Dolmetschen bei der Polizei

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Dolmetschen bei der Polizei Eine Fallstudie zu den Erfahrungen mit Dolmetscher/innen bei der Polizei in Kärnten Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts (MA) an der Karl-Franzens-Universität Graz vorgelegt von: Katharina LOMŠEK am Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft Begutachterin: Ao.Univ.-Prof in . Mag a . Dr in .phil. Nadja Grbić Graz, 2018

Transcript of Dolmetschen bei der Polizei

Dolmetschen bei der Polizei

Eine Fallstudie zu den Erfahrungen mit

Dolmetscher/innen bei der Polizei in Kärnten

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

Master of Arts (MA)

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von:

Katharina LOMŠEK

am Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft

Begutachterin: Ao.Univ.-Profin

. Maga. Dr

in.phil. Nadja Grbić

Graz, 2018

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DANKSAGUNG

ZAHVALA

Hvala mojim staršem, da sta mi omogočila pot, ki sem si jo izbrala, da sta mi med študijem

stala ob strani, me podpirala in motivirala. Brez vajine pomoči, to ne bi bilo mogoče.

Ein ganz besonderer Dank gilt meinem Freund, auf den ich immer zählen kann. Er hat mir

in schwierigen Zeiten den Rücken gestärkt und in den erfreulichen Momenten mit mir

gefeiert. Des Weiteren hat er immer an mich geglaubt und mich im Rahmen seiner

Möglichkeiten unterstützt.

Ein herzlicher Dank gilt natürlich auch meiner Betreuerin Ao.Univ.-Profin

. Maga.

Drin

.phil. Grbić Nadja. Ihre wertvollen fachlichen Ratschläge haben meine Arbeit nicht

nur inhaltlich enorm bereichert, sondern auch meinen persönlichen Horizont maßgeblich

erweitert.

Großer Dank gebührt auch all jenen, die ihre Zeit geopfert und meine Arbeit in Form von

Interviews inhaltlich bereichert haben. Ohne deren Unterstützung wäre eine empirische

Untersuchung nicht möglich gewesen.

Na tem mestu se zahvaljujem tudi moji lektorici za ves njen čas in trud. Brez njene pomoči

mi ne bi uspelo.

Ein großes Danke auch an meine Freundinnen und Studienkolleginnen für die gemeinsame

Zeit und die gegenseitige Motivation. Durch sie wurde die Studienzeit zu etwas

Besonderem. Ich konnte immer auf sie zählen und hoffe inständig, dass unsere

Freundschaft noch lange erhalten bleibt.

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung ...................................................................................................................................................... 5

1 Forschungsfeld und zentrale Konzepte ..................................................................................... 8

1.1 Kommunaldolmetschen/Community Interpreting ........................................................... 9

1.2 Community Interpreting – Akteur/innen .......................................................................... 13

1.2.1 Wer dolmetscht? Konzept der Natural Translation ................................................... 15

1.2.2 Wer dolmetscht? Konzept der Native Translation ..................................................... 17

1.2.3 Herausforderungen für Laiendolmetscher/innen und Probleme der Heranziehung ........................................................................................................................................... 20

1.3 Charakteristika und Herausforderungen des Polizeidolmetschens ........................ 23

1.3.1 Charakteristika ......................................................................................................................... 24

1.3.2 Rollenverständnis ................................................................................................................... 27

1.3.3 Herausforderungen und Anforderungen ....................................................................... 29

2 Die österreichische Polizei als Dolmetsch-Setting ............................................................. 34

2.1 Die österreichische Polizei und Statistik ............................................................................ 34

2.2 Rechtliche Grundlagen .............................................................................................................. 35

2.2.1 Internationale Bestimmungen ........................................................................................... 36

2.2.2 Nationale Bestimmungen ..................................................................................................... 40

2.3 Vernehmung .................................................................................................................................. 43

2.4 Rekrutierung von Dolmetscher/innen ............................................................................... 50

3 Dolmetschen bei der Polizei ........................................................................................................ 57

3.1 Dolmetschen aus Sicht der (angewandten) Translationswissenschaft ................. 57

3.2 Dolmetschen aus Sicht der Polizei ........................................................................................ 62

4 Empirische Studie ........................................................................................................................... 65

4.1 Zielsetzung, Forschungsfrage und Hypothesen ............................................................... 66

4.2 Methode der Untersuchung ..................................................................................................... 67

4.3 Durchführung der Interviews ................................................................................................. 68

5 Auswertung der Interviews ........................................................................................................ 71

5.1 Erfahrungen mit Dolmetscher/innen .................................................................................. 73

5.2 Erfahrungen als Polizeidolmetscher/innen ...................................................................... 79

5.3 Eigenschaften, Kompetenzen und Anforderungen ........................................................ 79

5.4 Herangehensweise an die Zusammenarbeit mit Dolmetscher/innen .................... 82

5.5 Erwartungen ................................................................................................................................. 84

5.6 Sympathie und Vertrauen ........................................................................................................ 85

4

6 Diskussion der Ergebnisse, Beantwortung der Forschungsfragen, Überprüfung der Hypothesen ....................................................................................................................................... 86

Zusammenfassung und Ausblick ...................................................................................................... 93

Literatur ..................................................................................................................................................... 97

Abbildungsverzeichnis ...................................................................................................................... 109

5

Einleitung

In den letzten Jahren erschienen in deutschsprachigen Zeitungen bzw. deren Online-

Portalen einige Artikel (vgl. Wiener Zeitung.at, orf.at, heute.at, derstandard.at) zu

fehlerhaften Dolmetschungen bei der Polizei. Liest man die Artikel genau, so fällt auf, dass

in all diesen Fällen Laiendolmetscher/innen im Einsatz waren. In diesem Zusammenhang

stellt sich zunächst die Frage, warum für diese Zwecke Laiendolmetscher/innen

herangezogen werden, wenn es, so die Annahme, zumindest für weit verbreitete Sprachen

ausreichend ausgebildete Dolmetscher/innen geben müsste. Beispielsweise werden bei

Gericht vorzugsweise ausgebildete bzw. zertifizierte Dolmetscher/innen eingesetzt, deren

Kompetenzen vorab überprüft wurden. Von Interesse ist die Frage, warum diese

Vorgehensweise bei der Polizei nicht angewandt wird.

Grundsätzlich kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle ausgebildeten und

zertifizierten Dolmetscher/innen in der Regel bessere Dolmetsch-Leistungen erbringen als

Laiendolmetscher/innen. In dieser Masterarbeit wird daher in erster Linie der Frage

nachgegangen, welche Erfahrungen Polizeibeamt/innen mit Dolmetscher/innen gemacht

haben und ob sich im Laufe der bisherigen Zusammenarbeit mit Dolmetscher/innen

Präferenzen in Bezug auf die Heranziehung zeigten. Ebenso sollen im Rahmen der Arbeit

folgende Fragestellungen genauer beleuchtet werden: Wer ist ein/e Polizeidolmetscher/in,

welche Eigenschaften und Kompetenzen sind für die Ausübung dieser Tätigkeit

ausschlaggebend und aufgrund welcher Kriterien werden Dolmetscher/innen

herangezogen? Es wird von der Hypothese ausgegangen, dass – abgesehen von der

sprachlichen Kompetenz – keine anderen Aspekte beachtet werden. Des Weiteren wird

angenommen, dass es ein vorgeschriebenes Prozedere für die Heranziehung von

Dolmetscher/innen seitens der Polizei gibt, diese Vorgehensweise jedoch aufgrund

persönlicher Präferenzen der Polizist/innen mit den jeweiligen Dolmetscher/innen

vernachlässigt wird. Darüber hinaus wird die Vermutung zu Grunde gelegt, dass

Laiendolmetscher/innen in erster Linie aufgrund ihrer Kostengünstigkeit und im Vergleich

zu ausgebildeten bzw. zertifizierten Dolmetscher/innen leichteren Erreichbarkeit

herangezogen werden.

Um das Thema in einen theoretischen Kontext einzubetten, wird zu Beginn das

Schlüsselkonzept des Community Interpreting vorgestellt. Im Zusammenhang damit

werden verschiedene Definitionen besprochen und daraufhin die Akteur/innen, die in

diesem Bereich tätig sind, näher beleuchtet werden. Des Weiteren werden das Konzept des

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natural translator (Harris 1976) sowie das Konzept des native translator (Toury 2012)

diskutiert werden. Danach wird explizit auf das Polizeidolmetschen eingegangen und

diskutiert werden, welche Besonderheiten dieser Teilbereich des Kommunaldolmetschens

aufweist. In diesem Unterkapitel soll auch auf die Problematik der Gleichsetzung von

Gerichtsdolmetschen und Polizeidolmetschen eingegangen werden.

Im zweiten Kapitel wird der thematische Fokus auf die österreichische Polizei gerichtet

werden. Neben einer Vorstellung der österreichischen Bundespolizei wird ein kurzer

Absatz den öffentlichen Statistiken des Bundesministeriums für Inneres zu Straftaten in

Österreich gewidmet werden, um aufzuzeigen, wie oft die Polizei mit ausländischen

Personen bzw. Straftäter/innen und somit auch mit der Tätigkeit von Dolmetscher/innen

konfrontiert wird. In einem weiteren Unterkapitel wird auf die rechtlichen Grundlagen

eingegangen, nachdem jedem Menschen das Recht auf eine/n Dolmetscher/in und ein

faires Verfahren zusteht. Alle diesbezüglichen Rechte werden in unterschiedlichen

Gesetzen festgehalten. Die Behandlung der gesetzlichen Grundlagen dient dazu, um

aufzuzeigen, dass mittels nicht qualifizierter bzw. erfahrener Dolmetscher/innen laut Berk-

Selingson (2009) die Rechte der Befragten nicht gewahrt werden können.

Daraufhin wird die polizeiliche Vernehmung mit Hilfe von Dolmetscher/innen erläutert.

Hierbei wird zunächst skizziert, wie eine einsprachige Vernehmung abläuft, um dann die

Unterschiede zur bilingualen Vernehmung aufzeigen zu können. Darüber hinaus wird in

einem weiteren Unterkapitel auf die Rekrutierung von Dolmetscher/innen auf Basis der

empirischen Studien zum Einsatz von Polizeidolmetscher/innen von Kadrić (2009) und

Stanek (2011) eingegangen werden.

Im dritten Kapitel wird explizit auf das Polizeidolmetschen eingegangen werden. In der

Literatur (vgl. etwa Stanek 2006; Sauerwein 2006) wird mehrfach darauf hingewiesen,

dass bei der Polizei sowohl professionelle Dolmetscher/innen als auch

Laiendolmetscher/innen zum Einsatz kommen. Deshalb soll dieses Kapitel aus zwei

Perspektiven beleuchtet werden: Einerseits, wie Translationswissenschaftler/innen die

Zusammenarbeit zwischen Profi- bzw. Laien-Dolmetscher/in und der Polizei sehen, und

andererseits, wo die jeweiligen Vor- und Nachteile liegen. Andererseits soll auch der

Standpunkt der Polizei aufgezeigt werden: Wie sehen Polizist/innen die Zusammenarbeit

mit Dolmetscher/innen und was ist ihnen im Rahmen der Kooperation wichtig?

Im Zuge dessen wird auch ein kurzer Abschnitt den Kompetenzen und Aufgaben eines

Polizeidolmetschers/einer Polizeidolmetscherin gewidmet werden. Die Kompetenzen und

Aufgaben werden anhand der Kriterien aus dem Handbuch Dolmetschen im Asylverfahren

7

(BMI 2006), die von Stanek (2012) in ihrem Beitrag „Der Polizeidolmetscher:

Übersetzungsmaschine oder Hilfspolizist“ auf die polizeiliche Ermittlungsarbeit übertragen

wurden, diskutiert werden.

Im vierten Kapitel werden zunächst die Forschungsfrage erneut aufgegriffen, das Ziel der

Untersuchung festgelegt und die Hypothesen dargelegt werden. Daraufhin wird die

verwendete Methodik (halbstandardisiertes Expert/innen-Interview mit Leitfaden,

Transkriptionsrichtlinien und qualitative Inhaltsanalyse) vorgestellt und ihre Verwendung

begründet werden. Im nächsten Unterkapitel wird die Herangehensweise erläutert, indem

auf die Kontaktaufnahme und die Interviewdurchführung eingegangen wird und die

Interviewpartner/innen vorgestellt werden. Abschließend werden die Interviews analysiert

und die Ergebnisse diskutiert.

Im Zuge der Recherche wurde festgestellt, dass es schwierig ist, eine klare Grenze

zwischen laienhafter und professioneller Dolmetschung bzw. den Charakteristika von

Laien- und Profidolmetscher/innen zu ziehen. Deshalb sollen in vorliegender Masterarbeit

jene Personen, die keine translationswissenschaftliche Ausbildung genossen haben, als

„Laien“ bezeichnet werden.

8

1 Forschungsfeld und zentrale Konzepte

In Österreich gab es bereits ab Mitte der 1980er Jahre das Problem der „mangelhaften

Verständigung zwischen Immigrant/innen und Institutionen“ (vgl. Ahamer 2013:103).

Damals wurde laut Fischer et al. (1995:192) erstmalig auf den Bedarf von

Dolmetscher/innen in diesem Bereich hingewiesen, obwohl dieses Forschungsfeld bis dato

noch keine Benennung gefunden hat. Dennoch war es nicht die Translationswissenschaft,

welche sich zuerst mit diesem Forschungsgebiet auseinandersetzte, sondern die

Sozialwissenschaften, unter die Fischer et al. auch die Linguistik subsumieren (ibid.).

Deshalb ist Community Interpreting noch ein junges Forschungsgebiet in der

Translationswissenschaft (vgl. Pöllabauer 2005:19). Obwohl es Community Interpreting

bereits seit einer geraumen Zeit gibt, wird dieses Tätigkeitsfeld erst seit Beginn der 1990er

Jahre in der Dolmetschwissenschaft erforscht (vgl. Pöllabauer 2002b:197). Unter dem

Begriff „Community Interpreting“ ist im Allgemeinen das Dolmetschen in alltäglichen

Situationen, das heißt im sozialen, juristischen und medizinischen Bereich, zu verstehen

(vgl. Roberts 1997:7). In Österreich hat sich die Bezeichnung Kommunaldolmetschen für

das Community Interpreting etabliert (vgl. Grbić/Pöllabauer 2008:3). Während sich in den

1980er Jahren hauptsächlich die Linguistik mit diesem Thema beschäftigte, ist dieser

Bereich heute in erster Linie für die Translationswissenschaft interessant. Dies spiegelt

sich auch im Anstieg der Publikationszahl zum Thema Community Interpreting wider (vgl.

Grbić/Pöllbauber 2008:10f.).

Schmidt-Glenewinkel (vgl. 2013:8) erläutert in ihrer Arbeit, dass dem Forschungsgebiet

des Kommunaldolmetschens seit der Jahrtausendwende große Aufmerksamkeit gewidmet

wird. Allerdings wird es im deutschsprachigen Raum noch immer vernachlässigt. Denn

obwohl seit den ersten Treffen und Konferenzen einige Forschungsnetzwerke und

Initiativen zu diesem Thema ins Leben gerufen wurden, blieb die Situation weitestgehend

unverändert. Der Dolmetschbedarf in öffentlichen Einrichtungen wird größtenteils noch

immer von Laiendolmetscher/innen gedeckt (ibid.).

Die vorliegende Masterarbeit beschäftigt sich mit dem Polizeidolmetschen, das zum

Bereich des Dolmetschens im juristischen Kontext zählt. Dieser Bereich wird, wie bereits

erwähnt, als Teilbereich des Kommunaldolmetschens gesehen (vgl. Pöllabauer 2005:19).

Aufgrund dessen wird im Folgenden das Konzept des Kommunaldolmetschens erläutert,

um in weiterer Folge eine Abgrenzung von Dolmetschhandlungen bei der Polizei

anzuschließen. Einleitend zum Thema wird auf die unterschiedlichen

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Definitionsmöglichkeiten und die Orte eingegangen, an welchen Dolmetscher/innen zum

Einsatz kommen. Daraufhin werden die Dolmetschenden näher beleuchtet. Abschließend

wird explizit auf den Dolmetschbereich der Polizei eingegangen.

1.1 Kommunaldolmetschen/Community Interpreting

In Österreich assoziiert man mit dem Begriff Dolmetschen meist den Beruf des

Konferenzdolmetschers/der Konferenzdolmetscherin. Das lässt sich laut Pöllabauer

(2000:181) vom Faktum ableiten, dass der Fokus im Ausbildungsbereich lange Zeit auf

dem Konferenzdolmetschen lag. Dadurch ist Community Interpreting, aber auch andere

Untergruppen des Dolmetschens, in der Ausbildung bis vor kurzem beinahe nicht existent.

Konferenzdolmetschen hat daher bereits einen hohen Grad an Professionalität erreicht

(ibid.) Deshalb ist es umso wichtiger, zu erwähnen, dass Community Interpreting die

älteste Dolmetschart der Welt ist (vgl. Roberts 1995:7). Laut Pöllabauer (2000:184) kann

das Community Interpreting als Stiefkind der Translationsswissenschaft bezeichnet

werden. Diese Sichtweise resultiert aus einer mangelnden adäquaten

Ausbildungsmöglichkeit, einem terminologischen Chaos, schlechten Arbeitsbedingungen

und auch mangelnder Anerkennung seitens der Berufskolleg/innen und Klient/innen (vgl.

Pöllabauer 2000:184). Ebenso trägt auch das Fehlen eines allgemein gültigen

Berufskodexes, in dem Richtlinien und Werte wie Unparteilichkeit, Neutralität etc.

festgehalten werden, zum niedrigen Grad der Professionalisierung bei (ibid.).

Sonja Pöllabauer konstatiert, dass Community Interpreting schwer zu definieren ist, da es

sich, abgesehen vom Konferenzdolmetschen, kaum von den üblichen Arbeitsfeldern der

Dolmetscher/innen abgrenzt. Des Weiteren zeigt Pöllabauer auf, dass sich in der Literatur

zahlreiche Definitionen finden, in welchen Community Interpreting inhaltlich

beispielsweise mit den Begriffen „Dialogue Interpreting“, „Public Service Interpreting“

oder „Cultural Interpreting“ gleichgesetzt wird (vgl. Pöllabauer 2002b:197; Roberts

1997:8; Wadensjö 2011:15). Roberts betont in diesem Zusammenhang auch, dass all diese

Termini etwas Gemeinsames haben, nämlich, dass diese Dolmetschform nicht im

Konferenzsetting angewandt wird (vgl. Roberts 1997:8). Im Folgenden sollen diese

unterschiedlichen Bezeichnungen diskutiert werden.

Die ersten Publikationen zum Forschungsthema erschienen in den 1990er Jahren

hauptsächlich in englischer Sprache, in welcher sich auch der Terminus Community

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Interpreting etabliert hat. Im deutschsprachigen Raum festigte sich die Bezeichnung

Kommunaldolmetschen (vgl. Pöchhacker 2000a:39). Pöllabauer (2002b:196f.) zeigt auch

auf, dass dieser Ausdruck eine Lehnübersetzung der englischen Bezeichnung Community

Interpreting ist. Sie konstatiert, dass die erste internationale Konferenz über das

Community Interpreting, die 1995 in Toronto stattfand, als Meilenstein in der Entwicklung

der diesbezüglichen Forschung anzusehen ist (vgl. Pöllabauer 2002a:286).

Der Terminus Community Interpreting wurde wahrscheinlich vom englischen „community

work“ abgeleitet, was bedeutet, dass unbezahlte Dolmetschleistungen von Laien verrichtet

werden (vgl. Pöllabauer 2002a:286). Pöllabauer (2002a:286) unterstreicht in ihrem

Beitrag, dass der Bereich des Community Interpreting von nicht-professionellen

Dolmetscher/innen dominiert wird und professionelle Dolmetscher/innen vermutlich noch

immer in der Minderzahl sind. Die Terminologie, die verwendet wird, um den Bereich des

Dolmetschens in alltäglichen Situationen zu benennen, änderte sich häufig, was eher zur

Verwirrung geführt hat, anstatt zu einer klaren Definition (vgl. Tipton/Furmanek 2016:2).

So wurden seit den 1980er Jahren folgende Bezeichnungen verwendet: ad hoc interpreting,

community interpreting, bilateral interpreting, public service interpreting, liaison

interpreting, dialogue interpreting, cultural interpreting, triad interpreting, u.a. (vgl.

Tipton/Furmanek 2016:3). Die beiden Autorinnen unterstreichen, dass das Benennen

dieser Konzepte nicht isoliert von bestimmten Kontexten erfolgen darf (vgl.

Tipton/Furmanek 2016:3).

Als erste Definitionsmöglichkeit für diesen Bereich soll Pöllabauer zitiert werden, da ihre

Definition im Vergleich als treffendste und deutlichste erscheint: Community Interpreter

sind sogenannte Helfer/innen für Menschen, deren Sprachkenntnisse des Gastlandes noch

nicht ausreichend sind. Deshalb „helfen sie zwei oder mehr Gesprächsparteien“, deren

Wissenshorizont unterschiedlich ist, zu kommunizieren (vgl. Pöllabauer 2002b:197).

Wie bereits erwähnt, hat sich in weiten Teilen der Translationswissenschaft die

Bezeichnung Community Interpreting durchgesetzt, dennoch bevorzugen andere

Translationswissenschaftler/innen diverse Termini, um diesen Bereich des Dolmetschens

im Alltag zu benennen. So ist für Wadensjö (1998) die Bezeichnung Dialogue Interpreting

treffender, da dieser den dialogischen Charakter beim Dolmetschen unterstreicht. Im

Einklang mit Wadensjö sind auch Tipton und Furmanek (2016) und meinen, dass der

Begriff Dialogue Interpreting die Aspekte des Respekts und der Gleichwertigkeit in der

Kommunikation beinhaltet und keinen bestimmten Bereich definiert (vgl.

Tipton/Furmanek 2016:6). Einer Untersuchung von Tipton und Furmanek (2016:6) zufolge

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waren 2015 die Bezeichnungen Public Service Interpreting und Community Interpreting

die am häufigsten verwendeten Termini für diesen Bereich. Welcher Terminus bevorzugt

wird, resultiert auch aus der Konnotation der unterschiedlichen Wörter. So hat

beispielsweise das Wort community in einigen Ländern eine negative Konnotation,

weshalb im Sprachgebrauch eher der Terminus Public Service Interpreting Verwendung

findet (vgl. Tipton/Furmanek 2016:5). Nach Apfelbaum ist das Community Interpreting

ein bilaterales Dolmetschen, das in vielen Bereichen zum Einsatz kommt, vor allem aber in

den Bereichen Medizin und Recht. Der medizinische Bereich schließt nach dieser

Definition das Dolmetschen im Krankenhaus, beim Arzt und in der Psychotherapie ein,

wohingegen der Bereich „Recht“ das Dolmetschen bei Gericht, bei der Polizei, im

Gefängnis, u.a. beinhaltet (vgl. Apfelbaum 2004:25).

Einen weiteren Versuch, dieses Forschungsfeld zu beleuchten, unternahmen

Jääskeläinen/Kujamäki/Mäkisalo (2011:144). Sie erörtern in ihrem Artikel Probleme der

Professionalisierung in der Translationswissenschaft das Phänomen der Non-Profit-

Translation, wie zum Beispiel freiwilliges Vermitteln bzw. Dolmetschen/Übersetzen.

Dieses Phänomen könnte zum Teil zum Community Interpreting gezählt oder damit

verglichen werden. Non-Profit-Translators können sowohl professionelle Translator/innen

als auch begeisterte Amateur/innen sein. Unabhängig von ihrem Hintergrund scheint ihre

Hauptmotivation aus sehr persönlichen Interessen zu resultieren, denn sie beschäftigen sich

mit Translation, um beispielsweise ihren Mitmenschen zu helfen (vgl.

Jääskeläinen/Kujamäki/Mäkisalo 2011:144). Knapp und Knapp-Potthoff (1985:450)

bevorzugen den Terminus Sprachmittlertätigkeit für das Community Interpreting.

Sprachmitteln bedeutet laut Knapp und Knapp-Potthoff, dass Gespräche ausschließlich in

face-to-face-Interaktionen stattfinden. Das Sprachmitteln ist im Gegensatz zum

Dolmetschen eine alltagspraktische, nicht professionelle Tätigkeit. Sprachmittler/innen

sind nicht nur ein Translationsmedium, sondern sie nehmen in der Situation eine aktive

Rolle ein und haben die Möglichkeit, in Situationen Informationen einzubringen, die zur

Klärung von Missverständnissen dienen und das Gespräch voranbringen. Das bedeutet,

dass der Sprachmittler nicht nur übermittelt, sondern auch vermittelt (vgl. Knapp/Knapp-

Potthoff 1985:451).

Meines Erachtens trifft der Versuch von Pöllabauer (2002), diesen Bereich zu definieren,

für diese Masterarbeit am ehesten zu. Und zwar, dass unter Community Interpreting das

Dolmetschen für Personen, „welche die Sprache des Gastlandes nicht oder nur

unzureichend verstehen und meist einer anderen Kultur als der sprachlichen Mehrheit des

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Gastlandes angehören“, verstanden wird. (vgl. Pöllabauer 2002a:287). Settings, in denen

Community Interpreting praktiziert wird, sind soziale und institutionelle Einrichtungen

(Schule, Polizeistation, Krankenhaus, Asylamt) (ibid.). Gentile (1997:112), der eigentlich

die Bezeichnung Liason Interpreting verwendet und darunter auch das Community

Interpreting subsumiert, stellt fest, dass es sich bei Community Interpreting nicht nur um

Dolmetschen in staatlichen Einrichtungen oder institutionellen Settings handelt, da

Dolmetscher/innen auch in Situationen wie Bankangelegenheiten, Informationsgesprächen

zu Schönheitsoperationen oder Austausch-Arbeitsprogrammen in Firmen erforderlich sein

können.

Im Großen und Ganzen lässt sich Folgendes festhalten: Wenn von Community Interpreting

die Rede ist, handelt es sich hauptsächlich um Dolmetschen im sozialen und kommunalen

Bereich (vgl. Pöllabauer 2003b:36). Charakteristisch hierfür ist, dass oft auf Hilfe von

Laiendolmetscher/innen zurückgegriffen wird, wobei zu bedenken ist, dass deren

sprachliche, kulturelle und soziale Kompetenzen meist lückenhaft sind. Nichtsdestotrotz

kann der Einsatz von Laiendolmetscher/innen auch legitim sein (vgl. Marics 2008:94).

Nach Pöchhacker (2004:23) ist das Laiendolmetschen die Urform des Dolmetschens, da

man sich seit jeher auf zweisprachige Personen ohne Dolmetscherausbildung gestützt hat.

Die Dolmetschwissenschaft konzentrierte sich einige Zeit auch auf die

Professionalisierung des Dolmetschberufes, denn sowohl Dolmetschen als auch

Übersetzen werden als Expert/innentätigkeit gesehen, bei welcher eine fachspezifische

Ausbildung vorauszusetzen ist (vgl. Pöchhacker 2000b:153). Neben der Bezeichnung

Laiendolmetscher/in sind aber noch andere Benennungen in Gebrauch. Harris und

Sherwood prägten 1978 den Begriff „natural translator“, Toury 1995 den Begriff „native

translator“, Knapp und Knapp-Potthoff 1985 den Begriff „Sprachmittler“ (vgl. Marics

2008:94f.). Harris und Sharewood nehmen mit ihrer Sichtweise, der natural translation,

eine Sonderstellung in der Translationswissenschaft ein (vgl. Pöchhacker 2000b:153), denn

sie sind der Meinung, dass Dolmetschen bzw. Sprachmitteln eine angeborene Fähigkeit

Zweisprachiger ist (vgl. Harris und Sherwood 1978:155). Auf die eben genannten Termini

für die Benennung von Laiendolmetscher/innen wird im folgenden Unterkapitel genauer

eingegangen.

13

1.2 Community Interpreting – Akteur/innen

Jääskeläinen/Kujamäki/Mäkisalo (2011:144) sind der Meinung, dass die immer stärkere

internationale Mobilität und die Zunahme an grenzüberschreitenden Kooperationen

mehrsprachige und kulturelle Kompetenzen erfordern, welche wiederum das Wesen von

Translationsprogrammen ausmachen. Durch die fortschreitende Globalisierung entsteht

eine immer größer werdende Nachfrage nach Übersetzungen und Dolmetschungen (ibid.).

Knapp und Knapp-Potthof (1987) konstatieren, dass für die Kommunikation zwischen

zwei unterschiedlichen Sprachkundigen solange eine dritte Partei mit beiderseitigen

Sprachkenntnissen erforderlich sein wird, solange es keine gemeinsame Sprache, eine

lingua franca, gibt.

In internationalen Konferenzen wird der Bedarf an Dolmetschungen von professionellen

Dolmetscher/innen gedeckt. In alltäglichen Situationen kann oder wird diese dritte Partei

auch durch bilinguale Personen vertreten (vgl. Knapp/Knapp-Potthof 1987:182). Einigen

Wissenschaftler/innen zufolge (vgl. Antonini 2015, Knapp-Potthoff 1987, Harris 1978,

Toury 2012) dominieren im Community Interpreting Laiendolmetscher/innen.

Laiendolmetschen, oder auch Non-Professional Interpreting genannt, meint laut Antonini

(2015:277) das Dolmetschen „performed by people who have had no formal training“.

Professionelle Dolmetscher/innen sind Jääskeläinen/Kujamäki/Mäkisalo (2011:146)

zufolge jene Personen, die sich das Leben mit Dolmetsch- bzw. Übersetzungstätigkeiten

finanzieren. Im Zusammenhang damit muss noch erwähnt werden, dass Antonini

(2015:277) zufolge Laiendolmetscher/innen für ihre Dolmetschtätigkeit oft nicht entlohnt

werden. Auch Jääskeläinen/Kujamäki/Mäkisalo (2011:145) konstatieren in ihrem Artikel

zur Professionalisierung des Dolmetschberufes, dass jemand, der Sprachkenntnisse in einer

Sprache hat, auch wenn sie nur gering sind, in der Lage ist zu dolmetschen und dafür nicht

bezahlt werden muss. Dolmetscher/innen sind jedoch nicht einfach „trans-coders“, die

Wort für Wort transferieren, sondern Überträger/innen der Bedeutung des Gesagten und

Kulturvermittler/innen (vgl. Jääskeläinen/Kujamäki/Mäkisalo 2011:145).

Dolmetscher/innen, die im Bereich des Kommunaldolmetschens zum Einsatz kommen,

sind oft auch deshalb nicht professionelle Dolmetscher/innen, da oft auch Sprachen zum

Einsatz kommen, die sich nicht im Lehrplan der Universitäten wiederfinden. Meist sind es

Personen, die die Aufgabe des Dolmetschers/der Dolmetscherin ad hoc übernehmen und

auch der gleichen ethnischen oder sprachlichen Minderheit angehören wie eine/r der

Gesprächsbeteiligten (vgl. Pöllabauer 2000:187). Vorrangig handelt es sich laut Pöllabauer

14

(2003a:21) sowie Dussaussois und Mosimann (1998:82) aber um Familienmitglieder oder

nahe Verwandte, Kinder, Bekannte, Freunde, zufällig Anwesende, organisiertes Hilfs- oder

Fachpersonal und inoffizielle Dolmetscher/innen aus der fremdsprachigen Gemeinde.

Demzufolge kann jede beliebige zweisprachige Person als Laiendolmetscher/in eingesetzt

werden (vgl. Martínez-Gómez 2015:417). Deshalb fungieren auch Personen, wie

beispielsweise zweisprachige Mitarbeiter/innen in Institutionen oder Behörden, als

Dolmetscher/innen (vgl. Martínez-Gómez 2015:417). Zu diesen Mitarbeiter/innen zählen

beispielsweise Sprechstundenhilfen, Reinigungskräfte usw. (vgl. Pöllabauer 2002b:200).

Es ist kein Geheimnis, dass fremdsprachiges Personal in Organisationen auch für

Dolmetscheinsätze herangezogen wird. Ebenso ist nicht auszuschließen, dass diese

Personen sogar eine Eignung für das Dolmetschen mitbringen. In diesem Zusammenhang

erscheint es umso wichtiger, das Personal auf derartige Aufgaben vorzubereiten und zu

schulen (vgl. Dussaussois/Mosimann 1998:85).

Wie eben angesprochen, greifen Organisationen bei Bedarf auch auf Personen aus einer

fremdsprachigen Gemeinschaft bzw. auf inoffizielle Dolmetscher/innen zurück.

