben

möglichst ungestört und ohne strafrechtliche Konsequenzen (vgl. BUNDES-

MINISTERIUM DER JUSTIZ 2009b) nachgehen zu können, dürften vor allem

Anwohner/innen im Nahumfeld der Gruppentreffen erhebliche Bedenken

äußern.

DIEHL (2008) berichtet über die erste Selbsthilfegruppe für Exhibitionisten,

die Ende der 1980 Jahre in Deutschland gegründet worden ist. Diese

Selbsthilfegruppe versteht sich als ein Ort, an dem Exhibitionisten „offen

und ohne Angst vor gesellschaftlicher Ächtung“ miteinander sprechen

können. (DIEHL 2008: 1). Zielsetzung der Teilnehmer ist es, ein straffreies

Leben führen zu können.

Hierzu möchte die Selbsthilfegruppe erreichen, dass „die Straftat Exhibi-

tionismus zur Ordnungswidrigkeit heruntergestuft wird.“ (DIEHL 2008: 1).

DIEHL (2008: 2) reflektiert, dass egal, „ob man diese Haltung teilt oder

nicht – […] öffentliche Nacktheit in Deutschland in den vergangenen Jahr-

Page 98: Dokument_44.pdf (1384 KB)

5. Blended Help: Eine einführende Grundlegung 97

zehnten enttabuisiert wurde. […] Hochschüler protestieren heute unbek-

leidet gegen Studiengebühren, feiernde Teenies lassen sich oben ohne fo-

tografieren, umjubelte Popstars tragen allenfalls noch einen Hauch von

Nichts. Wo beginnt Perversion? Exhibitionisten […] verstehen immer we-

niger, was an ihrem Tun so problematisch sein soll.

Kuppelei, Ehebruch, Homosexualität – all das hat der Staat einst als ge-

fährliche Abweichung von der Norm verfolgt.“

Anhand der Ausführungen zu den Unterschieden im öffentlichen Renom-

mee von gesundheitsbezogener und sozialer Betroffenenselbsthilfe sowie

zu den vorgestellten sozialen Selbsthilfegruppierungen für wohnungslose

und exhibitionistische Bürger/innen hat sich gezeigt, dass gesundheitsbe-

zogene und soziale Betroffenenselbsthilfe von unterschiedlichen Anforde-

rungen im öffentlichen Kontext geprägt sind.

Vor dem Hintergrund der vorangegangenen Ausführungen zu den drei

ausgewählten Vergleichsebenen lässt sich resümieren, dass die Kontext-

bedingungen von gesundheitsbezogener und sozialer Betroffenenselbst-

hilfe erhebliche Divergenzen aufweisen, die einen Transfer der erfolgser-

probten Konzepte und Ansätze der gesundheitsbezogenen Betroffenen-

selbsthilfe(unterstützung) nicht anraten.

Page 99: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 98

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung

In Kapitel 6 sollen zentrale Aspekte des innovativen Konzepts Blended Help einer vertieften Erörterung zugeführt werden. Die ausgewählten As-pekte divergieren allesamt vom tradierten Kanon der Betroffenenselbsthil-fe(unterstützung) und des in der Sozialen Arbeit weit verbreiteten Para-digmas „Hilfe zur Selbsthilfe“ und markieren Koordinaten des in Abbildung 11 visualisierten Realisierungskorridors von Blended Help.

DienstleistungSoziale Arbeit

Betroffenen-selbsthilfe

BLENDEDHELP

Bew

ältigungsoptimales S

etting

DienstleistungSoziale Arbeit

Betroffenen-selbsthilfe

BLENDEDHELP

Bew

ältigungsoptimales S

etting

Abb. 11: Realisierungskorridor von Blended Help

Page 100: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 99

Diesem Realisierungskorridor ist der Prozess von der Invention (neuen Idee) zur Innovation (realisierten Idee) unterlegt. Die Begrifflichkeit der In-vention thematisiert Blended Help in seinem Ideengehalt und -kontext. In dieser Invention findet die Innovation ihren Ausgangspunkt und erfasst de-ren Einführung in die Soziale Arbeit (vgl. etwa HAUSCHILDT & SALOMON 2007; HAUSCHILDT 2004). Innovationen lassen sich hinsichtlich ihrer Wirkung in Produkt-, Sozial- und Verfahrensinnovationen klassifizieren (vgl. THOM & RITZ 2008: 117ff). Blended Help entfaltet in allen drei der genannten Kategorien innovative Wirkungen und intendiert damit eine grundlegende Innovation des Zu-sammenwirkens von Sozialer Arbeit als Fremdhilfe und Betroffenenselbst-hilfe. Über diesen Innovationskern hinaus generiert Blended Help insbe-sondere die in Kapitel 5.0 erörterten marktstrategischen Potenziale. Die nachfolgenden Unterkapitel 6.1 bis 6.4 fokussieren auf den Innovati-onskern von Blended Help unter verschiedenen Blickwinkeln. Das Unterkapitel 6.1 widmet sich organisatorisch-strukturellen Fragestel-lungen der Dienstleistungserbringung im Konzeptansatz des Blended Help. Blended Help basiert auf einem hybriden Setting der Erbringung sozialer Dienstleistungen, in dessen Mittelpunkt die integrative Kombination von Sozialer Arbeit als Fremdhilfe mit Kundenselbsthilfegruppen als eine neue Form der Betroffenenselbsthilfe verortet ist. Ein derartiges Arrangement bedingt nach EVERS (2002: 13), „die aus der Diskussion über den Umbau des Sozialstaates bereits seit längerem be-kannte Frage nach einem zukünftigen Wohlfahrtsmix gewissermaßen in die einzelne Organisation hinein zu verlagern. Es gilt zu fragen, wie deren Strukturen gesichert und verbessert werden können, indem man drei Elemente in ein neues Verhältnis setzt:

(a) Staatliche Vorgaben und Beiträge, (b) Unternehmerische Eigeninitiative und Nutzung privatwirtschaftli-

cher Mittel und

Page 101: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 100

(c) Die engagierte Eigeninitiative von unmittelbar Beteiligten sowie weiteren Gruppen und Instanzen im Umfeld.“

Im nachfolgenden Unterkapitel 6.1 werden Ansätze präsentiert, die das hybride Dienstleistungsarrangement von Blended Help organisatorisch-strukturell abbilden können. Im zweiten Unterkapitel 6.2 richtet sich der Betrachtungsfokus auf den An-satz des Empowerments. Es wird gezeigt, dass die normative Verquickung des Ansatzes des Em-powerments mit der Betroffenenselbsthilfe(unterstützung) insbesondere für Klient/inn/en bzw. Kund/inn/en der Sozialen Arbeit eine normative Hür-de auf dem Weg in die Betroffenenselbsthilfe darstellt. THIELE (2002: 33) stellt in Bezugnahme auf die britische Selbsthilfeszene hierzu fest: „Vielerorts ist die Auffassung verbreitet, selbst ,empowerte’ Gruppen gäben ihren Mitgliedern zwar eine positive Erfahrung, wären aber oft nicht in der Lage, Probleme von Armut, Arbeits- und Obdachlosig-keit, unadäquaten Gesundheits- und Sozialdiensten etc. im größeren Rahmen zu lösen.“ Im Rahmen dieses Unterkapitels wird der Ansatz des Empowerments sei-nes normativen Mantels entkleidet und in das Konzept des sozialpädago-gischen Coachings als eine Methode von mehreren Methoden zur Unters-tützung von Betroffenenselbsthilfeengagement eingefügt. Im Unterkapitel 6.3 wird die „Abstinenz von Professionellen“ als ein weite-res Postulat der aktuellen Selbsthilfebewegung diskutiert. Anhand von Praxissequenzen werden die Leerstellen und Negativfolgen dieses postulierten Ansatzes exemplifiziert und professionelle Settings der Begleitung und Unterstützung von Kundenselbsthilfegruppen erläutert. Im abschließenden Unterkapitel 6.4 wird in Affinität zum intraorganisatori-schen Konzept des Blended Help ein kommunales Setting sozialer Da-seinsvorsorge von fremd- und selbstbasierten Hilfen entwickelt.

Page 102: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 101

6.1 Hybride Bewältigungsarrangements

Blended Help bezeichnet in Anlehnung an den Anglizismus des „Blended Learning“ ein innovatives Konzept Sozialer Arbeit. Blended Help kombi-niert sozialpädagogische bzw. -arbeiterische Dienstleistungen und bürger-schaftliches Nichtbetroffenenengagement als Fremdhilfen mit individuellen und kollektiven Formen der Selbsthilfe. Der Innovationskern von Blended Help verortet sich in einem bewälti-gungsoptimalen Arrangement von Sozialer Arbeit als Fremdhilfe und Kun-denselbsthilfe als neue Form der Betroffenenselbsthilfe. Der Innovations-kern von Blended Help definiert sich nicht als ein in sich abgekapseltes Setting, sondern ist gemäß seinem bewältigungsoptimalen Selbstver-ständnis durchlässig, kombinierbar und anschlussfähig für weitere Hilfen und Dienstleistungen. Blended Help basiert damit auf einem hybriden Ver-ständnis der bewältigungsoptimalen Erbringung von sozialen Dienstleis-tungen. EVERS (2002: 12/13) definiert und begründet hybride Settings sozialer Dienstleistungen, indem er formuliert: „Statt in einer Diskussion um die Zukunft sozialer Dienste und Einrichtungen lediglich staatliche Lösungen zu verteidigen, privatwirtschaftliche Alternativen oder eine freie Träger-schaft im ,Dritten Sektor’ zu fordern, wäre es möglicherweise realitätsan-gemessener, aber auch ergiebiger, Entwicklungen aufzugreifen, die diese Elemente zu kombinieren suchen. Soziale Dienste und Einrichtungen prä-sentieren sich heute vielfach als gemischte Strukturen, in denen sich staatliche Mitverantwortung, Engagement aus der Bürgergesellschaft und die Nutzung von Marktelementen miteinander verknüpfen, sodass Organi-sationen einen ,hybriden’ Charakter aufweisen, der freilich je nach Stand-ort im Spannungsfeld von Markt, Staat und Bürgergesellschaft unter-schiedlich ausgeformt ist. Es spricht einiges dafür, dass die bewusste Ver-schränkung der verschiedenen Elemente besondere Möglichkeiten der Revitalisierung solcher Organisationen bietet und Synergieeffekte frei-setzt.

Page 103: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 102

Der Vorteil solcher innerorganisatorischen Verschränkungen verschiede-ner Logiken und Organisationsprinzipien und entsprechend gemischter Strukturen wäre, dass sich Ressourcen verschiedener Art ergänzen, eine Mehrzahl von Zielen gebündelt und kooperative Entscheidungsstrukturen gefunden werden können, die Kompromisse zwischen verschiedenen Interessen und Blickwinkeln erleichtern würden.“

Blended Help offeriert als hybrides Arrangement eine ausgezeichnete Ausgangslage für bewältigungsoptimale Dienstleistungspakete sowie für ein Höchstmaß an Kunden(selbsthilfe)orientierung. Um auf dieser hervorragenden Basis die formulierten Leitziele von Blen-ded Help in der Praxis Sozialer Arbeit realisieren zu können, bedarf es al-lerdings einer Flexibilisierung bzw. Differenzierung der strukturellen und prozessualen Verfasstheit sozialer Dienstleistungen, um insbesondere das neue Betroffenenselbsthilfeformat der Kundenselbsthilfegruppe im profes-sionellen Angebotsportfolio implementieren zu können. Im Folgenden sollen ausgewählte theoretische Folien aufgespannt wer-den, um den hybriden Innovationskern von Blended Help mit seinen bei-den Hilfedomänen abbilden zu können. Die ausgewählten Folien gestatten aufgrund ihrer heterogenen theoreti-schen Herkunft unterschiedliche Betrachtungsweisen auf den hybriden In-novationskern von Blended Help und leisten damit wichtige Etappenstücke auf dem Weg zur dynamisch-flexiblen Gestaltung eines bewältigungsopti-malen Zusammenwirkens von Sozialer Arbeit als Fremdhilfe und Kunden-selbsthilfe als eine neue Form der Betroffenenselbsthilfe.

MAROTZKI (1988) liefert mit seiner strukturalen Bildungstheorie eine Hinter-grundfolie, auf der mittels der beiden bildungstheoretischen Kategorien der Bestimmtheit und Unbestimmtheit hybride Hilfearrangements bewälti-gungsoptimal abgebildet werden können.

Page 104: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 103

Die strukturale „Bildungstheorie beschäftigt sich mit der zentralen reflexi-ven Verortung der Menschen in der Welt, und zwar in einem zweifachen Sinne: zum einen hinsichtlich der Bezüge, die er zu sich selbst entwickelt (Selbstreferenz) und zum anderen hinsichtlich der Bezüge, die er auf die Welt entwickelt (Weltreferenz). Bildung ist aus dieser Perspektive der Na-me für den reflexiven Modus des menschlichen In-der-Welt-Seins." (MA-

ROTZKI & KRÜGER 2006: 61). Bildung als menschliches In-der-Welt-Sein vollzieht sich als Wandlungs-prozess von Welt- und Selbstreferenz. Vergangenes, Bisheriges, Aktuelles oder Zukünftiges stellt sich in Frage und transformiert sich in neue Le-bens-, Sinn- oder Wissenskontexte. „Bei Bildungsprozessen kommt es - durch das In-Frage-Stellen bisheriger Lebensorientierungen - zu Rah-mentransformationen und zur Umstrukturierung des bisherigen Wissens. Hiervon […] [sind zu unterscheiden] Lernprozesse ,innerhalb eines Rah-mens’, […] die eine ,akkumulierende’ Funktion […] aufweisen, in quantita-tiver Weise Wissen vermehren und einen ,Selbstbestätigungscharakter’ […] haben.“ (NAUMANN 2006: 61; zitiert nach MAROTZKI 1990: 52). Postmodernes Leben, das RAUSCHENBACH (1994: 89) als „Verlust der ehe-mals weg-weisenden [sic!] und kollektiv abgesicherten Geländer der Le-bensführung bei gleichzeitiger Ausweitung individueller Gestaltungs-möglichkeiten“ prägnant beschreibt, bedarf grundsätzlich eines Mehr an Bildung. Dieser Bildungsbedarf generiert sich aus der postmodernen Zer-setzung konsistenter bzw. stringenter Perspektiven von vergangenem, gegenwärtigem und zukünftigem Leben. Postmodernes Leben ist geprägt von einer dynamischen Fragmentierung etwa von Erfahrungs-, Wissens- und Zeitkontexten sowie einer fortschrei-tenden Pluralisierung und Individualisierung von Erwerbs- und Lebens-biographien (vgl. etwa BECK 1986; KEUPP 1999). Postmodernes Leben (er)fordert Bildung im Sinne von MAROTZKI (1988) als reflexives In-der-Welt-Sein. In der postmodernen Welt des „Anything goes“ verlieren übergeordnete Sinn- und Wertehorizonte ihre Deutungs-

Page 105: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 104

und Orientierungsfunktion und (er)fordern vom Einzelnen ein hohes Maß an Selbstorganisation, -reflexion und -verortung (vgl. etwa WELSCH 1993). In diesem postmodernen Anforderungskontext lässt sich Bildung nach MAROTZKI (1990) nicht inhaltlich bzw. produktbezogen bestimmen, son-dern bedarf einer strukturtheoretischen Darlegung. Die Bildungsfrage ver-lagert sich damit vom „Was soll Bildungsinhalt sein?“ zum „Wie sollen Bil-dungsprozesse gestaltet werden?“ (vgl. KLAFKI 1996; STEIN 2009: 60ff). Bezüglich des hybriden Hilfearrangements von Blended Help lässt sich diese zweite Fragestellung „Wie sollen (bewältigungsorientierte) Bildungs-prozesse gestaltet werden?“ anhand der beiden strukturalen Bildungska-tegorien der Bestimmtheit und der Unbestimmtheit wie folgt beantworten. Postmoderne Bildungsprozesse vollziehen sich nach MAROTZKI (1988) in subjektiven Prozesskonstellationen der Herstellung von Bestimmtheit und der Ermöglichung von Unbestimmtheit. Diese Kontextuierung der Herstel-lung von Bestimmtheit und der Ermöglichung von Unbestimmtheit als bil-dungstheoretische Kategorien entspringt den postmodernen Konstituti-onsbedingungen von Bildungsprozessen. Postmoderne Bildungsprozesse sind in ihrer Normativität und Orientierung auf die Gegenwart verwiesen, da die Vergangenheit überholt und die Zu-kunft diffus erscheint. Da auch Gewerkschaften, Kirchen und Parteien ihre Deutungshoheit in der Postmoderne ebenfalls einbüßen (vgl. BRÖMMER &

STRASSER 2000), fehlt es Bildungsprozessen an verbindlichen und zeitsta-bilen Fundamenten. BAUMAN (2003: 14) erläutert hierzu: „Muster und Konfigurationen sind heu-te nicht mehr vorgegeben, geschweige denn selbstverständlich. Es gibt zu viel davon, die sich widersprechen, in Konflikt geraten, mit der Folge, dass jedes einzelne Orientierungsmuster deutlich an Verbindlichkeit und Kraft zur sozialen Nötigung verliert.

Page 106: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 105

Auch sehen diese Muster heute anders aus, sie müssen neu geordnet werden: Sie sind zu Aufgabenbeschreibungen im Pflichtenheft individuel-ler Selbstverwirklichung geworden. Sie sind nicht mehr das Gerüst, in dem sich ein Lebensplan entfaltet, sie werden nach diesem Lebensplan ge-formt, sie erwachsen aus ihm und werden wieder und immer wieder um-gebaut.“ Vor dieser neuen Unübersichtlichkeit (HABERMAS 2006) der Postmoderne lassen sich bewältigungsorientierte Bildungsprozesse bzw. bildungsba-sierte Bewältigungsprozesse nicht ausschließlich mittels der Herstellung von Bestimmtheit initiieren, sondern bedürfen vor allem auch der Ermögli-chung von Unbestimmtheit. Die Ermöglichung von Unbestimmtheit als postmoderne Ressource ist notwendig geworden, da mit dem Ende der großen Meta-Erzählungen (LYOTARD 1986) in der Postmoderne gelingen-des Leben als eine Art von Crazy Quilt illustriert wird. Ein Crazy Quilt (Fle-ckerlteppich) „lebt von seiner überraschenden, oft wilden Verknüpfung von Formen und Farben, zielt selten auf bekannte Symbole und Gegenstän-de.“ (KEUPP 1989: 64). Aus der Metapher des Crazy Quilts erschließt sich sehr deutlich die Notwendigkeit der Ermöglichung von Unbestimmtheit als Kategorie der strukturalen Bildungstheorie von MAROTZKI (1988). Diese Notwendigkeit lässt sich auch weniger bildhaft anhand des Kon-zepts der Statuspassagen von STRAUSS (1974) ableiten. Nach STRAUSS

(1974) führt die gesellschaftliche Tendenz zur Fragmentierung und Plura-lisierung dazu, dass sich biographische Übergänge spezialisierter, säkula-risierter und individualisierter gestalten. Da biographische Übergänge mit einem sozialen Statuswechsel verbunden sind, bezeichnet STRAUSS (1974) biographische Übergänge als Statuspassagen. Vor dem postmo-dernen Hintergrund eines „Anything goes“ verlieren Vorgaben bzw. Erwar-tungen, wie eine Statuspassage und der damit verbundene neue soziale Status wahrzunehmen ist, an normativer Bestimmtheit. Für Statuspassa-giere eröffnet diese Unbestimmtheit einerseits individuelle Freiheiten, an-

Page 107: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 106

derseits bedingt sie aber auch individuelle Gestaltungsverantwortlichkei-ten. Während sich Soziale Arbeit als professionelle Fremdhilfe im Rahmen von Blended Help auf den Prozessbestandteil der Herstellung von Bestimmt-heit konzentriert, fokussiert sich Kundenselbsthilfe auf den Prozessbe-standteil der Ermöglichung von Unbestimmtheit. Kundenselbsthilfegruppen als neue Form der Betroffenenselbsthilfe bilden ein Setting, in dem Kund/inn/en der Sozialen Arbeit unterstützt werden, Unbestimmtheitsphasen und -anteile im bewältigungsorientierten Bil-dungsprozess adäquat zu bestehen sowie grundsätzlich mit den postmo-dernen Unbestimmtheitsperspektiven und -anforderungen besser umge-hen zu können. In diesem bildungstheoretischen Schema kommt Sozialer Arbeit auf der sozialarbeiterischen Ebene beispielsweise die Bereitstellung bewälti-gungsrelevanter Ressourcen zu. Auf der sozialpädagogischen Ebene lässt sich die Aufgabenstellung Sozialer Arbeit in Anlehnung an KLAFKI (1996: 56) als Bewältigungshilfe im Medium des Allgemeinen beschreiben. Bewältigung im Medium des Allgemeinen bedeutet, dass Kund/inn/en der Sozialen Arbeit eine Fremdhilfe erhalten, die sich auf allgemeine Problem- und Bewältigungsaspekte bezieht und damit auf die Herstellung einer grundlegenden Bestimmtheit. Kundenselbsthilfe kommt in dem zugrunde gelegten bildungstheoretischen Schema die Aufgabenstellung zu, Unbestimmtheit zu ermöglichen. Post-modernen Bewältigungsprozessen, die den Lernmodus von Selbstbestäti-gungsprozessen verlassen und im Bildungsmodus von Wandlungsprozes-sen stattfinden, sind postmoderne Unwägbarkeiten und Ungewissheiten immanent. In der nach RAUSCHENBACH (1994: 91) postmodernen Vervielfältigung von Normalität werden bildungstheoretische Bewältigungsprozesse zudem von

Page 108: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 107

schwindenden Zielverbindlichkeiten belastet. Bewältigungsziele entspre-chen in postmodernen Zeiten keinem Zukunftsbild, sondern eignen sich al-lenfalls als Zukunftsskizze. BIERI (2005) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es nicht Zielsetzung sein kann, diese Ungewissheiten gänzlich abzubauen, sondern es vielmehr darum geht, Unbestimmtheit zu ermöglichen. Für die Ermöglichung von Unbestimmtheit können Kundenselbsthilfegrup-pen im Vergleich zur Sozialen Arbeit als Fremdhilfe ein bewältigungsopti-maleres Setting offerieren (siehe Kapitel 3). Die eben vorgenommene bildungstheoretische Aufgabenteilung zwischen der Herstellung von Bestimmtheit und der Ermöglichung von Unbestimmt-heit lässt sich auch in Anlehnung an die Differenzierung von Krankheit und Kranksein (vgl. ILLICH 2007) analog als Unterscheidung zwischen Prob-lembetroffenheit und Problembetroffensein vornehmen. Während Problembetroffenheit in dieser Systematik den Bereich allgemei-ner Bewältigungsmaßnahmen durch die Soziale Arbeit als Fremdhilfe um-schreibt, markiert Problembetroffensein subjektive Bewältigungsprozesse innerhalb von Kundenselbsthilfegruppen. Grundsätzlich läuft Soziale Arbeit bei den eben vorgestellten Aufgabenzu-teilungen Gefahr, dass sie dem Vorwurf der Technokratie bzw. Kostenmi-nimierung ausgesetzt ist. Diese Vorwürfe verkennen im Fall von Blended Help jedoch zweierlei Sachverhalte. Erstens, dass hilfesuchende Bürger/innen nicht einfach auf die Möglichkeit der Betroffenenselbsthilfe verwiesen werden, sondern dass mittels der Neukonfiguration der Kundenselbsthilfegruppen hilfesu-chende Bürger/innen in ihrem Betroffenenselbsthilfeengagement unters-tützt und begleitet werden. Und zweitens, dass in einem derartigen bildungstheoretischen Verständ-nis die sozialpädagogische Komponente Sozialer Arbeit betont wird, so

Page 109: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 108

dass sich der Fokus von der Hilfe- auf die Bildungsdimension Sozialer Ar-beit ausweitet. In der Konturierung der Bildungsdimension im Setting der Kundenselbst-hilfegruppe folgt das innovative Konzept Blended Help der Auffassung von SCHMIDT (1981), dass Sozialpädagogik darauf zu zielen hat, das „Indivi-duum zur Besinnung auf seine anthropologische Struktur als Gemein-schaftswesen zu bringen“ (DUNGS 2009: 76), denn „der Mensch wird zum Menschen allein durch menschliche Gemeinschaft.“ (NATORP 1907: 18 zi-tiert nach ENGELKE 2002: 121). Die Aufgabenteilung zwischen Sozialer Arbeit als Fremdhilfe und Kunden-selbsthilfe als neue Form der Betroffenenselbsthilfe bietet eine erste Richt-schnur für die bewältigungsoptimale Gestaltung von hybriden Hilfeset-tings.

Die vorgenommene bildungstheoretische Verortung von Blended Help ist anschlussfähig an nachfolgende Handlungsmodellsystematik von ENGEL-

HARDT (2005). ENGELHARDT (2005: 207) ordnet der Sozialen Arbeit und der Betroffenen-selbsthilfe unterschiedliche Handlungsmodelle zu. Soziale Arbeit ist in dieser Systematik insbesondere von einem aufgaben-orientierten und rationalen Handlungsmodell determiniert und agiert dem-zufolge fallbezogen. Betroffenenselbsthilfe hingegen ist von einem perso-nen- und interaktionsorientierten Handlungsmodell geprägt und offeriert ein personenbezogenes Hilfesetting. Aus der Systematik der beiden Handlungsmodelle leitet ENGELHARDT (2005: 208) die Erkenntnis ab, „dass das mögliche Optimum der Problem-bewältigung für zahlreiche Personen im [direkten] Zusammenwirken von Selbsthilfegruppen und professionellen Fachkräften liegt“. Ein solches unmittelbares Zusammenwirken ist nach ENGELHARDT (2005: 208) jedoch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, die nicht näher

Page 110: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 109

erläutert werden, die ihn aber zu der Empfehlung veranlassen, auf mittel-bare Formen eines Zusammenwirkens auszuweichen (siehe Kapitel 7). Die Frage nach der Abgrenzung bzw. Zuständigkeit der beiden Hand-lungsmodelle von Sozialer Arbeit und Betroffenenselbsthilfe beantwortet ENGELHARDT (2005: 206) indirekt, indem er formuliert: „Besonders bei zentralen existenziellen Problemen eignen sich weder die Rahmenbedin-gungen noch die vorherrschende Methodik professioneller Dienste zur Minderung oder gar Behebung der Betroffenenprobleme, da diese nicht ein ,Reparaturproblem’ haben, das sich unmittelbar methodisch [bzw.] technokratisch bearbeiten oder gar beheben ließe; sie haben vielmehr ‚den Boden unter den Füßen’ verloren, d.h. die Orientierung in ihrem Le-ben, ihre Lebensperspektiven, ihr Leben erscheint sinnlos. […] Notwendig ist also ein anderes Handlungsmodell, ein Arrangement von Bedingungen, unter denen Menschen ihr Leben wieder in den Griff bekommen, Perspek-tiven entwickeln und Orientierung gewinnen können. Erst wenn dies in gewissem Grade erreicht ist, kann methodische Arbeit zur Problembewäl-tigung eingesetzt werden und erfolgreich sein. In Selbsthilfegruppen fin-den Menschen ein derartiges Arrangement von Bedingungen.“ Der Ansatz von ENGELHARDT (2005) steuert mit seiner Systematik der bei-den Handlungsmodelle der Sozialen Arbeit und der Betroffenenselbsthilfe ein weiteres Etappenstück auf dem Weg der dynamisch-flexiblen Gestal-tung eines bewältigungsoptimalen Zusammenwirkens von Sozialer Arbeit als Fremdhilfe und Betroffenenselbsthilfe bei. In Abbildung 12 werden bei-de Handlungsmodelle in einem bewältigungsoptimalen Setting eingefügt. Die von ENGELHARDT (2005) angeführten Schwierigkeiten eines direkten Zusammenwirkens der beiden Handlungsmodelle können im innovativen Konzept von Blended Help beseitigt werden, da mittels der neu konfigu-rierten Kundenselbsthilfegruppen Betroffenenselbsthilfeengagement in den Erbringungskontext sozialer Dienstleistungen integriert werden kann. Die von ENGELHARDT (2005) nach Problemart vorgenommene Abgrenzung bzw. Zuständigkeitsklärung ist ebenfalls als wegweisend zu betrachten,

Page 111: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 110

bleibt jedoch aufgrund der nur groben Unterscheidung von Reparatur- und Existenzproblemen letztlich unzureichend. Weiter ist die in den Erläuterungen zu den beiden Handlungsmodellen im-plizierte normative Festsetzung von (erst) Perspektivenarbeit in der Betrof-fenenarbeit und (dann) Problemarbeit in der Sozialen Arbeit aus zweierlei Hinsicht in Frage zu stellen. Erstens wegen des Umstandes, dass in der Sozialen Arbeit aufgrund aku-ter Problemdynamiken die von ENGELHARDT (2005) terminierte Interventi-onsabfolge vielfach nicht zielführend sein kann. In der Arbeitspraxis des Autors finden sich viele Fälle von beispielsweise Arbeitslosigkeit, Gewalt in der Ehe und von (drohender) Obdachlosigkeit, bei denen über (ad hoc) Problembewältigungsmaßnahmen erst die Basis für eine Perspektiven-arbeit geschaffen werden musste. Und zweitens, weil Perspektivenarbeit nicht nur in der Betroffenenselbst-hilfe, sondern auch in der Sozialen Arbeit – in unterschiedlichen Bedin-gungskontexten – stattfindet.

Page 112: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 111

Bewältigungsoptimales Hilfesetting

Aufgabenorientiertes und rationales Handlungsmodell

Personen- und interaktionsorientiertesHandlungsmodell

Problem Methode Bewältigung

Diagnose

Wissen aus Betroffenheit durch Erleben, Reflektieren,

Kommunizieren

Nähe zu Lebenswelt u. Biographie: Sinn u. Wohl-

fühlen als Bezugspunkte

Beziehungsbasiertessoziales Netzwerk

Immateriale Leistungen:Geborgenheit, Trost,

Verständnis, Zuwendung

Betroffene als Modelle,viele kleine praktische

Hilfen

GanzheitlicherKontext:

Problem u. Mensch

Bewältigungsoptimales Hilfesetting

Aufgabenorientiertes und rationales Handlungsmodell

Personen- und interaktionsorientiertesHandlungsmodell

Problem Methode Bewältigung

Diagnose

Problem Methode Bewältigung

Diagnose

Wissen aus Betroffenheit durch Erleben, Reflektieren,

Kommunizieren

Nähe zu Lebenswelt u. Biographie: Sinn u. Wohl-

fühlen als Bezugspunkte

Beziehungsbasiertessoziales Netzwerk

Immateriale Leistungen:Geborgenheit, Trost,

Verständnis, Zuwendung

Betroffene als Modelle,viele kleine praktische

Hilfen

GanzheitlicherKontext:

Problem u. Mensch

Abb. 12: Handlungsmodelle in Anlehnung an ENGELHARDT (2005)

Page 113: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 112

Der nachfolgende Ansatz von STUMMBAUM und STEIN (2008) zur differen-zierten Bestimmung einer bewältigungsoptimalen Mixtur von Sozialer Ar-beit und Betroffenenselbsthilfe legt eine theoretische Folie zugrunde, die sich aus einer Verschränkung von Sinn- und Werteprozessen entfaltet. Sinn- und Werteprozesse strukturieren und beeinflussen hilfesuchende und hilfenehmende Bürger/innen in ihren Bewältigungsversuchen sowie in ihrem Umgang mit den Bewältigungs- bzw. Hilferessourcen der eigenen Person, der Sozialen Arbeit und der Betroffenenselbsthilfe. Die theoretische Kontextuierung dieses Erhebungsansatzes basiert auf den Arbeiten insbesondere von SCHWARTZ (1992) zur Wertorientierung sowie im weiteren von ANTONOVSKY (1997) zur Salutogenese. Nach SCHWARTZ (1994) definieren sich Werte als wünschenswerte Ziel-setzungen, die für Menschen situationsübergreifend als handlungsleitende Richtlinien fungieren. „Werte sind [demnach] individuelle Vorstellungen davon, was erstrebenswert sei und damit allgemeine Anhaltspunkte, an denen sich menschliches Verhalten orientieren kann.“ (JUGENDWERK DER

DEUTSCHEN SHELL 2000: 97). Werte bilden sich aus Erziehungs-, Lern- und Sozialisationserfahrungen, variieren interindividuell und werden als relativ lebenslaufstabil charakterisiert. Werte sind individuelle Vorstellungen davon, was er-strebenswert sei und damit allgemeine Anhaltspunkte, an denen sich menschliches Verhalten orientieren kann. Werte basieren nach SCHWARTZ (1994) auf den evolutionären Grundprin-zipien biologischen und sozialen Überlebens sowie gemeinschaftlicher Kooperation (vgl. auch STEIN 2008: 17ff). Die Wertepräferenzen von Kund/inn/en bzw. Klienten/innen in der Sozia-len Arbeit markieren demzufolge nicht nur die mit Bewältigungs- und Hil-fehandeln anvisierten Zielsetzungen bzw. -ergebnisse, sondern determi-nieren auch die Auswahl und Realisierung von Bewältigungs- und Hilfe-ressourcen. Kunden- bzw. klientenspezifischen Werten kommt folglich für

Page 114: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 113

die Gestaltung bewältigungsoptimaler Arrangements eine zweifache Be-deutung zu. Zum einen als Maßstab für die angepeilten Lösungen und zum anderen als Richtschnur für die anstehenden Lösungsschritte (vgl. STEIN 2008: insb. 55ff). Der werte- und sinnbasierte Erhebungsansatz zur differenzierten Bestim-mung eines bewältigungsoptimalen Gestaltungsverhältnisses von Sozialer Arbeit und Betroffenenselbsthilfe ist Teilaspekt des laufenden Forschungs-vorhabens „Wertekonstruktion, Sinnzuschreibung und Identitätsentwick-lung in Selbsthilfegruppen“ am Lehrstuhl für Sozialpädagogik und Gesund-heitspädagogik der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (STUMM-

BAUM & STEIN 2008). Die diesbezügliche empirische Datenlage gestaltet sich aktuell noch aus-gesprochen dünn. Neben der von STUMMBAUM und STEIN (2008) konzipier-ten Erhebung im Bereich gesundheitsbezogener Betroffenenselbsthilfe, die in Kapitel 8 noch ausführlich expliziert wird, ist im Rahmen eines kon-zipierten Modellvorhabens des Studiengangs „Gesundheits- und Sozial-wesen“ der Fachhochschule Nordhausen zur unabhängigen Pflegebera-tung eine weitere entsprechende Erhebung im Bereich der pflegebezoge-nen Betroffenenselbsthilfe vorgesehen (HEY, NAUMANN & STEIN 2009). Bis zum Abschluss der beiden vorgenannten spezifischen Erhebungen können Erhebungen aus dem Bereich des bürgerschaftlichen Engage-ments zwischenzeitlich bereits navigatorische Hinweise hinsichtlich der Wertekontexte von Betroffenenselbsthilfeengagement geben. Eine Erhebung beispielsweise von SCHWARTZ (2008), der das Werteportfo-lio von Befragten u.a. mit ihrem bürgerschaftlichen Engagement in Natur- und Tierschutz- sowie Friedensgruppen verknüpfte, kam zu dem Ergebnis, dass bezüglich des bürgerschaftlichen Engagements der Befragten die Werte des Universalismus, der Mildtätigkeit, der Selbstbestimmung und der Stimulation sowie des Hedonismus positiv korrelierten. Werte wie Si-

Page 115: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 114

cherheitsstreben, Konformität und Tradition hingegen korrelierten negativ mit bürgerschaftlichem Engagement. Im Rahmen dieser Erhebung zeigten hierarchische Regressionen, dass persönliche Wertepräferenzen stärker als strukturelle Aspekte wie Ge-schlecht, Alter und finanzielle Ressourcen (Ausnahme: Bildungsabschlüs-se) bürgerschaftliches Engagement prognostizieren (vgl. auch GENSICKE, PICOT & GEISS 2005; KLAGES 2001; KLAGES & GENSICKE 1999). Die Ergebnisse zur Gebundenheit von bürgerschaftlichem Engagement (außerhalb der Betroffenenselbsthilfe) und individuellen Wertepräferenzen lassen seriöserweise keine inhaltlichen Schlussfolgerung hinsichtlich der Wertegebundenheit von Betroffenenselbsthilfeengagement zu. Allerdings erlauben diese Erhebungen zum bürgerschaftlichen Engage-ment (außerhalb der Betroffenenselbsthilfe) die gegründete Annahme, dass die Erhebungsergebnisse von STUMMBAUM und STEIN (2008) und von HEY, NAUMANN und STEIN (2009) analog der im Freiwilligensurvey zugrun-de gelegten Klassifikation von bürgerschaftlichem Engagement abgebildet werden kann. Der Freiwilligensurvey clustert die Befragten in die drei Typgruppen „Nicht Engagierte“, „Potenziell Engagierte“ und „Engagierte“ (vgl. GENSICKE 2005: 17f) Analog hierzu würden in den beiden Erhebungen zur Wertebasierung von Betroffenenselbsthilfeengagement die Typklassifizierungen „Nicht Betrof-fenenselbsthilfeengagierte“, „Potenziell Betroffenenselbsthilfeengagierte“ und „Betroffenenselbsthilfeengagierte“ lauten. In dieser dreiklassigen Typisierung können die Erhebungen von STUMM-

BAUM und STEIN (2008) und von HEY, NAUMANN und STEIN (2009) weitere Etappenstücke auf dem Weg der dynamisch-flexiblen Gestaltung eines bewältigungsoptimalen Zusammenwirkens von Sozialer Arbeit und Betrof-fenenselbsthilfe liefern.

Page 116: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 115

Bei der vierten und letzten ausgewählten theoretischen Folie handelt es sich um die in der nachfolgenden Abbildung visualisierte Adaption eines Qualitätsmanagementmodells von KANO (1984). Ein Blick auf Abbildung 13 zeigt, dass das Qualitätsmanagementmodell von KANO zwischen drei Arten von Qualität differenziert, die sich in einer hierarchischen-prozessualen Anordnung befinden (vgl. SAUERWEIN 2000; PFEIFFER 2001).

Qualitätsmanagementebenen

ENTWICKLUNGSANFORDERUNGEN

ERWARTUNGSANFORDERUNGEN

BASISANFORDERUNGENSOZIALEARBEIT

SOZIALEARBEIT

KUNDENSELBSTHILFEGRUPPE

KUNDENSELBST

HILFEGRUPPE

Zuständigkeit ZuständigkeitQualitätsmanagementebenen

ENTWICKLUNGSANFORDERUNGEN

ERWARTUNGSANFORDERUNGEN

BASISANFORDERUNGENSOZIALEARBEIT

SOZIALEARBEIT

KUNDENSELBSTHILFEGRUPPE

KUNDENSELBST

HILFEGRUPPE

Zuständigkeit Zuständigkeit

Abb. 13: Qualitätsmodell in Anlehnung an KANO (1984) Bezogen auf die dynamisch-flexible Gestaltung eines bewältigungsoptima-len Zusammenwirkens von Sozialer Arbeit als Fremdhilfe und Kunden-selbsthilfe als eine neue Form der Betroffenenselbsthilfe lassen sich die drei Qualitätsarten wie folgt darstellen: Die Basisqualitätsanforderungen umfassen den Dienstleistungsausschnitt, der aufgrund gesetzlicher Regelungen und zuschussvertraglicher Verein-barungen als Mindestanforderung erfüllt sein muss und der demzufolge

Page 117: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 116

von gemeinnützigen Trägerorganisationen verlässlich und gleich bleibend – vielfach in standardisierter Form – zu erbringen ist. Die Erwartungsqualitätsanforderungen beziehen sich auf den zweiten Dienstleistungsausschnitt, der von Kund/inn/en bzw. Klienten/innen in Er-bringung der Basisdienstleistungen i.d.R. zusätzlich erwartet bzw. von Fachkräften als notwendig erachtet wird. Dieser Dienstleistungsausschnitt weist oftmals Finanzierungslücken auf und kann bzw. muss beispielsweise durch die Weitergabe von Rationali-sierungsgewinnen im erstgenannten Dienstleistungsausschnitt, durch die zusätzliche Monetarisierung dieser zusätzlichen Dienstleistungen sowie durch die Integration von bürgerschaftlichem Engagement oder die Kop-roduktion mit Selbsthilfegruppen dennoch einer Realisierung zugeführt werden. Die Entwicklungsqualitätsanforderungen definieren den dritten Dienstleis-tungsausschnitt. Anforderungen an die Entwicklungsqualität beziehen sich auf die Transferprozesse der (eigentlichen) Dienstleistungsergebnisse und/oder auf die Perspektiven und Potenziale, die Kund/inn/en über die konkrete Problem- und Bewältigungssituation hinaus nach Abschluss des sozialen Dienstleistungsprozesses in Selbsthilfe entwickeln wollen bzw. müssen. Die Bezugnahme auf Selbsthilfegruppen kann in diesem Aus-schnittssektor ein Setting erschließen, welches (ehemalige) Kund/inn/en bei der nachhaltigen Umsetzung und sukzessiven Fortentwicklung von Bewältigungs- und Problemlösungsresultaten aus den beiden vorausge-gangenen Dienstleistungsausschnitten unterstützt. In der Adaption des Qualitätsmanagementmodells von KANO (1984) wurde ein Ansatz generiert, der nicht nur ein weiteres Etappenstück auf dem Weg zur dynamisch-flexiblen Gestaltung eines bewältigungsoptimalen Zu-sammenwirkens von Sozialer Arbeit und Betroffenenselbsthilfe bereitstellt, sondern dezidiert auch ein Verbindungsstück zwischen standardisierten und individualisierten Dienstleistungsanteilen.

Page 118: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 117

Die vorangegangenen Hintergrundfolien eröffnen vier verschiedenartige Betrachtungsweisen auf den Innovationskern von Blended Help und wei-sen gegenüber unterschiedlichen Diskursen eine Anschlussfähigkeit auf. Im bildungstheoretischen Kontext ergibt sich diese Anschlussfähigkeit ge-genüber gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen. Und während sich mit der handlungstheoretischen Grundlegung professionstheoretische Diskur-se erschließen, eröffnet die werte- und sinnbasierte Hintergrundfolie den Anschluss gegenüber den Klienten/innen und Kund/inn/en in der Sozialen Arbeit. Über die zuletzt skizzierte qualitätsbezogene Fundierung lässt sich schließlich eine Anschlussfähigkeit gegenüber den marktwirtschaftlichen Kontexten gemeinnütziger Trägerorganisationen herstellen. Für die Praxis Sozialer Arbeit markieren der bildungstheoretische, der handlungstheoretische, der werte- und sinnbasierte sowie der qualitätsbe-zogene Weg grundsätzliche Optionen einer bewältigungsoptimalen Kom-bination von Sozialer Arbeit als Fremdhilfe und Kundenselbsthilfe als neue Form der Betroffenenselbsthilfe. Bei der Implementierung von Blended Help in gemeinnützigen Organisa-tionen bzw. in Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit können diese grund-sätzlichen Optionen wichtige Grundlagen für die organisationsspezifische bzw. handlungsfeldspezifische Gestaltung eines bewältigungsoptimalen Arrangements bereitstellen.

Page 119: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 118

6.1.1 Hybride Arrangements am Beispiel der Schuldnerberatung in der Sozialen Arbeit

Im Nachfolgenden sollen anhand der Praxissequenz von Willi Beyer (Na-me geändert) konkretisierende Perspektiven der Implementierung von Blended Help am Beispiel der Schuldnerberatung in der Sozialen Arbeit aufgezeigt werden. Willi Beyer (Name geändert) ist bei seiner Scheidung – wie er sagt – fi-nanziell unter die Räder gekommen. Die Anschaffung für seinen neuen Hausstand, die Scheidungskosten und die dauernden Wochenendbesu-che bei seinen beiden Kindern, die seit der Scheidung vor zwei Jahren über 600 km von München wegwohnen, haben Schulden von über 50.000 Euro auflaufen lassen. Obwohl Willi Beyer (Name geändert) mitteilt, dass er dringend Hilfe be-nötigt, kann aufgrund der hohen Auslastung erst fünf Monate später ein Beratungstermin terminiert werden. Nachdem ihm versichert wird, dass diese lange Wartezeit auch bei den anderen Schuldnerberatungsstellen vor Ort üblich ist, stimmt Willi Beyer (Name geändert) dem Terminvorschlag zu. Als seinen Exfrau Veronika Beyer (Name geändert) zwei Monate später droht, seinen weiteren Kontakt zu den Kindern zu boykottieren, wenn er nicht zusätzlich zum Unterhalt eine Einmalzahlung von 5.000 Euro leistet, nimmt Willi Beyer (Name geändert) bei einem Kreditvermittler ein Darle-hen über 15.000 Euro auf. Willi Beyer (Name geändert) hat mittlerweile den Überblick über seine finanzielle Situation völlig verloren. Gläubiger-schreiben wirft er ungeöffnet in den Müll, weil er – wie er sagt – schon vom Anblick dieser Schreiben zittrige Hände bekommt. Als schließlich nach fünf Monaten der Termin bei der städtischen Schuld-nerberatung ansteht, nimmt ihn Willi Beyer (Name geändert) nicht wahr. Auf eine telefonische Nachfrage der Schuldnerberatung teilt er resigniert

Page 120: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 119

mit: „Damals vor fünf Monaten hätte ich ihre Hilfe gebraucht. Jetzt ist es zu spät. Meine Schulden sind noch mehr geworden und ich kann nicht mehr. Ich will einfach meine Ruhe und nichts mehr von meinen Schulden hören.“ In der Tat hätte Willi Beyer (Name geändert) auch bei den anderen Schuldnerberatungsstellen vor Ort mit ähnlichen Wartezeiten rechnen müssen. Allerdings bietet die konfessionelle Schuldnerberatungsstelle zur Überbrückung dieser Wartezeit die Option, eine Schuldnerselbsthilfegrup-pe aufzusuchen. Willi Beyer (Name geändert) hätte so die Chance gehabt, die fünfmonatige Wartezeit besser zu überstehen. Eine mehrmonatige Wartezeit – wie in der Praxissequenz von Willi Beyer (Name geändert) – stellt keine Seltenheit dar, sondern ist bei den deutsch-landweit ca. 1100 Schuldnerberatungsstellen mit etwa 1700 Berater/innen (BUNDESARBEITSGEMEINSCHAFT SCHULDNERBERATUNG 2009a) allgemeiner Ausdruck zu geringer Beratungskapazitäten. „Laut dem ,SchuldnerAtlas Deutschland 2007’ der Creditreform kommen in Deutschland im Durchschnitt 5.400 Schuldner […] auf eine Schuldner-beratungsstelle.“ (MATTHEIS 2008: 11). HELKE (2005: 19) beziffert die War-tezeiten für einen Ersttermin bei einer Schuldnerberatungsstelle mit sechs bis zwölf Monaten. Unter Bezugnahme auf diese bis zu zwölf Monate dauernden Wartezeiten reklamierte die Vorsitzende des Paritätischen Gesamtverbandes, dass das Kontingent an Schuldnerberatungsstellen „mindestens um ein 2 ½ fa-ches zu erhöhen [sei].“ (MERK 2009: 2). Die in der Praxissequenz von Willi Beyer (Name geändert) angeführte Schuldnerselbsthilfegruppe weist eine erste Konkretisierungsperspektive der bewältigungsoptimalen Gestaltung des Zusammenwirkens von Sozia-ler Arbeit als Fremdhilfe und Kundenselbsthilfe als neue Form der Betrof-fenenselbsthilfe. In der nachfolgenden Abbildung 14 werden zwei Varian-

Page 121: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 120

ten (W1 und W2) der Implementierung von Kundenselbsthilfegruppen durch Schuldnerberatungsstellen abgebildet.

SCHULDNERBERATUNG

Wartezeit

Ko

ntaktau

fnah

me

KUNDENSELBSTHILFE

GRUPPE

KUNDENSELBSTHILFE

GRUPPE

Ku

rzkon

takt

W1

W2

SCHULDNERBERATUNG

Wartezeit

Ko

ntaktau

fnah

me

KUNDENSELBSTHILFE

GRUPPE

KUNDENSELBSTHILFE

GRUPPE

Ku

rzkon

takt

W1

W2

Abb.14: Kundenselbsthilfegruppen und Schuldnerberatung (Warte- phase) Im Zusammenhang mit der vorab dargelegten Wartezeitenproblematik können Kundenselbsthilfegruppen dazu beitragen, die mit der zeitverzö-gerten Zugänglichkeit von Schuldnerberatungsstellen inhärenten Belas-tungen und Negativfolgen auszugleichen.

Page 122: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 121

In der mit W1 markierten Variante werden hilfesuchende Bürger/innen bei der zumeist telefonischen Erstkontaktaufnahme über die Möglichkeit einer wartezeitbezogenen Kundenselbsthilfegruppe informiert und ggf. in eine Kundenselbsthilfegruppe vermittelt. In der mit W2 bezeichneten Variante wird mit hilfesuchenden Bür-gern/innen bei der meistens telefonischen Erstkontaktaufnahme ein zeit-naher Termin für eine der eigentlichen Schuldnerberatung vor gelagerte Kurzzeitberatung vereinbart. Bei dieser Kurzzeitberatung werden die Perspektiven der anstehenden Schuldnerberatung sowie die Gestaltungs-notwendigkeiten während der Wartezeit erörtert und ggf. hilfesuchende Bürger/innen in eine Kundenselbsthilfegruppe vermittelt. Den beiden Varianten W1 und W2 ist gemeinsam, dass Kund/inn/en über den Beginn der professionellen Schuldnerberatung hinaus an Kunden-selbsthilfegruppen teilnehmen können. Hierzu lassen sich ebenfalls ver-schiedene Modelle unterscheiden. Im ersten Modell können Kund/inn/en mit Beginn der professionellen Schuldnerberatung aus einer wartezeitbezogenen Kundenselbsthilfe-gruppe in weiterführende Kundenselbsthilfegruppen wechseln. Im zweiten Modell existieren fortlaufende Kundenselbsthilfegruppen, an denen Kund/inn/en, die sich in unterschiedlichen Stadien der Schuldner-beratung bzw. Schuldenregulierung befinden, teilnehmen. Über die Implementierung von Kundenselbsthilfegruppen können Schuld-nerberatungsstellen in der Sozialen Arbeit auf zweifache Art und Weise marktstrategische Potenziale entwickeln: Erstens kann mittels der Integration von Kundenselbsthilfegruppen in das Angebotsportfolio von Schuldnerberatungsstellen die Kundenorientierung erhöht werden und hilfesuchenden Bürger/innen ein Mehrwert bzw. Zu-satznutzen offeriert werden.

