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Doppelstockbild mit dem Telgter und Vinnenberger
Gnadenbild in Telgte am Hofe Harkampsheide 23 *)
Der wohl bedeutendste Bildstock im Gebiet von Telgte soll
die Betrachtung der Reihe unserer Bildstöcke abschließen.
Schon den Maßen nach fällt dieses Wegebild unter den an-
deren auf. Deutlich gekennzeichnet ist die Zweiteilung. Auf
dem wuchtig schweren, einmal abgestuften Sockel mit den
von Blattornamenten umrahmten Inschriften-kartuschen
auf beiden Hauptseiten steht der leichter und kleiner ge-
formte Teil mit den Reliefdarstellungen des Telgter und des
Vinnenberger Gnadenbildes mit den umrahmenden Put-
tenköpfen.
Nach den Inschriften ist dieser Bildstock 1683 durch die Vinnenberger Äbtissin — es war da-
mals die tatkräftige Anna Maria von Brakel (1677 bis 1711) — errichtet worden. Schon 1686
wurde er renoviert. Wir wissen nichts über die Gründe für diese Maßnahme. Den Größenver-
hältnissen nach zu rechnen, sind die beiden Teile des Bildwerkes — Sockel und Aufsatz — nicht
aus einem Guss.
Es gibt eine Reihe guter Argumente dafür, dass der Bildstock
an dieser Stelle steht — er mag im Laufe der drei Jahrhun-
derte seines Bestehens seinen Platz um etliche Meter ver-
ändert haben. Das spielt in seiner Bedeutung keine Rolle. Er
gehörte zu einem Hof, der urkundlich nachweisbar seit 1349
zum Kloster Vinnenberg gehört hat. Dieser Hof heute ge-
bietsmäßig zu Telgte gehörig — lag seit jeher dicht an der
Grenze zwischen Telgte und Vinnenberg. Wir können das
Wegebild also auch als Grenzstein, nicht nur im profanen
Sinne, auffassen, sondern auch als Grenze zwischen den Be-
reichen der Gottesmutterverehrung in Telgte und Vinnen-
berg. Sie ist die Schutzfrau, nicht nur für den Hof, sondern
auch für diejenigen, die hierher des Weges ziehen. Für diese Wanderer ist der Stein auch Weg-
weiser, der durch Bilder und Inschriften deutlich macht, wo der der Gegend Unkundige sich
befindet.
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Relief der Telgter Madonna aus dem Doppelbildstock beim Hofe Richter-Grawinkel
Auf der Telgte zugewandten Seite füllt die Darstellung des Telgter Gnadenbildes die Bildfläche
völlig aus. In dieser Wiederholung der
Telgter Madonna ist die gotische, fast
steile Aufgerecktheit des Marienbildes
aus dem 14. Jahrhundert verloren ge-
gangen. Die barocken Formen sind
breit und fließend und wirken beson-
ders kompakt durch den schwer er-
scheinenden Mantel, der, wie im Ba-
rock üblich, um die Gruppe von Mutter
und Sohn gelegt ist. Was mit diesem
Bild gemeint ist, machen die beigege-
benen Inschriften noch besonders
deutlich. Auf dem steinernen Rahmen
um die Telgter Muttergottes wird sie
bezeichnet: statua Tigetana (Telgter
Statue) und die Anrufung lautet:
O Maria ich bitte
dich durch Deine
schmertzen,
mit Welgen du den Leib deines Sohns
vom Kreutz in deinen Schos
endtfangen Ste mihr bey
jetz in der Stunde des
doedes. REN 1686
Es ist eine dringende Bitte um Hilfe an die auserwählte Frau, die unendliches Leid durch die
Hinrichtung ihres göttlichen Sohnes als Verbrecher gelitten hat. Doch sie versinkt nicht in ih-
rem Schmerz; sie ist die Consolatrix afflictorum, die Trösterin der Betrübten, zu der die Men-
schen ihre flehende Stimme erheben.