Grundsätzlich ist bei dieser Personengruppe fragwürdig, ob der/die eingesetzte

Dolmetscher/in aufgrund ihrer ethnischen oder politischen Zugehörigkeit nicht auch andere

Absichten verfolgt. Natürlich könnte man diese Frage auch in Bezug auf professionelle

Dolmetscher/innen stellen, nachdem diese aber meist einem Berufsverband angehören,

kann man sie für nicht zweckdienliche Absichten belangen (vgl. Dussaussois/Mosimann

1998:86).

In einigen Settings werden auch freiwillig engagierte Personen von karitativen

Einrichtungen als Dolmetscher/innen eingesetzt (vgl. Martínez-Gómez 2015:417).

Vollständigkeitshalber soll noch eine weitere Gruppe, und zwar Kinder als

Laiendolmetscher/innen, erwähnt werden. Kinder möchten, laut Harris und Sherwood

(1978), ihren Familienmitgliedern helfen und dolmetschen dadurch in verschiedenen

Situationen. Viele Translationswissenschaftler/innen jedoch finden Situationen, in denen

Kinder als Dolmetscher/in fungieren, problematisch. Da Kinder im Bereich des

Polizeidolmetschens nicht herangezogen werden, soll im Weiteren auch nicht näher darauf

eingegangen werden. Wie bereits erwähnt, kommen in den meisten Settings – also

Krankenhaus, Polizei, Behörden, Schule usw. – Laiendolmetscher/innen zum Einsatz.

Obwohl die Beiziehung Letzterer nicht immer vorteilhaft ist, impliziert eine mangelnde

Ausbildung nicht immer eine schlechte Dolmetschung. Zwar haben diese Personen keine

translatorische Ausbildung genossen, verfügen aber dennoch über Fachkenntnisse in ihrem

15

Bereich (vgl. Antonini/Bucaria 2015:9).

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Kommunaldolmetscher/innen für

Asylwerber/innen, Migrant/innen oder Flüchtlinge, also für Personen, welche im Gastland

oft mit Vorurteilen konfrontiert werden und nur geringes Ansehen genießen, dolmetschen.

Aber auch Behörden, Polizei oder andere öffentliche Institutionen setzen im Rahmen der

Kommunikation mit fremdsprachigen Klient/innen oft Kommunaldolmetscher/innen ein

(vgl. Pöllabauer 2002a:287).

Um die Perspektive der Laiendolmetscher/innen zu verdeutlichen, wird in den folgenden

Unterkapiteln näher auf die Konzepte der Natural und Native Translation eingegangen, da

sie meines Erachtens den ersten Versuch darstellen, dieses Phänomen zu benennen, und

somit als Basis der Erforschung des Laiendolmetschens gelten. Wie bereits erwähnt, sollen

im Rahmen dieser Masterarbeit all jene Personen als „Laien“ bezeichnet werden, die keine

translationswissenschaftliche und translatorische Ausbildung genossen haben.

1.2.1 Wer dolmetscht? Konzept der Natural Translation

Einer der wichtigsten Wissenschaftler, der sich im Rahmen seiner Forschungen dem

Thema des Laiendolmetschens widmete, ist Brian Harris. Er prägte den Terminus natural

translation, der heute als Fundament für das Laiendolmetschen in der

Translationswissenschaft gesehen wird. Harris versteht unter diesem Begriff Übersetzen

und Dolmetschen „done by bilinguals in everyday circumstances and without a special

training for it“ (vgl. Harris/Sherwood 1978:155). Er führt diese Definition noch weiter aus,

indem er konstatiert, dass Bilinguale intuitiv und spontan dolmetschen (vgl. Harris 2010).

Aus dieser Definition lässt sich schließen, dass in alltäglichen Situationen gedolmetscht

wird, was eine der Haupteigenschaften des Community Interpreting ist. Harris konstatiert,

dass zweisprachige Personen automatisch in der Lage sind, zu dolmetschen. Er sieht

Zweisprachigkeit in drei Kompetenzen aufgeteilt: beide verwendeten Sprachen sind je eine

Kompetenz und die dritte, die er als natural translation bezeichnet, ist die Kompetenz,

zwischen diesen Sprachen zu dolmetschen (vgl. Harris 1976:99). Da diese laut Harris eine

angeborene Fähigkeit darstellen, ist er der Meinung, dass bilinguale Personen durch

gezieltes Training ihre Dolmetschkompetenz ausbauen und verbessern können (ibid.:100).

16

Doch Álvarez de la Fuente und Fernández Fuertes (2012:38) sind der Meinung, dass diese

Kompetenz nicht immer zu einer professionellen Fähigkeit weiterentwickelt werden kann.

Harris hat, um den Begriff Natural Translator zu definieren, zweisprachig aufgewachsene

Kinder beobachtet. Dabei stellte sich heraus, dass diese Kinder für ihre Familienmitglieder

als Dolmetscher/innen tätig werden, obwohl ihnen diese Fertigkeit nicht beigebracht wurde

(vgl. Harris 1978:417f.). In weiteren Studien mit Kindern zeigten Harris und Sherwood

(1978:155), dass diese Kompetenz natürlich bzw. angeboren ist, da die untersuchten

Kinder nicht nur sprachlich, sondern auch kulturell vermitteln konnten. Die beiden

Wissenschaftler/innen erklären dieses Phänomen damit, dass die beobachteten Kinder

einzelne Sätze oder Wörter für ihre Familienmitglieder gedolmetscht und die Bedeutungen

gleichzeitig in den sozialen bzw. kulturellen Kontext eingebettet haben, ohne eine

Anweisung zum Sprachmitteln erhalten zu haben (vgl. Harris und Sherwood 1978:168).

Harris ist der Meinung, dass zweisprachige Kinder neben der Dolmetschkompetenz auch

über die Kompetenz der „Conservation of Meaning Across Languages“ (vgl. Harris

1978:420) verfügen. Das bedeutet, dass Kinder aufgrund des thematischen Inhalts

angesichts einzelner Wörter beurteilen können, ob es zwischen den von ihnen

gesprochenen Sprachen Bedeutungsparallelen gibt (ibid.).

Harris und Sherwood haben in deren Studie auch herausgefunden, dass das Alter des

Kindes in Bezug auf die Dolmetschkompetenz eine Rolle spielt. Die Autor/innen fanden

außerdem heraus, dass die untersuchten Kinder im frühen Alter nur für die Familie

dolmetschten und im späteren Alter auch außerhalb der Familie als Dolmetscher/innen

fungierten. Die Beweggründe dazu waren für die Kinder in erster Linie der Spaß und

später dann auch die Notwendigkeit, der Familie zu helfen (vgl. Harris/Sherwood

1978:168f.)

Einige Translationswissenschaftler/innen haben den Begriff der Natural Translation

aufgegriffen und erweitert oder auch kritisiert. Munoz Martin (2011:45) ist beispielsweise

der Meinung, dass nicht alle bilingual aufgewachsenen Personen von Geburt an die

Fähigkeit zu dolmetschen besitzen. Er hält aber fest, dass zweisprachige Personen

theoretisch die Fähigkeit besitzen, zu dolmetschen (Munoz Martin 2011:52), da sie diese

Fähigkeit durch ihren Willen, der Familie zu helfen, erlernen und somit auch ihre

Dolmetschkompetenz entwickeln (Munoz Martin 2011:47). Eine weitere

Wissenschaftlerin, die sich mit dem Konzept von Harris auseinandersetzte, kritisiert seinen

Standpunkt, laut welchem das Dolmetschen in Wirtschaft und Konferenzen lediglich von

professionellen und ausgebildeten Dolmetscher/innen ausgeführt werden kann,

17

wohingegen Natural Translators, oder auch Laindolmetscher/innen genannt, nur im

kommunalen Setting dolmetschen (vgl. Bahadır 2010:26). Nach Bahadır (2010:26) wirft

dies ein eher negatives Licht auf die Natural Translators und somit auch auf das

Kommunaldolmetschen. Des Weiteren meint Bahadir, dass es in Harris’ Konzept an

situativen und gesellschaftlichen Kontexten fehle, in welchen zweisprachige Personen

eingebettet sind (vgl. Bahadır 2010:28). Diese fehlende Komponente wurde später in

Toury’s Konzept des Native Translators (1984) miteinbezogen.

Laut Ahamer (2013:145) kann der Ansatz der Natural Translation von Harris und

Sherwood als Grundlage für das Laiendolmetschen in der Translationswissenschaft

gesehen werden, da sie meinen, dass Translation etwas vollkommen Natürliches und

bilingualen Kindern angeboren ist (vgl. Harris/Sherwood 1978:155). Ahamer (2013:145)

bezieht sich in ihrem Werk jedoch auf den Gedanken von Toury und meint, dass

Bilingualismus zwar eine unabdingbare, aber nicht ausreichende Bedingung für die

Translationskompetenz darstellt. Toury (2012) reagierte auf den von Harris und Sherwood

erforschten Ansatz mit seinem Konzept der Native Translation, auf das im Folgenden

näher eingegangen werden soll.

1.2.2 Wer dolmetscht? Konzept der Native Translation

Ein weiterer Wissenschaftler, der sich – wie bereits angemerkt – kritisch zum Konzept von

Harris äußert, ist Gideon Toury. Er meint, dass die Dolmetschkompetenz nichts

Geschenktes ist, sondern dass man sich diese verdienen muss (vgl. Toury 2012:277f.). Die

Frage, wie sich die Dolmetschfähigkeit äußert und entwickelt, werden in Harris’ Konzept

nicht beantwortet. Deshalb schlägt Toury das alternative Konzept des Native Translators

vor. Toury konstatiert, dass Personen die Rolle des Dolmetschers/der Dolmetscherin

einnehmen, „who [have] gradually grown into that cultural role, with no formal training for

it“ (vgl. Toury 2012:278).

Im Unterschied zu Harris meint Toury, dass die Dolmetschfähigkeit keine natürliche oder

angeborene Kompetenz darstellt, sondern dass man in diese Fähigkeit hineinwächst und

die Entwicklung dieser Kompetenz durch die soziokulturelle Umgebung begünstigt wird

(vgl. Toury 2012:278). Toury meint aber auch, dass Bilinguale sehr wohl prädisponiert für

die Tätigkeit eines Dolmetschers/einer Dolmetscherin sind. Die Fähigkeit zu dieser

Tätigkeit hängt aber vielmehr davon ab, ob diejenige Person über die Kompetenz verfügt,

Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Sprachen zu erkennen, um dann auch

18

Verbindungen herstellen zu können (vgl. Toury 1984:189). Diese Fähigkeit nennt Toury

interlingualism und zieht den Terminus sogar als Überbegriff der Zweisprachigkeit heran.

Obwohl die beiden erwähnten Kompetenzen laut Toury angeboren sind, konstatiert er, dass

diese keine Garantie für die Entwicklung der Dolmetschkompetenz sind (vgl. Toury

1984:189). Denn Toury zufolge bedarf es bei dieser Fähigkeit noch anderer

Voraussetzungen (ibid.:189f.). Als eine der Grundlagen sieht Toury den soziokulturellen

Kontext, in den Native Translators integriert sind und welchem Harris in seinem Konzept

keine Aufmerksamkeit schenkt. In diesem soziokulturellen Kontext gibt es

unterschiedliche Erwartungen, die vorgeben, unter welchen Bedingungen das Dolmetschen

in realen Situationen stattfindet (vgl. Toury 2012:279f.).

Einen zusätzlichen wichtigen Punkt bei der Entwicklung der Dolmetschkomptenz stellen

die soziale Motivation und die soziale Funktion des Dolmetschens dar (vgl. Toury

2012:283). Wie bereits erwähnt, haben Harris und Shewood (1978:168f.) herausgefunden,

dass Kinder im frühen Alter aus Spaß dolmetschen und später eher, um ihrer Familie zu

helfen. Toury empfindet es aufgrund dieses Ergebnisses als wichtig, diesen bilingualen

Personen Feedback zu ihrer Tätigkeit zu geben, damit deren soziale Motivation nicht

verloren geht (vgl. Toury 2012:284). Neben dem Feedback von außen ist aber auch das

eigene Empfinden wichtig, um die persönlichen Dolmetschstrategien reflektieren zu

können (ibid.:285). Durch die Rückmeldungen befinden sich Native Translators in einem

Sozialisierungsprozess, durch welchen sie Routine und Strategien in Bezug auf die

Dolmetschtätigkeit entwickeln (ibid.:285ff.). Der soziokulturelle Kontext sowie die

zeitlichen und räumlichen Faktoren beeinflussen diesen Sozialisierungsprozess. Toury

unterstreicht mit dieser Erkenntnis die Wichtigkeit der soziokulturellen Zusammenhänge

und schließt somit in seinen Augen die Lücke in Harris’ und Sherwoods Konzept.

Summa summarum kann gesagt werden, dass Harris Dolmetschen als eine bei

zweisprachigen Personen angeborene Fertigkeit ansieht, während laut Toury Dolmetschen

eine Fertigkeit ist, die durch Sozialisierung und Hineinwachsen in die Kultur bzw.

Gesellschaft erworben wird. Harris erkennt die Wichtigkeit dieser von Toury aufgezeigten

Aspekte und baut sie schließlich in sein Denken über das Dolmetschen und die

Zweisprachigkeit ein (siehe Abb1.).

19

Abbildung 1: The Progression from Natural to Expert Translator (Harris 2010)

Harris beschreibt in seinem überarbeiteten Konzept Tourys Native Translator als eine

Zwischenstufe zwischen Natural und Expert Translator. Die Fähigkeiten und Kompetenzen

des Expert Translators werden durch formales Training erweitert. Für Harris liegt der

Unterschied zwischen Natural und Native Translators darin, dass Natural Translators

bilinguale Personen sind, die keine Ausbildung oder spezifische Anleitung für das

Dolmetschen und Übersetzen haben und dies daher intuitiv und spontan tun. Der Native

Translator ist hingegen bereits beeinflusst worden, indem er von anderen Personen etwas

gelernt und auch ein wenig Erfahrung erworben hat. Aufgrund der unterschiedlichen

Erfahrungen und der Dauer der Tätigkeit ist es laut Harris notwendig, bezüglich des

Begriffs Natural Translator zwischen dem Beginner Native Translator und dem Advanced

Native Translator zu unterscheiden (vgl. Harris 2010).

Die Konzepte von Harris und Toury haben eines gemeinsam, und zwar, dass in beiden

Konzepten Personen gemeint sind, die bilingual aufgewachsen sind und die die Fähigkeit

des Dolmetschens nicht durch eine facheinschlägige Ausbildung erworben haben. Im

Kontext dieser Masterarbeit werden diese Personen als Laiendolmetscher/innen

bezeichnet.

Vollständigkeitshalber soll noch eine weitere Bezeichnung für das Laiendolmetschen oder

Non-Professional Interpreting genannt werden, und zwar der Terminus Sprachmitteln, der

von Knapp und Knapp-Potthoff (vgl. 1985) geprägt und bereits erwähnt wurde. Mit diesem

Begriff beschreiben die beiden Wissenschaftler/innen jene Tätigkeit, bei der etwas

20

Gesagtes mündlich von einer Sprache in die andere übertragen wird. Sie gehen davon aus,

dass das Sprachmitteln immer in sogenannten alltäglichen und dialogischen „face-to-face-

Interaktionen“ stattfindet (vgl. Knapp/Knapp-Potthoff 1985:451). Neben dem Dolmetschen

bzw. Sprachmitteln übernehmen diese Personen eine aktive Rolle in der jeweiligen

Dolmetschsituation, indem sie beispielsweise Missverständnisse durch Erklärungen oder

Ergänzungen klären bzw. vermeiden (ibid.). Den Autor/innen zufolge ist ein/e

Sprachmittler/in ein „quasi-technisches Translationsmedium“, da er/sie im Unterschied

zum Dolmetscher/zur Dolmetscherin nicht nur sprachliche Botschaften übermittelt (ibid.).

Da der Einsatz von Laiendolmetscher/innen in der Translationswissenschaft umstritten ist,

soll im Folgenden auf die Probleme und Herausforderungen eingegangen werden, die

damit in Zusammenhang stehen.

1.2.3 Herausforderungen für Laiendolmetscher/innen und Probleme

der Heranziehung

Der Einsatz von Laiendolmetscher/innen bringt Vor- und Nachteile mit sich. Als Vorteil

kann gewertet werden, dass sich Ratsuchende in einem Gespräch, das sie nicht verstehen,

aufgrund der Anwesenheit eines Familienmitgliedes, eines/einer Verwandten oder

Bekannte/n nicht alleingelassen fühlen. Auf der anderen Seite kann die Anwesenheit

nahestehender Personen den/die Ratsuchende/n auch hemmen, da es den Betroffenen oft

peinlich ist, vor ihnen über gewisse Themen (z.B. Krankheit, Schulden) zu sprechen. Ein

wesentlicher Nachteil beim Einsatz von Laiendolmetscher/innen ist, dass sie meist

unvorbereitet in das Gespräch gehen und ihnen somit auch der Wortschatz, um

Fachausdrücke und komplexe Sachverhalte übertragen zu können, fehlt (vgl.

Dussaussois/Mosimann 1998:83f.).

Shackman (1988:14 zit. nach Dussaussois/Mosimann 1998:85) stellt den Einsatz von

Laiendolmetscher/innen in Frage und meint dazu Folgendes: „[You] wouldn´t be happy to

give you an amateur doctor or nurse if you were ill. So why an amateur interpreter? It´s

just the same.“

An den/die Dolmetscher/in werden unterschiedliche Erwartungen seitens der

Gesprächsparteien gestellt, wodurch das Gespräch beeinflusst werden kann. Durch die

unterschiedlichen kulturellen Wertesysteme soll er/sie kulturelle Barrieren aufklären und

erklären können (vgl. Pöllabauer 2000:187). Auf die Frage, warum

21

Laiendolmetscher/innen im Bereich Community Interpreting eine so große Rolle spielen,

gibt es unterschiedliche Antworten. Einerseits spricht der Kostenfaktor dafür, da diese

Dolmetscher/innen für ihre Tätigkeit aufgrund ihrer mangelnden Ausbildung nicht entlohnt

werden (vgl. Martínez-Gómez 2015:417, Marics 2006:104) oder auch zu sehr niedrigen

Tarifen arbeiten (vgl. Prunč 2010:268). Des Weiteren existiert gesellschaftlich gesehen das

weitverbreitete Vorurteil, dass Dolmetschen etwas sehr Simples sei und dass jeder, der

zwei Sprachen beherrscht, dolmetschen könne (vgl. Prunč 2010:273). Deshalb fehlt oft das

Verständnis für die Wichtigkeit der Rolle der Dolmetscher/innen und die tatsächliche

Komplexität der Tätigkeit (vgl. Ozolins/Hale 2009:3).

Einer der Hintergründe dieser Tatsache ist, wie bereits erwähnt, dass es kaum ausgebildete

Dolmetscher/innen für Migrant/innensprachen gibt. Deshalb ist diese Personengruppe auf

andere Hilfestellungen angewiesen, worunter sich eben auch Laiendolmetscher/innen

befinden (vgl. Dussaussois/Mosimann 1998:82). Ein weiterer Grund für die Heranziehung

von Laiendolmetscher/innen ist die schlechte Verfügbarkeit von ausgebildeten

Dolmetscher/innen (vgl. Pöllabauer 2002b:199). Andererseits werden

Laiendolmetscher/innen oftmals als Notlösung angesehen oder es wird ganz auf sie

verzichtet (ibid.:200). In Fällen, in denen keinen Dolmetscher/innen für seltenere Sprachen

zur Verfügung stehen, werden auch Dolmetscher/innen für weit verbreitete Sprachen als

Kommunikationsbrücke herangezogen (vgl. Prunč 2011:29). Ein weiterer Grund, weshalb

Laiendolmetscher/innen herangezogen werden, ist auch der Aspekt des Vertrauens. Wenn

zwischen Dolmetscher/in und Auftraggeber/in bereits Vertrauen aufgebaut wurde, kann

das durchaus ausschlaggebend für die Entscheidung zur Heranziehung des

Dolmetschers/der Dolmetscherin sein (vgl. Martínez-Gómez 2015:417).

Der Einsatz von unausgebildeten Dolmetscher/innen kann, wie bereits erwähnt, in

mehrerlei Hinsicht problembehaftet sein. Einerseits können durch die mangelnde

Sprachkenntnis fehlerhafte Inhalte weitergegeben werden. Andererseits ist es für

unausgebildete Dolmetscher/innen schwer, das Essenzielle aus dem Gesagten zu

exzerpieren, wodurch möglicherweise Wichtiges weggelassen oder Neues hinzugefügt

wird. Unausgebildeten Dolmetscher/innen ist eventuell auch nicht bewusst, dass sie mit

den Informationen vertraulich umgehen und persönliche Meinungen außen weglassen

müssen.

Darüber hinaus sind sich Laiendolmetscher/innen in vielen Fällen nicht über die

Wichtigkeit der Beachtung von sozio-kulturellen Gegebenheiten bewusst. So ist es

22

beispielsweise nicht empfehlenswert, bei der Dolmetschung für einen älteren Muslim eine

junge Frau als Dolmetscherin heranzuziehen (vgl. Dussaussois/Mosimann 1998:86f.).

Der Einsatz von Laiendolmetscher/innen kann, insbesondere beim Dolmetschen im

rechtlichen Kontext, auch schwerwiegende Folgen mit sich bringen. Zwar ist dieser

Bereich professionalisiert und gesetzlich abgesichert, jedoch werden in Österreich

aufgrund mangelnder einschlägiger Kodifizierungen immer wieder

Laiendolmetscher/innen eingesetzt (vgl. Marics 2008:96; Pöchhacker 2000a:136).

Marics (2008:122) stellt in ihrer Studie allerdings fest, dass Laiendolmetscher/innen nicht

unbedingt eine schlechte Wahl sind. Die Heranziehung von Laiendolmetscher/innen sollte

sich jedoch lediglich auf weniger förmliche Situationen beziehen. Durch den Einsatz von

Laiendolmetscher/innen kann nicht nur ein vertrauteres Umfeld geschaffen werden,

sondern es können gleichzeitig auch Kosten gespart werden. In komplexeren Situationen

sei aber geraten, professionelle Dolmetscher/innen beizuziehen (ibid.:123). Auch Jekat

(2004:52) spricht in ihrem Artikel von den Unterschieden zwischen professionellen und

untrainierten Dolmetscher/innen. Sie meint, dass in Alltagsgesprächen häufig

Dolmetscher/innen zum Einsatz kommen, die keine translatorische Ausbildung genossen

haben (vgl. Jekat 2004:52). Sie untersuchte Übertragungsmuster von professionellen und

untrainierten Gesprächsdolmetscher/innen und kam zum Ergebnis, dass sowohl

professionelle Dolmetscher/innen als auch untrainierte Zweisprachige dieselben

Übertragungsmuster aufweisen (vgl. Jekat 2004:55). Pöllabauer (2000) ist in ihrem Beitrag

„Nema problema, alles paletti ...? Community Interpreting aus der Sicht von NGOs“ unter

anderem der Frage nach wichtigen persönlichen Eigenschaften von Dolmetscher/innen

nachgegangen. Im Rahmen ihrer Studie ist sie auf folgendes Ergebnis gestoßen: Zu den

wichtigsten Eigenschaften von Dolmetscher/innen zählen Kontaktfreudigkeit, gewandter

Umgang mit Behörden, Interesse für fremde Länder und Kulturen sowie

Vertrauenswürdigkeit. An dritter und vierter Stelle stehen Eigenschaften wie

ausländerfreundlich, große Allgemeinbildung und ein umfassendes Kulturwissen.

Fachwissen, Dolmetschtechnik und Dolmetschausbildung werden unter den Befragten

nicht sehr hoch gewertet. Daraus ist ersichtlich, dass die soziale und kommunikative

Komponente eine wesentlich größere Rolle spielen als die fachlichen bzw. sprachlichen

Kompetenzen (vgl. Pöllabauer 2000:202). Nichtsdestotrotz sollten Dolmetscher/innen,

seien es Konferenzdolmetscher/innen, Gerichtsdolmetscher/innen oder Community

Interperter, über ein „Grundrepertoire an Kompetenzen“ verfügen (vgl. Pöllabauer

2002a:293). Zu diesen Kompetenzen zählen Sprach- und Kulturkompetenz in Ausgangs-

23

und Zielsprache, Vertrautheit mit der Terminologie des Fachbereiches, Transferkompetenz

und Recherchekompetenz. Für Community Interpreter kommen noch zusätzliche

außersprachliche und kulturelle Faktoren hinzu, wie zum Beispiel in emotional belastenden

Situationen zu dolmetschen, in unterschiedlichen Registern zu dolmetschen, sowie der

Umgang mit traumatisierten Klient/innen (vgl. Pöllabauer 2002a:293). Im Bereich des

Community Interpreting ist es daher laut Pöllabauer (2000:200) essenziell, dass

Dolmetscher/innen sowohl sprach- als auch kulturkundliche Kompetenzen besitzen, denn

Urteile oder Diagnosen, die auf mangelnden Sprachkenntnissen oder sprachlichen

Missverständnissen beruhen, können für den/die Auftraggeber/in gravierende Folgen

haben.

Bahadır (2000:211) schreibt, dass die Professionalisierung des Berufes Dolmetscher/in

und/oder Übersetzer/in nur schleppend vorangeht. Das Dolmetschen war jahrzehntelang

als Sache der Migrant/innen bezeichnet worden. Diese Sichtweise besteht auch heute noch,

denn in vielen Kreisen gilt es als selbstverständlich, dass Familienmitglieder oder

Bekannte als natürliche bikulturelle Dolmetscher/innen eingesetzt werden. Für viele ist es

auch von Vorteil, wenn der/die Betroffene seine/ihre Kommunikationskrücken mitbringt,

da dadurch der/die Dolmetscher/in nicht als Profi angesehen werden muss (vgl. Bahadır

2000:212).

Auch im rechtlichen Bereich, der bereits einen gewissen Grad an Professionalisierung

erreicht hat, werden Personen als ad-hoc Dolmetscher/innen vereidigt, obwohl sie keine

translatorische Ausbildung genossen haben (vgl. Prunč 2010:268). Nach Bahadır

(2000:212) befindet sich der deutschsprachige Raum in einer „präprofessionellen Phase

des Dolmetschens“. Da nun der Bereich des Community Interpreting umfassend diskutiert

wurde, soll im Folgenden auf das Handlungsfeld des Polizeidolmetschens eingegangen

werden, das eine Subkategorie bildet.

1.3 Charakteristika und Herausforderungen des Polizeidolmetschens

Seit den 1960er Jahren sind Strafverfolgungsbehörden vermehrt mit der Thematik der

mehrsprachigen Strafverfolgung konfrontiert (vgl. Hofer/General 2012:123), was unter

anderem bedeutet, dass Polizeibeamt/innen bei Vernehmungen zunehmend

Dolmetscher/innen beiziehen mussten (vgl. Perez/Wilson 2007:79). Aufgrund der

fortschreitenden Globalisierung und dem damit in Zusammenhang stehenden erhöhten

Migrationsaufkommen sind der Rechtsbereich bzw. die Ermittlungsbehörden auf

24

qualifizierte Dolmetscher/innen angewiesen, jedoch ist dieser Bereich noch immer eine

Grauzone, in der in erster Linie unqualifizierte Dolmetscher/innen eingesetzt werden (vgl.

Stanek 2011a:11). Das Polizeidolmetschen hat in der Translationswissenschaft laut Böser

(2013:114) im Gegensatz zum Gerichtsdolmetschen bislang wenig wissenschaftliche

Aufmerksamkeit erhalten. Diese Meinung teilen auch Hale und Stanek. Hale (2007:90)

konstatiert, dass dieses Ungleichgewicht wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass

das Setting im Gerichtssaal mit seinen vielen Regeln, traditionellen Prozeduren und

Protokollen ein viel interessanteres Forschungsobjekt ausmacht. Stanek (2011b:75) fügt

zudem noch hinzu, dass die wenigen Forschungsarbeiten nicht genügen, um von einer

soliden Grundlagenforschung sprechen zu können. Im Folgenden sollen nun die

Charakteristiken des Polizeidolmetschens besprochen werden.

1.3.1 Charakteristika

Der Großteil der wissenschaftlichen Literatur zum Dolmetschen im rechtlichen Kontext

bezieht sich auf das Gericht und eher weniger auf das polizeiliche Setting (vgl.

Perez/Wilson 2007:79). Zwar gibt es einige wissenschaftliche Arbeiten zur

Polizeidolmetschpraxis, jedoch werden diese anderen Disziplinen zugeordnet, wodurch

auch der Aspekt des Dolmetschens weitgehend unberücksichtigt bleibt. Ein weiterer

Beweis für den gering ausgeprägten Forschungsstand sind die vereinzelt vorhandenen

Erfahrungsberichte von professionellen Dolmetscher/innen oder Behördenvertreter/innen,

welche ohne wissenschaftlichen Bezug verfasst wurden. Nichtsdestotrotz haben all diese

Beiträge laut Stanek (2011b:10) eines gemeinsam: Alle versuchen, auf die Problematik des

Einsatzes unqualifizierter Dolmetscher/innen hinzuweisen und darzulegen, dass klar

festgelegte Standards und eine Abgrenzung der Rolle des Dolmetschers/der Dolmetscherin

bereits längst zwingend nötig sind (ibid.).

In translationswissenschaftlichen Arbeiten liegt der Forschungsschwerpunkt meist auf dem

Gerichtsdolmetschen. Dolmetscher/innen werden aber bereits vor dem Gerichtsverfahren,

zum Beispiel während des Ermittlungsverfahrens, herangezogen. Laut

Translationswissenschaft und Dolmetschverbänden gehört der Bereich des

Polizeidolmetschens zum Einsatzfeld der zertifizierten Gerichtsdolmetscher/innen (vgl.

Stanek 2011a:38, ÖVGD 2018). Auch Pöchhacker zufolge kann das Dolmetschen bei

Gericht und Polizei als eine Einheit betrachtet werden (vgl. Pöchhacker 1997:218).

Nichtsdestotrotz sollen diese Tätigkeitsfelder als Einsatzort der

25

Kommunaldolmetscher/innen gesehen werden, da das Gerichtsdolmetschen ein Teilbereich

des Forschungsfeldes des Community Interpreting ist.

Stanek (2011b:76) konstatiert in ihrem Beitrag, dass die Situation des Polizeidolmetschens

von mangelnden qualitätssichernden Anforderungskriterien und gesetzlichen Regelungen

an Dolmetscher/innen und Übersetzer/innen geprägt ist. Die meisten österreichischen

Gesetze und Regelungen schreiben zwar eine Beiziehung von Dolmetscher/innen für

ausländische und der deutschen Sprache unkundige Personen vor, jedoch nicht die

Hinzuziehung eines/einer hinreichend qualifizierten Dolmetschers/Dolmetscherin (ibid.).

Dieses Phänomen des Einsatzes von unqualifizierten Dolmetscher/innen bestätigen

einzelne wissenschaftliche Studien. Während praktizierende Dolmetscher/innen die

Auswahl von Polizeidolmetscher/innen bemängeln, stellen Polizeibeamt/innen fest, dass

beeidigte Dolmetscher/innen nicht zwingend bessere Dolmetscher/innen sind, weshalb die

Dolmetscher/innen nach eigenen Kriterien ausgewählt werden (ibid.).

Pöchhacker (1997:218) weist darauf hin, dass bei der österreichischen Bundespolizei eine

gesonderte Liste von 500 Dolmetscher/innen vorliegt, die bei Einsätzen herangezogen

werden. Ob diese Listen noch immer Bestand haben, wird im empirischen Teil dieser

Masterarbeit diskutiert. Im Rahmen der StPO1 wurde auch gesetzlich verankert, dass bei

Gericht und bei der Polizei vor allem Personen zu bestellen sind, die in die

Gerichtsdolmetscherliste2 eingetragen sind (vgl. StPO 1975). Zwar sollen gemäß StPO, die

als gesetzliche Grundlage zur Heranziehung von Dolemtscher/innen dient, „vor allem“

Personen, die in eine Dolmetscher/innenliste eingetragen sind, als

Polizeidolmetscher/innen eingesetzt werden (vgl. Ahamer 2013:112), jedoch lässt diese

Formulierung der Polizei freie Hand bei der Auswahl von Dolmetscher/innen (vgl.

ibid.:113).

Ahamer (ibid.) ist der Meinung, dass eine Professionalisierung im Bereich des

Polizeidolmetschens unabdingbar ist. Erst wenn eine bestimmte Ausbildung als

Voraussetzung für die Ausübung einer Tätigkeit gilt, kann dazu eine gesetzliche Grundlage

formuliert werden, die dann den Einsatz von unqualifizierten Bilingualen im Rechtsbereich

ausschließt.