Page 123: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 122

Zweitens kann mittels Kundenselbsthilfegruppen weiteren Problemeskala-tionen – wie sie bei Willi Beyer (Name geändert) während der fünfmonati-gen Wartezeit aufgetreten sind – gegengesteuert werden. Auch können in wartezeitbezogenen Kundenselbsthilfegruppen grundsätzliche Klärungs- und Motivationsprozesse stattfinden, die sich im anschließenden Schuld-nerberatungsverlauf positiv niederschlagen. Diese Effektkette kann im Idealfall auch eine Fortsetzung in der Reduzie-rung von Wartezeiten finden. Dieser Effekt setzt dann ein, wenn hilfesu-chende Bürger/innen über ihre Teilnahme an Kundenselbsthilfegruppen einen geringeren Aufwand an professioneller Schuldnerberatung erfor-dern, so dass sich – über eine Erhöhung der Fallzahlen – die Wartezeiten verkürzen lassen. Die Praxisrelevanz wartezeitbezogener Kundenselbsthilfegruppen lässt sich mit einem Blick auf die von der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuld-nerberatung betriebene klienten- bzw. kundenbezogene Internetpräsenz www.meine-schulden.de verdeutlichen. Unter der Überschrift „Schuldnerberatung in der Praxis“ wird unter Bezug-nahme auf versäumte Einspruchsfristen und auflaufende Mahngebühren verlautbart: „Je früher Sie eine Beratungsstelle aufsuchen, desto einfach wird sich dieser Prozess möglicherweise gestalten. Wenn Sie überschul-det sind, arbeitet die Zeit gegen Sie.“ (BUNDESARBEITSGEMEINSCHAFT

SCHULDNERBERATUNG 2009b). Unter der Überschrift „Kontakt und Wartezeit“ wird weiter ausgeführt: „Die erste Kontaktaufnahme erfolgt meist telefonisch. […] Es kann vorkommen, dass Sie bei einer Schuldnerberatung wegen Arbeitsüberlastung nicht so-fort einen Termin zur Schuldenregulierung erhalten. Diese Wartezeit bis zum ersten Gespräch können Sie bereits zum Sortieren Ihrer Unterlagen und zur Zusammenstellung der Forderungen nutzen.“ (BUNDESARBEITSGE-

MEINSCHAFT SCHULDNERBERATUNG 2009c). Die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung hebt auf ihrer zusätz-lichen und speziell für hilfesuchende Bürger/innen konzipierten Internet-

Page 124: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 123

präsenz www.meine-schulden.de die Zeitproblematik bei Überschuldung hervor und unterstreicht die Notwendigkeit eines zügigen Handelns mit der Metapher „Die Zeit arbeitet gegen Sie“. An einer anderen Stelle dieser Internetpräsenz erklärt sie gleichsam Zeit-verzögerungen in Form von Wartezeiten lapidar als gegeben und belässt es bei formalen Überbrückungsempfehlungen, wo vor dem Warnungshin-tergrund „Die Zeit arbeitet gegen Sie“ vor allem Alternativ- und Notfallhin-weise angezeigt wären. Die Widersprüchlichkeit dieser beiden Aussagen lässt sich vor dem Hin-tergrund erklären, dass Schuldnerberatung hinsichtlich der großen Diskre-panz zwischen Nachfrage und Angebot letztlich noch keine nachhaltigen Lösungsstrategien entwickeln konnte. Obwohl sich Schuldnerberatung als ein Angebot der Sozialen Arbeit in den zurückliegenden Jahren professionalisiert hat (vgl. GROTH 1984; GROTH; EBLI 1997; SCHRUTH ET AL. 2003; GROTH & SCHULZ-RACKOLL 2008; THOMSEN 2008), kann sie dennoch bis dato keine Angebotssettings be-reitstellen, die den vorab beschriebenen Nachfrageüberhang konzeptionell hinreichend aufgreifen. MESCH (2005: 4) berichtet, dass Schuldnerberatung als ein Angebot der Sozialen Arbeit in jüngster Zeit von ihrem traditionell individuellen bzw. einzelfallbezogenen Arbeitsansatz abweicht und auch gruppenbezogene Ansätze integriert, die allgemeine Sachinformationen, die in den indivi-duellen Beratungskontakten aus arbeitsrationalen Gründen nicht mehr thematisiert werden, vermittelt. Einen weiteren ähnlich konzeptionierten Ansatz stellen internetbasierte Schuldnerberatungsangebote wie bei-spielsweise www.schuldenhelpline.de dar (vgl. SCHULDNERHILFE KÖLN 2009). Beide Ansätze können durchaus zu gewissen Entlastungseffekten auf den Wartelisten von Schuldnerberatungsstellen führen, indem Kund/inn/en bzw. Klienten/innen mit einem geringeren Beratungsbedarf arbeitsrationa-ler in gruppenbezogenen und internetbasierten Settings geholfen wird. Die

Page 125: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 124

dabei erzielten arbeitsrationalen Gewinne werden dann wiederum in höhe-re Fallzahlen bzw. in Kund/inn/en bzw. Klienten/innen mit größerem Bera-tungsbedarf investiert. HELKE (2005: 21) sieht Schuldnerberatung in dem eben dargelegten Prob-lemaufriss in einer Entscheidungssituation zwischen den nachfolgenden drei Alternativen: Erstens können Schuldnerberatungsstellen „ihre Sach- und Personalmittel auf die Ratsuchenden […] konzentrieren, deren Entschuldung im Rahmen der zugewiesenen, fremdfinanzierten Beratungsstunden sicher und mög-lich erscheint. Diese Option sichert die Refinanzierung der Beratungsstel-len zu Lasten ihres aufgrund der Trägerziele breiter angelegten Versor-gungsauftrages und vermutlich zu Lasten von Beratungsqualität.“ (HELKE

2005: 21). Zweitens können Schuldnerberatungsstellen „die Betreuungs- und Bera-tungsleistungen auf dem Bereitstellungsniveau vorhalten, der [sic] bislang zu außerordentlicher hoher Kundenzufriedenheit führte. Dieser Ansatz ge-fährdet allerdings ihre bisherige Marktstellung, da kommerzielle Berater oder freie Beratungsstellen [in] das entsprechende Versorgungsvakuum hineinstoßen werden. Träger werden aufgrund ihrer internen finanziellen Verteilungskonflikte wachsende Finanzierungslücken nicht auffangen und den Fortbestand […] [gemeinnütziger] Schuldnerberatung selbst unter ei-ner Grenzwertnutzenbetrachtung diskutieren.“ (HELKE 2005: 21). Drittens können Schuldnerberatungsstellen „versuchen, die beiden Pole miteinander zu verbinden und das nicht zu leugnende Spannungsverhält-nis zwischen Qualitätserzeugung und Kostenaufwand neu zu bestimmen und sich einem Gleichgewicht zwischen den Zielgrößen von Kostenkont-rolle und Qualitätserhalt zu nähern.“ (HELKE 2005: 21). Das innovative Konzept Blended Help versteht sich als ein hybrides Ar-rangement, in dem professionelle Schuldnerberatung als Fremdhilfe und

Page 126: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 125

Kundenselbsthilfe als neue Form der Betroffenenselbsthilfe bewältigungs-optimal zusammenwirken. Blended Help eröffnet damit eine (markt)strategische Option, die sich in der von HELKE (2005) formulierten dritten und letzten Entscheidungskategorie wieder findet. Weitere schuldnerberatungsspezifische Konkretisierungsperspektiven von Blended Help lassen sich neben den eben skizzierten wartezeitbezogen insbesondere auf die Transferphase von Schuldnerberatung bezogen entwickeln. In der nachfolgenden Abbildung 15 sind zwei Varianten einer transferbezogenen Konkretisierung von Blended Help schematisiert. Bei beiden Varianten T1 und T2 findet auf der Ebene des Ergebnistrans-fers eine Kopplung von Schuldnerberatung als Fremdhilfe mit Kunden-selbsthilfe als neue Form der Betroffenenselbsthilfe statt. Bei der Variante T1 geschieht diese Kopplung, um Kund/inn/en grundsätz-lich im Transfer bzw. in der Umsetzung der Ergebnisse bzw. Vereinbarun-gen der Schuldnerberatung unterstützend begleiten zu können. Bei der Variante T2 erfolgt eine Kopplung des Schuldnerberatungsange-bots mit einer Kundenselbsthilfegruppe, um im Falle von Transferschwie-rigkeiten eine Unterstützungsressource optional bereitstellen zu können.

Page 127: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 126

SCHULDNERBERATUNG

Transferzeit

KUNDENSELBSTHILFE

GRUPPE

KUNDENSELBSTHILFE

GRUPPEK

riseT1

T2

SCHULDNERBERATUNG

Transferzeit

KUNDENSELBSTHILFE

GRUPPE

KUNDENSELBSTHILFE

GRUPPEK

riseT1

T2

Abb. 15: Kundenselbsthilfegruppen und Schuldnerberatung (Transferphase) Mit Einführung der Verbraucher- und Privatinsolvenz im Jahr 1999 erlangt die Transferphase von Schuldnerberatung bzw. Schuldenregulierung als im Gesetzestext als Wohlverhaltensphase bezeichneter Verfahrensab-schnitt der Privat- und Verbraucherinsolvenz eine hervorgehobene Bedeu-tung (BUNDESMINISTERIUM DER JUSTIZ 2009a).

Page 128: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 127

Mit der Privat- und Verbraucherinsolvenz erhalten überschuldete Bür-ger/innen eine gesetzlich-formale Perspektive der Entschuldung (vgl. etwa GOLD 2006). Das Privat- und Verbraucherinsolvenzverfahren fordert für eine Entschul-dung eine sechsjährige Wohlverhaltensphase, in der überschuldete Bür-ger/innen den pfändbaren Anteil ihres Einkommens über einen Treuhän-der an ihre Gläubiger abführen müssen. Nach erfolgreich überstandener Wohlverhaltensphase werden im Zuge einer Restschuldbefreiung noch of-fene Forderungen erlassen. Überschuldete Bürger/innen haben, nachdem sie das Verfahren der Privatinsolvenz erfolgreich durchlaufen haben, die Chance auf einen wirtschaftlichen Neuanfang. Im Vergleich zum vormals dreißigjährigen Verjährungszeitraum von titulier-ten Forderungen stellt der sechsjährige Verfahrenszeitraum der Privatin-solvenz eine deutliche Verbesserung für überschuldete Bürger/innen dar. Dennoch (über)fordert die sechsjährige Wohlverhaltensphase nicht nur ty-pische Kunden- bzw. Klientengruppen der Sozialen Arbeit. Aus Arbeitserfahrungen des Autors kommt es im Verlauf der Wohlverhal-tensphase vielfach zu wiederkehrenden Konflikten und Krisen, die im Zu-sammenhang mit den geringen zur freien Verfügung stehenden Finanzmit-teln und der unter Motivationsgesichtspunkten langen Wohlverhaltenpha-se über sechs Jahre stehen. Insbesondere bei Anlässen wie Familienge-burtstagen, Familienurlauben und Weihnachten sowie bei Ersatzanschaf-fungen von Haushaltsgeräten wie Kühlschränken oder TV-Geräten kumu-lieren diese Konflikte und Krisen. Begleitende Kundenselbsthilfegruppen können eine unterstützende Res-source darstellen, die eben erläuterten Konflikte und Krisen zu bewältigen, und einem Scheitern in der Wohlverhaltensphase vorzubeugen. In der Wohlverhaltensphase befindliche Bürger/innen äußern oftmals auch das Gefühl, dass ihnen mit der Privat- und Verbraucherinsolvenz eine große staatliche Ungerechtigkeit widerfährt. Ihr Ungerechtigkeitsempfin-den speist sich aus dreierlei Sachverhalten:

Page 129: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 128

Erstens aus der Tatsache, dass bei der Privat- und Verbraucherinsolvenz den Anlässen von Überschuldung keine entsprechende Verfahrensrele-vanz beigemessen wird. Für eine allein erziehende Frau, die auf seriöse Art und Weise einen Kredit aufgenommen und über Jahre bis zu ihrer Ar-beitslosigkeit getilgt hat, gelten beispielsweise dieselben Verfahrensmoda-litäten wie für eine Frau, deren Überschuldung aus einem unverantwortli-chen Konsumverhalten resultiert. Unverschuldete Überschuldungsanlässe führen im Verfahren der Privat- und Verbraucherinsolvenz zu keiner Besserstellung gegenüber selbstver-schuldeten Überschuldungsanlässen beispielsweise in Form einer Verkür-zung der Wohlverhaltensphase oder einer Reduzierung der an den Treu-händer abzuführenden Einkommensanteile. Zweitens aus dem Umstand, dass im Verfahren der Privat- und Ver-braucherinsolvenz der Gläubigerkontext keine umfängliche Thematisie-rung findet. Damit bleibt u.a. unberücksichtigt, dass Gläubiger Überschul-dungssituationen durchaus auch (mit)befördern, indem sie beispielsweise bei vorangegangenen Umschuldungen nicht das Schuldnerwohl, sondern eigene Umsatzinteressen im Auge haben. „Mit dem Umschulden beginnt eine Spirale, […] [die] immer noch höhere Schulden produziert. Wie viele Kredite zur Abwendung von Insolvenz um-geschuldet werden, ist unbekannt. Sicher aber ist: Es gibt einige Banken, die wie etwa die Citibank bei Verbraucherschützern und Schuldnerbera-tern für ihre Kettenkredite einschlägig bekannt sind. Diese Institute stellen dem Kunden die Umschuldung als gutes Mittel dar, zusätzliche Liquidität zu erhalten. Umschuldungen sind aber teuer, nur merkt der Kunde es nicht, weil die alten Kosten als Teil der Kreditaufnahme erscheinen.“ (REIFNER 2006: 28). Und drittens aus der Entwicklung, dass „Schulden […] ein normales In-strument [geworden] sind, das über verschiedene Perioden der Existenz von Einzelpersonen oder Familien hinweg zur Aufrechterhaltung eines gleich bleibenden und den während des gesamten Lebenszyklus zu er-

Page 130: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 129

wartenden Einkünften entsprechenden Konsumniveaus eingesetzt wird. Schulden zu haben – bei offiziellen Kreditgebern oder inoffiziell bei Fami-lienmitgliedern – stellt ein normales, in vielen Haushalten unvermeidliches Verbraucherverhalten dar, und zwar besonders in der Anfangszeit ihres Lebenszyklus“. (BETTI ET AL. 2001: 4). Diese skizzierte Entwicklung zur Kreditgesellschaft lässt sich anhand der Monatsberichte der Deutschen Bundesbank auch quantitativ nachzeich-nen. Von 1970 bis 2003 sind die Volumina der Konsumentenkredite von knapp über 20 auf 230 Milliarden Euro und die der Kontokorrentkredite von 1,5 auf fast 22 Milliarden Euro angewachsen (REIFNER 2004: 1). Nach GROTH und SCHULZ-RACKOLL (2008: 301) wurde diese progressive Wachstumsentwicklung „durch die Aufhebung des Werbeverbots für Kre-dite seit dem 01.04.1967 sowie durch den Wegfall der bis dahin beste-henden Zinsbindung“ angestoßen. In dieser florierenden Kreditgesellschaft, die salopp auch als „Leben auf Pump“ synonymisiert werden kann, werden gleichzeitig aber auch be-stimmte Bevölkerungsgruppen aufgrund des in der Kreditwirtschaft übli-chen Bonitäts-Scoring, aus dem sich die Kreditkonditionen u.a. anhand soziodemographischer Kundenmerkmale wie Alter, Berufsgruppenzuge-hörigkeit und Wohnort errechnen, beim Schuldenmachen benachteiligt oder gar ausgeschlossen. Dies bedeutet: „Wer zu einer […] [solchen Bevölkerungsgruppe] gezählt wird, die für die Bank ein besonderes Risiko darstellt, ist Gefangener sei-ner Gruppe. Dieses System entwickelt sich zu einer Prophezeiung, die sich selbst erfüllt. Schlechteres Scoring führt zu höherer Belastung, und dies wiederum zu höherem Insolvenzrisiko. Der Angehörige einer solchen Gruppe kann nicht beweisen, dass er oder sie durch Eigeninitiative in der Zukunft in der Lage ist, aus dieser Gruppenprognose auszubrechen.“ (REIFNER 2006: 28). CAPLOVITZ (1963) fasst dieses Diskriminierungsphänomen der Kreditwirt-schaft plakativ mit dem Slogan „The Poor Pay More“.

Page 131: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 130

Die drei vorangegangenen Aspekte, anhand derer das von überschulde-ten Bürger/innen vielfach geäußerte Unrechtsempfinden erläutert wurde, markieren einen kreditwirtschaftlichen und rechtlichen Diskriminierungs-kontext, in den die kritische Analyse von EBLI (2003) hinsichtlich des pä-dagogisierten, entpolitisierten und verwaltungsgemäßen Arbeitsansatzes von Schuldnerberatung eingefügt werden kann. Im Rahmen dieser Dissertationsschrift wurde dieser Problemdiskurs im Sinne eines Exkurses aufgegriffen, um die konzeptionelle Bedeutsamkeit der Anschlussfähigkeit bzw. Durchlässigkeit von Kundenselbsthilfegrup-pen zur allgemeinen Betroffenenselbsthilfe nochmals dezidiert hervorzu-heben. Kundenselbsthilfegruppen als konzeptioneller Bestandteil von Blended Help verstehen sich als ein Medium, das in einem hybriden Arrangement bewältigungsoptimale Prozesse der Inanspruchnahme von Sozialer Arbeit, bürgerschaftlichem Engagement und Betroffenenselbsthilfe erschließt. Die Anschlussfähigkeit bzw. Durchlässigkeit von Kundenselbsthilfegrup-pen zur Betroffenenselbsthilfe lässt sich auf dreifache Art und Weise hers-tellen: Erstens, indem sich Kundenselbsthilfegruppen aus dem Dienstleistungs-kontext gemeinnütziger Trägerorganisationen heraus entwickeln und als Betroffenenselbsthilfegruppen fortbestehen. Zweitens, indem einzelne Kund/inn/en (via Kundenselbsthilfegruppe) in Gruppierungen der Betroffenenselbsthilfe wechseln. Drittens, indem Kund/inn/en einer Kundenselbsthilfegruppe zusammen ei-ne Betroffenenselbsthilfegruppe gründen.

Page 132: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 131

6.2 Vom Empowerment von Betroffenenselbsthilfeengagement zum Coaching von Betroffenenselbsthilfeengagement

6.2.1 Empowerment von Betroffenenselbsthilfeengagement

Betroffenenselbsthilfe und Selbsthilfeunterstützung orientieren sich am Handlungsansatz des Empowerments (vgl. STARK/BOBZIEN 1988; HERRI-

GER 2002: 137ff), welches sich nicht nur in den Bereichen der Betroffe-nenselbsthilfe(unterstützung) hoher Wertschätzung erfreut, sondern nach SOHNS (2009: 76) wie kaum ein anderer Handlungsansatz die zurücklie-genden zwanzig Jahre Sozialer Arbeit prägte. HERRIGER (2002: 7) pointiert diese Erfolgsstory als Rating-News „Empo-werment ist der Kursgewinner der sozialwissenschaftlichen Ideenbörse“. Diese Erfolgsgeschichte des Empowerments, welches insbesondere aus der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und der radikalpolitischen Ge-meinwesenarbeit entsprungen ist (vgl. PANKOFER 2000; GALUSKE 2005: 269ff), lässt DENZ (2007: 1) sinnieren: „wenn so viele Menschen, Politi-ker/innen, Praktiker/innen, Wissenschaftler/innen von ganz unterschiedli-chen ideologischen Positionen aus einen Begriff im Munde führen können, liegt der Verdacht nahe, das er so breit ist und so vage, dass sich alle sei-ner bedienen könne, um ganz unterschiedliche Dinge auszudrücken.“ KNUF (2006: 8) und THEUNISSEN (2005: 5) problematisieren in diesem Zu-sammenhang ebenfalls den inflationären Gebrauch des Empowerment-begriffs und kritisieren insbesondere sein Worthülsen-Image bzw. seine Verwendung als psychologische Light-Version, die ihres sozialen bzw. po-litischen Gehalts beraubt worden ist (vgl. HEES 2001). THEUNISSEN (2005: 2) präzisiert den Grundgehalt von Empowerment anhand von vier Zugän-gen, die nachfolgend vorgestellt werden (vgl. auch HERRIGER 2002: 12ff):

Page 133: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 132

Empowerment … … verweist Menschen auf ihre Selbstverfügungs- und Selbstaktualisie-rungspotenziale sowie auf ihre Ressourcen bzw. Stärken, um Belastun-gen, Schwierigkeiten und Krisen im Zuge einer relativ autonomen Lebens-führung aus eigener Kraft meistern zu können. … verbindet Bewältigungsprozesse mit politischen Einflussnahmeprozes-sen, indem sich Betroffene zusammenschließen und sich im Zuge politi-scher Betätigung aus ihren Ohnmachtssituationen emanzipieren. Dies vollzieht sich, wenn beispielsweise von Sucht betroffene Menschen eine Selbsthilfegruppe gründen und sich für den Ausbau entsprechender The-rapieplätze politisch engagieren. … versteht sich als selbstbestimmter und reflexiver Lern- und Handlungs-prozess im Zuge dessen Betroffene die Bewältigung ihrer Probleme bzw. Krisen (wieder) in die eigenen Hände nehmen, indem sie Ressourcen bzw. Stärken wahrnehmen und sich erschließen sowie eigenständig Kom-petenzen erwerben. … ermutigt Betroffene, ihr Leben (wieder) selbstbestimmt und selbstver-antwortlich in sozialen Bezügen und Gestaltungspotenziale nutzend zu führen. Den Gesamtprozess von Empowerment beschreibt HERRIGER (2006: 86 und 131ff) als eine „Reise in die Stärke“. Wenn man dieses Bild aufgreift und auf die Betroffenenselbsthilfe spezifiziert lässt sich Empowerment als eine Gruppenreise ohne professionelle Reiseleitung abbilden. Die Reise-route soll aus Abhängigkeit und Bevormundung über ein unbekanntes und unwegsames Terrain mit den Zwischenetappen individuellen, gruppenbe-zogenen und gesellschaftlichen Empowerments zum Reiseziel von Selbstbefähigung und Selbstermächtigung führen.

Page 134: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 133

Selbstbefähigung und Selbstermächtigung werden als Orte der Stärke auf keiner exakten Reiseroute erkundet, da Empowerment-Reisen „eigenwilli-ge Zick-Zack-Kurse, in denen sich Aktion und Reflexion, Konflikt und Eini-gung beständig mischen“, nehmen (HERRIGER 2002: 130). Erfolgreiches Empowerment generiert auf der „Reise in die Stärke“ seine Wirkung aus dem Zusammenspiel der individuellen, kollektiven und struk-turellen Ebene – also von Personen, Gruppen und übergreifenden sozia-len Systemen (STARK 1996: 107). In diesem Wirkungsfokus verengt sich Empowerment auf einen (kleinen) Ausschnitt von Betroffenenselbsthilfe und erfasst das Selbsthilfegruppen-spektrum in seiner Vielfalt nur unzureichend, denn Selbsthilfegruppen konstituieren sich auch aus Anlässen jenseits der Ideologie und Prog-rammatik des Empowerments. Die Heterogenität der Anlässe und Kontexte von Betroffenenselbsthilfe zeigt sich in der Unterschiedlichkeit der Problem- und Krisenkontexte, in den zugrunde gelegten Bewältigungsstrategien sowie den individuellen Mixturen von (professioneller) Fremd- sowie individueller und kollektiver Selbsthilfe. Anhand der folgenden Praxissequenzen lässt sich diese Hete-rogenität beispielhaft illustrieren: Vera Uhlmann (Name geändert): „Seit dem Unfalltod meines Mannes vor fünf Jahren bin ich als Leiterin einer Selbsthilfegruppe stark engagiert, um gegen vermeidliche Strukturfehler in der Unfallversorgung vorzugehen und anderen in vergleichbaren Notsituationen beizustehen. Seit einem halben Jahr suche ich eine professionelle Trauerberatung auf und muss nun er-kennen, dass ich in meinem umfangreichen Selbsthilfeengagement von meiner Angst zu Trauern getrieben wurde. Ich wollte und konnte mich mit dem Tod meines Mannes nicht auseinandersetzen. Mein intensives Enga-gement als Selbsthilfegruppenleiterin – es gab Zeiten, in denen war ich wöchentlich 30 bis 40 Stunden für meine Selbsthilfegruppe tätig – waren der Versuch, mich meiner Trauer nicht stellen zu müssen. “

Page 135: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 134

Thomas Berghammer (Name geändert): „Bevor ich mich für dieses Thera-pieangebot entschieden habe, war ich ein halbes Jahr in einer Burn-out-Selbsthilfegruppe. Ich habe dort viele liebe Menschen getroffen. Und es hat ausgesprochen gut getan, feststellen zu können, dass ich nicht der einzige bin, der auf seinem Karriereweg unter die Räder gekommen ist. Aber diese dauernden Mitgliederwechsel und der große Aufwand für die Gruppe haben mich letztlich mehr Kraft und Energie gekostet als Entlas-tung gebracht.“ Petra Langer (Name geändert): „Seit ich feststellen musste, wie unzurei-chend die örtlichen Therapieangebote für meinen behinderten Sohn sind, engagiere ich mich in der Selbsthilfegruppe „Eltern behinderter Kinder“. Als größten Erfolg unserer Selbsthilfegruppe können wir den Ausbau des städtischen Therapiezentrums verbuchen. Als Gruppenleiterin wurde ich von der Selbsthilfekontaktstelle sehr unterstützt und qualifiziert, dennoch dauerte es sechs Jahre bis zu diesem Erfolg. Mein Mann verdient als Ge-schäftsführer einer Maschinenfabrik sehr gut, so dass ich mich ohne fi-nanzielle Sorgen ganz meinem unbezahlten „Beruf“ als Selbsthilfegrup-penleiterin widmen konnte.“ Angelika Frings (Name geändert): „Das Zusammenspiel von professionel-ler Hilfe, um an meinen Defiziten zu arbeiten, familiärer Alltagsunterstüt-zung und tröstend-geselligem Beisammensein mit Gleichbetroffenen in der Selbsthilfegruppe lässt mich meine Probleme bewältigen.“ Uta Miller (Name geändert): „Die Selbsthilfegruppe ist der einzige Ort, wo ich unbeschwert bin. Inmitten von psychisch kranken Müttern, die wegen ihrer psychischen Erkrankungen ebenfalls in dauernder Sorge um ihre Kinder sind, fühle ich mich angenommen und verstanden. Die Hilfen des Jugendamtes sind wichtig, weil sie den Erziehungsalltag stabilisieren. Mein Exmann und meine Nachbarn Lisa und Kurt entlasten mich am Wo-chenende von der Erziehung meines Sohnes Max. Meine Eltern sind mir vor allem in Krisenzeiten eine wichtige Stütze und lassen Max auch meh-

Page 136: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 135

rere Wochen bei sich wohnen. Und meine Psychiaterin ist ebenfalls wich-tig, weil sie mich seit Jahren medikamentös gut einstellt. Aber ohne meine Selbsthilfegruppe wäre ich nicht in der Verfassung, die Sorge um meinen Sohn Max dauerhaft auszuhalten.“ Ottmar Huber (Name geändert): „Seit über sieben Jahr gehe ich wöchent-lich in eine Selbsthilfegruppe der „Anonymen Alkoholiker“. Seit knapp sechs Jahren bin ich nun „trocken“. Wenn der psychische Druck zwi-schenzeitlich zu groß wird, suche ich hin und wieder auch meine Thera-peutin auf. In meinem Umfeld weiß niemand, dass ich „trockener“ Alkoho-liker bin. Wahrscheinlich würde es ziemlichen Ärger geben, wenn ich mich outen würde. Hilke Dreher (Name geändert): „Ich komme trotz meiner Schwerbehinde-rung ganz gut mit meinem Leben klar. Meine Assistenzleistungen werden seit Jahren gut erbracht. Aber dennoch gestaltet sich vieles in meinem Leben aufgrund meiner Behinderung schwerer. Ich finde ein reiches Land wie Deutschland müsste mehr für Menschen mit einer Behinderung tun. Auch fühle ich mich als Frau mit einer Schwerbehinderung gesellschaftlich in vielem diskriminiert. Anfangs waren wir in der Selbsthilfegruppe zu zwölft und haben für eine bessere Unterstützung und gegen die Diskrimi-nierung von Frauen mit Behinderung gekämpft. Seit drei Jahren sind wir noch zu fünft und genießen einfach unser freundschaftliches Beisammen-sein. Ob dies noch etwas mit Selbsthilfe zu tun hat, weiß ich nicht. Solan-ge wir die Finanzierung über die Selbsthilfegruppenförderung weiter erhal-ten, werden wir als Selbsthilfegruppe weiter bestehen bleiben.“ Bernhard Kellermann (Name geändert): „Vor fünf Jahren ist bei mir Aids ausgebrochen. Ich bin von meinem Arzt medikamentös gut eingestellt, lei-de kaum unter Nebenwirkungen und meine Lebensqualität ist nach wie vor gut. Ich habe mein gesamtes Leben auf beruflichen Erfolg ausgerichtet und als Marketing Direktor eines Modeunternehmens bieten sich sowohl beruflich als auch privat keine Gesprächsanlässe, in denen meine Erkran-

Page 137: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 136

kung ein Thema sein könnte. Meine Aidserkrankung birgt kein Diskriminie-rungsrisiko, aber meine beruflichen und privaten Kontakte sind nicht so, dass man über etwas derart Persönliches spricht. Die Selbsthilfegruppe gibt mir seit über vier Jahren einmal die Woche den Raum, den ich brau-che, um mich über meine Erkrankung auszutauschen.“ Eva Wallner (Name geändert): „Ich habe mich so geschämt. Die Vorstel-lung, über den jahrelangen Missbrauch durch meinen Stiefvater reden zu müssen, war lange Zeit der Horror für mich. Der Umstand, dass wir in der Selbsthilfegruppe alle von Missbrauch betroffen sind, hat es mir schließ-lich ermöglicht, über meine schreckliche Jugendzeit sprechen zu können. Die Selbsthilfegruppe gibt mir auch die Kraft und den Halt, seit über einem Jahr eine Therapie durchzustehen.“ Anhand der vorangegangenen Praxissequenzen lässt sich ein Kombinati-onsraum professioneller Fremdhilfen, familiärer bzw. nachbarschaftlicher Unterstützung sowie individueller und kollektiver Selbsthilfe markieren. Dieser Kombinationsraum gestaltet sich im Vergleich zum Fokusbereich des Empowerment-Handlungskonzepts um ein vielfaches komplexer und weitläufiger. Durch die „radikale Absage an Metaphern der Schwäche, des Defizits und des Nicht-Gelingens“ (HERRIGER 2002: 70) verhindert Empowerment, die in den Praxissequenzen exemplifiziert Bewältigungsprozesse ganzheitlich zu erfassen und individuelle Mixturen der Fremd- und Selbsthilfe erschlie-ßen zu können. Die Konsequenzen aus dieser Inkompatibilität sind vielfältig und weit rei-chend. QUINDEL und PANKOFER (2000) rezipieren diese exemplarisch aus der Betroffenenselbsthilfe bestimmten Diskrepanzen als Grundwidersprü-che empowermentspezifischer Zugänge auf die Soziale Arbeit. Auf den Bereich der Betroffenenselbsthilfe bezogen sollen diese Passungsdiskre-panzen anhand weiterer Praxissequenzen aus der sozialpädagogischen Arbeit mit Eltern psychisch kranker Kindern genauer konkretisiert werden.

Page 138: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 137

Im Rahmen dieser sozialpädagogischen Arbeit wurden Kontaktmöglichkei-ten zu einem Selbsthilfekreis von Eltern mit psychisch kranken Kindern of-feriert. Bei den drei Praxissequenzen handelt es sich um Eltern mit männ-lichen Kindern im Alter von 16 bis 22 Jahren mit schizophrenen Erkran-kungen und Alkohol- und Drogenproblematik. Zwischen Eltern und er-krankten Kindern eskalierte die gemeinsame Wohnsituation. Im Bera-tungsverlauf fiel es den drei Elternpaaren aus den Praxissequenzen schwer, einen gemeinsamen belastbaren Standpunkt hinsichtlich der fami-liären Krisensituation zu finden. Auf die Möglichkeit der Teilnahme an einer Elternselbsthilfegruppe wurde im Rahmen der Beratungsgespräche verwiesen. Die drei Elternpaare be-gegneten der eingebrachten Selbsthilfegruppenoption mit interessierten Nachfragen. Die Teilnahme am Elternselbsthilfekreis erfolgte in unter-schiedlichen, sich nicht überschneidenden Zeitepochen auf Basis einver-nehmlicher Entscheidungen der Elternpaare. Die nachfolgenden Praxissequenzen beinhalten die in der sozialpädagogi-schen Beratung geäußerten Resümees bezüglich der Selbsthilfegruppen-teilnahme von Frau Mirjam Heubauer (Name geändert) nach fünf Treffen, von Herrn Paul Niedermaier (Name geändert) nach sieben Treffen und von Herrn Viktor Leitermann (Name geändert) nach zwei Treffen. Mirjam Heubauer (Name geändert): „Sie als Sozialpädagoge hatten mit Ih-ren Verhaltensempfehlungen gegenüber unserem schizophrenen Sohn recht. Aber Sie haben kein psychisch krankes Kind, da war es leicht, Ihre Empfehlungen zurückzuweisen. Jetzt in der Selbsthilfegruppe funktioniert dieser Abwehrmechanismus nicht mehr; dort sind wir alle Eltern von psy-chisch kranken Kindern. Ausflüchte wie „Sie reden sich leicht, Sie haben ja kein psychisch krankes Kind zuhause“ helfen einem in der Selbsthilfe-gruppe nicht mehr. Dort musst du dich deinen Ängsten, Unzulänglichkei-ten und Widersprüchlichkeiten stellen.“

Page 139: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 138

Paul Niedermaier (Name geändert): „Meine Frau und ich können nichts Negatives über die anderen Eltern sagen. Sie waren sehr freundlich und die sieben Treffen, an denen wir teilgenommen haben, waren bestens vorbereitet. Es wäre auch falsch, zu sagen, dass wir gedrängt wurden. Aber unsere Gedanken, Ängste und Vorstellungen wurden immerzu relati-viert, da alle davon ausgingen, dass es uns mit der Zeit wie allen Eltern in der Gruppe ergehen wird. Es herrschte eine latente Gruppensicht und auf die richtete sich letztlich alles aus. Rückblickend muss ich sagen, dass es für uns von Vorteil ist, dass Sie kein psychisch krankes Kind haben. Dies gibt Raum unseren eigenen Weg im Umgang mit unserem psychisch kranken Sohn zu finden.“ Viktor Leitermann (Name geändert): Ihre Empfehlung mit der Selbsthilfe-gruppe war gut. Aber die meisten Eltern dort sind Lahmärsche, die sich fortwährend Anteilnahme und Mut zusprechen müssen. Ich brauche aber Eltern, die sich mit mir engagieren, damit die Gesetze verschärft werden. Ohne Drogen wäre mein Sohn noch gesund. Genetische Veranlagung, familiärer Stress oder was auch immer – ich will davon nichts hören. Ich fordere die Todesstrafe für Dealer, die Drogen an Minderjährige verkau-fen. Können Sie mir keine engagierte Selbsthilfegruppe für mein Geset-zesvorhaben empfehlen?“ Die drei Praxissequenzen verdeutlichen beispielhaft, dass die ausgewähl-ten Hilfesettings keine Voraussage zulassen, inwieweit die zugrunde lie-genden Bewältigungsstrategien als „empowered“ oder „disempowered“ einzuordnen sind. Herr Paul Niedermaier entscheidet sich gegen eine weitere Teilnahme an der Elternselbsthilfegruppe. Seine Begründung lässt im Vergleich zur Be-gründung von Frau Mirjam Heubauer, die sich für eine weitere Teilnahme an der Elternselbsthilfegruppe entschieden hat, keine weniger selbstbe-stimmte und problembewusste Bewältigungsstrategie erkennen.

Page 140: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 139

Die Erzählungen von Frau Mirjam Heubauer weisen weiter auf den Um-stand hin, dass Betroffenenselbsthilfe auch dominant defizitorientiert aus-gerichtet sein kann. Das von Herrn Paul Niedermaier geäußerte Fazit richtet den Blick auf ei-nen weiteren Blindflecken des Empowerments und zeigt, dass auch in Selbsthilfegruppen latente bzw. offene Machtpotenziale und Hierarchien bestehen (vgl. auch ROTH 2007: 12). Diese Macht- und Hierarchiestruktu-ren in Selbsthilfegruppen werden im Empowerment ausgeblendet bzw. un-ter Hinweis auf die gemeinsame Betroffenheit und egalitäre Arbeitsprinzi-pien negiert. HERRIGER (2002: 71) schreibt hierzu, dass „der Dialog zwischen Gleichen […] hierarchische Wissensstrukturen [ersetzt], so dass kein Individuum und keine Gruppe über ein Monopol an Wissen und – daran geknüpft – an Macht verfügt.“ Trotz der gemeinsamen Betroffenheit und egalitärer Arbeitsprinzipien ver-fügt nach BORGETTO (2004: 83) in Anlehnung an TROJAN ET AL. (1986) le-diglich etwa die Hälfte der Selbsthilfegruppen über eine gleichberechtigte Leitungsstruktur. Die andere Hälfte der Selbsthilfegruppen wird demnach von Einzelpersonen oder Mehrpersonenteams geleitet. FRANZEN (2003: 182) berichtet von Selbsthilfegruppenleitungen, die stän-dig klagen „dass sie andauernd für die Einhaltung der Termine zuständig [seien], pausenlos Tagesordnungen erstellen [würden], Kaffee kochen [würden], Wunden verbinden, Trost spenden und rund um die Uhr ein of-fenes Ohr für Sorgen und Nöte“ haben. Die persönlichen Disempowerment-Folgen solcher Leitungskarrieren in der Betroffenenselbsthilfe lassen sich beispielsweise bei SCHULTE (2005) und unter http://www.agus-selbsthilfe.de nachlesen und geben einen wei-teren Hinweis darauf, dass Bewältigungsprozesse nicht nur auf „Men-schenstärken“ aufgebaut werden können, sondern auch „Menschen-schwächen“ mit einbeziehen müssen.

Page 141: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 140

Weitere Zweifel an der Machtideologie des Empowerments lässt das Re-sümee von Herrn Viktor Leitermann aufkommen. Dieser versucht seinen individuellen und familiären Problem- und Bewältigungskontexten zu ent-fliehen und fokussiert sein Betroffenenselbsthilfeengagement auf eine Ver-schärfung strafrechtlicher Paragraphen. Dass sein Versuch mangels entsprechender Selbsthilfegruppierungen fehlschlägt, lässt sich nach SONNENFELD (1992: 148f) dem Umstand zu-schreiben, dass das Image von Selbsthilfegruppierungen als „Gegenwehr“ gegen das professionelle und politische System weniger der Realität der Betroffenenselbsthilfe als der Mythenbildung entspringt. Diese imagege-mäße Etablierung der Betroffenenselbsthilfe als „Gegenwehr“ war auf Sei-ten zentraler Propagandisten von „der politischen Hoffnung der Basisde-mokratie und vom Misstrauen gegen die Obrigkeit“ getragen (KEUPP 2000: 3). ROHRMANN (1999: 17) konstatiert, dass die aktuelle Selbsthilfebewegung kaum ein Reservoir für basisdemokratisches bzw. staatskritisches Han-deln ist. In einer worthistorischen Rückschau findet er im Wörterbuch der GEBRÜDER GRIMM (1990: 479) einen „politischen“ Selbsthilfebegriff. Selbsthilfe wird dort als „ … besonders eigenmächtige hilfe mit umgehung oder im widerspruch zu der obrigkeit.“ definiert (ROHRMANN 1999: 16; Kleinschreibung im Original). STEINER (1999: 135) benennt als aktuelle Aufgaben einer politischen Selbsthilfebewegung, „gesellschaftliche Missstände zu entlarven, struktu-relle Gewalt gegen Menschen an den Pranger zu stellen und im Kampf durch das Wort und durch Spott am politischen Ort des Konflikts benach-teiligende Wirklichkeit zu verändern.“ Für STEINER (1999: 138) ist die „poli-tische Selbsthilfegruppe […] eine Personengruppe, in der jedes Mitglied aktiv mitarbeitet, bereit ist, eigene bescheidene Mittel (Geld und Sachen) einzubringen, um sich nicht von gewährter Unterstützung korrumpieren zu lassen.“ SCHULLER (1982: 122f, zitiert nach BORGETTO 2004: 44) äußert bezüglich der politischen Macht(ausübung) von Selbsthilfegruppierungen grundle-gende Zweifel, indem er postuliert: Dass „das in der Laienbewegung sich

Page 142: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 141

artikulierende – und eklektisch von Fall zu Fall fluktuierende – politische Potential zu einer Humanisierung und Stärkung der gewachsenen Struktu-ren oder zu einer neuen Herrschaft der Straße führt, ist nicht entschieden.“ Der Skepisäußerung von SCHULLER lassen sich rund ein Vierteljahrhundert später weitere aktuelle Zweifel anfügen. Diese aktuellen Bedenken ergeben sich aus dem Umstand, dass der Be-troffenenselbsthilfe im Gesundheitswesen seit dem 01. Januar 2004 vom Gesetzgeber umfangreiche Mitsprache- und Antragsrechte zugebilligt werden (vgl. KOLB-SPECHT 2006). Problematisch dabei ist, dass die Eignung gesundheitsbezogener Betrof-fenenselbsthilfe als „Sprachrohr bzw. Vertretungsorgan der Betroffenen“ gegenüber dem Gesundheitswesen und der Gesundheitspolitik nur be-dingt gegeben ist. Das Prädikat „Bedingt geeignet“ lässt sich mit dem Faktum begründen, dass lediglich ein marginaler Anteil aller Betroffenen in Deutschland in (gesundheitsbezogenen) Selbsthilfegruppen organisiert ist. Das ROBERT KOCH-INSTITUT (2004: 12) vermeldet unter Berufung auf WOHLFAHRT und BREITKOPF (1995) beispielsweise, dass 3 bis 4 Prozent der von Krebserkrankungen betroffenen Frauen in gesundheitsbezogenen Selbsthilfegruppierungen engagiert sind. Im Umkehrschluss bedeutet die-ses, dass über 95 Prozent der krebserkrankten Frauen nicht von Selbsthil-fegruppierungen vertreten werden. BRÖMME und STRASSER (2000) titulieren Selbsthilfegruppierung vor diesem quantitativen Hintergrund als exklusive Solidaritäten, deren verbriefte Be-teiligungsrechte die Ausgrenzung von nicht in Selbsthilfegruppierungen organisierten Krankheits- bzw. Problembetroffenen befördert. ROTH (2007:12) resümiert, dass es bis dato gelungen ist, Selbsthilfe und andere Formen des Bürgerschaftlichen Engagements „auf niedrigem Ni-veau zu stabilisieren, ohne jedoch politische Durchbrüche zu erzielen - zumindest gemessen an dem Leitbild Bürgerkommune oder dem Leitbild

Page 143: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 142

eines ermöglichenden Staats, der zivilgesellschaftliche Akteure in ihrem Eigensinn stärkt.“ Zivilgesellschaftlicher Eigensinn – so ROTH (2007: 13) weiter – „lebt von den Gestaltungsmöglichkeiten im Nahbereich.“ Die Förderung kommuna-ler Gestaltungsmöglichkeiten ist nach ROTH (2004: 13) mitunter auch zwie-spältig einzuschätzen, da sie „als Privilegierung der ohnehin Privilegierten“ soziale Benachteiligung manifestiert. NICKEL ET AL. (2006) bestätigen im Rahmen des Forschungsvorhabens „Aktivierung von Selbsthilfepotenzialen“ ein Mittelschichtenbias in der Be-troffenenselbsthilfe. Eine quantitative Befragung der deutschen Selbsthil-fekontaktstellen und -unterstützungseinrichtungen kommt zu dem Ergeb-nis, „dass es der Selbsthilfe-Unterstützung ,nicht gut genug’ (60%) oder ,überhaupt nicht’ (3%) gelingt, sozial benachteiligte Menschen bestimmter Krankheits- oder Problembereiche für Selbsthilfegruppen zu motivieren bzw. ihnen Zugang zu verschaffen.“ (NICKEL ET AL. 2006: 6). Aufgrund der im Vorangegangenen erörterten Diskrepanzen ist Empo-werment aufgrund seiner normativen Scheuklappen nicht als Methode für das innovative Hilfesetting Blended Help geeignet. Blended Help versteht sich als ein bewältigungsoptimales Arrangement von sozialpädagogischen bzw. -arbeiterischen Hilfen mit individuellen und kollektiven Formen der Selbsthilfe. Die Konzeptformel des Empowerments, dass einer an Defiziten ansetzen-den Sozialen Arbeit a priori die Tendenz zur Enteignung von Bewälti-gungskompetenzen innewohnt, greift für das innovative Hilfesetting Blen-ded Help zu kurz, da über den Abbau von Defiziten oftmals erst das Fun-dament für Entwicklungsprozesse bewältigungsrelevanter Selbstorganisa-tionskompetenzen gebildet werden muss. Empowerment ist in seinem normativen Betroffenenselbsthilfebezug auf ein Verständnis von Selbstorganisation als kollektive Veränderungs- bzw. Befähigungskompetenz fokussiert und erfasst die Dimension der „Selbst-

Page 144: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 143

organisation“ weder in der Vielfalt von Betroffenenselbsthilfe noch in ande-ren Formen von Selbsthilfe. BORGETTO (2004: 29ff) differenziert Betroffenenselbsthilfe in sechs Kon-zeptvarianten: Selbsthilfe als Alltagshandeln, als Bürgerschaftliches En-gagement, als Ergänzung der medizinischen Versorgung, als Gegen-macht, als integrativen Bestandteil des Gesundheitssystems und als Psy-chotherapie. Das innovative Hilfesetting Blended Help basiert auf einem weitaus um-fassenderen Verständnis von Selbstorganisation. Selbstorganisation ver-steht sich in diesem innovativen Hilfesetting als eine Kompetenz, die sich aus dem Zusammenspiel verschiedener Kompetenzen (der Fremd- und Selbsthilfe) generiert. In einem solchen gesamtkonzeptionellen Rahmenmodell sind folgende, sich auch aus den vorab präsentierten Praxissequenzen abzuleitende Im-plikationen gegeben: 1. Soziale Arbeit als professionelle Fremd- und gemeinschaftliche bzw. in-dividuelle Selbsthilfe stehen grundsätzlich in keinem diametralen Verhält-nis zueinander, sondern unterstützen bewältigungsrelevante Selbstorgani-sationsprozesse in gegenseitiger Ergänzung und Synergie. Anstatt Ansätze zu präferieren, die nur auf Stärken bzw. Ressourcen fo-kussieren oder nur an Schwächen bzw. Defiziten orientiert sind, gilt es, an den jeweiligen Bewältigungsanforderungen ausgerichtete Hilfestrategien, die nicht in der Polarisierung zwischen Defiziten und Ressourcen verfan-gen sind, zu generieren. Das innovative Hilfesetting Blended Help folgt damit der Erkenntnis, dass mehrdimensionale Probleme eine mehrdimensionale Sicht von Arbeits-weisen und Handlungsregeln erfordern. Bewältigungsbezogene Arbeits-weisen folgen dem Postulat: „Nicht die Methoden oder Verfahren sollten die Inhalte, Fragestellungen und Probleme, sondern die Inhalte bzw. Prob-leme die Wahl der Methoden bestimmen.“ (STAUB-BERNASCONI 1998: 54).

Page 145: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 144

Ein grundlegendes Dilemma empowermentorientierter Sozialer Arbeit lässt sich mit der Volksweisheit „Der Arme hat keinen Löffel, wenn es Brei vom Himmel regnet“ (BÜNDER 2003: 4) metaphorisch darlegen. Dieses Dilemma kann in einer individuellen Mixtur aus ressourcen- und defizitorientierten Hilfen seine nicht empowermentgemäße Auflösung fin-den. Solche undogmatischen Kombinationen ressourcen- und defizitorien-tierter Hilfen sind nach BÜNDER (2003: 7) in Anlehnung an RUSSINGER und WAGNER (1999: 150) angezeigt, denn „die Fokussierung auf Ressourcen und Stärken darf nicht zur Koalition mit der Verleugnungstendenz bezüg-lich des Problemverhaltens führen.“ Eine solche Verleugnungstendenz würde nicht nur die Angemessenheit und Nachhaltigkeit von individuellen Bewältigungsbemühungen gefährden, sondern auch die Gefahr bergen, dass Empowerment-Prozesse in Selbst-hilfegruppierungen in kritische bzw. radikale Richtungen verlaufen. Als ein Beispiel hierfür lassen sich so genannten Pro-Ana-Selbsthilfegruppen an-führen. Unter dem Motto „Anorexie is a lifestyle not a desease“ bestärken sich Betroffene in ihrem Pro-Anorexie-Verhalten (vgl. JUGENDSCHUTZ.NET 2008). 2. Im Grundsatz „Hilfe zur Selbsthilfe“ orientiert sich das innovative Hilfe-setting Blended Help an der Förderung und Unterstützung von Selbst-bestimmung und Autonomie. Anders als im Empowerment werden diese Zielkategorien nicht verabsolutiert, sondern in der Dialektik menschlichen Lebens wie beispielsweise zwischen Schwäche und Stärke, Freude und Leid oder Abhängigkeit und Unabhängigkeit anvisiert. Der Mensch ist im innovativen Hilfekonzept Blended Help als homo mun-danus ein Handelnder, „der seine autonomen Fähigkeiten zum Selbst-Denken und Selbst-Handeln mit Kopf, Herz und Hand in überlegten und begründbaren Akten von Widerstand und Anpassung innerhalb der gesell-schaftlichen Praxis ausbildet und sich so als eigenständig identifizierbarer und doch gleichermaßen offener Handelspartner, im Bezugsgewebe des Miteinander’ (Arendt) präsentiert“ (SCHMIDT 1999: 53).

Page 146: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 145

In dem in der Definition des homo mundanus enthaltenen Begriffspaar von Widerstand und Anpassung ist eine weitere dialektische Grundorientie-rung menschlichen Lebens angelegt, die nach RIGER (1993) im Empo-werment negiert wird. RIGER führt dieses auf amerikanische Machbarkeits-ideologien à la „You are not responsible for being down, but you are res-ponsible for getting up.” zurück und sieht darin eine einseitig männliche Bewältigungsutopie. Dies hat zur Folge, dass Formen des Angewiesen-, Bezogen- und Zugewandtseins im Empowerment unterbewertet bzw. ab-gewertet werden (vgl. auch MEADE 2002; THIELE 2002; QUINDEL & PANKO-

FER 2000). 6.2.2. Coaching von Betroffenenselbsthilfeengagement

Coaching erlangte als spezifische personenzentrierte Beratungs-, Beglei-tungs- und Betreuungs-Methode vor allem für Führungskräfte einen hohen Bekanntheits- und Anerkennungsgrad (vgl. RAUEN 2005; RAUEN 2003). WISSEMANN (2006: 11) betont, dass Coaching inzwischen über diesen Be-reich „hinaus in aller Munde ist.“ (vgl. auch BIRGMEIER 2006b). KRCZIZEK und KÜHL (2008: 64) vermelden, dass „Coaching […] mittlerweile in der Sozialen Arbeit angekommen [ist].“ Die beiden Autoren/innen stützen ihre Aussage auf die von ihnen durchge-führte empirische Bedarfsanalyse bei Führungskräften im Bereich der So-zialen Arbeit Thüringens. KRCZIZEK und KÜHL (2008: 64) kommen zu dem Ergebnis, dass 26 Prozent der Führungskräfte in der Sozialen Arbeit be-reits ein Coaching in Anspruch genommen haben und bei weiteren 55 Prozent die Bereitschaft für die Inanspruchnahme von Coaching besteht. Anhand dieser Analyseergebnisse diskutieren die beiden Autoren/innen das Innovationspotenzial von Coaching für die Soziale Arbeit.

Page 147: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 146

In Rekurs auf BUER (2005) differenzieren sie Supervision als tendenziell professionslogischen und Coaching als tendenziell organisationslogischen Ansatz (vgl. auch BUCHINGER & KLINGHAMMER 2007). In ihrem Diskurs münden sie schließlich in Anlehnung an SCHREYÖGG (2009) in folgende Arbeitsdefinition: „Wenn Menschen im Hinblick auf in-haltliche Aufgaben der Sozialen Arbeit bzw. basale Aktivitäten in sozialen Einrichtungen beraten werden, also für ihre genuinen Tätigkeiten gegenü-ber Klienten, Patienten usw. sowie in Hinblick auf die Kooperation auf Teamebene, sprechen wir von Supervision. Wenn sie dagegen für Mana-gement- und Steuerungsfunktionen Beratung erhalten, handelt es sich um Coaching (KRCZIZEK & KÜHL 2008: 36).“ In der Engführung dieser Arbeitsdefinition, die sich an ein (nicht mehr zeit-gemäßes) in Sach- und Managementaufgaben differenzierendes Arbeits-modell anlehnt, entwickeln KRCZIZEK und KÜHL eine Innovationsperspekti-ve eines Coachings für Führungskräfte in der Sozialen Arbeit. Coaching soll in dieser Zukunftsperspektive einen innovativen Beitrag für eine erfolg-reiche Bewältigung der mit der Marktökonomisierung bzw. Verwettbewerb-lichung Sozialer Arbeit einhergehenden sich wandelnden Managementhe-rausforderungen leisten. In dieser von KRCZIZEK und KÜHL (2008) entworfenen Zukunftsvision be-wegt sich Coaching im Vergleich zum von BIRGMEIER (2006a) entworfenen Zukunftsszenario eines (sozialpädagogischen) Coachings der Sozialen Arbeit auf einem schmalen Innovationskorridor in die Soziale Arbeit. BIRGMEIER (2006a) erschließt einen breiteren Innovationskorridor, indem er den ursprünglichen Zuständigkeitsfokus von Führungsaufgaben auf Le-bensführungsaufgaben ausweitet. Sozialpädagogisches Coaching bezieht sich in dieser Grundlegung nicht nur auf berufliche, sondern auch private Problembereiche.

Page 148: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 147

Mittels dieser Fokusweitung von der Führung auf die Lebensführung lässt sich der Innovationskorridor in die Soziale Arbeit auf zweifache Art und Weise vergrößern. Zum einen, indem auf der Professionsebene die von KRCZIZEK und KÜHL

(2008) anvisierte Zielgruppe der Führungskräfte der Sozialen Arbeit um die Mitarbeiter/innen der Sozialen Arbeit erweitert werden kann. Und zum anderen, indem auf der Leistungsebene vor allem die Klien-ten/innen bzw. Kunden/innen der Sozialen Arbeit als Zielgruppe eines so-zialpädagogischen Coachings erschlossen werden (vgl. auch MÜLLER-COMMICHAU 2002). BIRGMEIER (2006c: 204) belegt, dass Coaching als Methode „eindeutig in das Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit und sämtlicher ihrer Regionalarbeits- und Tätigkeitsfelder einzubetten“ ist (vgl. auch BIRGMEIER 2006a). Auf dieser letztgenannten Leistungsebene ist Coaching als Methode des innovativen Hilfesettings Blended Help verortet. Mittels Coaching soll ein Methodenansatz implementiert werden, der die im Schlussteil des voran-gegangenen Unterkapitels 6.1.1. formulierten Implikationen erfüllt. Als Methode des innovativen Hilfesettings Blended Help initiiert, berät, be-gleitet und unterstützt sozialpädagogisches Coaching eine prozessaktive Gestaltung individueller Krisen, Optionen und Veränderungen in der Le-bensführung, die durchaus in spannungsreichen Interaktions- bzw. ziel-konfliktbehafteten Bezugsverhältnissen stehen können. Sozialpädagogisches Coaching stellt in Anlehnung an BIRGMEIER (2006c: 206) einen Methodenansatz dar, der präferiert ist, im Schnittstellenbereich unterschiedlicher Formen von Fremd- und Selbsthilfe ein holistisches Hil-fepaket zur Selbsthilfe zu bereiten. Hilfe zur Selbsthilfe ist im innovativen Hilfesetting Blended Help aus einer doppelten Sichtweise als Metaphylaxe und/oder als Prophylaxe zu verste-hen. Das heißt, als Hilfe für die Überwindung und Lösung von Proble-

Page 149: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 148

men/Defiziten und/oder als Hilfe zur Entwicklung und zum Aufbau von Weiterentwicklungsvorhaben (vgl. auch LUDWIG 1992: 123). Coaching greift in seiner sozialpädagogischen Fassung beide Sichtweisen der Metaphylaxe und der Prophylaxe auf und bewegt sich damit in seinem Methodenradius nicht innerhalb der engen normativen Leitplanken der Ideologie des Empowerments, sondern bezieht sich auf den gesamten Prozess von Selbstorganisation als eine umfassende(re) Kompetenz der Lebensführung. Sozialpädagogisches Coaching nimmt seinen Ausgangspunkt am spezifi-schen Hilfeanlass. Im weiteren Verlauf findet es seine Orientierung an den Zielen, Wünschen und Lebensverwirklichungshorizonten der Kun-den/innen und fokussiert – falls erforderlich – auf den Abbau bewälti-gungskonträrer bzw. problemimmanenter Defizite. Anders als im Empowerment werden im sozialpädagogischen Coaching die soziale Angewiesenheit und Eingebundenheit menschlichen Lebens explizit geachtet. Diesbezügliche Aufgabe von Coaching ist es nach BIRG-

MEIER (2006a: 84) in Anlehnung an SCHREYÖGG (1999: 136), „Klienten zu unterstützen, dass sie ihre soziale Angewiesenheit nicht verleugnen, son-dern diese durch konstruktive Gestaltung ihrer Umwelt zu einer lebenswer-ten ausformen“. Die Zielsetzung sozialpädagogischen Coachings besteht demzufolge im-mer in der Förderung und Entwicklung einer gelingenden Selbstorganisa-tion in allen bio-psycho-sozialen Systemebenen des Lebens und bedingt „daher zunächst stets eine Überwindung von Handlungsunfähigkeiten, Handlungskrisen und -störungen seitens des Klienten“ (BIRGMEIER 2006a: 83). Sozialpädagogisches Coaching – als Methode des innovativen Hilfeset-tings Blended Help – verfügt keine Abkehr vom Empowerment-Ansatz. In-tention ist es vielmehr, den Empowerment-Ansatz in die Coaching-prozesse einer gelingenden Selbstorganisation zu integrieren. Integrati-

Page 150: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 149

onsnotwendig wird Empowerment hierzu aus seinen normativen Schichten geschält. In dieser Integration des Empowerment-Ansatzes orientiert sich sozialpä-dagogisches Coaching als Methode des innovativen Hilfesettings Blended Help am Plädoyer von RAPPAPORT (1985) für die Widersprüchlichkeit men-schlichen Lebens. RAPPAPORT, der als (ein) Begründer des Empowerments gilt (vgl. PANKO-

FER 2000: 10), vertritt die Auffassung, dass sich soziale Probleme als pa-radoxe Probleme darstellen, das heißt, dass es mehrere, auch gegensätz-liche Bewältigungswege für ein Problem geben kann. In dieser Widersprüchlichkeit lässt sich mittels sozialpädagogischen Coa-chings ein methodisches Setting abbilden, in dem dialektische Strategien individueller Lebensführung entstehen können. MEADE (2002: Anhang 15) illustriert diese Widersprüchlichkeit menschli-cher Problem- und Bewältigungsprozesse anhand einer Interviewsequenz mit Susanne Heim (Name geändert), einer psychiatrieerfahrenen Teil-nehmerin seiner Empowerment-Studie. Susanne Heim widerspricht den negativen Ansichten über Heime und weist drauf hin, „dass Psychiatrie-Erfahrene sich gleichsam in Heimen wohl fühlen können, sogar darauf be-stehen können, in einem Wohnheim untergebracht zu werden.“ In diesem Widersprüchlichkeitskontext nimmt Empowerment keine norma-tive Alleinstellung ein, sondern befindet sich in einem dialektischen Span-nungsfeld mit anderen Leitbildern gelingender Lebensführung. BIRGMEIER (2006a: 51) weist in Anlehnung an VON SASSEN und VOGELAUER

(2000: 9) einen Weg zu einem sozialpädagogischen Coaching als Hilfe zum verantwortlichen Handeln. In der Kategorie eines verantwortlichen Handelns lässt sich für das sozial-pädagogische Coaching als Methode des innovativen Hilfesettings Blen-ded Help eine übergeordnete Zielsetzung bestimmen, in der die Dialektik beispielsweise zwischen Fremd- und Selbsthilfe oder Selbstbestimmung und Fremdbestimmung in individuelle Selbstorganisationsprozesse trans-formiert wird.