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Relief der Vinnenberger Madonna
Diese beiden Gnadenbilder, die keineswegs barockzeitlichen Ursprungs sind, kommen in der
Polarität ihrer Themen barocken Empfindungen sehr entgegen. Einmal liebt diese Zeit die Bal-
lung von Namen und Begriffen, vor allem auch im geistlichen Raum. Wir brauchen nur an das
Lied „Wunderschöne Prächtige ..." (Einsiedeln 1773) zu denken, und dann finden wir häufig
die Spannung zwischen zwei Polen, die sich gerade in den vielen Bezeichnungen für Maria je
nach der Zusammenstellung ihrer Namen auswirken kann. Unwillkürlich kommt uns der Vers
von Novalis in den Sinn: „Ich sehe dich in tausend Bildern, Maria, lieblich ausgedrückt ..."
Das Vinnenberger Gnadenbild wird
als Regina caeli, als Königin des
Himmels, bezeichnet, als miraculis
clara, durch Wunder berühmte. Die
große Beachtung fürstlicher Per-
sönlichkeiten, die Betonung des Ti-
tels der Himmelskönigin ist auch
ein Zug, der vortrefflich in ein Pro-
gramm wie das unsere hier passt.
Ist es bei dem Telgter Gnadenbild
das abgrundtiefe Leid Mariens, das
sie geneigt macht, dem Menschen
in seiner Not zu helfen, so ist es hier
ihre erhabene Würde und herr-
scherliche Macht, die ihr die Kraft
zum Helfen gibt. Der Anlass, aus
dem der Mensch zur Gottesmutter
fleht, ist derselbe: er braucht Hilfe in seiner letzten Not in der Todesstunde. Das können wir
auf der Kartusche auf der Telgter Seite noch gut (auch durch die Kombination der Bruchstücke)
erkennen. Die Vinnenberger Seite ist im Zusammenhang nicht mehr lesbar. Man erkennt aber:
„Ich grüse dich O du aller Würdichste Mutter Maria ... ... alle ... in der Stunde des Todes kommest zu Hilff.
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Künstlerische Ausgestaltung
An einer Reihe von Merkmalen ist die künstlerische Qualität des Doppelbildstocks bei Richter-
Grawinkel erkennbar. Besonders fällt wohl die liebenswürdige Darstellung der sechs Putten
ins Auge, jeweils drei sind einer Bildseite zugeordnet. Je ein Köpfchen wird über dem ge-
schweiften oberen Rand wie in einem Wolkenbettchen sichtbar; die anderen sind auf beiden
Bildseiten von den äußeren Rahmen her als ein Paar einander zugeordnet. Es sind reizende
Kindergesichter, die uns von dem tiefernsten Geschehen auf den Bildflächen sehr ablenken
können
.
Schauen wir die Kleinkindergesichter aber genauer an, dann bemerken wir, wie sehr sie inner-
lich zum Geschehen gehören, wie stark sich der tiefe Gehalt der Bildszenen auf ihren
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Gesichtern widerspiegelt. In diesen noch vom Leben so ungeprägten Zügen liest man die Tiefe
des Mitempfindens deutlich ab. Schrecken, Erschrecktsein spricht aus dem Putto über der Tel-
gter Madonna, auf dem Antlitz der seitlichen kleinen Engel verziehen sich die Kindermienen
zum Weinen. Man meint schon ein Schluchzen aus dem innersten Herzen herauf zu hören.
Und dann die andere, die himmlische Seite mit der Vinnenberger Himmelskönigin. Vollendete
Seligkeit leuchtet aus dem Kindergesichtchen zwischen seinen Wolken. Diesen absoluten
Glückszustand lesen wir, angedeutet auch in einem ganz leisen, stillen Lächeln auf dem Antlitz
des Puttenpaars, das sich von den Rändern des Bildsteins her anschaut.
Es gibt auf diesem Wegebild keine leeren Stellen. Was auf den ersten Blick wie bloße Dekora-
tion aussieht, führt uns, wenn wir stille werden und schauen, in die Tiefe des Sinngehalts die-
ses Bildstocks.
