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© Deutscher Ärzteverlag | DIVI | 2017; 8 (3) Gerald Neitzke 1 , Boris Böll 2 , Hilmar Burchardi 3 , Katrin Dannenberg 4 , Gunnar Duttge 5 , Renate Erchinger 6 , Peter Gretenkort 7 , Christiane Hartog 8,9 , Kathrin Knochel 10 , Matthias Liebig 11 , Andrej Michalsen 12 , Guido Michels 13 , Michael Mohr 14 , Friedemann Nauck 15 , Peter Radke 16 , Fred Salomon 17 , Herwig Stopfkuchen 18 , Uwe Janssens 19 Dokumentation Therapiebegrenzung* Empfehlung der Sektion Ethik der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) unter Mitarbeit der Sektion Ethik der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) * Neitzke G, Böll B, Burchardi H et al.: Dokumentation der Therapiebegrenzung. Med Klin Intensivmed Notfmed DOI 10.1007/s00063-017-0321-x Bei der Veröffentlichung dieses Beitrags in der DIVI handelt es sich um eine Zweitpublikation aus „Medizinische Klinik – Intensivmedizin und Notfallmedizin“. 1 Institut für Geschichte, Ethik und Philosophie der Medizin, Medizinische Hochschule Hannover 2 Klinik I für Innere Medizin, Uniklinik Köln 3 Bovenden 4 Medizinische Klinik, BG Klinikum Bergmannstrost, Halle 5 Abteilung für strafrechtliches Medizin- und Biorecht, Georg-August-Universität Göttingen 6 Schopp 7 Institut für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, Allgemeines Krankenhaus Viersen 8 Patienten- und Angehörigenzentrierte Versorgung, Klinik Bavaria Kreischa 9 Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie, Universitätsklinikum Jena 10 Kinderpalliativzentrum München, Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital, Klinikum der Universität München 11 Medizinische Klinik, Klinikum Görlitz 12 Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie, Klinik Tettnang 13 Klinik III für Innere Medizin, Uniklinik Köln 14 Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Ev. Diakonie-Krankenhaus, Bremen 15 Klinik für Palliativmedizin, Universitätsmedizin Göttingen 16 Klinik für Kardiologie, Schön Klinik Neustadt, Neustadt in Holstein 17 Lemgo 18 Mainz 19 Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin, St.-Antonius-Hospital, Eschweiler, Deutschland ** Im vorliegenden Text wird zur Verbesserung der Lesbarkeit durchgängig die männliche Form benutzt. Mit dieser Bezeichnung sind Männer und Frauen gleichermaßen gemeint. Prof. Dr. med. Uwe Janssens Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin am St.-Antonius-Hospital, Eschweiler Foto: privat Einleitung Wenn bei der Behandlung eines Patien- ten** Hinweise sichtbar werden oder Diskussionen aufkommen, dass eine Therapiezieländerung sinnvoll oder ge- wünscht ist, sollte ein strukturiertes Vor- gehen zur Verfügung stehen. Das erleich- tert es, dem Patientenwillen auch in Not- fallsituationen zu entsprechen, im Team fair und kollegial miteinander umzuge- hen und das wechselseitige Vertrauen zwi- schen allen Beteiligten zu fördern. Therapiezielvereinbarungen und -änderungen bei einem Patienten müs- sen in allen Versorgungsbereichen einer Klinik bekannt sein, da sie vom gesam- ten behandelnden Team beachtet wer- den sollen. Die rasch überschaubare Do- kumentation der getroffenen Verein- barungen sorgt für Klarheit in den un- terschiedlichen Versorgungsstrukturen einer Klinik und verhindert die Einlei- tung bzw. die Fortführung nicht (mehr) indizierter oder nicht (mehr) gewollter Maßnahmen. Der vorgestellte Doku- mentationsbogen (Abb. 1) macht Ver- einbarungen zur Therapiebegrenzung im klinischen Alltag unmittelbar verfüg- bar. Die auf dem Bogen dokumentierten Entscheidungen sollen die Ergebnisse eines multiprofessionellen und interdis- ziplinären Dialogs sein. Die wesentlichen Entscheidungs- grundlagen sollen in der Krankenakte klar und nachvollziehbar hinterlegt sein. Der Dokumentationsbogen fasst diesen Entscheidungsprozess an zen- traler Stelle in übersichtlicher Form zusammen. Er bietet eine verlässliche Entscheidungsgrundlage, sofern keine Anhaltspunkte für eventuelle Ver- änderungen erkennbar sind. Insoweit entbindet er aber das behandelnde Team nicht von seiner Verantwortung für die zu treffenden Entscheidungen in der konkreten Situation. Es wird empfohlen, das vorliegende Dokument an die lokalen Gegebenhei- ten der jeweiligen Klinik anzupassen, um die getroffenen Entscheidungen klar und nachvollziehbar in Papierform und/oder elektronisch zu dokumentie- ren. Es sollte Teil der Patientenakte sein und den Patienten durch alle Funktions- bereiche des Krankenhauses begleiten. So kann es von den Beteiligten jederzeit eingesehen und umgesetzt werden. Die Einführung und Anwendung dieses Dokumentationsbogens erfordert 95 WISSENSCHAFT / RESEARCH Übersicht / Review