Der/Die beeidete und zertifizierte Gerichtsdolmetscher/in steht speziell für Gerichte und

Behörden – das heißt, auch für die Polizei – zur Verfügung und muss spezifische

1 StPO – Strafprozessordnung 2 Die Gerichtsdolmetscherliste ist eine Liste von beeideten und zertifizierten Gerichtsdolmetscher/innen, die

vom Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz geführt wird und über

http://www.sdgliste.justiz.gv.at/edikte/sv/svliste.nsf/suche online zugänglich ist.

26

Kenntnisse haben (vgl. ÖVGD 2018). Die eben angesprochene Beeidigung ist aber nicht

zwangsläufig eine Garantie für eine ausreichende Qualifikation. Das bedeutet, dass ein/e

beeidigte/r Dolmetscher/in nicht zwingend qualifizierter ist und im Umkehrschluss auch

ein/e nicht beeidigte/r nicht zwingend unqualifiziert (vgl. Stanek 2011a:38f.). Hierbei stellt

sich die Frage, nach welchen Kriterien der/die Polizist/in eine/n Dolmetscher/in auswählt.

Dieser Frage wird unter anderem im Zuge der empirischen Untersuchung nachgegangen.

Die Vernehmung bei der Polizei gehört zur Anfangsphase des gerichtlichen Prozesses und

soll laut Hale (2007:65) nicht unterschätzt werden. Das Recht auf Beiziehung eines

Dolmetschers/einer Dolmetscherin bei der Polizei ist in Australien beispielsweise sogar

noch wichtiger als bei Gericht, da durch gute Dolmetschungen bei den Ermittlungen

Missverständnisse vermieden werden können (vgl. Hale 2007:68).

Für Österreich hält Pöchhacker fest, dass die Kommunikation mit verurteilten

Migrant/innen oft durch Justizwachebeamt/innen oder auch vertrauenswürdige Insassen

mit Fremdsprachenkenntnissen ermöglicht wird. Lediglich Gespräche vor Gericht wurden

von Gerichtsdolmetscher/innen gedolmetscht (vgl. Pöchhacker 1997:219). Die mangelnde

Dolmetschqualität bei Polizei und Gericht ist keine Erscheinung, die nur dem

deutschsprachigen Raum zu schaffen macht, sondern stellt ein europaweites Problem dar

(vgl. Kadrić 2012:106). Doch laut Kadrić (ibid:107) kann dieses Problem nicht alleine der

Polizei zugeschrieben werden, sondern es ist vor allem auf den Mangel an

Dolmetscher/innen für seltene Sprachen zurückzuführen. Obwohl dieser Mangel bereits

länger thematisiert wird, wurden lange keine Initiativen gestartet, um diesem Problem

entgegenzuwirken (ibid.) Seit November 2016 gibt es nun an der Universität Wien einen

Lehrgang zum/zur Akademischen Behördendolmetscher/in und an der Universität Graz

einen Lehrgang zum Kommunaldolmetschen, was als wichtiger Schritt in Richtung

Professionalisierung gesehen werden kann (vgl. UNI Wien).

Laut Stanek (2011a:74) und der translationswissenschaftlichen Literatur sind Beamt/innen

auch zu wenig über die Tätigkeit von Dolmetscher/innen informiert, weshalb viele

Polizeibeamt/innen der Meinung sind, dass jede/r dolmetschen kann, der/die zwei

Sprachen beherrscht.

Um das Dolmetschen bei der Polizei zu professionalisieren, geht es nicht lediglich um die

Ausbildung von professionellen Polizeidolmetscher/innen, sondern auch darum, dass

Polizist/innen geschult werden, um mit Dolmetscher/innen professionell

zusammenarbeiten zu können. Grundsätzlich ist es wichtig, Polizeibeamt/innen und

Dolmetscher/innen die Möglichkeit zu geben, in einer komplementären Partnerschaft als

27

professionelles Team zusammenzuarbeiten, damit die negativen Auswirkungen auf die

Befragung in Zusammenarbeit mit einem/einer Dolmetscher/in minimiert werden und

gleichzeitig allen Beteiligten Gerechtigkeit widerfährt (vgl. Perez/Wilson 2007:93).

Täglich kommen vor europäischen Polizeibehörden, bei Gericht oder in

Gesundheitseinrichtungen rund tausend Dolmetscher/innen zum Einsatz (vgl. Kadrić

2012:93). Kadrić (ibid.:94) schreibt, dass Dolmetscher/innen grundsätzlich dem

normativen Ansatz folgen, das heißt, dass sie die Rolle einer non-person einnehmen.

Dieser Ausdruck beschreibt den Umstand, dass der/die Dolmetscher/in nicht als Person

auftritt, agiert oder denkt, sondern lediglich treu und gewissenhaft überträgt (ibid.). Vor

diesem Hintergrund entsteht möglicherweise mangelndes Vertrauen in Dolmetscher/innen

seitens der Polizei. Denn Untersuchungen haben ergeben, dass bei polizeilichen Verhören

anstelle der Rolle des Dolmetschers/der Dolmetscherin eher die Rolle des/der

Hilfspolizist/in oder Ermittlungshelfer/in wahrgenommen wird (ibid.). Nichtsdestotrotz

wird den Dolmetscher/innen zugestanden, dass durch ihre Einbringung in die

Kommunikation Missverständnisse vermieden und dadurch auch zusätzliche

Informationen gewonnen werden können (ibid.).

Sirol (2011:51f.) ist der Meinung, dass nur Personen, die über umfassende Sprach- und

Kulturkenntnisse verfügen, in der Lage sind, diesen Beruf professionell auszuüben. Eine

noch wichtigere Anforderung sind jedoch die Bedürfnisse des Auftraggebers/der

Auftraggeberin. Deshalb kann man laut Sirol (ibid.) im Tätigkeitsbereich der Polizei nur

dann Erfolg haben, wenn die Anliegen der Auftraggeber/innen in den Mittelpunkt gestellt

werden. Das heißt, dass der/die Dolmetscher/in auf Wunsch der Auftraggeber/innen

seine/ihre sprachlichen und kulturellen Kenntnisse an die Anforderungen und

Besonderheiten einzelner Situationen anpassen können sollte. Gleichzeitig sollte jedoch

jedem/jeder Dolmetscher/in bewusst sein, dass er/sie die Rolle des/der Sprachmittler/in

übernimmt und nicht die Rolle eines/einer interkulturellen Vermittlers/in, Rechtsberaters/in

oder gar Verteidigers/in (vgl. Sirol 2011:52). Nachdem die Rolle des

Polizeidolmetschers/der Polizeidolmetscherin unterschiedlich wahrgenommen wird, soll

im Folgenden ein Überblick über die Rollenverständnisse gegeben werden.

1.3.2 Rollenverständnis

Polizeibeamt/innen sind auf spezifische Befragungstechniken trainiert und müssen nach

einem bestimmten Prozedere vorgehen (vgl. Perez/Wilson 2007:81), worüber sich

28

Dolmetscher/innen im Vorfeld im Klaren sein müssen. Ein angesichts dieser Tatsache

oftmals auftretendes Problem unprofessioneller Polizeidolmetscher/innen ist das

mangelnde Wissen über die Rolle der Dolmetscher/innen im Rahmen der Vernehmung.

Ihnen fehlt es an Dolmetschtechniken und Berufsethik, denn viele denken, dass sie die

Rolle eines Hilfssheriffs einnehmen, wenn sie bei der Polizei dolmetschen (vgl. Ahamer

2013:113). Ebenso schreibt Istomina (2000), dass unausgebildete Dolmetscher/innen bei

der Polizei die Aufklärung von Straftaten, in welche ausländische Tatverdächtige

verwickelt sind, verlangsamen können. Ähnlich wie Ahamer (2013:113) konstatiert sie,

dass Dolmetscher/innen bei Verhören anstelle der Rolle des Dolmetschers/der

Dolmetscherin eher in die Rolle des Hilfspolizisten/der Hilfspolizistin schlüpfen.

Der deutsche Kommunikationswissenschaftler und Soziologe Reichertz Jo (1998:273) hat

in einer Untersuchung die unterschiedlichen Rollen, die ein/e Dolmetscher/in einnehmen

kann, beleuchtet und kommt zu folgendem Schluss:

Mal sitzt der Dolmetscher beim Beschuldigten, mal neben dem Polizisten, mal zwischen den

Parteien. Mal definiert er sich als Übersetzungsmaschine, mal als Kulturtransformator, mal

als Hilfspolizist, mal als Anwalt, mal als Ankläger, mal als Aushändler in Sachen kultureller

Normalität. Mal wird er behandelt als Experte mit Insiderwissen, mal als Komplize, mal als

Sprachcomputer, mal als Handlanger. (Reichertz 1998:273.)

Welche Rolle vom/von der Dolmetscher/in nun tatsächlich eingenommen wird, hängt von

der Person und ihrer Qualifikation ab. Laut Kadrić (2012:94f.) ist diese Rolle sehr

komplex, weshalb es so enorm wichtig ist, die Aufgaben und die geforderte Qualität der

Dolmetschung systematisch darzulegen.

Wadensjös’ (1998) bahnbrechende Leistung bei der Systematisierung der

Dolmetscher/innenrolle in dialogischen Interaktionen und deren Aufgaben hat gezeigt,

dass polizeilichen Vernehmungen von zwei voneinander abhängigen und gegenseitig

beeinflussenden Aktivitäten geprägt werden, und zwar der Gesprächskoordination und der

Gesprächswiedergabe. Daraus schließt Wadensjö (ibid.:27ff.), dass der/die Dolmetscher/in

als „interpreter, broker, middleman, mediator“ wahrgenommen wird.

Auch Sami Sauerwein (2006:35) beschäftigte sich mit den unterschiedlichen Rollen des

Dolmetschers/der Dolmetscherin. Sie kam nach umfangreichen literarischen Analysen3 im

Bereich des Community Interpreting zum Schluss, dass Dolmetscher/innen als

Gesprchächsmanager/innen, Sprachumwandler/innen, Kulturmittler/innen und auch als

dritte aktive Partei gesehen werden (ibid.). Der/Die Gesprächsmanager/in übernimmt

3 Sauerweins Analyse basiert u.a. auf rezipierter Literatur von Knapp/Knapp-Potthoff 1986; Wadensjö 1992; Gentile 1996; Berk-Seligson 1990; Donk 1994; Harris/Sherwood 1978

29

während einer Interaktion eine gesprächsorganisierende Tätigkeit und koordiniert den

Gesprächsverlauf. Der/Die Kulturmittler/in greift aktiv in die Interaktion ein, in dem er/sie

kulturspezifische Unterschiede erläutert und dadurch hilft, Missverständnisse zu

vermeiden. Daraus lässt sich schließen, dass neben dem Sprachumwandeln auch ein

aktives Sich-Einbringen stattfindet, wodurch die Kommunikation stark beeinflusst wird

(vgl. Kadrić 2012:95). Die Rolle des/der Dolmetscher/in hat laut Kadrić (ibid.) einen

großen Handlungsspielraum, der unterschiedlich mit Inhalten gefüllt wird. Der Verlauf

eines polizeilichen Ermittlungsverfahrens und dessen Güte sind insbesondere von der

Qualität der Dolmetschung abhängig (ibid.). Die Qualität des Inhalts hängt alleine

vom/von der Dolmetscher/in und dessen/deren Qualifikation und Selbstverständnis ab

(ibid.).

Professionelle Dolmetscher/innen sind für Kadrić jene, die eine fünfjährige Ausbildung an

einer Universität genossen haben. Semi-professionelle sind hingegen sprachkundige

Personen mit Berufserfahrung, die sich einer Überprüfung bei der

Zertifizierungskommission unterzogen haben. Personen, die diesen beiden Gruppen

angehören und eine Prüfung ablegen, sind in die Gerichtsdolmetscher/innenliste

eingetragen. Des Weiteren ist zu bedenken, dass Sicherheitsbehörden auch in Fällen, in

denen qualifizierte Dolmetscher/innen verfügbar wären, zu nicht-professionellen

Dolmetscher/innen greifen (vgl. Kadrić 2004:81f.). Kadrić (ibid.:82) ist der Meinung, dass

nicht-professionelle Dolmetscher/innen dolmetschtechnisch oder sprachlich nicht

zwingend versagen müssen. Das Problem manifestiert sich darin, dass sich diese Personen

meist ihrer Rolle nicht bewusst sind und nicht wissen, welche Erwartungen an sie gestellt

werden (ibid.). Welche Erwartungen bzw. Anforderungen an Polizeidolmetscher/innen

gestellt werden und mit welchen Herausforderungen man in diesem Bereich konfrontiert

wird, soll im folgenden Kapitel diskutiert werden.

1.3.3 Herausforderungen und Anforderungen

Die Anforderungen, die den Dolmetscher/innen bei der Polizei gestellt werden, sind sehr

vielfältig. So zählen zu den Aufgaben eines Dolmetschers/einer Dolmetscherin bei der

Polizei das Informieren von Beschuldigten über deren Rechte, das Vernehmen von

Beschuldigten oder Zeug/innen, das Transkribieren von Telefongesprächen, das Vom-

30

Blatt-Übersetzen von Dokumenten und auch die Korrespondenz mit ausländischen

(Polizei-)Behörden (vgl. Pöllabauer 2005:29).

Wie bereits erwähnt, ist das Tätigkeitsfeld von Polizeidolmetscher/innen sehr vielfältig.

Unter anderem gehört dazu auch die telefonische Überwachung. Dabei sind

Sprachkenntnisse auf einem hohen fachlichen Niveau nicht besonders gefragt. Wichtig

sind vielmehr Kenntnisse des verwendeten Dialektes, Kultolektes und Regiolektes. In

diesem Sinne kommt es bei solchen Dolmetschungen nicht nur zur wortgetreuen

Übertragung, sondern auch zu einer sinngemäßen Interpretation (vgl. Sirol 2011:49).

Andererseits erfordert das typische Dolmetschen bei Einvernahmen neben einer guten

Sprachkompetenz auch Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl (vgl. Sirol

2011:49). Vielen Dolmetscher/innen jedoch mangelt es Istomina (2000:o.S.) zufolge an

kriminalistischem Verständnis und Feingefühl. Dadurch verhalten sie sich ungeschickt und

verspielen somit das Vertrauen der Beschuldigten. Durch mangelndes Vertrauen bleiben

wiederum Informationen verborgen (ibid.).

Polizeidolmetscher/innen können zu jeder Tages- oder Nachtzeit angefordert werden. Die

Dauer des Einsatzes hängt von der Befragungs- oder Verhördauer ab, wobei diese

durchaus acht bis neun Stunden dauern kann (vgl. Ahrens/Kalina 2014:187). Der/Die

hinzugezogene Dolmetscher/in arbeitet in dieser Zeit als Einzelperson, was auch eine

große psychische und physische Belastung darstellen kann.

Des Weiteren haben Polizeidolmetscher/innen kaum Möglichkeiten, sich auf einen Einsatz

vorzubereiten. Einerseits aufgrund der Kurzfristigkeit, andererseits aber auch aufgrund

unterschiedlicher Befragungs- und Verhörstrategien (vgl. Ahrens/Kalina 2014:187).

Das Dolmetschen bei der Polizei hat laut Tipton und Furmanek zwei gegensätzliche

Aspekte, die Dolmetscher/innen bewegen, sich dieser Tätigkeit zu widmen oder von ihr

abzuwenden. Einerseits sind es die unsozialen Arbeitszeiten und auch lange, intensive

Befragungen von inhaftierten Personen, Zeug/innen und Opfern, die abschreckend wirken,

andererseits machen aber die Unvorhersehbarkeit und Vielfalt der polizeilichen Arbeit

dieses Handlungsfeld attraktiv (vgl. Tipton/Furmanek 2016:38).

Die Problematik, dass bei rechtlichen Settings unprofessionelle Dolmetscher/innen

herangezogen werden, ist weitverbreitet (vgl. Istomina 2000:o.S.). Ahrens und Kalina

(2014:191) sind der Meinung, dass die definierten Standards für das

Konferenzdolmetschen auch für das Polizeidolmetschen gelten sollten. Denn laut diesen

Kodizes sollen professionelle Dolmetscher/innen unvoreingenommen, verlässlich, loyal,

objektiv und vertrauenswürdig gegenüber ihren Auftraggeber/innen handeln.

31

Ebenso ist es wichtig zu erwähnen, dass Polizist/innen den Dolmetscher/innen häufig kein

Vertrauen schenken, da die gegenseitigen Erwartungen nicht klar definiert sind.

Dolmetscher/innen, die einem einschlägigen Berufsverband angehören, unterliegen

bestimmten berufsethischen Regeln, was viele Polizist/innen nicht wissen. Deshalb ist es

wichtig, dass der/die Dolmetscher/in und der/die Polizist/in ihre jeweiligen Erwartungen

klar definieren und sich gegenseitig darüber informieren, damit beiderseitiges Vertrauen

aufgebaut werden kann (vgl. Ahrens/Kalina 2014:191f.).

Mulayim et al. (2015) publizierten ein berufsorientiertes Fachbuch zum Thema

Dolmetschen bei der Polizei, in welchem Arbeitsvorschläge für die Zusammenarbeit

zwischen Dolmetscher/innen und Polizist/innen zu finden sind. Die Autor/innen (2015:10)

gehen in ihrem Werk zum Polizeidolmetschen davon aus, dass das sofortige Verstehen und

Verdolmetschen kontextbezogener Bedeutungen von einer Sprache in die andere zu den

Kernkompetenzen eines Dolmetschers/einer Dolmetscherin gehören. Der/Die

Dolmetscher/in soll alles, was von den Parteien gesagt wird, so genau und so vollständig

wie möglich dolmetschen, denn die Parteien entscheiden selbst, was sie hören wollen.

Diese Entscheidung obliegt nicht dem/der Dolmetscher/in (ibid.). Ergänzungen oder

Auslassungen, die Einfluss auf die Beziehung zwischen den Gesprächsparteien nehmen

können, sind zu vermeiden. Dieser Erwartung sollen Dolmetscher/innen Folge leisten

(ibid.:10f.). Die Autoren sind der festen Überzeugung, dass ein solches Bewusstsein und

dadurch auch das angemessene Verhalten entscheidende Qualitätsindikatoren für das

Dolmetschen, auch bei der Polizei, sind (ibid.:11). Damit dieses Bewusstsein geschaffen

werden kann, sind folgende Voraussetzungen erforderlich: „Bilingualism, Biculturalism

[and] Transfer skills“ (vgl. Mulayim et al. 2015:11). Mit Bilingualism ist das Beherrschen

zweier Sprachen – Grammatik, Register, Dialekt – gemeint. Gefordert sind also ein

ausgezeichnetes Verständnis beider Sprachen und die Fähigkeit, sie in unterschiedlichen

Kontexten angemessen zu nutzen. Personen, die zweisprachig sind, verwenden meist im

Beruf, in der Schule oder im Alltag eine Sprache als Hauptsprache und die zweite als

Nebensprache im familiären Umkreis. Den Autoren zufolge impliziert diese Art von

Zweisprachigkeit, dass diese Personen meist nicht in der Lage sind, beide Sprachen in

allen Kontexten einzusetzen (vgl. Mulayim et al 2015:12). Andererseits heißt dies nicht,

dass diese bilingualen Personen nicht als Dolmetscher/innen geeignet sind, denn Mulayim

et al. (2015:12) betonen, dass die Sprache nur ein Bruchteil der Kernkompetenzen zum

Dolmetschen ist.

32

Zum Kriterium Biculturalism meinen die Autoren, dass das Wissen über eine Kultur mit

der Sprache einhergeht. Das bedeutet, ein/e Dolmetscher/in sollte nicht nur ausgezeichnete

Sprachkenntnisse haben, sondern auch ausgezeichnete Kenntnisse über die Kultur der

jeweiligen Sprachen. Grundwissen über die Kultur impliziert aber nicht nur die Kenntnis

über Gepflogenheiten, Werte und Traditionen, sondern auch Wissen im wirtschaftlichen,

administrativen, rechtlichen und sozialen Bereich. Insbesondere für

Polizeidolmetscher/innen sind Kenntnisse im rechtlichen Bereich sowie ein rechtlicher

Sprachjargon unabdingbar (vgl. Mulayim et al 2015:13).

Zweisprachigkeit und Wissen über eine Kultur befähigen aber noch nicht dazu, als

Dolmetscher/in tätig zu werden. Als wichtige Kriterien erweisen sich auch das Anpassen

an das jeweilige Dolmetschsetting und das Beherrschen unterschiedlicher

Translationstechniken. Bei der Polizei kommt größtenteils das konsekutive Dolmetschen

zum Einsatz (vgl. Mulayim et al 2015:15).

Ahrens und Kalina präsupponieren, dass Polizeidolmetscher/innen auch Risiken ausgesetzt

sind. Die beiden Translationswissenschaftlerinnen weisen darauf hin, dass einerseits

seitens der Exekutive auf Datenschutz in Bezug auf den/die Dolmetscher/Dolmetscherin zu

achten ist, und es andererseits gilt, die physische Integrität des/der Polizeidolmetscher/in

zu schützen. Jede Situation sollte vorab bewertet werden, was bedeutet, dass dem/der

Dolmetscher/in eine sichere Sitzposition gegeben und der/die Dolmetscher/in nie alleine

mit dem/der Beschuldigten im Raum gelassen wird. Des Weiteren sollen auch keine

Waffen im Verhörraum gelassen werden. Wenn der/die Dolmetscher/in während des

Verhörs verbal oder physisch bedroht wird, soll er/sie diese Drohung vollständig

dolmetschen, wobei der/die Polizeibeamte/in entsprechend darauf zu reagieren hat (vgl.

Ahrens/Kalina 2014:188).

Für den/die Dolmetscher/in bei der Polizei ist es besonders wichtig, alles zu übertragen,

was gesagt wird, auch wenn Fragen und Antworten mehrmals wiederholt werden – denn

diese Vorgehensweise kann Teil einer bestimmten Vernehmungstaktik sein. Diese

unterschiedlichen Vernehmungsmethoden führen auch zu Problemen, da die spontanen

und überraschenden Fragen seitens des Polizisten/der Polizistin nicht, wie mittels der

Befragungstechnik intendiert, beim/bei der Befragten ankommen und Letztere/r somit Zeit

für Überlegungen bekommt (vgl. Westhagen 2012:506). Eine wichtige Aufgabe des

Polizeidolmetschers/der Polizeidolmetscherin ist es auch, die Mimik und Gestik zu

übertragen, damit körperliche Reaktionen gedeutet werden können (ibid.).

33

Susanne Fischer, öffentlich bestellte und beeidigte Dolmetscherin für Italienisch in Bayern,

dolmetscht gelegentlich auch bei der Polizei. Sie schreibt in ihrem Artikel über fünf

unterschiedliche Herausforderungen des Polizeidolmetschens (vgl. Fischer 2011:87). Als

erstes werden sprachliche Missverständnisse angeführt. Dazu meint Fischer, dass diese

spontan entstehen können, beispielsweise durch Hörfehler, Dialekt und

Doppelbedeutungen in Ausgangs- und Zielsprache. Solche Missverständnisse können

harmlos sein, aber auch schwerwiegende Folgen nach sich ziehen (ibid.:88). Als zweiten

Punkt nennt Fischer interkulturelle Missverständnisse. In diesem Zusammenhang erwähnt

die Autorin, dass ein gezieltes Nachfragen und zusätzliche Erläuterungen diesen

Missverständnissen vorbeugen können (ibid.89). Als dritten Punkt werden Vorurteile

genannt. Laut Fischer (ibid. 89) soll der/die beeidete Dolmetscher/in alle Aussagen treu

und gewissenhaft übertragen. Demnach müssen auch Beleidigungen und Anschuldigungen

gedolmetscht werden. Dem Berufsethos folgend und aufgrund der Neutralität soll sich

ein/e Dolmetscher/in während des Einsatzes nicht zum Gespräch äußern, weshalb Fischer

bei der Verdolmetschung rät, dass man sich distanziert, in dem man von der 1. Person in

die 3. Person wechselt und 1:1 dolmetscht (vgl. Fischer 2011:89f.). Der vierte Punkt ist die

nonverbale Kommunikation. Insbesondere im Rahmen der Wahrheitsfindung bei der

Polizei oder vor Gericht ist es laut Fischer wichtig, auch auf die nonverbale

Kommunikation zu achten, denn oft ist es für die Betroffenen peinlich, über bestimmte

Themen zu sprechen. Sie meint, dass nonverbal verschlüsselte Hinweise aufgegriffen

werden sollten, denn der Dolmetscher fungiert als Sprachohr für die beteiligten Personen

(vgl. Fischer 2011:90). Als fünften Punkt nennt Fischer die äußere Erscheinung und die

persönliche Wahrnehmung. Zu diesem Punkt konstatiert Fischer, dass die erste

Wahrnehmung und Einschätzung des/der Betroffenen das Gespräch beeinflussen können.

Als Beispiel nennt sie den Umgang mit Emotionen – wie geht der/die Polizist/in mit

emotional aufgeladenen Gesprächen um (vgl. Fischer 2011:91). Zusammenfassend für

Fischer kann gesagt werden, dass der/die Polizeidolmetscher/in kulturelle Unterschiede

erkennen und diese durch zusätzliche Erklärungen erläutern sollte. Wichtig dabei ist, dass

auch auf die Grund- und Menschenrechte geachtet wird und in Bezug auf persönliche

Einschätzungen mit Zurückhaltung umgegangen werden soll (vgl. Fischer 2011:92).

Betrachtet man die in Bezug auf das Polizeidolmetschen bestehende praxisorientierte

Literatur, kann zusammenfassend gesagt werden, dass laut der mehrheitlichen

wissenschaftlichen Meinung die Kernaufgabe eines Polizeidolmetschers/einer

34

Polizeidolmetscherin das wortgetreue und neutrale Dolmetschen von Fragen und Aussagen

in einem Gespräch ist. Seine/Ihre Aufgabe ist es nicht, kulturbedingte Beweggründe für

eine Straftat zu erklären. Diese Aufgabe obliegt ausnahmslos dem/der Verteidiger/in. Sirol

(2011:51) schreibt dazu, dass Dolmetscher/innen vor Ort sind, um zu dolmetschen, ohne

eigene Bemerkungen, Ergänzungen und Meinungen einfließen zu lassen oder Inhalte

wegzulassen. Daraus lässt sich schließen, dass die Möglichkeiten und Grenzen eines

Polizeidolmetschers/einer Polizeidolmetscherin klar umschrieben sind (ibid.). Wichtig bei

der Verdolmetschung ist, dass sie protokollfähig ist. Das bedeutet, dass der/die

Dolmetscherin in einem Tempo sprechen soll, das für den/die Protokollführer/in

akzeptabel ist. Das Protokoll ist für den/die Betroffene/n von hoher Wichtigkeit, da nach

dem Gespräch lediglich das zählt, was niedergeschrieben wurde. Dabei muss dem/der

Polizeidolmetscher/in bewusst sein, dass er/sie nicht dazu da ist, Texte zu beschönigen.

Auch die Unterscheidung von wichtigen und unwichtigen Aussagen obliegt nicht dem/der

Dolmetscher/in. Man verdolmetscht alles in einer verständlichen, strukturierten Sprache

(vgl. Sirol 2011:51).

Da nun der Bereich des Polizeidolmetschens erläutert wurde, wird im nächsten Kapitel

zunächst auf die österreichische Polizei eingegangen. Danach werden die rechtlichen

Grundlagen in Bezug auf die Rechte auf Dolmetscher/innen und Dolmetschleistungen

umfassend dargelegt.

2 Die österreichische Polizei als Dolmetsch-Setting

Das Dolmetschen bei der Polizei ist ein sehr interessantes Forschungsgebiet. Zunächst soll

in diesem Kapitel die Tätigkeit der österreichischen Polizei vorgestellt werden. Danach

soll dargelegt werden, welchen Rechtsanspruch auf Dolmetscher/innen bzw.

Dolmetschleistungen es in Österreich prinzipiell gibt. Des Weiteren soll in diesem Kapitel

auch auf die polizeiliche Vernehmung und die Rekrutierung von Dolmetscher/innen

eingegangen werden.

2.1 Die österreichische Polizei und Statistik

Die österreichische Bundespolizei ist ein größtenteils uniformierter und bewaffneter

Wachkörper in Österreich. Die Polizei ist neben anderen Sicherheitsbehörden

(Bundeskriminalamt, Cobra, usw.) unter der Leitung des Innenministeriums für die

35

Verrichtung des Exekutivdienstes zuständig (vgl. BM.I. 2018). Die Aufgaben der Polizei

sind vielseitig, anspruchsvoll und abwechslungsreich. Hauptaufgabe der Polizei ist die

Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung (vgl. polizei.gv.at 2018,

SPG §3). Zusätzlich soll die Polizei „Ansprechpartnerin, Konfliktmanagerin und

Ratgeberin, aber auch Vollzieherin der Gesetze sowie Garantin der Menschenrechte und

Schützerin der Bevölkerung vor Kriminalität sein“ (vgl. BM.I. 2018). In das

Aufgabengebiet der Polizei fallen neben der Aufrechthaltung der öffentlichen Ruhe

beispielsweise auch der Verkehrs- und Kriminaldienst sowie die Mitwirkung bei der

Vollziehung von Bundes- und Landesgesetzen. Die Polizei ist auch als Unterstützung für

Gerichte, Staatsanwaltschaften und Verwaltungsbehörden zu sehen (vgl. BM.I. 2018).

Wie die Kriminalstatistik des österreichischen Bundeskriminalamts zeigt, ist die

Gesamtkriminalität in Österreich in den letzten Jahren leicht rückläufig (vgl. BK 2017:6).

In konkreten Zahlen wurden 2017 bei der Polizei 510.536 Anzeigen bearbeitet. Davon

konnten 255.581 geklärt und 270.630 Tatverdächtige ausgeforscht werden. Letztere teilen

sich in 60,9 Prozent inländische und 39,1 Prozent fremde Tatverdächtige (vgl. BK

2017:20). Anhand dieser Zahl kann man bereits erahnen, wie oft es die Polizei mit

ausländischen Personen zu tun hat und wie oft Dolmetscher/innen eingesetzt werden

könnten. Da aber bei diesen Zahlen lediglich zwischen Österreicher/innen und

Ausländer/innen unterschieden wird, kann man hier nicht von absoluten Zahlen sprechen.

Denn weitere Bedarfsträger/innen von Dolmetschleistungen sind auch österreichische

Tatverdächtige mit Migrationshintergrund.

Das Recht auf die Beiziehung von Dolmetscher/innen und/oder Dolmetschleistungen wird

in unterschiedlichen Gesetzen festgehalten. Da sich diese Masterarbeit mit den

Dolmetschenden bei der Polizei beschäftigt, sollen Bestimmungen bzw. Gesetze, die für

diesen Bereich relevant sind, aufgezeigt werden.

2.2 Rechtliche Grundlagen

Laut Kadrić (2009:65) regeln sowohl nationale als auch internationale Bestimmungen die

Hinzuziehung von Dolmetscher/innen. Einige Gesetze und Konventionen bestimmen das

Recht auf eine/n Dolmetscher/in und einige halten explizit das Recht auf

Dolmetschleistungen fest. All diese Gesetze und Bestimmungen haben aber etwas

Gemeinsames – sie beziehen sich auf den Einsatz von Dolmetscher/innen im

Strafverfahren und bei Gericht.

36

Auf internationaler Ebene spricht man bei rechtlichen Bestimmungen meist von

Konvention, Richtlinien, Grundrechtskatalogen usw., die von diversen Staatenverbünden

oder internationalen Organisationen verfasst und von allen Mitgliedern unterzeichnet

wurden. Dazu zählen unter anderem die Europäische Union, das Europäische Parlament

oder die Europäische Kommission. Auch Staatsverträge zählen zu den internationalen

Bestimmungen. All diese internationalen Rechtsgrundlagen werden von den Ländern auf

nationaler Ebene in verfassungsgesetzliche Bestimmungen übernommen und in die

nationale Rechtslegung eingegliedert, wie z.B. Verwaltungsgesetze, Regulierungen zum

Straf- oder Zivilverfahren sowie Prozessordnungen (ibid.).

Bei den folgenden Bestimmungen handelt es sich um die Sicherstellung eines fairen

Verfahrens und des rechtlichen Gehörs. Da die Kommunikation zwischen Polizei,

Behörden oder Gericht und einer fremdsprachigen Person nur durch eine Dolmetschung

möglich ist, implizieren die Bestimmungen auch das Recht auf eine/n Dolmetscher/in.