Page 151: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 150

6.3 Kundenselbsthilfegruppen eine begleitete Neukonfiguration von Betroffenenselbsthilfeengagement KOALDE – Selbsthilfegruppe Kosovo-Albaner in Deutschland, Selbsthilfe-gruppe „Straffällige Jugendliche ohne Ausbildung“, Selbsthilfegruppe „Fa-milien in der Privatinsolvenz“, Selbsthilfegruppe ehemaliger Insassinnen der Frauenvollzugsanstalt Nord, Selbsthilfegruppe „Arbeitslose Akademi-ker“, Anonyme Selbsthilfegruppe „Schlagende Ehemänner“, Selbsthilfe-gruppe „Leben mit Hartz IV“, Selbsthilfegruppe „Erfolgreiche Singlefrau-en“, Selbsthilfegruppe „Jugendliche Koma-Säufer“, Selbsthilfegruppe „Le-ben in Obdachlosigkeit, Selbsthilfegruppe der ehemaligen Bewohnerinnen der Notunterkunft Ost, Selbsthilfegruppe „Einsam in der Stadt“, Selbsthil-fegruppe für Eltern fremduntergebrachter Kinder, Selbsthilfegruppe „Straf-täter auf Bewährung“, Selbsthilfegruppe für Lehrer/innen mit Burn-out, Selbsthilfegruppe „Trennungsschmerz“, Selbsthilfegruppe für binationale Ehepaare, Selbsthilfegruppe „Eltern von Amoktätern“, Selbsthilfegruppe für Frauen von inhaftierten Männern, KIDS – Selbsthilfegruppe für Kinder in desolaten Situationen, Selbsthilfegruppe „Leben nach dem Burn-out“, Selbsthilfegruppe „Doppelte Staatsbürgerschaft“, Selbsthilfegruppe „Er-wachsene Analphabeten“, Selbsthilfegruppe „Kinder schwerkranker El-tern“, MIMÜ – Selbsthilfegruppe für minderjährige Mütter (…). Die vorangegangene fiktive Auflistung potenzieller Anlässe und Bedarfe sozialer Betroffenenselbsthilfe ließe sich noch seitenweise fortführen und würde die aktuellen Datenbankauszüge sozialer Betroffenenselbsthilfeg-ruppierungen weit übertreffen. Warum dies nun so ist und für den Bereich der sozialen Betroffenen-selbsthilfe eine derartige Diskrepanz zwischen potenziellen Anlässen und Bedarfe einerseits und tatsächlichem Engagement andererseits festzustel-len ist, darüber geben mehrere Aspekte und Erklärungsansätze Auskunft. Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass auf der Statistikebene bundeswei-ter Selbsthilfeunterstützung bzw. -förderung und Selbsthilfeforschung ein

Page 152: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 151

Zerrbild gesundheitsbezogener und sozialer Betroffenenselbsthilfe entwor-fen wird, da soziale Thematiken und Schwierigkeitskontexte in der deut-schen Betroffenenselbsthilfelandschaft weitaus häufiger vertreten sind als auf der Statistikebene wiedergegeben. Soziale Problem- und Bewältigungskontexte stellen in der Betroffenen-selbsthilfe eine Thematik dar, die nicht nur explizit in sozialen Selbsthilfe-gruppierungen behandelt wird, sondern vor allem auch in gesundheits-bezogenen und anderen Selbsthilfegruppierungen impliziert ist. In gesundheitsbezogenen Selbsthilfegruppierungen wie beispielsweise der Selbsthilfe von Schlaganfallpatienten/innen oder der Frauenselbsthilfe nach Krebs werden soziale Thematiken oftmals als Bewältigungskontext von Krankheitsfolgen (mit)behandelt. Vielfach ist eine Erkrankung zwar Anlass für den Beitritt in eine gesundheitsbezogene Selbsthilfe-gruppierung, um dort dann aber primär die sozialen Erkrankungsfolgen zu bearbeiten. Zielsetzung gesundheitsbezogener Betroffenenselbsthilfe ist nach MATZAT (2007: 813), dass „ein ,Leben mit der Krankheit’ erreicht werden“ soll. In dieser prägnanten Zielformulierung findet die soziale Kontextuierung ge-sundheitsbezogener Betroffenenselbsthilfe eine diskrete Andeutung. Anhand der Erhebung „Wirkung von Selbsthilfegruppen auf Lebensqualität und Gesundheit“ von JANIG (1999: 4) lässt sich die soziale Kontextuierung gesundheitsbezogener Betroffenenselbsthilfe weiter erschließen. Die drei häufigsten Antworten auf die Frage nach den Beweggründen für den Bei-tritt in eine gesundheitsbezogene Selbsthilfegruppierung verdeutlichen, dass sich gesundheitsbezogene Betroffenenselbsthilfe in einem sozialen Problem- und Bewältigungskontext vollzieht:

1. Verzweiflung und Alleingelassensein nach der Diagnose bzw. Operation,

2. Bedürfnis, Hilfe zu erhalten und zu geben, 3. Kontakt und Austausch mit anderen Betroffenen.

Page 153: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 152

Gesundheitsbezogene Betroffenenselbsthilfe entfaltet in dieser sozialen Kontextuierung ein salutogenetisches Bewältigungssetting (vgl. ANTO-

NOWSKY 1997). Dieser soziale Gehalt gesundheitsbezogener Betroffenen-selbsthilfe findet in der statistischen Erfassung von Betroffenenselbsthilfe jedoch keinen adäquaten Ausdruck (vgl. auch STUMMBAUM 2008). Ein weiterer – im Zentrum dieses Kapitels stehender – Erklärungsansatz für die Diskrepanz zwischen potenziellen Anlässen und Bedarfe sowie tat-sächlichem Engagement in der sozialen Betroffenenselbsthilfe erschließt sich insbesondere aus dem professionellen System der bundesdeutschen Selbsthilfekontaktstellen und Selbsthilfeunterstützungseinrichtungen. Dieses System umfasste Ende 2007 deutschlandweit 273 lokale Selbsthil-fekontaktstellen und Selbsthilfeunterstützungseinrichtungen. 46 dieser Selbsthilfekontaktstellen bzw. Selbsthilfeunterstützungseinrichtungen un-terhielten zusätzliche Außen- oder Zweigstellen (NAKOS 2007). Bei den Selbsthilfekontaktstellen wird die Selbsthilfeunterstützung als Hauptaufgabe und bei den Selbsthilfeunterstützungseinrichtungen als Ne-benaufgabe wahrgenommen (vgl. BORGETTO 2004: 144ff). Beide Organi-sationsformen „arbeiten niedrigschwellig und netzwerkorientiert. […]. Be-sondere Zugangsvoraussetzungen für die Nutzer/innen bestehen nicht.“ (DEUTSCHER VEREIN FÜR ÖFFENTLICHE UND PRIVATE FÜRSORGE 2007: 813; vgl. auch GEENEN ET AL. 2009: 16). Zu den beiden wesentlichsten Leistungsbereichen von Selbsthilfekontakt-stellen und Selbsthilfeunterstützungseinrichtungen zählen die Beratung und Vermittlung von hilfesuchenden und interessierten Bürger/innen (sie-he Kapitel 6 und 7.2) sowie die Beratung und Unterstützung von Selbsthil-fegruppen (vgl. BORGETTO 2004: 64 und 144ff, SIELER 2009: 19ff; HUN-

DERTMARK-MAYSER 2007). Der selbsthilfegruppenbezogene Leistungsbereich lässt sich weiter diffe-renzieren und umfasst nach BORGETTO (2004: 149) u.a. folgende zentrale Leistungsangebote: „Information, organisatorische und technische Unters-

Page 154: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 153

tützung, konzeptionelle Beratung von Selbsthilfegruppen, Unterstützung bei der Lobbyarbeit, Vorbereitung und Durchführung gemeinsamer Ver-anstaltungen, Qualifizierung und Vernetzung.“ (vgl. auch DEUTSCHE AR-

BEITSGEMEINSCHAFT SELBSTHILFEGRUPPEN 2001) Betrachtet man den selbsthilfegruppenbezogenen Leistungsbereich pro-fessioneller Selbsthilfeunterstützung, fällt auf, dass die darin enthaltenen Leistungsangebote nicht ausreichend sind, um gerechte Teilnahmechan-cen an der Betroffenenselbsthilfe zu gewährleisten. BRÖMME und STRASSER (2001) bezeichnen Selbsthilfegruppierungen als „exklusive Solidaritäten“ und beschreiben damit das Phänomen, dass die Etablierung der (gesundheitsbezogenen) Betroffenenselbsthilfe gleichwohl positive Potenzialperspektiven erschließt als auch Prozesse von Ausgren-zung und Benachteiligung bedient. Vor diesem Problemhintergrund erscheinen innovative Ansätze einer diffe-renzierteren und ggf. auch intensiveren Unterstützung von Betroffenen-selbsthilfeengagement überfällig. Aus den Arbeitserfahrungen des Autors besteht insbesondere in den Bereichen der Vorbereitung von, des Über-gangs zu und der Beendigung von Betroffenenselbsthilfe ein grundlegen-der Bedarf der Optimierung und Innovation professioneller Selbsthilfeun-terstützung. Der angemahnte Optimierungs- und Innovationsbedarf professioneller Selbsthilfeunterstützung lässt sich nicht nur unter Bezugnahme auf die unzureichenden Teilnahmechancen an Betroffenenselbsthilfe begründen, sondern vor allem auch aufgrund des Umstandes, dass Betroffenen-selbsthilfeengagement neben positiven mitunter auch negative Folgen nach sich ziehen kann. VOGEL (1990) erfasste in einer qualitativen Studie die Folgen von Betroffe-nenselbsthilfeengagement und kam zu dem Ergebnis, dass vor allem ein „verzögerter“ Ausstieg im Sinne eines sukzessiven Scheiterns – also ein

Page 155: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 154

sich über einen längeren Zeitraum hinziehender Ausstiegsprozess aus ei-ner Selbsthilfegruppierung – mit negativen Nachwirkungen verbunden sein kann (siehe Abbildung 16). VOGEL (1990: 87) stellt weiter fest, dass die verzögerten Aussteiger/innen, die im Prozess ihres sukzessiven Scheiterns erheblich belastet werden, „unter günstigeren Umständen längerfristig an der Selbsthilfegruppe hät-ten teilnehmen wollen und können.“ VOGEL (1990: 27) weist darauf hin, dass es „keine Zahlen und empirischen Befunde darüber [gibt], wie viele Menschen den erfolglosen Versuch der Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe […] negativ für sich verbuchen.“ VOGEL (1990: 26) gelangt auf der Basis seiner Recherchen zu der An-nahme, dass „ca. 70 - 90% der Interessierten an lebensproblembezoge-nen Selbsthilfegruppen nicht das Ziel der längerfristigen Teilnahme an ei-ner solchen Gruppe erreichen. Sie scheitern auf dem Weg dahin an den schwierigen äußeren Bedingungen oder an der Erkenntnis der eigenen Grenzen.“

Selbsthilfegruppen alsexklusive Solidaritäten

Erfolgreicher BeitrittErfolgreicher Beitritt

ZZüügiger Ausstieggiger Ausstieg

Sukzessives ScheiternSukzessives Scheitern

Selbsthilfegruppen alsexklusive Solidaritäten

Erfolgreicher BeitrittErfolgreicher Beitritt

ZZüügiger Ausstieggiger Ausstieg

Sukzessives ScheiternSukzessives Scheitern

Abb. 16: Misslingendes Selbsthilfegruppenengagement

Page 156: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 155

Im Umkehrschluss bedeutet dieses, dass nur 10 bis 30% der in der Betrof-fenenselbsthilfe hilfesuchenden Bürger/innen ein erfolgreicher Beitritt in lebensproblembezogene Selbsthilfegruppen gelingt. Auch wenn diese Zahlen nicht ohne weiteres auf gesundheitsbezogene und andere Selbsthilfegruppierungen übertragen werden können und bis dato eine entsprechende empirisch-quantitative Fundierung noch aus-steht, verdeutlichen sie, dass das aktuelle System der Selbsthilfekontakt-stellen und Selbsthilfeunterstützungseinrichtungen Vermittlungs- und Zu-gangsprozesse in die Betroffenenselbsthilfe nicht umfassend erfasst und professionell begleitet. Anhand der nachfolgenden Praxissequenz von Magdalena Winkler (Name geändert) lassen sich die Notwendigkeiten einer umfassenden und ggf. auch intensivierten Unterstützung von Betroffenenselbsthilfeengagement nochmals illustrieren. Magdalena Winkler (Name geändert) hatte eine mehrjährige Odyssee von einem Arzt zum anderen Arzt hinter sich, dennoch besserten sich ihre ge-sundheitlichen Beschwerden nicht. Von einer Bekannten erhielt sie die Empfehlung für eine Selbsthilfegruppe. Nachdem es ihr immer schlechter ging, entschloss sie sich zur Teilnahme an der empfohlenen Selbsthilfe-gruppe. Die ersten fünf Treffen verhielt sie sich ruhig und beteiligte sich nur mäßig am Gruppengespräch, dennoch merkte sie, dass ihr die Teilnahme an der Selbsthilfegruppe gut tat. Magdalena Winkler (Name geändert) ein Zwi-schenresümee ziehend: „Ich erwarte nicht, dass mich die Selbsthilfegrup-pe gesund macht. Dieses wäre auch zu schön. Es tut einfach nur gut unter Gleichbetroffenen zu sein. Privat und in der Arbeit habe ich immer das dauernde Gefühl, ich muss mich wegen meiner Erkrankung rechtfertigen und erklären. Es klingt vielleicht blöd, aber in der Selbsthilfegruppe ver-gesse ich zeitweilig, dass ich krank bin. Einzig der Gruppenleiter mit seiner autoritären Art und seinem Geschwätz von der reinen Lehre des Lebens

Page 157: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 156

nervt. Aber dafür entschädigen die anderen Gruppenmitglieder um ein Vielfaches. Die sind einfach nett.“ Beim achten Treffen wurde Magdalena Winkler (Name geändert) vom Lei-ter der Selbsthilfegruppe aufs heftigste attackiert und aufgefordert, sich endlich mehr und offener am Gruppengespräch zu beteiligen. Weinend flüchtete sie aus der Selbsthilfegruppe und beschloss, nicht mehr dorthin zu gehen. Nachdem sie beim nächsten Treffen nicht mehr erschienen war, rief sie der Selbsthilfegruppenleiter mehrmals an und überredete sie in einem vierstündigen Telefonat zur weiteren Teilnahme an der Selbsthilfegruppe. Magdalena Winkler (Name geändert) musste noch zwei weitere Male wei-nend aus der Selbsthilfegruppe flüchten, bevor sie es nach insgesamt fünfzehn Gruppentreffen schaffte, sich endgültig aus der Selbsthilfegruppe zu lösen. Magdalena Winkler (Name geändert) rückblickend: „Ich wäre gerne in der Selbsthilfegruppe geblieben. Es ist mir auch sehr schwer gefallen, die Gruppe wieder zu verlassen, aber der Gruppenleiter hat uns Gruppenmitg-lieder nur als Staffage für seine Selbstdarstellung benutzt.“ Neben den Negativfolgen, die aus dem Scheitern der Teilnahme an Selbsthilfegruppierungen sowie aus der Vereinnahmung und dem Miss-brauch der Betroffenenselbsthilfe erwachsen können, weisen Erfahrungs-bericht darauf hin, dass Betroffene auch durch die Teilnahme an Selbsthil-fegruppierungen negativ belastet werden können. Diese Belastungen und negativen Nebenwirkungen der Teilnahme an Selbsthilfegruppierungen lassen sich unter dem Syndrom „Burn-out auf-grund von Betroffenenselbsthilfeengagement“ subsumieren und betreffen – wie die nachfolgenden Engagementbeispiele verdeutlichen – insbeson-dere die Leiter/innen von Selbsthilfegruppierungen. RINK und KOFAHL (2008: 38) berichten von Frau Bilgi, der Leiterin einer türkischen Selbsthilfegruppe:

Page 158: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 157

„Frau Bilgi ist für die Mitglieder der Gruppe und Betroffene rund um die Uhr erreichbar. Sie besucht diese zu Hause, im Krankenhaus, berät und unterstützt sie in schwierigen Lebenslagen. Die Gruppe besteht heute aus circa 80 Mitgliedern, allerdings schwankt diese Zahl immer wieder. Nach ihrer Einschätzung hängt das Funktionie-ren der Gruppe stark von ihrer Rolle als Gruppenleiterin ab. Ohne sie wür-de die Gruppe vermutlich zusammenbrechen, doch kann sie sich inzwi-schen vorstellen, dass zwei andere Mitglieder später einmal die Leitung übernehmen. Hierbei handelt es sich um zwei sehr engagierte Angehörige von Betroffenen.“ SCHULTE (2005) erzählt von belastenden Ereignissen von Leiterinnen der Frauenselbsthilfe nach Krebs: „Ich habe Ärger mit meinem Mann. Gerade habe ich das Schnitzel in die Pfanne gelegt, da klingelt das Telefon. Es ist eine Neuerkrankte am Appa-rat, die mich mehr als eine halbe Stunde aufhält. Das kommt in den unterschiedlichsten Situationen immer wieder vor und dann hängt bei uns der Haussegen schief.“ (SCHULTE 2005: 19). „Eine Gruppenleiterin wird häufig des nachts von einer Betroffenen ange-rufen, weil diese gerade jetzt starke Ängste überkommt. Die Gruppenleite-rin schleicht sich aus dem ehelichen Schlafzimmer, versucht möglichst lei-se zu reden, die Anruferin zu beruhigen, kann dann aber selber lange nicht wieder einschlafen.“ (SCHULTE 2005: 20) Die Selbsthilfegruppierung „Angehörige um Suizid“ informiert: „1995 gründete Emmy Meixner-Wülker den gemeinnützigen Verein AGUS e.V. Die Betreuungsarbeit leistete sie aus ihrer Wohnung rund um die Uhr, rein ehrenamtlich. Am 1. Mai 1999 bezog AGUS erst ein eigenes Büro außerhalb der Woh-nung, ein Jahr später waren dort zwei Bürokräfte tätig.

Page 159: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 158

Wegen Überarbeitung und mit Rücksicht auf die Gesundheit gab die AGUS-Gründerin den 1. Vorsitz von AGUS e.V. ab. Der AGUS-Gründerin hatten die Ärzte „dienstunfähig im Ehrenamt“ attestiert. Für die große und aufopferungsvolle Aufbauarbeit der AGUS erhielt Frau Emmy Meixner-Wülker bedeutsame Auszeichnungen.“ (AGUS 2009). Die vorangegangen Beispiele lassen zweierlei deutlich erkennen: Erstens, dass nicht nur den Zugangs- bzw. Beitrittsprozessen in die Be-troffenenselbsthilfe, sondern auch den Engagementprozessen in der Be-troffenenselbsthilfe Negativpotenziale immanent sind. Zweitens, dass Selbsthilfegruppierungen vielfach nicht nach dem von der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen definitorischen Krite-rium der Gleichberechtigung konstituiert sind (siehe Kapitel 3.1). SCHULTZ (2009) weist darauf hin, dass aus ideologischen Gründen die Gleichbetrof-fenheit der Teilnehmer/innen von Selbsthilfegruppen als gleichberechtigte Verantwortung und gleichberechtigte Aufgabenwahrnehmung ausbuch-stabiert wird. BORGETTO (2004: 82) merkt in diesem Zusammenhang an, dass ein Abweichen vom Postulat einer gleichberechtigten Gruppenleitung „noch kein Merkmal dafür ist, dass eine Gruppe keine Selbsthilfegruppe ist.“ Ein Abweichen vom Postulat einer gleichberechtigten Leitungskultur wird entgegen aller definitorischen Verlautbarungen auch von Seiten profes-sioneller Selbsthilfeunterstützung (mit)befördert. Aus arbeitsrationalen Er-wägungen und formalrechtlichen Notwendigkeiten fordert professionelle Selbsthilfeunterstützung auf Seiten der Betroffenenselbsthilfe klare und verbindliche Leitungsstrukturen ein. Mit zielgruppenspezifischen Leis-tungsangeboten wie einer Supervision für Selbsthilfegruppenleiter/innen (vgl. KRELING & GEISLINGER 2000; PAGEL 2000; KRELING 2008; BAYERISCHE

KREBSGESELLSCHAFT 2006: 16) treibt professionelle Selbsthilfeunterstüt-zung des weiteren eine Differenzierung von Betroffenenselbsthilfeenga-

Page 160: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 159

gierten in Leiter/innen und Teilnehmer/innen von Selbsthilfegruppierungen voran. Diese Differenzierung in Teilnehmer/innen und Leiter/innen von Selbsthil-fegruppierungen vollzieht sich nicht nur vordergründig auf der semanti-schen Begriffsebene, sondern auch hintergründig auf der Wirkungsebene von Betroffenenselbsthilfeengagement. Anhand zweier Ansätze von KRELING (2002) und BALCK (2002) lassen sich die Risiken einer Differenzierung auf der Wirkungsebene von Betroffenen-selbsthilfeengagement erläutern. KRELING (2002: 53) berichtet von ihrem empowerment-orientierten Super-visionsangebot für Leiter/innen von gesundheitsbezogenen Selbsthilfe-gruppierungen und benennt als Zielsetzung, „Leiter/innen aus Gesund-heitsinitiativen zu stärken und die Arbeit in Selbsthilfegruppen zu qualifi-zieren.“ An dieser von KRELING (2002) formulierten Zielsetzung lässt sich ein we-sentliches Risikopotenzial der Differenzierung in Teilnehmer/innen und Leiter/innen von Selbsthilfegruppierungen aufzeigen. Probleme und Konf-likte werden in diesem Supervisionsangebot nicht im Gruppenkontext, sondern im Leitungskontext bearbeitet. Dieses hat zur Folge, dass nicht alle Teilnehmer/innen im Gesamtkontext der problem- bzw. konfliktbela-denen Selbsthilfegruppe „gestärkt“ werden, sondern nur die Leitungsper-son(en). Damit untergräbt dieser Supervisionsansatz den Gruppenkontext als originäre Bewältigungs- und Entwicklungsressource von Betroffenen-selbsthilfeengagement und grenzt Gruppenmitglieder ohne Leitungsfunkti-on von Leistungsangeboten der professionellen Selbsthilfeunterstützung aus. Auch BALCK (2002) konzipiert sein Fortbildungsprogramm für die Lei-ter/innen in der Betroffenenselbsthilfe. Auf der Basis eines Curriculums sollen Leiter/innen von Krebsselbsthilfegruppen qualifiziert werden. Das

Page 161: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 160

Curriculum umfasst sowohl methodische Themenbereiche wie Gesprächs- und Moderationstechniken als auch inhaltliche Themenbereiche wie onko-logische Modelle von Krankheit. Die beiden Leistungsangebote professioneller Selbsthilfeunterstützung von KRELING (2002) und BALCK (2002) befördern eine Differenzierung der Mitglieder von Selbsthilfegruppierungen in Leiter/innen und Teilnehmer/ innen und bergen das Risikopotenzial, dass Gruppenkontexte als originäre Bewältigungs- und Entwicklungsressource untergraben werden. Im Gegensatz zur professionellen Selbsthilfeunterstützung – wie sie von den Selbsthilfekontaktstellen und Selbsthilfeunterstützungseinrichtungen gemeinhin geleistet wird – basiert das innovative Konzept Blended Help nicht auf einem reaktiven, sondern auf einem aktiven Unterstützungsver-ständnis. Dieses bedeutet, dass Unterstützungsleistungen anders als bei den Selbsthilfekontaktstellen und Selbsthilfeunterstützungseinrichtungen nicht nur vorgehalten und auf Anfrage bereitgestellt bzw. erbracht werden, sondern mit der Gestaltungsintention eines optimalen Bewältigungsset-tings aktiv eingebracht werden. Wie ein Blick auf die nachfolgende Abbildung 17 zeigt, verortet sich das innovative Konzept Blended Help in idealiter Art und Weise mit dem be-stehenden System der Selbsthilfekontaktstellen und Selbsthilfeunterstüt-zungseinrichtungen. Selbsthilfekontaktstellen und -unterstützungseinrichtungen sorgen mittels einer aktiven Öffentlichkeits- und Infrastrukturarbeit für unterstützende Voraussetzungen von Betroffenenselbsthilfeengagement. Selbsthilfekon-taktstellen und Selbsthilfeunterstützungseinrichtungen verfolgen damit ak-tiv die Schaffung grundlegender Ermöglichungsbedingungen eines gelin-genden Betroffenenselbsthilfeengagement.

Page 162: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 161

Für die auf der Basis dieser Ermöglichungsbedingungen sich gründenden und stattfindenden Betroffenenselbsthilfegruppierungen halten die Selbst-hilfekontaktstellen und -unterstützungseinrichtungen diverse Unterstüt-zungsleistungen bereit, die gemeinhin auf Anfrage bereitgestellt bzw. erb-racht werden (vgl. etwa SIELER 2009: 45ff; BORGETTO 2004: 144ff). Selbsthilfekontaktstellen und -unterstützungseinrichtungen leisten damit einen reaktiven Unterstützungsbeitrag zur Realisierung von Betroffenen-selbsthilfeengagement. Das innovative Konzept Blended Help bezieht sich auf diese Ermögli-chungs- und Realisierungskontexte und verortet sich in idealiter Art und Weise mit dem bestehenden System der Selbsthilfekontaktstellen und Selbsthilfeunterstützungseinrichtungen. In Bezugnahme auf das bestehende System der Selbsthilfekontaktstellen und Selbsthilfeunterstützungseinrichtungen findet Blended Help seine Zu-ständigkeit in der aktiven Unterstützung von Betroffenenselbsthilfeenga-gement im Kontext Sozialer Arbeit. Diese aktive Unterstützung vollzieht sich zum einen aufgrund der unmit-telbaren Kopplung von Sozialer Arbeit als Fremdhilfe und Betroffenen-selbsthilfe und zum zweiten mittels der Begleitung von Betroffenenselbst-hilfeengagement. Um diesen Unterstützungszielsetzungen entsprechen zu können, gestaltet sich Blended Help als ein hybrides Arrangement und bedient sich der Neukonfiguration der Kundenselbsthilfegruppen.

Page 163: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 162

Blen

ded

Help

SO

ZIA

LE

AR

BE

IT

SelbsthilfegruppenGründung

SelbsthilfegruppenFortführung

SelbsthilfegruppenBeitritt

KUNDENSELBSTHILFE

GRUPPE

SHGründung

SELBSTHILFEKONTAKTSTELLEN

ÖFFENTLICHKEITSARBEIT

SELBSTHILFEUNTERSTÜTZUNG

Blen

ded

Help

SO

ZIA

LE

AR

BE

IT

SelbsthilfegruppenGründung

SelbsthilfegruppenFortführung

SelbsthilfegruppenBeitritt

KUNDENSELBSTHILFE

GRUPPE

SHGründung

SHGründung

SELBSTHILFEKONTAKTSTELLEN

ÖFFENTLICHKEITSARBEIT

SELBSTHILFEUNTERSTÜTZUNG

SELBSTHILFEKONTAKTSTELLEN

ÖFFENTLICHKEITSARBEIT

SELBSTHILFEUNTERSTÜTZUNG

Abb. 17: Blended Help und Selbsthilfekontaktstellen bzw. Selbst-

hilfeterstützungseinrichtungen Kundenselbsthilfegruppen stellen eine neue Form der Betroffenenselbst-hilfe dar und erfüllen insbesondere dreierlei Funktionen.

Page 164: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 163

Erstens ermöglichen sie eine unmittelbare Verschränkung zwischen So-zialer Arbeit und Betroffenenselbsthilfeengagement, zweitens generieren sie ein Setting, in dem Betroffenenselbsthilfeengagement begleitet werden kann, und drittens bereiten sie für Kunden/innen der Sozialen Arbeit den Zugang in die Betroffenenselbsthilfe. In der ersten Funktionszuschreibung können aufgrund dieser unmittelba-ren Verschränkung bewältigungsoptimale Hilfesettings arrangiert werden. Bewältigungsoptimal bedeutet zum einen, dass Hilfesettings gemäß indi-vidueller Notwendigkeiten und Anforderungen von Kunden/innen der So-zialen Arbeit arrangiert werden können. Zentrale Gestaltungsbestandteile sind die Soziale Arbeit als Fremdhilfe und die Kundenselbsthilfe als neue Form der Betroffenenselbsthilfe. Diese beiden zentralen Gestaltungselemente können im Kontext individueller Probleme und Bewältigung verschränkt und um weitere Hilfen wie bei-spielsweise bürgerschaftlich engagierte Fremdhilfen ergänzt werden. Die Verschränkung der beiden zentralen Gestaltungshauptelemente er-möglicht es, dass individuelle Anforderungen und Schwierigkeiten in den Kundenselbsthilfegruppen in den sozialen Dienstleistungsprozessen (und umgekehrt) thematisiert und bearbeitet werden können. Weiter bedeutet „bewältigungsoptimal“ zum anderen, dass Kunden/innen über die Teilnahme an der Kundenselbsthilfegruppe in ihrer Kundensouve-ränität gestärkt werden. In der zweiten Funktionszuschreibung schaffen Kundenselbsthilfegruppen notwendige Voraussetzungen, um das Betroffenenselbsthilfeengagement von Kunden/innen grundsätzlich für ein bewältigungsoptimales Hilfesetting einsetzen zu können. Mittels der Neukonfiguration der Kundenselbsthilfegruppe kann Betroffe-nenselbsthilfeengagement in den Erbringungsprozess sozialer Dienst-leistungen inkludiert werden. Über das innovative Setting der Kunden-selbsthilfe kann Betroffenenselbsthilfeengagement (anfänglich) begleitet und unterstützt werden. Diese Begleitung und Unterstützung wird im Kon-

Page 165: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 164

text der gesamten Kundenselbsthilfegruppe geleistet und erfordert keine Differenzierung der Mitglieder von Kundenselbsthilfegruppen in Lei-ter/innen und Teilnehmer/innen. Gruppenprobleme müssen damit zur Lö-sung nicht in gesonderte Angebotssettings für Leiter/innen ausgelagert werden, sondern können innerhalb der Kundenselbsthilfegruppe als Lern- und Entwicklungschance für alle einer Bearbeitung zugeführt werden. In der dritten Funktionszuschreibung bereiten Kundenselbsthilfegruppen Zugangswege in die allgemeine Betroffenenselbsthilfe. Als Hilfe zur Betroffenenselbsthilfe haben Kundenselbsthilfegruppen nur eine begrenzte Laufzeit. Das Ende einer Kundenselbsthilfegruppe ist je-doch nicht gleichbedeutend mit dem Ende des Betroffenenselbsthilfe-engagements der Gruppenmitglieder. Vielmehr ist es so, dass Blended Help darauf zielt, Betroffenenselbsthilfeengagement über den Zeitverlauf von Kundenselbsthilfegruppen hinaus zu unterstützen. Im Rahmen der Kundenselbsthilfegruppen werden deshalb Zukunftspers-pektiven für ein weiteres Betroffenenselbsthilfeengagement unterstützt. Mögliche Zukunftsperspektiven liegen in einer Fortsetzung der Kunden-selbsthilfegruppe als unabhängige Betroffenenselbsthilfegruppe, der Neu-gründung einer anschließenden Betroffenenselbsthilfegruppe oder im Bei-tritt in andere bereits bestehende Betroffenenselbsthilfegruppierungen. Richtungsweisende Hinweise für eine begleitende Unterstützung von Kundenselbsthilfegruppen können beispielsweise aus dem Modellprojekt des Selbsthilfezentrums München und dem Krankenhaus Neuperlach zur professionellen Begleitung einer Selbsthilfegruppe für Schmerzpatienten/ innen (HAMMERL & HERMES 2002) gewonnen werden. Im Rahmen dieses Modellprojekts wurden interessierte Patienten/innen auf dem Weg zu einer funktionierenden Selbsthilfegruppe über einen Zeit-raum von zwölf Monaten von professionellen Fachkräften begleitet (vgl. auch REICHWALD 1999).

Page 166: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 165

Die begleitenden Fachkräfte agierten moderierend auf der Gruppenebene und versuchten sich auf der Problem- und Personenebene abstinent zu halten. Der Ansatz der professionellen Selbsthilfegruppenbegleitung ist in der nachfolgenden Abbildung 18 veranschaulicht.

Gruppenebene Gruppenebene

SELBSTHILFEGRUPPE

Problemebene

Personenebene

BEGLEITUNG

BEGLEITUNG12 Monate

Gruppenebene Gruppenebene

SELBSTHILFEGRUPPE

Problemebene

Personenebene

BEGLEITUNG

BEGLEITUNG12 Monate

Gruppenebene Gruppenebene

SELBSTHILFEGRUPPE

Problemebene

PersonenebenePersonenebene

BEGLEITUNG

BEGLEITUNG12 Monate

Abb. 18: Modellvorhaben: Begleitete Selbsthilfegruppe Die professionelle Begleitung folgte der Intention, die Moderation der Gruppenebene sukzessive an Mitglieder der Selbsthilfegruppe zu überge-ben. In diesem Prozess zog sich die professionelle Begleitung zunehmend auf eine reflektierende und supervidierende Funktion zurück (vgl. HAM-

MERL & HERMES 2002: 20f). Im Verlauf der zwölfmonatigen Begleitung zeigte sich, dass es bei den Mit-gliedern der Selbsthilfegruppe „keine Bestrebung [gab], eventuelle Konflik-te zu besprechen oder zu bereinigen.“ (HAMMERL & HERMES 2002: 23). Weiter sprachen sich die Mitglieder gegen eine gleichberechtigte Grup-penstruktur aus und wünschten sich eine Gruppenleitung, die sich jedoch erst im zeitlichen Verlauf in Form eines Leitungsduos herausbildete.

Page 167: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 166

Während der zwölfmonatigen Evaluationsphase reduzierte sich die Grup-pengröße von 24 auf sieben Mitglieder. Der stattgefundene Mitglieder-schwund liegt damit im unteren Bereich der vorab zitierten und nach VOGEL (1990) mit 70 bis 90% bezifferten Quote misslingender Zu-gangsversuche in die Betroffenenselbsthilfe. HAMMERL und HERMES (2002) mutmaßen, dass die höheren Depressions-werte der ausgeschiedenen gegenüber den in der Selbsthilfegruppe ver-bliebenen Schmerzpatienten/innen auf der allgemeinen Depressionsskala (ADS) eine mögliche Erklärung für den Mitgliederschwund liefern. REICHWALD (1999) schlussfolgert im Zusammenhang mit der Betroffenen-selbsthilfe von chronischen Schmerzpatienten/innen, dass beim Vorliegen von hohen Depressionswerten zusätzliche unterstützende und motivieren-de Maßnahmen notwendig sind, um eventuell geringerer Motivation zum Bewältigungshandeln auf Betroffenenseite entgegenwirken zu können. Hinsichtlich des Mitgliederschwundes im Modellverlauf lässt sich auch mutmaßen, dass eine Gruppengröße von über 12 Teilnehmer/innen selbst für begleitete Selbsthilfegruppen grundsätzlich schlechte Voraussetzun-gen bietet, um Selbsthilfegruppen ohne Mitgliederverluste zu gründen. In der Retrospektive wurde die professionelle Begleitung von den in der Selbsthilfegruppe verbliebenen Schmerzpatienten/innen als unterstützend bewertet (HAMMERL & HERMES 2002: 26ff). Die fehlenden Fähigkeiten, gruppendynamische Prozesse wahrnehmen, geschweige denn bearbeiten zu können, hätte in der Anfangsphase der Gruppengründung eine sehr hohe Frustrationstoleranz bei den an einem Betroffenenselbsthilfeenga-gement interessierten Schmerzpatienten/innen erforderlich gemacht oder das Risiko eines völliges Scheitern bedingt (vgl. SCHMIDT-GRUNERT 1997: insbesondere 181ff). Die Modellergebnisse zusammenfassend und in Bezug auf das innovative Konzept Blended Help kann konstatiert werden, dass vor dem Hinter-grund, dass die Teilnahmechancen an der Betroffenenselbsthilfe an diver-

Page 168: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 167

se Voraussetzungen geknüpft sind, es ein Gebot der Teilnahmegerechtig-keit ist, die Teilnahmechancen von voraussetzungsschwächeren Bürger/ innen zu verbessern. Hinsichtlich der Begleitung von Betroffenenselbsthilfeengagement in Kun-denselbsthilfegruppen kann Soziale Arbeit auf die Methodenansätze der sozialen Gruppenarbeit zurückgreifen (vgl. SCHMIDT-GRUNERT 2009). Soziale Gruppenarbeit kann als eine Methode der klassischen Trias der Sozialen Arbeit (vgl. etwa GALUSKE 2005: 113) auf ein breites Wurzelge-flecht an Wissens- und disziplinären Bezügen zurückgreifen (vgl. SCHMIDT-GRUNERT 1997: 20ff). Im Rekurs auf die Jugendbewegung kann beispielsweise ein Entwick-lungsstrang vom historischen Ansatz „der Gruppe gleichaltriger Jungen als Träger sozialer Selbsterziehung“ (GALUSKE 2005: 87) zur Gruppe gleich betroffener Bürger/innen als Ort und Medium sozialer Selbsthilfe geknüpft werden. Im Rahmen des in diesem Kapitel vorgestellten Modellvorhabens von HAMMERL und HERMES (2002) wurde auf gruppendynamische Bezüge aufgebaut. Soziale Gruppenarbeit lässt sich als eine Methode der Sozialen Arbeit de-finieren, „die den Einzelnen durch sinnvolle Gruppenerlebnisse hilft, ihre soziale Funktionsfähigkeit zu steigern und ihren persönlichen Problemen, ihren Gruppenproblemen oder den Problemen des öffentlichen Lebens besser gewachsen zu sein.“ (KONOPKA 1971: 35 zitiert nach GALUSKE

2005: 92). In Bezugnahme auf die soziale Gruppenarbeit in Kundenselbsthilfegrup-pen erschließt sich aus der eben zitierten allgemeinen Definition folgende spezifische Adaption: Soziale Gruppenarbeit als eine Methode der Sozialen Arbeit verhilft prob-lembelasteten Kunden/innen der Sozialen Arbeit durch bewältigungsrele-vante Gruppenerlebnisse, ihre Motivationen und Fähigkeit zum Betroffe-nenselbsthilfeengagement zu steigern und ihren psychosozialen Proble-

Page 169: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 168

men im privaten und öffentlichen Kontext sowie innerhalb ihres Betroffe-nenselbsthilfeengagements besser gewachsen zu sein. Soziale Gruppenarbeit als Methode der Begleitung und Unterstützung von Kundenselbsthilfegruppen ist in ihrem Interventionsfokus weiter gefasst als der vorgestellte Modellansatz zur Begleitung und Unterstützung einer Selbsthilfegruppe von chronischen Scherzpatienten/innen und bezieht sich – wie in der nachfolgenden Abbildung 19 veranschaulicht – sowohl auf die weiterhin zentrale Gruppenebene als auch auf die Problem- und Perso-nenebene der Gruppenmitglieder.

Unterstützung Gruppenebene

KUNDENSELBSTHILFE

BLENEDED

HELP Unterstützung

Unterstützung Problemebene

Personenebene

Unterstützung Gruppenebene

KUNDENSELBSTHILFE

BLENEDED

HELP Unterstützung

Unterstützung Problemebene

Personenebene

Abb. 19: Begleitete Kundenselbsthilfegruppen in Blended Help

Page 170: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 169

6.4. Hilfe für die Hilfen vor Ort

6.4.1. Kommunale Daseinsvorsorge

Die öffentliche Daseinsvorsorge ist im kommunalen Spektrum von Sozialer Arbeit, Betroffenenselbsthilfe und bürgerschaftlichem Engagement von ei-ner großen Vielfalt und hohen Dynamik geprägt. Die Begrifflichkeit des bürgerschaftlichen Engagements lässt sich als Sammelkategorie für freiwilliges Engagement, das Bürger/innen gemein-wohlorientiert als Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürgerschaftliches En-gagement in Initiativen, Projekten, Selbsthilfegruppen und Vereinen leis-ten, definieren (vgl. MUTZ 2002: 13). Hilfesuchenden Bürger/innen stehen damit neben den sozialen Dienst-leistungen der Sozialen Arbeit aus dem Bereich des bürgerschaftlichen Engagements auch Hilfen von gleichbetroffenen und nicht gleichbetroffe-nen Bürger/innen zur Verfügung. Bürgerschaftliches Engagement hat u.a. durch das von den Vereinten Na-tionen ausgerufene „Internationale Jahr der Freiwilligen 2001“ einen (wei-teren) politischen und gesellschaftlichen Aufschwung erfahren (vgl. z.B. MÖLLER 2002: 7). Der zweite bundesdeutsche Freiwilligensurvey 2004 quantifiziert diesen Aufschwung anhand der beiden Erhebungskriterien des Engagementpo-tenzials und der Engagementquote. Das erste zugrunde gelegte Erhebungskriterium differenziert sich in ein externes und ein internes Engagementpotenzial. Das externe Engagementpotenzial dokumentiert die Bereitschaft bei den nicht engagierten Bürger/innen, sich grundsätzlich freiwillig zu engagieren

Page 171: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 170

und ist im Vergleich zwischen erstem und zweitem Freiwilligensurvey von 26 auf 32 Prozent angewachsen (GENSICKE 2005: 84). Das interne Engagementpotenzial erhebt die Bereitschaft bei den bereits engagierten Bürger/innen, sich grundsätzlich noch stärker zu engagieren. Das interne Engagementpotenzial ist im Vergleichszeitraum 1999 und 2004 von 12 auf 14 Prozent gestiegen (GENSICKE 2005: 86). Das zweite Kriterium, die Engagementquote, erfasst den Anteil der freiwil-lig Engagierten unter den Bürger/innen (ab 14 Jahren) und ist im Vergleich zum ersten bundesdeutschen Freiwilligensurvey 1999 um zwei Prozent auf 36 Prozent angestiegen (GENSICKE 2005:79). Deutschlandweit waren damit im Jahre 2004 über 23,4 Millionen Bür-ger/innen freiwillig engagiert (BMFSFJ 2005: 428). Fünfzehn Prozent – also rund 3,5 Millionen – dieser über 23,4 Millionen freiwillig engagierten Bürger/innen waren im Jahre 2004 dezidiert im so-zialen Engagementbereich aktiv (PICOT & GENSICKE 2005: 276). Im eben mehrfach zitierten Freiwilligensurvey findet der Terminus „freiwil-liges Engagement“ in Synonymität mit dem des „bürgerschaftlichen Enga-gements“ seinen Gebrauch (GENSICKE 2005: 50). Beide Begrifflichkeiten beschreiben demnach Engagement lediglich aus unterschiedlichen Perspektiven. Das Adjektiv „freiwillig“ soll unter Abgren-zung gegenüber Erwerbstätigkeiten sowie unter Hervorhebung individuel-ler Freiwilligkeit die Zugangsperspektive der Bürger/innen markieren. Das Adjektiv „bürgerschaftlich“ soll der zivilgesellschaftlichen Bedeutsam-keit Ausdruck verleihen und symbolisiert die gesellschaftliche und staatli-che Zugangsperspektive. In dieser gesellschaftlichen und staatlichen Sichtweise generiert bürger-schaftliches Engagement soziales Kapital, befördert demokratische Kom-petenz und ermöglicht informelle Lernprozesse (vgl. GENSICKE 2005: 40ff).

Page 172: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 171

OSNER (2008: 1) bewertet bürgerschaftliches Engagement aufgrund dieser zivilgesellschaftlichen Effekte als eine strategische Ressource von Kom-munen. Für die soziale Daseinsvorsorge (in Kommunen) leitet sich in diesem stra-tegischen Ressourcenkontext nach GENSICKE (2005: 42) die Aufforderung ab, Gelegenheitsstrukturen für bürgerschaftliches Engagement auszubau-en. GENSICKE (2005: 42) verleiht dieser Aufforderung weiteren Nachdruck, in-dem er konstatiert: „Die Zivilgesellschaft ist längst Koproduzent sozialer Leistungen geworden. Der Wandel des Sozialstaates in Deutschland macht die Notwendigkeit der synergetischen und kooperativen Erbringung sozialer Leistungen durch Staat, Wirtschaft, Dritten Sektor und Familien (Welfare Mix) deutlich.“ GENSICKE (2005: 44ff) konkretisiert im Rahmen des Freiwilligensurveys 2004 die (Ausbau)Anforderungen an die Gelegenheitsstrukturen bürger-schaftlichen Engagements, indem er explizit auf Bundes- und Länderebe-ne die Verbesserung steuer- und versicherungsrechtlicher Rahmenbedin-gungen und Kostenerstattungsmöglichkeiten von bürgerschaftlichem En-gagement sowie auf regionaler und örtlicher Ebene den Ausbau von Ver-netzungs- und Beratungsinfrastrukturen zur Förderung und Unterstützung bürgerschaftlichen Engagements erwähnt (vgl. auch ENQUETEKOMMISSION

„ZUKUNFT DES BÜRGERSCHAFTLICHEN ENGAGEMENTS“ 2002). Anhand der nachfolgenden Praxissequenz lässt sich illustrieren, dass die angeführten Kontextmaßnahmen und der Ausbau der (professionellen) Vernetzungs- und Beratungsinfrastruktur zur Förderung und Unterstützung bürgerschaftlichen Engagements notwendige, aber keine hinreichenden Voraussetzungen darstellen, um im Sinne eines Welfare Mix mehrdimen-sionale Hilfesettings aufspannen zu können, in denen sich (inter)sektorale Hilfepotenziale ergänzend bzw. synergetisch – in Parallelität – entfalten können, und in denen sich (inter)sektorale Hilfen nicht gegeneinander – in Kontrareität – ausgrenzen bzw. behindern:

Page 173: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 172

Max Gutmann (Name geändert) war über 10 Jahre bei einem ortsansässi-gen Maschinenbauunternehmen tätig. Nachdem das Unternehmen die Produktionsstätte ins kostengünstigere Ausland verlagert hatte, war Max Gutmann (Name geändert) fast ein Jahr arbeitslos, bevor er wieder eine neue Anstellung fand. Bei einer Routineuntersuchung wird bei Max Gutmann (Name geändert) eine Krebserkrankung diagnostiziert. Die Heilungschancen werden als po-sitiv beurteilt, sofern die Behandlung schnellst möglich eingeleitet wird. Max Gutmann (Name geändert) zögert mit einem sofortigen Behandlungs-beginn, da er – nachdem sein Arbeitsverhältnis noch zur Probe ge-schlossen ist – um seinen neuen Arbeitsplatz fürchtet. Nachdem er bei seinem neuen Arbeitgeber weitaus weniger verdient, be-drückt ihn die Sorge, dass das Arbeitslosengeld für die Raten des noch abzubezahlenden Eigenheims und für den Lebensunterhalt für seine fünf-köpfige Familie im Falle einer erneuten Arbeitslosigkeit nicht ausreichen würde. Diese Umstände schüren nicht nur materielle Existenzängste, sie bilden auch den latenten Nährboden für vielfältige familiäre Probleme und Strei-tigkeiten, die – wie es sich bereits während der letzten Arbeitslosigkeit zeigte – vor allem in Alkoholexzessen und häuslicher Gewalt münden. Max Gutmann (Name geändert) rückblickend: „Ich weiß nicht, warum mich die Arbeitslosigkeit so aus der Bahn geworfen hat. Und dann kam der Al-kohol und die Streits mit meiner Frau und dann ist mir irgendwie alles aus dem Ruder gelaufen.“ Max Gutmann (Name geändert) ist sich zwar bewusst, dass er diese Prob-lemkumulation nicht alleine bewältigen kann; er ist sich aber unschlüssig, wie er sich helfen lassen könnte. Sein Freund Falko Dietrich (Name geän-dert) meinte: „Wer soll dir bei deiner Finanzmisere helfen? – Wenn es eine solche Stelle gäbe, wäre ich schon längst dort gewesen. Das einzige, was dir helfen kann, ist malochen und noch mal malochen.“

Page 174: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 173

Auf Empfehlung seines Freundes Ralph Höhlmüller (Name geändert) ent-schließt sich Max Gutmann (Name geändert) schließlich, eine Schuldner-fachberatung aufzusuchen. Im Telefonbuch findet er eine städtische, eine gewerkschaftliche und eine konfessionelle Schuldnerfachberatung. Überfordert von der Entscheidung, welche der drei Beratungsstellen die richtige für ihn ist, sucht er Rat bei seinen Eltern, die ihm den Tipp geben, die nahe gelegene Sozialbera-tungsstelle aufzusuchen. Die Vorstellung, direkt an seinem Wohnort eine Beratung in Anspruch zu nehmen, löst bei Max Gutmann (Name geändert) aber ein ungutes Gefühl aus, da er befürchtet, von den Nachbarn beim Aufsuchen der Beratungs-stelle entdeckt und als „Versager“ abgestempelt zu werden. Auch möchte er sicherstellen, dass seine Frau nichts von seiner Erkrankung erfährt, da ihm bereits die Vorstellung mehr als unangenehm ist, dass sie von seinen drohenden finanziellen Schwierigkeiten erfahren könnte. Max Gutmann (Name geändert) wendet sich deshalb an eine weiter ent-fernt gelegene Sozialberatungsstelle. Aber auch dieser Versuch der In-anspruchnahme von Hilfe scheitert, da Anfragen aus anderen Stadtteilen von dieser Stelle nicht berücksichtigt werden. Tags darauf fällt Max Gutmann (Name geändert) bei einem ambulanten Untersuchungstermin im Foyer des Krankenhauses der Aushang einer Krebsselbsthilfegruppe auf. Das Informationsblatt weckt zwar seine Hof-fung, doch die Vorstellung, unbekannten Menschen von seinen Ängsten und Nöten erzählen zu müssen, lässt ihn seine anfängliche Absicht, die Kontaktadresse aufzuschreiben, wieder verwerfen. Max Gutmann (Name geändert) fühlt sich von der Last seiner Probleme erdrückt und in seinen Bemühungen, den beruflichen und familiären Alltag weiterhin aufrecht zu erhalten, zunehmend überfordert. Immer wieder muss er unweigerlich an die krisenhafte Zeit seiner letzten Arbeitslosigkeit

Page 175: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 174

denken. Max Gutmann (Name geändert) ist sich bewusst, dass er so eine schlimme Zeit kein zweites Mal durchleben möchte, dennoch gelingt es ihm nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. In den folgenden Wochen „betäubt“ Max Gutmann (Name geändert) sein drängendes Hilfebedürfnis mit Alkohol. Seine ambulanten Untersuchungstermine im Krankenhaus nimmt er in dieser Zeit nur mehr sporadisch wahr. Bei einem der wenigen Untersuchungstermine, die Max Gutmann (Name geändert) in dieser Zeit wahrnimmt, wird ihm von der Krankenhaussozial-arbeiterin die bürgerschaftlich engagierte Patientenfamilienbetreuerin Ilse Schattner (Name geändert) vorgestellt. In ihrer Funktion möchte sie den krebskranken Max Gutmann (Name geändert) entlasten und sich um sei-ne drei Kinder Beate, Pia und Klaus kümmern. Anfangs findet Max Gut-mann (Name geändert) die Idee gut und schmiedet mit seiner bürger-schaftlich engagierten Unterstützerin auch schon Pläne für ein Kinderbe-treuungsprogramm. Als ihm Ilse Schattner (Name geändert) eröffnet, dass sie sich um seine Kinder auch bei ihnen zuhause beispielsweise bei den Hausaufgaben kümmert, teilt Max Gutmann (Name geändert) lapidar mit, dass er es sich anders überlegt hat und die Hilfe von Ilse Schattner (Name geändert) nun doch nicht in Anspruch nehmen möchte. Die Vorstellung, dass eine fremde Person von seinen häuslichen Ehestreitigkeiten etwas mitbekommt, hat bei Max Gutmann (Name geändert) einen Meinungsum-schwung bewirkt. Die verbalen Auseinandersetzungen mit seiner Frau Mandy gewinnen in dieser Zeit an Heftigkeit und münden teils in körperliche Gewalt. Nach einem konfliktbehafteten und alkoholhaltigen Wochenende, an dem erst die von Nachbarn verständigte Polizei die ehelichen Konflikte schlich-ten konnte, erscheint Max Gutmann (Name geändert) ungepflegt und al-koholisiert am Arbeitsplatz. Sein Arbeitgeber sieht sich daraufhin veran-lasst, ihm kurz vor Ablauf der Probezeit zu kündigen.