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© Deutscher Ärzteverlag | DIVI | 2017; 8 (3) ■

Gerald Neitzke1, Boris Böll2, Hilmar Burchardi3, Katrin Dannenberg4, Gunnar Duttge5, Renate Erchinger6, Peter Gretenkort7, Christiane Hartog8,9, Kathrin Knochel10, Matthias Liebig11, Andrej Michalsen12, Guido Michels13, Michael Mohr14, Friedemann Nauck15, Peter Radke16, Fred Salomon17, Herwig Stopfkuchen18, Uwe Janssens19

Dokumentation Therapiebegrenzung*Empfehlung der Sektion Ethik der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) unter Mitarbeit der Sektion Ethik der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN)

* Neitzke G, Böll B, Burchardi H et al.: Dokumentation der Therapiebegrenzung. Med Klin Intensivmed Notfmed DOI 10.1007/s00063-017-0321-xBei der Veröffentlichung dieses Beitrags in der DIVI handelt es sich um eine Zweitpublikation aus „Medizinische Klinik – Intensivmedizin und Notfallmedizin“.

1 Institut für Geschichte, Ethik und Philosophie der Medizin, Medizinische Hochschule Hannover2 Klinik I für Innere Medizin, Uniklinik Köln3 Bovenden4 Medizinische Klinik, BG Klinikum Bergmannstrost, Halle5 Abteilung für strafrechtliches Medizin- und Biorecht, Georg-August-Universität Göttingen6 Schopp7 Institut für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, Allgemeines Krankenhaus Viersen8 Patienten- und Angehörigenzentrierte Versorgung, Klinik Bavaria Kreischa9 Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie, Universitätsklinikum Jena10 Kinderpalliativzentrum München, Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital, Klinikum der Universität München11 Medizinische Klinik, Klinikum Görlitz12 Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie, Klinik Tettnang13 Klinik III für Innere Medizin, Uniklinik Köln14 Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Ev. Diakonie-Krankenhaus, Bremen15 Klinik für Palliativmedizin, Universitätsmedizin Göttingen16 Klinik für Kardiologie, Schön Klinik Neustadt, Neustadt in Holstein17 Lemgo18 Mainz19 Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin, St.-Antonius-Hospital, Eschweiler, Deutschland** Im vorliegenden Text wird zur Verbesserung der Lesbarkeit durchgängig die männliche Form benutzt. Mit dieser Bezeichnung sind Männer und Frauen gleichermaßen gemeint.

Prof. Dr. med. Uwe Janssens

Chefarzt der Klinik für Innere Medizin

und Internistische Intensivmedizin

am St.-Antonius-Hospital, Eschweiler

Foto

: pri

vat

Einleitung

Wenn bei der Behandlung eines Patien-ten** Hinweise sichtbar werden oder Diskus sionen aufkommen, dass eine Therapie zieländerung sinnvoll oder ge-wünscht ist, sollte ein strukturiertes Vor-gehen zur Verfügung stehen. Das erleich-tert es, dem Patientenwillen auch in Not-fallsituationen zu entsprechen, im Team fair und kollegial miteinander umzuge-hen und das wechselseitige Vertrauen zwi-schen allen Beteiligten zu fördern.