Zugleich werden auch die Rechte der Fremdsprachigen gewahrt. Wichtig ist hierbei zu

bedenken, dass das Recht auf ein faires Verfahren nur dann gewährleistet werden kann,

wenn eine reibungslose Kommunikation zwischen Polizei/Behörde/Gericht und

fremdsprachiger Person gegeben ist (vgl. Kadrić 2009:67).

2.2.1 Internationale Bestimmungen

In Österreich wurde auf das Recht auf Dolmetschung erstmals im Staatsvertrag von Saint-

Germain (1919) hingewiesen. Der Staatvertrag von Saint-Germain (vgl. StGBl. 1920/303)

regelt unter Abschnitt V den Schutz der Minderheiten innerhalb Österreichs. Laut Artikel

66 Absatz 1 dieses Abschnittes haben alle „österreichischen Staatsangehörigen ohne

Unterschied der Rasse, der Sprache oder Religion“ die gleichen politischen und

bürgerlichen Rechte. Des Weiteren wird im selben Artikel auch festgehalten, dass „nicht

deutschsprechenden österreichischen Staatsangehörigen angemessene Erleichterungen

beim Gebrauche ihrer Sprache vor Gericht in Wort oder Schrift geboten werden“ (vgl.

Staatsvertrag StGBl. 1920/303).

Auch der Staatsvertrag von Wien (vgl. BGBl. 1955/152) regelt unter Artikel 6, dass „allen

unter österreichischer Staatshoheit lebenden Personen ohne Unterschied von Rasse,

Geschlecht, Sprache oder Religion“ die gleichen Rechte zugesichert werden (vgl.

Staatsvertrag BGBl. 1955/152 Artikel 6). Für die in Österreich lebende slowenische und

37

kroatische Minderheit besagt Artikel 7, dass sie das Recht auf ihre eigene Sprache haben

und dass Slowenisch bzw. Kroatisch neben dem Deutschen als Amtssprache in den

Verwaltungs- und Gerichtsbezirken Kärnten, Steiermark und Burgenland gilt (vgl.

Staatsvertag BGBl. 1995/152 Artikel 7). Zusammenfassend kann zu diesen beiden

Staatsverträgen gesagt werden, dass sie allen österreichischen Staatsangehörigen – egal

welcher Angehörigkeit – die gleichen Rechte einräumen. Somit haben in Österreich all

jene Personen, welche die deutsche Sprache nicht oder nur unzureichend beherrschen, das

Recht auf die Inanspruchnahme von Dolmetscher/innen.

Beide Staatsverträge – der Staatsvertrag von Saint-Germain und der Staatsvertrag von

Wien – bilden eine völkerrechtliche Bindung und wurden in das österreichische

Verfassungsrecht übernommen. Das bedeutet, dass jede/r österreichische Staatsbürger/in

aus diesen Bestimmungen direkte Ansprüche ableiten kann (vgl. Kadrić 2009:68f.). Bei

einem genaueren Blick bemerkt man, dass lediglich österreichische Staatsbürger/innen von

diesem Recht Gebrauch machen können und Immigrant/innen, Flüchtlinge usw., die

ebenfalls einer Dolmetschung bedürfen, nicht berücksichtigt werden.

Als weitere Bestimmung im Zusammenhang mit Recht auf Dolmetscher/innen ist die

Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)

(BVG BGBl 1964/59) anzusehen, welche seit 1953 gilt (vgl. Ahrens/Kalina 2014:181).

Diese Konvention gehört zu den bedeutendsten Bestimmungen, die mit dem Recht auf

Dolmetschung und Dolmetschleistung in Verbindung gebracht werden. Die EMRK regelt

in Artikel 1, dass die Rechte nicht nur auf die eigenen Staatsbürger/innen beschränkt sind,

sondern allen Menschen, die sich innerhalb einer Jurisdiktion aufhalten, zugesprochen

werden. Die Bestimmungen der EMRK wurden in Österreich ins innerstaatliche Recht

übernommen, wodurch die Rechte auf nationaler Ebene gewährleistet werden können (vgl.

Kadrić 2009:70). Des Weiteren werden in den unterschiedlichen Artikeln der EMRK,

beispielsweise in den Artikeln 5, 6 und 14, auch die Rechte fremdsprachiger Personen

geregelt:

Artikel 5 „Recht auf Freiheit und Sicherheit“ besagt:

(2) Jeder Festgenommene muß [sic!] unverzüglich und in einer ihm verständlichen Sprache

über die Gründe seiner Festnahme und über die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen

unterrichtet werden [...]. (EMRK Artikel 5)

Das hieraus abzuleitende Recht kann unmittelbar auf den Bereich des Polizeidolmetschens

umgelegt werden. Jedoch lässt die Formulierung „in einer ihr verständlichen Sprache“

großen Handlungsspielraum, denn sie impliziert nicht den Anspruch auf eine

38

Dolmetschung in der Muttersprache, sondern lediglich eine dem/der Betroffenen

„verständlichen“ Sprache (vgl. Kadrić 2009:71).

Artikel 6 „Recht auf ein faires Verfahren“ besagt:

(3a) Jede angeklagte Person hat mindestens folgende Rechte:

innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten

über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden [...].

(EMRK, Artikel 6)

(3e) [...] unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers [...], wenn der Angeklagte die

Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder sich nicht darin ausdrücken kann.

(EMRK Artikel 6)

Dieser Artikel beschreibt zwar nur die Situation bei Gericht, kann aber auch auf das

Dolmetschen bei der Polizei umgelegt werden, da die Polizei als eine Vorstufe des

Gerichts angesehen werden kann.

In Artikel 14 der EMRK zum Diskriminierungsverbot wird festgehalten, dass niemand

„wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der

politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der

Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines

sonstigen Status“ benachteiligt oder diskriminiert werden darf. Dieses Verbot gilt auch vor

Behörden, woraus für die polizeiliche Tätigkeit Folgendes abgeleitet werden kann: Bei

jeder Person, der aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse Nachteile entstehen könnten, ist

ein/e Dolmetscher/in heranzuziehen. In der EMRK wird zwar nicht explizit das Recht auf

Dolmetschung angesprochen, sie impliziert aber dennoch den Einsatz von

Dolmetscher/innen, wodurch die Rechte von fremdsprachigen Personen gesichert werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Europäische Menschenrechtskonvention

aufgrund ihrer umfassenden Garantien das „grundlegende Dokument zur Regelung des

Anspruchs auf Dolmetschung“ ist (vgl. Kadrić 2009:72).

Seit Oktober 1999 sind oben genannte Vorgaben auch auf EU-Ebene verbindlich zu

erfüllen (vgl. Ahrens/Kalina 2014:181). 2004 veröffentlichte die Europäische Kommission

einen Rahmenbeschluss zu bestimmten Verfahrensrechten innerhalb der EU, in welchem

„der Zugang zu Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen vor und während eines

Verfahrens sowie Forderungen zur Ausbildung, Qualifikation und Zertifizierung von

Dolmetscher/innen und Übersetzer/innen geregelt sind“ (ibid.). 2010 wurde dieser

Rahmenbeschluss in einer Richtlinie festgehalten. Die europäische Richtlinie 2010/64/EU

39

des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates regelt in Artikel 2 das Recht auf

Dolmetschleistungen. Dieses Recht unterstreicht die Wichtigkeit von Dolmetschleistungen

bei polizeilichen Vernehmungen:

(1) Die Mitgliedsstaaten stellen sicher, dass verdächtigen oder beschuldigten Personen, die

die Sprache des betreffenden Strafverfahrens nicht sprechen oder verstehen, unverzüglich

Dolmetschleistungen während der Strafverfahren bei Ermittlungs- und Justizbehörden

einschließlich während polizeilicher Vernehmungen, sämtlicher Gerichtsverhandlungen

sowie aller erforderlicher Zwischenverhandlungen, zur Verfügung gestellt werden [...].

(Richtlinie 2010/64/EU)

Des Weiteren wird in derselben Richtlinie in Artikel 3 das Recht auf die Übersetzung

wesentlicher Unterlagen geregelt:

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass verdächtige oder beschuldigte Personen, die die

Sprache des Strafverfahrens nicht verstehen, innerhalb einer angemessenen Frist eine

schriftliche Übersetzung aller Unterlagen erhalten, die wesentlich sind, um zu

gewährleisten, dass sie imstande sind, ihre Verteidigungsrechte wahrzunehmen, und um ein

faires Verfahren zu gewährleisten [...]. (Richtlinie 2010/64/EU)

Ein wesentlicher Bereich wird in den Artikeln 2 und 5 geregelt, nämlich die Qualität der

Dolmetschleistungen. Die genannten Artikel besagen, dass eingesetzte Dolmetscher/innen

in ihrer Tätigkeit eine ausreichende Qualität aufweisen müssen, damit ein faires Verfahren

gewährleistet werden kann. Damit Qualitätsstandards eingehalten werden können,

empfiehlt Artikel 5, Absatz 2, dass die Mitgliedsstaaten „Register mit unabhängigen

Übersetzern und Dolmetschern“, die angemessen qualifiziert sind, einrichten sollen. Diese

Register gelten auch für Behörden und Rechtsbeistände (vgl. Richtlinie 2010/64/EU).

Ein weiterer wichtiger Ausführungsgrund in der EU-Richtlinie ist Absatz 17, der

Folgendes besagt:

(17) Diese Richtlinie sollte gewährleisten, dass es unentgeltliche und angemessene

sprachliche Unterstützung gibt, damit verdächtige oder beschuldigte Personen, die die

Sprache des Strafverfahrens nicht sprechen oder verstehen, ihre Verteidigungsrechte in

vollem Umfang wahrnehmen können und ein faires Verfahren gewährleistet wird. (EU

Richtlinie 2010/64/EU, ABl. 2010/L280/1)

Bei näherer Betrachtung dieses Anführungsgrundes der Richtlinie erkennt man, dass nicht

nur Personen, die die Verfahrenssprache nicht sprechen, sondern auch jene Personen, die

sie nicht verstehen, Bedarfsträger/innen einer Dolmetschung sind.

Zusammenfassend kann zu dieser Richtlinie gesagt werden, dass neben dem Recht auf

eine/n Dolmetscher/in auch eine entsprechende Qualitätssicherung geregelt ist. Des

Weiteren kann erwähnt werden, dass die angeführten internationalen Bestimmungen

40

lediglich ein Teil der vorhandenen Regelungen zum Einsatz von Dolmetscher/innen im

Rechtskontext sind. Darüber hinaus wurden lediglich Bestimmungen vorgestellt, die in

Österreich Anwendung finden und auch auf die Polizei umgelegt werden können.

2.2.2 Nationale Bestimmungen

Neben den internationalen Bestimmungen gibt es auch einige Bestimmungen auf

nationaler Ebene, die sich mit dem Recht auf Dolmetschung auseinandersetzen. Die bisher

angesprochenen Bestimmungen, wie der Staatsvertrag von Saint-Germain (vgl. StGBl. Nr.

303/1920) sowie der Staatsvertrag von Wien (vgl. BGBl. 1964/59) und auch die EMRK

(BGBl. 1964/59) wurden in das nationale Recht, also in die Österreichische

Bundesverfassung, übernommen (vgl. Kadrić 2009:73). Das bedeutet, dass die erwähnten

internationalen Bestimmungen auch als nationale Regelungen betrachtet werden können.

Zusätzlich zu diesen gibt es in Österreich aber noch andere verfassungsrechtliche

Bestimmungen, die das Recht auf Dolmetschung regeln. Eines dieser Rechte regelt die

Geschäftsordnung für Gerichte I. und II. Instanz unter § 83 Absatz 1:

(1) Ist eine Person zu vernehmen, die der deutschen Sprache unkundig ist und sich auch

nicht in einer Sprache ausdrücken kann, deren der Richter und, wenn der Vernehmung ein

Schriftführer beizuziehen ist, auch dieser mächtig ist, so ist ein vertrauenswürdiger

Dolmetsch beizuziehen [...] Der Dolmetsch [...] ist vor seiner Verwendung zu beeiden

(§84). Als Dolmetsch im Sinne dieses Absatzes kann auch ein Richter oder ein anderer

Bediensteter des Gerichtes unter Erinnerung an den bei Antritt des Dienstes abgelegten Eid

[...] verwendet werden. (Geo § 82 Absatz 1)

Dieser Absatz regelt auch, dass ein/e Dolmetscher/in sowohl im streitigen als auch im

außerstreitigen Verfahren „zu Verhandlungen und Beweisaufnahmen (vgl. §§ 207, 213

ZPO) oder im Strafverfahren (vgl. §§ 100, 163, 164, 198 StPO)“ beigezogen wird (vgl.

Geo § 82 Absatz 1). Zwar leitet man von diesen Regelungen in erster Linie die Situation

vor Gericht ab, jedoch finden diese auch bei der Polizei Anwendung, denn jedes

Strafverfahren unterliegt einem Ermittlungsverfahren, das von der Polizei durchgeführt

wird.

Im zweiten Teil dieses Abschnitts wird auch die Heranziehung von Dolmetscher/innen

festgehalten. Interessant dabei ist, dass neben den beeideten Dolmetscher/innen auch

Richter/innen oder sogar andere Bedienstete in die Rolle des/der Dolmetscher/in schlüpfen

41

können. Während die Geschäftsordnung der Gerichte beide Formen gerichtlicher

Verfahren regelt, bestimmt die Strafprozessordnung lediglich über österreichische

Strafverfahren. Diese ist 2008 durch das neugestaltete Strafprozessreformgesetz (vgl.

BGBl I 2004/19) in Kraft getreten. Ab diesem Zeitpunkt sind neben der Polizei und dem

Gericht auch die Staatsanwaltschaft als Auftraggeber/innen an Dolmetscher/innen zu sehen

(vgl. Kadrić 2009:74). Das Strafverfahrensrecht definiert in § 125 StPO Dolmetscher/innen

folgendermaßen: Der/die Dolmetscher/in ist „eine Person, die auf Grund besonderer

Kenntnisse in der Lage ist, aus der Verfahrenssprache in eine andere Sprache oder von

einer anderen Sprache in die Verfahrenssprache zu übersetzen“ (vgl. StPO §125). Der

StPO zufolge ist der/die Dolmetscher/in eine Übersetzungshilfe und wird bestellt, wenn die

vernommene Person der Verfahrenssprache nicht mächtig ist. Zudem sind auch

Schriftstücke in die Verfahrenssprache zu übersetzen (vgl. Kadrić 2009:75).

Dass der/die Dolmetscher/in als Übersetzungshilfe angesehen wird, ist auch unter § 49 Z12

StPO zu finden. Dieser Paragraf und die Bestimmungen zur Übersetzungshilfe werden

unter § 56 Absatz 1 StPO näher erläutert. In Österreich ist die Staatssprache bzw.

Verfahrenssprache die deutsche Sprache (vgl. Bundesverfassungsgesetz B-VG Artikel 8).

Der Absatz besagt, dass jedem/jeder Beschuldigten Übersetzungshilfe zu leisten ist, der/die

sich „in der Verfahrenssprache nicht ausreichend verständigen kann“ (vgl. StPO § 56 Abs.

1; Kadrić 2009:75). Der/Die Dolmetscher/in ist insbesondere für die Rechtsbelehrung, für

Beweisaufnahmen und für Verhandlungen zu bestellen (vgl. Kadrić 2009:75).

Einen ersten Hinweis auf Kompetenzanforderungen für Dolmetscher/innen im

Strafverfahren werden in § 126 Absatz 2 StPO bestimmt. Dieser besagt nämlich, dass

vorrangig Dolmetscher/innen aus der Dolmetscherliste der Justiz zu bestellen sind (vgl.

Kadrić 2009:75).

Wie bereits erwähnt, regelt die Geschäftsordnung für die Gerichte das Recht auf

Dolmetscher/innen in Straf- und Zivilverfahren. Diesem wird – im Gegensatz zur StPO, in

welcher direkt auf dieses Recht hingewiesen wird – in der österreichischen

Zivilprozessordnung (ZPO) kaum Beachtung geschenkt. Die Zivilprozessordnung spricht

zwar in § 64 Absatz 1 Z 1 lit c über die Befreiung von Gebühren der Sachverständigen,

Dolmetscher/innen, Übersetzer/innen usw., jedoch findet man keinen direkten Anspruch

auf Dolmetschleistungen (vgl. Kadrić 2009:76). Lediglich in § 185 Absatz 1a ZPO wird

explizit auf die Beiziehung eines Dolmetschers/einer Dolmetscherin eingegangen. Dieser

Paragraf besagt, dass bei gehörlosen oder stummen Personen bei Gericht ein/e

42

Gebärdensprachdolmetscher/in hinzugezogen werden soll. Ein Hinweis auf das Recht auf

Dolmetscher/innen lässt sich aus §§ 207 und 213 ZPO erschließen. Diese beiden

Paragrafen regeln, dass bei Protokollierung in Verfahren, in denen fremdsprachige

Personen vernommen werden, der/die Dolmetscher/in das Protokoll zusätzlich zum/zu der

vernehmenden Beamten/Beamtin unterzeichnen muss (vgl. Kadrić 2009:77). Die

Regelungen aus der Zivilprozessordnung sind für das Polizeidolmetschen deshalb relevant,

da polizeiliche Ermittlungen im Zivilprozess als Beweismittel dienen können.

Eine weitere nationale Bestimmung, die das Recht auf die Beiziehung von

Dolmetscher/innen regelt, ist das Außerstreitgesetz (AußStrG). Das Außerstreitgesetz ist

die Prozessordnung für miet- und familienrechtliche Verfahren, das 2005 in Österreich in

Kraft getreten ist (vgl. Kadrić 2009:78). Da das Außerstreitgesetz hauptsächlich auf der

Zivilprozessordnung basiert, wird auch hier nicht direkt auf das Recht auf Dolmetschung

verwiesen. Lediglich § 190 Absatz 1 AußStrG regelt die Beglaubigung von

Übersetzungen. Darin heißt es:

(1) Die genaue Übereinstimmung einer Übersetzung mit dem Original ist von einem

allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Dolmetsch unter Beifügung des Datums

der Übersetzung, der Unterschrift und des Siegels des Dolmetschs zu beglaubigen. (vgl.

AußStrG § 190 Abs. 1)

Aus diesem Absatz ist ersichtlich, dass lediglich beeidete und zertifizierte

Dolmetscher/innen dazu befugt sind, eine beglaubigte Übersetzung anzufertigen. Auch

Absatz 2 desselben Paragrafen unterstreicht, dass in erster Linie allgemein beeidete und

gerichtlich zertifizierte Dolmetscher/innen herangezogen werden sollen. Nachdem das

Außerstreitgesetz hauptsächlich in miet- und familienrechtlichen Verfahren zur

Anwendung gelangt, ist der Handlungsbereich des Polizeidolmetschens hierbei

ausgeschlossen. Eine Ausnahme ergäbe sich, wenn es im genannten Verfahren auch zu

einer strafrechtlichen Tätigkeit gekommen wäre.

Da in dieser Masterarbeit Hauptaugenmerk auf das Polizeidolmetschen gelegt wird, soll

abschließend noch auf das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) eingegangen

werden, unter dessen Regelungen auch die Polizei als Verwaltungsbehörde fällt. Auch im

Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz wird in § 39a Absatz 1 explizit auf das Recht

auf eine/n Dolmetscher/in eingegangen:

(1) Ist eine Partei oder eine zu vernehmende Person der deutschen Sprache nicht hinreichend

kundig, stumm, gehörlos oder hochgradig hörbehindert, so ist erforderlichenfalls der der

43

Behörde beigegebene oder zur Verfügung stehende Dolmetscher (Amtsdolmetscher)

beizuziehen. Die §§ 52 Abs. 2 bis 4 und 53 sind anzuwenden.

(2) Als Dolmetscher im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die Übersetzer. (vgl. BGBl.

1991/51)

Nachdem die österreichische Bundespolizei diesem Gesetz unterliegt, ist sie verpflichtet,

gehörlosen, stummen, hochgradig hörbehinderten oder Personen, die der deutschen

Sprache nicht ausreichend mächtig sind, eine/n Dolmetscher/in bzw. Amtsdolmetscher/in

zur Verfügung zu stellen. Amtsdolmetscher/innen sind laut Maurer-Kober (2006:19)

Personen, die sprachkundig, aber nicht zwingenderweise Dolmetscher/innen sind. Damit

kann aus § 39a Absatz 1 AVG abgeleitet werden, dass nicht unbedingt professionelle

Dolmetscher/innen beigezogen werden müssen, sondern Gespräche, Vernehmungen etc.

auch von sprachkundigen Behördenmitarbeiter/innen gedolmetscht werden können, was

mitunter auf eine mangelnde Qualitätssicherung von Dolmetschleistungen bei Behörden

hinweist.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass auf nationaler Ebene im Verfassungsrecht die

grundlegenden Bestimmungen über den Anspruch auf Dolmetschleistungen geregelt

werden. Sowohl die Geschäftsordnung für Gerichte als auch die Strafprozessordnung

beinhalten dazu ausführliche Spezialbestimmungen. Im Zivilrecht gibt es lediglich

rudimentäre Regelungen, sodass auf andere Bestimmungen zurückgegriffen wird.

Nichtsdestotrotz können sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene die

Ansprüche erhoben und Missachtungen geltend gemacht werden (vgl. Kadrić 2009:79).

Auf internationaler Ebene wird in Bestimmungen explizit das Recht auf Dolmetschung in

Zusammenhang mit dem Recht auf Sprache bzw. Nichtdiskriminierung und ein faires

Verfahren festgehalten. Sowohl nationale als auch internationale Bestimmungen werden in

Österreich umgesetzt, wobei jeder im rechtlichen Kontext einen Anspruch auf

Dolmetschleistungen hat. Darunter fällt auch das Dolmetschen bei der Polizei.

Abschließend soll noch gesagt werden, dass nur Regelungen vorgestellt wurden, die auf

das Handlungsfeld der Polizei umgelegt werden können, weshalb die vorgestellte Liste

nicht als vollständig zu betrachten ist.

2.3 Vernehmung

Dem Rechtswissenschaftler Kranjčić (2010:48) zufolge ist der/die Dolmetscher/in als

Gehilfe/Gehilfin der Ermittlungsbehörden zu betrachten. Seine/ihre Grundanforderung ist

44

es, all das, was gesagt wird, zu verdolmetschen, selbst wenn es in den Augen des

Dolmetschers/der Dolmetscherin überflüssig erscheint. Auch Wiederholungen seitens der

Polizeibeamt/innen müssen erneut gedolmetscht werden, da diese oftmals einen Teil der

Vernehmungstaktik darstellen. Wichtig dabei ist, dass der/die Dolmetscher/in nicht selbst

zu interpretieren beginnt (ibid.). Ebenso darf laut Kranjčić (ibid.) der/die Dolmetscher/in

nicht gegen den/die Beschuldigte/n gerichtet werden. Bei Vernehmungen hat der/die

Dolmetscher/in laut Kranjčić (2010:49) auf zwei Arten zu dolmetschen – einerseits in

Richtung des/der Beschuldigten und andererseits in Richtung der

Strafverfolgungsbehörden. Bei ersterem ist zu beachten, dass der/die Dolmetscher/in

den/die Beschuldigte/n so über den Sachverhalt informiert, als würde er/sie der deutschen

Sprache mächtig sein. Bei zweiterer Variante muss der/die Dolmetscher/in so übertragen,

dass die ausgangssprachlich bezweckte Wirkung der Äußerung erzielt wird (ibid.). Für

Kranjčić (2010:49) ist klar, dass die Anforderungen an den/die Dolmetscher/in im

rechtlichen Kontext lediglich durch professionell handelnde, hochqualifizierte

Dolmetscher/innen erfüllbar sind.

Ute Donk und Norbert Schröer haben im Jahre 1994 im Rahmen einer Feldstudie zur

Dolmetschtätigkeit in kriminalpolizeilichen Vernehmungen in Zusammenhang mit der

Reduktion des polizeilichen Tatvorwurfes nachgewiesen, dass gedolmetschte

Vernehmungen zu Defiziten führen und daher die Ermittlungsverfahren häufiger

eingestellt werden müssen (vgl. Jogerst 1996:22). Auch Pöllabauer (2005:35) weist darauf

hin, dass durch die zeitliche Verschiebung zwischen Fragen und Antworten die

kommunikative Einbettung verloren geht, weshalb Polizeibeamt/innen auf gewisse

Ermittlungsstrategien verzichten müssen und somit weniger verwertbare Aussagen erzielen

können.

Ein wesentliches Problem im Bereich des Polizeidolmetschens ist auch, dass die korrekte

Übersetzungsleistung seitens des Dolmetschers/der Dolmetscherin immer wieder

angezweifelt wird – entweder seitens der Polizei oder auch seitens des/der Beschuldigten.

Deshalb wird der/die Dolmetscher/in oft mit der Beschuldigung konfrontiert, nicht richtig

gedolmetscht zu haben (vgl. Donk 1994:40). Donk hat bei ihren Interviews auch

herausgefunden, dass es den Polizeibeamt/innen besonders wichtig ist, dass die

eingesetzten Dolmetscher/innen auch kriminalpolizeilich denken können. So wird Donks

Untersuchungen zufolge beispielsweise erwartet, dass der/die Dolmetscher/in nachhakt,

sofern er/sie in der Mimik, Gestik oder dem Gesagten etwas Auffälliges entdeckt. Daraus

45

resultiert, dass der/die Dolmetscher/in in den Augen einiger Polizist/innen ein/e

Hilfspolizist/in ist (vgl. Donk 1994:42).

Im Gegensatz dazu konstatiert der deutsche Dolmetscher Ronald Hoffmann (2001), der

auch für die Polizei tätig ist, in seinem Beitrag, dass der/die Dolmetscher/in lediglich als

Sprachrohr fungieren und neutral sein soll. Das heißt, der/die Dolmetscher/in ist weder

Rechtsbeistand noch Vernehmungshilfe in einer Vernehmung.

Der/Die Dolmetscher/in vermittelt bei bilingualen Vernehmungen nicht nur zwischen zwei

Sprachen, sondern auch zwischen zwei Kulturen, Gesellschaftssystemen und auch

Rechtssystemen (vgl. Hoffmann 2001). Rechtsysteme können sich sehr voneinander

unterscheiden. Deshalb ist es laut Hoffmann (2001) wichtig, dass der/die Dolmetscher/in

so viel sprachlichen Spielraum besitzt, dass er/sie Rechtsbegriffe nicht nur übersetzt,

sondern gegebenenfalls auch in einer verständlichen Weise erläutert. Laut Donk (1994:55)

kann eine Vernehmung mit Dolmetscher/innenbeteiligung nur dann erfolgreich sein, wenn

der/die Polizist/in und der/die Dolmetscher/in ein eingespieltes Team sind und sich

gegenseitig vertrauen. Nur so wissen beide, welche jeweiligen Erwartungen an sie gestellt

werden.

Ein wesentlicher Faktor des Polizeiinterviews bzw. der Vernehmung ist es, relevante

Fakten für die Untersuchung zu sammeln. Der/Die Polizist/in ist darauf geschult, sich an

die jeweilige Situation anzupassen. In Vernehmungssituationen versetzt er/sie sich in die

Lage des/der Beschuldigten und übernimmt hypothetisch die Schuld des/der Verdächtigen.

Anhand von Befragungstechniken versucht er/sie diese Schuld zu bestätigen bzw. dem/der

Beschuldigten ein Geständnis zu entlocken, ohne herauszufinden, was tatsächlich passiert

ist (vgl. Nakane 2014:7). Nakane (ibid.:8) zufolge sind Polizeiinterviews sowohl als

kommunikative Prozesse als auch als Produkte zu sehen, denn durch die Befragung werden

Beweise gebildet, die in einem späteren Prozess verwendet und hinterfragt werden.

Die polizeiliche Vernehmung in Österreich und Deutschland unterliegt gesetzlichen

Vorgaben, die eingehalten werden müssen, wenn die Aussage in weiteren Verfahren als

Beweismittel dienen soll. Grundsätzlich werden zwei Vernehmungen unterschieden,

nämlich die Vernehmung von Beschuldigten und die Vernehmung von Zeug/innen. Das

Gesetz sieht vor, dass beide Befragten über ihre Rechte belehrt werden müssen und dass

keine verbotenen Vernehmungsmethoden verwendet werden dürfen (vgl. Sauerwein

2006:101). Darüber hinaus ist die polizeiliche Vernehmung ein gesetzlich normierter und

institutionalisierter Prozess, der nur wenig freie Gestaltung zulässt. Damit eine

46

Vernehmung durchgeführt werden kann, bedarf es einer begangenen Straftat oder des

Vorliegens eines Tatverdachts (ibid.).

Bei der Vernehmung der/des Beschuldigten ist charakteristisch, dass er/sie zunächst über

seine/ihre Rechte belehrt wird, woraufhin die Personalien aufgenommen werden. Der/Die

Beschuldigte hat das Recht, die Aussage auf Fragen, die über die Personalien hinausgehen,

zu verweigern. Im Unterschied dazu muss der Zeuge/Zeugin im Rahmen der Vernehmung

auch eine sachbezogene Aussage machen. Das heißt, der/die Zeug/in hat über

Wahrnehmungen, die mit dem/der Täter/in sowie der Tat zusammenhängen, auszusagen

(ibid.:102).

Sauerwein (2006) unterteilt die polizeiliche Vernehmung in fünf Phasen, die gesetzlich

geregelt sind und sowohl in Deutschland als auch in Österreich Anwendung finden:

(1) Eröffnung des Tatvorwurfs bzw. Gegenstand der Vernehmung

(2) Rechtsbelehrung

(3) Befragung zur Person

(4) Befragung zur Sache

(5) Abschluss. (vgl. Sauerwein 2006:107)

Der erste Schritt der Vernehmung ist die Eröffnung des Tatvorwurfes bei der Vernehmung

von Beschuldigten oder die Darstellung des Gegenstandes bei der Vernehmung von

Zeug/innen. Dabei ist vor allem darauf zu achten, dass so wenig Polizeiwissen wie möglich

preisgegeben wird (vgl. Sauerwein 2006:107).

Die zweite Phase umfasst die Rechtsbelehrung. In diesem Schritt müssen dem/der

Beschuldigten bzw. dem/der Zeug/in die jeweiligen Rechte verdeutlicht werden. Zu den

Rechten zählen beispielsweise das Aussageverweigerungsrecht für den/die Beschuldigte/n

und das Zeugnisverweigerungsrecht für den/die Zeug/in. Die Rechtsbelehrung ist dann als

erfolgreich anzusehen, wenn der/die Betroffene keine Zweifel in Bezug auf seine/ihre

Rechte und Pflichten mehr hat (vgl. Sauerwein 2006:107). Wichtig ist dabei auch zu

beachten, dass eine polizeiliche Vernehmung lediglich dann als Beweismittel dient, wenn

die Betroffenen über ihre Rechte aufgeklärt wurden. Ob und inwiefern dies der Fall ist,

geht aus dem abschließenden Protokoll hervor (ibid.:108).

Der dritte und vierte Schritt ist die Befragung. Hierbei unterscheidet man einerseits die

Vernehmung zur Person, andererseits die Vernehmung zur Sache, wobei der/die

Beschuldigte seine/ihre Aussage zur Sache verweigern kann. Bei der Aufnahme der

47

Personalien werden Daten wie Name, Geburtsdatum, Familienstand, Wohnort,

Staatsangehörigkeit und Beruf erfragt. Bei der Vernehmung zur Sache werden, wie

erwähnt, lediglich Zeug/innen befragt. Dabei sollten diese so umfassend wie möglich ihre

Wahrnehmungen in Bezug auf den Tatbestand schildern (ibid.:108f.). Der fünfte und

abschließende Schritt der polizeilichen Vernehmung ist das Protokoll. Die Vernehmung

wird protokolliert und abschließend von allen Beteiligten – Befragte/r, Beamte/e, ggf.

Dolmetscher/in – unterschrieben (ibid.:109).

Das Protokoll kann im Nachhinein auch als „Spiegel der geführten Vernehmung“ gesehen

werden (ibid.:111). Ein Protokoll soll so vollständig und wortgetreu wie nur möglich

gemacht werden, damit einerseits die Staatsanwaltschaft bzw. das Gericht einen

bestmöglichen Eindruck über den/die Befragte/n bekommen, andererseits aber auch, dass

eine außenstehende Person die Vernehmung anhand des Protokolls rekonstruieren kann

(ibid.). In der Praxis ist es jedoch aus taktischen und auch technischen Gründen nicht

möglich, die Vernehmung im Wortlaut niederzuschreiben, weshalb der Beamte/die

Beamtin drei Möglichkeiten zur Protokollierung hat. Erstens die Diktatschrift, was

bedeutet, dass die Aussage als Diktat wortgetreu mitgeschrieben bzw. die Vernehmung

aufgenommen und danach transkribiert wird. Des Weiteren besteht die Möglichkeit einer

Frage-Antwort-Protokollierung. Die dritte Möglichkeit nennt man „sinngemäße

Protokollierung“. Dabei werden Aussagen nur komprimiert niedergeschrieben. Die

Nachteile jeder dieser Protokollierungsarten sind offensichtlich, da jede Art die

Handschrift des Vernehmungsbeamten/der Vernehmungsbeamtin trägt (vgl. Sauerwein

2006:111). Deshalb ist es von Vorteil, wenn zwei oder mehrere Polizeibeamt/innen an

einer Vernehmung beteiligt sind, da die Aufgaben hierbei klar aufgeteilt werden können.