Page 176: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 175

Nach dem Verlust seines Arbeitsplatzes „hängt“ Max Gutmann (Name ge-ändert) die meiste Zeit des Tages zu Hause ab. Seine Erkrankung und die mit der neuerlichen Arbeitslosigkeit ausstehenden Ratenzahlungen für das Eigenheim treten im täglichen Einerlei aus familiären Streitigkeiten, Alko-holkonsum und Fernsehschauen zunehmend in den Vergessenshinterg-rund. Nachdem sich die schulischen Leistungen seines Sohnes Klaus rapide verschlechterten, werden Max Gutmann (Name geändert) und seine Ehef-rau Mandy von der Klassenlehrerin zu einem Elterngespräch eingeladen. Während dieses Gesprächs bei der Klassenlehrerin ihres Sohnes geraten die Eltern in einen verbalen Konflikt in dessen Verlauf Mandy Gutmann (Name geändert) von den finanziellen Schwierigkeiten erzählt. Im weiteren Verlauf dieses Gesprächs ringt sich Max Gutmann (Name ge-ändert) dazu durch, seine finanziellen Schwierigkeiten schnellstens klären zu wollen, damit zu Hause wieder etwas Ruhe einkehren kann. Anderntags wendet sich Max Gutmann (Name geändert) mit besten Vor-sätzen an die städtische Schuldnerberatungsstelle, um noch im Verlauf der Woche einen Beratungstermin zu vereinbaren. Obwohl Max Gutmann (Name geändert) mitteilt, dass er dringend Hilfe be-nötigt, kann aufgrund der hohen Klientenauslastung erst elf Wochen spä-ter ein Beratungstermin terminiert werden. Nachdem ihm versichert wird, dass diese lange Wartezeit auch bei den anderen beiden Schuldnerberatungsstellen üblich ist, stimmt Max Gut-mann (Name geändert) dem Terminvorschlag zu. Sieben Wochen später eskaliert die familiäre Situation und Max Gutmann (Name geändert) verprügelt neben seiner Ehefrau Mandy auch seinen Sohn Klaus. Den Termin bei der städtischen Schuldnerberatung bricht Max Gutmann (Name geändert) nach einer halben Stunde schimpfend ab.

Page 177: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 176

Max Gutmann (Name geändert): „Was die alles von mir wollten. Das war mir einfach zu viel. Ich habe fast drei Monate auf diesen Termin warten müssen. Das war eine lange und echt heftige Zeit. Ich fühle mich von mei-nen Problemen mittlerweile erschlagen. Aber es gab keine Alternative, die Wartezeiten sind überall so lang.“ Anhand der vorangegangenen Praxissequenz verdeutlicht sich exempla-risch, dass eine unkomplizierte Zugänglichkeit in das System der sozialen Daseinsvorsorge nicht per se vorauszusetzen ist und sich diese auch schwierig bzw. umwegbehaftet oder misslingend gestalten kann. Das System der sozialen Daseinsvorsorge ist aufgrund seines dynami-schen Spektrums höchst heterogener und vielschichtiger Leistungen und Anbieter bzw. Akteure selbst für Fachkräfte oftmals nur schwer über-schaubar und bewertbar. In Anlehnung an GAITANIDES (2000: 130) wird die Unübersichtlichkeit so-zialer Daseinsvorsorge aufgrund der expansiven Umstellung öffentlicher Finanzierungen auf kurzfristige Projektfinanzierungsarten fortschreiten. Mit der Projektierung Sozialer Arbeit werden nämlich kurzzeitige und flexible Angebotssettings präferiert, die mit einem Verlust an Angebotskontinuität einhergehen. Dieses unzureichende Maß an Transparenz ist in der Bewertung der Zu-gänglichkeit sozialer Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge ein systemimmanentes Negativkriterium und eine eklatante Schwachstelle mehrdimensionaler bzw. intersektoraler Hilfesettings. Die in der Sozialen Arbeit diesbezüglich geführten Diskurse beispielsweise hinsichtlich der klientenbezogenen Zugangsmotivation (vgl. u.a. KÄHLER

2005), der Gestaltung der Zugangsphase des Erstkontakts (vgl. u.a. KÄHLER 2001), der interkulturellen Öffnung der sozialen Dienste (vgl. u.a. GAITANIDES 2006), der Sozialraumorientierung (vgl. u.a. HINTE & TREEß 2007) sowie hinsichtlich der Corporate Identity Sozialer Arbeit (vgl. u.a. ALBRECHT 2002) erweisen sich als zu unterkomplex, um eine systemati-

Page 178: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 177

sche Verbesserung der Zugänglichkeit sozialer Daseinsvorsorge herbei-führen zu können. In den bürgerschaftlichen Engagementdebatten werden Fragen der Zu-gänglichkeit eine exponierte Bedeutsamkeit zugeschrieben. Der zweite Band des ersten Freiwilligensurveys 1999 behandelt dezidiert die Thema-tik der Zugänglichkeit in das System des bürgerschaftlichen Engagements und wird themenexplizit unter dem Titel „Zugangswege zum freiwilligen Engagement und Engagementpotenzial in den neuen und alten Bundes-ländern“ publiziert. Hinsichtlich der behandelten Zugänglichkeit bzw. Eintritts- und Wiederein-trittsprozesse in das System des bürgerschaftlichen Engagements wird folgende Vision anvisiert: „Ein Leitziel ist die bestmögliche Organisierung von Eintritts-, Austritts- und Wiedereintrittsprozessen, die – im Interesse der Herausbildung eines voll-gültigen Handlungsfelds „freiwilliges Engagement“ – eine dynamische Nutzung verfügbarer Engagementpotenziale auf einem höchstmöglichen Niveau individueller Motivation und unter höchstmöglicher Erfüllung indivi-dueller Mobilitätsbedürfnisse unter möglichst weitgehender Vermeidung von Energie- und Zeitverlusten gewährleisten, die auf das Wirken eigent-lich beeinflussbarer und minimierbarer Engagementhemmnisse innerer und äußerer Art zurückzuführen sind.“ KLAGES (2001: 177). Zugänglichkeit definiert sich demzufolge darüber, wie (optimal) das Maß des (tätigen) freiwilligen Engagementpotenzials und des (noch schlum-mernden) freiwilligen Engagementpotenzials (=Engagementbereitschaft) abgeschöpft ist. Realisierung erfährt Zugänglichkeit über die Gestaltung von Engagementbedingungen, die den Bedürfnis- und Wertestrukturen der (potenziell) freiwillig engagierten Bürger/innen gemäß vorgenannter Leitzielformulierung entsprechen. OLK (2009: 4) resümiert, dass dieser Ansatz einer individuumszentrierten Zugänglichkeit die bürgerschaftliche Engagementdebatte seit den 1980er

Page 179: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 178

Jahren prägt und den Aufbau einer professionellen Infrastruktur von bei-spielsweise Freiwilligenagenturen/-zentren, Selbsthilfekontaktstellen und Seniorenbüros vorangetrieben hat. THIEL (2007: 148) hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass die ca. 200 Freiwilligenagenturen/-zentren, die ca. 280 Selbsthilfekontaktstellen und ca. 170 Seniorenbüros, die es im Jahre 2007 deutschlandweit gab, den Zugang von freiwillig engagierten Bürger/innen in das System des bürger-schaftlichen Engagements unterstützen und begleiten. OLK (2007:14f) ergänzt, dass diese Einrichtungen auch den Zugang zu beispielsweise Kindergärten, Schulen und Seniorenheimen als Organisa-tionen, in denen bürgerschaftliches Engagement geleistet werden kann, herstellen. Vor dem Hintergrund dieser zweifachen Zugänglichkeitsperspektive betont THIEL (2007: 149): „Selbsthilfekontaktstellen, Seniorenbüros und Freiwilli-genagenturen/-zentren sind von erheblicher Bedeutung bei der Entwick-lung eines tragfähigen und nachhaltigen Welfare Mixes. Sie gehören zu den wesentlichen und unverzichtbaren kommunalen Akteur/innen, die (fach-, themen- und trägerübergreifend) an der Erstellung von „Wohlfahrt“ als einem öffentlichen Gut mitwirken.“ Den Leitbegriff des neuen (im Sinne einer neuen Verortung bürgerschaftli-chen Engagements) Welfare Mixes kommunaler Daseinsvorsorge be-schreibt OLK (2007: 2) als strategische Konzeption, bei der „von vornhe-rein und systematisch eine Kombination der Beiträge von kommunaler Po-litik und Verwaltung, marktwirtschaftlichen Unternehmungen und organi-sierten Akteuren der Zivilgesellschaft vorgesehen ist“ (vgl. auch EVERS/OLK 1996). Augenfällig an der von OLK vorgenommen Definition als auch an den vor-angegangenen Ausführungen zum System der sozialen Daseinsvorsorge ist, dass hilfesuchende bzw. hilfebedürftige Bürger/innen, wenn sie denn

Page 180: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 179

nicht „organisierte Akteure der Zivilgesellschaft“ (OLK 2007: 2) sind, keine explizite Erwähnung bzw. systematische Berücksichtigung finden. Mit diesen definitorischen bzw. konzeptionellen Leerstellen hinsichtlich hil-fesuchender bzw. hilfebedürftiger Bürger/innen steigt die Gefahr, dass die Zugänglichkeit in das System der sozialen Daseinsvorsorge mit einer wei-teren Hürde verstellt wird, die Zugänglichkeit hinsichtlich der Bereitschaft und Fähigkeit zum bürgerschaftlichen Engagement determiniert. In Bezug auf die Problematik der Zugänglichkeit sozialer Dienstleistungen lässt die (Re)Konzeptionierung kommunaler Daseinsvorsorge davon aus-gehen, dass der Bereich sozialer Dienstleistungen weiter an Heterogenität und Dynamik gewinnen wird. Im Zuge der weiteren Marktökonomisierung Sozialer Arbeit sowie der fort-schreitenden Etablierung bürgerschaftlichen Engagements „in seinen un-terschiedlichen Ausformungen als ehrenamtliche Tätigkeit, als freiwillige (Mit-)Arbeit, als Initiativ- und Selbsthilfegruppenarbeit“ (THIEL 2007: 149) wird sich das Dienstleistungsspektrum sozialer Daseinsvorsorge weiter ausdifferenzieren und dynamisieren. Idealiter erschließt soziale Daseinsvorsorge vor diesem Entwicklungshin-tergrund intersektorale Hilfesettings, die nach OLK (2007: 2) ein Zukunfts-garant für die Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen sind. In einem solchen idealtypischen Parallelitätsszenario intersektoraler Hilfen kommt insbesondere der Zugänglichkeit sozialer Daseinsvorsorge für hil-fesuchende bzw. hilfenehmende Bürger/innen eine elementare Funktion zu. Zugänglichkeit erschöpft sich dabei nicht im Zugang in die soziale Da-seinsvorsorge, sondern lässt einem erfolgten Systemzugang aufgrund der heterogenen und mehrsektoralen Systemarchitektur eine Zugangsdiversi-fikation folgen. Hilfesuchende und hilfenehmende Bürger/innen sind in mehrdimensionalen bzw. intersektoralen Hilfesettings gefordert, sich Zu-gänge zu mehreren Dienstleistungen unterschiedlicher Leistungserbringer bewältigungsoptimiert zu erschließen.

Page 181: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 180

Wie die vorangegangene Praxissequenz allerdings exempli causa zeigt, wird die Zugänglichkeit sozialer Daseinsvorsorge aufgrund fehlender Transparenz und Kunden- bzw. Klientenorientierung vielfach be- bzw. verhindert. Im Zusammentreffen dieser systembedingten Zugänglichkeits-hemmnisse mit den subjektiven Unentschlossenheits- und Unsicherheits-tendenzen von Max Gutmann (Name geändert) kam es zu einer eskalie-renden Reihe von gescheiterten Zugangsversuchen. Eine Dunkelzifferstudie von BECKER und HAUSER (2003) bezüglich der Nichtzugänglichkeit bzw. Nichtinanspruchnahme von zustehenden Sozial-hilfeleistungen (Hilfe zum Lebensunterhalt) bestätigt das komplexe Zu-sammenspiel von subjektiven und institutionellen Hemmnissen in Nichtzu-gänglichkeitsprozessen bzw. Nichtinanspruchnahmeprozessen. BECKER und HAUSER (2003: 210) resümieren, dass die Nichtinanspruch-nahme zustehender Sozialhilfeleistungen „zum größeren Teil auf unzurei-chende Kenntnisse bzw. falsche Vorstellungen über das Sozialhilferecht zurückzuführen ist“. Beide Zugänglichkeitshemmnisse, die sich auch in der vorangegangenen Praxissequenz von Max Gutmann (Name geändert) wieder finden, könn-ten von Seiten öffentlicher Daseinsvorsorge systembezogen und profes-sionell abgebaut werden.

Page 182: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 181

6.4.2. Kommunales Blended Help

Um die Zugänglichkeit sozialer Daseinsvorsorge für Bürger/innen a priori zu verbessern und um Bürger/innen – insbesondere auch vor dem Hinter-grund mehrdimensionaler Hilfesettings – in ihrer individuellen und spezifi-schen Inanspruchnahme sozialer Dienstleistungen zu unterstützen, soll im Folgenden ein von STUMMBAUM und BIRGMEIER (2009) als Hilfe für die so-zialen Hilfen vor Ort konturierter innovativer Ansatz präsentiert werden. Dieser als Hilfe für die sozialen Hilfen vor Ort konturierte Innovationsan-satz intendiert die Implementierung einer die Hilfesektoren sozialer Da-seinsvorsorge übergreifenden kommunalen Einrichtung, die Bürger/innen in der Zugänglichkeit und Inanspruchnahme sozialer Daseinsvorsorge un-terstützt. Einer solchen kommunalen Einrichtung obläge die navigatorische Aufga-be, hilfesuchende bzw. hilfenehmende Bürger/innen bei ihren Zugängen in und innerhalb der sozialen Daseinsvorsorge zu unterstützen und Bür-ger/innen damit in ihrer Souveränität als Klienten/innen bzw. Kun-den/innen sozialer Daseinsvorsorge zu stärken. Als weitere flankierende Aufgaben lassen sich für die von STUMMBAUM und BIRGMEIER (2009) konturierte kommunale Einrichtung die Förderung und Unterstützung von Angebots- und Leistungstransparenz sowie der Ver-braucherschutz bei sozialen Dienstleistungen nennen. In ihrem Aufgabenzuschnitt würde die neu zu gründende kommunale Ein-richtung ein Pendant zu den „Unabhängigen Patientenberatungsstellen“ darstellen. Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland wird in der aktuellen Fi-nanzierungsphase seit 2007 als Modellverbund vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen nach § 65b SGB V finanziert (vgl. UNABHÄNGIGE PATIENTENBERATUNG 2009).

Page 183: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 182

Der § 65b SGB V zur Förderung von Einrichtungen zur Verbraucher- und Patientenberatung bestimmt in Absatz (1): „Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen fördert mit jährlich insgesamt 5.113.000 Euro je Kalender-jahr im Rahmen von Modellvorhaben Einrichtungen zur Verbraucher- oder Patientenberatung, die sich die gesundheitliche Information, Beratung und Aufklärung von Versicherten zum Ziel gesetzt haben und die von dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen als förderungsfähig anerkannt wurden. Die Förderung einer Einrichtung zur Verbraucher- oder Patien-tenberatung setzt deren Nachweis über ihre Neutralität und Unabhängig-keit voraus.“ (BUNDESMINISTERIUM FÜR JUSTIZ 2009a) Auf der Basis des § 65b SGB V bietet die Unabhängige Patientenberatung in Deutschland mittels überregionalen Beratungsangeboten, Beratungste-lefon und internetbasierter Beratung sowie in 22 regionalen Beratungsstel-len eine kostenlose Beratung für Patienten/innen (vgl. SCHAEFFER ET AL. 2005; DIERKS ET AL. 2006). Die Unabhängige Patientenberatung „versteht sich als Wegweiser und Lotse durch das Gesundheitssystem. […] Ziel ist es, Patientinnen und Pa-tienten so zu stärken, dass sie ihre Interessen wahrnehmen und eigen-ständig handeln können. Dazu bieten wir Ratsuchenden eine neutrale und von Kostenträgern und Leistungserbringern unabhängige Beratung, Infor-mation und Unterstützung.“ (UNABHÄNGIGE PATIENTENBERATUNG 2009: 1) In den zugrunde liegenden Zielsetzungen sind der Modellverbund der Unabhängigen Patientenberatung und der Innovationsansatz von STUMM-BAUM und BIRGMEIER (2009), der im Weiteren als unabhängige Kundenbe-ratungsstellen für soziale Dienstleistungen bezeichnet wird, vergleichbar. DIERKS ET AL. (2006: 139) resümieren im Abschlussbericht zur Modellfi-nanzierungsphase 2004 – 2005, dass die unabhängigen Patienten- und Verbraucherberatungen trotz Defiziten im Service und im Informationsma-nagement ihre originäre Zielsetzung einer Stärkung der Patientensouve-ränität verwirklichen konnten.

Page 184: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 183

In einer Studie von KURTZ (2006) waren die unabhängigen Patienten- und Verbraucherberatungsstellen im Vergleich zur Versichertenberatung von Krankenkassen und zur Patientenberatung von Landesärztekammern „besser […], wenn es darum ging, die Ratsuchenden in der Beratungssi-tuation zu stärken und zu einer weiteren Informationssuche anzuregen.“ (DIERKS ET AL. 2006: 139). Ein wesentlicher Unterschied ist hingegen bei den Ansätzen der Unab-hängigen Patientenberatung Deutschland und der unabhängigen Kunden-beratung für soziale Dienstleistungen hinsichtlich der Dienstleistungs-distribution zu verzeichnen. Aufgrund der Kommunalisierung öffentlicher Daseinsvorsorge intendiert der Innovationsansatz einer unabhängigen Kundenberatungsstelle für so-ziale Dienstleistungen keine bundesweite bzw. regionale, sondern eine kommunale Dienstleistungsdistribution. Eine kommunale Dienstleistungsdistribution lässt sich für die unabhängige Kundenberatungsstelle für soziale Dienstleistungen auch aus der Evalua-tion der unabhängigen Patienten- und Verbraucherberatungen von DIERKS

ET AL. (2006) ableiten. Wie ein Blick auf die nachfolgende Tabelle 3 (DIERKS ET AL. 2006: 46) zeigt, haben insbesondere Ratsuchende mit niedrigem bzw. ohne Bil-dungsabschluss – also die potenziellen Personenhauptzielgruppen einer unabhängigen Kundenberatungsstelle für soziale Dienstleistungen – be-vorzugt die persönlichen Beratungssettings der unabhängigen Patienten- und Verbraucherberatung in Anspruch genommen.

Page 185: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 184

Tab. 3: Unabhängige Patientenberatungsstelle

61,146,231,728,5Gespräch

31,543,659,557,4Telefon

18,57,66,77,3Brief

-2,94,712,8E-Mail

ohneniedrigermittlererhoher BERATUNGSFORM

61,146,231,728,5Gespräch

31,543,659,557,4Telefon

18,57,66,77,3Brief

-2,94,712,8E-Mail

ohneniedrigermittlererhoher BERATUNGSFORMBILDUNGSABSCHLUSS

Der vorangegangene Rekurs auf den Modellverbund der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland erschließt, dass der innovative Ansatz von STUMMBAUM und BIRGMEIER (2009) einer als Hilfe für die Hilfen vor Ort konzipierten unabhängigen Kundenberatung für soziale Dienstleistungen gegenüber dem allgemeinen Verbraucherschutz anschlussfähig ist, und dass der modellerprobte Ansatz einer unabhängigen Patientenberatung navigatorische Hinweise hinsichtlich der Implementierung und Ausgestal-tung unabhängiger Kundenberatungsstellen für soziale Dienstleistungen bereitstellen kann (vgl. auch SCHMIDT-KAEHLER 2007; SCHAEFFER &

SCHMIDT-KAEHLER 2006; ROBERT KOCH-INSTITUT 2006a; HART 2003). In der folgenden Abbildung 20 wird die spezifische Innovationsleistung ei-ner Unabhängigen Kundenberatungsstelle für soziale Dienstleistungen veranschaulicht. In Abbildung 20 spiegelt sich das Grundverständnis, dass professionelle Vernetzung und Koordination eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für – in Parallelität – mehrdimensionale bzw. intersektorale Hilfesettings darstellt.

Page 186: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 185

Vonnöten sind deshalb innovative Konzepte, die auch auf Seiten der Bür-ger/innen die Zugänglichkeit und Wahrnehmung von Hilfesettings beför-dern, in denen sich (inter)sektorale Hilfepotenziale ergänzend bzw. syner-getisch – in Parallelität – entfalten können, und in denen sich (in-ter)sektorale Hilfen nicht gegeneinander – in Kontrareität – ausgrenzen bzw. behindern. Eine als Hilfe für die Hilfen vor Ort konzipierte unabhängige Kundenbera-tung für soziale Dienstleistungen vertritt einen solchen innovativen Ansatz und ist in Anlehnung an BADURA (2005: 4) ein „Gebot der Humanität und der sozialwirtschaftlichen Vernunft“. Der Ansatz einer unabhängigen Kundenberatungsstelle für soziale Dienst-leistungen spannt einen kommunalen Rahmen sozialer Daseinsvorsorge auf, in dem auch das innovative Hilfekonzept Blended Help eine stringente Verortung finden kann. Blended Help offeriert im Rahmen gemeinnütziger Organisationen eben-falls – in Parallelität – intersektorale bzw. mehrdimensionale Hilfesettings und intendiert auf der Basis kunden(selbsthilfe)orientierter Organisations-und Leistungsprozesse bewältigungsoptimale Lösungen.

Page 187: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 186

Betroffenenselbsthilfe

SozialeArbeit

BürgerschaftlichesEngagement

Professionelle Vernetzung

Blended Help

Hilfe fürdie Hilfen

vor Ort

Mehrsektorales Hilfesetting

Betroffenenselbsthilfe

SozialeArbeit

BürgerschaftlichesEngagement

Professionelle VernetzungProfessionelle Vernetzung

Blended Help

Hilfe fürdie Hilfen

vor Ort

Mehrsektorales Hilfesetting

Abb.20: Hilfe für die Hilfen vor Ort Unabhängige Kundenberatungsstellen für soziale Dienstleistungen kön-nen als Hilfe für die Hilfen vor Ort im Leistungskontext sozialer Daseins-vorsorge mehrfache Innovationsbeiträge zur Erreichung der vorbenannten Zielsetzungen beisteuern. Insbesondere lassen sich hierbei nennen: 1. Die öffentliche Daseinsvorsorge umfasst ein breites Portfolio von Gü-tern und Dienstleistungen zur Sicherung des Gemeinwohls und der allge-

Page 188: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 187

meinen Lebensgrundlagen, die traditionell zu einem großen Teil von den Kommunen erbracht bzw. beauftragt werden (vgl. MAZZUCCO 2004: 71). Zur öffentlichen Daseinsvorsorge zählen aktuell u.a.: Abfallentsorgung, Bildungseinrichtungen, Gesundheitsdienste, öffentlicher Nahverkehr und Sozialdienste. Die Portfoliozusammensetzung und -realisierung vollzieht sich in gesellschaftlich-politischen Aushandlungsprozessen und unterliegt einer historischen Akzentuierung (vgl. HENNEKE 2009). Aktuelle Debatten wie beispielsweise zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf verändern die Ausgestaltung und Schwerpunktsetzung öffentlicher Daseinsvorsorge. In der Stellungnahme der Bundesregierung zum siebten Familienbericht wird hierzu ausgeführt, dass Familien heutzutage vor al-lem im kommunalen Kontext flankierende Dienstleistungen benötigen. „Der Ausbau vorschulischer Kinderbetreuung, insbesondere der unter Dreijährigen, die frühe Förderung der Kinder, die gute Beratung der Eltern, die Förderung von Kindern und Jugendlichen durch einen bedarfsgerech-ten Auf- und Ausbau ganztägiger schulischer Angebote, die Betreuung von alten Menschen und der Zusammenhalt unterschiedlicher Generatio-nen, die Entwicklung von flexiblen betrieblichen Angeboten in Kooperation mit den Gemeinden ebenso wie Familien unterstützende Dienstleistungen“ werden von der Bundesregierung dabei als vorrangig erachtet (BUNDES-REGIERUNG 2006: XXV). Aktuell ist die kommunale Daseinsvorsorge von verschiedenen Seiten un-ter Veränderungsdruck. Am Beispiel der Förderung des Bürgerschaftli-chen Engagements und des fortschreitenden europäischen Gemein-schaftsprozesses sollen Auswirkungen auf die soziale Daseinsvorsorge abgeleitet und in Bezug zum innovativen Ansatz einer unabhängigen Kun-denberatung für soziale Dienstleistungen gesetzt werden. Einhergehend mit der (weiteren) Förderung des bürgerschaftlichen Enga-gements fordert OLK (2007) von den Kommunen ein grundlegendes Um-denken. Kommunen sollen sich in der sozialen Daseinsvorsorge von ihrer Erbringungsfunktion verabschieden und eine Moderationsfunktion über-

Page 189: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 188

nehmen. Dieser Funktionswechsel soll – so OLK – eine kommunale Infrast-ruktur für mehr bürgerschaftliches Engagement schaffen. In der Debatte hinsichtlich der Stellung der kommunalen Daseinsvorsorge im fortschreitenden europäischen Gemeinschaftsprozess lässt sich der Veränderungskontext mit den beiden Schlagworten der Liberalisierung und Privatisierung markieren. In extenso beschreiben WAIZ (2009) und MAUCHER (2009) die europäischen Entwicklungslinien der sozialen und gesundheitsbezogenen Daseinsvorsorge (vgl. auch SCHULTE 2008; FAHLBUSCH 2008). Anhand der nachfolgenden Passage aus einem Interview mit dem Vorsit-zenden der High-Level-Group für Bürokratieabbau in Europa zum Einfluss der Europäischen Union auf die Ausgestaltung der öffentlichen Daseins-vorsorge lässt sich der diesem Veränderungskontext zugrunde liegende Grundkonflikt konkretisieren. „Soweit die Europäische Kommission die Daseinsvorsorge dem Wettbe-werb öffnen will, muss dies mehr als kritisch auf die Vereinbarkeit mit dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht hin überprüft werden. Das ist eine Daueraufgabe. Insbesondere die Trinkwasserversorgung als elementare Leistung für die Gemeinschaft muss in kommunaler Hand belassen wer-den, wenn dies national gewünscht wird. Aber auch in allen anderen Be-reichen der kommunalen Daseinsvorsorge hat sich die kommunale Auf-gabenträgerschaft hervorragend bewährt, seien es Abwasserentsorgung oder Energieversorgung, soziale oder kulturelle Aufgaben. Das heißt: An-forderungen aus Brüssel an Qualitäts- und Sicherheitsstandards in diesen Bereichen müssen streng am Grundsatz der Subsidiarität gemessen wer-den. Denn nicht jedes Problem in Europa ist ein Problem für Europa.“ (STOIBER 2008: 1) Mit dem Reformvertrag von Lissabon erfährt dieser Veränderungskontext eine Beruhigung, da der Grundsatz des subsidiären Vorranges der Kom-munen im Bereich der nicht ausschließlichen EU-Zuständigkeit festgehal-

Page 190: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 189

ten und ein Protokoll über die Dienste von allgemeinem Interesse (Da-seinsvorsorge) dem Vertragswerk beigefügt worden ist (vgl. STEGER 2009; VON DANWITZ 2009). Unabhängig von dieser europarechtlichen Fundierung kommunaler Da-seinsvorsorge lassen sich in der grenzüberschreitenden Sozialen Arbeit in Europa mithin Perspektiven finden, die kommunale Daseinsvorsorge ei-nem europäischen Wettbewerbsmarkt aussetzen könnten. MAUCHER (2002: 8) differenziert fünf Formen einer grenzüberschreitenden Sozialen Arbeit in Europa:

„1. Leistungsangebot eines Trägers im grenznahen Bereich in-nerhalb eines anderen EU-Mitgliedslandes, ohne dort jedoch über eine eigene Niederlassung zu verfügen;

2. Nachfrage nach sozialen Diensten in einem anderen EU-Mitgliedsland, die von örtlichen Diensten oder Einrichtungen erbracht werden – damit i.d.R. auch durch Fachpersonal, das die berufliche Qualifikation nicht im Wohnsitzland des Nut-zers erworben bzw. die amtlichen Zulassung nicht dort er-langt hat;

3. Gründung von Tochtergesellschaften in einem anderen Land;

4. Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften seitens ei-nes inländischen Trägers;

5. Zusammenarbeit über zentrale Behörden/Fachstellen auf Basis bilateraler Abkommen bzw. internationaler Konventio-nen.“

BAUER (2002) konkretisiert anhand verschiedener Szenarien diese gren-züberschreitenden Formen einer Sozialen Arbeit in Europa. Dabei lässt sich unschwer erkennen, dass einer grenzüberschreitenden Sozialen Ar-beit in Europa nicht nur unter monetären Gesichtspunkten gute Zukunfts-prognosen eingeräumt werden können, sondern dass eine grenzüber-

Page 191: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 190

schreitende Soziale Arbeit auch der fortschreitenden Europäisierung des alltäglichen Lebens entspricht. DÖVELIN (2002: 184) bestätigt diese Einschätzung, indem er berichtet, dass vor allem in den Grenzregionen „vielfach schon seit langem ein eu-ropäischer Alltag geübt [wird], der Vorbild für die Entwicklung Europas in-sgesamt sein kann.“ (vgl. auch KUSCHE 2009; KROLZIK 2008) Eine expansive grenzüberschreitende Soziale Arbeit in Europa könnte somit eine „Hintertüre“ zu einer Europäisierung kommunaler Daseinsvor-sorge öffnen. Diese beiden ausgewählten Veränderungskontexte sozialer Daseinsvor-sorge einhergehend mit den beiden dieser Dissertation zugrunde gelegten Trends der (zunehmenden) Marktökonomisierung und der Betroffenen-selbsthilfeengagementisierung führen zu der begründeten Annahme, dass soziale Daseinsvorsorge (weiterhin) von einem hohen Maß an Heterogeni-tät und Dynamik geprägt sein wird. Aus Sicht von hilfesuchenden und hilfenehmenden Bürger/innen ist die beschriebene Heterogenität und Dynamik unter dem Gesichtspunkt der Zugänglichkeit und der Transparenz als schwierig zu betrachten. Eine unabhängige Kundenberatungsstelle für soziale Dienstleistungen kann hilfesuchende und hilfenehmende Bürger/innen mittels ihrer Leuch-tturm- und Portalfunktion unterstützen. Leuchtturmfunktion bedeutet, dass die unabhängige Kundenberatung für soziale Dienstleistungen als systemübergreifende Einrichtung einen er-kennbaren Zugang in das System der heterogenen und dynamischen Da-seinsvorsorge offerieren kann. Als systemübergreifende Einrichtung der sozialen Daseinssorge verfügt die unabhängige Kundenberatung für so-ziale Dienstleistungen über ein Alleinstellungsmerkmal für eine exponierte öffentliche Außenwahrnehmung. Die unabhängige Kundenberatung für soziale Dienstleistungen kann in ih-rer öffentlichkeitswirksamen Leuchtturmfunktion hilfesuchenden und hilfe-

Page 192: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 191

nehmenden Bürger/innen einen Haupteingang in das kommunale System der sozialen Daseinsvorsorge weisen. Nachdem sich Haupteingänge im Allgemeinen gegenüber Nebeneingän-gen durch eine höhere Zugangsfrequenz auszeichnen, können hilfesu-chende und hilfenehmende Bürger/innen im dortigen Zugang mittels wei-terer Portalfunktionen unterstützt werden. Der Zugang über die unabhängige Kundenberatungsstelle als Hauptein-gang in das kommunale System der sozialen Daseinsvorsorge bietet hilfe-suchenden und hilfenehmenden Bürger/innen in seinen weiteren Portal-funktionen neben einer allgemeinen navigatorischen Hilfe für die Hilfen vor Ort weitere optionale Hilfeleistungen. Das Portalangebot an optionalen Hilfen zielt vorrangig darauf, Bür-ger/innen in ihrer Kunden- bzw. Klientensouveränität zu stärken, den Auf-wand für die Suche nach den passenden Hilfen zu minimieren, allgemeine Fragen zur sozialen Daseinsvorsorge zu beantworten sowie Irrwegen und Sackgassen im Hilfensuchen vorzubeugen. Aufgrund des von der unabhängigen Kundenberatungsstelle unterstützten Zugangs lassen sich i.d.R. Einspareffekte gegenüber einer verspäteten oder umwegbehafteten sowie mangelhaften Inanspruchnahme sozialer Dienstleistungen erzielen. 2. Soziale Daseinsvorsorge entfaltet sich im neuen Welfare Mix idealiter als ein intersektorales Hilfesetting. Für hilfesuchende und hilfenehmenden Bürger/innen hat die anvisierte Intersektoralität in der sozialen Daseins-vorsorge zur Folge, dass sie mit wechselnden teils divergierenden Status-zuschreibungen und -interpretationen beispielsweise als Betroffene, Bür-ger/in mit Hilfebedarf, Hilfenehmer/in, Klient/in, Konsument/in, Koprodu-zent/in, Leistungsempfänger/in, Nutzer/in oder als Verbraucher/in konfron-tiert sind. Die unabhängige Kundenberatung für soziale Dienstleistungen berät Bür-ger/innen im Umgang mit dieser Status- und Interpretationsvielfalt und un-

Page 193: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 192

terstützt sie in ihren Entwicklungsprozessen zu einem eigenen Selbstver-ständnis. Auf der Basis eines solchen eigenen Selbstverständnisses lassen sich i.d.R. Zugänge zu Hilfen bewusster finden und mangelhafte Hilfen leichter anmahnen. 3. Hilfen sozialer Daseinsvorsorge, die auf dem Grundsatz einer Hilfe zur Selbsthilfe basieren, arrangieren sich unzureichend, wenn sie sich ledig-lich auf ethische, methodologische oder intentionale Programmatiken bzw. Konzeptionen stützen und formal-rechtliche Statusfragen ausblenden. Der Innovationsansatz der unabhängigen Kundenberatung für soziale Dienstleistungen zielt auf eine Stärkung der Souveränität von hilfesuchen-den und hilfenehmenden Bürger/innen im System sozialer Daseinsvorsor-ge. Das Angebotsspektrum der unabhängigen Kundenberatung für soziale Dienstleistungen definiert sich am Paradigma einer Hilfe zur Selbsthilfe als eine elementare Ressource für den Prozess einer Hilfe zur Selbsthilfe. Zielsetzung ist es, hilfesuchenden und hilfenehmenden Bürger/innen wich-tige Hintergrundinformationen zu vermitteln, damit bereits im Hilfeprozess die formal-rechtlichen Grundlagen für eine Hilfe zur Selbsthilfe gegeben sind. Denn: „Rechte ohne Ressourcen zu besitzen,“ – ist nach RAPPAPORT (1985: 268) – „ein grausamer Scherz.“ Anhand der nachfolgenden beiden Praxissequenzen lässt sich veran-schaulichen, dass ohne diese formal-rechtlichen Grundlagen einer Kun-den- bzw. Klientensouveränität die Gefahr besteht, dass Hilfeprozesse zur Selbsthilfe unterlaufen oder missbraucht werden. Udo Teichmann (Name geändert) konnte, nachdem er arbeitslos wurde, seine monatlichen Ratenzahlungen nicht mehr leisten. Da Udo Teichmann (Name geändert) fälschlicherweise davon ausging, bald wieder eine neue Arbeitsstelle zu finden, schloss er mit Hilfe seiner Sozialarbeiterin eine au-ßergerichtliche Vereinbarung, die vorsah, dass er für die Zeit seiner Ar-

Page 194: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 193

beitslosigkeit reduzierte, aber gemessen an seinem Arbeitslosengeld den-noch relativ hohe Ratenzahlungen leistet. Udo Teichmann (Name geändert) erzählt: „Bald schon merkte ich, dass die Vergleichsraten viel zu hoch waren. Wenn alles glatt lief, reichte mein Geld bis zum 20. eines Monats. Wenn etwas Unvorhergesehenes eintrat, hatte ich bereits am 15. eines Monats kein Geld mehr zum Leben zur Ver-fügung. Auf meine Klagen und Bitten, die Vergleichsraten zu reduzieren, entgeg-nete meine Sozialarbeiterin immerzu, dass ich lernen müsste, übernom-mene Verantwortlichkeiten auch einzuhalten. Und wenn es mal ganz schlimm war und ich die Zahlung der Vergleichsraten einstellen wollte, dann drohte sie, die Beratung abzubrechen. 27 Monate musste ich das durchhalten mit Hunger und Schnorren, dann hatte ich meine Schulden komplett abbezahlt. Bei einer beruflichen Trainingsmaßnahme der Agentur für Arbeit hatte ich auch Unterricht zu allgemeinen Themen. Dabei erfuhr ich im Nachhinein, dass ich die Vergleichsraten gar nicht hätte zahlen müssen, da es pfän-dungsfreie Einkünfte gibt und mir nach Abzug der Vergleichsraten nicht mal das Existenzminimum geblieben ist. Vor der Trainingsmaßnahme war ich meiner damaligen Sozialarbeiterin echt dankbar, dass sie mich zum Durchhalten bewegt hat. Im Durchhalten bin ich nicht sonderlich gut. Da war es schon irgendwie ein tolles Gefühl, es trotz Hunger und Schnorrenmüssens geschafft zu haben. Aber jetzt, wo ich weiß, dass es das ganze Hungern und Schnorren gar nicht gebraucht hätte, bin ich nur mehr gefrustet.“ Nina Rieger (Name geändert): „Als allein erziehende berufstätige Mutter zweier Kinder weiß ich das bürgerschaftliche Engagement von Rudolph Bichler (Name geändert) als Ersatzopa wirklich zu schätzen. Ohne einen Ersatzopa vom Seniorenbüro würde es zeitlich hinten und vorne nicht klappen. Und für meine beiden Jungs ist es sicherlich auch gut, dass sie eine männliche Bezugsperson haben.

Page 195: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 194

Ich weiß auch nicht, wie ich es richtig sagen soll, er bekommt für sein En-gagement ja auch kein Geld, aber manchmal nimmt sich Rudolph Bichler (Name geändert) Dinge raus, die zweifeln lassen, ob es richtig ist, so je-manden meine Kinder anzuvertrauen. Beispielsweise wirft er Mittagessen, das ich für die Kinder vorbereite, in den Müll und kocht neu, da er der Auf-fassung ist, dass Kinder in der Wachstumsphase viel Fleisch essen müs-sen.“ Die beiden vorangegangen Praxissequenzen illustrieren Schwierigkeiten im Hilfeverlauf, die von der Asymmetrie zwischen hilfenehmender und hil-fegebender Person befördert werden. Die unabhängige Kundenberatung für soziale Dienstleistungen informiert hilfesuchende und hilfenehmende Bürger/innen über ihre Rechte und Pflichten und leistet damit einen prophylaktischen Beitrag zu einem gelin-genden Hilfeverlauf bzw. zu einem angemessenen Umgang mit eventuel-len Mängeln und Schwierigkeiten. Hinsichtlich eines gelingenden Hilfeverlaufs kann die unabhängige Kun-denberatungsstelle weiter als Zweitmeinungsgeber fungieren. Das Einho-len einer fachlichen Zweitmeinung (second Opinion) kann im Sinne einer Vergewisserung über eine anstehende bzw. laufende Hilfemaßnahme ver-standen werden und stärkt die Souveränität von hilfesuchenden bzw. hil-fenehmenden Bürger/innen im System sozialer Daseinsvorsorge. Das Einholen einer fachlichen Zweitmeinung ist vor allem von Patien-ten/innen im Gesundheitswesen bekannt. Im System sozialer Daseinsvor-sorge stellt es keine übliche kunden- bzw. klientenseitige Vorgehensweise dar. Der Ansatz einer unabhängigen Kundenberatungsstelle involviert die Ge-legenheit, das kunden- bzw. klientenseitige Einholen einer fachlichen Zweitmeinung im System der sozialen Daseinsvorsorge zu etablieren. Eine Etablierung dieser kunden- bzw. klientenseitigen Vorgehensweise fundiert das Paradigma einer Hilfe zur Selbsthilfe in seinem formal-

Page 196: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 195

rechtlichen Umsetzungsgehalt und stärkt damit die Kunden- bzw. Klien-tensouveränität im System sozialer Daseinsvorsorge. Diese Stärkung der Kunden- bzw. Klientensouveränität lässt weiter insbe-sondere auch einen positiven Impuls für eine qualitative Fortentwicklung des bürgerschaftlichen Engagements in der sozialen Daseinsvorsorge er-warten. Dieser Impuls erscheint sowohl im Leitbild der Kunden- bzw. Klientensou-veränität als auch der Kunden(selbsthilfegruppen)orientierung überfällig und begründet sich in dem Umstand, dass bei der Förderung des Bürger-schaftlichen Engagements hilfesuchende und hilfenehmende Bürger/innen keine entsprechende Beachtung finden, wenn sie denn nicht bürgerschaft-lich engagiert sind. Warum dem so ist, darüber können nachfolgende Ansätze einen Hinweis liefern. JAKOB (2009: 21) sieht die Förderung bürgerschaftlichen Engagements zum einen auf die quantitative Ausweitung bürgerschaftlichen Engage-ments und zum anderen auf die Instrumentalisierung bürgerschaftlichen Engagements für die Erreichung politischer Zielsetzungen fokussiert. Eine unmittelbare Orientierung an den hilfesuchenden bzw. hilfenehmen-den Bürger/innen als explizite Adressaten/innen bürgerschaftlichen Enga-gements im Engagementbereich sozialer Daseinsvorsorge ist in den Ziel-setzungen zur Förderung bürgerschaftlichen Engagements ebenso wenig wie im eingangs dieses Kapitel bereits zitierten Freiwilligensurvey 1999 zu erkennen. ALSCHER ET AL. (2009: 5) benennen in der Einleitung des Berichts zur Lage und zu den Perspektiven des bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland gute Rahmenbedingungen, effiziente Strukturen sowie erfolg-reiche Kooperationen und Vernetzungen als Kriterien für eine nachhaltige Förderung bürgerschaftlichen Engagements und blenden hilfesuchende und hilfenehmende Bürger/innen als explizite Adressaten/innen bürger-

Page 197: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 196

schaftlichen Engagements im Engagementbereich sozialer Daseinsvor-sorge aus. In ihren weiteren Berichtsausführungen resümieren ALSCHER ET AL. (2009: 16), dass „[…] dem bürgerschaftlichen Engagement eine ausgeprägte Multifunktionalität zugewiesen [wird].“ Diese Multifunktionalität führt zu einem bunten Engagement-Potpourri, das von Übungsleitersein im Sportverein, herbstlichen Mülleinsammelaktionen im Landschaftsschutzgebiet über das Schreiben von Menschenrechtsbrie-fen und die elterliche Mithilfe bei Klassenausflügen bis hin zum Ret-tungsschwimmertum bei der Wasserwacht, der Sterbebegleitung im Hos-piz oder der Betreuung minderjähriger Flüchtlingskinder, (…) reicht. In dieser heterogenen Engagement-Vielfalt lässt sich vermuten, könnte ein Verhinderungsgrund für eine adäquatere Berücksichtung hilfesuchender bzw. hilfenehmender Bürger/innen als Adressaten/innen bürgerschaftli-chen Engagements liegen, in dem es diese Vielfalt einfach unmöglich macht(e), die Adressaten detaillierter benennen zu können. Im Duktus dieser begründeten Vermutung argumentieren ALSCHER ET AL. (2009: 22), wenn sie konstatieren, dass im Kontext von Familie bis dato Engagement-Aspekte ausgeblendet bleiben, und „[…] hier deshalb eine komplexere Betrachtungsweise, die Familien als Empfänger, Geber und Lernort von bürgerschaftlichem Engagement betrachtet, [erforderlich wä-re].“ Aus Praxiserfahrungen des Autors ist die Forderung eines vielschichtigen Analyseblicks auf das bürgerschaftliche Engagement nicht auf den Kon-text von Familie zu begrenzen, sondern auf das gesamte Engagement-Spektrum in der sozialen Daseinsvorsorge. Die eingangs von GENSICKE (2005) zitierte Synonymisierung von freiwilli-gem Engagement mit bürgerschaftlichem Engagement erweist sich in der Praxis sozialer Daseinsvorsorge in zweierlei Hinsicht als brüchig.

Page 198: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 197

Erstens, weil die Frage von MÜLLER (1998), ob helfen darf, wer helfen will?“ für den Engagement-Bereich der sozialen Daseinsvorsorge noch nicht ausreichend beantwortet ist. Und zweitens, weil die Top-Drei „Engagement muss Spaß machen“, „Sympathische Menschen treffen können“ und „Menschen helfen können“ im Ranking der Erwartungen von freiwillig engagierten Bürger/innen an bürgerschaftliches Engagement (GENSICKE 2005: 102) in der Praxis leicht zu einem Spannungs- oder gar Konfliktverhältnis mutieren kann. Die Negativfolgen eines bürgerschaftlichen Engagements, das die Inter-essen, Bedürfnisse und Rechte von hilfesuchenden bzw. hilfenehmenden Bürger/innen negiert, veranschaulichen STUMMBAUM und STEIN (2009) an-hand von Engagement-Beispielen aus dem intergenerativen Bereich. Anhand des nachfolgenden Beispiels veranschaulichen sie, dass profes-sionelle Einrichtungen bei Problemen in bürgerschaftlich engagierten Hil-feprozessen vielfach aufgrund von Eigeninteressen nur bedingt die Inter-essen, Bedürfnisse und Rechte hilfesuchender bzw. hilfenehmender Bür-ger/innen unterstützen bzw. vertreten. „Der 74-jährige Heimbewohner Karl Berger (Name geändert) ist seit einem wiederholten Schlaganfall vor drei Jahren kaum mehr fähig zu sprechen und an den Rollstuhl gebunden. Der ehemalige Gärtner verbrachte früher jede freie Minute in den umliegenden Parkanlagen. Seit seinem letzten Schlaganfall kann er das Heim allerdings nicht mehr alleine verlassen. Als vor knapp einem Jahr eine Beauftragte für Bürgerschaftliches Enga-gement im Altenheim eingesetzt wurde, wird Karl Berger kurze Zeit später der 18-jährige Jens Lauber (Name geändert) als Freizeitbetreuer zuge-wiesen, mit dem er seither alle vier bis sechs Wochen einen nachmittägli-chen Ausflug in einem nahe liegenden Park unternimmt. Eines Tages wird aufgrund eines Zufalls bekannt, dass Jens Lauber (Na-me geändert) die gemeinsame Zeit mit Karl Berger (Name geändert) nicht im Park, sondern in einem umliegenden Einkaufscenter verbringt. Jens Lauber (Name geändert) rechtfertigt sich, indem er darauf verweist, dass

Page 199: Dokument_44.pdf (1384 KB)

6. Blended Help: Eine vertiefende Kontextuierung 198

er keinen Bock hat auf Parkspaziergänge, und dass Karl Berger (Name geändert) doch überhaupt froh sein müsste, aus dem Heim heraus zu-kommen. Die Beauftragte für Bürgerschaftliches Engagement im Altenheim äußert kurz ihre Missstimmung, duldet aber letztlich das Vorgehen von Jens Lau-ber (Name geändert), da sie froh ist, überhaupt jemanden zu haben, der sich regelmäßig im Heim bürgerschaftlich engagiert.“ (STUMMBAUM & STEIN 2009: ). Vor diesem skizzierten Hintergrund kommt einer unabhängigen Kunden-beratung für soziale Dienstleistungen die wichtige Funktion zu, hilfesu-chende und hilfenehmende Bürger/innen als Adressaten/innen bzw. Emp-fänger/innen bürgerschaftlichen Engagements in ihren Interessen, Bedürf-nissen und Rechten zu unterstützen. Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass der Ansatz einer unab-hängigen Kundenberatung für soziale Dienstleistungen ein vielfaches In-novationspotenzial entfalten kann. Mittels einer im Kommunalkontext sozialer Daseinsvorsorge verorteten unabhängigen Kundenberatung, welche kundenseitig Parallelitätsszena-rien intersektoraler Hilfeprozesse von Sozialer Arbeit, Bürgerschaftlichem Engagement und explizit Betroffenselbsthilfe befördert, lassen sich im All-gemeinen die Zugänglichkeitsbedingungen in das System sozialer Da-seinsvorsorge optimieren und im Besonderen affine Rahmenbedingungen für das innovative Konzept Blended Help schaffen.

Page 200: Dokument_44.pdf (1384 KB)

7. Zusammenfassung 199

7. Blended Help: Eine kompakte Zusammenfassung

Die Geschichte der aktuellen Selbsthilfebewegung gliedert MATZAT (1997) überblicksartig in fünf Entwicklungsepochen (siehe nachfolgende Abbil-dung 21). Diese fünf Entwicklungsepochen, die den Entwicklungszeitraum bis 1997 in die Phasen der Ignoranz, des Widerstands, der Akzeptanz, der Institutionalisierung und der Finanzierung untergliedern, formulieren sich aus einer Außensicht und beschreiben, wie der aktuellen Selbsthilfebewe-gung jeweils von gesellschaftlicher und politischer Seite begegnet worden ist.

Ignoranzbis 1977

Widerstandbis 1982

Institutionalisierungbis 1992

Akzeptanzbis 1987

Finanzierungbis 1997

SELBSTHILFEUNTERSTÜTZUNG

Anerkennungbis 2002

Kooperationbis 2007

Diversifikation

Ignoranzbis 1977

Widerstandbis 1982

Institutionalisierungbis 1992

Akzeptanzbis 1987

Finanzierungbis 1997

SELBSTHILFEUNTERSTÜTZUNG

Anerkennungbis 2002

Kooperationbis 2007

Diversifikation

Abb. 21: Entwicklungsphasen der aktuellen Selbsthilfebewegung und Selbsthilfeunterstützung GEENE ET AL. (2009) wiederum markieren die Geschichte der aktuellen (gesundheitsbezogenen) Selbsthilfebewegung anhand von vier Entwick-lungswellen. Diese vier Entwicklungswellen formen sich aus einem Ge-menge epochaler Trends und Ereignisse und werden primär im Fokus ge-sundheitsbezogener Betroffenenselbsthilfe schlaglichtartig als

Page 201: Dokument_44.pdf (1384 KB)

7. Zusammenfassung 200

1. „Antwort auf soziale Ausgrenzung und medizinische Vernachlässi-gung“ (GEENE ET AL. 2009: 11),

2. Expansion und gesellschaftliche Utopien, 3. „Antwort auf die Vernachlässigung der psychosozialen Aspekte und

Zeichen eines emanzipatorischen Aufbruchs“ (GEENE ET AL. 2009: 12) und

4. Ausweitung gesundheitspolitischer Aufgabenbereiche „auf die Ge-staltung des sozialen Lebens und der ökologischen Verhältnisse“ (GEENE ET AL. 2009: 12)

benannt. GEENE ET AL. (2009: 13) betonen, dass sich aktuell eine weitere fünfte Entwicklungswelle anbahnt, deren Vorläufer jedoch noch keine inhaltliche Ausrichtung eindeutig erkennen lassen. Als mögliche inhaltliche Ausrich-tungen dieser nahenden fünften Entwicklungswelle der aktuellen Selbsthil-febewegung nennen GEENE ET AL. (2009: 14) eine sich verändernde En-gagementkultur, die Verlagerung von Informationsgewinnungsprozessen ins Internet sowie die Tendenzen einer Ausdifferenzierung der Betroffe-nenselbsthilfe. Die in Abbildung 21 hinzugefügten drei Entwicklungsetappen aktualisieren die Entwicklungsabfolge von MATZAT (1997) und stellen die derzeitige Be-troffenenselbsthilfe unter den Leitbegriff der Diversifikation. Diversifikation bedeutet, dass neue Sparten von Betroffenenselbsthilfe wie beispielswei-se die Familienselbsthilfe (vgl. etwa GERZER-SASS & ERLER 1999), die Pflegeselbsthilfe (vgl. etwa STUMMBAUM & STEIN 2009) und die soziale Selbsthilfe (vgl. etwa STUMMBAUM 2007) etabliert werden. Aus den vorangegangenen Überblicksdarstellungen lässt sich unschwer erkennen, dass die aktuelle Selbsthilfebewegung über die zurückliegen-den Jahrzehnte einem dynamischen Wandel unterworfen war.