Therapiezielvereinbarungen und -änderungen bei einem Patienten müs-sen in allen Versorgungsbereichen einer Klinik bekannt sein, da sie vom gesam-ten behandelnden Team beachtet wer-den sollen. Die rasch überschaubare Do-kumentation der getroffenen Verein-

barungen sorgt für Klarheit in den un-terschiedlichen Versorgungsstrukturen einer Klinik und verhindert die Einlei-tung bzw. die Fortführung nicht (mehr) indizierter oder nicht (mehr) gewollter Maßnahmen. Der vorgestellte Doku-mentationsbogen (Abb. 1) macht Ver-einbarungen zur Therapiebegrenzung im klinischen Alltag unmittelbar verfüg-bar. Die auf dem Bogen dokumentierten Entscheidungen sollen die Ergebnisse eines multiprofessionellen und interdis-ziplinären Dialogs sein.

Die wesentlichen Entscheidungs-grundlagen sollen in der Krankenakte klar und nachvollziehbar hinterlegt sein. Der Dokumentationsbogen fasst diesen Entscheidungsprozess an zen-traler Stelle in übersichtlicher Form zusammen. Er bietet eine verlässliche

Entscheidungsgrundlage, sofern keine Anhaltspunkte für eventuelle Ver-änderungen erkennbar sind. Insoweit entbindet er aber das behandelnde Team nicht von seiner Verantwortung für die zu treffenden Entscheidungen in der konkreten Situation.

Es wird empfohlen, das vorliegende Dokument an die lokalen Gegebenhei-ten der jeweiligen Klinik anzupassen, um die getroffenen Entscheidungen klar und nachvollziehbar in Papierform und/oder elektronisch zu dokumentie-ren. Es sollte Teil der Patientenakte sein und den Patienten durch alle Funktions-bereiche des Krankenhauses begleiten. So kann es von den Beteiligten jederzeit eingesehen und umgesetzt werden.

Die Einführung und Anwendung dieses Dokumentationsbogens erfordert

95WISSENSCHAFT / RESEARCH Übersicht / Review

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eine angemessene Schulung aller ärzt-lichen und pflegerischen Mitarbeiter.

Die Verlagerung von kurativen zu palliativen Maßnahmen bedeutet in der Regel eine Begrenzung kurativ aus-gerichteter Maßnahmen oder den Ver-zicht darauf. Daher trägt das Dokument den Titel „Dokumentation Therapie-begrenzung“. Maßnahmen der Basisbe-treuung, z.B. Symptomkontrolle, Pflege und Zuwendung/Begleitung sowie pal-liativmedizinische und -pflegerische Maßnahmen, werden dadurch nicht eingeschränkt.

Struktur der Dokumen ta tions vorlage zur Therapiebegrenzung

Die Dokumentationsvorlage besteht aus drei Teilen:1. Nicht durchzuführende Maßnahmen2. Grund für die Begrenzung von Maß-

nahmen3. Autorisierung und Gültigkeit.

In Teil 1 können Maßnahmen ange-kreuzt werden, die vor dem Hintergrund einer fehlenden Indikation und/oder entsprechend dem Patientenwillen nicht (mehr) durchgeführt werden sol-len. Alle Maßnahmen, die nicht ange-kreuzt werden, können also im Bedarfs-fall angewendet oder durchgeführt wer-den. Beispielsweise kann sich der Patien-tenwille gegen eine invasive Beatmung richten, dennoch lässt er bei entspre-chender Indikation eine nicht-invasive Beatmung zu.

In der Formularvorlage sind nicht alle denkbaren diagnostischen und therapeutischen Optionen eingearbei-tet. Dafür bietet der Dokumentations-bogen unter „Weitere“ die Möglichkeit zur Eingabe von Freitext. Darüber hi-naus können im Freitextfeld „Beson-derheiten“ zusätzliche Differenzierun-gen vorgenommen werden, die von ei-ner rein dichotomen Bewertung der Optionen („durchführen“ und „nicht durchführen“) abweichen. Hier kön-nen zum Beispiel Bedingungen ver-merkt werden, die als Voraussetzungen für die genannte Begrenzung erfüllt sein müssen (z.B. bestimmte Blutwer-te). In diesem Feld kann z.B. auch das differenzierte Vorgehen bei permanen-ten Schrittmachersystemen (z.B. Deak-tivierung eines ICD) näher beschrie-ben werden.