Jedoch ist dies in der Praxis in Österreich und Deutschland auf Grund von Zeit, Kosten

und Personalmangel kaum der Fall (ibid.:112).

Die Vernehmung mit Dolmetscher/innenbeteiligung ist weder in der Kriminalistik noch in

der Translationswissenschaft Forschungsfokus gewesen. In der Kriminalistik ist die

gedolmetschte Vernehmung unter der Rubrik „besondere Vernehmungen“ zu finden,

wobei darüber nur wenige Zeilen zu lesen sind. Auch in Fachzeitschriften wurden nur

wenige Erfahrungsberichte über dieses Thema publiziert. Ebenso hat sich die

Translationswissenschaft bis heute nur vereinzelt mit diesem Thema beschäftigt (vgl.

Sauerwein 2006:127).

48

Wie bereits erwähnt, haben ausländische Personen bzw. Personen, die der deutschen

Sprache nicht ausreichend mächtig sind, bei der Polizei, beim Anwalt oder vor Gericht

Anspruch auf rechtliches Gehör, das heißt, jede/r Angeklagte ist unverzüglich in einer

ihm/ihr verständlichen Sprache über die Gründe seiner/ihrer Festnahme bzw.

Beschuldigung in Kenntnis zu setzen (vgl. Sauerwein 2006:128, EMRK Artikel 6). Da in

Österreich die Gerichtssprache Deutsch ist, impliziert dieses Recht auch den Anspruch auf

eine/n Dolmetscher/in. Zwar beziehen sich die damit verbundenen Gesetze auf das

Gerichtsverfahren, da aber die polizeiliche Vernehmung Teil des Ermittlungsverfahrens ist,

gelten diese ebenso für die Polizei (vgl. Sauerwein 2006:128).

Dass der Einsatz eines Dolmetschers/einer Dolmetscherin einen bestimmten Einfluss auf

die polizeiliche Vernehmung hat, steht außer Frage. Im Folgenden sollen nun vier

Hauptursachen aufgezeigt werden, die Sauerwein (2016) zufolge für erschwerte

Vernehmungsbedingungen sorgen.

Als erster Punkt ist hier bereits die Anwesenheit des Dolmetschers/der Dolmetscherin zu

nennen, denn durch seine/ihre Anwesenheit wird der Handlungsspielraum des/der

Polizeibeamt/in erheblich eingeschränkt. Zudem hat der/die Polizeibeamt/in nur einen

indirekten Zugriff auf die zu vernehmende Person, was auch das Erreichen des

Kommunikationsziels erschwert (vgl. Sauerwein 2006:129). Zudem kann der

Polizeibeamte/die Polizeibeamtin die nonverbale Komponente nur über den/die

Dolmetscher/in deuten, was oft zu Fehlinterpretationen führt.

Die zweite Ursache einer erschwerten Vernehmung ist die Veränderung der

Vernehmungstaktik. Zwar kann der Informationsverlust durch die Veränderung der Taktik

vermindert werden, jedoch bedeutet diese Adaptation gleichzeitig eine zusätzliche

Belastung für den Vernehmungsbeamten/die Vernehmungsbeamtin. Kurze und präzise

Fragen können eine bessere Ausgangsposition bringen, jedoch nur dann, wenn diese Taktik

auch vom/von der Dolmetscher/in unterstützt wird (vgl. Sauerwein 2006:129). Ein

wichtiger Aspekt bei der Vernehmung sind auch die Gepflogenheiten und die Mentalität

der zu vernehmenden Person. Wenn man auf diese Rücksicht nimmt, kann eine dienliche

Vernehmungsatmosphäre geschaffen werden. Jedoch befindet sich der/die

Vernehmungsbeamt/in im Zwiespalt, wenn er/sie diese Informationen vom/von der

Dolmetscher/in einholt, da dabei die ungeklärte Kompetenz des/der Dolmetschers/in als

Ethnolog/in zu bedenken ist (vgl. Sauerwein 2006:129).

Der dritte Punkt in Bezug auf die erschwerten Vernehmungsbedingungen ist die

Veränderung des Rollengefüges. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass dem/der

49

Dolmetscher/in bei der bilingualen Vernehmung ein größeres Aufgabengebiet als dem

Polizeibeamten/der Polizeibeamtin zugeteilt wird. Das Wichtigste bei der Vernehmung ist

der direkte Kontakt zur vernehmenden Person, und dieser kann in einer zweisprachigen

Vernehmung lediglich durch den/die Dolmetscher/in gewährleistet werden. Deshalb

übernehmen Dolmetscher/innen oftmals die Rolle des/der Hilfspolizist/in, und

Vernehmungsbeamt/innen werden zur Schreibkraft degradiert (vgl. Sauerwein 2006:130).

Diese Rollenaufteilung ist jedoch nicht unproblematisch, da der/die Dolmetscher/in oft zu

wenig kriminalistisches Wissen mitbringt, um der Rolle des Hilfspolizisten/der

Hilfspolizistin gerecht zu werden. Oft sieht sich der/die Dolmetscher/in auch der

Erwartung ausgesetzt, in der Situation nicht nur zu übersetzen, sondern auch zu beraten.

Die unterschiedlichen Situationen und Kulturen bringen den/die Dolmetscher/in regelrecht

in einen Rollenkonflikt. Welche Rollen ein/e Dolmetscher/in einnehmen kann, wird im

dritten Kapitel dieser Arbeit beschrieben.

Der vierte und meines Erachtens wohl der wichtigste Punkt, der die Vernehmung

erschwert, ist die Zuverlässigkeit und Qualität des/der Dolmetscher/in, da er/sie

Auswirkungen auf die zu vernehmende Person hat. Während zu Beginn lediglich die

fachlichen Sprachkenntnisse eines Dolmetschers/einer Dolmetscherin von Bedeutung

waren, haben sich die Anforderungen insoweit geändert, als dass nun neben den

sprachlichen und fachlichen Fähigkeiten auch die translatorischen eine bedeutende Rolle

spielen (vgl. Sauerwein 2006:131). Zwar werden bei der Polizei des Öfteren beeidete und

zertifizierte Dolmetscher/innen als Garantie für gute Qualität herangezogen, jedoch stellt

die Vereidigung keine Garantie für translatorische Fähigkeiten des/der Dolmetscher/in dar

(vgl. Beleke 2000:79f. zit. nach Sauerwein 2006:131).

Das Protokoll ist laut dem deutschen Dolmetscher Hoffmann (2001) das wichtigste

Zeugnis jeder Vernehmung und wird am Ende von allen Beteiligten unterzeichnet. Es wird

immer – sowohl in Deutschland als auch in Österreich – in der Gerichtssprache verfasst,

was bedeutet, dass es vor der Unterzeichnung vom/von der Dolmetscher/in rückübersetzt

wird. So hat der/die Befragte zum Schluss noch einmal die Möglichkeit, zu kontrollieren,

ob alles richtig niedergeschrieben wurde (ibid.) Oft kommt es in dieser Situation zu

Unstimmigkeiten über das Gesagte, weshalb die Unterschrift in vielen Fällen verweigert

wird. Diese Uneinigkeiten haben unterschiedliche Ursachen. Eine Ursache können

Übertragungsfehler des Dolmetschers/der Dolmetscherin sein. Weitere Ursachen sind noch

Missverständnisse seitens des Beamten/der Beamtin oder Änderungswünsche vom/von der

Vernommenen (ibid.).

50

Hoffmann (2001) schreibt in seinem Beitrag auch über die diversen zur Anwendung

kommenden Dolmetschtechniken bei der Polizei. Er unterscheidet zwischen

konsekutiv/halbkonsekutiv und simultan. Gleichzeitig konstatiert er, dass ihm zufolge die

häufigsten angewendeten Techniken das halbkonsekutive (aufgrund des Dialoges) und das

simultane Dolmetschen (aufgrund der manchmal kurzen Fragen und Antworten) sind.

Zusammenfassend kann für Vernehmungen mit Dolmetscher/innenbeteiligung gesagt

werden, dass Dolmetscher/innen bei ihrer Tätigkeit im Polizeikontext mit

Anschuldigungen zu kämpfen haben. Einerseits werden sie als Gehilfe/in bzw.

Vermittler/in gesehen, der/die hilft, Missverständnisse aus dem Weg zu räumen.

Andererseits werden Dolmetscher/innen als Sprachrohr betrachtet, das zwei

Gesprächsparteien darin unterstützt, Inhalte von einer Sprache in die andere zu

transferieren. Bei näherem Studium der vorhandenen Literatur (Donk 1994; Sauerwein

2006; Hoffmann 2001) wird deutlich, dass die Vernehmungssituation unter

Dolmetscher/innenbeteiligung sowohl für die Polizei als auch für die Dolmetscher/innen

gewöhnungsbedürftig ist und dass ein – mitunter auch negativer – Einfluss auf die

Vernehmung nicht zu vermeiden ist. Hoffmann (ibid.) weist auch darauf hin, dass sich

Vernehmungsbeamt/innen der Tatsache bewusst sein müssen, dass bei einer Vernehmung

mit Dolmetscherbeteiligung Welten aufeinandertreffen.

2.4 Rekrutierung von Dolmetscher/innen

Die polnische Dolmetscherin und Translationswissenschaftlerin Stanek Malgorzata

(2011b:80f.), die sich insbesondere mit der Dolmetschsituation bei der Polizei in

Deutschland beschäftigte, schreibt in ihrem Artikel „Dolmetschen für die Polizei – Ein

Einsatzort beeidigter Dolmetscher“, dass Polizeibeamt/innen Dolmetscher/innen nach

eigenen persönlichen Auswahlkriterien heranziehen. Durch ein Ungleichgewicht in der

Auftragsvergabe und die unzureichend beantwortete Qualifizierungsfrage beschloss die

Polizei eine Neuorganisation in der Vergabe der Dolmetscheinsätze. Dieser

Zuständigkeitsbereich obliegt nun in Deutschland dem Bundesamt für Migration und

Flüchtlinge (ibid.) und in Österreich dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.

Voraussetzung, um in die Dolmetscher/innen-Datenbank, die von den deutschen

Bundesämtern geführt wird, aufgenommen zu werden, sind persönliche Zuverlässigkeit

51

und Qualifikationsnachweise. Letztere bedeuten aber nicht zwingend eine Beeidigung

(ibid.:81).

Die in der Literatur erwähnten Gesetze regeln meist nur transkulturelle Gespräche bei

Gericht. Kalina und Ahrens (2014:184) konstatieren, dass auch in anderen rechtlichen

Bereichen, wie beispielsweise polizeilichen Vernehmungen, Handlungsbedarf gegeben ist,

nachdem diese ausschlaggebend für ein Gerichtsverfahren sind. In Österreich gibt es eine

Dolmetscher/innenliste, die vom Bundesministerium für Verfassung, Reformen,

Deregulierung und Justiz geführt wird. In diese Liste werden lediglich Personen

aufgenommen, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen und eine Prüfung ablegen (vgl.

Kadrić 2012:96; ÖVGD 2018). Aktuell sind in der Gerichtsdolmetscher/innenliste rund

780 Personen für 50 verschiedene Sprachen eingetragen (vgl. ÖVGD 2018; SDGListe

Justiz 2018). Seit 2011 bestimmt die Strafprozessordnung, dass Gerichte und

Staatsanwaltschaften sich dieser Personen als Dolmetscher/innen zu bedienen haben (vgl.

Kadrić 2012:96). Dies gilt auch für Sicherheitsbehörden, wenn diese für die Strafjustiz

tätig sind. Die Qualität jedoch unterliegt keiner gesetzlichen Regelung. Ebenso können

Sicherheitsbehörden und Gerichte, sofern keine Dolmetscher/innen der Liste verfügbar

sind, auch andere sprachkundige Personen heranziehen (ibid.).

Der Einsatz von sprachkundigen Personen und somit nicht qualifizierten

Dolmetscher/innen kann, wie schon erwähnt, schwerwiegende Konsequenzen haben. Auch

Pöchhacker (2005) und Kadrić (2012:96) stellen den Einsatz von Laiendolmetscher/innen

und deren Kompetenzen in Frage. Ausschlaggebend dafür war unter anderem die in

Österreich angelegte Polizeiaktion Operation Spring. Bei diesem Großeinsatz der Polizei

wurden mehr als 100 Personen verhaftet. Für die Vernehmungen und das Verfahren

wurden nicht zertifizierte Dolmetscher/innen für Igbo beauftragt, die, wie sich später

herausstellte, nachweislich falsch gedolmetscht und auch nicht die erforderlichen

Kompetenzen aufgewiesen haben (vgl. Kadrić 2012:96; Pöchhacker 2005).

Wie in Kapitel 1.3 bereits erwähnt, wird seitens der Berufsverbände schon länger kritisiert,

dass im rechtlichen Bereich nach wie vor Laiendolmetscher/innen, also Dolmetscher/innen

ohne den Nachweis erforderlicher Sprach-, Sach- und Dolmetschkompetenzen, zum

Einsatz kommen (vgl. Stanek 2011a:21). In erster Linie sind Laiendolmetscher/innen bei

der Polizei Polizeibeamt/innen, (ausländische) Studierende, Familienmitglieder, aber auch

Häftlinge und Migrant/innen (vgl. Stanek 2011a, Istomina 2000).

52

Kadrić befasste sich in ihrer Studie „Polizei.Macht.Menschen.Rechte Rekrutierung von

Polizeidolmetschenden im Lichte empirischer Forschung“ auch umfassend mit der

Rekrutierung von Polizeidolmetscher/innen in Österreich. Im Rahmen der Befragung von

insgesamt 237 Polizeibeamt/innen fand sie heraus, dass zwar 73% der befragten

Polizeibeamt/innen auf die Gerichtsdolmetscher/innenliste zugreifen, 19% jedoch angeben,

dass sie häufig bzw. immer sprachkundige Polizeibeamt/innen heranziehen. In weiteren

19% der Fälle werden häufig „sonstige Sprachkundige“, also Laiendolmetscher/innen,

bestellt. In einigen Fällen kommen aber auch Bekannte oder Angehörige des/der zu

Vernehmenden zum Einsatz (vgl. Kadrić 2012:97). Mehr als die Hälfte gibt an, dass sie bei

Notwendigkeit auch auf die polizeiinterne Liste sprachkundiger Personen zurückgreift. Die

Beweggründe, sprachkundige Personen heranzuziehen, sind unterschiedlich. Einerseits

geschieht dies aus Zeitgründen und andererseits auch dann, wenn keine zertifizierten

Personen zur Verfügung stehen (vgl. Kadrić 2012:96f.).

Summa summarum stellt Kadrić in ihrer Studie fest, dass größtenteils qualifizierte und

zertifizierte Dolmetscher/innen bei der Polizei zum Einsatz kommen. Man sollte bedenken,

dass es für viele Sprachen nur wenige oder gar keine zertifizierten Dolmetscher/innen gibt.

Jedoch stimmen diese Ergebnisse nicht mit den vielen mündlichen und auch schriftlichen

Praxisberichten der Justiz überein, aus welchen hervorgeht, dass nicht vorrangig

zertifizierte bzw. qualifizierte Dolmetscher/innen eingesetzt werden (vgl. Kadrić

2012:100). Auch in der erweiterten Studie von Kadrić wird aufgezeigt, dass bei der

Vielzahl von polizeilichen Vernehmungen der Anteil an Aufträgen für

Gerichtsdolmetscher/innen sehr gering war (2012:102). Wer die Dolmetschtätigkeit im

Vorverfahren bei der Polizei übernommen hat, soll folgende Grafik von Kadrić

demonstrieren (siehe Abb. 2):

53

Abbildung 2: Statistik an drei Wiener Gerichten (vgl. Kadrić 2012:104 Im Vorverfahren bei der Polizei eingesetzte Dolmetschende)

Anhand dieser Grafik ist deutlich ersichtlich, dass lediglich in 14% der Fälle zertifizierte

Dolmetscher/innen beigezogen wurden. Im Großteil der Fälle kommen nicht zertifizierte

Dolmetscher/innen zum Einsatz. Unter Letztere subsumiert man auch die Beamt/innen

selbst oder Angehörige der fremdsprachigen Person (vgl. Kadrić 2012:105).

Die Dolmetschqualität hängt letzten Endes nicht nur von der Kompetenz des

Dolmetschers/der Dolmetscherin, sondern auch vom Verständnis des Beamten/der

Beamtin ab, denn Letztere/r entscheidet über die (Wieder-)Bestellung und setzt somit die

Standards (vgl. Kadrić 2012:105; Stanek 2011a:173; Stanek 2012:515).

Berk-Seligson ist der Meinung, dass Polizeibeamt/innen nicht als Dolmetscher/innen

herangezogen werden sollten, da sie einerseits keine ausreichende Qualifikation aufweisen,

andererseits aber auch keine Erfahrungen in dieser Tätigkeit oder gar mangelnde

Sprachkenntnisse in der Fremdsprache haben (vgl. Berk-Seligson 2011:30). Sie hat in ihrer

Studie herausgefunden, dass Gerechtigkeit und Gleichheit vor dem Gesetz vernachlässigt

werden, wenn Polizeibeamt/innen als Dolmetscher/innen in Vernehmungen agieren. Es

besteht das Risiko, dass der/die Verdächtige die Fragen nicht vollständig versteht und/oder

54

dass die Antwort aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse fehlinterpretiert wird (vgl. Berk-

Seligson 2011:54).

Welche Meinung Berk-Seligson in Bezug auf den Einsatz von Laiendolmetscher/innen bei

der Polizei hat, verdeutlicht folgendes Zitat:

Perhaps it is merely naiveté on the part of law enforcement officers, or simply their lack of

appreciation for the demanding nature of interpreting and translating, but the willingness of

the police to entrust to non-professional interpreters the task of questioning suspects during

investigative policework is playing with fire. (vgl. Berk-Seligson 2009:217)

Als Problematik beim Polizeidolmetschen erweisen sich nicht nur die fehlende

Ausbildung, sondern auch Interessenskonflikte, die entstehen können. Beispielsweise

können Polizeibeamt/innen, die als Dolmetscher/innen auftreten, keine neutrale Position

einnehmen, da ihre Ursprungsfunktion als Polizist/in immer aufrecht bleibt. Das hierbei

entstehende Problem ist, dass der/die Polizeibeamt/in, der/die als Dolmetscher/in fungiert,

zwischen den beiden Rollen hin und her wechselt, um den Bedarf an

Vernehmungsstrategie und Dolmetschung zu decken (vgl. Berk-Seligson 2011:55).

Rückblickend auf das Kapitel, in dem die rechtlichen Grundlagen besprochen wurden,

wird nun deutlich, dass solche Situationen als eine grobe Verletzung der Rechte der

Betroffenen eingestuft werden können.

Die Gründe zur Heranziehung von Laiendolmetscher/innen bei der Polizei sind

unterschiedlich. Wie bereits erwähnt, ist mangelndes Bewusstsein über die Komplexität

dieser Tätigkeit einer davon. Ein weiterer Grund ist die mangelnde Beurteilungskompetenz

im Hinblick auf die Qualität der erbrachten Dolmetschleistungen.

Gradincevic-Savic (2003) zufolge sind Polizeibeamt/innen bereits mit derart schlechten

Dolmetschungen zufrieden, dass sie gar nicht wissen, was eine gute Dolmetschung

ausmacht. Auch Stanek (2011a:163f.) konnte in ihrer Studie durch die Analyse von

Interviews mit Polizeibeamt/innen zeigen, dass mit dolmetschbezogenen Problemen

unterschiedlich umgegangen wird. Während einige aufgrund negativer Erfahrungen ein

hohes Qualitätsbewusstsein erlangt haben, beachten einige Polizeibeamt/innen diese

Problematik kaum. In Zusammenhang damit stellt sich die Frage, was unter

„Dolmetschqualität“ verstanden wird und ob die Vorstellungen mit den

translationswissenschaftlichen Qualitätskriterien übereinstimmen.

In der Translationswissenschaft sind ausgebildete Dolmetscher/innen sprach- und

sachkundige Expert/innen, während dolmetschende Polizeibeamt/innen in die Kategorie

55

der Laiendolmetscher/innen fallen. Möglicherweise schätzen Polizeibeamt/innen, die als

Laiendolmetscher/innen fungieren, die Komplexität der Dolmetschtätigkeit falsch ein,

wodurch sie auch die Qualität der Dolmetschleistung nicht beurteilen können (vgl. Stanek

2011a:167).

Stanek zufolge beurteilen Polizeibeamt/innen die Qualität der Dolmetschung häufig nach

folgenden Kriterien: „Rededauer (im Vergleich zum Original), Redefluss und Häufigkeit

der gestellten Rückfragen“ (ibid.). In der Translationswissenschaft ist jedoch bekannt, dass

die Qualität nicht an den eben genannten Kriterien festzumachen ist, da zum Beispiel die

Rededauer aufgrund unterschiedlicher Sprachkriterien, wie Satzbau oder Wortlänge,

unterschiedlich sein kann. Für die Polizei als Auftraggeberin steht jedoch die Zufriedenheit

im Mittelpunkt, und dieses Kriterium entscheidet über die Wiederbestellung der

Dolmetscher/innen. Somit steht nicht die Fachkompetenz des Dolmetschers/der

Dolmetscherin im Vordergrund, sondern die Regelmäßigkeit bzw. die bereits gemachte

Erfahrung, bei der Polizei zu dolmetschen (Stanek 2011a:40).

Des Weiteren ist hierbei noch anzumerken, dass Polizeibeamt/innen die Zertifizierung

bzw. Beeidigung nicht unbedingt als Qualifikation zum/zur Polizeidolmetscher/in sehen

(vgl. Schlütter-Ellner 2011:38; Piprek 2011:54). Ein weiteres Kriterium für die

Rekrutierung ist die Nähe des Wohnortes eines Dolmetschers/einer Dolmetscherin

(Ahrens/Kalina 2014:186). Des Weiteren stellen die Kosten einen Entscheidungspunkt dar,

weshalb die Heranziehung beeideter Gerichtsdolmetscher/innen häufig missachtet wird, da

diese höhere Honorare verlangen (ibid.). Wenn die Behörden auf Kostensparkurs sind, gilt

der Preis als vorrangiges Kriterium (vgl. Ahrens/Kalina 2014:186; Stanek 2011a:112). An

einigen Polizei-Dienststellen in Deutschland und auch in Österreich gibt es nicht

ausreichend Mittel für komplexe Ermittlungsverfahren, weshalb auf nicht zwangsweise

notwendige Schritte verzichtet wird (vgl. Jogerst 1996:24). Da aber der Verzicht auf

Dolmetscher/innen, wie bereits erwähnt, gesetzeswidrig ist, wird auf günstigere Optionen

wie Laiendolmetscher/innen zurückgegriffen. §126 Absatz 2c StPO appelliert deshalb auch

für Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit bei der Auswahl von

Dolmetscher/innen. Im gleichen Paragrafen ist übrigens auch festgelegt, dass in erster

Linie allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Dolmetscher/innen heranzuziehen

sind, dies aber aufgrund der Verfügbarkeit und Sprache nicht immer möglich ist (vgl. StPO

§ 126).

Zwar gilt dieses Gesetz auch für den Bereich der Polizei, jedoch ist diese nicht zwingend

daran gebunden, beeidete Dolmetscher/innen beizuziehen. Diese Freiheit der

56

Auftragsvergabe zeigt sich auch darin, dass die Aufträge meist über Agenturen oder

Sprachschulen vergeben werden (vgl. Gradincevic-Savic 2003; Istomina 2000). Dadurch,

dass sich die Polizei nicht mit der Suche nach Dolmetscher/innen beschäftigen muss,

werden einerseits Kosten, andererseits aber auch Zeit gespart. Die von der Polizei

beauftragen Agenturen rekrutieren meist verfügbare Laiendolmetscher/innen aus

verschiedenartigen Berufs- und Personengruppen, weshalb der Fokus nicht auf der

Dolmetschqualität liegt (ibid.).

In Deutschland haben Polizei und Agenturen sogar Abkommen, woraus eine Verdrängung

von qualifizierten Dolmetscher/innen resultiert (vgl. Gradincevic-Savic 2003; Istomina

2000). Diese Tatsache zeugt erneut vom mangelnden Qualitätsbewusstsein der Polizei in

Hinblick auf die Dolmetschleistungen. Jedoch ist die Problematik der Heranziehung von

Laiendolmetscher/innen im Polizeisetting nicht alleine der Polizei zuzuschreiben. Des

Öfteren sind qualifizierte Dolmetscher/innen aus unterschiedlichen Gründen nicht

verfügbar, was auch Istomina (2000) in ihrem Artikel darlegt.

In diesem Zusammenhang ist noch zu erwähnen, dass jene Dolmetscher/innen, die

wiederholt nicht zur Verfügung stehen, von der Polizeidolmetscher/innenliste gestrichen

werden. Daraus resultiert die geringe Anzahl an qualifizierten Polizeidolmetscher/innen,

weshalb in weiterer Folge auf Laiendolmetscher/innen zurückgegriffen werden muss (vgl.

Istomina 2000). Ein Grund, weshalb Dolmetscher/innen nicht immer verfügbar sind, ist

auch die Uhrzeit, zu welcher die Aufträge zu erfüllen wären. Denn es ist keine Seltenheit,

dass Dolmetscher/innen spontan in der Nacht oder an Wochenenden rekrutiert werden

(vgl. Stanek 2011a:101).

Nicht nur Verständnisschwierigkeiten sind vorprogrammiert, sondern mangelnde

Sprachkompetenzen führen auch zu ungenauen Dolmetschungen oder dem Weglassen von

wichtigen Informationen (vgl. Pöchhacker 2005; Berk-Seligson 2011). Information ist ein

wichtiges Schlagwort für die polizeiliche Vernehmung, denn für die Polizei ist die genaue

Informationsübermittlung enorm wichtig. Aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse kann es

zu Sinnverschiebungen zwischen Original und Dolmetschung kommen (vgl. Berk-Seligson

2011). Zum Schluss soll noch erwähnt werden, dass bei der Polizei neben

Laiendolmetscher/innen auch ausgebildete Dolmetscher/innen bestellt werden. Da

Laiendolmetscher/innen jedoch mehrfach eingesetzt werden, sollte dieses Kapitel zeigen,

worin die Gründe dafür liegen.

57

3 Dolmetschen bei der Polizei

Das Dolmetschen bei der Polizei kann aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet

werden. Im Laufe der Recherche im Rahmen vorliegender Arbeit wurde festgestellt, dass

die Wege in Bezug auf die Anforderungen (siehe dazu Kapitel 1.3.3) aus angewandter

translationswissenschaftlicher Sicht und polizeilicher Sicht auseinandergehen. Deshalb soll

in den folgenden Unterkapiteln jeder Sicht genügend Raum gegeben werden, damit später

im empirischen Teil die Sichtweise der Vergangenheit (– da bereits in der Literatur

festgehalten –) mit der aktuellen Lage verglichen werden kann.

3.1 Dolmetschen aus Sicht der (angewandten)

Translationswissenschaft

Der rechtliche Kontext beinhaltet neben dem Gerichtsdolmetschen auch noch andere

Settings, die bisher weniger beleuchtet wurden. Stanek (2011a:11) ist der Meinung, dass

der Bereich des Polizeidolmetschens in der Translationswissenschaft noch nicht

ausreichend untersucht und auch wissenschaftlich thematisiert worden ist. Auch Pöllabauer

(2005:20) konstatiert, dass der Polizeibereich in der Dolmetschwissenschaft noch wenig

Aufmerksamkeit gefunden hat und dass viele Auftraggeber/innen nicht genügend

sensibilisiert sind, was die Komplexität des Dolmetschprozesses betrifft. Unter anderem

trifft das auf das Dolmetschen bei der Polizei zu (vgl. Perez 2015:310). Laut Perez

(2015:310) ändert sich die Forschungsintensität zum Polizeidolmetschen zurzeit jedoch

stark. Vor allem folgende Faktoren tragen dazu bei, dass das Polizeidolmetschen mehr in

den Fokus der Translationswissenschaft rückt: Erstens steigt der Bedarf an

Dolmetschungen im rechtlichen Kontext stetig an, zweitens sieht das Gesetz vor, dass für

einen fairen Prozess jede/r ein Anrecht auf eine Dolmetschung hat, und drittens steigt das

Bewusstsein, dass Dolmetscher/innen ein wichtiger Bestandteil des Ermittlungsverfahrens

sind (vgl. ibid.).

Laut ÖVGD (2018) stehen zertifizierte Gerichtsdolmetscher/innen nicht nur für ein faires

Gerichtsverfahren, sondern auch für das Ermittlungsverfahren zur Verfügung, das heißt

„für Gerichte und Behörden (Polizei, Asylbehörden usw.)“.

Pöllabauer ist wie Berk-Seligson der Meinung, dass die Beeidigung von

Dolmetscher/innen keine Garantie zur Qualifizierung der Dolmetscher/innen für die

58

Tätigkeit vor Gericht oder auch anderen außergerichtlichen Settings darstellt (vgl.

Pöllabauer 2005:23, Berk-Selingson 1990:204).

Es wird zunehmend über die Notwendigkeit der Professionalisierung von

Dolmetscher/innen im Rechtsbereich diskutiert. Bisher fokussierten Forschungsarbeiten

vor allem das Gerichtsdolmetschen. Doch bevor ein/e Dolmetscher/in bei Gericht zum

Einsatz kommt, gibt es ein Ermittlungsverfahren, das von den Ermittlungsbehörden, der

Polizei, durchgeführt wird. Stanek (2011a:15) zufolge werden aus Sicht der Wissenschaft

am Dolmetsch-Einsatzort der Polizei auch beeidete Gerichtsdolmetscher/innen eingesetzt,

obwohl die Dolmetschwissenschaft diesem Aspekt kaum Aufmerksamkeit schenkt.

Aufgrund der fortschreitenden Globalisierung sind die Ermittlungsbehörden jedoch

durchaus auf qualifizierte Dolmetscher/innen angewiesen (ibid.:11).

Laut Stanek (2011a:15) werden durch den Einsatz unqualifizierter Dolmetscher/innen die

Grundsätze der Europäischen Menschenrechtskonvention (vgl. Art.5 II, Art. 6 III a, e

EMRK) verletzt, da die geforderte Dolmetschqualität nicht geliefert werden kann.

Pöllabauer (2005:20) weist darauf hin, dass die Unerforschtheit des Bereiches

Polizeidolmetschen nicht auf mangelndes Interesse zurückzuführen ist, sondern eher auf

die schwere Zugänglichkeit dieses Forschungsfeldes, allein aufgrund des Datenschutzes.

Pöllabauer (2006:231) schreibt in ihrem Beitrag, dass sich eine Großzahl an Publikationen

auf den/die Dolmetscher/in bei Gericht konzentriert, selbst wenn die Rede von

Dolmetschen im rechtlichen Kontext ist. Sie ist der Meinung, dass sich zwar viele

Wissenschaftler/innen, auch aus anderen Disziplinen, mit dem Dolmetschen im rechtlichen

Kontext auseinandergesetzt haben, davon jedoch nur eine Handvoll, die sich auch mit der

Thematik bei der Polizei oder im Asylwesen beschäftigt hat (ibid.:232). Laut Pöllabauer ist

das Handlungsfeld von Dolmetscher/innen bei Gericht klar geregelt und es lässt sich auch

eine gewisse Professionalisierung erkennen. Bei außergerichtlichen Settings gibt es kaum

klare Regelungen in Bezug auf die Tätigkeit von Dolmetscher/innen, beispielsweise das

Dolmetschen bei der Polizei (vgl. Pöllabauer 2005:22). Trotz Bemühungen zur

Professionalisierung des Community Interpreting seitens der Berufsverbände für

Dolmetscher/innen werden weiterhin nicht-professionelle Dolmetscher/innen in diesem

Bereich eingesetzt. Der Einsatz dieser Dolmetscher/innen ist unter anderem auch auf die

laut Pöllabauer (2005:24) inakzeptable Honorierung der Dolmetschleistungen

zurückzuführen, weshalb dieser Tätigkeitsbereich für professionelle Dolmetscher/innen

unattraktiv wird. Berk-Seligson (2009) befasste sich ebenfalls mit dem Handlungsfeld der

Polizeidolmetscher/innen. Ihr Forschungsfokus liegt unter anderem auf der Rolle, die

59

Dolmetscher/innen bei der Polizei einnehmen, und kommt zum Schluss, dass

Polizeidolmetscher/innen nicht nur als Dolmetscher/innen agieren, sondern auch andere

Rollen übernehmen, wie die des/der Vernehmungsbeamt/in. Zudem werden des Öfteren

nicht professionelle Dolmetscher/innen eingesetzt. Diese beiden Faktoren gefährden

Pöllabauer zufolge die Rechte der Befragten (vgl. Pöllabauer 2005:44). Auch Krouglov hat

sich umfassend mit der Thematik des Dolmetschens bei der Polizei beschäftigt und kam

zum Schluss, dass Dolmetschleistungen im polizeilichen Setting als „act of necessary and

therefore intense interpersonal and intercultural communication“ (vgl. Krouglov 1999:285)

verstanden werden. Ebenso hat sich Ackermann (1997) umfassend mit dem Thema

Dolmetschen bei der Polizei beschäftigt. Basierend auf den Minimalanforderungen von

Jogerst (1996) hat sie folgendes „Kompetenzmodell des Dolmetschens bei Polizei und

Gericht“ entwickelt (vgl. Ackermann 1997 zit. nach Pöllabauer 2005:29).