Page 202: Dokument_44.pdf (1384 KB)

7. Zusammenfassung 201

Dieser Wandel betrifft sowohl die gesellschaftlichen und politischen Kon-textbedingungen und Anforderungen als auch die thematischen und teleo-logischen Ausrichtungen von Betroffenenselbsthilfeengagement. Im Vergleich hierzu erscheint der Weiterentwicklungsgrad professioneller Selbsthilfeunterstützung sowohl in Dynamik als auch Ausmaß weit hinter der Entwicklung der Betroffenenselbsthilfe zurück geblieben (siehe auch Abbildung 21). Selbsthilfekontaktstellen als zentrales Organisationsmodell professioneller Selbsthilfeunterstützung fundierten ihren konzeptionellen Grundstock mit-tels zweier Modellprogramme des Bundesministeriums für Familie, Senio-ren, Frauen und Jugend. Mit dem von 1987 bis 1991 laufenden Bundesmodellprogramm „Informati-ons- und Unterstützungsstellen für Selbsthilfe in den alten Bundesländern“ sowie mit dem von 1992 bis 1996 laufenden Bundesmodellprogramm „Förderung sozialer Selbsthilfe in den neuen Bundesländern“ wurden Selbsthilfekontaktstellen als bevorzugtes Organisationsmodell professio-neller Selbsthilfeunterstützung propagiert (vgl. BORGETTO 2004: 144ff; BRAUN & OPIELKA 1992). MATZAT (2006: 228) fasst die Ergebnisse dieser beiden Bundesmodellprogramme zusammen (vgl. auch BRAUN, KETTLER &

BECKER 1997) und formuliert pathetisch: „Kontaktstellen sind demnach der Königsweg einer Förderung des Selbsthilfegruppen-Engagements.“ BOR-

GETTO (2004: 147) relativiert die Aussagekraft der Evaluationsergebnisse, indem er anmerkt, dass „die Befragungen im Rahmen des Modellprog-ramms der Bundesregierung eindrucksvolle Zahlen zum Wachstum und der Entwicklung der Selbsthilfebewegung hervorgebracht [haben]. Unklar ist jedoch geblieben, wie groß der Einfluss der Selbsthilfekontaktstellen auf diese Entwicklung ist, da Zahlen aus Vergleichsregionen ohne Selbst-hilfekontaktstellen fehlen.“ Eine aktuelle Erhebung unter den Selbsthilfekontaktstellen und Selbsthil-feunterstützungseinrichtungen liefert einen weiteren Hinweis darauf, dass

Page 203: Dokument_44.pdf (1384 KB)

7. Zusammenfassung 202

der Aussagewert der Evaluationsergebnisse der beiden Bundesmodell-programme zu hinterfragen ist. Nach dieser Erhebung der NATIONALEN KONTAKT- UND INFORMATIONSSTELLE

ZUR ANREGUNG UND UNTERSTÜTZUNG VON SELBSTHILFEGRUPPEN (NAKOS) (2008) unterstützten die 273 Selbsthilfekontaktstellen und Selbsthilfeun-terstützungseinrichtungen im Jahre 2007 deutschlandweit 40.677 der schätzungsweise 100.000 Selbsthilfegruppierungen. Vor diesem Zahlen-hintergrund sind die von BORGETTO (2004: 147) in Zweifel gezogenen Eva-luationsergebnisse der beiden Bundesmodellprogramme durchaus zu re-lativieren. Es ist insbesondere zu hinterfragen, inwieweit die bestehenden Selbsthilfekontaktstellen und Selbsthilfeunterstützungseinrichtungen die Expansion der Betroffenenselbsthilfe befördert haben bzw. ob nicht eher die expandierende Betroffenenselbsthilfe die Etablierung von Selbsthilfe-kontaktstellen und -unterstützungseinrichtungen angeschoben hat. Unabhängig von diesen noch ungeklärten Fragestellungen zeigt sich hin-sichtlich der expandierenden Entwicklung der Betroffenenselbsthilfe(unter-stützung) eine starke Gesundheitslastigkeit (vgl. etwa STUMMBAUM 2007). Nach MATZAT (2006: 226) sind „etwa 75 Prozent aller Selbsthilfegruppen […] dem Gesundheitsbereich […] zuzuordnen.“ SCHILLER (2008: 6) konsta-tiert mit Blick auf die Etablierung der gesundheitsbezogenen Betroffenen-selbsthilfe, „dass dieser unbestreitbare Erfolg auf Kosten der Vernachläs-sigung der sozialen Betroffenenselbsthilfe seitens der Selbsthilfeunterstüt-zung erzielt worden ist.“ Weiter ist kritisch anzumerken, dass es vor dem Hintergrund gerechter Teilnahmechancen an der Betroffenenselbsthilfe (vgl. etwa NAKOS 2009; BORGETTO & KOLBA 2008; BRÖMME & STRASSER 2001; EHRLINGHAGEN ET AL 1999) an differenzierteren und ggf. auch intensivierten Formen professio-neller Selbsthilfeunterstützung für marginalisierte bzw. sozial benachteilig-te Bevölkerungsgruppen fehlt. Bis dato scheint professionelle Selbsthilfeunterstützung jedoch noch (zu sehr) am Gründungsmythos der professionellen Abstinenz verfangen.

Page 204: Dokument_44.pdf (1384 KB)

7. Zusammenfassung 203

KICKBUSCH (1981: 15) bestimmt in Anlehnung an FREIRE (1980) das An-forderungsprofil für eine Zusammenarbeit von Betroffenenselbsthilfe und professioneller Selbsthilfeunterstützung als einen Prozess gegenseitiger Hilfen. „Denn nur in einer solchen Praxis, in der die Helfer und die, denen geholfen wird, sich gleichzeitig gegenseitig helfen, verkehrt sich der Akt der Hilfe nicht in die Herrschaft über den, dem geholfen wird.“ (FREIRE 1980: 14; zitiert nach KICKBUSCH 1981: 12). In der Normativität dieses Hilfeverständnisses, welches das Selbsthilfe-gruppierungen immanente Prinzip der Reziprozität auch für professionelle Hilfeleistungen zugrunde legt, werden Hilfesuchende ausgegrenzt, die nicht über die entsprechenden Fähigkeiten verfügen (können), ihrerseits Hilfe zurückzugeben. GREIWE (2008: 1) stellt in diesem Zusammenhang fest, dass von profes-sioneller Selbsthilfeunterstützung „fast immer ein besonderer Nachweis der Selbsthilfefähigkeit der Betroffenen vorausgesetzt [wird].“ Professio-nelle Selbsthilfeunterstützung übernimmt damit eine Art von „Türsteher-funktion“ und selektiert zwischen voraussetzungsstarken und vorausset-zungsschwachen hilfesuchenden Bürger/innen. Das innovative Konzept Blended Help greift diese Missstände auf und eröffnet Kunden/innen der Sozialen Arbeit einen begleiteten Zugang in die Betroffenenselbsthilfe. Auch hinsichtlich der von GEENE ET AL. (2009) benannten möglichen The-menstellungen einer sich anbahnenden fünften Entwicklungswelle der ak-tuellen Selbsthilfebewegung kann Blended Help Innovationspotenzial ent-falten. Die benannten Veränderungen in der Engagementkultur lassen sich unter dem Aspekt der Eventisierung kurz erläutern. Eventisierung umschreibt eine allgemeine Tendenz, in Aktionen, Investments und Vereinbarungen Kurzfristigkeit und Unverbindlichkeit gegenüber Langfristigkeit und Ver-bindlichkeit zu präferieren. Für die Betroffenenselbsthilfe hat dieses mitunter zur Folge, dass neue Teilnehmer/innen von Selbsthilfegruppierungen nicht mehr an einem län-

Page 205: Dokument_44.pdf (1384 KB)

7. Zusammenfassung 204

gerfristigen, sondern nur mehr an einem kurzfristigeren Selbsthilfeenga-gement interessiert sind. Über die Neukonfiguration von Betroffenenselbsthilfe als Kundenselbst-hilfegruppe inszeniert Blended Help einen formalen Rahmen, der ein kurz-fristigeres Selbsthilfegruppenengagement dezidiert vorsieht. Auch hinsichtlich der beiden weiteren möglichen Themenausrichtungen der sich anbahnenden fünften Welle der aktuellen Selbsthilfebewegung kann Blended Help innovative Beiträge leisten. Blended Help trägt zu ei-ner Ausdifferenzierung sowohl hinsichtlich der Anlässe und Mitglieder-strukturen als auch der Verlaufs- und Unterstützungsformen von Betroffe-nenselbsthilfe bei. Als eine begleitete Form der Betroffenenselbsthilfe können Kundenselbsthilfegruppierungen in gewissem Umfang vorgeplant werden, so dass moderne Kommunikations- und Informationsmedien wie das Internet entsprechend der Teilnehmerplanungen im Engagementver-lauf berücksichtigt bzw. ausgeschlossen werden können. Zusammenfassend lässt sich an dieser Stelle konstatieren, dass Blended Help einen innovativen Beitrag zu den Diskursen gegenwärtiger und zu-künftiger Selbsthilfeunterstützung leistet. Die vorliegende Dissertationsschrift wendet sich dem innovativen Konzept Blended Help in zehn Kapiteln zu. Die Kapitelstruktur visualisiert sich in der nachfolgenden Abbildung 22.

Page 206: Dokument_44.pdf (1384 KB)

7. Zusammenfassung 205

Kap

itel1 u

nd

2

Kap

itel8 u

nd

9

Kapitel 4 und 5

Kapitel 3

Kapitel6 und 7

Kap

itel1 u

nd

2

Kap

itel8 u

nd

9

Kapitel 4 und 5

Kapitel 3

Kapitel6 und 7

Abb. 22: Kapitelstruktur der Dissertationsschrift In den Kapiteln 1 und 2 werden die beiden Basistrends der Marktökonomi-sierung und der Betroffenenselbsthilfeengagementisierung vorgestellt. Es wird gezeigt, dass diese beiden Basistrends ein Spannungsfeld aufbauen, in dem Soziale Arbeit oszillierend zwischen den beiden Spannungspolen eine Positionsbestimmung versucht. Mit dem innovativen Konzept Blended Help findet dieses Spannungsfeld seine Auflösung und weist in der Verschränkung von Marktökonomisie-rung und Betroffenenselbsthilfeengagement einen Weg, der gleichwohl unter marktökonomischen und betroffenenselbsthilfebezogenen als auch fachlichen Gesichtspunkten zu überzeugen weiß. Das innovative Konzept Blended Help findet seinen Ausgangspunkt in der Weiterentwicklung des sozialrechtlichen und in der Sozialen Arbeit gängi-gen Grundsatzes „Hilfe zur Selbsthilfe“. In der Weiterentwicklung dieses

Page 207: Dokument_44.pdf (1384 KB)

7. Zusammenfassung 206

Grundsatzes in eine die individuelle als auch die kollektive Selbsthilfe glei-chermaßen betonende Version bildet sich das Fundament für das innova-tive Konzept Blended Help.

In Kapitel 3 werden die beiden in den Vorkapiteln skizzierten Basistrends der Marktökonomisierung und der „Betroffenenselbsthilfeengagementisie-rung“ einer vertiefenden Erörterung zugeführt. In einem ersten Schritt werden das „Soziale“ in einer von gesundheitsbe-zogenen Selbsthilfegruppierungen dominierten Betroffenenselbsthilfe identifiziert und gezeigt, dass soziale Selbsthilfegruppierungen und die Be-troffenenselbsthilfe von sozial benachteiligten Bürger/innen ein brachlie-gendes postmodernes Potenziale innehaben. In einem zweiten Schritt wird anhand eines soziologischen Exkurses in die gesundheitsbezogene Betroffenenselbsthilfe herausgearbeitet, dass die beiden Basistrends der Marktökonomisierung und der „Betroffenenselbst-hilfeengagementisierung“ in einem korrespondierenden Bezugsverhältnis stehen. Dieses korrespondierende Bezugsverhältnis bildet die Basis für eine ver-änderte Sicht auf die (zunehmende) Marktökonomisierung Sozialer Arbeit. Anhand dieser neu eingeführten Sichtweise erschließt sich für die Soziale Arbeit eine marktökonomische Positivperspektive, die mit dem innovativen Konzept Blended Help aufgegriffen wird. In den Kapiteln 4 und 5 werden in Konkretisierung der vorangegangenen Ausführungen anhand einer so genannten 4-K-Systematik die marktöko-nomischen Potenziale einer unmittelbaren Bezugnahme auf Betroffenen-selbsthilfe erörtert. Anhand der vier Systemfelder der Kommunikation, Konsultation, Koopera-tion und Koproduktion lässt sich der Innovationsgehalt von Blended Help differenzieren.

Page 208: Dokument_44.pdf (1384 KB)

7. Zusammenfassung 207

Im Systemfeld der Koproduktion lassen sich die größten und am weitest reichenden Innovationspotenziale identifizieren. Um diese Innovationspo-tenziale generieren zu können, bedarf es allerdings einer Neukonfiguration von Betroffenenselbsthilfe. Mit der Einführung der so genannten Kundenselbsthilfegruppen ist eine solche neue Form der Betroffenenselbsthilfe konfiguriert. Kundenselbsthilfegruppen stellen den Ort und das Medium dar, um Betroffenenselbsthilfe in den Leis-tungserbringungskontext von Sozi-aler Arbeit unmittelbar einfügen zu können. Mit dieser Neukonfigurati-on der Kundenselbsthilfegruppen entwickelt sich nicht nur eine neue Form der Betroffenenselbsthilfe, sondern geht auch ein verändertes Verständnis von Selbsthilfeunter-stützung einher. Das bestehende System professioneller Selbsthilfeunterstützung ist ge-meinhin am in Abbildung 23 illustrierten so genannten Graswurzel-Paradigma orientiert und verfolgt damit eine primär reaktive Unterstüt-zungsstrategie. Reaktiv bedeutet, dass Selbsthilfekontaktstellen und Selbsthilfeunterstüt-zungseinrichtungen den professionellen Unterstützungsfokus auf vorhan-denes Betroffenenselbsthilfeengagement richten, und dieses nach Maß-gabe der Betroffenen unterstützen. Kundenselbsthilfegruppen als professionelles Setting der aktiven Unters-tützung von Betroffenenselbsthilfeengagement orientieren sich am in Ab-bildung 24 illustrierten Regenschirm-Paradigma.

Abb. 23: Graswurzel-Paradigma der Selbsthilfeunter- stützung

Page 209: Dokument_44.pdf (1384 KB)

7. Zusammenfassung 208

Nach diesem Paradigma wird bei von Krankheiten und Problemen betroffenen Bürger/innen (die Fä-higkeit zum) Selbsthilfeengagement nicht vorausgesetzt, sondern als Hil-fe zur kollektiven Selbsthilfe unters-tützt und begleitet. In diesem Paradigmenwechsel liegt ein zentraler konzeptioneller Be-standteil von Blended Help, der durchaus kritische Anmerkungen nach sich ziehen kann, wie die nachfolgenden Ausführungen bele-gen. Die aktuelle Selbsthilfebewegung baut auf ein Wurzelgeflecht aus alterna-tiven Lebensentwürfen ihrer Mitglieder und Unterstützer/innen sowie fun-damentaler Kritik am professionellen Versorgungssystem. Professionelle Angebote wurden und werden in diesen historischen Ursprungskontexten leicht unter einen Generalverdacht gestellt, Betroffenenselbsthilfeenga-gement zu unterminieren. BREMER (2006: 4) bestätigt diese historischen Bezüge in seinem Rückblick auf die Anfänge professioneller Selbsthilfeunterstützung anlässlich des 20 jährigen Jubiläums des Landesarbeitskreises Selbsthilfekontaktstellen Nordrhein-Westfalen: „Uns hat eher eine Art Gespür verbunden als voll-ständig ausformulierte Ziele: Uns schien der Arbeitsansatz der Kontakt-stellen, Menschen Mut zur Selbsthilfe zu machen, einfach zukunftsträchtig und den Bedürfnissen vieler Bürgerinnen und Bürger mehr zu entspre-chen, als Ansätze traditioneller Sozialarbeit, die vor allem auf das ,Betütteln’ zu setzen schienen. Ich weiß nicht, wer das damals eine Zeit lang immer wieder gesagt hat: Was ist der Unterschied zwischen einem Sozialarbeiter traditioneller Art

Abb. 24: Regenschirm-Paradig- ma von Blended Help

Page 210: Dokument_44.pdf (1384 KB)

7. Zusammenfassung 209

und einem Selbsthilfe-Unterstützer? Der Sozialarbeiter fragt: „Was kann ich tun, damit ich möglichst wichtig für meinen Klienten bin und er mich braucht?“ Selbsthilfe-UnterstützerInnen fragen: „Was kann ich tun, damit ich möglichst unwichtig für unsere Nutzer bin und sie mich nicht mehr brauchen? Diese Sätze sind holzschnittartig und vermutlich auch gegenüber heutigen Sozialarbeiter-Kollegen ungerecht: Sie kennzeichnen ein wenig die dama-lige Einstellung. In dieser historischen Retrospektive lässt sich eine Begründung für die gemeinhin reaktive Konzeptionierung von Selbsthilfekontaktstellen und Selbsthilfeunterstützungseinrichtungen finden. In dieser reaktiven Konzeptionierung leisten Selbsthilfekontaktstellen und Selbsthilfeunterstützungseinrichtungen eine erfolgreiche Unterstützungs-arbeit für an und in Betroffenenselbsthilfe interessierte und engagierte Bürger/innen, sofern diese über die entsprechenden Kompetenzen und Ressourcen verfügen. Für hilfesuchende Bürger/innen, die über diese vorausgesetzten Kompetenzen und Ressourcen nicht verfügen (können), entsteht „das Dilemma, dass einerseits gewisse Kompetenzen Vorausset-zung für die gewinnbringende Teilnahme [an Selbsthilfegruppen] sind und andererseits die nötigen Kompetenzen erst als Folge der Teilnahme ent-stehen.“ (NICKEL ET AL. 2006: 12). Verschärft wird diese Dilemmasituation aufgrund des Umstandes, dass sich die gesellschaftlich-politischen Rahmenbedingungen gewandelt ha-ben. Vom umkämpften Recht auf Selbsthilfeengagement in den Anfängen der aktuellen Selbsthilfebewegung über die zwischenzeitliche Option von Selbsthilfeengagement hin zur aktuellen Verpflichtung zum Selbsthilfeen-gagement vollzog sich ein grundlegender Wandel gesellschaftlich-politischer Kontextuierung von Betroffenenselbsthilfeengagement. Es darf in diesem Zusammenhang vermutet werden, dass insbesondere Kunden/innen bzw. Klienten/innen der Sozialen Arbeit leicht in die eben

Page 211: Dokument_44.pdf (1384 KB)

7. Zusammenfassung 210

skizzierte Dilemmasituation geraten, wenn sie versuchen sollten, über das bestehende System der Selbsthilfekontaktstellen und Selbsthilfeunterstüt-zungsstellen einen Zugang in die Betroffenenselbsthilfe zu erlangen. Die vorliegende Dissertationsschrift greift diesen Missstand auf und liefert mit Blended Help einen innovativen Beitrag für eine zeitgemäße Weiterent-wicklung professioneller Selbsthilfeunterstützung. In den Kapiteln 6 und 7 wird das innovative Konzept Blended Help einer vertieften und komprimierten Darstellung zugeführt. Anhand ausgewählter Aspekte und Kontextbedingungen, die als not-wendig erachtete werden, um das innovative Konzept Blended Help entsprechend umsetzen zu kön-nen, erhielt die bisherige Rahmen-konzeption von Blended Help eine weitere Fundierung. Neben den bereits erwähnten Kun-denselbsthilfegruppen als Neu-konfiguration von Betroffenen-selbsthilfeengagement lassen sich als weitere vertiefte innovative As-pekte bzw. Bestandteile von Blended Help insbesondere die Konzeptionie-rung eines Coachings von Betroffenenselbsthilfeengagement sowie einer Hilfe für die Hilfen vor Ort benennen (vgl. Abbildung 25). Der Ansatz einer Hilfe für die Hilfen vor Ort ergänzt die professionelle Ver-netzung der Hilfesektoren der sozialen Daseinsvorsorge und installiert auf Seiten hilfesuchender Bürger/innen Strukturen, die mehrsektorale Hilfeset-tings befördern.

Betroffenenselbsthilfe

SozialeArbeit

BürgerschaftlichesEngagement

Professionelle Vernetzung

Blended Help

Hilfe fürdie Hilfen

vor Ort

Mehrsektorales Hilfesetting

Betroffenenselbsthilfe

SozialeArbeit

BürgerschaftlichesEngagement

Professionelle VernetzungProfessionelle Vernetzung

Blended Help

Hilfe fürdie Hilfen

vor Ort

Mehrsektorales Hilfesetting

Abb. 25: Hilfe für die Hilfen vor Ort

Page 212: Dokument_44.pdf (1384 KB)

7. Zusammenfassung 211

Der Ansatz einer Hilfe für die Hilfen vor Ort spannt ein kommunales Set-ting sozialer Daseinsvorsorge auf, in das sich das innovative Konzept Blended Help in idealer Art und Weise eingliedern lässt. Ein weiterer zentraler konzeptioneller Bestandteil von Blended Help liegt in der Hybridisierung des Erbringungsprozesses sozialer Dienstleistungen. Hierzu wurden anhand mehrerer ausgewählter Theoriefolien unterschied-liche Gestaltungsmuster hybrider Dienstleistungsarrangements von Sozia-ler Arbeit als Fremdhilfe und Kundenselbsthilfe als neue Form der Betrof-fenenselbsthilfe diskutiert. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang insbesondere das Dienst-leistungsqualitätsmodell von KANO (3000) sowie der Theorieansatz einer Bildung als Herstellung von Bestimmtheit und Ermöglichung von Unbes-timmtheit von MAROTZKI (1988). Beide Ansätze spannen nicht nur eine adäquate Hintergrundfolie für die Gestaltung hybrider Dienstleistungsar-rangements auf, sondern weisen gegenüber marktökonomischen bzw. so-zialpädagogischen Diskursen eine gute Anschlussfähigkeit auf. Aus Gründen der Anschaulichkeit wurde die Gestaltung hybrider Hilfear-rangements am Beispiel der Schuldnerberatung in der Sozialen Arbeit erörtert. Anhand der in Abbildung 26 visualisierten beiden Anwendungsszenarien wird die Gestaltung hybrider Hilfearrangements konkretisierend erläutert.

Page 213: Dokument_44.pdf (1384 KB)

7. Zusammenfassung 212

SCHULDNERBERATUNG

Transferzeit

KUNDENSELBSTHILFE

GRUPPE

KUNDENSELBSTHILFE

GRUPPE

Krise

T1

T2

SCHULDNERBERATUNG

Transferzeit

KUNDENSELBSTHILFE

GRUPPE

KUNDENSELBSTHILFE

GRUPPE

Krise

T1

T2

SCHULDNERBERATUNG

Wartezeit

Ko

ntaktau

fnahm

e

KUNDENSELBSTHILFE

GRUPPE

KUNDENSELBSTHILFE

GRUPPE

Ku

rzkon

takt

W1

W2

SCHULDNERBERATUNG

Wartezeit

Ko

ntaktau

fnahm

e

KUNDENSELBSTHILFE

GRUPPE

KUNDENSELBSTHILFE

GRUPPE

Ku

rzkon

takt

W1

W2

Abb.26: Anwendungsszenarien des hybrider Arrangements von Blended Help Zusammenfassend lässt sich Blended Help wie nachfolgend darstellen: Blended Help bezeichnet in Anlehnung an den Anglizismus des „Blended Learning“ ein innovatives Konzept Sozialer Arbeit. Blended Help kombi-niert sozialpädagogische bzw. -arbeiterische Dienstleistungen und bürger-schaftliches Nichtbetroffenenengagement als Fremdhilfen mit individuellen und kollektiven Formen der Selbsthilfe. Der Innovationskern von Blended Help verortet sich in einem bewälti-gungsoptimalen Arrangement von Sozialer Arbeit als Fremdhilfe und Kun-denselbsthilfe als neue Form der Betroffenenselbsthilfe. Der Innovationskern von Blended Help definiert sich dabei nicht als ein in sich abgekapseltes Setting, sondern ist gemäß seinem bewältigungsopti-malen Selbstverständnis durchlässig, kombinierbar und anschlussfähig für weitere Hilfen und Dienstleistungen. Blended Help basiert damit auf einem hybriden Verständnis der bewältigungsoptimalen Erbringung von sozialen Dienstleistungen.

Page 214: Dokument_44.pdf (1384 KB)

7. Zusammenfassung 213

Das innovative Konzept Blended Help zielt auf eine Verschränkung bzw. Kombination von Sozialer Ar-beit als Fremdhilfe und Kunden-selbsthilfegruppen als neue Form der Betroffenenselbsthilfe (siehe Abbildung 27). Zielsetzung ist es, ein Hilfesetting zu generieren, in dem sich Bewälti-gungsprozesse optimal entwickeln lassen. Ein solches Hilfesetting ist von einer hybriden Architektur getragen und verschränkt bzw. kombiniert Soziale Arbeit als Fremdhilfe mit Betroffenen-selbsthilfe. Um Betroffenenselbsthilfe inner-halb des professionellen Erbrin-gungskontextes von Sozialer Arbeit einfügen zu können, bedient sich das innovative Konzept Blended Help der Kundenselbsthilfegruppen als Neukonfiguration von Betroffe-nenselbsthilfeengagement (siehe Abbildung 28). Im hybriden Hilfearrangement fo-kussiert das innovative Konzept Blended Help nicht nur auf die Verschränkung bzw. Kombination von So-zialer Arbeit als Fremdhilfe und Kundenselbsthilfe als eine neue Form der Betroffenenselbsthilfe, sondern ist offen und anschlussfähig für weitere

DienstleistungSoziale Arbeit

Betroffenen-selbsthilfe

BLENDEDHELP

Bew

ältigungsoptimales S

etting

DienstleistungSoziale Arbeit

Betroffenen-selbsthilfe

BLENDEDHELP

Bew

ältigungsoptimales S

etting

Abb. 27: Blended Help Realisie-rungskorridor

Dienstleistungs-organisation

Kundenselbst-hilfegruppe

BEWÄLTIGUNGKUNDE/IN SHG-TEILNEHMER/IN

BürgerschaftlichesEngagement

Betroffenen-selbsthilfe

Dienstleistungs-organisation

Kundenselbst-hilfegruppe

BEWÄLTIGUNGKUNDE/IN SHG-TEILNEHMER/IN

BürgerschaftlichesEngagement

Betroffenen-selbsthilfe

Abb. 28: Bewältigungsoptima-les Arrangement Blended Help

Page 215: Dokument_44.pdf (1384 KB)

7. Zusammenfassung 214

Hilfedomänen wie Nachbarschafts- und Familienhilfen sowie von bürger-schaftlich engagierter Fremdhilfe. Eine weitere zentrale Anschlussfä-higkeit besteht gegenüber der all-gemeinen Betroffenenselbsthilfe. Diese Anschlussfähigkeit wird im befristeten Verlauf von Kunden-selbsthilfegruppen vorbereitet, so dass ehemals für die allgemeine Betroffenenselbsthilfe voraus-setzungsschwache hilfesuchende Bürger/innen mit entsprechenden Vorausaussetzungen in die allge-meine Betroffenenselbsthilfe wech-seln können (siehe Abbildung 29). Kundenselbsthilfegruppen als eine zeitlich befristete und begleitete Form der Betroffenenselbsthilfe zielen also zum einen auf die hybride Gestal-tung bewältigungsoptimaler Hilfesettings und zum anderen auf die Vorbe-reitung von allgemeinem Betroffenenselbsthilfeengagement. Kundenselbsthilfegruppen eröffnen damit einen Freiraum, Betroffenen-selbsthilfeengagement ausprobieren und erleben zu können, oder – in den Worten von GREIWE (2008: 1) – Betroffenenselbsthilfe „schnuppern“ zu können. Diese salopp als „schnuppern können“ bezeichnete Funktion von Kundenselbsthilfegruppen umschreibt aus der Arbeitserfahrung des Au-tors sehr treffend die emotionale Bedürfnislage vieler hilfesuchender Bür-ger/innen im Verwiesensein auf bzw. in der (ersten) Auseinandersetzung mit Betroffenenselbsthilfe. Während im Mainstream der öffentlichen Diskussionen der Fokus um die politischen, gesellschaftlichen und individuellen Utopien und Positivziel-landschaften der aktuellen Selbsthilfebewegung kreist, evoziert der Begriff

Blended H

elp

SOZIA

LE AR

BEIT

SelbsthilfegruppenGründung

SelbsthilfegruppenFortführung

SelbsthilfegruppenBeitritt

KUNDENSELBSTHILFE

GRUPPE

SHGründung

SELBSTHILFEKONTAKTSTELLEN

ÖFFENTLICHKEITSARBEIT

SELBSTHILFEUNTERSTÜTZUNG

Blended H

elp

SOZIA

LE AR

BEIT

SelbsthilfegruppenGründung

SelbsthilfegruppenFortführung

SelbsthilfegruppenBeitritt

KUNDENSELBSTHILFE

GRUPPE

SHGründung

SHGründung

SELBSTHILFEKONTAKTSTELLEN

ÖFFENTLICHKEITSARBEIT

SELBSTHILFEUNTERSTÜTZUNG

SELBSTHILFEKONTAKTSTELLEN

ÖFFENTLICHKEITSARBEIT

SELBSTHILFEUNTERSTÜTZUNG

Abb. 29: Blended Help und Selbsthilfekontaktstellen

Page 216: Dokument_44.pdf (1384 KB)

7. Zusammenfassung 215

der Betroffenenselbsthilfe insbesondere für sozial benachteiligte Bürger/ innen vielfach Gefühle von Überforderung und Alleingelassensein. Die nachfolgenden zwei Zitate von Klientinnen der sozialpädagogischen Bera-tung illustrieren diese Negativgefühlslagen: Gerda Richter (Name geändert), eine 51jährige Frührentnerin: „Meine dringend benötigten Massagen werden nicht mehr voll bezahlt, meine Rente reicht hinten und vorn nicht und jetzt soll ich mir auch noch selbst helfen. Was ist das nur für ein Staat, in dem Behinderte und Kranke sich selber helfen müssen?“ Melanie Klein (Name geändert): „Was soll mir das bringen, wenn ich mich in einer Selbsthilfegruppe mit Frauen treffe, die allesamt auch von ihren Männern geschlagen werden? – Da ist doch keinem geholfen, wenn sich lauter Opfer zusammenfinden.“ Kundenselbsthilfegruppen können für Klienten/innen wie Gerda Richter (Name geändert) und Melanie Klein (Name geändert) im Sinne von GREI-

WE (2008: 1) einen Ort und ein Medium darstellen, um in Betroffenen-selbsthilfe hinein „schnuppern“ zu können. Über das Erfahrbarmachen von Betroffenensolidarität und der professionellen Ermöglichung von Betroffe-nenkommunikation innerhalb von Kundenselbsthilfegruppen in Kombinati-on mit individuellen Fremdhilfen der Sozialen Arbeit können sich für Klien-ten/innen wie Gerda Richter (Name geändert) und Melanie Klein (Name geändert) Zugangsperspektiven in die allgemeine Betroffenenselbsthilfe eröffnen lassen. Kundenselbsthilfegruppen können nicht nur für voraussetzungsschwache Hilfesuchende eine wichtige Unterstützung sein, sondern können einen grundsätzlichen Beitrag zum Selbsthilfeengagement von krankheits- und problembetroffenen Bürger/innen und zur Qualität von Betroffenenselbst-hilfegruppierungen leisten.

Page 217: Dokument_44.pdf (1384 KB)

7. Zusammenfassung 216

THIEL (2004: 87) beschreibt ein – in Kapitel 6 bereits ausführlich diskutier-tes – Phänomen in Selbsthilfegruppierungen, indem er konstatiert, dass ein bestimmter Leitungstyp „für die Herausbildung der neueren Selbsthil-febewegung von zentraler Bedeutung gewesen sei, nämlich – trotz aller Selbsthilfe-Orientierung – eine mitfühlende, manchmal sogar überborden-de Helfer-Orientierung als ,Gruppenmuttis und Gruppenvatis’ [FRANZEN

2003: 182] – mit all dem Wehklagen über die eigene Überforderung und über den Undank der ,Gruppenkinder’.“ Vor dieser Leitungsrealität von Selbsthilfegruppierungen besteht die Ge-fahr, dass der Weg in die Betroffenenselbsthilfe nicht zur Befreiung von der nach KEUPP (1998) „fürsorglichen Belagerung“ durch die Soziale Arbeit führt, sondern in eine Belagerung durch überbordende Gruppenmuttis und Gruppenvatis (vgl. FRANZEN 2003) umschlägt. Betroffenenselbsthilfe als „Ermutigung zum aufrechten Gang“ (KEUPP 1997) angedacht, verkümmert damit leicht zur Regression an der Hand gehender Kinder. Kundenselbsthilfegruppen können in ihrer Funktion zur Vorbereitung von allgemeinem Betroffenenselbsthilfegruppenengagement einen wichtigen präventiven Beitrag leisten, indem sie krankheits- und problembetroffene Bürger/innen auf den ersten Etappen ihres Weges in die allgemeine Be-troffenenselbsthilfe unterstützend begleiten. Kundenselbsthilfegruppen of-ferieren damit gleichwohl für alle krankheits- und problembetroffenen Bür-ger/innen – unabhängig von ihrer Voraussetzungsausstattung – ein Set-ting, in dem betroffenenselbsthilfespezifische Erfahrungen und Kompeten-zen sich angeeignet werden können, mittels derer destruktiven Betroffe-nenselbsthilfegruppenverläufen vorgebeugt werden kann. Kundenselbsthilfegruppen leisten in dieser Vorbereitungsfunktion einen innovativen Beitrag zur Qualität und zur Teilnahmegerechtigkeit an allge-meiner Betroffenenselbsthilfe. Sie beugen destruktiven Verläufen von Be-troffenenselbsthilfe(engagement) vor und verhindern die Bildung von Be-troffeneneliten, hinsichtlich derer THIEL (2004: 83) sinniert:

Page 218: Dokument_44.pdf (1384 KB)

7. Zusammenfassung 217

„Sind [Selbsthilfegruppen] nicht doch Ausdruck von etwas Besonderem, und zwar von der Besonderheit einer begrenzten, vielfach auch mit der Gruppen- und Solidarbewegung der 70-er und 80-er Jahre verbundenen Personengruppe? Sind sie nicht doch eine Art von Betroffenenelite, wie das manchmal eher abschätzig formuliert wird? Die ›Nutzungsrate‹ der Selbsthilfe, also der Anteil einer Betroffenenpopu-lation, die an Selbsthilfegruppen teilnimmt, weist in eine solche Richtung: Diese Rate schwankt zwischen ca.1 % und ca. 10 % […] Diese Sicht, so schmerzlich sie für eine weit reichende Aktivierung von Selbsthilfepotenzialen sein mag, könnte immerhin davor schützen, davon auszugehen, dass alle Gleichbetroffenen, alle Bürgerinnen und Bürger, das gleiche Engagement und die gleiche Wellenlänge für die Mitarbeit in Selbsthilfegruppen mitbringen.“ (Hervorhebungen entstammen dem Origi-naltext). Selbsthilfegruppierung – wie eben nach THIEL (2004: 83) zitiert – als „Be-troffeneneliten“ oder – wie von BRÖMME und STRASSER (2000) formuliert – als „exklusive Solidaritäten“ repräsentieren fehlgeleitete Entwicklungen der aktuellen Selbsthilfebewegung. BOURDIEU (1983 zitiert nach MUTZ 2002: 23) exklamiert, „dass sozialer Zusammenschluss immer auch Ausschluss […] bedeutet, wenn der Zugang […] selektiv ist.“ (vgl. auch BRÖMME &

STRASSER 2001). In diesen Zusammenhang können auch Modellrechnungen beispielsweise von ENGELHARDT ET AL. (1995), die den ökonomischen Wert von Betroffe-nenselbsthilfe bestimmen, nicht überzeugen, da sie u.a. die Kosten des Ausschlusses und des Scheiterns von hilfesuchenden Bürger/innen an der Betroffenenselbsthilfe unberücksichtigt lassen. Blended Help stellt sich diesen Fehlentwicklungen entgegen und offeriert einen begleiteten und unterstützenden Weg in die Betroffenenselbsthilfe. In der Verschränkung bzw. Kombination von Sozialer Arbeit als Fremdhilfe und Kundenselbsthilfe als neue Form der Betroffenenselbsthilfe arrangiert es bewältigungsoptimale Hilfesettings und bereitet voraussetzungsschwä-

Page 219: Dokument_44.pdf (1384 KB)

7. Zusammenfassung 218

cheren Kunden/innen der Sozialen Arbeit eine begleitete und unterstüt-zenden Zugangsoption in die allgemeine Betroffenenselbsthilfe. Blended Help generiert damit einen Beitrag, der seinen Innovationsgehalt nicht nur in den eingangs dieser Dissertationsschrift genannten Diskursen zur Unterstützung von Betroffenenselbsthilfe(engagement) und zur (zu-nehmenden) Marktökonomisierung Sozialer Arbeit entfalten kann, sondern auch hinsichtlich der disziplinären Fortentwicklung der Sozialen Arbeit. Bevor diese letztgenannte disziplinäre Innovationsperspektive in Kapitel 9 wieder aufgenommen wird und in einem Ausblick zu einem Theorieentwurf einer Sozialen Arbeit zwischen Selbstbeschränkung und Selbstverwirkli-chung einmündet, wird in Kapitel 8 zuallererst ein forschungstheoretischer Ausblick vorgenommen. Dieser vorangestellte Ausblick erscheint aufgrund der unzureichenden Forschungslage im Bereich der Betroffenenselbsthilfe(unterstützung) an-geraten. Die meisten Erhebungen und Untersuchungen der Selbsthilfeforschung liefern nur bedingt aussagekräftige Ergebnisse, da „die meisten Studien […] wenig oder keinen Bezug zu den vorhergehenden oder gleichzeitig ablaufenden Arbeiten her[stellen]. Es erscheint oftmals zufällig, welche Arbeiten bei der Entwicklung der eigenen Fragestellung und der Beurtei-lung des aktuellen Stands der Forschung auch in eingegrenzten Berei-chen der Selbsthilfeforschung zitiert werden – geschweige denn, dass die vorgängigen Arbeiten systematisch diskutiert und der eigenen Arbeit zu-grunde gelegt würden.“ (BORGETTO 2001: 122). Dieser grundsätzlichen Sachstandsbeschreibung ist noch anzufügen, dass die Forschungsarbeiten im Bereich der Betroffenenselbsthilfe(unterstüt-zung) dominant gesundheitsbezogen ausgerichtet sind. Auffällig ist weiter, dass im Mainstream der Rezensionen dem Misslingen und den Negativfolgen von Betroffenenselbsthilfe(engagement) kaum Auf-

Page 220: Dokument_44.pdf (1384 KB)

7. Zusammenfassung 219

merksamkeit gewidmet wird. Auch hinsichtlich der Positivfolgen von Be-troffenenselbsthilfeengagement existieren „in Deutschland nur wenige Un-tersuchungen, die sich zudem auf die Selbsteinschätzung der Betroffenen beschränken.“ (BORGETTO 2004: 266). Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die forschungstheoreti-sche Abbildung von Betroffenenselbsthilfeengagement gemeinhin frag-mentarisch und subkomplex angelegt ist. In den für Blended Help relevanten Forschungskontexten besteht noch ein erheblicher Bedarf an empirischer Fundierung. Diese insgesamt vier For-schungskontexte finden sich allesamt auf einer Sechser-Liste, die von ei-ner deutschen „Expertengruppe, die aus Vertretern der Wissenschaft, der Politik, der Sozialversicherung, der Ärzteschaft, der Selbsthilfeunterstüt-zung und der Selbsthilfe besteht, […] Anfang des Jahres 2003 […] aus-gearbeitet [wurde].“ BORGETTO (2004: 266). Diese Auflistung enthält in-sgesamt sechs (gesundheitsbezogene) Betroffenenselbsthilfethemen, in denen am dringlichsten Forschungs(nachhol)bedarf besteht. Für die Etablierung des innovativen Konzepts Blended Help sind folgende vier Forschungsbereiche von Relevanz: „Neue Formen der Selbsthilfe, […] Effektivität und Effizienz von Selbsthilfe, […] Differenzierung von Selbsthil-fepotenzialen […] [und] Aktivierung von Selbsthilfepotenzialen. (BORGETTO 2004: 266). Im folgenden Kapitel 8 wird ein Forschungsvorhaben vorgestellt, das vor dem Hintergrund dieser defizitären Forschungslage bereits im Rahmen der Recherchearbeiten zu dieser Dissertationsschrift auf den Weg ge-bracht werden konnte. Das Forschungsdesign verspricht auf einer Werte- und Sinnebene eine Erhebungsfolie aufspannen zu können, auf der die hervorgehobenen vier Forschungsschwerpunkte deskriptiv und interferenzstatistisch abgebildet werden können.

Page 221: Dokument_44.pdf (1384 KB)

7. Zusammenfassung 220

Eine erste Erhebung läuft derzeit im Bereich gesundheitsbezogener Be-troffenenselbsthilfe (vgl. STUMMBAUM & STEIN 2008) und wird im nachfol-genden Kapitel 8 ausführlich vorgestellt. Für das kommende Jahr 2010 ist eine weitere Erhebung im Bereich sozia-ler Betroffenenselbsthilfe (vgl. STEIN & STUMMBAUM 2009) geplant.

Page 222: Dokument_44.pdf (1384 KB)

8. Forschungsdesiderate 221

8. Wertekonstruktion, Sinnzuschreibung und Identitätsentwicklung in Betroffenenselbsthilfegruppen Der Bereich der Selbsthilfeforschung weist noch einige blinde Flecken auf (siehe Kapitel 7). Im inhaltlichen Kontext dieser Dissertationsschrift be-steht insbesondere zu nachfolgenden Themenbereichen ein wichtiger Forschungsbedarf:

● Negativfolgen von (misslingendem) Betroffenenselbsthilfeengage-ment

● Wirkungen und Leistungen von sozialer Betroffenenselbsthilfe ● Betroffenenselbsthilfeengagement von sozial benachteiligten Men-

schen ● Kontrollgruppenbasierte Erhebung zum Engagement und Nichten-

gagement Im Folgenden wird ein Erhebungsvorhaben zur Wertekonstruktion, Sinn-zuschreibung und Identitätsentwicklung in gesundheitsbezogenen Betrof-fenenselbsthilfegruppen vorgestellt. Die Idee zu diesem Erhebungsvorha-ben wurde im Rahmen der Recherchearbeiten zu dieser Dissertations-schrift entwickelt. Im zweiten Halbjahr 2008 wurde das Erhebungskonzept ausgearbeitet. Die Ergebnisauswertung ist für das erste Halbjahr 2010 terminiert. Für das zweite Halbjahr 2010 ist eine weitere Erhebung im Bereich sozia-ler Betroffenenselbsthilfe (vgl. HEY, NAUMANN & STEIN 2009; STEIN &

STUMMBAUM 2008) geplant. Das Erhebungsvorhaben zur Wertekonstruktion, Sinnzuschreibung und Identitätsentwicklung wird mit einer Stichprobe von ca. 200 in Betroffenen-selbsthilfe engagierten und nicht engagierten Diabetikerinnen und Diabeti-kern durchgeführt und stellt sich wie folgt dar: Etliche Studien befassen sich mit der Frage, wodurch sich von Krankheit oder sozialen Problemen betroffene Menschen, die sich in Selbsthilfe-

Page 223: Dokument_44.pdf (1384 KB)

8. Forschungsdesiderate 222

gruppen engagieren, von denjenigen Betroffenen unterscheiden, die sich nicht in Selbsthilfegruppen engagieren. Diese Studien fokussieren dabei zumeist auf soziodemographische Fakto-ren wie Geschlecht, Alter, Bildungsstand oder Selbsthilfeanlass. Beispiel-haft nennt etwa BORGETTO (2004) Studien, die belegen, dass Frauen häu-figer den Weg in die Selbsthilfe wählen als Männer und dass es zumeist Menschen mittleren Alters zwischen 50 und 60 Jahren aus der Mittel-schicht mit höheren Schulabschlüssen sind, die sich in der Betroffenen-selbsthilfe engagieren. Zudem sind Menschen, die von gesundheitlichen Erkrankungen betroffen sind, eher in der Betroffenenselbsthilfe engagiert als Menschen, die von sozialen Problemen betroffen sind (vgl. Kapitel 3). Differentialpsychologische Studien zu den soziodemographischen Hinter-gründen und Eigenschaften von Betroffenenselbsthilfeengagierten lassen jedoch zumeist keinen Rückschluss darauf zu, ob es auch Personen mit bestimmten religiös-spirituellen Grundhaltungen, Werteüberzeugungen, Sinnzuschreibungen und Attribuierungsmustern sind, die sich für ein En-gagement in der Betroffenenselbsthilfe entscheiden. Hinsichtlich einer persönlichkeitspsychologischen Betrachtungsebene er-hob nach BORGETTO (2004) bisher lediglich die mittlerweile 26 Jahre alte Bielefelder Repräsentativbefragung von in Selbsthilfegruppen engagierten Menschen die beiden psychosozialen Determinanten Emotionale Stabilität und die Einbindung in soziale Netzwerke und den Familienverband (GRU-

NOW ET AL. 1983). Hierbei erwiesen sich die in der Betroffenenselbsthilfe engagierten Personen als weniger emotional gefestigt und als weniger stark in familiäre Netzwerke eingebunden als von Krankheit oder Proble-men betroffene Personen, die sich nicht in der Betroffenenselbsthilfe en-gagieren. Zudem stellt eine medizinisch-psychologische Studie von VOLLE ET AL. (nach BORGETTO 2004) heraus, dass die Kontrollüberzeugungen – also die

Page 224: Dokument_44.pdf (1384 KB)

8. Forschungsdesiderate 223

Überzeugung, dass eigene Schicksal wie etwa Krankheiten oder soziale Problemsituation durch Eigenaktivität verändern zu können – bei Mitglie-dern von Betroffenenselbsthilfegruppen ausgeprägter ist. Nichtmitglieder empfanden sich stärker externalen Einflüssen wie medizinischem Perso-nal sowie unbestimmt bleibenden Mächten wie Schicksal oder Zufall aus-geliefert als die in Betroffenenselbsthilfegruppen engagierten Personen. Auf der psychosozialen Betrachtungsebene verbleibt der differential-psychologische Fokus auf der demographischen Ebene (Frage nach dem Familienstand sowie dem quantitativen Ausmaß der sozialen Einbindungs-situation in Netzwerke und familiäre Strukturen) verhaftet (BORGETTO 2004). In Studien wird bisher kaum thematisiert, wie bestehende Beziehungen von Mitgliedern von Betroffenenselbsthilfegruppen in psychologischer Hin-sicht etwa bezüglich der Bindung an den Partner gestaltet sind. Die innerpsychische Überzeugungsebene von religiös-spirituellen Grund-haltungen, Werteüberzeugungen, Sinnzuschreibungen und Attribuierungs-mustern war bisher ebenfalls noch nicht Gegenstand einer wissenschaftli-chen Studie, die sich im Bereich des Selbsthilfesettings verortet. Die Betroffenenselbsthilfestudie von STUMMBAUM und STEIN (2008) stößt eine wissenschaftliche Beschäftigung mit den Werten, der Spiritualität und religiösen Praxis, den Sinnzuschreibungen für die eigene Erkrankung und den Attribuierungsmustern für Krankheit und Gesundheit von Betroffenen-selbsthilfeengagierten an. Ein besonderer – in bisherigen Studien vielfach vernachlässigter Fokus – liegt in der Fragestellung, inwieweit Unterschiede bestehen zwischen von Krankheit oder sozialen Problem betroffenen Menschen, die sich in der Betroffenenselbsthilfe engagieren, und solchen, die sich nicht in der Be-troffenenselbsthilfe engagieren. Im Rahmen dieser Betroffenenselbsthilfestudie werden an einer Stichpro-be von circa 200 Diabetikerinnen und Diabetikern, die sowohl in der Be-

Page 225: Dokument_44.pdf (1384 KB)

8. Forschungsdesiderate 224

troffenenselbsthilfe engagiert als auch nicht engagiert sind, neben allge-meinen demographischen Angaben religiös-spirituelle Grundhaltungen, Werteüberzeugungen, Sinnzuschreibungen und Attribuierungsmuster er-hoben. Die erhobenen Dimensionen werden zu den Beweggründen für den Beitritt in eine Betroffenenselbsthilfegruppe in Beziehung gesetzt. Die Auswertung erfolgt zum einen auf einer deskriptiv-beschreibenden Ebene und zum anderen auf einer inferenzstatistischen Vergleichsebene zwischen den beiden Stichprobengruppen der in der Betroffenenselbsthilfe engagierten und nicht engagierten Diabetiker/innen. Die Studie soll einen zweifachen positiven Beitrag leisten zur Weiterent-wicklung der Betroffenenselbsthilfe im Allgemeinen und im Speziellen zur Weiterentwicklung des innovativen Konzepts Blended Help. Zum einen sollen zukünftig die Bedingungsfaktoren für den Beitritt in eine Betroffenenselbsthilfegruppe besser bestimmbar sein. Von diesen Ergeb-nissen profitiert insbesondere Blended Help hinsichtlich der Kunden-selbsthilfegruppen als begleitete und unterstützte Form der Betroffenen-selbsthilfe. Zum zweiten sollen anhand der Ergebnisse der Betroffenenselbsthilfestu-die von STUMMBAUM und STEIN (2008) die Effekte und Wirkungen von Be-troffenenselbsthilfeengagement transparenter aufgezeigt werden können. Diese Ergebnisse sind sowohl für die allgemeine Betroffenenselbsthilfe als auch für Blended Help von Bedeutung. Die Betroffenenselbsthilfestudie versteht sich dabei als erste hypothesen-generierende Erkundungsuntersuchung und dient als Vorstudie für eine vertiefte Befassung mit dem Betroffenenselbsthilfeengagement – insbe-sondere im Kontext sozialer Problemlagen und sozialer Benachteiligung. Aufgrund des Umstandes, dass im bisherigen Erhebungsverlauf erst ein Messzeitpunkt realisiert werden konnte, sind nur korrelative Zusammen-hänge zwischen religiös-spirituellen Grundhaltungen, Werteüberzeugun-

Page 226: Dokument_44.pdf (1384 KB)

8. Forschungsdesiderate 225

gen, Sinnzuschreibungen, Attribuierungsmustern und dem Selbsthilfeen-gagement abbildbar. Kausale Rückschlüsse dahingehend, ob die inner-psychischen Faktoren als unabhängige Bedingungsvariablen fungierten und die Bereitschaft zum Betroffenenselbsthilfeengagement anregten oder sich als abhängige Konsequenzen des Betroffenenselbsthilfeengage-ments darstellen, kann zum derzeitigen Erhebungsstand noch nicht be-antwortet werden. Ein Blick auf Abbildung 30 gibt eine Übersicht über den Aufbau sowie den wissenschaftlichen Mehrwert, den die Betroffenenselbsthilfestudie über den bisherigen Forschungsstand hinaus leisten kann. Während die soziodemographischen Faktoren wie Alter, Geschlecht, fami-liäre Einbindung und weiteres durch das Betroffenenselbsthilfe-engagement kaum zu verändern sind, sind die soziopsychischen Faktoren prinzipiell einer Veränderung durch das Betroffenenselbsthilfeengagement zugänglich.

Page 227: Dokument_44.pdf (1384 KB)

8. Forschungsdesiderate 226

Geschlecht

Alter

Schicht-zugehörigkeit

SozialesNetzwerk

FamiliäreUnterstützung

Betroffenen-Selbsthilfe

Engagement:

Bereitschaft

Beitritt

Aufrecht-erhaltung

Partner-Situation

Religiositätu. Spiritualität

Werteüber-zeugungen

ErlebteSinnhaftigkeit

Attribuierungs-muster

BETROFFENENSELBSTHILFEENGAGEMENT

ENTSTEHUNGSBEDINGUNGEN

ENTSTEHUNGSBEDINGUNGEN

UND KONSEQUENZEN

Soziodemographische Dimension

Soziopsychische Dimension

Bisher gutuntersucht

FokusBetroffenen-selbsthilfe-

studie

Geschlecht

Alter

Schicht-zugehörigkeit

SozialesNetzwerk

FamiliäreUnterstützung

Betroffenen-Selbsthilfe

Engagement:

Bereitschaft

Beitritt

Aufrecht-erhaltung

Partner-Situation

Religiositätu. Spiritualität

Werteüber-zeugungen

ErlebteSinnhaftigkeit

Attribuierungs-muster

BETROFFENENSELBSTHILFEENGAGEMENT

ENTSTEHUNGSBEDINGUNGEN

ENTSTEHUNGSBEDINGUNGEN

UND KONSEQUENZEN

Soziodemographische Dimension

Soziopsychische Dimension

Bisher gutuntersucht

FokusBetroffenen-selbsthilfe-

studie

Abb. 30: Theoretisches Modell zur Beschreibung der Bedingungsfak- toren des Beginns und der Aufrechterhaltung von Selbsthil- fegruppenengagement

Page 228: Dokument_44.pdf (1384 KB)

8. Forschungsdesiderate 227

Fragestellungen und Hypothesen der Betroffenenselbsthilfestudie Inferenzstatistische Fragestellungen zwischen den Gruppen der Diabeti-ker/innen in und außerhalb von Betroffenenselbsthilfesettings:

• Wie wirken sich demographische Faktoren wie Geschlecht, Alter, Bildungsstand und Beruf sowie familiäre Einbindung und Wohnsi-tuation auf ein Betroffenenselbsthilfeengagement aus?

• Wie wirkt sich die Bindung an den Partner / die Partnerin auf ein Betroffenenselbsthilfeengagement aus?

• Wie wirken sich religiöse Einbindung und spirituelle Über-zeugungen auf ein Betroffenenselbsthilfeengagement aus?

• Wie wirken sich Wertepräferenzen auf ein Betroffenenselbsthil-feengagement aus?

• Wie wirken sich Grundüberzeugungen der Sinnhaftigkeit auf ein Betroffenenselbsthilfeengagement aus?

• Wie wirken sich unterschiedliche Attribuierungsstile auf ein Betrof-fenenselbsthilfeengagement aus?

• Welche Gründe werden für das Engagement in der Betroffenen-selbsthilfegruppe angegeben?

Inferenzstatistische Fragestellungen innerhalb der Gruppe der Betroffen-selbsthilfeengagierten:

• Sind bei Personen unterschiedlichen Alters unterschiedliche Werte-strukturen, religiöse und spirituelle Überzeugungen, Attribuierungs-stile und Sinnhaftigkeitsannahmen und Gründe wichtig für das En-gagement in der Betroffenenselbsthilfegruppe?

• Sind bei Personen unterschiedlichen Geschlechts unterschiedliche Wertestrukturen, religiöse und spirituelle Überzeugungen, Attribuie-rungsstile und Sinnhaftigkeitsannahmen und Gründe wichtig für das Engagement in der Betroffenenselbsthilfegruppe?

Page 229: Dokument_44.pdf (1384 KB)

8. Forschungsdesiderate 228

• Geben Personen unterschiedlicher Wertestrukturen und religiöser und spiritueller Überzeugungen, Attribuierungsstile und Sinnhaftig-keitsannahmen andere Gründe für das Engagement in der Betrof-fenselbsthilfegruppe an?