Teil 2 ist hingegen vorgegeben, da die medizinische Indikation und der Wille des Patienten Grundvoraussetzun-gen bei der Begrenzung der Diagnostik und der Therapie sind [2]. Auch hier bie-tet ein Freitextfeld („Besonderheiten“) die Möglichkeit, die Therapiezielfest-legung vor dem Hintergrund der medizi-nischen Indikation und des Patienten-willens genauer zu beschreiben.

Teil 1: Nicht durchzuführende Maßnahmen

Die Dokumentation stellt sicher, dass auf einen Blick erkennbar ist, welche verfügbaren Maßnahmen nicht ergrif-fen werden sollen.

Dazu zählen vor allem akut lebens-erhaltende Maßnahmen in Notfallsitua-tionen (z.B. Reanimation, Intubation

und Beatmung). Eine Entscheidung im Vorfeld vermeidet den Zeitdruck und verhindert eine nicht angemessene The-rapieausweitung.

Es können aber auch weniger zeitkri-tische, potenziell lebensverlängernde Maßnahmen (z.B. künstliche Ernäh-rung) erfasst werden, wenn es als hilf-reich erachtet wird, darüber im Vorfeld eine verbindliche Einigung herbei-zuführen.

Teil 2: Grund für die Begrenzung von Maßnahmen

Die Durchführung einer Therapie-maßnahme ist nur dann zulässig, wenn dafür sowohl eine medizinische Indikation besteht als auch eine Zu-stimmung von Seiten des Patienten vorliegt [2].

Abbildung 1 Dokumentationsbogen Therapiebegrenzung (Formular auch unter www.online-divi.de)

96 Neitzke et al.:

Dokumentation Therapiebegrenzung

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Die verfügte Therapiebegrenzung wird dadurch begründet und legitimiert, dass die Indikation fehlt (oder eine vor-her bestehende erlischt) und/oder der Patient die indizierte Maßnahme ab-lehnt. Diese Ablehnung kann vom Pa-tienten oder von seinem juristischen Stellvertreter (Bevollmächtigter, Betreu-er) ausgesprochen werden. Durch An-kreuzen der entsprechenden Zeile wird also auf einen Blick deutlich, wodurch die Therapiebegrenzung begründet wird:

1. Fehlende Indikation: Die von der Begrenzung betroffenen Maßnahmen sind nicht (mehr) indiziert. Dies be-deutet, dass durch die Behandlungs-maßnahme kein für den Patienten an-strebenswertes Therapieziel mehr er-reicht werden kann. Die Indikation soll ebenfalls negiert werden, wenn die Behandlungsmaßnahme keinen medi-zinischen Nutzen mehr verspricht [2, 3]. Außerdem erlischt in der Sterbepha-se die Indikation für alle Maßnahmen, die nicht der Symptomlinderung beim Sterbenden dienen. Eine bloße Verlän-gerung des Sterbeprozesses ist unzuläs-sig [1].

2. Ablehnung durch den Patienten: Wenn die Begrenzung aufgrund des Pa-tientenwillens erfolgt, ist eine weitere Differenzierung erforderlich, damit alle Mitglieder des Behandlungsteams auf ei-nen Blick erkennen, wie die Ablehnung zum Ausdruck gebracht wurde: •• Der einwilligungsfähige Patient kann

– nach angemessener Aufklärung – die angebotene Therapieoption abge-

lehnt haben. In diesem Fall ist darauf zu achten, dass der Patient versteht, dass er die Behandlungsmaßnahme nicht nur aktuell, sondern auch für zukünftige gesundheitliche Ver-schlechterungen ablehnt und dass diese Ablehnung jederzeit von ihm widerrufen werden kann.

•• Die Ablehnung kann schriftlich als Patientenverfügung vorliegen. Falls der Patient aktuell einwilligungs-fähig ist, sollte ein direktes Gespräch über das Ausmaß der gewünschten Therapiebegrenzung geführt werden. Falls der Patient einwilligungsunfä-hig ist, sollte der Inhalt der Patien-tenverfügung – sofern diese nicht wi-derrufen wurde – mit seinem juristi-schen Stellvertreter (Bevollmächtig-ter, Betreuer) besprochen werden. Der juristische Stellvertreter hat die gesetzlich festgelegte Aufgabe, den Patientenwillen zur Geltung zu brin-gen. Die Ablehnung erfolgt durch den juristischen Stellvertreter auf-grund des geäußerten oder mutmaß-lichen Patientenwillens. Der geäu-ßerte Patientenwille kann entweder schriftlich als Patientenverfügung oder mündlich als Behandlungs-wunsch vorliegen und ist damit ver-bindlich. Der mutmaßliche Wille wird hingegen aus den individuellen Wertvorstellungen, Einstellungen und Haltungen des Patienten abge-leitet [2, 4].