(1) Persönliche Zuverlässigkeit und Integrität der DolmetscherInnen,

(2) Sprachliche und fachliche Kompetenz

(3) Die „korrekte“ Übersetzung

(4) Kooperatives Verhalten von DolmetscherInnen und BeamtInnen

(5) DolmetscherInnen als „Randfiguren“ – emotionales Verhalten und Neutralität

(6) Hervorragende Kenntnisse der sozialen und kulturellen Besonderheiten

(7) Hohe Frustrationstoleranz

(8) Berufsethos und Sicherheit. (vgl. Ackermann 1997 zit. nach Pöllabauer 2005:29)

Unter Punkt 3 wird die korrekte Übersetzung erwähnt. Unter „korrekt“ ist hierbei eine

möglichst wortgetreue Übersetzung zu verstehen (vgl. Pöllabauer 2005:110).

Stanek orientierte sich in ihrem Aufsatz „Dolmetschen bei der Polizei“ (2011a) an den

unterschiedlichen Mindestanforderungen, die im Rahmen des BM.I-Projektes zum

Asyldolmetschen im Jahre 2006 im Handbuch „Dolmetschen im Asylverfahren“

dargestellt wurden. Sie konstatiert, dass die aufgezählten Kriterien ohne Weiteres auf den

Polizeibereich übertragen werden können (siehe Abb. 3-5).

60

61

Abbildung 3-5: Handlungsrichtlinien (vgl. Stanek 2011:104ff.)

Die angeführten Handlungs- bzw. Verhaltensrichtlinien wurden, wie bereits erwähnt, im

Rahmen des Asylprojektes von den Mitgliedern des Netzwerkes „Sprachen-Rechte“, von

NGO-Mitgliedern sowie Dolmetscher/innen und Vertreter/innen der Universitäten Graz

und Wien erstellt. Im Rahmen dieser Masterarbeit dienen sie später – im empirischen Teil

– als Forschungsgrundlage, da sich die Frage stellt, inwiefern Polizeibeamt/innen

tatsächlich Wert auf diese Kriterien legen und ob diese Kriterien auch seitens der

ausgewählten Dolmetscher/innen eingehalten werden. Die Handlungsrichtlinien beinhalten

meines Erachtens die wichtigsten Eckpunkte einer Dolmetschsituation, weshalb es von

Interesse ist, ob diese in der Praxis auch tatsächlich Anwendung finden. Nachdem Stanek

der Meinung ist, dass diese Richtlinien ohne Weiteres auf die Situation bei der Polizei

62

übertragen werden können, soll diese Behauptung im Rahmen der empirischen Analyse

dieser Masterarbeit überprüft werden.

3.2 Dolmetschen aus Sicht der Polizei

Stanek (2011b:78) hat in ihrer Forschungsarbeit zum Dolmetschen bei der Polizei in

Deutschland die Sichtweise einiger Exekutivbeamter/Exekutivbeamtinnen über die

gebräuchliche Auftragsvergabe und Qualifizierung festgehalten. Sie hat herausgefunden,

dass Polizeibeamt/innen die Dolmetscher/innenwahl häufig aufgrund persönlicher

Vorlieben treffen. Die Wahl des/der Dolmetscher/in resultiert aus der bisherigen

Zusammenarbeit bzw. den Erfahrungswerten mit den diversen Dolmetscher/innen. Fällt in

den Augen der Polizeibeamt/innen der/die Dolmetscher/in positiv auf, wird er/sie wieder

bestellt. War die Erfahrung negativ, ist der/diejenige Dolmetscher/in diskreditiert.

Jedem/Jeder von Stanek befragten Polizeibeamt/in ist bewusst, dass er/sie durch seine/ihre

individuellen Auswahlkriterien Einfluss auf die Dolmetschqualität hat (vgl. Stanek

2011b:78).

Die befragten Polizeibeamt/innen sind der Meinung, dass die geführten

Dolmetscher/innenlisten einerseits ineffektiv sind, da sie ein enormes Ungleichgewicht bei

der Auftragsverteilung begünstigen (ibid.). Andererseits ist es für Polizeibeamt/innen aber

auch schwer, Dolmetscher/innen zu finden, da es seitens der Behörden keine normierte

oder zeitlich terminierte Bestellungspflicht gegenüber den beeideten und zertifizierten

Dolmetscher/innen gibt. Letztere sind oftmals zum Zeitpunkt der Suche telefonisch nicht

erreichbar oder aufgrund anderer Aufträge nicht verfügbar (ibid.).

Was die Dolmetscher/innenauswahl über Vermittlungsagenturen betrifft, gehen die

Meinungen der Polizeibeamt/innen auseinander. Einerseits sehen sie diese Möglichkeit als

Erleichterung, da dadurch viel Zeit und auch Kosten gespart werden können. Andererseits

sind die Polizeibeamt/innen nicht sonderlich von der Zusammenarbeit mit den vermittelten

Dolmetscher/innen angetan, da ihre Eignung seitens der Büros nicht überprüft wird. Bei

einer Überprüfung der Qualifikation seitens der Büros ist neben der Ausbildung auch die

Berufserfahrung ausschlaggebend, da diese für viele Polizeibeamt/innen vorrangig ist. Des

Weiteren kommt noch hinzu, dass qualifizierte Dolmetscher/innen nur ungern mit

Vermittlungsagenturen zusammenarbeiten, da die Honorierung aufgrund der relativ hohen

Vermittlungsprovision sehr gering ist (vgl. Stanek 2011b:78f.).

63

Polizeibeamt/innen arbeiten unter enormem Zeitdruck, weshalb sie auf erfahrene

Polizeidolmetscher/innen zurückgreifen, die ihre Teamfähigkeit bereits unter Beweis

gestellt haben (vgl. Stanek 2011b:80). Die positiven Erfahrungen bezüglich der

Zusammenarbeit mit Dolmetscher/innen betreffend, kommt auch Pöllabauer (2005:454) in

ihrer Untersuchung zum Fazit, dass es an umfassenden Schulungen für Dolmetscher/innen

bei der Polizei sowie für die Polizei bedarf.

Die bilinguale polizeiliche Vernehmung ist kein alltägliches Faktum, weshalb sie von

Polizeibeamt/innen auch als problematisch eingestuft wird. Zwar wird die Kommunikation

durch eine/n Dolmetscher/in erst ermöglicht, jedoch müssen Polizeibeamt/innen auf die

herkömmlichen Vernehmungsstrategien verzichten, da sie den/die Betroffene/n nicht direkt

ansprechen können. Des Weiteren können die gleichen Strategien auch deshalb nicht

angewandt werden, da Dolmetscher/innen meist in Bezug auf Fragetechniken oder

Vernehmungsstrategien nicht ausreichend geschult sind (vgl. Pöllabauer 2005:107).

Seitens den von Donk (1996:167) befragten Polizeibeamt/innen wird erwartet, dass

Dolmetscher/innen kriminalistisch kompetent sind, eigeninitiativ agieren und teilweise

auch die Rolle des Hilfspolizisten/der Hilfspolizistin übernehmen.

Der deutsche Dolmetscher und jahrelange Präsident des Bundesverbandes der Dolmetscher

und Übersetzer in Deutschland, André Lindemann (2006), schrieb über seine eigenen

beruflichen Erfahrungen und hielt in seinem Beitrag „Übersetzungsmaschine oder

Hilfspolizist“ fünf unterschiedliche Rollen fest, die Dolmetscher/innen bei der Polizei

einnehmen können. Zum einen können Dolmetscher/innen die Rolle des/der

denunziatorisch agierenden Hilfspolizisten/Hilfspolizistin übernehmen – d.h., die Rolle

eines/einer autoritären Polizisten/Polizistin. Dadurch verspielen sie das Vertrauen aller

Beteiligter und werden ein Hindernis für die Vernehmung (vgl. Lindemann 2006:28). Zum

anderen können Dolmetscher/innen die Rolle des/der sprachinkompetenten

Hilfspolizisten/Hilfspolizistin einnehmen. Dabei bemühen sich Dolmetscher/innen, einen

kooperativen Kontakt zum/zur Beschuldigten aufzubauen, jedoch können aufgrund

mangelnder sprachlicher Kompetenz lediglich Personalien und/oder der Sachverhalt auf

sehr oberflächlicher Ebene ermittelt werden (vgl. Lindemann 2006:28; Donk/Schröer

1995, zit. nach Pöllabauer 2005:108).

In der dritten Rolle werden Dolmetscher/innen zu Übersetzungsmaschinen. Diese Rolle

nehmen Dolmetscher/innen dann ein, wenn der Auftrag vom/von der Polizeibeamt/in

direkt geäußert wird. In diesen Fällen wird der/die Beschuldigte vom Polizeibeamten/von

der Polizeibeamtin direkt angesprochen, wobei er/sie auch testet, ob der/die Beschuldigte

64

ihn auch tatsächlich nicht versteht (vgl. Lindemann 2006:28; Donk 1996:171, zit. nach

Pöllabauer 2005:109).

Bei der vierten Rollenmöglichkeit übernehmen Dolmetscher/innen die Funktion des/der

Vernehmungsbeamten/Vernehmungsbeamtin. Dolmetscher/innen leiten die Vernehmung

und Polizeibeamt/innen mutieren zu Schreibkräften. Diese Rolle kommt laut Donk

(1996:177) nur dann zur Anwendung, wenn Polizist/innen Dolmetscher/innen implizit

dazu auffordern.

Die letzte und fünfte Rolle, die eingenommen werden kann, ist die Rolle als

Erfüllungsgehilfe. Dolmetscher/innen stehen laut Lindemann dabei unter dem Druck

des/der Polizeibeamt/in und versuchen, all dessen/deren Wünsche umzusetzen (vgl.

Lindemann 2006:28; Pöllabauer 2005:110).

Jogerst (1996) untersuchte die Zusammenarbeit von Polizei und Dolmetscher/innen und

erstellte aufgrund dessen eine Art Katalog von Minimalanforderungen an

Dolmetscher/innen, die von der Polizei gewünscht sind. Zu den Anforderungen zählen die

ständige Erreichbarkeit und die Einhaltung von Terminen. Zudem soll der/die

Dolmetscher/in gute Kenntnisse des Strafverfahrensrechts des jeweiligen Landes besitzen,

in dem er/sie dolmetscht. Auch ein fundiertes Wissen über das Personenstandsrecht des

Herkunftslandes der/des Befragten sind wichtig. Als letzten Punkt wünscht sich die Polizei

noch eine diktatsichere Formulierung der Übersetzung (vgl. Jogerst 1996:24).

Auch Stanek führt in ihrem Aufsatz Anforderungen an den/die Dolmetscher/in aus

polizeilicher Sicht an. Aus polizeilicher Sicht sollte der/die Dolmetscher/in

- bei Straftaten mit höherem Schweregrad besonders vertrauenswürdig sein,

- ständig verfügbar und abrufbar sein (nachts, frühmorgens, am Wochenende),

- über Expertenwissen verfügen, das heißt, er sollte Kenntnisse über unterschiedliche

Dialekte, Slangbegriffe, Subkulturen usw. haben,

- detektivisches Gespür haben, um mögliche Geheimsprachen oder Codes

entschlüsseln zu können und

- selbstbewusst und stressresistent sein (vgl. Stanek 2011:101f.).

Anhand dieser Aufzählung kann man erkennen, dass von Dolmetscher/innen ein breites

Spektrum an Wissen erwartet wird, jedoch wird dem Aspekt des Vertrauens mehr

Bedeutung beigemessen. Polizeibeamt/innen unterscheiden laut dieser Aufzählung je nach

Schwere der Straftat und sind somit bei leichteren Straftaten auch mit weniger

vertrauenswürdigen Dolmetscher/innen zufrieden.

65

Die Gerichtsdolmetscherin Gradincevic-Savic (2003) erwähnt im Interview ähnliche

Anforderungen wie Stanek. In Anbetracht der von Stanek (ibid.) genannten Anforderungen

stellt sich Gradincevic-Savic (2003) die Frage, ob Polizeibeamt/innen bereits an schlechte

Dolmetschleistungen von Laiendolmetscher/innen gewöhnt sind und sich keine gute

Verdolmetschung mehr vorstellen können, da weiterhin Laiendolmetscher/innen eingesetzt

werden.

Im Rahmen der nun nachfolgenden empirischen Untersuchung ist es von Interesse, welche

Kriterien in den Augen der Polizei eine/n qualifizierte/n Dolmetscher/in ausmachen. Sind

es Kompetenzen, die im Rahmen der Zertifizierung gar nicht abgefragt werden, oder ist die

Beeidigung ausschlaggebend? Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie viel

kriminalistisches Verständnis der/die Dolmetscher/in mitbringen soll, damit er/sie die

Dolmetschtätigkeit zufriedenstellend ausüben kann. All diesen Fragen soll sich der

empirische Teil dieser Masterarbeit widmen.

4 Empirische Studie

Der zweite Teil der vorliegenden Masterarbeit beschäftigt sich mit der empirischen

Untersuchung der im theoretischen Teil behandelten Thematik. Demgemäß soll in den

folgenden Kapiteln untersucht werden, welche Erfahrungen Polizist/innen mit

Dolmetscher/innen gemacht haben. Das bedeutet, dass der Forschungsfokus auf die Praxis

gerückt wird, um später die Meinungen und Ansichten der Polizist/innen zu diskutieren

und mit den dargelegten Inhalten des theoretischen Teils zu vergleichen. Um

Forschungsmaterial für den empirischen Teil zu erhalten, wurden Polizist/innen von

unterschiedlichen Polizeidienststellen aus Kärnten interviewt.

Im Folgenden sollen nun zuerst die Forschungsfragen und Hypothesen präsentiert werden,

um danach auf das Ziel der Untersuchung eingehen zu können. Danach sollen die

Forschungsmethoden zur Datenaufbereitung und Datenerhebung vorgestellt und begründet

werden. In einem weiteren Kapitel werden der Interviewleitfaden und die geführten

Interviews diskutiert, woraufhin die erhaltenen Daten analysiert werden sollen.

Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst, um die gestellten

Forschungsfragen zu beantworten und die aufgestellten Hypothesen zu bestätigen oder zu

widerlegen.

66

4.1 Zielsetzung, Forschungsfrage und Hypothesen

Ziel dieser Arbeit ist es, die Erfahrungen von Polizist/innen in der Zusammenarbeit mit

Dolmetscher/innen zu untersuchen. Wie im theoretischen Teil bereits angesprochen,

werden bei der Polizei sowohl professionelle als auch Laiendolmetscher/innen

herangezogen. Ebenso wurde festgehalten, dass die Ausbildung keine Garantie für eine

qualitativ hochwertige Dolmetschung darstellt, was vice versa bedeutet, dass

Laiendolmetscher/innen durchaus auch professionelle Leistungen erbringen können.

Anhand der empirischen Untersuchung soll herausgefunden werden, wie Polizist/innen die

Zusammenarbeit mit Dolmetscher/innen empfinden und ob es Unterschiede zwischen den

Dolmetscher/innen gibt. Des Weiteren soll dargelegt werden, wie zertifizierte

Dolmetscher/innen im Vergleich zu Laiendolmetscher/innen von Polizeibeamt/innen im

Rahmen der Ausübung ihrer Tätigkeit wahrgenommen werden und auf welche

Charakteristika besonderer Wert gelegt wird

Um dem empirischen Teil Struktur zu geben, dienen folgende Forschungsfragen als Gerüst

der Untersuchung:

Zuerst soll der Frage nachgegangen werden, wer in den Augen von Polizist/innen ein/e

Dolmetscher/in ist, also, welche Eigenschaften und/oder Kompetenzen dieser Person

zugeschrieben werden und auch als Voraussetzung dienen. Im Weiteren wird untersucht,

ob es ein Standardprozedere bei der Heranziehung von Dolmetscher/innen gibt und was

die Gründe für die jeweilige Auswahl von Dolmetscher/innen sind. Zusätzlich soll noch

die Frage beantwortet werden, welche Auswahlkriterien beim Engagement von

Laiendolmetscher/innen bzw. professionellen Dolmetscher/innen herangezogen werden.

Aus den eben vorgestellten Forschungsfragen werden folgende Hypothesen abgeleitet:

Zum einen wird davon ausgegangen, dass Personen, die beider involvierter Sprachen

mächtig sind, als Dolmetscher/innen angesehen werden und dass auf andere Aspekte kaum

geachtet wird. Es wird auch die Hypothese aufgestellt, dass es ein Standardprozedere gibt,

dass vom Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz

vorgegeben wird, jedoch wird dieses von Polizist/innen, die bereits Erfahrungen mit

Dolmetscher/innen gemacht haben, zugunsten persönlicher Präferenzlisten vernachlässigt.

Es wird auch davon ausgegangen, dass in erster Linie Laiendolmetscher/innen

herangezogen werden, da sie sowohl kostengünstiger als auch leichter erreichbar sind als

67

ausgebildete bzw. zertifizierte Dolmetscher/innen und dass das persönliche Vertrauen eine

zentrale Rolle bei der Auswahl spielt.

Im Zuge der Recherche wurde festgestellt, dass es schwer ist, eine klare Grenze zwischen

laienhafter und professioneller Dolmetschung bzw. den spezifischen Charakteristika von

Laien- und Profidolmetscher/innen zu ziehen. Deshalb sollen in vorliegender Masterarbeit

jene Personen, die keine translationswissenschaftliche Ausbildung genossen haben, als

„Laien“ bezeichnet werden.

4.2 Methode der Untersuchung

Um die empirische Untersuchung wissenschaftlich nachvollziehbar zu machen, sollen im

Folgenden die im Rahmen der empirischen Untersuchung verwendeten Methoden

dargelegt und argumentiert werden. Grundsätzlich gliedert sich die vorliegende

Untersuchung in drei große Schritte: Datenerhebung, Datenaufbereitung und

Datenauswertung. Als Erhebungsmethode wurde das qualitative halbstandardisierte

Interview gewählt. Diese Methode wurde im Rahmen dieser Untersuchung als die

geeignetste Methode der Datenerhebung erachtet, da der thematische Rahmen durch den

Gesprächsleitfaden vorgegeben ist, jedoch den konkreten Gesprächsverlauf weitestgehend

offenlässt und somit ein natürliches Gespräch zwischen den Befragten und dem

Interviewer ermöglicht (Hug/Poscheschnik 2010:104). Die offen gestellten Fragen bieten

den Polizeibeamt/innen die Möglichkeit, ihre persönliche Perspektive darzulegen.

Die erhaltenen Daten wurden im nächsten Schritt, der Datenaufbereitung, transkribiert.

Eine Transkription dient dazu, mündliche Informationen lesbar zu machen (vgl.

Hug/Poscheschnik 2010:136). Bei der Transkription ist es wichtig, zu unterscheiden, was

essentiell für die Analyse ist (vgl. Gläser/Laudel 2004:188). Deshalb sollen vor der

Transkription selbst Transkriptionsrichtlinien festgehalten werden, anhand welcher

bestimmt wird, wie transkribiert werden soll (vgl. Hug/Poscheschnik 2015:135f.).

Gläser/Laudel (2010:193) konstatieren, dass es keine allgemein gültigen

Transkriptionsrichtlinien gibt, da jede/r Forscher/in, je nach Untersuchungsziel, eigene

Transkriptionsregeln erstellen kann (Gläser/Laudel 2010:193). In der vorliegenden

Masterarbeit wurden als Basis für die Transkription der Interviews die

Transkriptionsrichtlinien von Froschauer und Lueger (2003:223f.) zur Hilfe genommen.

Diese Richtlinien wurden vereinfacht, da der Forschungsfokus auf dem Inhalt der

68

gegebenen Antworten der Befragten liegt und nicht auf den parasprachlichen oder

nonverbalen Merkmalen. Bei der Transkription wurde daher den Dialekten und Pausen

keine Beachtung geschenkt, da sie für die Auswertung nicht relevant sind. Dialektbedingte

Ausdrücke (z.B. „konn“ statt „kann“) wurden an die Standardsprache angepasst,

stilistische Ungereimtheiten wurden jedoch beibehalten. Die Zeichensetzung und das

gesetzte Satzende erfolgten aufgrund der Intonation. Füllwörter wie „ähm“ oder

Reaktionen wie „mhm, ok“ wurden nicht transkribiert. Um die Anonymität der

interviewten Personen zu wahren, wurden Namen von Personen oder Einrichtungen sowie

Orten ausgelassen.

Zur leichteren Lesbarkeit wurden die Transkripte mit Zeilenangaben nummeriert und die

teilnehmenden Personen mit folgenden Kürzeln gekennzeichnet: Die interviewende Person

mit „I“ und die Interviewpartner mit „IP“ und der jeweiligen Kennnummer (1-10).

Nonverbale Äußerungen, wie zum Beispiel Lachen, stehen in runden Klammern.

Unverständliche Passagen wurden mit runden Klammern und Fragezeichen (?)

gekennzeichnet.

Die transkribierten Interviews wurden im nächsten Schritt ausgewertet. Für die

Auswertung wurde die Methode der qualitativen Inhaltsanalyse gewählt, da durch diese

Methode Texte inhaltlich analysiert werden können. Für die Analyse werden ähnliche

Textpassagen in Sinn-Einheiten gegliedert und Kategorien zugeteilt. Die gebildeten

Kategorien teilen sich in deduktive und induktive Kategorien. Die deduktive Kategorie ist

jene, die bereits auf theoretischer Basis gebildet wurde, wohingegen induktive Kategorien

aus der Analyse heraus entstehen (Hug/Poscheschnik 2010:151). Diese Methode wurde

gewählt, um verschiedene Aspekte des Themas tiefgehender zu beleuchten, da dadurch bei

der Erstellung des Interviewleitfadens nicht bedachte Aspekte ebenfalls diskutiert werden

können.

4.3 Durchführung der Interviews

Die Kontaktaufnahme mit den Interviewpartner/innen erfolgte per Telefon oder mittels

eines persönlichen Gespräches. Alle Interviews wurden zwischen dem 4. und 15. Juni 2018

durchgeführt. Die interviewten Polizist/innen arbeiten in unterschiedlichen Kärntner

Polizeidienststellen, und zwar in den Abteilungen der Kriminalistik, der Fremdenpolizei

bis hin zur Präventionsarbeit. Insgesamt wurden zehn Polizist/innen zu ihren Erfahrungen

69

mit Dolmetscher/innen interviewt, wobei ein Interview im Durchschnitt fünfzehn Minuten

dauerte. Der Interviewort wurde in allen Fällen von den Interviewpartner/innen bestimmt,

wobei die Wahl immer auf ein Sprechzimmer bei der Polizei fiel.

Der Ablauf der Interviews gestaltete sich relativ ähnlich. Zu Beginn wurden die

Interviewpartner/innen begrüßt, die Fragestellerin stellte sich kurz vor, und danach wurden

erneut die Beweggründe für die Durchführung der Untersuchung erläutert. Daraufhin

wurde allen Interviewpartner/innen eine vertrauliche Behandlung der Daten unter strikter

Wahrung der Anonymität zugesichert. Dies beinhaltet auch die Versicherung, dass die

Transkripte der Interviews nicht veröffentlicht werden, um mögliche Rückschlüsse auf

dahinterstehende Personen zu vermeiden. Aufgrund dieser Tatsache werden die

Interviewpartner/innen auch nicht vorgestellt.

Nachdem die organisatorischen Eckpunkte geklärt waren, wurden die

Interviewpartner/innen gebeten, möglichst frei und offen über ihre Erfahrungen in Bezug

auf die Zusammenarbeit mit Dolmetscher/innen zu erzählen. Um die Gedanken anzuregen,

wurden allgemeine Fragen gestellt, damit den Erzählungen keine Grenzen gesetzt wurden.

Der Leitfaden diente lediglich dazu, den sog. „roten Faden“ zu behalten.

Bei den durchgeführten Interviews wurden folgende Fragen gestellt:

Einleitung:

Könnten Sie mir ein bisschen über Ihre Tätigkeit als Polizist/in erzählen?

Haben Sie bereits mit Dolmetscher/innen gearbeitet? Erzählen Sie darüber.

Eigenschaften:

Wenn Sie sich eine/n Dolmetscher/in vorstellen, an welche Eigenschaften denken

Sie?

Ablauf / Vorbereitungen:

Wie gehen Sie vor, wenn Sie erfahren, dass Sie mit einer fremdsprachigen Person

konfrontiert werden? Können Sie ein Szenario beschreiben?

Gibt es institutionelle Vorgaben für die Auswahl von Dolmetscher/innen? /

Gibt es bestimmte Voraussetzungen, die Dolmetscher/innen erfüllen müssen, damit

sie als Polizeidolmetscher/innen rekrutiert werden?

Nach welchen Kriterien wählen Sie persönlich eine/n Dolmetscher/in aus?

70

Wie ist Ihre Herangehensweise an eine Vernehmung mit Dolmetscher/innen-

Beteiligung? Gibt es Unterschiede zur einsprachigen Vernehmung?

Hauptteil / Während einer Vernehmung / eines Auftrages:

Was ist in Ihren Augen eine gute Dolmetschung?

Welche Rolle(n) sollte Ihrer Meinung nach der/die Dolmetscher/in einnehmen?

o Was darf der/die Dolmetscher/in während einer Vernehmung?

o Was darf der/die Dolmetscher/in während einer Vernehmung nicht?

Welche Erwartungen haben Sie an den/die Dolmetscher/in?

Welche Aufgaben erteilen Sie dem/der Dolmetscher/in?

Was bedeutet für Sie „Professionalität“ im Zusammenhang mit Dolmetscher/innen?

Für welche Sprachkombination haben Sie schon Dolmetscher/innen bestellt?

o Haben Sie selbst auch schon einmal eine Vernehmung gedolmetscht?

o Gibt es Unterschiede zwischen den Sprachen bei der Vernehmung?

Nach dem Auftrag / Erfahrungen:

Wie würden Sie Ihre bisherige Zusammenarbeit mit Dolmetscher/innen

beschreiben?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit nicht-professionellen Dolmetscher/innen bzw.

Laiendolmetscher/innen gemacht? (Nicht professionell in diesem Zusammenhang

bedeutet, dass sie keine Translationsausbildung genossen haben.) Erzählen Sie

darüber.

Was war der Grund, dass Sie Laiendolmetscher/innen herangezogen haben?

Gibt es in Ihren Augen Unterschiede zwischen Laiendolmetscher/innen und

speziell dafür ausgebildeten Dolmetscher/innen? Wenn ja, welche?

Wenn bestimmte Fragen bereits durch die Erzählungen der Polizeibeamt/innen beantwortet

wurden, so wurden diese nicht erneut gestellt.

An dieser Stelle soll ein großer Dank an alle Polizist/innen ausgesprochen werden, die sich

bereit erklärt haben, ein Interview zu führen. Beim jedem Interview herrschte eine

angenehme Atmosphäre, und somit konnte sich das Interview wie ein natürliches Gespräch

entfalten.

71

5 Auswertung der Interviews

Bevor mit der Analyse des Datenmaterials begonnen werden konnte, bestimmt die

qualitative Inhaltsanalyse nach Froschauer/Lueger (2003), Hug/Poscheschnik (2010) und

weiteren, dass ein Kategoriensystem entwickelt wird. Diese Kategorien helfen dabei, das

Interview zu gliedern und alle Daten qualitativ zu durchleuchten. Bereits vor

Analysebeginn, also bei der Erstellung des Interviewleitfadens, wurden vier Kategorien

gebildet, durch welche Antworten in Bezug auf die Zusammenarbeit mit

Dolmetscher/innen festgehalten werden können. Die vier deduktiven Kategorien des

Kategoriensystems sind:

K1. Erfahrungen mit Dolmetscher/innen

K2. Erfahrungen als Polizeidolmetscher/innen

K3. Eigenschaften und Kompetenzen

K4. Herangehensweise an die Zusammenarbeit mit Dolmetschern

Kategorie 1 befasst sich, wie es sich bereits aus der Bezeichnung der Kategorie ableiten

lässt, mit den Erfahrungen der Polizist/innen mit Dolmetscher/innen. In dieser Kategorie

soll das Hauptaugenmerk auf den Erfahrungen der Polizist/innen mit professionellen

Dolmetscher/innen und auch deren Erfahrungen mit Laiendolmetscher/innen liegen.

Außerdem soll beleuchtet werden, ob es Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen

gibt.

Der Fokus der Kategorie 2 liegt auf den Erfahrungen der Polizist/innen bezüglich diverser

Situationen, in denen sie selbst als Dolmetscher/innen agiert haben. In dieser Kategorie

soll festgehalten werden, wie es den Polizist/innen im Rahmen dieser Herausforderung

ergangen ist und auch, für welche Sprachen sie gedolmetscht haben.

Kategorie 3 umfasst einerseits Eigenschaften und Kompetenzen, die Polizist/innen

einem/einer Dolmetscher/in zuschreiben, und andererseits Anforderungen, die ein/e

Dolmetscher/in mitbringen muss, um als Polizeidolmetscher/in aufgenommen zu werden.

72

In dieser Kategorie sollen auch die Professionalität von Dolmetscher/innen und die

Qualität von Dolmetschleistungen näher diskutiert werden.

Der Fokus der Kategorie 4 liegt auf der Herangehensweise an die Zusammenarbeit mit

Dolmetscher/innen. Das heißt, es sollen sowohl die Heranziehung von Dolmetscher/innen

als auch die Auswahlkriterien beleuchtet werden. Außerdem sollen die vorbereitenden

Maßnahmen bzw. das Prozedere diskutiert werden.

Während der Interviewführung und auch später beim Transkribieren und Bearbeiten des

Datenmaterials wurde festgestellt, dass noch weitere interessante Aspekte von den

teilnehmenden Interviewpartnern genannt wurden, denen in dieser empirischen

Untersuchung ebenfalls Raum gegeben werden soll. Die später gebildeten Kategorien sind:

K5. Erwartungen

K6. Sympathie und Vertrauen

Kategorie 5 befasst sich mit den Erwartungen der Polizist/innen an die Dolmetscher/innen

in Bezug auf die Dolmetscherrolle. Es soll erläutert werden, was in den Augen der

Polizist/innen ein/e Dolmetscher/in beim Einsatz darf und was nicht. Ebenso soll(en) die

Rolle(n) der Dolmetscher/innen diskutiert werden.

Der Fokus von Kategorie 6 liegt auf der persönlichen Ebene, der Sympathie und dem

Vertrauen. Wie groß der Aspekt des Vertrauens zwischen Polizist/in und Dolmetscher/in

ist und welche Auswirkungen die persönliche Ausstrahlung auf den Einsatz bei der Polizei

hat, soll näher beleuchtet werden.

Im Folgenden soll jede Kategorie gesondert diskutiert werden, um aufzuzeigen, wie die

Sichtweise der Polizist/innen zu jedem dieser Punkte ist.

73

5.1 Erfahrungen mit Dolmetscher/innen

Im Laufe der Interviews stellte sich heraus, dass die Häufigkeit der Zusammenarbeit mit

Dolmetscher/innen je nach Abteilung variiert. Beispielsweise haben jene Polizist/innen, die

in der Fremdenpolizei tätig sind, täglich mit Dolmetscher/innen zu tun, während andere

Polizist/innen, die keiner bestimmten Polizeigruppe zugeteilt werden, lediglich zwei- bis

dreimal in der Woche auf eine/n Dolmetscher/in zurückgreifen müssen. Alle Polizist/innen

arbeiten nach dem gleichen Grundsatz:

„Sobald er/sie nicht Deutsch als Muttersprache hat, wird ein/e Dolmetscher/in

herangezogen.“ (IP10:Z43f.)