*) Text:
Dr. Doris Westhoff, Bildstöcke und Wegekreuze in Telgte und Westbevern, Telgte (1985)
Bilder auf Seite 1: Heinrich Pickert (1933/34); Seite 2 bis 5: Walter Suwelack (2013)
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Gertrud Stolte-Adelt, Wegbilder der Barockzeit im Münsterland, Wattenscheid 1936
Ein Doppelbildstock auf dem Gute Crawinkel am Wege zwischen Telgte und dem Kloster
Vinnenberg trägt auf getrepptem Sockel einen Unterbau mit quadratischen Schauseiten, die
je eine querovale Inschriftkartusche mit teigigem Akanthusrahmen schmückt. Darüber steht
eine doppelseitig bearbeitete Reliefplatte mit geschweiftem Gebälk, auf dem ein Engelkopf
mit zwei Gesichtern zwischen seinen rund stilisierten Flügeln und zwei mächtigen Blumenbü-
scheln angebracht ist. Zu beiden Seiten der Reliefplatte schmiegen sich mit übereinander ge-
stellten Flügeln zwei Cherubim, mit dem Giebel und Sockelumriss durch Athanthusvoluten
verbunden. Die Reliefbilder selbst sind von kompakten BIattgirlanden, die dem Umriss der
Platte parallel laufen, umfasst.
Das nach Telgte gewandte Relief zeigt eine Nachbildung des Vinnenberger Gnadenbil-
des*): eine gekrönte Madonna, von der nur der Kopf über einer schutzmantelartigen, drei-
eckigen Draperie sichtbar ist uns sie über einem winzigen Sockel steht. In geraden Parallelfal-
ten öffnet sich der Mantel nach unten, auf dem Untergewand sind Ketten mit Kreuzen, Her-
zen und Medaillen in konzentrischen Kreisen angedeutet. Rechts und links von der himmli-
schen Erscheinung, durch ein Spruchband miteinander verbunden, schweben in Wolken-
knäueln zwei Engelsköpfchen. Zu Füßen der Madonna sieht man Darstellungen wunderbarer
Heilungen in sehr kleinem Figurenmaßstab: Links tragen zwei Gestalten zwischen sich in ei-
nem Tuch ein Kind, im Hintergrund steht die Vinnenberger Kirche, rechts sitzen auf einer
breiten Bank eine Frau und ein Mann im Gespräch. Die beiden dem Gnadenbild zunächst sit-
zenden Figuren sind wie die äußersten Figuren eines Giebelfeldes zur Seite geneigt, um un-
ter dem Mantel der Madonna Platz zu finden.
Auf der anderen Seite der Platte befindet sich eine Nachbildung des Gnadenbildes in Tel-
gte (14. Jahrhundert). Die Anordnung der beiden Figuren ist im Großen und Ganzen gewahrt,
nur der rechte Arm Christi, der dort jetzt auf dessen Oberschenkel liegt, ist hier herabgesun-
ken — (so war es offenbar ursprünglich auch in Telgte) — eine Erscheinung, die sich bei allen
späteren Nachbildungen der Telgter Schmerzensmutter wiederfindet und beweist, dass die
heute in Telgte vorhandene Armgestaltung auf irrtümlicher späterer Reparatur beruht. Der
Umriss der Gruppe ist sehr in die Breite gezogen, die Falten des Gewandes, deren Einzelhei-
ten zwar ziemlich getreu nachgeahmt sind, wurden aus der Steifheit und Scharfgratigkeit,
aus der spitzen Knickung gotischer Art ins Weiche, Kräuselnde, und Geschwungene umge-
wandelt. Der Leichnam, dort kindhaft klein und von ausgerenkter Magerkeit, ist voller und in
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normalem Größenverhältnis gebildet. Er ist aus dem strengen Profil etwas nach vorn ge-
dreht. Das Antlitz der Madonna, beim Telgter Gnadenbild durch seine von Schmerz zerstör-
ten Züge und die tief in den Höhlen liegenden, großen Augen von faszinierendem Aus-
druck, ist hier zu behäbig lächelnder Rundlichkeit ausgeglichen. Die Hände haben die
weiche Zärtlichkeit, die schon bei der Nordwalder Pieta auffiel.