Hypothesen:

• Hinsichtlich soziostruktureller Faktoren lassen sich in der Betroffe-nenselbsthilfestudie die Ergebnisse anderer Studien reproduzieren: Betroffenenselbsthilfeengagiert sind bei den Diabetiker/innen eher Frauen mit höheren Bildungsabschlüssen und im mittleren Alter, die eher weniger gut sozial und familiär eingebunden sind.

• Religiöse Einbindung und spirituelle Aufgeschlossenheit wirken sich positiv auf ein Betroffenenselbsthilfeengagement aus.

• Spirituelle Aufgeschlossenheit wirkt dabei stärker hinsichtlich eines Betroffenenselbsthilfeengagements als religiöse Einbindung.

• Die Werte Universalismus, Mildtätigkeit, Selbstbestimmung und Stimulation wirken sich positiv auf ein Betroffenenselbsthilfeenga-gement aus.

• Die Werte Leistung, Hedonismus und Macht wirken sich negativ auf ein Betroffenenselbsthilfeengagement aus.

• Eine hohe subjektiv erlebte Sinnhaftigkeit des Lebens, der Krank-heit und des Engagements wirkt sich positiv auf ein Betroffenen-selbsthilfeengagement aus.

• Internale und variable Kontrollüberzeugungen und Attribuierungssti-le beim Umgang mit Krankheit und Krankheitsbewältigung sind po-sitiv mit einem Engagement in der Betroffenenselbsthilfe korreliert.

• Externale und stabile Kontrollüberzeugungen und Attribuierungssti-le beim Umgang mit Krankheit und Krankheitsbewältigung sind ne-gativ mit einem Engagement in der Betroffenenselbsthilfe korreliert.

Page 230: Dokument_44.pdf (1384 KB)

8. Forschungsdesiderate 229

• Personen, die keinen Partner / keine Partnerin haben, oder eher unsicher an ihren Partner / ihre Partnerin gebunden sind, schließen sich eher Betroffenenselbsthilfegruppen an.

• Personen, die einen Partner / eine Partnerin haben, und eher sicher an ihren Partner / ihre Partnerin gebunden sind, schließen sich eher weniger stark Betroffenenselbsthilfegruppen an.

Geplante Untersuchungen Tab. 4: Fragebögen in der Betroffenenselbsthilfestudie

Fragen zu Demographie, Bildungs-abschluss, Partner- und Wohnsitua-tion Skalen zum Bindungsstil von Er-wachsenen nach dem BBE (Bezie-hungsspezifische Bindungsskalen für Erwachsene) von ASENDORPF, BAN-SE, WILPERS und NEYER (1997) und ASENDORPF und WILPERS (2000) Skalen zur Religiosität nach BENSON, SCALES, SESMA JR. und ROEHLKEPAR-TAIN (2005) Wertefragebogen PVQ IV von SCHWARTZ (1994) Skalen zur Sinnhaftigkeit nach dem Sense of Coherence nach ANTO-NOVSKY (1997) Selbstentwickelte Skalen zu den At-tribuierungsstilen hinsichtlich Krank-heit und Gesundheit

Erfassung von: • Demographie • Familienstruktur und Wohnsitua-

tion • Bindungssituation an den Part-

ner • Religiösen Überzeugungen • Wertorientierungen • Erlebter Sinnhaftigkeit • Attribuierungsstil hinsichtlich

Krankheit und Gesundheit

Page 231: Dokument_44.pdf (1384 KB)

8. Forschungsdesiderate 230

Erfassung der Demographie

Der Fragebogen umfasst Fragen zu den demographischen Kerndaten (Geschlecht, Alter, Dauer und Art der Erkrankung (Diabetes I oder Diabe-tes II) und ggf. Dauer der Eingebundenheit in die Betroffenenselbsthilfe-gruppe) sowie zu den beiden Themenkomplexen der beruflichen Situation (Beruf, höchster Bildungsabschluss) und der familiären Situation (Famili-enstand, Partnerschaft und soziale Wohn- und Lebenssituation). Die Fra-gen zu den Bildungsabschlüssen und zur Wohnsituation orientieren sich hinsichtlich des Frageduktus am Elternfragebogen der PISA-Schulleis-tungsstudie (PISA-KONSORTIUM DEUTSCHLAND 2004). Erfassung der Bindung in der Partnerschaft Bisher wurde in Studien zum Selbsthilfeengagement von Betroffenen de-

ren Partnersituation unter einer soziodemographischen Perspektive be-

trachtet. Erhoben wurde nur die Tatsache, einen Partner / eine Partnerin

zu haben oder nicht. Die Qualität der Beziehung in ihren Auswirkungen

auf die Bereitschaft zum Betroffenenselbsthilfeengagement wurde nicht

erfragt.

In vorliegender Studie zum Betroffenenselbsthilfeengagement von Perso-

nen und dessen Zusammenhang mit der Werteentwicklung, den Sinn-

strukturen sowie dem Bindungsverhalten an den Partner wird der Bin-

dungsstil über die BBE, die Beziehungsspezifischen Bindungsskalen für

Erwachsene von ASENDORPF, BANSE, WILPERS und NEYER (1997) und

ASENDORPF und WILPERS (2000) erfasst.

Mit Hilfe der Skalen des BBE ist eine differenzielle Einschätzung des ei-

genen Bindungsstils an den Partner oder die Partnerin anhand der Di-

mensionen "sicher-ängstlich" und "abhängig-unabhängig" möglich. Der

BBE besteht hinsichtlich der Skalen für den Bindungsstil an den Partner

Page 232: Dokument_44.pdf (1384 KB)

8. Forschungsdesiderate 231

oder die Partnerin in einem ersten Teil aus 14 Items, die auch für den vor-

liegenden Fragebogen übernommen werden.

Folgende hypothetische Behauptungen werden aufgestellt: Personen, die keinen Partner / keine Partnerin haben, oder eher unsicher an ihren Partner / ihre Partnerin gebunden sind, schließen sich eher Be-troffenenselbsthilfegruppen an. Personen, die einen Partner / eine Partnerin haben, und eher sicher an ih-ren Partner / ihre Partnerin gebunden sind, schließen sich eher weniger stark Betroffenenselbsthilfegruppen an. Erfassung spiritueller Überzeugung und religiöser Praxis In der bisherigen Forschungstradition wurde Religiosität meist über die Einbindung in religiöse Gruppen sowie die religiöse Praxis erfasst, bei-spielsweise über die Häufigkeit des Kirchenbesuchs, die Einhaltung von Gebetszeiten und religiöser Vorschriften. BENSON, SCALES, SESMA JR. und ROEHLKEPARTIAN (2005) und im deutsch-sprachigen Raum VOGELGESANG (2001) haben jedoch darauf aufmerksam gemacht, dass die Einbindung in konfessionelle Gruppen unabhängig von der Bedeutung beleuchtet werden muss, welche religiös-spirituellen Fra-gestellungen insgesamt zugemessen wird. Sie unterscheiden auf einer prinzipiellen Ebene den Bereich der Spiritualität, also der Wichtigkeit, die religiös-spirituellen Fragestellungen beigemessen wird, von einem Bereich der religiösen Eingebundenheit, etwa in Kirchengemeinden. BENSON, SCALES, SESMA JR. und ROEHLKEPARTIAN (2005) stützen sich in ih-rer Analyse zum Zusammenhang von jugendlicher Religiosität mit Risiko-verhaltensweisen und sozialem Verhalten auf eine Stichprobe von 216383 US-amerikanischen Jugendlichen der Klassen 6 bis 12 der beiden Studien ‚Monitoring the Future’ und ‚Search Institute Profiles of Student Life: Atti-tudes and Behaviors’. BENSON, SCALES, SESMA JR. und ROEHLKEPARTIAN (2005) unterschieden in ihrer Studie insgesamt vier Gruppen von Jugend-lichen: solche, die spirituellen Fragen eine hohe Bedeutung beimessen,

Page 233: Dokument_44.pdf (1384 KB)

8. Forschungsdesiderate 232

aber nicht in religiöse Gruppen eingebunden sind (9,7 %), solche die spiri-tuellen Fragen eine nur geringe Bedeutung beimessen, aber dennoch stark konfessionell gebunden sind (18,0 %) und solche, denen entweder beide Dimensionen viel bedeuten (44,6 %) oder die in beiden Dimensio-nen nur geringes Engagement zeigen (27,7 %). Zwischen beiden Dimen-sionen besteht zwar ein hoher korrelativer Zusammenhang, dennoch tra-gen beide eigene Anteile zur Aufklärung der Varianz von abgeleiteten Verhaltensweisen wie Risikoverhaltensweisen, wie Drogenkonsum und prosozialen Werten und Verhaltensweisen wie sozialem Engagement bei. Wie in der Literatur empfohlen wird, wird in der Betroffenenselbsthilfestu-die sowohl die Dimension der eigenen religiösen Praxis und Einbindung als auch die spirituelle Aufgeschlossenheit gegenüber theologischen Fra-gestellungen erfasst. Folgende Fragen wurden nach BENSON, SCALES, SESMA JR. und ROEHLKEPARTIAN (2005) zur Erfassung der religiösen Über-zeugung und Praxis aufgenommen: Die religiöse Einbindung wird über die Frage erfasst „Wie viele Stunden verbringen Sie durchschnittlich pro Woche im Gottesdienst, bei religiösen Gruppen oder Veranstaltungen? Wer keinerlei Zeit damit verbringt, wurde als nicht konfessionell gebunden eingestuft; wurde Zeit in der religiösen Gemeinschaft verbracht, wurde die Person als eingebunden eingestuft. Die Bedeutsamkeit, die spirituellen Fragestellungen zugemessen wird, wird über die Frage erhoben „Wie wichtig ist es für Ihr Leben, dass Sie re-ligiös oder an geistigen Dingen interessiert sind? Wurde eine der Antwortkategorien ‚nicht wichtig’, ‚etwas wichtig’ oder ‚weiß nicht’ gewählt, wurde die Person als nicht spirituell interessiert ein-gestuft; wurde ‚ziemlich wichtig’ und ‚sehr wichtig’ gewählt, wurde sie als spirituell interessiert eingestuft. Zusätzlich wird die Bedeutung, die in den Familien der Religiosität beige-messen wird über Fragen zum gemeinsamen Gebet und zur Diskussion

Page 234: Dokument_44.pdf (1384 KB)

8. Forschungsdesiderate 233

über religiöse und weltanschauliche Fragestellungen erfasst: Wie oft beten Sie bzw. haben Sie gemeinsam in der Herkunftsfamilie gebetet? Wie oft sprechen oder diskutieren Sie über religiöse oder geistige Dinge in Ihrer Familie? Zudem wurde speziell für den Bereich der Erkrankung die Frage zugefügt „Hat sich Ihre Religiosität durch Ihre Krankheit verändert?“ Studien zur Korrelation von Religiosität und Engagementverhalten bele-gen, dass Religiosität mit unterschiedlichen Aspekten des prosozialen Verhaltens in unterschiedlich starkem Ausmaß in Korrelation steht. Eine Korrelation bestand etwa zwischen religiöser Orientierungen und ehren-amtlichem Engagement, wie sie etwa über Betroffenenselbsthilfeengage-ment dargestellt werden kann, in welchem Betroffene für andere Betroffe-ne Unterstützung und emotionale und instrumentelle Hilfe anbieten (HAR-

DY & CARLO 2005; STEIN 2008). Auch sind es ganz bestimmte Bereiche der Religiosität, die Rückschluss auf abhängige Variablen wie Engagement und prosoziales Verhalten zu-lassen. Eine internale Religiosität, die sich eher in spiritueller Aufge-schlossenheit äußert, ist stärker mit Engagement korreliert als eine exter-nal über formale Einbildungen in religiöse Strukturen demonstrierte Reli-giosität (STEIN 2008). Studien zur Korrelation von Religiosität und Gesundheitsverhalten konnten ebenfalls hohe Korrelationen erkennen. Beispielsweise in den zusammen-fassenden Studien von BENSON, DONAHUE und ERICKSON (1989), BENSON, ROEHLKEPARTIAN und RUDE (2003) und BENSON, SCALES, SESMA JR. und

ROEHLKEPARTIAN (2005) wird nachgewiesen, dass Risikoverhaltensweisen wie der Missbrauch von Drogen, Alkohol oder Schul- und Gewaltprobleme negativ mit religiösen Praktiken und Überzeugungen korreliert sind. Auf der anderen Seite sind Verhaltensweisen, die Ressourcen darstellen kön-nen bei der Bewältigung von Problemen wie Gesundheitsverhalten und prosoziale Verhaltensweisen positiv mit religiösen Überzeugungen und

Page 235: Dokument_44.pdf (1384 KB)

8. Forschungsdesiderate 234

Praktiken korreliert (WAGENER, FURROW, KING, LEFFERT & BENSON 2003; BENSON, ROEHLKEPARTIAN & RUDE 2003). Demnach müsste insbesondere die Dimension der spirituellen Grundüber-zeugung mit einem Engagement in Betroffenenselbsthilfegruppen sowie einem positiven Gesundheitsverhalten korrelieren. Erfassung der Werthaltungen Die Erfassung der Werte der Diabetikerinnen und Diabetiker fußt auf der umfassenden und empirisch gut abgestützten Wertetheorie von SCHWARTZ (1994). Alle zehn Hauptwerte der Theorie organisieren sich anhand der zwei Di-mensionen Verbesserung der eigenen Situation / Selbststärkung versus Selbstüberwindung und Bewahrung des Bestehenden versus Offenheit gegenüber Neuem. Die Theorie von SCHWARTZ orientiert sich an einem Circumplexmodell, wonach nebeneinander liegende Werte stärker miteinander korreliert sind als Werte, die weiter voneinander entfernt liegen. Menschliches Handeln ist nach SCHWARTZ durch die drei evolutionären Motive Sicherung des eigenen Überlebens, Sicherung des Überlebens in der Gemeinschaft und Kooperation innerhalb der Gemeinschaft gelenkt. Die einzelnen Wertetypen sind unterschiedlich stark auf diese drei grund-legenden motivationalen Dimensionen bezogen (SCHWARTZ 1992; 1994; 1996).

Page 236: Dokument_44.pdf (1384 KB)

8. Forschungsdesiderate 235

Abb. 31: Die zehn Wertetypen nach SCHWARTZ (1996; p. 5; Überset- zung M.S.) Die Werthaltungen der Diabetikerinnen und Diabetiker werden mit Hilfe des Wertefragebogens PVQ IV Value Scale von SHALOM SCHWARTZ (1994) erhoben. Die PVQ IV Value Scale besteht aus insgesamt 40 Items, welche den einzelnen Unterdimensionen der zehn Wertetypen zugeordnet werden können. Ursprünglich hatte SCHWARTZ mit 56 Items gearbeitet. Aus Grün-den des Pragmatismus wird in der Selbsthilfestudie eine auf 21 Items ver-kürzte Version der PVQ IV Value Scale genutzt, wie sie für den European Social Survey von SCHWARTZ aus Items der Gesamt- PVQ IV Value Scale

Universalismus

Selbst- bestimmung

Stimulation Mildtätigkeit

Hedonismus

Tradition

Konformität

Leistung

Macht Sicherheit

Selbstüberwindung/ Kollektive Werte

Offenheit gegen--über Neuem

Verbesserung der eigenen Situation/

Selbststärkung Individuelle Werte

Bewahrung des Bestehenden

Page 237: Dokument_44.pdf (1384 KB)

8. Forschungsdesiderate 236

zusammengestellt wurde (MOHLER & WOHN 2005; EUROPEAN SOCIAL SUR-

VEY 2009). Bei den Items wird im Sinne des Zeichnens von kurzen Portraits jeweils eine Kurzbeschreibung einer Person vorgenommen, welche bezüglich der angesprochenen Wertdimension eine hohe Ausprägung besitzt und es wird gebeten, auf einer fünfstufigen Skala anzugeben, wie sehr die Person wie man selbst ist. Die einzelnen Items der Kurzform der PVQ IV Value Scale beziehen sich auf folgende Dimensionen:

Page 238: Dokument_44.pdf (1384 KB)

8. Forschungsdesiderate 237

Tab. 5: Wertedimensionen des PVQ IV

Dimension des PVQ IV Item

Kreativität Sich neue Ideen auszudenken und kreativ zu sein ist wichtig für ihn. Er mag es, Dinge auf seine eigene origi-nelle Art und Weise zu tun.

Autonomie Es ist wichtig für ihn, selbst zu entscheiden was er tut. Er möchte seine eigenen Aktivitäten frei planen und aus-wählen können.

abwechslungsreiches Leben Er denkt, dass es wichtig ist, im Leben viele verschiede-ne Dinge zu tun. Er sucht immer nach neuen Dingen, die er ausprobieren kann.

aufregendes Leben Er geht gerne Risiken ein. Er ist immer auf der Suche nach Abenteuern.

Vergnügen Er sucht nach jeder Möglichkeit, Spaß zu haben. Es ist wichtig für ihn, Dinge zu tun, die ihm Vergnügen bereiten.

Lebensgenuss Für ihn ist es wichtig, die Freuden des Lebens zu genie-ßen. Er ‘verwöhnt’ sich gerne selbst.

nationale Sicherheit Es ist sehr wichtig für ihn, dass sein Land sicher ist. Er denkt, dass der Staat gegenüber äußeren und inneren Bedrohungen wachsam sein muss.

familiäre Sicherheit Es ist wichtig für ihn, in einem sicheren Umfeld zu leben. Er vermeidet alles, was seine Sicherheit gefährden könn-te.

Respekt vor Traditionen Er denkt, dass es das Beste ist, Dinge auf die traditionel-le Art und Weise zu tun. Für ihn ist es wichtig, die Bräu-che zu erhalten, die er gelernt hat.

Bescheidenheit Es ist wichtig für ihn, anspruchslos und bescheiden zu sein. Er versucht nicht die Aufmerksamkeit anderer zu er-regen.

Gehorsam Er meint, dass Menschen tun sollen, was ihnen gesagt wird. Er denkt, dass Menschen sich immer an die Regeln halten sollten, auch wenn sie niemand beobachtet.

Höflichkeit Es ist für ihn wichtig, sich immer angemessen zu verhal-ten. Er möchte vermeiden, irgendetwas zu tun, von dem die Leute sagen könnten, dass es falsch sei.

Aufgeschlossenheit Für ihn ist es wichtig, Menschen zuzuhören, die anders sind als er. Auch wenn er nicht mit ihnen übereinstimmt, möchte er sie dennoch verstehen.

Gleichheitsstreben Er denkt, dass es wichtig ist jeden Mensch auf der Welt gleich zu behandeln. Er meint, dass jeder im Leben die gleichen Möglichkeiten haben sollte.

Umweltschutz Er ist sehr davon überzeugt, dass Menschen die Natur schützen sollen. Die Umwelt zu schützen ist sehr wichtig für ihn.

Loyalität Für ihn ist es wichtig, seinen Freunden treu zu sein. Er möchte sich den Menschen widmen, die ihm nahe ste-hen.

Hilfsbereitschaft Es ist sehr wichtig für ihn, den Menschen um ihn herum zu helfen. Er möchte sich um ihr Wohlergehen kümmern.

Erfolg Sehr erfolgreich zu sein ist für ihn wichtig. Er möchte an-dere Menschen beeindrucken.

soziale Aufmerksamkeit Für ihn ist es sehr wichtig, seine Fähigkeiten zu zeigen. Er möchte, dass Menschen bewundern was er tut.

soziale Macht Es ist wichtig für ihn, die Leitung zu haben und anderen zu sagen was sie zu tun haben. Er möchte, dass Men-schen das tun, was er sagt.

Reichtum Es ist wichtig für ihn, reich zu sein. Er möchte eine Men-ge Geld und teure Dinge haben.

Page 239: Dokument_44.pdf (1384 KB)

8. Forschungsdesiderate 238

Um das Antwortverhalten des Individuums in die Auswertung einfließen zu lassen, wird eine Ipsitation vorgenommen. Die Rohwerte der einzelnen Items, die jeweils unter einem Wertetyp subsumiert sind, werden jeweils zu einem Rohwert zusammengefasst. Außerdem wird ein gemeinsamer Mittelwert über alle Typrohwerte gebildet, welcher Aussagen über das Antwortverhalten des einzelnen machen kann. Die Rohwerte der einzel-nen Dimensionen werden nun vom Gesamtrohwert abgezogen, um die re-lative Bedeutsamkeit zu erhalten, welche die einzelnen Werte für das Indi-viduum einnehmen. Mit Hilfe dieser zentrierten Werte werden die Berech-nungen vorgenommen. Studien belegen, dass sich insbesondere Personen, die über Werte aus dem Bereich der Selbstüberwindung bzw. dem Bereich der kollektiven Werte wie Universalismus und Mildtätigkeit verfügen und über Werte aus dem Bereich der Offenheit gegenüber Neuem wie Selbstbestimmung und Stimulation, für ein Engagement entscheiden (STEIN 2008). Demnach müssten insbesondere diejenigen Diabetikerinnen und Diabeti-ker in Betroffenenselbsthilfegruppen engagiert sein, welche die Werte Universalismus, Mildtätigkeit, Selbstbestimmung und Stimulation für sich als hoch bedeutsam einschätzen. Die Werte Leistung, Hedonismus und Macht müssten nach dem Circumplexmodell dann entsprechend negativ mit Selbsthilfeengagement korreliert sein. Erfassung der salutogenetischen Sinnhaftigkeit Die Gesundheitspädagogik bedient sich eines sozialwissenschaftlichen oder salutogenetischen Gesundheitsbegriffs, welcher das Kohärenzgefühl zur Hauptressource für ein gesundes und gesundheitsbewusstes Leben erhebt. Krankheit entsteht nach dieser Auffassung dann, wenn die Stres-soren die Widerstandsressourcen übersteigen. Hauptressource ist das Kohärenzgefühl (Verstehbarkeit, Handhabbarkeit, Sinnhaftigkeit) (ANTO-

NOVSKY 1997; STEIN 2009).

Page 240: Dokument_44.pdf (1384 KB)

8. Forschungsdesiderate 239

Personen erleben sich dann als handlungsmächtig, wenn die Krankheit beziehungsweise die Krankheitsbewältigung sowie das Leben insgesamt als verstehbar, handhabbar und sinnhaft erlebt wird. Diese Fragen zur erlebten Sinnhaftigkeit wurden aus dem Fragebogen „Sense of Coherence Scale“ von AARON ANTONOVSKY entnommen, die dieser 1987 entwickelte. In ihrer ausführlichen Version umfasst die Sense of Coherence Scale 29 Items (SOC-29), die Kurzform, die ohne Subskalen auskommt, enthält 13 Items (SOC-13) (SCHUMACHER 2000). ANTONOVSKY entwickelte aufgrund seiner theoretischen Vorüberlegungen drei Subska-len, die Skala „Verstehbarkeit“, die Skala „Handhabbarkeit“ und die Skala „Sinnhaftigkeit“, die 8 Items umfasst. Für die Betroffenenselbsthilfestudie wurde die Skala der Sinnhaftigkeit von ANTONOVSKY mit allen acht Items übernommen und um zwei weitere Items, die sich speziell mit dem Bereich der Betroffenenselbsthilfe und der Krankheitsbewältigung befassen, auf insgesamt zehn Items ergänzt: Neu hinzugefügt wurden folgende Items: „Wie oft haben Sie das Gefühl, dass Ihre Krankheit einen tieferen Sinn hat?“ „Wie oft haben Sie das Gefühl, dass das gemeinsame Erleben und Zu-sammenkommen in der Selbsthilfegruppe für Sie sinnvoll ist?“ ANTONOVSKY bedient sich in seiner „Sense of Coherence Scale“ eines sie-benstufigen Antwortmodells, das im Rahmen der Betroffenenselbsthilfes-tudie auf vier Stufen reduziert wurde, um das Antwortverhalten für die Personen, die primär ältere Menschen sind, in Anlehnung an ALTMAYER (2008) zu erleichtern. „Die erste Frage bezieht sich auf das Empfinden eines Gleichgültigkeits-gefühls gegenüber dem Leben. Die zweite Aussage betrifft die Einstellung gegenüber dem Leben. Weiter geht es um eine mögliche Zielgerichtetheit im Leben. Das vierte Statement bezieht sich auf die Einstellung gegenü-ber der Zukunft und das fünfte fragt nach der Einstellung gegenüber dem

Page 241: Dokument_44.pdf (1384 KB)

8. Forschungsdesiderate 240

Leben. In der sechsten Aussage geht es um das Empfinden des Alltages. Die siebte Frage bezieht sich auf die Sinnhaftigkeit der Zukunft. Die achte und letzte Frage fragt nach dem Gefühl des Sinnverlus-tes im täglichen Leben (SCHUMACHER 2000).“ (ALTMAYER 2008: 82). Personen, die über hohe Werte auf der Dimension Sinnhaftigkeit verfügen, müssten demnach eher Krankheit und Krankheitsbewältigung sowie Ge-sundheitsverhalten als aktive Aufgaben und Herausforderungen ansehen, denen mit Eigenaktivität und Optimismus begegnet werden kann. Demnach müssten insbesondere diejenigen Diabetikerinnen und Diabeti-ker in Selbsthilfegruppen engagiert sein, welche hohe Werte in der Skala Sinnhaftigkeit erreichen und insbesondere in ihrer Krankheit sowie im Zu-sammenkommen in der Selbsthilfegruppe wertvolle und sinnhafte Erfah-rungen für sich ableiten können. Erfassung der Attribuierungsmuster hinsichtlich Krankheitsentste-hung Unter Attribuierungsstil versteht man, welche Faktoren Personen für be-stimmte Erfahrungen in positiver und negativer Hinsicht verantwortlich machen. Hierbei werden die beiden Dimensionen der externen versus internen beziehungsweise der stabilen versus variablen Ursachenzu-schreibung bei der Bewertung von negativen wie positiven Erfahrungen – hier im Bereich Gesundheit und Krankheit – unterschieden. Die unterschiedlichen präferierten Attribuierungsstile bedingen unter-schiedliche Handlungsoptionen und Motivationen der Veränderung von Si-tuationen. Externe Zuschreibungen und stabile Zuschreibungen sind des-halb problematisch, weil sie dem Einzelnen suggerieren, dass er auf seine Erfahrungen keinen Einfluss habe und dass dies auch stabil festgeschrie-ben sei (STEIN 2009).

Page 242: Dokument_44.pdf (1384 KB)

8. Forschungsdesiderate 241

In Tabelle 6 sind Beispiele für externe und interne, stabile versus variable Ursachenzuschreibungen im Bereich Gesundheit und Krankheit abgetra-gen: Tab. 6: Beispiele für externe und interne, stabile versus variable Ur- sachenzuschreibungen im Bereich Gesundheit und Krankheit

Externe Faktoren / Umweltfaktoren

Interne Faktoren / Personenfaktoren

Stabile Ursachen

Ob jemand krank wird oder nicht, hängt in starkem Ma-ße von äußeren Umständen wie der Wohnsituation, der Stressigkeit der Arbeitssitua-tion etc. ab. Es ist schwer, sich aus un-günstigen äußeren Umstän-den, wie einer stressigen Arbeit herauszulösen, was aber wichtig für die Gesun-dung wäre.

Ob jemand krank wird oder nicht, hängt in starkem Maße von seinen Genen ab. Leider kann man oft weniger machen als man möchte, da in den Genen festgeschrieben ist, ob man erkrankt oder nicht.

Variable Ursachen

Ob jemand krank wird oder nicht, hängt in starkem Ma-ße von der sozialen Unters-tützung durch andere ab. Stabile, glückliche soziale Beziehungen, wie die Part-nersituation tragen viel zur Gesundung bei.

Ob jemand krank wird oder nicht, hängt in starkem Maße von seinen Lebensgewohnhei-ten ab. Man selbst kann viel zur Ge-sundung beitragen, durch ge-sunde Ernährung, Bewegung und Veränderung negativer Lebensgewohnheiten wie Rau-chen oder Alkoholkonsum.

Abgeleitet aus obigem Schema wurden folgende Aussagen selbst kons-truiert, die von den Diabetiker/innen beantwortet werden:

• Ob jemand krank wird oder nicht, hängt in starkem Maße von äuße-ren Umständen wie der Wohnsituation, der Arbeitssituation etc. ab

• Leider kann man oft weniger machen als man möchte, da in den Genen festgeschrieben ist, ob man erkrankt oder nicht

Page 243: Dokument_44.pdf (1384 KB)

8. Forschungsdesiderate 242

• Ob jemand krank wird oder nicht, hängt in starkem Maße von sei-nen Lebensgewohnheiten ab

• Es ist schwer, sich aus ungünstigen äußeren Umständen, wie einer stressigen Arbeit herauszulösen, was aber wichtig für die Gesun-dung wäre

• Ob jemand krank wird oder nicht, hängt in starkem Maße von der sozialen Unterstützung durch andere ab

• Man selbst kann viel zur Gesundung beitragen, durch gesunde Er-nährung, Bewegung und Veränderung negativer Lebensgewohn-heiten wie Rauchen oder Alkoholkonsum

• Ob jemand krank wird oder nicht, hängt in starkem Maße von sei-nen Genen ab

• Stabile, glückliche soziale Beziehungen, wie die Partnersituation tragen viel zur Gesundung bei

Eine Einschätzung wurde auf einer fünfstufigen Skala von „trifft völlig zu“ bis „trifft gar nicht zu“ vorgenommen. Ob der einzelne im Bereich Gesundheit und Krankheit handelt, also sich etwa in der Betroffenenselbsthilfe engagiert, ist in wesentlichem Maße mitbedingt durch die von ihm vorgenommenen Ursachenzuschreibungen. In diesem Zusammenhang sind Phänomene der erlernten Hilflosigkeit denkbar. Dies bedeutet, dass der Einzelne zwischen seinen Handlungen und den entsprechenden Ergebnissen keinerlei Zusammenhang feststel-len kann und etwa im Gesundheitsbereich sich externen Kräften ausgelie-fert sieht. VOLLE ET AL. (nach BORGETTO 2004) stellten fest, dass die Kontrollüber-zeugungen, also die Überzeugung, das eigene Schicksal wie etwa die Krankheit oder die aktuelle soziale Situation durch Eigenaktivität verän-dern zu können, bei Mitgliedern von Betroffenenselbsthilfegruppen aus-geprägter ist.

Page 244: Dokument_44.pdf (1384 KB)

8. Forschungsdesiderate 243

Entsprechend dieser Annahme müssten insbesondere diejenigen Diabeti-kerinnen und Diabetiker in Betroffenenselbsthilfegruppen engagiert sein, welche hohe Werte im Bereich interner, variabler Ursachenzuschreibung für Gesundheit und Krankheit erreichen und insbesondere die Krankheits-bewältigung als intern steuerbar erleben. Gründe für die Betroffenenselbsthilfegruppenteilnahme BORGETTO (2004) thematisiert, dass sich die Gründe für den Beitritt in Selbsthilfegruppen aus primär zwei Quellen speisen, zum einen aus den sogenannten Weil-Motiven wie etwa Mängel im Versorgungs- und Ge-sundheitssystem oder einem Mangel an einer primärsozialen Einbindung und zum Zweiten aus den sogenannten Um-Zu-Motiven, wie dem Aus-tausch mit anderen Betroffenen sowie etwa der erwarteten Hilfsbereit-schaft bei der Krankheitsbewältigung (BORGETTO 2004: 110). Die Um-Zu-Motive können grob in instrumentelle und emotionale Unters-tützung eingeteilt werden. Diese wurden von uns in insgesamt sechs Motive für den Beitritt in Selbsthilfegruppen übersetzt, deren Bedeutsamkeit für die eigene Ent-scheidung zum Engagement auf einer insgesamt fünfstufigen Skala von „trifft gar nicht zu“ bis „trifft völlig zu“ eingeschätzt werden sollte:

• Menschen zum Reden zu finden

• sich Informationen aneignen zu können

• selbstständig mit der Krankheit/den Problemen umgehen zu kön-nen

• Freizeit gemeinsam verbringen zu können

• gegenseitige Unterstützung zu finden

• Interessen gemeinsam nach außen zu vertreten

Page 245: Dokument_44.pdf (1384 KB)

8. Forschungsdesiderate 244

Stichprobendesign Der Fragebogen wurde in einer A-Version und einer B-Version erstellt, die sich einmal an Diabetiker/-innen mit Betroffenenselbsthilfeengagement und einmal an Diabetiker/-innen ohne Betroffenenselbsthilfeengagement richtet. Beide Fragebogenversionen wurden im Frühjahr und Sommer 2009 an je circa 150 Betroffene ausgegeben. Die Auswertung erfolgt mit Hilfe von SPSS, dem Statical Programme for Social Scientists.

Page 246: Dokument_44.pdf (1384 KB)

9. Ausblick 245

9. Soziale Arbeit zwischen Selbstbeschränkung und Selbstverwirk-

lichung

In welcher Gesellschaft leben wir eigentlich? Auf diese Fragestellung kre-denzt PONGS (1999; 2000) einen Antwortencocktail aus zwei Dutzend ge-sellschaftswissenschaftlichen Theorieentwürfen und Erklärungsansätzen. Die Antworten der durchwegs namhaften Soziologen lassen uns in einer Weltgesellschaft (ALBROW 1998), einer Risikogesellschaft (BECK 1986), ei-ner Multioptionsgesellschaft (GROSS 1994), einer Konfliktgesellschaft (HEITMEYER 1997), einer multikulturellen Gesellschaft (LEGGEWIE 1990), ei-ner Arbeitsgesellschaft (OFFE 1984), einer Erlebnisgesellschaft (SCHULZE

1992), einer transkulturellen Gesellschaft (WELSCH 1988), einer Wissens-gesellschaft (WILLKE 1997) und weiteren 15 Gesellschaftsmodellen leben. Das Spektrum der Antworten auf die soziologische Kernfrage, in welcher Gesellschaft leben wir, (vgl. ROSA, STRECKER & KOTTMANN 2007: 14) lässt offensichtlich werden, dass für unsere Gegenwartsgesellschaft kein (an-nähernd) umfassendes und widerspruchsfreies Gesellschaftskonzept vor-handen ist (vgl. auch FISCHER 2008). PONGS (1999: 282) schlussfolgert, „dass wir in einer funktional differenzier-ten, desintegrierenden, risikobewussten, bürgerlichen, arbeitsdominanten, erlebnisorientierten, postindustriellen, wissensbasierten, multioptionierten, multikulturellen, transkulturellen, globalen“ Gesellschaft leben. In diesen gesellschaftlichen Vielfältigkeitskontexten sind Individuen gefor-dert, sich in unterschiedlichen sich wandelnden und nichtkonsistenten Gesellschaftsentwürfen zu verorten. ELIAS (1991) spricht in diesem Zu-sammenhang von einer Gesellschaft der Individuen. Was bedeutet nun diese gesellschaftliche Inkonsistenz für die Soziale Ar-beit? Aufgabe und Ziel klassischer Sozialer Arbeit – begriffliche Verwendung er-folgt in Rahmen dieser Dissertationsschrift im Sinne des Subsumtions-

Page 247: Dokument_44.pdf (1384 KB)

9. Ausblick 246

theorems (vgl. MÜHLUM 2002; 2004) – war es, Hilfe für den einzelnen in Bewährungs-, Sinn- und Handlungskrisen zu leisten. Klassische Soziale Arbeit richtet sich an einzelne hilfesuchende bzw. hilfebedürftige Perso-nen. Eine dergestalt konzipierte Soziale Arbeit ist reaktiv und versteht sich als Metaphylaxe bzw. Nothilfe (vgl. SCHMIDT 1981). Nothilfen können als „organisierte Hilfeleistungen der Gesellschaft an ein-zelne ihrer Glieder [verstanden werden], die in der Gefahr stehen, sich aus dem Gemeinschafts- und Gesellschaftsgefüge [...] herauszulösen und ihr zu entgleiten. Konkreter gesagt: die Fürsorge versucht Menschen, die den Anforderungen des Gemeinschafts- und Gesellschaftslebens – sei es in wirtschaftlicher, sei es in moralischer Hinsicht – nicht genügen können, zu stützen […][und][…] sie an anderer geeigneter Stelle einzugliedern.“ (SCHERPNER 1966: 10).

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kritisierte NOHL, dass eine Ge-fährdung nicht nur von einzelnen Personen für die Gesellschaft ausgehen kann, sondern auch umgekehrt, die Gesellschaft einzelne Personen ge-fährden kann. NOHL (1965: 48f) beklagte bildhaft für den Bereich der Jugendfürsorge, dass diese „heute vor allem damit beschäftigt [sei], Wagen, die aus dem Gleis gesprungen sind, wieder auf die Schienen zu bringen. […] Aber das Schienensystem selbst ist eben heute vollständig zerstört. […] Alle ent-scheidende Arbeit unser Jugendhilfe müsste darauf gerichtet sein, dem Kinde wieder ein solches Schienensystem, auf dem es relativ gefahrlos vorwärts kommt, zu schaffen.“ AUTRATA und SCHEU (2006: 15) kritisieren – im bildlichen Duktus NOHLS –, dass sich Soziale Arbeit u.a. aus gesellschaftlichen Zwängen, finanziellen Restriktionen und fehlgeleiteter Professionalisierung anschickt, „eine gut organisierte Hebestation für entgleiste Menschen bereit zu stellen, die sie wieder auf die rechte Bahn hieven soll. Es bleibt dabei aber das von Nohl angesprochene Problem unbeachtet, ob denn das gesellschaftliche he-

Page 248: Dokument_44.pdf (1384 KB)

9. Ausblick 247

rausgebildete Gleissystem überhaupt noch ein Vorwärtskommen gewähr-leisten kann.“ Das von AUTRATA und SCHEU (2006) an die Gleis-Metapher von NOHL an-gelehnte Bildnis einer Sozialen Arbeit als „Hebestation für entgleiste Men-schen“ bedeutet einen Rückschritt hinter die von STEIN (2004: 16) mit der Gleis-Metapher von NOHL exklamierte „kopernikanische Wende“ in der Sozialen Arbeit. Soziale Arbeit sieht sich seither nicht mehr (ausschließlich) im Paradigma

der Metaphylaxe bzw. Nothilfe, sondern im Paradigma der Prophylaxe

kontextuiert. Soziale Arbeit hat es in diesem neuen Paradigma „auf ge-

samtgesellschaftlicher Ebene mit einer Art von Wechselprozessen zu tun:

einerseits werden von Menschen Lebensbedingungen produziert, und zu-

gleich unterliegen Menschen diesen Lebensbedingungen“ (HOLZKAMP

1997: 390).

In diesem prophylaktischen Verständnis sieht sich Soziale Arbeit veran-

lasst, sich unmittelbar in gesellschaftliche Zusammenhänge einzubringen

und diese zu verändern. (vgl. etwa MOLLENHAUER 1964: 27)

Im gegenwartsgesellschaftlichen Kontext stellt sich die Frage, inwieweit

Soziale Arbeit – im Bilde NOHLS bleibend – als Gleishandwerker noch pro-

phylaktische Wirkungen erzielen kann. Seit NOHLS in einer Gleis-Metapher

geäußerten Kritik waren die Kontextbedingungen Sozialer Arbeit einem

grundlegenden Wandel unterworfen. Aus ehemals verrotteten, aber ein-

heitlichen und überschaubaren Gleisanlagen entwickelte sich ein postmo-

dernes Wirrwahr an unterschiedlich genormten und verlaufenden Gleis-

anlagen.

PONGS (1999: 282) resümiert: „Alles läuft auseinander, wird diffuser und

widersprüchlicher.“ Die postmoderne Gesellschaft drängt auf Wandel und

die Ära der großen Meta-Erzählungen, die ehemals Normen-, Sinn-, Wer-

Page 249: Dokument_44.pdf (1384 KB)

9. Ausblick 248

te- und Zielkorridore markierten, neigt sich dem Ende zu (LYOTARD 1987).

Institutionen wie Gewerkschaften, Kirchen und Parteien verlieren zuneh-

mend ihre gesellschaftliche Deutungshoheit und können damit keine ver-

bindlichen Lebensleitlinien mehr vorgeben (vgl. WELSCH 1993).

Vor diesem grob nachgezeichneten gegenwartsgesellschaftlichen Kontext

erscheint es vermessen, wenn Soziale Arbeit den Anspruch erhebt bzw.

aufrechterhält, gesellschaftliche Strukturen prophylaktisch gestalten zu

wollen. Soziale Arbeit würde sich dabei dem in nachfolgender Abbildung

32 illustrierten Hase-Igel-Phänomen aussetzen.

Abb. 32: Hase-Igel-Phänomen postmoderner Sozialer Arbeit

Im prophylaktischen Anspruch der Gestaltung postmoderner Gesellschaf-

ten würde sich Soziale Arbeit ebenso wie der Hase im Wettrennen mit den

Igeln „totlaufen“, da die postmodernen Phänomene etwa der Pluralität, der

Fragmentierung, der Individualisierung, der Differenzierung und Entdiffe-

renzierung einen dynamischen Wandel gesellschaftlicher Prozesse be-

feuern.

Page 250: Dokument_44.pdf (1384 KB)

9. Ausblick 249

Die einsetzende „allmähliche Entzauberung des wohlfahrtsstaatlichen Op-

timismus weitet […] den Blick auf Problemlösungs- und Lebensgestal-

tungsressourcen in den ,kleinen Lebenswelten’ (Benita Luckmann) der

Gesellschaftsmitglieder, speziell in ihren freien Assoziationen,“ (MÖLLER

2002) und reiht das zurückliegende Jahrhundert der Sozialen Arbeit in den

von LYOTARD (1987) prognostizierten Prozess der zu Ende gehenden gro-

ßen Geschichten ein.

Das innovative Konzept Blended Help offeriert eine Mehrebenenperspek-tive, den postmodernen „Angemessenheitsfaktor“ Sozialer Arbeit zu erhö-hen. Dieses geschieht, indem die beiden Trends der Marktökonomisierung und der „Betroffenenselbsthilfeengagementisierung“ in ihrer postmodernen Verfasstheit aufgegriffen und zum innovativen Konzept Blended Help ent-wickelt werden. Neben den in den vorangegangenen Kapiteln bereits aufgezeigten post-modernen Potenzialen (siehe insb. die Kapitel 3.2 und 4) kann das innova-tive Konzept Blended Help insbesondere für die vorab problematisierte prophylaktische Gestaltungsebene von Sozialer Arbeit einen wegweisen-den Beitrag leisten. CHASSE (2008: 434ff) stellt in seinen Ausführungen zur Theorie von Selbsthilfe in der Moderne dezidiert die gegenwartsgesellschaftlichen Po-tenziale der Betroffenenselbsthilfe dar. Das innovative Konzept Blended Help erschließt diese Potenziale (siehe insb. die Kapitel 3.1 und 7) für gemeinnützige Organisationen der Sozialen Arbeit sowie für von sozialen Problemen betroffene Bürger/innen und so-zial benachteiligte Bürger/innen. SENGLING (1998: 19) misst insbesondere den Potenzialen der Betroffe-nenselbsthilfe in sozialen Problemkontexten und von sozial benachteilig-ten Bürger/innen eine große gesellschaftliche Bedeutung zu, denn „wenn Bürgerlichkeit nicht von einer elitären sozialen Klasse monopolisiert wird,

Page 251: Dokument_44.pdf (1384 KB)

9. Ausblick 250

sondern allen Schichten, Geschlechtern und ethnischen Gruppen zugäng-lich ist, kann sie durchaus jene Energien wecken und stabilisieren, ohne die eine Bürgergesellschaft mit ihrer ,Kultur der Selbstständigkeit und Ver-antwortung’ (Roman Herzog) nicht funktionieren.“ Weiter betont SENGLING

(1998: 19), dass „eine funktionierende Bürgergesellschaft […] nicht nur herrschende soziale und geschlechtsspezifische Restriktionen beseitigen [muss]. Wenn das z. Z. so vehement protegierte ,bürgerliche Projekt’ nicht erneut scheitern will, muss es die historische neue Qualität der Selbsthil-febewegung einbinden.“ Das innovative Konzept Blended Help fokussiert auf die Betroffenen-selbsthilfe in sozialen Problemkontexten und von sozial benachteiligten Menschen und findet somit eine Anschlussfähigkeit an die Diskurse um das bürgerschaftliche Engagement und die Zivilgesellschaft (vgl. BÖH-

NISCH & SCHRÖER 2002; WENDT ET AL. 1996). Über die Konfiguration der Kundenselbsthilfegruppe als neue Form der Betroffenenselbsthilfe (siehe Kapitel 4) gelingt es, die externe Ressource des Betroffenenselbsthilfeengagements in den Dienstleistungserb-ringsprozess von gemeinnützigen Organisationen der Sozialen Arbeit ein-zufügen. Über die Einfügung der externen Ressource des Betroffenenselbsthilfeen-gagements lassen sich Allokationsprozesse – also die Kombination von Dienstleistungsfaktoren – optimieren. Mittels der Neukonfiguration der Kundenselbsthilfegruppen lassen sich des Weiteren neue Arrangements Sozialer Arbeit konturieren, aus denen heraus postmoderne Gestaltungs-perspektiven – ohne die im Hase-Igel-Phänomen illustrierten Negativfol-gen – beschritten werden können (siehe Abbildung 32). Kundenselbsthilfegruppen stellen ein themenoffenes und bewältigungsfle-xibles Arrangement bereit, in dem postmoderne Probleme und Herausfor-derungen in ihrer Vielfalt und Dynamik bearbeitet werden können. Das bedeutet, dass für die Vielfalt und Dynamik postmoderner Herausforde-

Page 252: Dokument_44.pdf (1384 KB)

9. Ausblick 251

rungen und Probleme nicht verschiedene spezifische Dienstleistungsset-tings bereitgestellt werden müssen, sondern mit dem Arrangement der Kundenselbsthilfegruppe das weite und dynamische Spektrum postmo-derner Herausforderungen und Probleme abgedeckt werden kann. Soziale Arbeit erschließt mit der Betroffenenselbsthilfe ein Setting, indem Bewälti-gungsprozesse zwischen Eigensinn und Gemeinsinn sowie zwischen Selbstbeschränkung und Selbstverwirklichung angelegt sind. Das innovative Konzept Blended Help markiert für die Soziale Arbeit eine Strategie unter den sich wandelnden Bedingungen der Postmoderne eine sowohl marktökonomisch als auch sozialpädagogisch bzw. sozialarbeite-risch überzeugenden Weg gehen zu können.

Page 253: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 252

Adam, H./Henke, K.-D. (2006) Gesundheitsökonomie. In: Hurrelmann, K. (Hrsg.): Handbuch Gesundheitswissenschaften. 4. Auflage. Weinheim und München. S. 1147 – 1168

AGUS e.V. (2009): Wie alles begann. Internetressource: http://www.agus-selbsthilfe.de/index.php?id=17 (aufgerufen am 02.09.2009)

Albert, M. (2006): Soziale Arbeit im Wandel – Professionelle Identität zwi-schen Ökonomisierung und ethischer Verantwortung. Hamburg

Albrecht, B. (2002): Corporate Identity in der Sozialen Arbeit. Schriften der Hochschule Magdeburg-Stendal. Band 9. Magdeburg

Albrow, M. (1998): Abschied vom Nationalstaat. Staat und Gesellschaft im Globalen Zeitalter. Frankfurt/Main

Alscher, M./Dathe, D./Priller, E./Speth, R. (2009): Bericht zur Lage und zu den Perspektiven des bürgerschaftlichen Engagements in Deutsch-land. Berlin

Altmayer, S. (2008): Die Sinnlehre gegen Sinnleere – Viktor E. Frankl und seine Logotherapie als Antwort auf die Sinnfrage im Alter (Unveröffent-lichte Diplomarbeit). Eichstätt

Anheier, H. K. (1999): Dritter Sektor. Ehrenamt und Zivilgesellschaft in Deutschland. In: Kistler, E./Noll, H.-H./Priller, E. (Hrsg.): Perspektiven gesellschaftlichen Zusammenhalts. Berlin. S. 145 - 170

Anonyme Alkoholiker e.V. (2009a): Die Geschichte der Anonymen Alko-holiker. Internetressource: http://www.anonoyme-alkoholiker.de (aufge-rufen am 02.09.2009)

Anonyme Alkoholiker e.V. (2009b): Zahlen und Fakten. Internetressour-ce: http://www.anonoyme-alkoholiker.de (aufgerufen am 02.09.2009)

Antes, W. (Hrsg.) (2005): MarkenMacht Jugendarbeit: Marken als Brücke zwischen Jugendarbeit und Wirtschaft. Weinheim und München

Page 254: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 253

Antonovsky, A. (1997): Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Ge-sundheit. Tübingen

Argyris, C./Schön, D. (1999): Die lernende Organisation. Grundlagen, Methode, Praxis. Stuttgart

Arnold, U./Maelicke, B. (Hrsg.) (1998): Lehrbuch der Sozialwirtschaft. Baden-Baden

Assion, C. (2000): Zukunftsperspektiven und Forschungsbedarf im Be-reich der Selbsthilfe aus Sicht des Bundesministeriums für Gesundheit. In: Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen DAG SHG e.V. (Hrsg.): Selbsthilfegruppenjahrbuch 2000. Gießen. S. 162 - 167

Autrata, O. & Scheu, B. (2006): Gestaltung des Sozialen. Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit. Klagenfurt

Backhaus-Maul, H. (2003): Die Subsidiaritätsidee in den Zeiten der Kos-tenrechnung. In: Olk, T./Otto, H.-U. (Hrsg.): Soziale Arbeit als Dienst-leistung. Neuwied. S. 194 - 225

Backhaus-Maul, H./Olk, T. (1994): Von Subsidiarität zu „outcontracting“ – Zum Wandel der Beziehungen von Staat und Wohlfahrtsverbänden. In: Streeck, W.(Hrsg.): Staat und Verbände. Opladen. S. 100 - 135

Backhaus-Maul, H./Speck, K. (2006): Engagement als Ressource. In: Blätter der Wohlfahrtspflege. Deutsche Zeitschrift für Sozialarbeit. Heft 6. S. 203 - 208

Badelt, C. (1980): Sozioökonomie der Selbstorganisation. Beispiele zur Bürgerselbsthilfe und ihre wirtschaftliche Bedeutung. Frankfurt/Main und New York

Badura, B. (2005): Versicherten- und Patientenorientierung – ein Gebot der Humanität und der sozialwirtschaftlichen Vernunft. In: Psycholo-gisch-medizinische Zeitschrift für Psychologie und Medizin. Heft 1. S. 4 - 6

Page 255: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 254

Bahrs, O./Nave-Ahmad, M. (1999): Selbsthilfegruppen im interdisziplinä-ren Qualitätszirkel – Ein neuartiger Beitrag zur Förderung medizini-scher Kommunikation. In: Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfe-gruppen DAG SHG e.V. (Hrsg.): Selbsthilfegruppenjahrbuch 1999. Gießen. S. 53 - 59

Balck. F. (2002): Entwicklung und Evaluation eines Fortbildungsprog-ramms für Leiterinnen und Leiter von Krebsselbsthilfegruppen. In: Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen DAG SHG e.V. (2002): Selbsthilfekontaktstellen Empfehlungen zu Ausstattung, Aufga-benbereichen und Arbeitsinstrumenten. Gießen. S. 60 - 75

Barloschky, K. (2003): Bürgerschaftliches Engagement im Feld Arbeits-losigkeit und soziale Integration. In: Hartnuss, B. (Hrsg.): Bürgerschaft-liches Engagement und Sozialstaat. Opladen. S. 139 - 156

Barth, S. (2005): Selbsthilfe im Internet – Eine Fallstudie zur Unterstüt-zungsleistungen in einer Selbsthilfe-Newsgroup. Schriftenreihe Sozial-pädagogik in Forschung und Praxis. Hamburg

Bauer, A. (1976): Konsumentenentscheidungen als Riskioverhalten. In: Specht, K. G./Wiswede, G. (Hrsg.): Marketing Sozologie. Berlin. S. 207 - 217

Bauer, R. (1988): Wiederholt sich die Geschichte? – Gruppen der Selbst-hilfe-/Alternativbewegung und die Wohlfahrtsverbände. In: Selbsthilfe-zentrum München (Hrsg.): Zurück in die Zukunft – Selbsthilfe und ge-sellschaftliche Entwicklung. München. S. 42 - 58

Bauer, R. (2001): Klientenrechte und Nutzerstrukturen sozialer Dienste. Berlin

Bauer, R. (2002): Einführung in das Thema. In: Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. (Hrsg.): Grenzüberschreitende soziale Dienste/Soziale Arbeit. Tagungsdokumentation. Frankfurt. S. 18 - 23

Page 256: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 255

Bauman, Z. (1999): Unbehagen in der Postmoderne. Hamburg

Bauman, Z. (2003): Flüchtige Moderne. Frankfurt/Main

Bayerische Krebsgesellschaft (Hrsg.) (2006): Jahresbericht 2005. Ge-meinsam gegen Krebs. München

Beck, U. (1986): Risikogesellschaft. Auf dem Weg in einer andere Moder-ne. Frankfurt/Main

Becker, I./Hauser, R. (2003): Nicht-Inanspruchnahme zustehender Sozi-alhilfeleistungen (Dunkelzifferstudie). Frankfurt/Main

Becker, W. (1998): Strategisches Management. 4. Auflage. Bamberg

Becker-Lenz, R./Müller, S. (2008): Der professionelle Habitus in der So-zialen Arbeit – Grundlagen eines Professionsideals. Bern

Bellermann, M. (1981): Bedingungen und Formen von Arbeiterselbsthilfe im 19. Jahrhundert. In: Kickbusch, I./Trojan, A. (Hrsg.): Gemeinsam sind wir stärker!. Selbsthilfegruppen und Gesundheit. Frankfurt/Main. S. 217 – 224

Bellwinkel, M./ Kresula, A. (2005): BKK und Selbsthilfe – Erfolgsrezept Kooperation. Tagungsband zum BKK-Selbsthilfetag 2005. Bremerha-ven

Benkenstein, M. (1998): Besonderheiten des Innovationsmanagements in Dienstleistungsunternehmen. In: Bruhn, M./Meffert, H. (Hrsg.): Hand-buch Dienstleistungsmanagement. Wiesbaden. S. 689 - 703

Benson P. L./Scales, P. C./Sesma Jr. A./Roehlkepartain, E. C. (2005): Adolescent Spirituality. In: Anderson Moore, K./Lippman, L. H. (Eds.): What do Children need to flourish? Conceptualizing and Measuring In-dicators of Positive Psychology. New York. S. 25 - 40

Page 257: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 256

Benson, P. L./Donahue, M. J./Erickson, J. A. (1989): Adolescence and religion – A review of the literature form 1970 to 1986. Research in the Social Scientific Study of Religion. 1. S. 153 - 181

Benson, P. L./Roehlkepartian, E. C./Rude, S. P. (2003): Spiritual devel-opment in childhood and adolescence – Toward a field of inquiry. Ap-plied Developmental Science. 7. (3). S. 205 - 213

Berthold, D. (1997): Soziologie der Armut – Eine Einführung. Frank-furt/Main und New York

Beske, F./Hallauer, J. F. (1999): Das Gesundheitswesen in Deutschland –Struktur – Leistung – Weiterentwicklung. 3. Völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Köln

Betti, G./Dourmashkin, N./Rossi, M.C./Yin, Y (2001): Untersuchung des Problems der Verbraucherverschuldung. Statistische Aspekte der Ver-braucherverschuldung. Schlussbericht für die Kommission der Europä-ischen Gemeinschaften. Generaldirektion Gesundheit und Ver-braucher. London

Bieri, P. (2005): Wie wäre es gebildet zu sein?. Festrede an der Pädago-gischen Hochschule Bern vom 04.11.2005. In: Neue Züricher Sonn-tagszeitung am 06.11.2005. S. 5 – 6

Birgmeier, B. (2006): Coaching und Soziale Arbeit. Weinheim

Birgmeier, B. (2006b): Coaching – Alter Wein in neuen Schläuchen? – Zur Nähe von Coaching und Supervision. In: Soziale Arbeit. Heft 10. S. 375 - 381

Birgmeier, B. (2006c): Coaching für Jugendliche – Ein neuer Ansatz in der Sozialen Arbeit?. In: Jugendhilfe Heft 44. S. 198 - 207

Birkhölzer, K. (Hrsg.) (2005): Dritter Sektor, drittes System: Theorie, Funktionswandel und zivilgesellschaftliche Perspektiven. Wiesbaden

Page 258: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 257

Blankart, C. B. (1994): Öffentliche Finanzen in der Demokratie – Eine Einführung in die Finanzwirtschaft. München

Bobzien, M. (1993). Kontrolle über das eigene Leben gewinnen. Empo-werment als professionelles Konzept in der Selbsthilfeunterstützung - Aspekte aktivierender Beratung. In: Blätter der Wohlfahrtspflege. Deutsche Zeitschrift für Sozialarbeit. Heft 2. S. 46 - 49

Bobzien, M./Stark, W. (1991): Empowerment als Konzept psychosozialer Arbeit und als Förderung von Selbstorganisation. In: Balke, K./Thiel, W. (Hrsg.): Jenseits des Helfens: Professionelle unterstützen Selbsthil-fegruppen. Freiburg im Breisgau. S. 169 - 187

Bock, T. (1984): Entwicklung und Stand der Diskussion zur Methodik so-zialpädagogischen Handelns. In: Soziale Arbeit. Heft 4. S. 156 - 162

Bode, I. (2004): Disorganisierter Wohlfahrtskapitalismus – Die Reorgani-sation des Sozialsektors in Deutschland, Frankreich und Großbritan-nien. Wiesbaden

Boessenecker, K.-H. (1995): Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspfle-ge in der BRD – Eine Einführung in Organisationsstrukturen und Hand-lungsfelder. Münster

Boeßenecker, K.-H./Vilain, M./Biebricher, M./Buckley, A/Markert, A. (Hrsg.) (2003): Qualitätskonzepte in der Sozialen Arbeit – Eine Orien-tierung für Ausbildung, Studium und Praxis. Weinheim, Basel, Berlin

Bogenschütz, A. (2004): Ein Frankfurter Kooperationsmodell? Gemein-same Fortbildungen des Qualitätszirkels Gastroenterologie Rhein-Main mit DCCV-Selbsthilfegruppen. In: Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen DAG SHG e.V. (Hrsg.): Selbsthilfegruppenjahrbuch 2004. Gießen. S. 109 - 116

Page 259: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 258

Bogumil, J. (2001): Modernisierung lokaler Politik. Kommunale Entschei-dungsprozesse im Spannungsfeld zwischen Parteienwettbewerb, Ver-handlungszwängen und Ökonomisierung. Baden-Baden

Böhnisch, L. (2002):

Böhnisch, L. (2006): Sozialarbeit als Akteur der Sozialpolitik - Eine ost-deutsche Perspektive. In: Bütow, B./Chassé, K.A./Maurer, S.(Hrsg.): Soziale Arbeit zwischen Aufbau und Abbau. Transformationsprozesse im Osten Deutschlands und die Kinder- und Jugendhilfe. Wiesbaden. S. 25 - 42

Die soziale Bürgergesellschaft: zur Einbindung des Sozialpolitischen in den zivilgesellschaftlichen Diskurs. Weinheim, München

Böhnisch, L./Schröer, W. (2002): Die soziale Bürgergesellschaft. Zur Einbindung des Sozialpolitischen in den zivilgesellschaftlichen Diskurs. Weinheim, München

Böhnisch, L./Schröer, W./Thiersch, H. (Hrsg.) (2005): Sozialpädagogi-sches Denken. Wege zu einer Neubestimmung. Weinheim und Mün-chen

Bombosch, J./Hansen, H./Blume, J. (Hrsg.) (2007): Trialog praktisch – Psychiatrie-Erfahrene, Angehörige und Professionelle gemeinsam auf dem Weg zur demokratischen Psychiatrie. 2. Auflage. Neumünster

Bopp, J. (1980): Antipsychiatrie – Theorien, Therapie, Politik. Frank-furt/Main

Borgetto, B. (2001): Selbsthilfe und Wissenschaft – eine Bestandsauf-nahme. In: Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen DAG SHG e.V. (Hrsg.): Selbsthilfegruppenjahrbuch 2001. Gießen. S. 118 – 130

Page 260: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 259

Borgetto, B. (2002): Selbsthilfe im Gesundheitswesen. Stand der For-schung und Forschungsbedarf. In: Bundesgesundheitsblatt: Gesund-heitsforschung und Gesundheitsschutz 45 (I). S. 26 - 32

Borgetto, B. (2004): Selbsthilfe und Gesundheit – Analysen, Forschungs-ergebnisse und Perspektiven in der Schweiz und in Deutschland. Bern

Borgetto, B./Kolba, N. (2008): Wie anfällig ist die gemeinschaftliche Selbsthilfe für Reproduktion und Produktion von sozialer und gesund-heitlicher Ungleichheit?. In: Bauer, U./Büscher, A. (Hrsg.): Soziale Un-gleichheit und Pflege. Beiträge sozialwissenschaftlich orientierter Pfle-geforschung. Wiesbaden. S. 423 - 446

Bourdieu, P. (1983): Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In: Kreckel, R. (Hrsg.): Soziale Ungleichheiten. Soziale Welt Sonderband 2. Göttingen. S. 183 – 198

Braun, J./Bischoff, S./Gensicke, T. (2001): Förderung des freiwilligen Engagements und der Selbsthilfe in Kommunen. ISAB Berichte aus Forschung und Praxis (Nr. 72). Köln.