Im Zuge der vielen Gespräche stellte sich heraus, dass die Befragten Polizeibeamt/innen

die Bezeichnungen „professionelle/r Dolmetscher/in“ und „Laiendolmetscher/in“ synonym

verwenden. Sie unterscheiden sehr wohl zwischen „guten“ und „weniger guten“

Dolmetscher/innen, jedoch kann diese Unterscheidung nicht mit der Differenzierung

zwischen professionelle/r Dolmetscher/in und Laiendolmetscher/in gleichgesetzt werden.

In der Theorie unterscheiden Polizeibeamt/innen drei Arten von Dolmetscher/innen –

Sprachkundige, geprüfte Dolmetscher/innen und gerichtlich beeidete Dolmetscher/innen,

jedoch wird diese Unterscheidung in der Praxis kaum beachtet. Eine weitere interessante

Unterteilung der Polizist/innen war auch Folgende:

„Es gibt, so wie überall, Fähige, Fähigere und es gibt Gute“ (IP1:Z32).

Im Laufe der Gespräche wurde jedoch deutlich, dass diese Unterscheidung bei vielen

Polizeibeamt/innen sozusagen nur am Papier erfolgt, „weil ich frage ja nicht: Haben Sie

eine abgeschlossene Ausbildung oder nicht?“ (IP6:Z380). Das Hauptkriterium stellt für sie

der Faktor der guten Zusammenarbeit dar.

Einige Polizist/innen sehen die Zusammenarbeit mit den Dolmetscher/innen sogar als Teil

ihrer Arbeit, da sie tagtäglich mit vielen ausländischen Personen konfrontiert werden.

Viele betonen auch, dass aufgrund der Flüchtlingskrise die Frequenz der Zusammenarbeit

mit Dolmetscher/innen gestiegen ist.

Einige Polizist/innen unterscheiden auch zwei Arten von Dolmetschtätigkeiten. Eine ist die

Ad-hoc-Dolmetschtätigkeit und die andere das Beratungsgespräch bzw. die präventive

Rechtsaufklärung. Der Unterschied zwischen diesen beiden Arten liegt darin, dass bei der

74

ersten Variante spontan ein/e Dolmetscher/in herangezogen wird und bei der zweiten ein/e

Dolmetscher/in ausgewählt wird, der/die auch auf das Gespräch vorbereitet wird.

Viele Polizist/innen geben an, dass früher die meisten Angelegenheiten unter

Zuhilfenahme der englischen Sprache gelöst werden konnten, wohingegen heute auch viele

andere Sprachkenntnisse gefragt wären. Im Großen und Ganzen ist den Polizist/innen egal,

in welcher Sprache die Vernehmung geführt wird. Wichtig ist, dass der/die Dolmetscher/in

Inhalte nicht aus dem Zusammenhang reißt und dass die Vernehmung sinngemäß

protokolliert werden kann.

In Bezug auf die Vorbereitung auf eine Vernehmung mit Dolmetscher/innenbeteiligung

geben die meisten Polizist/innen an, sich nicht mehr vorzubereiten, da sie schon unzählige

Vernehmungen gemacht haben und wissen, wie sich der Ablauf gestaltet. Jedoch

besprechen sie den Sachverhalt vor Vernehmungsbeginn trotzdem mit dem/der

Dolmetscher/in, um ihn/sie vorzubereiten bzw. einzubinden. Viele Polizist/innen stimmen

mit der Aussage eines Kriminalpolizisten überein, wenn er meint:

„Aus meiner Erfahrung ist es sehr gut, wenn der Dolmetscher schon vorher mit in

die Ermittlungen eingebunden ist.“ (IP7:Z80f.)

Diese Ansicht beruht darauf, dass sich der/die Dolmetscher/in so besser vorbereiten kann

und die Zusammenarbeit dadurch erleichtert wird. Die wenigen Polizist/innen, die

angaben, sich vorzubereiten, achten zusätzlich noch drauf, welche/n Dolmetscher/in sie

auswählen. Sie wählen jene/n Dolmetscher/in, die ihnen für die jeweilige Situation

geeignet erscheint und im Zweifelsfall zusätzlich deeskalierend auf das Gegenüber wirkt.

Grundsätzlich haben jedoch sowohl Polizist/innen als auch Dolmetscher/innen keine

Vorbereitungszeit, da jederzeit etwas passieren kann und dann binnen kürzester Zeit ein/e

Dolmetscher/in organisiert werden muss.

Was die Fragen während einer Vernehmung betrifft, konstatieren einige, dass es keine

vorgefertigten Fragenprogramme gibt, da man auch keine Zeit für die Vorbereitung hat

und sich die Fragen teilweise im Laufe der Vernehmung ergeben. In anderen

Polizeigruppen ist es anscheinend jedoch Usus, die Vernehmung nach einem

vorgeschriebenen Leitfaden durchzuarbeiten. In diesem Fall geben die Polizist/innen an,

dass die Zusammenarbeit mit Dolmetscher/innen, die bereits öfters eine Vernehmung mit

Leitfaden gedolmetscht haben, leichter ist, da diese den Ablauf bereits kennen. Die

75

befragten Polizeibeamt/innen haben angemerkt, dass sich der Ablauf einer Vernehmung

nicht ändert, wenn ein/e Dolmetscher/in beteiligt ist. Die einzigen Unterschiede sind

„dass noch eine dritte Person da ist, der Dolmetsch, der uns das übersetzt, und es verzögert

sich zeitlich ein bisschen“ (IP3:Z86fff.).

Polizist/innen gestalten bei jeder Vernehmung neue Fragen und je nach Erfahrungsgrad des

Dolmetschers/der Dolmetscherin können auch Zwischenfragen gestellt werden. Einige

haben diesbezüglich angegeben, dass es nicht bei jedem/jeder Dolmetscher/in möglich ist,

Zwischenfragen zu stellen. Deshalb betonen Polizist/innen im Gespräch immer wieder,

dass durch den mehrmaligen Einsatz eines Dolmetschers/einer Dolmetscherin – egal ob

Sprachkundige/r, Geprüfte/r oder Gerichtsdolmetscher/in – die Zusammenarbeit optimiert

werden kann, da die Dolmetscher/innen ebenso ein Gefühl für die Situation entwickeln.

Ein Nachteil für die Vernehmung, der durch die Zusammenarbeit mit Dolmetscher/innen

entsteht, ist der Informationsverlust. Die Polizeibeamt/innen haben dafür Verständnis,

„weil der/die Dolmetscher/in einfach nicht alles übersetzt und auch nicht alles übersetzen

kann, was der da daherredet“ (IP7:Z183f.).

Bei längeren Einsätzen werden deshalb mehrere Dolmetscher/innen organisiert, damit

diese sich abwechseln und Pausen einlegen können, die Vernehmung aber trotzdem

weitergeführt werden kann.

In Bezug auf die Zusammenarbeit geben alle Polizist/innen an, dass sie durchwegs positive

Erfahrungen gemacht haben. Je öfter man mit einem/einer Dolmetscher/in

zusammengearbeitet hat, desto leichter wird es.

Was die Erfahrung zur Zusammenarbeit je nach Sprache betrifft, nennen alle, dass es auf

die Person ankommt und nicht auf die Sprache. Jede/r Dolmetscher/in vertritt seine eigene

Sprache und die Zusammenarbeit wird neben dem positiven Ergebnis der Vernehmung

auch mit persönlichen Kriterien, wie Freundlichkeit und Persönlichkeit, bewertet.

Beim Interview stellte sich heraus, dass die Polizei bezüglich der Kontaktierung von

Dolmetscher/innen des Öfteren mit Schwierigkeiten konfrontiert ist. Viele

Polizeibeamt/innen geben an, nicht immer das Glück zu haben, den/die gleiche/n

Dolmetscher/in heranziehen zu können, da nicht jede/r zu jeder Tages- und Nachtzeit

sofort verfügbar ist. Die Befragten geben auch an, dass einige Dolmetscher/innen

überhaupt nicht erreichbar seien. Solche werden nach mehreren Versuchen nicht mehr

herangezogen. Eine Aussage, die diese Sichtweise bestätigt, lautet:

76

„Aber den ruft man dann nie mehr, das ist dann vorbei.“ (IP2:86f.)

Wie eben erwähnt, sind einige Polizeibeamt/innen der Meinung, dass es immer auf die

Person bzw. deren Charakter ankommt. Einige betonen jedoch, dass die positive

Zusammenarbeit auch immens von der zu dolmetschenden Sprache abhängt. Sofern im

Vernehmungsprozess eine Sprache verwendet wird, der sie auch selbst in bestimmtem

Ausmaß mächtig sind, falle die Zusammenarbeit leichter, da sie sofort wissen, ob der/die

Dolmetscher/in richtig dolmetscht.

Was die Auswahl der Dolmetscher/innen betrifft, geben einige Polizist/innen an,

ausschließlich Dolmetscher/innen von der Gerichtsdolmetscher/innen-Liste zu holen,

während andere auch auf Sprachkundige bzw. Laiendolmetscher/innen zurückgreifen.

Jene Polizist/innen, die auch auf Sprachkundige bzw. Laiendolmetscher/innen

zurückgreifen, betonen, dass Laien bzw. Sprachkundige eine genauso gute Leistung

erbringen wie geprüfte und/oder beeidete Dolmetscher/innen, da „die ja eben auch der

Sprache mächtig [sind]“ (IP2:Z158). Der Faktor der Erfahrung zählt, was bedeutet: Je öfter

man bei der Polizei zum Einsatz kommt, desto besser und erfahrener wird man in der

Dolmetschtätigkeit.

Die einzigen Unterschiede ergeben sich laut Angaben der Beamt/innen möglicherweise in

der Qualität, wobei der Begriff Qualität sehr unterschiedlich interpretiert wird. Für die

einen bedeutet Qualität, dass der/die Dolmetscher/in die Sprache sowohl in Wort und

Schrift beherrscht, während für die anderen lediglich das Beherrschen der gesprochenen

Sprache zählt, da nicht mehr gebraucht wird. In diesem Zusammenhang geben einige

Polizist/innen an, dass sie froh sind, auf Sprachkundige zurückgreifen zu können, da es für

einige Sprachen in Kärnten gar keine eingetragenen Dolmetscher/innen gibt. Es gibt auch

Fälle, bei denen man Dolmetscher/innen aus anderen Bundesländern oder auch Ländern

heranziehen muss, was noch mehr Zeit in Anspruch nimmt.

Grundsätzlich gibt es keine bestimmten Beweggründe bzw. Entscheidungsgrundsätze, in

welchen Fällen ein/e Laie/Laiin oder ein/e professionelle/r Dolmetscher/in herangezogen

werden, denn ausschlaggebend sind Erreichbarkeit, Nähe, Erfahrung und Persönlichkeit.

Einige Polizist/innen ziehen Laien im Falle einer schnellen Informationsbeschaffung

heran, d.h. im Falle von kleineren Amtshandlungen und in Fällen, wo die nötigsten

Informationen umgehend aufgenommen werden müssen. In so einem Fall kann es sein,

dass ein/e Dolmetscher/in auch per Telefon dazugeschaltet wird.

77

„Wir haben auch schon diese Variante, dass wir zum Beispiel mit gewissen Dolmetschern

uns soweit verständigt haben, dass wir sie telefonisch kontaktieren dürfen. Wenn der dann

zur Verfügung steht, dann gibt er mir halt Frage-Antwort-Spiel übers Telefon.“

(IP8:Z91ff.)

Laien/Laiinnen werden auch dann herangezogen, wenn nur wenige Dolmetscher/innen

einer Sprache vertreten sind. Auch die Zeit, zu welcher Dolmetscher/innen gerufen

werden, ist ausschlaggebend, denn viele sind in der Nacht nicht verfügbar.

Als die Polizist/innen direkt auf den Unterschied zwischen Laien- und professionellen

Dolmetscher/innen angesprochen wurden, haben diese angemerkt, dass sie keinen

Unterschied erkennen können, da sie selbst nicht vom Fach sind. Den einzigen

Unterschied, den sie eventuell nennen würden, ist, dass ein/e professionelle/r

Dolmetscher/in die Fragen klarer und verständlicher vermittelt als ein/e Laie/in. Doch die

Ausbildung ist für viele nicht maßgebend, denn das Wichtigste in den Augen der befragten

Polizeibeamt/innen ist, dass die Zusammenarbeit zufriedenstellend ist.

Alle Befragten geben an, dass die Zusammenarbeit nach mehrmaligem Heranziehen

leichter fällt, weil der/die Dolmetscher/in bereits weiß, was von ihm/ihr erwartet wird.

Ebenso geben alle Polizist/innen an, noch nie Probleme mit Dolmetscher/innen gehabt zu

haben, da einerseits immer die gleichen Dolmetscher/innen herangezogen werden und

andererseits durch die klaren Vorgaben keine Probleme entstehen können. Viele

Polizeibeamt/innen stützen sich auch auf die Erfahrungswerte der Kolleg/innen, was die

Auswahl der Dolmetscher/innen betrifft. Untereinander wird darüber gesprochen, wer gute

Leistungen erbringt/erbracht hat und wer eher nicht mehr zu konsultieren sei.

Des Weiteren ist es hierbei auch wichtig, diesbezüglich zwischen den einzelnen

Polizeiabteilungen zu unterscheiden. Polizeibeamt/innen, die in der kriminalpolizeilichen

Gruppe tätig sind, geben an, ausschließlich geprüfte Dolmetscher/innen einzusetzen, da

dadurch die Beweiskraft nicht in Frage gestellt wird. In Bezug auf die Beweiskraft geben

andere Polizeibeamt/innen noch an, dass sie immer auf eine/n Dolmetscher/in

zurückgreifen und nie selbst versuchen, eine Vernehmung zu dolmetschen, da durch eine

externe Person die Vernehmung und somit auch die Dolmetschung glaubwürdiger sind.

Obwohl alle Polizist/innen eingangs meinten, dass sie bisher keine Probleme mit

Dolmetscher/innen hatten, erwähnten im Laufe des Gesprächs trotzdem einige

Polizist/innen negative Erfahrungen. So wird beispielsweise die unnötige Ausdehnung der

Vernehmung angeführt. In so einem Fall beabsichtigt der/die Dolmetscher/in vermutlich,

78

eine höhere Gebührennote herauszuholen. Andererseits werden hierbei auch fehlerhafte

Übersetzungen oder Telefonate des Dolmetschers/der Dolmetscherin während der

Vernehmung genannt. Alle Polizist/innen konstatieren, dass im Fall einer negativen

Erfahrung derjenige/diejenige Dolmetscher/in nach Möglichkeit nicht mehr herangezogen

und aus der Liste gestrichen wird. Zwei Polizist/innen haben zusätzlich betont, dass auf der

Gerichtsdolmetscher/innenliste Dolmetscher/innen vermerkt sind, die keine

entsprechenden Kompetenzen aufweisen und unrichtigerweise auf die Liste gelangt sind:

„Es sind ein paar dabei, wo ich nicht weiß, wie der in die Liste reinkommt, von der

Kompetenz her, wo dann genau weißt, er kann ihm die Frage jetzt nicht stellen, weil

Mundart und ein, ich weiß nicht, ein Buch lesen, hat mit unserem Beruf nichts zu tun.“

(IP1:Z179ff.)

Die meisten befragten Polizist/innen verfügen bereits über ihre „Dolmetscher/innen des

Vertrauens“, die sie im Bedarfsfall heranziehen. Ob das jetzt ein/e Sprachkundige/r, ein/e

geprüfte Dolmetscher/in oder ein/e Gerichtsdolmetscher/in ist, spielt im Großen und

Ganzen keine Rolle. Prioritär ist, dass sich der/die Dolmetscher/in und das Gegenüber

verständigen können. Ein weiteres wichtiges Kriterium ist auch, dass der/die

Dolmetscher/in das Land und die Kultur kennt, da so zusätzliche Informationen gewonnen

werden können.

Einige Polizist/innen erlauben den Dolmetscher/innen ihres Vertrauens, dass sie mit der zu

vernehmenden Person die Fragen vorab durchgehen, damit dem Gegenüber alles

verständlich ist, bevor das Protokoll geschrieben wird.

Ein weiterer interessanter Aspekt ist, dass Polizist/innen versuchen, eine/n Dolmetscher/in

heranzuziehen, der sich altersmäßig im Nahbereich des/der zu Befragenden befindet, da

dies ebenso eine enorme Auswirkung auf die Vernehmung hat. Ein Polizist gibt an, dass er

die Erfahrung gemacht habe, dass ältere Dolmetscher/innen nicht mehr auf dem neuesten

Stand sind und somit jüngere zu vernehmende Parteien missverstehen oder nicht

vollständig dolmetschen (I8:Z390f.).

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Persönlichkeit und Erfahrung des

Dolmetschers/der Dolmetscherin hinsichtlich deren Heranziehung eine enorme Bedeutung

zukommt. Seitens einiger Polizeibeamt/innen wird der fachlichen Ausbildung der

Dolmetscher/innen wenig bis gar keine Aufmerksamkeit geschenkt, da andere Kriterien im

Vordergrund stehen. Andere Beamt/innen wiederum schätzen es sehr, mit qualifizierten

79

Dolmetscher/innen zusammenzuarbeiten, da diese in weiterer Folge auch bei erweiterten

Ermittlungsmaßnahmen und bei Gericht eingesetzt werden können.

5.2 Erfahrungen als Polizeidolmetscher/innen

Während der Interviews hat sich herausgestellt, dass einige Polizeibeamt/innen bereits

selbst eine Vernehmung gedolmetscht haben. Im Rahmen der Tätigkeit bei der Polizeit gibt

es die Möglichkeit, eine sprachliche Zusatzqualifikation zu erwerben, um auch als

Dolmetscher/in herangezogen werden zu können. Alle Polizist/innen, die bereits

gedolmetscht haben, geben an, dass es sehr herausfordernd war und sie Schwierigkeiten

hatten, da ihnen nicht alle Wörter eingefallen sind. Ein Polizist hat seine Erfahrung

kompakt zusammengefasst:

„Schuster, bleib bei deinem Leisten. Gewisse Dolmetschertätigkeiten sollten einfach von

externen Profis abgearbeitet werden.“ (IP5:Z278f.)

Auch andere Polizist/innen haben eine ähnliche Meinung, denn man sollte die Sprache

schon in ausreichendem Ausmaß beherrschen, um dolmetschen zu können. Alle geben an,

dass es Vorteile mit sich bringt, wenn man eine Fremdsprache spricht, da man dadurch die

nötigsten Informationen selbst aufnehmen kann. Jedoch sei es für die Vernehmung selbst

besser, eine/n externe/n Dolmetscher/in heranzuziehen. Durch eine/n externe/n

Dolmetscher/in ist es auch leichter, bei Gericht zu beweisen, wie die Vernehmung

abgelaufen ist. Am Ende der Vernehmung wird das Protokoll vom Dolmetscher/von der

Dolmetscherin erneut übersetzt und danach von allen an der Vernehmung Beteiligten

unterzeichnet. Somit arbeitet man unter dem Vier-Augen-Prinzip, und die Vernehmung

wird nicht in Frage gestellt.

5.3 Eigenschaften, Kompetenzen und Anforderungen

In Bezug auf die Eigenschaften und Kompetenzen von und Anforderungen an

Dolmetscher/innen sind die befragten Polizist/innen sehr ähnlicher Meinung. Das

Wichtigste für die meisten befragten Polizist/innen ist, dass der/die Dolmetscher/in die

beiden zu übersetzenden Sprachen in Wort und Schrift beherrscht. Obwohl das

Beherrschen der Sprache eine wichtige Voraussetzung ist, geben einige an, dass speziell in

80

letzter Zeit viele „muttersprachliche Übersetzer/innen oder Dolmetscher/innen“ eingesetzt

werden mussten, da es nicht ausreichend Dolmetscher/innen für gewisse Sprachen gibt.

Diese Dolmetscher/innen beherrschten die deutsche Sprache nicht in ausreichendem

Ausmaß, weshalb man in diesen Situationen sozusagen noch eine/n Übersetzer/in für

den/die Übersetzer/in benötigt hätte (IP1:42f.). Die Polizei erwartet sich, dass der/die

Dolmetscher/in professionell agiert. Professionalität wird von den befragten

Polizeibeamt/innen allerdings unterschiedlich interpretiert.

Die meisten geben diesbezüglich an, dass der/die Dolmetscher/in professionell ist, wenn

er/sie aktiv mitarbeitet, sich loyal gegenüber dem Beamten/der Beamtin verhält, pünktlich

erscheint, die österreichischen Gesetze kennt, rechtskonform agiert und sich mit den

kulturellen Unterschieden in Bezug auf die übersetzenden Sprachen auskennt. Des

Weiteren wird ein/e Dolmetscher/in als professionell eingestuft, wenn er/sie sich im

Vorfeld selbst informiert, worum es bei einem gewissen Sachverhalt geht, ein gepflegtes

Auftreten sowie eine Selbstkompetenz aufweist und weiß, wann er/sie eine Pause braucht.

Ein weiteres Kriterium ist zu guter Letzt die Seriosität bei der Abrechnung.

Eine andere Auslegung des Begriffes Professionalität ist, dass der/die Dolmetscher/in

professionell gehandelt hat, wenn „von der Staatsanwaltschaft keine Rückfragen kommen,

weil da irgendwie vielleicht was Falsches hineingeschrieben wurde“ (IP4:Z79f.). Auch die

korrekte und exakte Wiedergabe von Inhalten sowie das Unterlassen von Verzerrungen

wird unter dem Begriff Professionalität subsumiert.

Die herangezogenen Dolmetscher/innen sollen eine für die Vernehmungssituation

passende persönliche Ausstrahlung besitzen, zuhören können, flexibel sein, sich nicht in

das Gespräch einmischen, auf das Gegenüber eingehen können und auch ein gewisses

Fachwissen über bestimmte Abläufe besitzen.

Einige Polizeibeamt/innen möchten auch, dass sich der/die Dolmetscher/in in ihre

Tätigkeit hineinversetzen und Verständnis dafür aufbringen kann. In diesem

Zusammenhang wurde auch von mehreren Beamt/innen der Wunsch geäußert, dass der/die

Dolmetscher/in sich in die Rolle des Hilfspolizisten/der Hilfspolizistin begibt. Was das

bedeutet, soll in der Kategorie 5 (Erwartungen) näher beleuchtet werden.

Für die Polizist/innen ist es auch wichtig, dass der/die Dolmetscher/in die Rechte und

Pflichten der zu vernehmenden Person kennt – also die Rechte und Pflichten eines Opfers,

eines/einer Beschuldigten und eines Zeugen/einer Zeugin. Diese müssen den

Gesprächsprotagonist/innen im Rahmen der Vernehmung verständlich dargestellt werden.

81

Um dies gewährleisten zu können, müssen die Dolmetscher/innen in ihrer Sprache äußerst

flexibel sein. Flexibilität in der Sprache bedeutet auch, dass der/die Dolmetscher/in der zu

vernehmenden Person die seitens des Polizeibeamten/der Polizeibeamtin verwendeten

Fachbegriffe verständlich erklären kann.

Die Fragen, die während einer Vernehmung gestellt werden, sollen so authentisch wie

möglich transportiert werden. Im Prinzip soll die Frage auf eine Art und Weise

gedolmetscht werden, als ob der/die Polizist/in die Frage selbst stellt.

Der/Die Dolmetscher/in soll im Rahmen einer Vernehmung auch Sachverhalte erkennen

können. Insofern wird seitens einiger Polizist/innen auch ein wenig kriminalistisches

Verständnis und taktisches Gespür in Bezug auf die Vernehmung vorausgesetzt:

„Dass er einfach ein bisschen ein kriminalistisches Gespür auch hat und versteht, das was

ich den fragen will oder was ich von dem wissen will.“ (IP7:Z56f.)

Des Weiteren soll er/sie auch die Mentalität der zu vernehmenden Person verstehen, um so

einerseits gut auf ihn/sie eingehen und andererseits auch deeskalierend wirken zu können.

Der/Die Dolmetscher/in soll auch keine Informationen nach außen weitergeben und

äußerste Diskretion walten lassen.

Eine der wichtigsten Voraussetzungen ist das Vertrauen. Der/Die Dolmetscher/in soll

vertrauenswürdig sein, denn der Polizeibeamte/die Polizeibeamtin hat nur die Möglichkeit,

über den/die Dolmetscher/in mit dem Gegenüber zu kommunizieren.

Auch die Nähe und der Bekanntheitsgrad des Dolmetschers/der Dolmetscherin spielen eine

wichtige Rolle. Attribute wie Loyalität und Kompetenz werden ebenso großgeschrieben.

Des Weiteren soll der/die Dolmetscher/in Einfühlungsvermögen bzw. ein Gespür für

Menschen haben, damit auf das Gegenüber besser eingegangen und die Gesamtsituation

besser eingeschätzt werden kann.

Wichtig ist auch, dass der/die Dolmetscher/in neutral auftritt. Das bedeutet, dass er/sie sich

weder auf die Seite der Polizei noch auf die zu vernehmende Seite ziehen lässt.

Ein weiterer essentieller Aspekt ist die Offenheit und Ehrlichkeit des Dolmetschers/der

Dolmetscherin. Dieses Attribut spielt besonders in Situationen eine Rolle, in denen eine

unparteiische Vernehmung durch persönliche Kenntnis oder Nähe einer zu befragenden

Person seitens des Dolmetschers/der Dolmetscherin nicht zu gewährleisten wäre.

Den Polizist/innen ist wichtig, dass der Dolmetscher bestimmte Sachverhalte auch ohne

das Tätigen von Niederschriften besprechen und das Gespräch anschließend so

82

zusammenfassen kann, dass es einen Sinn ergibt. Dabei soll das Prinzip „kurz, bündig und

sachlich“ (IP1:Z118) im Hinterkopf behalten werden.

Ein wesentlicher Aspekt im Rahmen der Dolmetschertätigkeit ist es, dass der/die

Dolmetscher/in seinen/ihren Job glaubwürdig und gut macht.

Als gelungene Dolmetschung bezeichnen Polizeibeamt/innen eine Vernehmung, die im

Grunde so abläuft wie eine einsprachige, und wenn die zu vernehmende Person das Gefühl

hat, sie wurde in ihrer Würde ernst genommen und verstanden. Zudem soll der/die

Dolmetscher/in deeskalierend wirken und auch in unterschiedliche Sprachformen wechseln

können, ohne dabei das Gegenüber in seiner Menschlichkeit zu verletzen. Eine gute

Dolmetschung wird auch daran gemessen, „wenn ich die Fragen so beantwortet bekommen

habe, wie ich sie gestellt habe, oder wie ich es mir ungefähr vorgestellt habe“ (IP6:Z294f.).

In den Augen der Polizist/innen wurde gut gedolmetscht, wenn man sich mit dem/der

Dolmetscher/in sozusagen blind versteht und wenn das Gegenüber verstanden hat, worum

es geht.

Wichtig ist, dass das Gesamtbild der Dolmetscher/innen-Tätigkeit am Ende passt. Dies

impliziert, dass der/die Dolmetscher/in verständlich dolmetscht und dass am Ende der

Vernehmung ein Ergebnis ersichtlich ist. Dolmetscher/innen, die diesbezüglich einen

schlechten Eindruck hinterlassen, werden nicht mehr bestellt. Im Großen und Ganzen ist

den Polizeibeamt/innen wichtig, dass der/die Dolmetscher/in hauptsächlich das tut, was

von ihm/ihr verlangt wird, also dass er/sie objektiv und neutral dolmetscht.

5.4 Herangehensweise an die Zusammenarbeit mit Dolmetscher/innen

Wenn Polizeibeamt/innen mit einer fremdsprachigen Person konfrontiert werden, müssen

sie eine/n Dolmetscher/in heranziehen. Jene Dolmetscher/innen, die bei der Polizei

eingesetzt werden, sind auf einer Dolmetschliste gelistet. Diese Liste wird von der

Landespolizeidirektion jedes Bundeslandes gesondert geführt. Die Landespolizeidirektion

gibt auch vor, in erster Linie die von ihnen geprüften Dolmetscher/innen einzusetzen. Erst,

wenn von dieser Liste niemand verfügbar ist, kann auf andere Dolmetscher/innen

zurückgegriffen werden.

Alle im Rahmen der Untersuchung befragten Polizeibeamt/innen geben an, immer

Dolmetscher/innen von dieser Liste zu verständigen. Entweder kontaktieren sie die

Dolmetscher/innen selbst, oder die zentrale Leitstelle übernimmt die Kontaktaufnahme.

83

Zudem gibt es noch die Liste der gerichtlich beeideten und zertifizierten

Dolmetscher/innen:

„Es gibt auch gerichtlich beeidete Sachverständige im Bereich der Sprache, auf die können

wir theoretisch auch zurückgreifen, aber grundsätzlich haben wir in unserem Dienstvollzug

auf diese von der Landespolizeidirektion vorgegebenen Dolmetscher und

Dolmetscherinnen zurückzugreifen.“ (IP5:Z161fff.)

Um in die Dolmetschliste aufgenommen zu werden, muss man sich bei der

Landespolizeidirektion des jeweiligen Bundeslandes bewerben und einen

Befähigungsnachweis erbringen, dass man die Sprachen auch tatsächlich in Wort und

Schrift beherrscht. Zudem sind ein einwandfreier Leumund und Vertrauenswürdigkeit

Voraussetzung. Danach kommt es zu einem Aufnahmegespräch. Erst bei dessen positivem

Verlauf wird man in die Liste aufgenommen. Wenn sich genügend Dolmetscher/innen für

eine Sprache auf der Liste befinden, gibt es einen Aufnahmestopp.

Einige Polizist/innen geben auch explizit an, dass es bei der Vernehmung eigentlich keine

Rolle spielt, ob man gerichtlich beeidet oder einfach zweisprachig bzw. sprachkundig ist.

Lediglich bei Gericht ist es wichtig, dass der/die Dolmetscher/in gerichtlich beeidet ist.

Alle Beamt/innen erklären, dass immer auf Dolmetscher/innen zurückgegriffen wird, mit

welchen sie bereits gute Erfahrungen gemacht haben und bei welchen sie wissen, dass sie

für die Vernehmung geeignet sind. Viele Polizist/innen treten auch persönlich mit den

Dolmetscher/innen in Kontakt, wenn sie wissen, dass diese auf der Liste eingetragen sind.

Alle Polizist/innen teilen beim Interview mit, dass sie für die geläufigen Sprachen

mindestens zwei gute Dolmetscher/innen haben, auf die sie zurückgreifen.

„Ich habe von jeder Sprache, fast schon von jeder Sprache, also den geläufigen, einen

guten Dolmetsch und den fordere ich an.“ (IP1:Z82f.)

Wenn jedoch keine dieser Dolmetscher/innen verfügbar ist, dann nennen die Polizist/innen

die Auswahl „ein Glücksspiel“. Es gibt auch Dolmetscher/innen, die die verwendeten

Sprachen nicht perfekt beherrschen, und eine solche Zusammenarbeit empfinden

Polizeibeamt/innen als mühsam. Außerdem verfälscht eine solche Zusammenarbeit auch

das Protokoll. Alle Beamt/innen sind davon überzeugt, dass man bereits zu Beginn der

Vernehmung und den ersten gesprochenen Sätzen weiß, ob der/die Dolmetscher/in

geeignet ist oder nicht.

84

5.5 Erwartungen

Die persönlichen Erwartungen der Polizist/innen an eine/n Dolmetscher/in überschneiden

sich großteils. In erster Linie ist es wichtig, dass der/die Dolmetscher/in seine/ihre Arbeit

korrekt erledigt.

Ein Polizist äußerte sich direkt dazu, was er sich von seinem/seiner Dolmetscher/in

erwartet:

„Also, ich brauche schon einen Dolmetscher, der ein bisschen was auf der Platte hat.“

(IP7:Z99f.)

Wichtig ist auch, dass der/die Dolmetscher/in bei der Auftragserteilung ehrlich ist und

zuverlässig Auskunft darüber erteilen kann, ob er/sie diesen Auftrag bewältigen kann. Es

gibt bestimmte Delikte und Themen, die von diversen Dolmetscher/innen abgelehnt

werden, wie beispielsweise eine Vergewaltigung. Hierbei erwarten die Beamt/innen

vom/von der Dolmetscher/in die Fähigkeit, sich diesbezüglich schon im Vorfeld selbst gut

genug einschätzen zu können:

„Sie sollen machen, für das, wofür sie bezahlt werden, das heißt, er soll ja oder nein sagen,

ja ich komme, wenn er kommt, soll er sagen, ich kann das.“ (IP1:Z141f.)