Die ornamentale Plastik des Bildstocks: die pausbäckigen Engel, die auf der Seite
des Vinnenberger Bildes Nuancen der Freude vom leisen Lächeln bis zum behagli-
chen Grinsen ausdrücken und die zur Telgter Schmerzensmutter ernst, trauernd und
weinend niederblicken, die quellenden Voluten und Akanthusbüschel, die Mannigfal-
tigkeit der Blütenformen, vor allem die halberschlossenen Rosenknospen deuten auf
niederländischen Einfluss hin. Wahrscheinlich stammt der Bildstock aus einer Werk-
statt in Telgte, aus deren Frühzeit nur dieses eine Werk erhalten ist (von ihrer Tätig-
keit im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts zeugen die Epitaphien am Kirchplat z zu
Telgte, von denen eines, nämlich der kreuztragende Christus von 1708 am Sockel
ähnliche Cherubimköpfe trägt wie der Bildstock auf Crawinkel).
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*) Das Vinnenberger Gnadenbild ist eine etwa handgroße romanische Sitzmadonna (Holz)
mit einem bekleideten Jesusknaben, der einen Apfel hält. Das Bildwerk ist von Stoff und
Schmuck jedoch so verhüllt, dass das Kind nicht zu sehen ist und die ganze Figur ihrer Nach-
bildung auf dem Bildstock gleicht.
Eigentümerin des Bildstocks ist
Frau Marion Schorn
Harkampsheide 23
48291 Telgte
Tel.: 02504/981178
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Die Gründungslegende – Stickerei auf einem Velum im Kloster Vinnenberg
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Die Gründungslegende zum Kloster Vinnenberg
Die Legende erzählt in der typischen Art mittelalterlich-frommer Denkweise vom Ursprung des
Klosters: Die Ritter Bernhard und Johann von Vinnenberg, die wegen der Aufteilung des geerb-
ten Adelshofes Vinnenberg im Streit lagen, sahen in mondheller Nacht, wie eine Frau und ein
jüngerer Mann den Hof abschritten, ihn sorgfältig maßen und sich dann ermüdet auf einem
Baumstamm niedersetzten. Sie erkannten in ihnen die Gottesmutter Maria und den Apostel Jo-
hannes - waren sie doch gekleidet, wie man damals Maria und Johannes zu malen pflegte. Sofort
eilten sie in den Hof, fanden jedoch niemanden mehr. Nur ein roter Seidenfaden lag auf dem
Stamm, auf dem sie sich ausgeruht hatten. Die zerstrittenen Brüder deuteten das Zeichen rich-
tig: Unter dem Eindruck der Vision einigten sie sich und übergaben ihr väterliches Erbteil zu Eh-
ren der Gottesmutter, des hl. Johannes des Täufers und des hl. Apostels Johannes den Schwes-
tern des kleinen Klosters Marienberg "zur Erweiterung und Stiftung vorerwänten Jungfrawen
Cloisters".
Aus dem Baumstamm, auf dem die Gottesmutter und der hl. Johannes nach der Vermessung des
Hofes gesessen hatten, ließ Bernhard von Vinnenberg vier Plastiken anfertigen: drei Bildnisse der
Mutter Gottes und eines der hl. Anna. Das kleinste der damals geschaffenen Marienbilder wurde
das Vinnenberger Gnadenbild: die "Mutter Gottes vom Himmelreich".
Über die Geschichte des Gnadenbildes: P. Bahlmann, Wunderbericht aus Vinnenberg 1629-1639. Warendorfer Blätter 1912, 30 ff.
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Andachtsbildchen Gnadenbild - Foto aus den 30er Jahren Nach der Auflösung des Klosters 1941 durch die Nazis nahm Bischof Clemens August das Gnadenbild im Bischöflichen Palais in Münster in seine Obhut. Es wurde beim Bomben-angriff auf Münster am 10. Oktober 1943 vollständig zerstört. Durch den Füchtorfer Bild-hauer Josef Picker (1895-1984) aus der Werkstatt Prof. Franz Guntermanns ließ der Bi-schof 1946 eine Abbildung des Gnadenbildes schaffen, 1952 sorgte Bischof Michael Kel-ler anlässlich der 700-Jahrfeier des Wallfahrtsortes Vinnenberg in Rom für die Anerken-nung des neuen Gnadenbildes und die Gewährung neuer Ablässe.
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