Braun, J./Kettler, U./Becker, I. (1997): Selbsthilfe und Selbsthilfeunters-tützung in der Bundesrepublik Deutschland. Aufgaben und Leistungen der Selbsthilfekontaktstellen in den neuen und alten Bundesländern. Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitung des Modellprog-ramms „Förderung sozialer Selbsthilfe in den neuen Bundesländern. Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Band 136. Stuttgart u.a.

Page 261: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 260

Braun, J./Klages, H. (2001): Zugangswege zum freiwilligen Engagement und Engagementpotenzial in den neuen und alten Bundesländern. Band 2. Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Freiwilliges Engagement in Deutschland. Ergeb-nisse der Repräsentativerhebung zu Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürgerschaftlichem Engagement. 2. korrigierte Auflage. Stuttgart, Ber-lin und Köln

Braun, J./Opielka, M. (1992): Selbsthilfeförderung durch Selbsthilfekon-taktstellen. Stuttgart u.a.

Brinkhölzer, K./Klein, A./Priller, E./Zimmer, A. (Hrsg.) (2005): Dritter Sektor/Drittes System – Theorie, Funktionswandel und zivilgesell-schaftliche Perspektiven. Wiesbaden

Brömme, N./Strasser, H. (2000): Exklusive Solidaritäten – Die ungleichen Folgen des Strukturwandels von Engagement und Partizipation, Vor-trag anlässlich des 30. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für So-ziologie am 29.09.2000 im Plenum VIII: Eigeninteresse, Solidarität und die Vorstellung von Gerechtigkeit. Köln

Brömme, N./Strasser, H. (2001): Gespaltene Bürgergesellschaft – Die ungleichen Folgen des Strukturwandels von Engagement und Partizi-pation. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament. Heft 25/26. S. 6 - 14

Brück, G. (1976): Allgemeine Sozialpolitik. Köln

Bruhn, M. (2006): Qualitätsmanagement für Dienstleistungen. Berlin und Heidelberg

Bruhn, M./Stauss, B. (2007): Wertschöpfungsprozesse bei Dienstleistun-gen. Wiesbaden

Buchinger, K./Klinghammer, M. (2007): Beratungskompetenz: Supervi-sion, Coaching, Organisationsberatung. Stuttgart

Page 262: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 261

Buer, F. (2005): Coaching, Supervision und die vielen anderen Formate – Ein Plädoyer für eine friedliche Zusammenarbeit. In: Organisation, Su-pervision, Coaching. Heft 3. S. 278 - 296

Bünder, P. (2003): Ich sehe was, was Du (leider) nicht siehst! – Über ei-nige Schwierigkeiten beim Umgang mit Ressourcen. In: Jugendhilfe. Heft 6. S. 298 - 307

Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung (2009a): Entste-hungsgeschichte und Selbstdarstellung der BAG-SB e.V.. Internetres-source: http://www.bag-sb.de/index.php?id=16 (aufgerufen am 02.09.2009)

Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung (2009b): Schuldner-beratung in der Praxis. Internetressource: http://www.meine-schulden.de/schuldnerberatung/beratung_in_der_praxis (aufgerufen am 02.09.2009)

Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung (2009c): Kontakt und Wartezeit. Internetressource: http://www.meineschulden.de/schuldnerberatung_ablauf_einer_schuldnerberatung (aufgerufen am 02.09.2009)

Bundesministerium der Justiz (2009a): § 65b SGB V. Internetressource: http://www.bundesrecht.juris.de/sgb_5_65b.html (aufgerufen am 02.09.2009)

Bundesministerium der Justiz (2009b): § 183 StGB: Exhibitionistische Handlungen. Internetressource: http://www.bundesrecht.juris.de/stgb_183.html (aufgerufen am 02.09.2009)

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2008): Das trägerübergrei-fende Persönliche Budget – Jetzt entscheide ich selbst!. Berlin

Page 263: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 262

Bundesministerium für Bildung und Forschung (2001): Das informelle Lernen: Die internationale Erschließung einer bisher vernachlässigten Grundform menschlichen Lernens für das lebenslange Lernen aller. Bonn

Bundesministerium für Gesundheit (2002): Evaluation und Qualitätssi-cherung in der Selbsthilfe (01/2002). Berlin

Bundesregierung (2006): Stellungnahme der Bundesregierung zum Be-richt der Sachverständigenkommission des siebten Familienberichts. Familie zwischen Flexibilität und Verlässlichkeit. Internetressource: http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung2/Pdf-Anlagen/siebter-familienbericht.proberty=pdf,bereich=,rwb=true.pdf (aufgerufen am 02.09.2009)

Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit

(Hrsg.) (1990): Achter Jugendbericht. Bericht über Bestrebungen und Leistungen der Jugendhilfe. Bonn

Burda, M. C./Wyplosz, C. (1994): Marktökonomie – Eine Europäische Perspektive. München

Bütow, B./Chassé, K.A./Maurer, S. (2006): Soziale Arbeit zwischen Auf-bau und Abbau. Transformationsprozesse im Osten Deutschlands und die Kinder- und Jugendhilfe. Wiesbaden

Butterwegge, C. (2001): Wohlfahrtsstaat im Wandel: Probleme und Pers-pektiven der Sozialpolitik

Büttgen, M. (2007): Kundenintegration in den Dienstleistungsprozess. Ei-ne verhaltenswissenschaftliche Untersuchung. Köln

. Opladen

Caplovitz, D. (1963): The poor pay more. New York

Chassé, K. A. (2008): Selbsthilfe. In: Chassé, K. A./ Wensierski, H.-J. v. (Hrsg.): Praxisfelder der Sozialen Arbeit – Eine Einführung. 4. aktuali-sierte Auflage. Weinheim und München. S. 300 - 310

Page 264: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 263

Cloos, P./Züchner, I. (2005): Das Personal der Sozialen Arbeit. Größe und Zusammensetzung eines schwer zu vermessenden Feldes. In: Thole, W. (Hrsg.): Grundriss Soziale Arbeit: ein einführendes Hand-buch. 2. überarbeitete und aktualisierte Auflage. Wiesbaden. S. 711 - 730

Corsten, H./Gössinger, R. (Hrsg.) (2005): Dienstleistungsökonomie. Ber-lin

Dahme, H.-J. (2000): Kooperation und Vernetzung im sozialen Dienstleis-tungssektor. Soziale Dienste im Spannungsfeld "diskursiver Koordina-tion" und "systemischer Rationalisierung". In: Dahme, H.-J./Wohlfahrt, N. (Hrsg.): Netzwerkökonomie im Wohlfahrtsstaat: Wettbewerb und Kooperation im Sozial- und Gesundheitssektor. Berlin. S. 47 - 67

Dahme, H.-J. (Hrsg.) (2000):

Dahme, H.-J./Kühnlein, G./Wohlfahrt, N. (2005) (Hrsg.): Zwischen Wett-bewerb und Subsidiarität – Wohlfahrtsverbände auf dem Weg in die Sozialwirtschaft. Berlin

Netzwerkökonomie im Wohlfahrtsstaat: Wettbewerb und Kooperation im Sozial- und Gesundheitssektor. Berlin

Danwitz, T. v. (2009): Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse in der europäischen Wettbewerbsordnung. In: Krautscheid, A. (Hrsg.): Die Daseinsvorsorge im Spannungsfeld von europäischen Wettbewerb und Gemeinwohlorientierung. Eine sektorspezifische Betrachtung. Wiesbaden. S. 103 - 132

Denz, H. (2007): Rezension zu: Herriger, N. (2006): Empowerment in der Sozialen Arbeit. Eine Einführung. Stuttgart. 3. erweiterte und aktuali-sierte Auflage. In: socialnet Rezensionen. Internetressource: http://www.socialnet.de/rezesionen/4039.php (aufgerufen am 02.09.2009)

Page 265: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 264

Deutsche Alzheimer Gesellschaft (2009): Internetressource: http://www.deutsche-alzheimer.de/index.php?id=162 (aufgerufen am 02.09.2009)

Deutsche Angestellten Krankenkasse DAK (1998): Hoher Stellenwert für Selbsthilfegruppen. In: Selbsthilfegruppen-Nachrichten. Gießen

Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen DAG SHG e.V. (1987): Selbsthilfegruppen-Unterstützung – Ein Orientierungsrahmen. Berlin

Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen DAG SHG e.V. (1991): Selbsthilfegruppenjahrbuch 1991. Gießen

Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen DAG SHG e.V. (2001): Selbsthilfekontaktstellen Empfehlungen zu Ausstattung, Aufga-benbereichen und Arbeitsinstrumenten. Gießen

Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen DAG SHG e.V. (2006): Selbsthilfegruppenjahrbuch 2006. Gießen

Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. (2001): Selbsthilfekontaktstellen – Empfehlungen der Deutschen Arbeitsge-meinschaft Selbsthilfegruppen e.V. zu Ausstattung, Aufgabenberei-chen und Arbeitsinstrumenten. Gießen

Deutsche Rheuma-Liga (2008): Jahresbericht 2007. Bonn

Deutsche Rheuma-Liga (2009a): wir über uns. Internetressource: http://www.rheuma-liga.de/home/layout2/wir_ueber_uns_18_0.html (aufgerufen am 02.09.2009)

Deutsche Rheuma-Liga (2009b): wir über uns – Historisches. Internet-ressource: http://www.rheuma-liga.de/home/layout2/historisches_39_18.html (aufgerufen am 02.09.2009)

Page 266: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 265

Deutsche Schmerzliga (2009): Internetressource: http://www. schmerzliga.de (aufgerufen am 29.09.2009)

Deutscher Diabetikerbund (2009): Internetressource: http://www.diabetikerbund.de/foerderer/foerderer.htm (aufgerufen am 02.09.2009)

Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (Hrsg.) (2007): Fachlexikon der sozialen Arbeit. 6. Auflage. Baden-Baden

Dewe, B. (Hrsg.) (1991): Netzwerkförderung und soziale Arbeit: empiri-sche Analysen in ausgewählten Handlungs- und Politikfeldern. Biele-feld

Diehl, J. (2008): Exhibitionismus: „Ich mach doch nix“. In: Spiegel online (Hrsg.). Internetressource: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0.1518.druck-555504.00 (aufge-rufen am 02.09.2009)

Dierks, M.-L./Haverkamp, A./Hofmann, W./Kurtz, V./Seidel, G. (2006): Evaluation der Modellprojekte zur unabhängigen Patienten- und Ver-braucherberatung nach § 65b SGB V. Abschlussbericht der wissen-schaftlichen Begleitforschung zur Verlängerungsphase der Modellpro-jekte 2004 – 2005. Internetressource: http://www.gkv-spitzenverband.de/verbraucher_und_Patientenberatung.gkvnet (aufge-rufen am 02.09.2009)

Diller, C. (2002): Zwischen Netzwerk und Institution. Eine Bilanz regiona-ler Kooperation in Deutschland. Opladen

Donabedian, A. (1980): Explorations in Quality Assessment and Monitor-ing. Ann Arbor

Dörner, K./Plog, U./Teller, C./Wendt, F. (2004): Irren ist menschlich: Lehrbuch der Psychiatrie/Psychotherapie. Bonn

Page 267: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 266

Döveling, B. (2002): Zusammenfassung und Perspektiven. In: Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. (Hrsg.): Grenzüberschreitende soziale Dienste/Soziale Arbeit. Tagungsdokumentation. Frankfurt. S. 184 - 185

Dungs, S. (2009: Der Überschuss der Sozialität. Alteritätsethische Revi-sionen der sozialpädagogischen Grundlegungen von Gemeinschaft bei Paul Natorp und Carl Mennicke. In: Mührel, E./Birgmeier, B. (Hrsg.): Theorien der Sozialpädagogik – ein Theorie-Dilemma?. Wiesbaden. S. 67 - 84

Durkheim, E. (1893/1992): Über soziale Arbeitsteilung. Studie über die Organisation höherer Gesellschaften. Frankfurt/Main

Durkheim, E. (1902/03/1973): Erziehung, Moral und Gesellschaft. Frank-furt/Main

Ebli, H. (1997): Professionelles soziales Handeln in der Schuldnerbera-tung. Stuttgart

Ebli, H. (2003): Pädagogisierung, Entpolitisierung und Verwaltung eines gesellschaftlichen Problems. Die Institutionalisierung des Arbeitsfeldes Schuldnerberatung. Baden-Baden

Ehrlinghagen, M./Rinne, K./Schwarze, J. (1999): Ehrenamt statt Ar-beitsamt? Sozioökonomische Determinanten ehrenamtlichen Engage-ments in Deutschland. In: WSI Mitteilungen. Heft 4. S. 246 - 255

Eichler, A. (2000): Strategische Allianzen im Non-profit-Bereich: Gefahr oder Chance? Ein Bericht aus der Praxis. In: Dahme, H.-J./Wohlfahrt, N. (Hrsg.): Netzwerkökonomie im Wohlfahrtsstaat: Wettbewerb und Kooperation im Sozial- und Gesundheitssektor. Berlin. S. 89 - 299

Elias, N. (1991): Die Gesellschaft der Individuen. Frankfurt/Main

Elsen, S./Lange, D./Wallimann, I. (Hrsg.) (2000): Soziale Arbeit und Ökonomie. Neuwied

Page 268: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 267

Engelfried, C. (Hrsg.) (2005): Soziale Organisationen im Wandel – Fach-licher Anspruch, Genderperspektive und ökonomische Realität. Frank-furt/Main

Engelhardt, H.-D. (2005): Leistungen und Handlungsmodelle von Selbst-hilfegruppen. In: Kolhoff, L./Beck, R./Engelhardt, H.-D./Hege, M./ Sandmann, J. (Hrsg.): Zwischen Ökonomie und sozialer Verantwor-tung. Augsburg. S. 192 - 218

Engelhardt, H.-D./Simeth, A./Stark, W.(1995): Was Selbsthilfe leistet – Ökonomische Wirkungen und sozialpolitische Bewertung. Frei-burg/Breisgau

Engelke, E. (2002): Theorien der Sozialen Arbeit: Eine Einführung. 3. Auf-lage. Freiburg/Breisgau

Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engage-

ments“ des Deutschen Bundestages (Hrsg.) (2002): Bericht – Bür-gerschaftliches Engagement: Auf dem Weg in eine zukunftsfähige Bürgergesellschaft. Opladen

Enste, D. (2004): Auf den Schultern der Schwachen – Wohlfahrtsverbän-de in Deutschland. Köln

Erler, W. (2006): Selbsthilfebeirat und Selbsthilfeförderung in München – Für eine kuschelige und/oder kämpferische Selbsthilfe. In: Selbsthilfe-zentrum München (Hrsg.): 20 Jahre Selbsthilfeunterstützung in Mün-chen. München

Erlinghagen, M. (2001): Die sozialen Risiken „Neuer Ehrenamtlichkeit“ – Zur Zukunft des Ehrenamts am Beispiel der Bürgerarbeit. In: Aus Poli-tik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament. Heft 25/26. S. 33 - 38

Eurich, J. (Hrsg.) (2005): Soziale Institutionen zwischen Markt und Moral : Führungs- und Handlungskontexte. Wiesbaden

Page 269: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 268

Eurich, J./Brink, A./Hädrich, J./Langer, A./Schröder, P. (Hrsg.) (2005): Soziale Institutionen zwischen Markt und Moral – Führungs- und Hand-lungskontexte. Wiesbaden

European social survey (2009): Internetressource: http://www. europeansocialsurvey.org (aufgerufen am 29.09.2009)

Evers, A. (2002): Gegenstand, analytisches Konzept und Methodik der Studie. In: Evers, A./Rauch, U./Stitz, U. (Hrsg.): Von öffentlichen Ein-richtungen zu sozialen Unternehmen. Hybride Organisationsformen im Bereich sozialer Dienstleistungen. Berlin. S. 11 - 44

Evers, A./Olk, T. (2006): Bürgerengagement im Sozialstaat – Randphä-nomen oder Kernproblem?. In: Beilage zu Das Parlament. Heft 9. S. 6 - 14

Evers, A./Olk, T. (Hrsg.) (1996): Wohlfahrtspluralismus – Vom Wohl-fahrtsstaat zur Wohlfahrtsgesellschaft. Opladen

Evers, A./Rauch, U./Stitz, U. (2002): Von öffentlichen Einrichtungen zu sozialen Unternehmen: hybride Organisationsformen im Bereich sozia-ler Dienstleistungen. Schriftenreihe: Modernisierung des öffentlichen Sektors. Sonderband 16. Berlin

Evers, A./Rauch, U./Stitz, U. (Hrsg.)(2002): Von öffentlichen Einrichtun-gen zu sozialen Unternehmen. Hybride Organisationsformen im Be-reich sozialer Dienstleistungen. Berlin

Fahlbusch, J. (2008): Europäisches Vergaberecht für soziale Dienstleis-tungsunternehmen aus kommunaler Sicht. In: Bundesarbeitsgemein-schaft der Freien Wohlfahrtspflege (Hrsg.): Europa sozial managen – Werte – Wettbewerb – Finanzen. Bericht über den 5.Kongress der So-zialwirtschaft 2007 in Magdeburg. Baden-Baden. S. 83 - 90

Page 270: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 269

Fischer, J. (2008): In welcher Gesellschaft leben wir?. In: Politik und Zeit-geschichte. Bürger – Bürgertum – Bürgerlichkeit. Ausgabe. 09-10. Bei-lage zur Wochenzeitung „Das Parlament“. S. 9 - 16

Fließ, S. (2009): Dienstleistungsmanagement – Kundenintegration gestal-ten und steuern. Wiesbaden

Focht, T./Swoboda, B. (2005): Käuferverhalten. Grundlagen – Perspekti-ven – Anwendungen.2. Auflage. Wiesbaden

Franzen; G. (2003): Ich bin doch nicht blöd! – Über den Wandel des Sozi-alcharakters und die Zukunft der Selbsthilfe. In: Deutsche Arbeitsge-meinschaft Selbsthilfegruppen DAG SHG e.V. (Hrsg.): Selbsthilfegrup-penjahrbuch 2003. Gießen. S. 179 - 184

Freire, P. (1980): Dialog als Prinzip. Erwachsenenalphabetisierung in Guinea Bissau. Wuppertal

Gaitanides, S. (2000): Soziale Arbeit – im Spagat zwischen Ökonomie und Menschenrechtsprofession. In: Elsen, S./Lange, D./Wallimann, I. (Hrsg.): Soziale Arbeit und Ökonomie. Neuwied. S. 125 - 135

Gaitanides, S. (2006): Interkulturelle Öffnung der Sozialen Dienste. In: Ot-to, H.-U./Schrödter, M. (Hrsg.): Soziale Arbeit in der Migrationsgesell-schaft. In: Neue Praxis. Sonderheft 8. S. 222 – 234

Galuske, M. (2002): Flexible Sozialpädagogik. Elemente einer Theorie Sozialer Arbeit in der modernen Arbeitsgesellschaft. Weinheim und München

Galuske, M. (2005): Methoden der Sozialen Arbeit – Eine Einführung. 6. Auflage. Weinheim und München

Geene, R./Huber, E./Hundertmark-Mayser, J./Möller-Bock, B./Thiel, W. (2009): Entwicklung, Situation und Perspektiven der Selbsthilfeunters-tützung in Deutschland. In: Bundesgesundheitsblatt für Gesundheits-forschung und Gesundheitsschutz. Heft 1. S. 11 - 20

Page 271: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 270

Gensicke,T./Picot, T./Geiss, S. (Hrsg.). (2005): Freiwilliges Engagement in Deutschland 1999-2004. Ergebnisse der repräsentativen Trender-hebung zu Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürgerschaftlichem Enga-gement. Internetressource: http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Ar-beitsgruppen/Pdf-Anlagen/freiwilligen-survey-langfassung,property=pdf,bereich=,rwb= true.pdf (aufgerufen am 02.09.2009)

Gerzer-Sass, A./Erler, W. (Hrsg.) (1999): Familienselbsthilfe und ihr Po-tential für eine Reformpolitik von „unten“. Individuelle, familiate und gemeinwesenbezogene Wirkungen und Leistungen von Familien-selbsthilfe. München

Gerzer-Sass, A./Sass, J. (2004): Familienkompetenz – Entdeckung einer interaktiven Humanressource. In: Diskurs. Heft 2. S. 36 - 44

Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (1982): Kooperation zwischen Gewerkschaften und Hochschulen im Bereich des Sozialwesens: Fachtagung der Gewerkschaft ÖTV, DGB-Kreis Esslingen, Hans-Böckler-Stiftung. Hans-Böckler-Stiftung: Tagungsbe-richte / Dokumente; 3.

Giertz-Birkholtz, A. (2006): Virtuelle Selbsthilfegruppen im Internet – wie funktioniert das? In: Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen DAG SHG e.V. (2006): Selbsthilfegruppenjahrbuch 2006. Gießen. S. 11 - 16

Bochum

Gillich, S. (2002): Zur Selbsthilfe Wohnungsloser – Zwischen Ignoranz und Verkennung. In: Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit. Heft 3. S. 1 - 9. Internetressource: http://www.tup-online.com/docsdtl_cu.asp-cid=236&id=8472.htm (aufgerufen am 02.09.2009)

Gillich, S. (2003): Zur Selbsthilfe Wohnungsloser. In: Bundesarbeitsge-meinschaft Wohnungslosenhilfe (Hrsg.): Wohnungslos. Ausgabe 45. Frankfurt/Main

Page 272: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 271

Gillich, S. (2007): Wider die Individualisierung der Selbsthilfe. Karriere ei-nes strapazierten Begriffs – Beispiel: Selbsthilfe Wohnungsloser. In: Blätter der Wohlfahrtspflege. Deutsche Zeitschrift für Sozialarbeit. Heft 3. S. 111 - 112

Gold, P. W. (2006): Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsver-fahren versus pacta sunt ser vanda: Solidarität versus Subsidiarität und Eigenverantwortung. Hamburg

Goll, E. (1991): Die freie Wohlfahrtspflege als eigener Wirtschaftssektor – Theorie und Empirie ihrer Verbände und Einrichtungen. Baden-Baden

Greiner, A. (1993): Die Integration von Prozeß- und Produktinnovationen in der Theorie der Unternehmung – Ansätze für ein Schumpeteriani-sches Unternehmensmodell. Aachen

Greiwe, A. (2004): Fortbildungen von Selbsthilfegruppen durch Selbsthil-fekontaktstellen – Ein spannender Balanceakt. In: Deutsche Arbeits-gemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. (Hrsg.): Selbsthilfegruppenjahr-buch 2004. Gießen. S. 62 – 66

Greiwe, A. (2006): In-Gang-SetzerInnen – Stütze für neue Selbsthilfe-gruppen. In: Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. (Hrsg.): Selbsthilfegruppenjahrbuch 2006. Gießen. S. 88 – 96

Greiwe, A. (2008): In-Gang-Setzer erleichtern den Zugang zur Selbsthilfe. In: Gesundheit Berlin (Hrsg.): Dokumentation 14. bundesweiter Kon-gress Armut und Gesundheit. Berlin. S. 1 – 7

Groenemeyer, A. (1999): Soziale Probleme, soziale Theorien und mo-derne Gesellschaften. In: Albrecht, G./Groenemeyer, A./Stallberg, F. (Hrsg.): Handbuch soziale Probleme. Opladen und Wiesbaden. S. 13 – 72

Gross, P. (1994): Die Verheißungen der Dienstleistungsgesellschaft. Frankfurt/Main

Page 273: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 272

Groth, U. (1984): Schuldnerberatung. Frankfurt/Main u.a.

Groth, U./ Schulz-Rackoll, R. (2008): Schuldnerberatung. Grenzgänger zwischen klassischer Sozialarbeit und moderner Dienstleistung. In: Chassé, K. A./ Wensierski, H.-J. v. (Hrsg.): Praxisfelder der Sozialen Arbeit – Eine Einführung. 4. aktualisierte Auflage. Weinheim und München. S. 431-442

Grunow, D./Breitkopf, H./Dahme, H.-J./Engfer, R./Grunow-Lutter, V./

Paulus, W. (1983): Gesundheitsselbsthilfe im Alltag. Stuttgart

Gudehus, T. (2007): Dynamische Märkte. Praxis, Strategie und Nutzen für Wirtschaft und Gesundheit. Heidelberg u.a.

Günther, P./Rohrmann, E. (Hrsg.) (1999): Soziale Selbsthilfe – Alternati-ve, Ergänzung oder Methode sozialer Arbeit?. Heidelberg

Habermas, J. (1988): Der philosophische Diskurs der Moderne. Frank-furt/Main

Habermas, J. (2006): Die Neue Unübersichtlichkeit. Kleine politischen Schriften V. Folge 321. Neuauflage. Frankfurt/Main

Hamel, T./Windisch, M. (2000): QUOFHI: Qualitätssicherung offener Hil-fen für Menschen mit Behinderung. Marburg

Hammerl, V./Hermes, K. (2002): Kooperation Krankenhaus und Selbsthil-fe – Evaluation eines Modellprojekts. München

Hardt, M./Negri, A. (2000): Empire. Frankfurt/Main

Hardy, S. A./Carlo, G. (2005): Religiosity and prosocial behaviours in ado-lescence. The mediating role of prosocial values. Journal of Moral Education. 34 (2). S. 231 – 249

Page 274: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 273

Hart, D. (2003): Einbeziehung des Patienten in das Gesundheitssystem: Patientenrechte und Bürgerbeteiligung. In: Schwartz, F. W./Badura, B./Busse, R./Leidl, R./Raspe, R./Siegrist, J./Walter, U. (Hrsg.): Das Public-Health-Buch: Gesundheit und Gesundheitswesen. München und Jena. S. 333 – 339

Hart, D./Francke, R. (2002): Patientenrechte und Bürgerbeteiligung – Be-stand und Perspektiven. In: Bundesgesundheitsblatt Heft 1. S. 13 – 20

Hartnuß, B. (Hrsg.) (2003): Bürgerschaftliches Engagement und Sozial-staat.

Haupert, B. (2002): Soziale Arbeit zwischen Dienstleistung und Professi-on – Mensch und Kunde – Markt und Moral. Bundestagung diplo-mierter SozialarbeiterInnen. 16. – 18.10.2002. Innsbruck. Internetres-source:http://www.culturebase.org/home/soltauer-impulse/Haupert. pdf (aufgerufen am 10.10.2009)

Enquete-Kommission "Zukunft des Bürgerschaftlichen Enga-gements". Opladen

Hauschildt, J. (2004): Innovationsmanagement. 3. Auflage. München

Hauschildt, J./Salomon, S. (2007): Innovationsmanagement. München

Hees, F./Schierholt, U./Schultze, J./Zweig, S. (2001): Partizipation & Empowerment: Konzepte zwischen Selbstverwirklichung und (Selbst-) Ausbeutung. Bonn.

Heese, C. (2009): Der Managementdiskurs im Gesundheits- und Sozial-wesen. Entwicklung und Vergleich auf der Grundlage einer inhalts-analytischen Untersuchung von einschlägigen Fachzeitschriften. Ha-bilitationsschrift an der Philosophisch-Pädagogischen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (unveröffentlicht). Eich-stätt

Page 275: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 274

Heitmeyer, W. (Hrsg.) (1997): Bundesrepublik Deutschland: Von der Kon-sens- zur Konfliktgesellschaft. Band 1: Was treibt die Gesellschaft aus-einander?. Frankfurt/Main

Helke, K. (2005): Entwurf eines Benmarketingkonzept mit Einfluss auf den Kundennutzen in der Schuldnerberatung. Hannover. Internetressource: http://www.klaushelke.info/12html (aufgerufen am 20.03.2009)

Helmig, B./Purtschert, R./Schauer, R./Witt, D. (Hrsg.) (2007): Nonprofit-

Heltzel, R. (2003): Identität und Profession. Überarbeiteter Vortrag auf der „Begrüßungsveranstaltung DAGG“ der DGSv am 13.01.2007 in Frank-furt/Main

Hengsbach, F. (2006): Mehr Markt macht nicht gesund – Gesellschaftli-che Risiken und solidarische Sicherung entsprechen einander. Inter-netressource: http://www.sankt-georgen.de/nbi/pdf/beitrage/gmds-a-kk.ppf (aufgerufen am 01.10.2009)

Henneke, H.-G. (2009): Die Daseinsvorsorge in Deutschland – Begriffe, historische Entwicklung, rechtliche Grundlagen und Organisationen. In: Krautscheid, A. (Hrsg.): Die Daseinsvorsorge im Spannungsfeld von europäischen Wettbewerb und Gemeinwohlorientierung. Eine sektors-pezifische Betrachtung. Wiesbaden. S. 17 - 40

Hermann, C. (1984): Wohlfahrtsverbände und Bürgerinteressen. Wie Be-lange von Benachteiligten interpretiert und gefiltert werden. In: Bauer, R./Dießenbacher, H. ( Hrsg.): Organisierte Nächstenliebe: Wohlfahrts-verbände und Selbsthilfe in der Krise des Sozialstaats

Herriger, N. (2002): Empowerment in der sozialen Arbeit. Stuttgart

. Opladen. S. 67 - 77

Hey, G./Naumann, S./Stein, M. (2009): Modellkonzeption zur Nieder-schwelligen unabhängigen Pflegeberatung. Nordhausen

Page 276: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 275

Hill, B. (2008): Selbsthilfe und soziales Engagement – Motor für die Zivil-gesellschaft? Herausforderungen und Potenziale für Kooperationen von Selbsthilfekontaktstellen und Einrichtungen der Sozialen Arbeit in der Gemeinde. NAKOS Extra. Themenheft 37. Berlin

Hill, B./Stummbaum, M./Zink, G. (2007): Modellkonzeption zur Förde-rung sozialer Selbsthilfe sozial benachteiligter Menschen. München

Hinte, W./Treeß, H. (2007): Sozialraumorientierung in der Jugendhilfe. Weinheim, München

Höhmann, U., G. Müller-Mundt und B. Schulz (1998): Qualität durch Kooperation. Gesundheitsdienste in der Vernetzung. Frankfurt/Main

Holzkamp, K. (1997): Schriften I – Normierung, Ausgrenzung, Wider-stand. Hamburg u.a.

Homfeldt, H. G./Hünersdorf, B. (Hrsg.) (1997): Soziale Arbeit und Ge-sundheit. Neuwied

Hondrich, K.O. (1992):

Hradil, S. (2005): Soziale Ungleichheiten in Deutschland. 8. Auflage. Wiesbaden

Solidarität in der modernen Gesellschaft. Frank-furt/Main

http://www.agnus-selbsthilfe.de/index.php?id=17 (2008) Zum Rücktritt der Leiterin der Selbsthilfegruppen „Angehörige um Suizid“ (aufgerufen am 18.11.2008)

Hundertmark-Mayser, J. (2007): Struktur und Angebote der Selbsthilfe-unterstützung in Deutschland. In: Public Health Forum. Heft 15. S.12 - 13

Hurrelmann, K./Laaser, U. (2006): Gesundheitsförderung und Krank-heitsprävention. In: Hurrelmann, K. (Hrsg.). Handbuch Gesundheits-wissenschaften. 4. Auflage. Weinheim und München. S. 749 - 780

Page 277: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 276

Illich, I. (1979): Entmündigung durch Experten. Zur Kritik der Dienstleis-tungsberufe. Hamburg

Illich, I. (2007): Die Nemesis der Medizin – Die Kritik der Medizinalisie-rung des Lebens. 5. Auflage. München

Institut für Demoskopie Allensbach (2005): Allensbacher Berufspresti-ge-Skala 2005. Allensbacher Berichte 12/2005 zur IfD-Umfrage 7071. Allensbach. Internetressource: http://www.ifd-allensbach.de (aufgeru-fen am 10.09.2009)

Jakob, G. (2009): Kommunen und bürgerschaftliches Engagement – ge-genwärtiger Stand, Probleme und Lösungsansätze. Expertise für den Bericht „Potenziale und Grenzen von Zivilgesellschaft und bürger-schaftliches Engagement in Deutschland. Berlin

Janig, H. (1999): Wirkung von Selbsthilfegruppen auf Persönlichkeit und Lebensqualität. Forschungsbericht im Auftrag des Fonds „Gesundes Österreich“. Teil 1: Bericht (unveröffentlichtes Manuskript). Klagenfurt

Jugendschutz.Net (2008): Wer ist Ana? Internetressource: http://www.jugendschutz.net/pdf/faltblatt-pro-ana.pdf (aufgerufen am 22.08.2009)

Jugendwerk der Deutschen Shell (Hrsg.) (2000): Jugend 2000. Opladen

Kähler, H. D. (2001): Erstgespräche in der sozialen Einzelhilfe. 4. überar-beitete und erweiterte Auflage. Freiburg/Breisgau

Kähler, H. D. (2005): Soziale Arbeit in Zwangskontexten – Wie uner-wünschte Hilfe erfolgreich sein kann. München

Kano, N. (1984): Attractive Quality and Must-be Quality. In: Hinshitsu: The Journal of the Japanese Society for Quality Control. No. 2. p. 39 - 48

Page 278: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 277

Kardoff, E. v. (1998): Kooperation, Koordination und Vernetzung. Anmer-kungen zur Schnittstellenproblematik in der psychosozialen Versor-gung. In: Röhrle, B./Sommer, G./Nestmann, F. (Hrsg.): Netzwerkinter-vention. Tübingen. S. 203 - 222

Kaufmann, F.X. (1997): Herausforderungen des Sozialstaates. Frank-furt/Main

Keicher, R./Anhorn, R. (Hrsg.) (2005): Privatisierung als Chance? – Straffälligenhilfe zwischen marktwirtschaftlicher und staatlicher Steue-rung. Freiburg

Keidel, T. (2008): Selbsthilfe – von der Protestbewegung bis zur vierten Säule im Gesundheitswesen. In: Die Demokratische Schule DDS. Heft 12. S. 13

Kessl, F. (2000): Wiederentdeckung der Gemeinschaft? Zur Verschrän-kung der Diskurse „Aktivierung neuer Gemeinschaftlichkeit und Soziale Arbeit“. In: Widersprüche. Heft 76. S. 19ff.

Kessl, F. (Hrsg.) (2004):

Keßler

Soziale Arbeit und soziales Kapital: zur Kritik lo-kaler Gemeinschaftlichkeit. Wiesbaden

Keupp, H. (1989): Auf der Suche nach der verlorenen Identität. In: Keupp, H./Bilden, H. (Hrsg.): Verunsicherungen. Das Subjekt im gesellschaftli-chen Wandel. Göttingen u.a.. S. 47 - 69

, U. (1992): Unternehmensgröße, Innovation und Wertschöpfungs-wachstum: eine empirische Untersuchung im Lichte der Schumpeter-schen Innovationsdiskussion. Frankfurt/Main

Keupp, H. (1997): Ermutigung zum aufrechten Gang. Tübingen

Keupp, H. (1998): Von der "fürsorglichen Belagerung" zur "eigenen Stim-me" der Betroffenen. In: Geislinger, R. (Hrsg.): Experten in eigener Sa-che. München. S. 19 - 30

Page 279: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 278

Keupp, H. (1999): Identitätskonstruktionen: Das Patchwork der Identitäten in der Spätmoderne. Hamburg

Keupp, H. (2000): Selbsthilfe trägt auch eine politische Hoffnung. In: BISS Zeitschrift 12/2000. München. Internetressource: www.humanistische-aktion.de/selbsthi.htm (aufgerufen am 11.08.2009)

Keupp, H. (2003): Von der fürsorglichen Belagerung zum Empowerment: Ideen für eine zivilgesellschaftlich angeregte Sozialpolitik. In: Sozialpä-dagogisches Institut im SOS-Kinderdorf e.V. München (Hrsg.): Die Ge-sellschaft umbauen – Perspektiven bürgerschaftlichen Engagements. München. S. 67 - 99

Keupp, H. (2004): Beratung als Förderung von Identitätsarbeit in der Spätmoderne. In: Nestmann, F./Engel, F./Sickendiek, U. (Hrsg.): Das Handbuch der Beratung, Band 1. Tübingen. S. 469 - 486

Keupp, H. (2006): Selbsthilfe und zivilgesellschaftliches Engagement. In: Selbsthilfezentrum München (Hrsg.): 20 Jahre Selbsthilfeunterstützung in München. München. S. 82 - 91

Kickbusch, I. (1981): Von der Zerbrechlichkeit der Sonne. Einige Gedan-ken zu Selbsthilfegruppen. In: Kickbusch, I./Trojan, A. (Hrsg.): Ge-meinsam sind wir stärker. Selbsthilfegruppen und Gesundheit. Selbst-darstellungen – Analysen – Forschungsergebnisse. Frankfurt/Main. S. 11 - 24

Kickbusch, I./Trojan, A. (Hrsg.) (1981): Gemeinsam sind wir stärker: Selbsthilfegruppen und Gesundheit; Selbstdarstellung, Analysen, For-schungsergebnisse

Kindler, K. (1992): Wohlfahrtsverbände und Selbsthilfegruppen zwischen Interessenegoismus und Altruismus, Konstanz

. Frankfurt/Main

Page 280: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 279

Kistler, E./Noll, H.-H./Priller, E. (Hrsg.) (1999): Perspektiven gesellschaft-lichen Zusammenhalts. Empirische Befunde, Praxiserfahrungen, Meß-konzepte.

Klafki, W. (1996): Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Zeit-gemäße Allgemeinbildung und kritisch-konstruktive Didaktik. 5. unve-ränderte Auflage. Weinheim und Basel

Berlin

Klages, H. (2000): Engagementpotential in Deutschland. In: Braun, J./ Klages, H. (Hrsg.): Freiwilliges Engagement in Deutschland. Band 2: Zugangswege zum freiwilligen Engagement und Engagementpotenzial in den neuen und alten Bundesländern. Stuttgart. S. 114 - 198

Klages, H. (2001): Brauchen wir eine Rückkehr zu traditionellen Werten? In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament. Heft 29. S. 7 - 14

Klages, H. (2002): Der blockierte Mensch. Zukunftsaufgaben gesellschaft-licher und organisatorischer Gestaltung. Frankfurt/Main, New York

Klages, H./Gensicke, T. (1984). Wertorientierung im Wandel. Rückblick, Gegenwartsanalyse, Prognose. Frankfurt/Main

Klages, H./Gensicke, T. (2002). Wertewandel und Bürgerschaftliches Engagement an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. Speyerer For-schungsberichte 193 2., unveränderte Auflage. Speyer: Forschungsin-stitut für öffentliche Verwaltung bei der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer

Klages, H./Gensicke, T. (Hrsg.) (1999): Wertewandel und bürgerliches Engagement an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. Speyer For-schungsberichte 193. Speyer

Kluckhohn, C. K. M. (1965): Values and value-orientations in the theory of action. In: Parsons, T./Shils, E. (Eds.): Towards a general theory of ac-tion, New York. pp. 388 - 433

Page 281: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 280

Klug, W. (1997): Wohlfahrtsverbände zwischen Markt, Staat und Selbst-hilfe. Freiburg/Breisgau

Knuf, A. (2006): Basiswissen: Empowerment in der psychiatrischen Ar-beit. Bonn

Kolb-Specht, I. (2006): Bürgerorientierung und -beteiligung im Gesund-heitswesen: Vom Wollen und Können … – Erfahrungen aus Baden-Württemberg mit der Patientenbeteiligung nach § 140f SGB V. In: Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen DAG SHG e.V. (Hrsg.): Selbsthilfegruppenjahrbuch 2006. Gießen. S. 132 - 138

Koller, H.-C./Marotzki, W./Sanders, O. (Hrsg.) (2007): Bildungsprozesse und Fremdheitserfahrung. Beiträge zu einer Theorie transformatori-scher Bildungsprozesse. Bielefeld

Konopka, G. (1971): Soziale Gruppenarbeit – ein helfender Prozess. Weinheim u.a.

Krczizek, R./Kühl, W. (2008): Beratungsbedarf für Fachkräfte im Sozialen Bereich/ Coaching für Führungskräfte in der Sozialen Arbeit – zwei empirische Bedarfsanalysen. Jenaer Schriften zur Sozialwissenschaft. Band 1. Jena

Kreling, E. (2002): Der Empowerment-Ansatz in der Supervision mit Selbsthilfegruppen aus dem Gesundheitsbereich. In: Deutsche Ar-beitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen DAG SHG e.V. (2002): Selbsthil-fekontaktstellen Empfehlungen zu Ausstattung, Aufgabenbereichen und Arbeitsinstrumenten. Gießen. S. 52 - 59

Kreling, E. (2008): Qualität in der Selbsthilfe – Wie sich das Angebot von Supervision auf die Qualität der Gruppenarbeit auswirkt. In: Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. (Hrsg.): Selbsthilfegrup-penjahrbuch 2008. Gießen. S. 56 - 61

Page 282: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 281

Kreling, E./Geislinger, R. (2000): Supervisionsprozesse mit Selbsthilfe-gruppen – Eine Auswertung unter dem Aspekt unterschiedlicher Grup-penstrukturen. In: Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen DAG SHG e.V. (Hrsg.) (2002): Selbsthilfekontaktstellen Empfehlungen zu Ausstattung, Aufgabenbereichen und Arbeitsinstrumenten. Gießen. S. 72 - 82

Kretzschmar, C./Slesina, W. (2005): Selbsthilfegruppen und Ärzte – Kon-takte, Erwartungen, Kooperationsnutzen. In: Deutsche Arbeitsgemein-schaft Selbsthilfegruppen DAG SHG e.V. (Hrsg.): Selbsthilfegruppen-jahrbuch 2005. Gießen. S. 121 - 131

Krolzik, U. (2008): Gründe eines freigemeinnützigen Unternehmens für sein Engagement in Europa. In: Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (Hrsg.): Europa sozial managen – Werte – Wettbe-werb – Finanzen. Bericht über den 5.Kongress er Sozialwirtschaft 2007 in Magdeburg. Baden-Baden. S. 164 - 173

Krüger, H.-H./Marotzki, W. (2006): Handbuch erziehungswissenschaftli-cher Biographieforschung. 2. überarbeitete und aktualisierte Auflage. Wiesbaden

Kusche, C. (2009): Sozialarbeit auf dem Weg zu einer europäischen Dis-ziplin und Profession. In: Krüger, R./Kusche, C./Schmidt, C. (Hrsg.): Europäische Dimension der Sozialarbeit – Sozial- und bildungspoliti-sche Diskussionsbeiträge zur Ausbildung in der Sozialarbeit. Lüne-burger Schriften zur Sozialarbeit und zum Sozialmanagement. Berlin. S. 29 - 43

Lakes, B. (1998): NPO im Spannungsfeld von Solidarität und Wettbewerb. In: Graf Strachwitz, R. (Hrsg.): Dritter Sektor – Dritte Kraft – Versuch einer Standortbestimmung. Düsseldorf. S. 447 – 462

Lampert, H./Althammer, J. (2001): Lehrbuch der Sozialpolitik. 6. Auflage. Berlin, Heidelberg

Page 283: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 282

Lattmann, J. (2009): Die Zukunft der Daseinsvorsorge in Deutschland aus kommunaler Perspektive. In: Krautscheid, A. (Hrsg.): Die Daseinsvor-sorge im Spannungsfeld von europäischen Wettbewerb und Gemein-wohlorientierung. Eine sektorspezifische Betrachtung. Wiesbaden. S. 419 - 433

Leggewie, C. (1990): Multi Kulti. Spielregeln für die Vielvölkerrepublik. Berlin

Lob-Hüdepohl, A. (2009): Ethik im Case Management – Anmerkungen zum professionsethischen Anforderungsprofil. In: Onlinedokumentation der Tagung „Case Management in die Zukunft gedacht“ am 06. – 07.03.2009 in Köln. S. 1

Löffler, E. (2003): Ökonomisierung ist nicht gleich Ökonomisierung: Die Ökonomisierung des öffentlichen Sektors aus international verglei-chender Sicht. In: Harms, J./Reichard, C. (Hrsg.): Die Ökonomisierung des öffentlichen Sektors: Instrumente und Trends. Baden-Baden, S. 75 - 101

Lübke, N. (1995): Die Krankheit ist nur ein Teil meines Lebens – Krank-heitsbewältigung in Selbsthilfegruppen. Frankfurt/Main

Luthe, D./Noll, C. (2006): Fragen, fragen, fragen und zuhören! – Zur Rolle und zum Umgang mit Leistungsempfängern im Marketing sozialer Or-ganisationen. In: Ruckh, M. F./Noll, C./Bornholdt, M. (Hrsg.): Sozial-marketing als Stakeholder-Management – Grundlagen und Perspekti-ven für ein beziehungsorientiertes Management von Nonprofit-Organisationen. Bern. Stuttgart. Wien. S. 103 - 112

Lyotard, J.-F. (1987): Das postmoderne Wissen. Wien

Lyotard, J.-F. (1999): Das postmoderne Wissen. Wien

Mächler, T. (1994): Selbsthilfe wirtschaftlich Schwacher. Bern u.a.

Page 284: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 283

Maeder, C., Nadai, E. (2003): Professionalität unter den Bedingungen des Sozialamts: Sozialarbeit in der öffentlichen Sozialhilfe. In: Mieg, H./Pfadenhauer, M. (Hrsg.): Professionelle Leistung – Professional Performance. Positionen der Professionssoziologie. Konstanz. S. 147 – 166

Markert, G. (2008): Weiterempfehlung als Marketingziel – Analysen, em-pirische Prüfung und Managementimplikationen. Wiesbaden

Marotzki, W. (1988): Bildung als Herstellung von Bestimmtheit und Er-möglichung von Unbestimmtheit. Psychoanalytisch-lerntheoretisch ge-leitete Untersuchungen zum Bildungsbegriff hochkomplexer Gesell-schaften. In: Hausmann, O./Marotzki, W. (Hrsg.): Diskurs Bildungs-theorie I: Systematische Markierungen. Weinheim. S. 311 – 333

Marotzki, W. (1990): Entwurf einer strukturalen Bildungstheorie. Biogra-phietheoretische Auslegung von Bildungsprozessen in hochkomplexen Gesellschaften. Weinheim. 1990

Marotzki, W. (1990): Entwurf einer strukturalen Bildungstheorie. Wein-heim.