•• In akuten Situationen, in denen der Patient einwilligungsunfähig ist und keinen Bevollmächtigten bestimmt hat, treffen die Ärzte bis zur Bestel-lung eines Betreuers stellvertretend die Entscheidung im Sinne des Patien-ten. In diesem Fall ist der Patienten-wille ebenfalls aufgrund des geäußer-ten oder mutmaßlichen Willens (s.o.) zu ermitteln.

•• Abhängig von der ärztlichen Ein-schätzung der Einwilligungsfähigkeit ist entweder der aktuelle oder der vo-rausverfügte Wille zu beachten. Bei Zweifeln an der Einwilligungsfähig-keit des Patienten ist ein psychiatri-sches Konsil empfehlenswert. Dies wird entsprechend dokumentiert.

Des Weiteren wird im zweiten Abschnitt festgehalten, wann und mit welchen Be-zugspersonen ein Informationsgespräch geführt wurde. Dadurch ist nachvoll-ziehbar, wer über die Therapiebegren-zung und deren Begründung informiert

ist. Von zentraler Bedeutung ist an dieser Stelle auch die Einbeziehung der Pfle-genden.

Teil 3: Autorisierung und Gültigkeit

Auf dem Dokumentationsbogen wird oben das Datum der Erstellung eingetra-gen. Die maximale Gültigkeitsdauer der Entscheidungen sollte festgelegt wer-den. So kann sichergestellt werden, dass die Entscheidungen überprüft und ggf. angepasst werden. Bei Entlassung bzw. hausexterner Verlegung verliert der Bo-gen automatisch seine Gültigkeit und müsste bei erneuter stationärer Aufnah-me neu ausgefüllt werden.

Der Dokumentationsbogen sollte durch einen Facharzt in leitender oder verantwortlicher Position unterschrie-ben werden, um Verbindlichkeit zu er-langen. Da die Pflegenden grundlegend an der Umsetzung dieser Entscheidun-gen beteiligt sind, dokumentieren sie mit ihrer Unterschrift, dass sie die getroffe-nen Entscheidungen zur Kenntnis ge-nommen haben und diese entsprechend im Pflegeteam kommuniziert werden.

Interessenkonflikt: Die Autoren ge-ben an, dass kein Interessenkonflikt be-steht.Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen der Tieren.

Professor Dr. med. Uwe Janssens Klinik für Innere Medizin und Internistische IntensivmedizinSt.-Antonius-HospitalDechant-Decker-Str. 852249 EschweilerTel.: 02403 761227Fax: 02403 [email protected]

Korrespondenzadresse

1. Bundesärztekammer. Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung. Dtsch Arztebl 2011; 108: A346-A348

2. Janssens U, Burchardi N, Duttge G et al.: Therapiezieländerung und Thera-piebegrenzung in der Intensivmedi-zin. DIVI 2012; 3: 103–107

3. Neitzke G: Indikation: fachliche und ethische Basis ärztlichen Handelns. Med Klin Intensivmed Notfmed 2014; 109: 8–12

4. Neitzke G, Burchardi H, Duttge G et al.: Grenzen der Sinnhaftigkeit von Intensivmedizin. Med Klin Intensiv-med Notfmed 2016; 111: 486–492

Literatur

Infobox 1 Sektion Ethik der Deutschen Interdis-ziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI):Gerald Neitzke, Hilmar Burchardi, Gunnar Duttge, Renate Erchinger, Peter Gretenkort, Christiane Hartog, Kathrin Knochel, Andrej Michalsen, Michael Mohr, Friedemann Nauck, Fred Salomon, Herwig Stopfkuchen

und Uwe Janssens

Sektion Ethik der Deutschen Gesell-schaft für Internistische Intensiv -medizin und Notfallmedizin (DGIIN): Boris Böll, Katrin Dannenberg, Matthias Liebig, Guido Michels, Peter Radke und Uwe Janssens

Neitzke et al.: Dokumentation Therapiebegrenzung 97