Einige Polizist/innen äußerten auch die Erwartung, dass sich der/die Dolmetscher/in so

schnell wie möglich zum Ort des Geschehens begibt und nicht aufgrund eines

möglicherweise höheren Honorars zeitverzögert erscheint. Ebenso erwarten sich

Polizist/innen, dass der/die Dolmetscher/in den Ablauf bei der Abrechnung kennt und

diese auch seriös abwickelt.

Die meisten befragten Polizist/innen sehen im/in der Dolmetscher/in eine Art

Hilfspolizist/in und wünschen sich, dass der/die Dolmetscher/in aktiv mitarbeitet sowie

versucht, die Sache zu klären.

Bei prinzipieller Sprachunkenntnis in Bezug auf die zu befragende Person ist der/die

Polizist/in vollkommen auf den/die Dolmetscher/in angewiesen. In diesem Zusammenhang

betonten einige Polizist/innen ihre Erwartungen bezüglich der Fähigkeit des

eigenständigen, analytischen Denkens von Seiten des Dolmetschers/der Dolmetscherin,

wie folgendes Zitat demonstriert:

„Ein guter Dolmetscher, der denkt natürlich auch mit, das ist ganz wichtig, weil im

Sachverhalt, dass er da nicht nur ein Computer ist, wo du ihn fütterst und er spuckt aus,

auch im Prinzip auch mitdenkt und die Chronologie auch erfasst.“ (IP5:Z209ff)

85

Manche Polizist/innen erwähnten ausdrücklich, dass sie es „ganz toll“ fänden, wenn

der/die Dolmetscher/in wie ein/e zweite/r Polizist/in agieren würden.

„[...] sondern so wie ein zweiter Polizist, das ist meine Wunschvorstellung, oder wo ich

sage, das wäre ganz toll, wenn er so eine Stufe erreichen könnte.“ (IP6:Z136f.)

Er/Sie darf zwar nicht die Leitung der Vernehmung übernehmen, aber er/sie kann durchaus

neue Fragen aufwerfen und nachfragen. Viele Polizist/innen meinten auch, dass ein/e

gute/r Dolmetscher/in selbst mitdenkt und nachfragt.

In diesem Zusammenhang geben viele Polizist/innen dem/der Dolmetscher/in einen großen

Spielraum, wenn das Vertrauensverhältnis passt. Die Polizist/innen betonen zudem jedoch

noch, dass die Leitung der Vernehmung und die Beurteilung der Situation beim

Polizisten/bei der Polizistin bleibt und diese Verantwortung nicht vom/von der

Dolmetscher/in übernommen werden darf. Das heißt, er/sie darf sich nicht in die

Amtshandlung einmischen, weder gedanklich, gesetzlich noch auf irgendeine andere Art

und Weise.

Des Weiteren sollte der/die Dolmetscher/in sich möglichst nicht betroffen fühlen oder

sogar Mitleid mit der zu vernehmenden Person haben, sondern sachlich bleiben und keine

Emotionen einbringen. Der/Die Dolmetscher/in soll alles übersetzen, was vom Gegenüber

verbal oder per Gestik/Mimik mitgeteilt wird – vom Gesagten bis hin zu den geäußerten

Empfindungen. Er/Sie soll alles aufnehmen und auf einer sachlichen Ebene weiterleiten.

Von besonderer Wichtigkeit ist, dass der/die Dolmetscher/in sich neutral verhält und

Hausverstand besitzt. Polizist/innen sind auf den/die Dolmetscher/in angewiesen, weshalb

sie für jede Hilfe dankbar sind. Nichtsdestotrotz sollte der/die Dolmetscher/in seiner/ihrer

Rolle gerecht werden und nur das tun, was von ihm/ihr verlangt wird. Die jüngeren

befragten Polizist/innen geben zusätzlich noch an, dass es ihnen wichtig ist, nach der

Zusammenarbeit mit Dolmetscher/innen in Kontakt zu bleiben, um so „Erfahrungswerte

auszutauschen und voneinander zu lernen“ (IP9:Z167). Durch das gegenseitige Feedback

kann die zukünftige Zusammenarbeit optimiert werden.

5.6 Sympathie und Vertrauen

Im Laufe der Interviews kristallisierte sich heraus, dass das Vertrauen und die Sympathie

eine enorme Rolle spielen. Polizeibeamt/innen sprachen oft von „Glückssache“, wenn sie

eine/n ihnen unbekannten Dolmetscher/in heranziehen mussten.

86

Wie bereits oben beschrieben, urteilt ein/e Polizist/in laut eigenen Aussagen schon nach

den ersten paar Sätzen über die Fähigkeit oder Unfähigkeit des Dolmetschers/der

Dolmetscherin. Insgesamt ist den Beamt/innen Vertrauen besonders wichtig, da sie durch

die mangelnde Sprachkenntnis gewisse Unsicherheitsgefühle haben, die seitens des

Dolmetschers/der Dolmetscherin gelindert werden:

„Weil ich oft das Gefühl habe, weil du verstehst die Sprache ja teilweise nicht und da ist

man auch oft unsicher, und wenn der Dolmetscher dann Sicherheit ausstrahlt, dann tut das

dem Ganzen auch genüge.“ (IP5:71ff.)

„Weil es gibt für den Polizisten nichts Schlimmeres, wenn man die Sprache nicht versteht.“

(IP7:Z40).

Für Polizist/innen ist es sehr unangenehm, die Sprache des Gegenübers nicht interpretieren

zu können. Einige Polizist/innen gaben auch an, bestimmte Vernehmungen abgebrochen

zu haben, wenn sie das Gefühl hatten, dass nicht ordnungsgemäß gedolmetscht wurde und

die Vertrauensbasis nicht gegeben war.

6 Diskussion der Ergebnisse, Beantwortung der

Forschungsfragen, Überprüfung der Hypothesen

Um die Forschungsfragen der vorliegenden Masterarbeit zu beantworten und die in Kapitel

4.1 aufgestellten Hypothesen zu überprüfen, wurden zehn Polizist/innen von

unterschiedlichen Polizeidienststellen zu ihren Erfahrungen mit Dolmetscher/innen

befragt. Eckpunkte der Kooperation zwischen Polizeibeamt/innen und Dolmetscher/innen

wurden im vorangegangenen Kapitel vorgestellt. Bei der Analyse fiel auf, dass es bei den

Antworten der befragten Polizeibeamt/innen kaum widersprüchliche Aussagen und

Meinungen gibt. Im Folgenden sollen die erhaltenen Daten mit den im theoretischen Teil

bereits angeführten Handlungs- bzw. Verhaltensrichtlinien von Stanek (2011a:104ff.)

verglichen und erläutert werden. Wie bereits erwähnt, wurden die angeführten

Verhaltensrichtlinien im Rahmen eines Asylprojektes erstellt. Stanek vertritt die Meinung,

dass diese Handlungs- und Verhaltensrichtlinien ohne Weiteres bei der Polizei angewendet

werden können. Diese Sichtweise wird nun genauer analysiert.

Als erste Verhaltensrichtlinie wird die Neutralität genannt. Zusammengefasst für die erste

Verhaltensrichtlinie konstatiert Stanek, dass der/die Dolmetscher/in die Polizei

87

aufmerksam machen soll, wenn er/sie in einem Interessenskonflikt ist. Des Weiteren darf

er/sie keine persönlichen Meinungen in das Gespräch einbringen (vgl. Stanek 2011a:104).

Ebenso hat sich aus den Interviews ergeben, dass die Neutralität bzw. Offenheit von

enormer Wichtigkeit sind, da laut Polizist/innen sonst die Gefahr besteht, dass

Falschaussagen gemacht werden.

Die zweite Richtlinie besagt, dass der/die Dolmetscher/in genau und vollständig

dolmetschen soll und keine Emotionen, Interpretationen oder Kommentare äußern darf

(vgl. ibid.:104f.). Auf der einen Seite stimmen Polizist/innen mit dieser Aussage überein,

da sie auf den/die Dolmetscher/in angewiesen sind und nur jene Informationen erhalten,

die der/die Dolmetscher/in weitergibt. Auf der anderen Seite wünschen sich einige

Polizist/innen jedoch, dass der/die Dolmetscher/in bewertet, ob beispielsweise die

angegebenen Personalien stimmen oder nicht. Dies wird jedoch nur von

Dolmetscher/innen verlangt, die aus demselben Land stammen wie die zu vernehmende

Person.

Verschwiegenheit ist die dritte Verhaltensrichtlinie, welche sowohl in der Theorie als auch

in der Praxis sehr hoch angepriesen wird (vgl. Stanek 2011a:105). Die Polizist/innen haben

angemerkt, dass es sehr wichtig sei, dass der/die Dolmetscher/in die erhaltenen

Informationen nicht weitergibt, denn dies kann einerseits hinderlich für das

Ermittlungsverfahren sein, andererseits verletzt es auch die Privatsphäre.

Die vierte Richtlinie unterstreicht den Aspekt der Professionalität. In Staneks Richtlinien

werden unter Professionalität das „Kennen von Dolmetschtechniken, das eigene

Rollenbild, das Korrigieren von entstandenen Fehlern, die Vorbereitung und das

Weiterbilden“ verstanden. In der Praxis wird Professionalität, wie bereits beschrieben,

anders interpretiert (vgl. ibid.). Aus praktischer Sicht ist es nicht von ausschließlicher

Bedeutung, ob der/die Dolmetscher/in eine entsprechende Ausbildung hat oder nicht, da

oft ein Mangel an qualifiziertem Personal herrscht, die Polizist/innen teils jedoch dringend

Übersetzungsleistungen benötigen. Des Weiteren wünschen sich viele Beamt/innen

ausdrücklich, dass der/die Dolmetscher/in auch die Rolle des Hilfspolizisten/der

Hilfspolizistin übernimmt, was impliziert, dass der/die Dolmetscher/in sich in das

Gespräch einbringt, mitdenkt und mitwirkt. Teilweise führt dies im Optimalfall auch zum

Erhalt zusätzlicher Informationen.

Der Aspekt der Vorbereitung wird in der fünften Verhaltensrichtlinie genauer besprochen.

Diese besagt, dass der/die Dolmetscher/in das Recht haben soll, sich vorab zu informieren

und vorzubereiten und eventuell auch Einsicht in die Akten bekommen. Stanek und auch

88

die Polizist/innen zählen diesen Aspekt zur Professionalität (vgl. ibid.). Jedoch wird die

diesbezügliche Herangehensweise auf unterschiedliche Art und Weise verstanden. Laut

Stanek (ibid.) sollte jede/r Dolmetscher/in das Recht haben, sich vorzubereiten. In Bezug

auf Aussagen seitens der Polizist/innen stellte sich jedoch heraus, dass dies bei normalen

Vernehmungen nicht möglich ist. Amtshandlungen passieren zu jeder Tages- und

Nachtzeit, und die Polizei hat nur begrenzte Zeitressourcen zur Verfügung, um bestimmte

Person zu vernehmen. Das bedeutet, dass der/die Dolmetscher/in ebenso spontan reagieren

muss wie die Polizei.

Aus den Gesprächen wurde auch klar, dass die Polizist/innen den/die Dolmetscher/innen

vor Vernehmungsbeginn in die Sache einweihen und erklären, wie der Plan aussieht. Sie

betonen, dass ein/e gute/r Dolmetscher/in diese Vorinformationen dann auch in die

Vernehmung integrieren kann. Aufgrund dieser Aussagen ist zu erkennen, dass ein/e gute/r

Dolmetscher/in stets auf alle Bereiche der polizeilichen Tätigkeit vorbereitet sein sollte

und nach der gegebenen Vorinformation vor Ort keine zusätzliche Vorbereitungszeit mehr

braucht bzw. brauchen darf.

Die sechste Verhaltensrichtlinie stellt die Transparenz dar. Laut Stanek (2011a:106) sollte

der/die Dolmetscher/in sich das Einverständnis holen, wenn er/sie etwas umformulieren

möchte oder wenn es keine entsprechenden Ausdrücke in der Fremdsprache gibt. Der/Die

Dolmetscher/in sollte nicht auf eigene Hand versuchen, Fragen oder Antworten

umzuformulieren oder zu erläutern.

Laut den Gesprächen mit der Polizei wird dieser Aspekt sehr unterschiedlich betrachtet,

denn einerseits darf sich der/die Dolmetscher/in nicht in die Amtshandlung einmischen,

andererseits sollte der/die Dolmetscher/in die Fragen so genau wie möglich dolmetschen,

während die Antworten auf die wichtigsten Eckpunkte zusammengefasst werden können.

Diese Aussagen widersprechen sich, da durch das Zusammenfassen einige Informationen

ausgelassen werden und eigentlich dem/der Dolmetscher/in die Selektion der Inhalte

überlassen wird.

Die siebente und letzte Verhaltensrichtlinie befasst sich mit dem eigenständigen Vorgehen

des Dolmetschers/der Dolmetscherin. Diese Richtlinie besagt, dass der/die Dolmetscher/in,

wenn notwendig, Pausen einlegen kann, die Gesprächsteilnehmer/innen darauf ansprechen

darf, wenn sie zu schnell sprechen, und dass der/die Dolmetscher/in den/die Sprecher/in

unterbrechen kann, wenn lediglich dadurch eine genaue und zeitnahe Verdolmetschung

gewährleistet werden kann. Ebenso soll der/die Dolmetscher/in Rückfragen stellen, wenn

etwas sprachlich oder auch akustisch nicht verstanden wurde. Jedoch sollte der/die

89

Dolmetscher/in zuerst nachfragen, ob das Rückfragen erlaubt ist. Des Weiteren gibt Stanek

(2011a:106) an, dass der/die Dolmetscher/in die Polizeibeamt/innen bei der

Vernehmungsführung nicht unterstützen darf. Dieser Punkt erlangt in der Praxis sowohl

Zustimmung als auch Kritik.

Wie bereits erwähnt, haben einige befragte Polizist/innen ausdrücklich den Wunsch

geäußert, dass der/die Dolmetscher/in wie ein/e zweite/r Polizist/in an der Vernehmung

teilnimmt und dass er auch Fragen stellen darf, wenn bereits auf etwas hingedeutet wurde.

Bevor jedoch neue Fragen gestellt werden, sollte der/die Dolmetscher/in mit dem

Polizisten/der Polizistin Rücksprache halten, damit der Beamte/die Beamtin weiterhin die

Kontrolle über die Vernehmung hat.

In Bezug auf die Vernehmung ist noch wichtig zu erwähnen, dass Polizist/innen dem/der

Dolmetscher/in vertrauen, dass er/sie eine Selbstkompetenz hat und weiß, wann er/sie

Pausen braucht oder bekannt gibt, wenn er/sie etwas nicht versteht. In diesem

Zusammenhang ist es spannend, dass in den Gesprächen mit der Polizei zwar das Zuhören

und Nicht-Unterbrechen bzw. das Aussprechenlassen, jedoch nie das Sprechtempo oder

die zeitnahe Verdolmetschung angesprochen wurden.

Zusätzlich zu diesen Verhaltensrichtlinien sind im Laufe der Analyse einige neue Aspekte

aufgetaucht, welchen ebenfalls Raum gegeben werden soll. Während der Analyse ist

aufgefallen, dass es zwei unterschiedliche Abrechnungsmethoden gibt. So haben

Gerichtsdolmetscher/innen eine eigene Honorarnote, und die restlichen

Polizeidolmetscher/innen, sowohl die geprüften als auch die Sprachkundigen, haben eine

eigene Gebührennote. Ein Polizist hat in diesem Zusammenhang angegeben, dass er aus

Kostengründen – aufgrund der steigenden Staatskosten – nicht immer

Gerichtsdolmetscher/innen beizieht. Deshalb sei es von Vorteil, wenn man auch andere

Dolmetscher/innen engagieren könne. Diese würden zwar nicht schlechter bezahlt, jedoch

werde bei Letzteren nach dem Motto „Arbeitszeit ist Verrechnungszeit“ gearbeitet.

Ein ebenso interessanter Aspekt ist, dass der Dienstort und auch die Abteilung für die

Häufigkeit der Zusammenarbeit mit Dolmetscher/innen ausschlaggebend sind. Es zeigte

sich, dass Polizeistationen in Grenznähe oder räumlicher Nähe zu Urlaubsregionen

häufiger mit ausländischen Personen konfrontiert sind und demgemäß öfter auf

Dolmetschleistungen zurückgreifen.

Da nun die erhaltenen Daten analysiert und die Praxis mit der theoretischen

Forschungsgrundlage verglichen wurde, werden im Folgenden die für die vorliegende

90

Masterarbeit formulierten Forschungsfragen beantwortet sowie die aufgestellten

Hypothesen überprüft.

Die erste Frage, die gestellt wurde, beschäftigte sich mit der Sichtweise der Polizist/innen

darüber, wer ein/e Dolmetscher/in ist und welche Eigenschaften und/oder Kompetenzen

einem/einer Dolmetscher/in zugeschrieben werden. Laut der Meinung vieler Polizist/innen

kann Jede/r ein/e Dolmetscher/in sein, denn wichtig ist nur, dass man die zu übersetzende

Sprache und die deutsche Sprache beherrscht. Es wird zwar zwischen Sprachkundigen,

Geprüften und gerichtlich beeideten Dolmetscher/innen unterschieden, jedoch wird bei der

Heranziehung kein großer Wert darauf gelegt, welcher genannten Gruppe der/die

Dolmetscher/in angehört. Die Polizist/innen sind froh, wenn sich jemand findet, der ihnen

in dieser Situation helfen kann und dem sie vertrauen können. Bezüglich der benötigten

Eigenschaften wird neben der Sprachkenntnis die Qualität der Arbeit und die

Professionalität bei der Handlungsweise angesprochen. Dass Professionalität von

jedem/jeder Polizist/in unterschiedlich interpretiert wird, wurde bereits ausführlich erklärt

und soll daher an dieser Stelle nicht noch einmal dargelegt werden.

Eine weitere Fragestellung im Rahmen dieser Masterarbeit war, ob es ein

Standardprozedere bei der Heranziehung von Dolmetscher/innen gibt und wer dieses

Standardprozedere vorgibt. Ebenso wurden die Beweggründe untersucht, die zur

Entscheidung führen, welche/r Dolmetscher/in geholt wird.

Insgesamt wurde von den Polizist/innen konstatiert, dass es diesbezüglich ein

Standardprozedere gibt. Die Landespolizeidirektion hat zu diesem Zweck eine

Dolmetschliste erstellt, von der die Polizist/innen ihre Dolmetscher/innen beziehen

können. Ebenso gibt die Landespolizeidirektion vor, dass ausschließlich Personen von

dieser Liste herangezogen werden dürfen. Erst im Falle, dass niemand von der Liste

verfügbar ist, darf sich ein Beamter/eine Beamtin nach anderen Möglichkeiten umsehen.

Die Beweggründe, bestimmte Dolmetscher/innen heranzuziehen, wurde von den

Polizist/innen klar definiert. Wer sich bereits bewährt und gute Leistungen erbracht hat,

wird erneut für eine Dolmetschung herangezogen. Ob das nun Laien bzw. Sprachkundige,

Geprüfte oder gerichtlich beeidete Dolmetscher/innen sind, spielt im Prinzip keine Rolle,

denn laut den Beamt/innen können alle die gleiche Leistung erbringen.

Die letzte zu beantwortende Forschungsfrage dieser Masterarbeit lautet, worin die

Entscheidungsgründe liegen, dass Laiendolmetscher/innen herangezogen werden bzw. den

professionellen Dolmetscher/innen vorgezogen werden. Aus den Gesprächen wurde klar,

dass Polizist/innen nicht zwischen Laien und Profis unterscheiden bzw. sogar alle

91

gleichsetzen. Wichtig ist, dass der/die Dolmetscher/in vertrauenswürdig ist, dass mit

ihm/ihr bereits gute Erfahrungen gemacht wurden und dass er/sie in der Nähe und schnell

verfügbar ist.

Hinsichtlich der eben beantworteten Forschungsfragen wurde von der Hypothese

ausgegangen, dass Personen, die beider involvierter Sprachen mächtig sind, als

Dolmetscher/innen angesehen werden und dass auf andere Aspekte kaum geachtet wird.

Diese Hypothese kann im Großen und Ganzen bestätigt werden, da Polizeibeamt/innen

meist glücklich darüber sind, dass sich „irgendjemand“ zur Verfügung stellt und ihnen

hilft, da adäquate Dolmetscher/innen schwer zu finden sind.

Des Weiteren wurde die Hypothese aufgestellt, dass es auch seitens des

Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz ein

Standardprozedere hinsichtlich der Personalauswahl gibt, jedoch wird dieses von

Polizist/innen, die bereits Erfahrungen mit Dolmetscher/innen gemacht haben, zugunsten

persönlicher Präferenzlisten vernachlässigt. Diese Hypothese kann somit bestätigt und

teilweise widerlegt werden. Zwar gibt es ein Standardprozedere, das jedoch von der

jeweiligen Landespolizeidirektion vorgegeben wird und lediglich die Auswahl der zu

konsultierenden Dolmetscher/innen betrifft. Deshalb kann gesagt werden, dass

Polizist/innen das vorgegebene Prozedere prinzipiell einhalten. Die persönlichen

Präferenzlisten betreffend kann gesagt werden, dass Polizist/innen, die oft mit

Dolmetscher/innen zusammenarbeiten, zwar immer wieder die gleichen

Dolmetscher/innen engagieren, jedoch die Vorgabe – in der Dolmetschliste akkreditiert –

berücksichtigen.

Es wurde auch davon ausgegangen, dass in erster Linie Laiendolmetscher/innen

herangezogen werden, da sie sowohl kostengünstiger als auch leichter erreichbar sind als

ausgebildete bzw. zertifizierte Dolmetscher/innen. Ebenso wurde präsupponiert, dass das

Vertrauen eine zentrale Rolle bei der Auswahl spielt.

Diese Hypothese kann teilweise bestätigt und teilweise widerlegt werden. In dieser

Masterarbeit wurde eingangs davon ausgegangen, dass all jene, die keine

Translationsausbildung genossen haben, als Laien gesehen werden. Im Rahmen der

Analyse wurde jedoch festgestellt, dass die Polizist/innen – je nach Abteilung – nicht

immer zwischen Laiendolmetscher/innen und ausgebildeten Dolmetscher/innen

unterscheiden, sondern diese Bezeichnungen teils sogar synonym verwenden. Die

ausschlaggebenden Entscheidungsgründe für die Heranziehung von Dolmetscher/innen

sind Erreichbarkeit, Nähe, Persönlichkeit und Vertrauen. Wer diese Aspekte erfüllt und

92

zudem bereits gute Leistungen erbracht hat, wird herangezogen. Der Teil der Hypothese, in

welcher das Vertrauen angesprochen wird, kann bestätigt werden. Alle Polizist/innen

erwähnten mehrfach, dass eine gute Zusammenarbeit auf der Persönlichkeit des

Dolmetschers/der Dolmetscherin basiert und eine gewisse Vertrauensbasis gegeben sein

muss. Ansonsten sei eine gute Kooperation nur schwer vorstellbar.

93

Zusammenfassung und Ausblick

Ziel der vorliegenden Masterarbeit war es, festzustellen, welche Erfahrungen Polizist/innen

mit Dolmetscher/innen gemacht haben. Um über die Erfahrungen mit den

Polizeibeamt/innen sprechen zu können, stellte sich zunächst die Frage, wer in den Augen

von Polizist/innen ein/e Dolmetscher/in ist, also, welche Eigenschaften und/oder

Kompetenzen dieser Person zugeschrieben werden und auch als Voraussetzung dienen. Ein

weiterer Schwerpunkt der Untersuchung war, ob es ein Standardprozedere bei der

Heranziehung von Dolmetscher/innen gibt und was die Gründe für die jeweilige Auswahl

von Dolmetscher/innen sind. Zusätzlich wurde noch der Frage nachgegangen, welche

Auswahlkriterien beim Engagement von Laiendolmetscher/innen bzw. professionellen

Dolmetscher/innen herangezogen werden.

Anhand dieser Forschungsfragen wurde die Hypothese abgeleitet, dass Personen, die

beider involvierter Sprachen mächtig sind, als Dolmetscher/innen angesehen werden und

dass auf andere Aspekte kaum geachtet wird. Es wurde auch davon ausgegangen, dass es

ein Standard-Auswahlprozedere gibt, das vom Bundesministerium für Verfassung,

Reformen, Deregulierung und Justiz vorgegeben wird, dieses jedoch von Polizist/innen,

die bereits Erfahrungen mit Dolmetscher/innen gemacht haben, zugunsten persönlicher

Präferenzlisten vernachlässigt wird. Schließlich wurde auch die Hypothese aufgestellt, dass

bei Amtshandlungen bzw. Vernehmungen in erster Linie Laiendolmetscher/innen

herangezogen werden, da sie sowohl kostengünstiger als auch leichter erreichbar sind als

ausgebildete bzw. zertifizierte Dolmetscher/innen und dass das persönliche Vertrauen eine

zentrale Rolle bei der Auswahl spielt.

Zu diesem Zwecke wurde im theoretischen Teil zunächst das Praxisfeld des

Kommunaldolmetschens, in welches das Polizeidolmetschen fällt, erörtert. Im Zuge dessen

wurden die Grundlagen des Kommunaldolmetschens erläutert und die Akteur/innen dieses

Bereiches beschrieben. Aus der Literatur ging hervor, dass neben professionellen

Dolmetscher/innen auch Laiendolmetscher/innen in diesem Feld eingesetzt werden.

Anhand des Konzeptes der Natural Translation von Harris (1978), der Native Translation

von Toury (1984) sowie des Konzeptes Sprachmitteln von Knapp/Knapp-Pothoff (1985)

wurde versucht, zu diskutieren, was unter Laiendolmetschen verstanden wird. In diesem

Zusammenhang wurde festgestellt, dass im Prinzip jede/r, der/die zwei Sprachen

beherrscht, als Dolmetscher/in agieren könnte.

94

Daraufhin wurden einige in der translationswissenschaftlichen Literatur vorgestellten Vor-

und Nachteile der Heranziehung von Laiendolmetscher/innen besprochen.

In einem weiteren Kapitel wurde die Polizei als Institution vorgestellt. Im Zuge dessen

wurden auch die rechtlichen Grundlagen, die Polizist/innen einhalten müssen, besprochen.

Des Weiteren würde erläutert, welche Rechten und Pflichten dem Gegenüber im Rahmen

von Strafdelikten bzw. Vernehmungen zugesprochen werden. In diesem Zusammenhang

kann festgehalten werden, dass jede Person, die bei der Polizei oder vom Gericht

einvernommen wird, das Recht auf die Beiziehung eine/n Dolmetscher/in hat. Diese

Rechte und Pflichten werden in unterschiedlichen Gesetzen, Richtlinien und Konventionen

festgehalten. Die wohl wichtigste und bekannteste in diesem Zusammenhang ist die

Europäische Menschenrechtskonvention.

Als Forschungsbasis wurden die bereits erarbeiteten Sichtweisen der

Translationswissenschaft und die Sichtweisen der Polizei in Bezug auf die

Zusammenarbeit mit Dolmetscher/innen genommen. Immer wieder wird im Rahmen

translationswissenschaftlicher Studien der Umstand beschrieben, dass der Bereich des

Polizeidolmetschens bisher noch zu wenig beachtet wurde. Des Weiteren wird in der

Translationswissenschaft noch immer diskutiert, wessen Zuständigkeitsbereich das

Dolmetschen bei der Polizei ist und dass bei der Polizei eigentlich fast ausschließlich

Gerichtsdolmetscher/innen herangezogen werden sollten. Ein vermuteter Grund, warum in

diesem Bereich mehr Dolmetscher/innen aus anderen Bereichen oder auch

Laiendolmetscher/innen herangezogen werden, ist die im Vergleich zu zertifizierten

Dolmetscher/innen niedrige Vergütung.

Die polizeiliche Sichtweise, die in der vorhandenen Literatur dargestellt wird, geht davon

aus, dass die Beeidigung keine Garantie für gute Leistungen darstellt. Ebenso wird die

Zusammenarbeit mit Dolmetscher/innen von der Polizei laut Literatur eher als

problematisch eingestuft.

Im Rahmen der empirischen Studie wurden die Erfahrungen von Polizist/innen in Kärnten

in Bezug auf die Zusammenarbeit mit Dolmetscher/innen untersucht. Dafür wurden zuerst

die für diese Masterarbeit relevanten Forschungsfragen und Hypothesen vorgestellt und

das Ziel festgelegt. Für die Untersuchung wurde das qualitative Interview als

Forschungsmethode ausgewählt. Diese Methode gibt zwar einen Interviewleitfaden vor,

jedoch kann das Gespräch offen und frei gestaltet werden. Dadurch werden die

Interviewpartner/innen in ihren Erzählungen nicht eingeschränkt und die Fragen dienen

lediglich als roter Faden. Für die Auswertung der erhaltenen Daten wurde die Methode der

95

qualitativen Inhaltsanalyse gewählt, da diese es ermöglicht, die unterschiedlichen

Interviews auf inhaltlicher Ebene zu vergleichen.

Forschungsinteresse der empirischen Untersuchung waren die Erfahrungen mit

Dolmetscher/innen, die Entscheidungsgründe für die Auswahl der Dolmetscher/innen

sowie das Standardprozedere bei der Auswahl. Es wurde davon ausgegangen, dass

Polizist/innen jene Dolmetscher/innen heranziehen, die sich bewährt haben, was durch die

Untersuchung auch bestätigt wurde. Des Weiteren wurde davon ausgegangen, dass es ein

Standardprozedere für die Abwicklung mit Dolmetscher/innen-Beteiligung gibt, dieses

jedoch aufgrund persönlicher Präferenzen missachtet wird. Dazu kann gesagt werden, dass

die einzige Vorgabe der Landespolizei – Heranziehung von Dolmetscher/innen, die auf der

Liste geführt werden – durchwegs beachtet wird. Es stellte sich auch heraus, dass

Polizist/innen sich jener Dolmetscher/innen bedienen, mit welchen sie bereits gute

Erfahrungen gemacht haben. Im Falle einer negativen Erfahrung oder wiederholter

mangelnder Erreichbarkeit werden die Dolmetscher/innen von dieser Liste entfernt.

Eine wichtige Erkenntnis ist, dass ein/e professionell handelnde/r Dolmetscher/in für die

Polizei ein absolutes Muss ist. Professionalität wird jedoch nicht an der Ausbildung

gemessen, sondern an Merkmalen wie Erreichbarkeit, Neutralität, Persönlichkeit und

Vertrauen. Ebenso werden Attribute wie Pünktlichkeit, die Kenntnis der Gesetze und

Selbstkompetenz hoch angesehen. Werden diese Kriterien erfüllt, so entspricht man den

Erwartungen der Polizei und wird als Polizeidolmetscher/in herangezogen.

Abschließend kann gesagt werden, dass Polizeibeamt/innen im Großen und Ganzen gute

Erfahrungen mit Dolmetscher/innen gemacht haben. Die Ausbildung eines

Dolmetschers/einer Dolmetscherin wird seitens der befragten Polizeibeamt/innen oftmals

nicht als relevant erachtet, denn dieser Aspekt ist, ebenso wie die Beeidigung, keine

Garantie für gute Dolmetschleistungen.

Wichtig an dieser Stelle ist noch anzumerken, dass die erhaltenen Informationen eine

Momentaufnahme darstellen und weder auf ganz Kärnten noch auf alle österreichischen

Polizeidienststellen umgelegt bzw. verallgemeinert werden darf.

In Hinblick auf weitere Forschungen wäre es noch interessant zu vergleichen, welche

Erfahrungen Dolmetscher/innen im Rahmen der polizeilichen Tätigkeit gemacht haben und

welchen Einfluss das persönliche Verhältnis, das bei vielen Polizist/innen als

Voraussetzung für die Heranziehung gilt, auf die Vernehmung oder auch die zu

vernehmende Person hat.

96

Schlussendlich ist die wichtigste Erkenntnis, die aus der empirischen Untersuchung

hervorgeht, folgende: Persönlichkeit in Kombination mit Sprachkenntnis sind

ausschlaggebend für die Rekrutierung als Polizeidolmetscher/in.

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109

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: The Progression from Natural to Expert Translator (Harris 2010) ........ 19 Abbildung 2: Statistik an drei Wiener Gerichten (vgl. Kadrić 2012:104 Im

Vorverfahren bei der Polizei eingesetzte Dolmetschende) .......................................... 53 Abbildung 3-5: Handlungsrichtlinien (vgl. Stanek 2011:104ff.) .......................................... 61