Martin, E. (2001):

Marschner, L. (Hrsg.) (1999): Beratung im Wandel : eine Veröffentlichung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke). Mainz

Mattheis, H. (2008): Wege aus der Schuldenfalle. Überschuldung privater Haushalte. Bestandsaufnahme sowie Strategien zur Bekämpfung und Prävention. In: Friedrich Ebert Stiftung. Forum Berlin. Arbeitspapier N

Sozialpädagogische Berufsethik: auf der Suche nach dem richtigen Handeln. Weinheim, München

0

Matthes, E. (Hrsg.). (2004): Werteorientierter Unterricht – eine Herausfor-derung für die Schulfächer. Donauwörth

5. Berlin

Page 285: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 284

Matzat, J. (1997): Selbsthilfe im Gesundheitswesen – Wider die Aufteilung in Helfer und Hilfebedürftige. In: Bauchredner – Mitgliederjournal der Deutschen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa Vereinigung e.V. (DCCV). Ausgabe 03/1997

Matzat, J. (1999): Kontaktstellen für Selbsthilfegruppen – Professionelle Hilfe zur Selbsthilfe. In: Günther, P./Rohrmann, E. (Hrsg.): Soziale Selbsthilfe. Alternative, Ergänzung oder Methode sozialer Arbeit?. Hei-delberg. S. 205 - 218

Matzat, J. (2004): Selbsthilfegruppen für psychische Kranke – Ergebnisse einer Umfrage bei Selbsthilfekontaktstellen. In: Deutsche Arbeitsge-meinschaft Selbsthilfegruppen e.V. (Hrsg.): Selbsthilfegruppenjahrbuch 2004. Gießen. S. 153 - 160

Matzat, J. (2006): Betroffenheit als Ressource. Zum Stand der Selbsthilfe in Deutschland. In: Blätter des Wohlfahrtspflege. Heft 6. S. 226 – 229

Matzat, J. (2007): Selbsthilfe. In: Deutscher Verein für öffentliche und pri-vate Fürsorge (Hrsg.): Fachlexikon der sozialen Arbeit. 6. Auflage. Ba-den-Baden. S. 812 - 813

Maucher, M. (2002): Einleitung. In: Institut für Sozialarbeit und Sozialpä-dagogik e.V. (Hrsg.): Grenzüberschreitende soziale Dienste/Soziale Arbeit. Tagungsdokumentation. Frankfurt. S. 8 - 15

Maucher, M. (2009): Sozialdienstleistungen. In: Krautscheid, A. (Hrsg.): Die Daseinsvorsorge im Spannungsfeld von europäischen Wettbewerb und Gemeinwohlorientierung. Eine sektorspezifische Betrachtung. Wiesbaden. S. 241 - 274

Mayer, E. (2001): Nutzermitbestimmung in der psychiatrischen Arbeit – Patientenstärkung durch Teilhabe. In: Knuf, A./Seibert, U. (Hrsg.): Selbstbefähigung fördern – Empowerment und psychiatrische Arbeit. 2. Auflage. Bonn. S. 228 - 242

Page 286: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 285

Mazzucco, C. (2004): Soziale Arbeit zwischen Staat, Markt und GATS. In: Mazzucco, C. (Hrsg.) GATS und Soziale Arbeit: Globalisierte Welt – Die Zukunft des Sozialstaats und des Social-Profit-Sektors. Berlin u.a.. S. 67 - 146

Meade, P. (2002): Chancen und Grenzen von Empowerment dargestellt an den Beispielen von Bewegungen arbeitender Kinder und Psychiat-rie-Erfahrenen. Köln. Internetressource: www.sw.fh-koeln.de/InterView/ Kindheiten/Texte/Empowerment/FRAMES.HTM aufgerufen am 21.08.2009

Meffert, H./Burmann, C./ Kirchgeorg, M. (2008): Marketing – Grundla-gen marktorientierter Unternehmensführung. 10. Vollständig überarbei-tete und erweiterte Auflage. Wiesbaden

Menninger, O. (2001): Private und gemeinnützige soziale Dienstleister – Konkurrenten auf einem gemeinsamen Markt? Was folgt aus der Kon-kurrenz für die gemeinnützigen Einrichtungen? http://www.socialnet.de/ materialien/0111dienstleister_menninger.html (aufgerufen am 02.09.2009)

Merchel, Joachim (2003): Trägerstrukturen in der Sozialen Arbeit. Mün-chen

Merk, H. (2009): Wie hängen Armut und Überschuldung zusammen?. Presseerklärung „Der Paritätische Gesamtverband“ anlässlich der Pressekonferenz zum Schuldenreport 2009. Internetressource: http://www.der-paritätsche.de/uploads.de/media/Statement_ schulden_merk_web.pdf (aufgerufen am 02.09.2009)

Merten, R., Olk, T. (1996): Sozialpädagogik als Profession. Historische Entwicklung und künftige Perspektiven. In: Combe, A., Helsper, W. (Hrsg.): Pädagogische Professionalität. Frankfurt/M. S. 570 - 613

Page 287: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 286

Mesch, R. (2005): Zur Entwicklung von Rolle und Selbstverständnis der Schuldnerberatung durch gesetzliche Vorgaben. Internetressource: http://www.ev-akademie-boll.de/ot650405.html (aufgerufen am 02.09.2009)

Meyer, A./Mattmüller, R. (1987). Qualität von Dienstleistungen. Entwurf eines praxisorientierten Qualitätsmodells. In: Marketing ZFP. Heft 3. S. 187 - 195

Meyer, A./Pfeiffer, M. (1998): Virtuelle Kundenintegration: Formen und Erfolgspotentiale zur Gestaltung einer neuen Generation von market-pull-Innovationen. In: Franke, N./ Braun, C.-F. v. (Hrsg.): Innovations-forschung und Technologiemanagement. Heidelberg. S. 299 - 313

Mezger, E./West, K.-W. (Hrsg.) (2000): Aktivierender Sozialstaat und poli-tisches Handeln. Marburg

Miller, T./Pankofer, S. (Hrsg.) (2000): Empowerment konkret, Hand-lungsentwürfe und Reflexionen aus der psychosozialen Praxis. Stutt-gart

Ministerium für Arbeit und Soziales (2005): Organisierte Selbsthilfe be-hinderter und chronisch kranker Menschen in Baden-Württemberg. Drucksache 13/4407. Stuttgart

Misner, I. R. (2004): Marketing zum Nulltarif. München

Moeller, M. L. (1978): Selbsthilfegruppen – Selbstbehandlung und Selbst-erkenntnis in eigenverantwortlichen Kleingruppen. Reinbek

Moeller, M. L. (1996): Selbsthilfegruppen. Anleitungen und Hintergründe. Reinbek

Moeller, M. L./Daum, K.-W./Matzat, J. (1984): Psychologisch-Therapeutische Selbsthilfegruppen. Schriftenreihe des Bundesminis-ters für Jugend, Familie und Gesundheit. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz

Page 288: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 287

Mohler, P./Wohn, K. (2005): Persönliche Wertorientierungen im European Social Survey. ZUMA-Arbeitsbericht Nr. 2005/01. Mannheim

Mollenhauer, K. (1964): Einführung in die Sozialpädagogik. Weinheim

Möller, K. (Hrsg.) (2002): Auf dem Weg in die Bürgergesellschaft? Soziale Arbeit als Unterstützung bürgerschaftlichen Engagements. Opladen

Möller-Bock, B./Schilling, R. (2008): Die Arbeitssituation und Angebote, die finanzielle Ausstattung und Förderung bundesweiter Selbsthilfever-einigungen in Deutschland. Ergebnisse einer Datenerhebung der NA-KOS im Jahre 2007. Internetressource: http://www.nakos.de/site/data/ NAKOS/NAKOS-GARecherche-Spektrum-2007.pdf (aufgerufen am 02.09.2009)

Mühlum, A. (2002): Theorie der Sozialarbeit/Sozialpädagogik. In: Deut scher Verein für öffentliche und private Fürsorge (Hrsg.): Fachlexikon der Sozialen Arbeit. 5. Auflage. Frankfurt/Main, S. 971-974

Morbach, J. (1997): Empowerment als professionelle Grundhaltung und Methode in Sozialarbeit und Gesundheitsförderung. In: Homfeldt, G./Hünersdorf, B. (Hrsg.): Soziale Arbeit und Gesundheit. Neuwied u. a.. S. 155 - 174

Mühlum, A. (Hrsg.) (2004): Sozialarbeitswissenschaft – Wissenschaft der Sozialen Arbeit. Freiburg

Müller, B. (1992): Soziale Arbeit und die sieben Schwestern. Eine Ortsbe-stimmung im Kontext der Dienstleistungsgesellschaft. In: Otto, H.-U./Hirschauer, P./Thiersch, H. (Hrsg.): Zeit-Zeichen sozialer Arbeit. Neuwied/Berlin/Kriftel. S. 101 - 110

Müller, B. (2005): Professionalisierung. In: Thole, W. (Hrsg.): Grundriss Soziale Arbeit: ein einführendes Handbuch. 2. überarbeitete und aktua-lisierte Auflage. Wiesbaden. S. 731 - 750

Page 289: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 288

Müller, K. O. W. (1990):

Müller, S. (1998): Darf helfen, wer will? – Notizen zum sozialen Ehrenamt. In: Metzler, H./Wacker, E. (Hrsg.): Soziale Dienstleistungen. Zur Quali-tät helfender Beziehungen. Tübingen. S. 53 - 64

Joseph A. Schumpeter: Ökonom der neunziger Jahre. Berlin

Müller-Commichau, W. (2002): Coaching im sozialen Feld. In: Sozialma-gazin. Heft 4. S. 28 - 32

Müller-Kohlenberg, H. (1996):

Münder, J./Kreft, D. (1990): Subsidiarität heute. Münster

Laienkompetenz im psychosozialen Be-reich: Beratung - Erziehung – Therapie. Opladen

Mundt, J. (1983): Grundlagen lokaler Sozialpolitik : sozialökologische Bei-träge zur Entwicklung von Alternativen. Weinheim

Münkler, H./Krause, S. (2001): Der aktive Bürger – Eine Gestalt der poli-tischen Theorie im Wandel. In: Leggewie, C./Münch, R. (Hrsg.): Politik im 21. Jahrhundert. Frankfurt/Main. S. 299 - 320

.

Mutz, G. (2002): Bürgerengagement und Soziale Arbeit – Anmerkungen zu einem problematischen Verhältnis aus empirischer Sicht. In: Möller, K. (Hrsg.) (2002): Auf dem Weg in die Bürgergesellschaft? Soziale Ar-beit als Unterstützung bürgerschaftlichen Engagements

Mutz, G. (2002): Bürgerengagement und Soziale Arbeit – Anmerkungen zu einem problematischen Verhältnis aus empirischer Sicht. In: Möller, K. (Hrsg.) (2002):

. Opladen

Auf dem Weg in die Bürgergesellschaft? : soziale Arbeit als Unterstützung bürgerschaftlichen Engagements

Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unters-

tützung von Selbsthilfegruppen Nakos (2007): Selbsthilfeunterstüt-zung. In: Nakos Info. Heft 92. S. 22 - 23

. Opladen. S. 11 - 28

Page 290: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 289

Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unters-

tützung von Selbsthilfegruppen NAKOS (Hrsg.) (2009): Selbsthilfe bei Migrantinnen und Migranten fördern und unterstützen. Anregungen und Beispiele für Selbsthilfekontaktstellen und Selbsthilfeunterstüt-zungseinrichtungen. Berlin.

Naumann, S. (2008): Heterogenität und Bildungsprozesse in bürger-schaftlichen Initiativen. Eine empirische Studie zur Transformation kon-junktiver Orientierungen. Potsdam. Internetressource: http://opus.kobv.de/ubp/volltexte/2008/1978/urn:nbn:de:kobv:517-opus-19784 (aufgerufen am 02.09.2009)

Neidhardt, F. (1994): Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und soziale Be-wegung, In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Sonderheft 34. S. 7 - 41

Nelles, W. (1984): Selbstorganisation: Alternativen für Verbraucher : Bür-gerinitiativen, Selbsthilfegruppen, Mieterorganisation, Bürgerbeteili-gung, neue soziale Bewegungen

Neumann, S. (2005): Non Profit Organisationen unter Druck – eine Analy-se des Anpassungsverhaltens des Gesundheitswesens und der Sozia-len Dienste in der Freien Wohlfahrtspflege. München und Mering

. Frankfurt/Main

Nickel, S./Werner, S./Kofahl, Ch./Trojan, A. (Hrsg.) (2006): Aktivierung zur Selbsthilfe – Chancen und Barrieren beim Zugang zu schwer er-reichbaren Betroffenen. Essen

Nieswandt, F. (2005): Entwicklungspotenziale und Interventionen in der Wohlverhaltensperiode. In: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Material zur Familienpolitik Nr. 20/2005. Köln

Nohl, H. (1965): Aufgaben und Wege der Sozialpädagogik. Vorträge und Aufsätze von Herman Nohl. Weinheim

Page 291: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 290

OECD Health Data (2007): Statistics and Indicators for 30 Countries. Pa-ris

Oehler, P. (2007): Hat die Selbsthilfe von Armutsbetroffenen Implikationen für die Soziale Arbeit?. In: Arbeitsgemeinschaft sozialpolitischer Ar-beitskreise (Hrsg.): Für mehr Teilhabe. Neue Forschungsansätze zu Gemeinwesenentwicklung, Armutsbewältigung und Selbstorganisation. Schriftenreihe des Masterstudiengangs „Gemeinwesenentwicklung, Quartiersmanagement und Lokale Ökonomie“. Band 1. München. S. 183 - 222

Oevermann, U. (1996): Theoretische Skizze einer revidierten Theorie pro-fessionalisierten Handelns. In: Combe, A./Helsper, W. (Hrsg.): Päda-gogische Professionalität. Frankfurt/Main. S. 70 - 182

Offe, C. (1984): Arbeitsgesellschaft: Strukturprobleme und Zukunftspers-pektive. Frankfurt/Main

Öhlschläger, R. (Hrsg.) (1996):

Ola, S./Zichner, S. (1996): Psychosoziale Probleme bei der Rehabilitation von Spätertaubten nach Cochlear Implantation – ausgewählte kommu-nikative Aspekte und Fragen der Selbsthilfe (unveröffentlichte Diplom-arbeit). Berlin

Unternehmen Barmherzigkeit: Identität und Wandel sozialer Dienstleistung ; Rahmenbedingungen - Perspek-tiven – Praxisbeispiele. Baden-Baden

Olk, T. (2000): Der "aktivierende Staat". Perspektiven einer lebenslagen-bezogenen Sozialpolitik für Kinder, Jugendliche, Frauen und ältere Menschen. In: Müller, S./Sünker, H./Olk, T. (Hrsg.): Soziale Arbeit. Ge-sellschaftliche Bedingungen und professionelle Perspektiven. Neu-wied. S. 99 - 118

Page 292: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 291

Olk, T. (2002): Politische Rahmenbedingungen - Was muss sich ändern, damit bürgerschaftliches Engagement in der Sozialen Arbeit eine grö-ßere Bedeutung erhält? In: Möller, K. (Hrsg.) Auf dem Weg in die Bür-gergesellschaft? Soziale Arbeit als Unterstützung bürgerschaftlichen Engagements. Opladen. S. 249 - 267

Olk, T. (2007): Ein neuer Welfare-Mix in der kommunalen Daseinsvorsor-ge. Internetressource: http://www.buerger-fuer-buerger.de (aufgerufen am 02.09.2009)

Olk, T. (2009): Bürgerschaftliches Engagement ermutigen und fördern – Eckpunkte einer Politik der Unterstützung freiwilliger und gemeinwohl-orientierter Aktivitäten in Staat und Gesellschaft. Internetressource: http://www.buerger-fuer-buerger.de (aufgerufen am 02.09.2009)

Olk, T./Otto, H.-U. (Hrsg.) (1989):

Organisationen und Märkte – 7. Internationales Colloquium der NPO-Forscher im März 2006 an der Universität Freiburg/Schweiz. Wiesba-den

Soziale Dienste im Wandel. Band 3: Lokale Sozialpolitik und Selbsthilfe. Neuwied, Darmstadt

Osner, A. (2008): Bürgerengagement als strategische Ressource gestal-ten – Von der goldenen Ehrennadel zum „Mulit-Stakeholder-management“. Internetressource: http://www.wegweiser-kommune.de (aufgerufen am 02.09.2009)

Otto, U. (2001): Selbsthilfe im Alter. In: Otto, H.-U./Thiersch, H. (Hrsg.): Handbuch Sozialarbeit – Sozialpädagogik. 2. vollständig überarbeitete Auflage. Neuwied und Kriftel. S. 1557 - 1565

Page 293: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 292

Pagel, J. (2000): Supervision für Selbsthilfegruppen – Weiterbildungszyk-len zur Lösung bei Problemen von Selbsthilfegruppen: Ein Angebot für Vertreter/innen und Leiter/innen von Selbsthilfegruppen. In: Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen DAG SHG e.V. (Hrsg.) (2002): Selbsthilfekontaktstellen Empfehlungen zu Ausstattung, Aufgabenbe-reichen und Arbeitsinstrumenten. Gießen. S. 66 - 71

Pankofer, S. (2000): Empowerment – eine Einführung. In: Miller, T./Pankofer, S. (Hrsg.): Empowerment konkret – Handlungsentwürfe und Reflexionen aus der psychosozialen Praxis. Stuttgart. S. 7 - 22

Pankoke, E. (2003): Arenen, Allianzen, Agenden: Qualitätsdiskurse im sozialen Wert- und Wissensmanagement. In: Brückers, R. (Hrsg.). Tandem QM: Das integrierte QM-Konzept in der Sozialen Arbeit. Bonn: Gesellschaft für Organisationsentwicklung und Sozialplanung mbH. S. 76 - 84

Parson, T. (1971/1985): Das System moderner Gesellschaften. Weinheim und München

Pauls, H. (2004): Klinische Sozialarbeit : Grundlagen und Methoden psy-cho-sozialer Behandlung

Pfeiffer, T. (2001): Qualitätsmanagement. München

, Weinheim, München

Piko, B. F. (2005): Adolescents’ Health-related Behaviors in the Light of Their Value Orientations. In: Substance Use & Misuse. No. 40. p. 735 - 742

PISA-Konsortium Deutschland (Hrsg.) (2004): PISA 2003. Der Bil-dungsstand der Jugendlichen in Deutschland – Ergebnisse des zwei-ten internationalen Vergleichs. Münster

Pongs, A. (1999): In welcher Gesellschaft leben wir eigentlich?. Gesell-schaftskonzepte im Vergleich. Band 1. München

Page 294: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 293

Pongs, A. (2000): In welcher Gesellschaft leben wir eigentlich?. Gesell-schaftskonzepte im Vergleich. Band 2. München

Putnam, R. D. (2000): Bowling alone. The Collapse and Revival of Ameri-can Community. New York

Quindel, R./Pankofer, S. (2000): Chancen, Risiken und Nebenwirkungen von Empowerment – Die Frage nach der Macht. In: Miller, T./Pankofer, S. (Hrsg.): Empowerment konkret – Handlungsentwürfe und Reflexio-nen aus der psychosozialen Praxis. Stuttgart. S 33 - 44

Rabbata, S. (2008): Selbsthilfe – Ärzte zu Zusammenarbeit bereit. In: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung (Hrsg.): Deutsches Ärzteblatt 2008. Heft 26. S. A 1420

Ramge, T. (2007): Die Masse macht´s. In: Brand eins. Heft 9. S. 132 - 137

Rappaport, J. (1985): Ein Plädoyer für die Widersprüchlichkeit: ein sozi-alpolitisches Konzept des „empowerment“ anstelle präventiver Ansät-ze. In: Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis. Heft 2. S. 257 - 278

Rauen (Hrsg.) (2005): Handbuch Coaching. 3.überarbeitete und erweiter-te Auflage. Göttingen

Rauen, C. (2003): Coaching – Innovative Konzepte im Vergleich. 3. unve-ränderte Auflage. Göttingen

Rausch, G. (2006): Vorwort. In: Albert, M.: Soziale Arbeit im Wandel – Professionelle Identität zwischen Ökonomisierung und ethischer Ver-antwortung. Hamburg

Rauschenbach, R. (1994): Inszenierte Solidarität: Soziale Arbeit in der Risikogesellschaft. In: Beck, U./Beck-Gernsheim, E. (Hrsg.): Individua-lisierung in modernen Gesellschaften. Frankfurt/Main. S. 89 - 111

Page 295: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 294

Rauschenbach, T./Sachße, C./Olk, T. (Hrsg.) (1995): Von der Wertege-meinschaft zum Dienstleistungsunternehmen – Jugend- und Wohl-fahrtsverbände im Umbruch. Frankfurt/Main

Regenbogen, A. (1998): Sozialisation in den 90er Jahren. Lebensziele, Wertmaßstäbe und politische Ideale bei Jugendlichen. Opladen

Reichwald, U. (1999): Selbsthilfe und Psychologie – Ein Erfahrungsbe-richt aus der Arbeit mit Selbsthilfegruppen chronischer Schmerzpatien-ten. In: Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. (Hrsg.): Selbsthilfegruppenjahrbuch 1999. Gießen. Internetressource: http://www.dagselbsthilfegrupen.de/site/data/DAGSHG/SHGJahrbuch/DAGSHG_JB1999_Reichwald.pdf (aufgerufen am 02.09.2009)

Reifner, U. (2004): Die Rolle der Finanzdienstleister bei der Überschul-dung. In: Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Ju-gendlichen: Lebenslagen von Familien und Kindern. Überschuldung privater Haushalte. Expertisen zur Erarbeitung des Zweiten Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung. Materialien zur Familien-politik. Nr. 19/2004. Berlin

Reifner, U. (2006): Wucher ist in neuer Form zurückgekehrt. In: Süd-deutsche Zeitung vom 21.10.2006 Nr. 28. S. 28

Reimer, S. (2005): Die Stärke der Zivilgesellschaft in Deutschland. Eine Analyse im Rahmen des CIVICUS Civil Society Index. Berlin

Reis, C. (Hrsg.) (1985): Selbsthilfe, Ausdruck sozialen Wandels, sozialpo-litisches Programm, Herausforderung für die soziale Arbeit?

Richter, H. E. (1972): Die Gruppe – Hoffnung auf einen neuen Weg, sich selbst und andere zu befreien. Reinbek

Frank-furt/Main

Page 296: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 295

Riedel, S. (2009): Medizinstudenten lernen von Selbsthilfegruppen. In: Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen DAG SHG e.V. (Hrsg.): Selbsthilfegruppenjahrbuch 2009. Gießen. S. 104 – 109

Riger, S. (1993): What’s wrong with Empowerment?. American Journal of Community Psychology. No. 21/1993. S. 279 – 292

Rilling, D. (2007): Zusammenspiel von staatlicher Verantwortung und ge-sellschaftlicher Selbsthilfe. In: Online-Texte der Evangelischen Aka-demie Bad Boll. Internetressource: http://www.ev-akademie-boll.de/fileadmin/res/otg/400707-Rilling.pdf (aufgerufen am 02.09.2009)

Rink, A./Kofahl, C. (2008): Türkische Selbsthilfegruppen – Erfahrungen von zwei Gruppenleitern. In: Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthil-fegruppen DAG SHG e.V. (Hrsg.): Selbsthilfegruppenjahrbuch 2008. Gießen. S. 36 - 43

Robert Koch-Institut (2006a): Bürger- und Patientenorientierung im Ge-sundheitswesen. Gesundheitsberichtserstattung des Bundes. Heft 32. Berlin

Robert Koch-Institut (2006b): Erste Ergebnisse der KiGGS-Studie. Berlin

Robert Koch-Institut (2006c): Telefonischer Gesundheitssurvey des Ro-bert Koch-Instituts. 2. Welle. Deskriptiver Ergebnisbericht. Berlin

Robert Koch-Institut (Hrsg.) (2004): Selbsthilfe im Gesundheitsbereich, Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Heft 23. Berlin

Rohrmann, E. (1999): Was ist überhaupt Selbsthilfe? In: Günther, P./Rohrmann, E. (Hrsg.): Soziale Selbsthilfe – Alternative, Ergänzung oder Methode sozialer Arbeit?. Heidelberg. S. 15 – 33

Rokeach, M. (1973): The nature of human value. New York

Page 297: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 296

Rosa, H./Strecker, D./Kottmann, A. (2007): Soziologische Theorien. Konstanz

Rosenthal, G. (1995): Erlebte und erzählte Lebensgeschichte. New York, Frankfurt/Main

Rosenthal, G. (2005): Interpretative Sozialforschung. Eine Einführung. Weinheim, München

Roth, R. (1994): Lokale Bewegungsnetzwerke und die Institutionalisierung von neuen sozialen Bewegungen, In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Sonderheft 34. S. 413 - 436

Roth, R. (2007): Moderner Staat und Bürgerkommune. In: Verband für sozial-kulturelle Arbeit (Hrsg.) Engagement – Beteiligung – Mitwirkung. Aspekte einer Kultur der Engagementförderung in Stadtteilzentren. Dokumentation des Trio Fachtages 2007. Berlin. S. 12 - 20

Ruckh, M. F./Noll, C./Bornholdt, M. (2006): Zur Weiterentwicklung des Sozialmarketings – Warum Marketing im Nonprofit-Bereich als das Management von Stakeholdern verstanden werden sollte. In: Ruckh, M. F./Noll, C./Bornholdt, M. (Hrsg.): Sozialmarketing als Stakeholder-Management – Grundlagen und Perspektiven für ein beziehungsorien-tiertes Management von Nonprofit-Organisationen. Bern. Stuttgart. Wien. S. 21 - 40

Ruckh, M. F./Noll, C./Bornholdt, M. (Hrsg.) (2006): Sozialmarketing als Stakeholder-Management – Grundlagen und Perspektiven für ein be-ziehungsorientiertes Management von Nonprofit-Organisationen. Bern. Stuttgart. Wien

Russinger, U./Wagner, E. (1999): Gewalt – Zwang – System. Syste-misch-konstruktivistische Konzepte in institutionellen Zwangskontex-ten. In: Zeitschrift für systemische Therapie. Heft 3. S. 144-156

Page 298: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 297

Sachße, C. (2005): Subsidiarität. In: Kreft, D./Mielenz, I. (Hrsg.): Wörter-buch Soziale Arbeit. Weinheim und München. S. 931 - 935

Sander, G. (2005): Sozialarbeit in Europa. Ausbildung und Internationali-sierung des Studiums – Ein Überblick. In: Thole, W. (Hrsg.): Grundriss Soziale Arbeit: ein einführendes Handbuch. 2. überarbeitete und aktua-lisierte Auflage. Wiesbaden. S. 863 - 876

Sassen, H. v./Vogelauer, W. (2000): Coaching – ganzheitlich gesehen. In: Vogelauer, W. (Hrsg.): Coaching-Praxis. Führungskräfte professio-nell begleiten, beraten, unterstützen. 3. Auflage. Neuwied und Kriftel. S. 9 - 40

Sauerwein, E. (2000): Das Kano-Modell der Kundenzufriedenheit. Wies-baden

Schaarschuch, A. (2003): Qualität als Konflikt und als Verfahren. In: Insti-tut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. (Hrsg.): Newsletter des Observatoriums für die Entwicklung der sozialen Dienste in Europa. Ausgabe 1. S. 1 - 2

Schaeffer, D./Dierks, M.-L./Hurrelmann, K./Keller, A./Krause, H./

Schmidt-Kaehler, S./Seidel, G. (2005): Evaluation der Modellprojekte zur unabhängigen Patientenberatung und Nutzerinformation. Bern

Schaeffer, D./Schmidt-Kaehler, S. (Hrsg.) (2006): Lehrbuch Patientenbe-ratung. Bern

Schelski, A./Lippert, W. (2008): Crowdsourcing – Die Arbeit machen die anderen, die Ideen nutzen wir. In: Wippermann, P. (Hrsg.): Annual Mul-timedia. Jahresbuch 2008 für Digital Marketing. Regensburg. S. 1 - 8

Scherpner, H. (1966): Geschichte der Jugendfürsorge. Göttingen

Page 299: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 298

Schiller, R. (2008): Handlungsräume schaffen – Selbsthilfekontaktstelle und Mehrgenerationenhaus verbinden Potenziale. Internetressource: http://www.dag-shg.de/site/data/DAGSHG/JT08/DAGSHG-JT08-AG1-schiller.pdf

Schmid, J. (1996): Wohlfahrtsverbände in modernen Wohlfahrtsstaaten – Soziale Dienste in historisch-vergleichender Perspektive. Opladen

Schmidt, H.-L. (1981): Theorien der Sozialpädagogik. Kritische Be-standsaufnahme vorliegender Entwürfe und Konturen eines hand-lungstheoretischen Neuansatzes. Rheinstetten

Schmidt, H.-L. (1999): Zur Renaissance des Zwangs im Umgang mit Menschen – eine pädagogische und sozialpädagogische Kritik. In: Ni-kolei, W./Reindl, R. (Hrsg.): Renaissance des Zwangs: Konsequenzen für die Straffälligenhilfe. Freiburg/Breisgau. S. 27-57

Schmidt, N. (2005): Das persönliche Budget – Mehr Selbstbestimmung und Teilhabe für Menschen mit einer Behinderung. Oldenburg

Schmidt, R. (2000): Vernetzung unter den Bedingungen von Quasi-Markt- und Marktsteuerung in der Pflegeversicherung. In: Dahme, H.-J./Wohlfahrt, N. (Hrsg.): Netzwerkökonomie im Wohlfahrtsstaat: Wett-bewerb und Kooperation im Sozial- und Gesundheitssektor. Berlin. S. 217 – 233

Schmidt-Grunert, M. (1997): Soziale Arbeit mit Gruppen – eine Einfüh-rung. 2. überarbeitete Auflage. Freiburg/Breisgau

Schmidt-Grunert, M. (2009): Soziale Arbeit mit Gruppen – eine Einfüh-rung. 3. überarbeitete Auflage. Freiburg/Breisgau

Schmidt-Kaehler, S. (2007): Praxisleitfaden Patientenberatung – Pla-nung, Umsetzung und Evaluation. Gütersloh

Page 300: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 299

Schmimmelpfeng-Schütte, R. (2008): Die Berufs- und Therapiefreiheit im 21. Jahrhundert – Einwirken der Gesundheitsgesetzgebung. In: Wienke, A. (Hrsg.): Zwischen Hippokrates und Staatsmedizin: Der Arzt am Beginn des 21. Jahrhunderts. Berlin. S. 77 - 85

Schnurr, S. (2005): Managerielle Deprofessionalisierung? In: Neue Pra-xis. Heft 3. S. 239 - 242

Schreiber, R. (2001): Innovationsmanagement für soziale Organisationen - Neue Strukturen entwickeln, Synergien nutzen, effiziente Organisa-tionen aufbauen, Regensburg. Berlin

Schreyögg, A. (1999): Coaching – Eine Einführung für Praxis und Ausbil-dung. Frankfurt/Main und New York

Schreyögg, A. (2009): Die Differenzierung zwischen Supervision und

Coaching. Internetressource: http://www.schreyoegg.de/content/ view/29/33/ (aufgerufen am 11.08.2009)

Schroeder, W./Paquet, R. (Hrsg.) (2009): Gesundheitsreform 2007. Nach der Reform ist vor der Reform. Wiesbaden

Schruth, P./Kuntz, R./Müller, K./Stammler, C./Westerath, J. (2003): Schuldnerberatung in der sozialen Arbeit. 5. Auflage. Weinheim und München

Schuldenhilfe Köln e.V. (2009): Beratungsstatistik Schuldenhelpline für den Zeitraum 08.11.2006 bis 30.04.2009. Köln

Schuller, A. (1982): Die Herausforderungen der Laienmedizin. In: Herder-Dorneich, P./ Schuller, A. (Hrsg.): Spontanität oder Ordnung – Laien-medizin gegen professionelle Systeme. Stuttgart u.a.

Page 301: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 300

Schulte, B. (2008): Was bedeutet die EU-Dienstleistungsrichtlinie für die Sozialwirtschaft. In: Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohl-fahrtspflege (Hrsg.): Europa sozial managen – Werte – Wettbewerb – Finanzen. Bericht über den 5.Kongress er Sozialwirtschaft 2007 in Magdeburg. Baden-Baden. S. 143 - 146

Schulte, H. (2005): Wer immer nur gibt, muss auch auftanken – Erfahrun-gen aus Seminaren der Frauenselbsthilfe nach Krebs. In: Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V.: Selbsthilfegruppenjahr-buch 2005, Gießen. S. 16 - 21

Schulte, H./Kirchner, C. (2006): Lernen lernen in Selbsthilfeorganisatio-nen am Beispiel der Frauenselbsthilfe nach Krebs. In: Deutsche Ar-beitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. (Hrsg.): Selbsthilfegruppen-jahrbuch 2006. Gießen. S. 42 - 51

Schultz, A. (2009): Warum darf die Unterstützung von Selbsthilfegruppen für Migrantinnen und Migranten nichts kosten? In: Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthil-fegruppen Nakos (Hrsg.): Selbsthilfe bei Migrantinnen und Migranten fördern und unterstützen. Anregungen und Beispiele für Selbsthilfekon-taktstellen und Selbsthilfeunterstützungseinrichtungen. Berlin. S. 32

Schulze, G. (1992): Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Ge-genwart. Frankfurt/Main

Schulz-Nieswandt, F. (2005): Daseinsvorsorge in der Europäischen Uni-on. In: Linzbach, C./Lübking, U./Scholz, S./Schulte, B. (Hrsg.): Die Zu-kunft der Sozialen Dienste vor der Europäischen Herausforderung. Baden-Baden. S. 397 - 423

Schumacher, J. (2000): Die Sense of Coherence Scale von Antonovsky. Zeitschrift für Psychotherapie, Psychosomatik, medizinische Psycholo-gie. 50. S. 472

Page 302: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 301

Schumpeter, J. (2006): Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung – Nach-druck der 1. Auflage von 1912. Berlin

Schütze, F. (1996a): Sozialarbeit als »bescheidene« Profession. In: De-we, B./Ferchhoff, W./Radtke, F.-O. (Hrsg.): Erziehen als Profession. Opladen. S. 132–170. Internetressource: http://www.ssoar.info/ssoar/View/?resid=4936 (aufgerufen am 10.06.2009)

Schütze, F. (1996b): Organisationszwänge und hoheitsstaatliche Rah-menbedingungen im Sozialwesen: Ihre Auswirkung auf die Paradoxien des professionellen Handelns. In: Combe, A./Helsper, W. (Hrsg.): Pä-dagogische Professionalität. Frankfurt/M. S. 183-275

Schwartz S. H. (1992): Universals in the content and structure of values: Theory and empirical test in 20 countries. In: Zanna, M. (Ed.): Ad-vances in experimental social psychology. Volume 25. New York. pp. 1 - 65

Schwartz, S. H. (1992): Universals in the content and structure of values: Theory and empirical test in 20 countries. In: Zanna, M. (Ed.). Ad-vances in experimental social psychology. Vol 25. New York. S. 1 - 65

Schwartz, S. H. (1994): Are there universal aspects in the structure and contents of human values? Journal of Social Issues. Volume 50. p. 19 - 45

Schwartz, S. H. (1994a): Are there universal aspects in the structure and contents of human values?. Journal of Social Issues. 50. S. 19 - 45

Schwartz, S. H. (1996): Value Priorities and Behavior – Applying a Theory of Integrated Value Systems. In: Seligman, M., Olson, J. M./Zanna, M. P. (Eds.): The Ontario Symposium. Vol. 8: The psychology of values. Mahwah. S. 1 - 24

Page 303: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 302

Schwartz, S. H. (1996): Value Priorities and Behavior: Applying a Theory of Integrated Value Systems. In: Seligman, M./Olson, J. M./Zanna, M. P. (Eds.): The Ontario Symposium: Volume 8: The psychology of val-ues. Mahwah, pp. 1 - 24

Schwarz, S. (2008): Basic Values: How they motivate and inhibit prosocial behavior. Kapitel in: Volume based on The First Herzliya Symposium on Personality and Social Psychology, im Druck

Selbsthilfekoordinierungsstelle Bayern (2007): Internetrecherche www.seko-bayern.de am 27.11.2007

Sengling, D. (1998): Aktuelle Entwicklungen und Zukunftsperspektiven der Unterstützung von Selbsthilfe und Bürgerengagement. In: Braun, J./Klemmert, O. (1998): Selbsthilfeförderung und bürgerschaftliches Engagement in Städten und Kreisen. ISAB-Schriftenreihe. Berichte aus Forschung und Praxis. Nr. 54. Köln. S. 17 – 29

Sieler, M. (2009): Gemeinsam können wir einander stärken – Selbsthilfe-gruppen zwischen Selbstbestimmung und professioneller Unterstüt-zung. Schriften der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg. Stuttgart

Simon, M. (2009): Das Gesundheitssystem in Deutschland – eine Einfüh-rung in Struktur und Funktionsweisen. 2. vollständig überarbeitete Auf-lage. Bern

Slesina, W./Knerr, A. (2005): Kooperation von Ärzten und Selbsthilfe-gruppen - für alle ein Gewinn. Essen

Slesina, W./Knerr, A. (2007): Zusammenarbeit von Ärzten und Selbsthil-fegruppen – Formen, Nutzen, Wünsche. Bremerhaven

Page 304: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 303

Sohlau, S./Würfel, J. (2006): Wir sprechen mit Ihnen! – Zum Dialog zwi-schen Leistungsempfängern und ihrer Organisation. In: Ruckh, M. F./Noll, C./Bornholdt, M. (Hrsg.) : Sozialmarketing als Stakeholder-Management – Grundlagen und Perspektiven für ein beziehungsorien-tiertes Management von Nonprofit-Organisationen. Bern. Stuttgart. Wien. S. 113 - 128

Sohns, A. (2009): Empowerment als Leitlinie Sozialer Arbeit. In: Michel-Schwartze, B. (Hrsg.): Methodenbuch Soziale Arbeit – Basiswissen für die Praxis. 2. Überarbeitete und ergänzte Auflage. Wiesbaden. S. 75 - 102

Solomon, M/Bamossy, G./Askegaard, S. (2001): Konsumentenverhalten – Der europäische Markt. München

Sonnenfeld, C. (1992): … aber die Verantwortung liegt doch bei Dir! – Präventionslogik und der Zwang zur Selbstdisziplin in der Gesund-heitsselbsthilfe. München und Wien

Sorg. R. (2000): Sozialarbeitswissenschaft? – Thesen zum Verhältnis von sozialer Arbeit, neoliberaler Sozialpolitik und Sozialarbeitswissen-schaft. Pfaffenberger, H./Scherr, A./Sorg, R. (Hrsg.): Von der Wissen-schaft des Sozialwesens. Standort und Entwicklungschancen der So-zialpädagogik/Sozialarbeitswissenschaft. Rostock. S. 192 - 209

Sozialistisches Patientenkollektiv Heidelberg (1972): Aus Krankheit ei-ne Waffe machen. München

Specke, H. (2000): Der Gesundheitsmarkt in Deutschland: Daten – Fak-ten – Akteure. 3. Vollständig überarbeitete Auflage. Bern u.a.

Standop, J. (2005): Werte-Erziehung. Einführung in die wichtigsten Kon-zepte der Werteerziehung. Weinheim, Basel

Stark, W. (1996): Empowerment – Neue Handlungskompetenz in der psy-chosozialen Praxis. Freiburg

Page 305: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 304

Stark, W./Bobzien, M. (1988): Das „Innenleben“ von Selbsthilfegruppen – Empowerment als Selbstverständnis und Arbeitsprinzip. In: Selbsthilfe-zentrum München (Hrsg.): Zurück in die Zukunft – Selbsthilfe und ge-sellschaftliche Entwicklung. München. S. 196 - 207

Statistisches Bundesamt (2002): Krankheitskosten in Deutschland im Jahr 2002. Wiesbaden

Staub-Bernasconi, S. (1998): Soziale Probleme – Soziale Berufe – So-ziale Praxis. In: Heiner, M./Meinhold, M./von Spiegel, H./Staub-Bernasconi, S. (Hrsg.): Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit. 4. erweiterte Auflage. Freiburg/Breisgau. S. 11 - 98

Steger, C. O. (2009): Aktuelle Entwicklungen – Der Vertrag von Lissabon und die Mitteilung „Ein Binnenmarkt für das Europa des 21. Jahrhun-derts“. In: Krautscheid, A. (Hrsg.): Die Daseinsvorsorge im Spannungs-feld von europäischen Wettbewerb und Gemeinwohlorientierung. Eine sektorspezifische Betrachtung. Wiesbaden. S. 419 - 433

Stein, M. (2004): Berufliche Begabung erkennen. Eine Studie zu Inhalten und Methoden. Paderborn

Stein, M. (2008): Wie können wir Kindern Werte vermitteln? – Werteerzie-hung in Familie und Schule. München.

Stein, M. (2009): Allgemeine Pädagogik. München

Stein, M./Stummbaum, M. (2008): Betroffenenselbsthilfe sozial und wer-teorientiert gestalten (unveröffentlichtes Manuskript). Eichstätt

Steiner, G. (1999): Selbsthilfe als politische Interessenvertretung – Zum Konzept der politischen Selbsthilfe. In: Günther, P./Rohrmann, E. (Hrsg.): Soziale Selbsthilfe – Alternative, Ergänzung oder Methode so-zialer Arbeit?. Heidelberg. S. 127 - 144

Page 306: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 305

Stichweh, R. (1996): Professionen in einer funktional differenzierten Ge-sellschaft. In: Combe, A./Helsper, W. (Hrsg.): Pädagogische Professio-nalität Frankfurt/M.. S. 49 - 69

Stiftung Warentest (2004a): Beratung von Arbeitsämtern. In: Ausgabe 4/2004. Berlin

Stiftung Warentest (2004b): Essen auf Rädern. In: Ausgabe 6/2004. Ber-lin

Stoiber, E. (2008): Kommunale Trägerschaft hat sich bewährt. In: Der neue Kämmerer. Zeitschrift für öffentliches Haushalts-, Beteiligungs-, Immobilien- und Prozessmanagement. Ausgabe 05/2008. S. 1

Strauss, A. (1974): Spiegel und Masken. Die Suche nach Identität. Frank-furt/Main

Stummbaum, M. (2006): Kooperationsperspektiven von Selbsthilfe und Sozialer Arbeit. In: Selbsthilfezentrum München (Hrsg.): 20 Jahre Selbsthilfeunterstützung in München. München. S. 58 – 63

Stummbaum, M. (2007): Großer Aufholbedarf – Zum Verhältnis sozialer Selbsthilfe und Sozialer Arbeit. In: Blätter der Wohlfahrtspflege. Heft 6. S. 230 - 231

Stummbaum, M. (2008): Soziale Selbsthilfe und Wohlfahrtsverbände – Zwischen Konkurrenz und Kooperation. In: Blätter der Wohlfahrtspfle-ge. Deutsche Zeitschrift für Sozialarbeit. Heft 3. S. 101 - 103

Stummbaum, M. (2009): Die intermediär-integrative Funktion von Selbst-hilfegruppen. In: Birgmeier, B./Mührel, E./Schmidt, H.-L. (Hrsg.): Sozi-alpädagogik und Integration. Essen, im Druck

Stummbaum, M./Birgmeier, B. (2009): Kommunales Coaching – Bera-tung als Hilfe für die Hilfen vor Ort. In: Blätter der Wohlfahrtspflege. Deutsche Zeitschrift für Sozialarbeit. Heft 1. S. 30 - 32

Page 307: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 306

Stummbaum, M./Stein, M. (2008): Selbsthilfeengagement konstituieren-de Sinn- und Werteprozesse. Eichstätt (unveröffentlichte Konzeption zur Erhebung „Sinn- und Wertebildung in Selbsthilfegruppen“)

Theunissen, G. (2000): Wege aus der Hospitalisierung – Empowerment in der Arbeit mit schwerstbehinderten Menschen. 2. Auflage. Bonn

Theunissen, G. (2003): Empowerment und Professionalisierung – unter-besonderer Berücksichtigung der Arbeit mit Menschen, die als geistig behindert gelten. In: Barsch, S./Bendokat, T./Brück, M. (Hrsg.): Heilpä-dagogik online – Die Fachzeitschrift im Internet. 2. Jg. S. 45 - 81 Inter-netressource www.heilpaedagogik-online.com)

Theunissen, G. (2005): Empowerment als Handlungsorientierung für die Arbeit mit schwerstbehinderten Menschen. In: Bundesvereinigung Le-benshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung (Hrsg.) Internetres-source: www.lebenshilfe.de (aufgerufen am 13.08.2009)

Thiel, W. (2001): Profil und Brückenschläge – beides ist nötig – Die Dis-kurse im Gesundheits- und Sozialbereich. In: Nakos-Extra. Heft 31. S. 6 - 7

Thiel, W. (2004): Über Selbsthilfe-Konsum und die Schwierigkeiten von Selbsthilfegruppen, aktive Mitstreiter zu gewinnen. In: Deutsche Ar-beitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. (Hrsg.): Selbsthilfegruppen-jahrbuch 2004. Gießen. S. 82 - 90

Thiel, W. (2004): Über Selbsthilfe-Konsum und die Schwierigkeiten von Selbsthilfegruppen, aktive Mitstreiter zu gewinnen. In: Deutsche Ar-beitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen DAG SHG e.V. (Hrsg.): Selbsthil-fegruppenjahrbuch 2003. Gießen. S. 82 - 90

Thiel, W. (2004): Über Selbsthilfe-Konsum und die Schwierigkeiten von Selbsthilfegruppen, aktive Mitstreiter zu gewinnen. In: Deutsche Ar-beitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen (Hrsg.): Selbsthilfegruppenjahr-buch 2004. Gießen. S. 82 - 90

Page 308: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 307

Thiel, W. (2006): Die Bedeutung des Selbsthilfezentrums München für die Bundesebene. In: Selbsthilfezentrum München (Hrsg.): 20 Jahre Selbsthilfeunterstützung in München. München. S. 190 - 193

Thiel, W. (2007): Bürgerschaftliches Engagement, Selbsthilfe und Welfare Mix, In: Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen DAG SHG e.V. (Hrsg.): Selbsthilfegruppenjahrbuch 2007. Gießen. D. S.143 - 151

Thiel, W. (2008): Bundesweite Selbsthilfeorganisationen im Gesundheits- und Sozialbereich. Internetressource: http://www.nakos.de/site/data/NAKOS/NAKOS-Studien-1-2007-2.1.pdf (aufgerufen am 20.05.2009)

Thiele, C. (2002): Zur Rezeption des Empowerment-Ansatzes in Deutsch-land, England und den USA – Ein Vergleich. In: Institut für verglei-chende Sozialarbeitswissenschaft und interkulturelle/internationale So-zialarbeit (ISIS) e.V.. Eichstätt

Thiersch, H./Grunwald, K./Köngeter, S. (2002): Lebensweltorientierte-Soziale Arbeit. In: Thole, Werner (Hrsg.): Grundriss Soziale Arbeit. Ein einführendes Handbuch. unter Mitarbeit von Karin Bock und Ernst-Uwe Küster. Opladen. S. 161 - 178

Thom, N./Ritz, A. (2008): Public Management: Innovative Konzepte zur Führung im öffentlichen Sektor. 4. Aktualisierte Auflage. Wiesbaden

Thomsen, M. (2008): Professionalität in der Schuldnerberatung. Hand-lungstypen im Vergleich. Wiesbaden

Trendel, M. (2008): Praxisratgeber Persönliches Budget - Mehr Selbstbe-stimmung für behinderte Menschen. Regensburg

Treptow, R. (Hrsg.) (1999): Sozialpädagogische Integration: Entwick-lungsperspektiven und Konfliktlinien. Weinheim, München

Page 309: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 308

Trojan, A. (2002): Der Patient im Versorgungsgeschehen: Laienpotential und Gesundheitsselbsthilfe. In: Schwartz, F.W./Bandura,B./Busse, R./Leidl, R./Raspe, H./Siegrist, J./Walter, U. (Hrsg.): Das Public Healtth

Trojan, A. (2003): Laienpotential und Gesundheitsselbsthilfe. In: Schwartz, F. W./Badura, B./Busse, R./Leidl, R./Raspe, R./Siegrist, J./Walter, U. (Hrsg.): Das Public-Health-Buch: Gesundheit und Ge-sundheitswesen. München und Jena. S. 321-332

Trojan, A. (Hrsg.) (1986): Wissen ist Macht – Eigenständig durch Selbst-hilfe in Gruppen. Frankfurt/Main

Trojan, A./Deneke, C./Behrendt, J.-U./Itzwerth, R. (1986). Die Ohn-macht ist nicht total. Persönliches und Politisches über Selbsthilfe-gruppen und ihre Entstehung. In: Trojan, A. (Hrsg.): Wissen ist Macht – Eigenständig durch Selbsthilfe in Gruppen. Frankfurt/Main. S. 12 - 85

Trojan, A./Deneke, C./Behrendt, J.-U./Itzwerth, R. (1986): Die Ohn-macht ist nicht total. Persönliches und Politisches über Selbsthilfe-gruppen und ihre Entstehung. In: Trojan, A. (Hrsg.): Wissen ist Macht. Eigenständigkeit durch Selbsthilfe in Gruppen. Frankfurt/Main. S. 12 - 85

Trojan, A./Deneke, C./Estorff, A. (1986): „Ist denn das noch Selbsthilfe?“ Erfahrungen und Empfehlungen zur Unterstützung von Selbsthilfe-gruppen. In: Trojan, A. (Hrsg.): Wissen ist Macht – Eigenständig durch Selbsthilfe in Gruppen. Frankfurt/Main. S. 250 – 283

Trojan, A./Estorff-Klee, A. (2004): Meilensteine der Selbsthilfeförderung in Hamburg. In: Trojan, A./Estorff-Klee, A. (Hrsg.) (2004): 25 Jahre Selbsthilfeunterstützung. Unterstützungserfahrungen und –bedarf am Beispiel Hamburg. Münster

Page 310: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 309

Trojan, A./Halves, E. (1984): Selbsthilfegruppen – eine Alternative zu so-zialstaatlichen Leistungen?. In: Bauer, R./Dießenbacher, H. ( Hrsg.): Organisierte Nächstenliebe: Wohlfahrtsverbände und Selbsthilfe in der Krise des Sozialstaats

Unabhängige Patientenberatung (2009): Internetressource: http//:www. upd-online.de (aufgerufen am 23.09.2009)

. Opladen. S. 148 – 161

Van Santen, E./Seckinger, M. (2003):

Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (Hrsg.) (2009): Schuldenre-port 2009 – Fakten, Analysen, Perspektiven. Berlin

Kooperation: Mythos und Realität einer Praxis: eine Empirische Studie zur interinstitutionellen Zusam-menarbeit am Beispiel der Kinder- und Jugendhilfe. München

Vogel, R. (1990): Gesprächs-Selbsthilfegruppen – Interviews mit Ausstei-gern und Dabeigebliebenen. Berlin

Vogelgesang, W. (2001): Meine Zukunft bin ich! – Alltag und Lebenspla-nung Jugendlicher. Frankfurt/Main und New York

Voß, G.G./Rieder, K. (2005): Der arbeitende Kunde – Wenn Konsumen-ten zu unbezahlten Mitarbeitern werden. Frankfurt

Wächter, J.-D. (1997). Verantwortung lernen? Der Beitrag der Schule zur Werterziehung. In: Pädagogik und Schulalltag. Heft 52. S. 552 - 557

Wagener, L. M./Furrow, J. L./King, P. E./Leffert, N./Benson, P. (2003): Religion and developmental resources. Review of Religious Research. 44. (3). S. 271 - 284

Waiz, E. (2009): Daseinsvorsorge in der Europäischen Union – Etappen einer Debatte. In: Krautscheid, A. (Hrsg.): Die Daseinsvorsorge im Spannungsfeld von europäischen Wettbewerb und Gemeinwohlorien-tierung. Eine sektorspezifische Betrachtung. Wiesbaden. S. 41-76

Page 311: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 310

Walleit, C. E. (2009): Ein oft verkanntes Krankheitsbild – Fachtag zum Post-Polio-Syndrom: Ziel sind Netzwerke zwischen Ärzten und Selbst-hilfegruppen. Volksblatt „Der Ermstalbote“. 01.04.2009. Internet-ressource: http://www.suedwest-aktiv.de (aufgerufen am 02.09.2009)

Wellhöfer, P. (2007): Gruppendynamik und soziales Lernen – Theorie und Praxis der Arbeit mit Gruppen. 3. überarbeitete und erweiterte Auf-lage. Stuttgart

Welsch, W. (1988): Postmoderne – Pluralität als ethischer und politischer Wert. Köln

Welsch, W. (1993): Unsere postmoderne Moderne. 4. Auflage. Berlin

Welsch, W. (1994): Wege aus Moderne. Schlüsseltexte des Postmoder-ne-Diskurs. Berlin

Welsch, W. (1997): Unsere Postmoderne Moderne. 5. Auflage. Berlin

Welsch, W. (2002): Unsere postmoderne Moderne. 6. Auflage. Berlin

Wendt, W. R. (2003): Sozialwirtschaft - eine Systematik. Baden-Baden

Wendt, W. R. (2005): Marken als Brücke zwischen Jugendarbeit und Wirtschaft – Fragen, Antworten, Perspektiven. In: Antes, W. (Hrsg.): MarkenMacht Jugendarbeit – Marken als Brücke zwischen Jugendar-beit und Wirtschaft. Weinheim und München. S. 35 - 42

Wendt, W. R. (2004): Sozial arbeiten und sozial wirtschaften. Frei-burg/Breisgau

Wendt, W. R. (Hrsg.) (1996):

Wendt, W. R./Wöhrle, A. (2007):

Zivilgesellschaft und soziales Handeln: bür-gerschaftliches Engagement in eigenen und gemeinschaftlichen Be-langen. Freiburg/Breisgau

Sozialwirtschaft und Sozialmanagement in der Entwicklung ihrer Theorie. Augsburg

Page 312: Dokument_44.pdf (1384 KB)

Literaturverzeichnis 311

Wiedemann, J. (2006): 20 Jahre Selbsthilfe im Gesundheitsbereich. In: Selbsthilfezentrum München (Hrsg.): 20 Jahre Selbsthilfeunterstützung in München. München. S. 44 – 47

Wienke, A. (Hrsg.) (2008): Zwischen Hippokrates und Staatsmedizin: Der Arzt am Beginn des 21. Jahrhunderts. Berlin. S. 77 - 85

Willke, H. (1998): Systemisches Wissensmanagement. Stuttgart

Wissemann, M. (2006): Wirksames Coaching – Eine Anleitung. Bern

Wohlfahrt, N./Breitkopf, H. (1995): Selbsthilfegruppen und Soziale Arbeit – Eine Einführung für soziale Berufe. Freiburg/Breisgau

Wöhrle, A. (2003): Grundlagen des Managements in der Sozialwirtschaft. Baden-Baden

Woratschek, H. (1996): Die Typologie von Dienstleistungen aus informa-tionsökonomischer Sicht. Der Markt. 35. Jg. (136). S. 59 – 71

Woratschek, H. (1996): Preisbestimmung von Dienstleistungen – Markt- und nutzenorientierte Ansätze im Vergleich. Frankfurt/Main

Zeithaml, V. A./Berry, L. L./Parasuraman, A. (1992). Qualitätsservice. Frankfurt/Main

Züchner, I. (2007): Aufstieg im Schatten des Wohlfahrtsstaates – Expan-sion und aktuelle Lage der Sozialen Arbeit im internationalen Ver-gleich. Weinheim und München.