Dosisfindung und Interaktionen in der modernen...

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Dosisfindung und Interaktionen in der modernen Onkologie

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Dosisfindung und

Interaktionen in der modernen

Onkologie

Dosierungspraxis von „klassischen“ Zytostatika

• Beruht dabei auf der in Phase-I-Studien ermittelten „maximal tolerierten Dosis“ (MTD)

• MTD wiederum wird anhand der „3 + 3“-Dosiseskalation nach Fibonacci (modifiziert) ermittelt. – Dosissteigerung nach Einstieg um 100%, 67%, 50%, 40%, 33% usw. – Dabei werden jeweils drei Patienten mit einer bestimmten Dosis behandelt. – Sobald bei einem Patienten eine dosislimitierende Toxizität (DLT) auftritt,

werden drei weitere Patienten mit derselben Dosis behandelt. – Tritt bei einem bestimmten Dosisniveau bei mindestens zwei weiteren

Patienten eine DLT, werden keine weiteren Patienten mit dieser Dosis behandelt.

– Das Dosisniveau unmittelbar darunter gilt dann als maximal tolerierte Dosis.

• Ergebnis: – übliche Basisdosierung in Form von [mg/m² KOF] nach DuBois und DuBois – oder [mg/kg]

• Bevacizumab, Trastuzumab, Chlorambucil, Cyclophosphamid, Melphalan,

Wird immer „steil“ durchgerechnet

• NEIN • Verboten bei Substanzen ohne steile Dosis-

Wirkungskurve – Klassiker: VCR, 1,4 mg/m² aber max. 2 mg

• Willkürliches Dosiscapping bei übergewichtigen Patienten auch bei Substanzen MIT steiler Dosis-Wirkungskurve – KOF >> 2 m² – Alkylanzen, Taxane, Etoposid, Antikörper(!)

Endlich in 2012 – ASCO Guidelines

• Es gibt KEINE Rechtfertigung für eine willkürliche Dosisreduktion durch „dose capping“! – Bei kurativen Therapieansätzen

• Übergewichtige erleiden keinesfalls eine stärkere Toxizität – Eher im Gegenteil

• Z. B. geringerer Nadir nach Doxorubicin

• Schlechteres Outcome bei übergewichtigen Krebspatienten wg. unzureichender Dosierung – Bis zu 40% der übergewichtigen, amerikanischen Krebspatienten werden

willkürlich unterdosiert • Griggs et al.: J Clin Oncol, 2008. 26(25): p. 4060-2. • Griggs et al.: Arch Intern Med, 2005. 165(11): p. 1267-73. • Madarnas et al. Breast Cancer Res Treat, 2001. 66(2): p. 123-33. • Shayne et al. Breast Cancer Res Treat, 2006. 100(3): p. 255-62.

Ist das durchgängig so?

• NEIN!

• smKIs#: fixed Dosing für jeden – WIESO? – #Small molecular Kinase Inhibitors

• Wirken beispielsweise 10 mg Everolimus absol. bei beiden gleich?

ANTIANGIOGENESE Problemfall

Bevacizumab PazopANIB Dasatinib VandetANIB Imatinib VatalANIB Nilotinib Sorafenib Sunitinib

Hemmung der Neoangiogenese – Grenzen

Normale Gefäßbildung/-

struktur

Chaotische Gefäßstruktur eines Tumors

Normalisierung unter antiangiogener Therapie

bessere „drug delivery“

Grenzen der Therapie Blutminderversorgung HIF* Neoangiogenese

*HIF = Hypoxie induzierbare Faktoren

INTERAKTIONEN ….DA DENKT DOCH JEDER SOFORT:

Never ending Story

Hilfe! Cytochrome… • Insgesamt 18

Familien und 43 Subfamilien

• Arzneimittelstoff-wechsel: – 18 Isoformen der

Genfamilien 1,2,3 sind relevant

Nur ein Teil der potenziellen Probleme

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Es beginnt mit der Einnahme

Mit oder ohne Nahrung?

Bioverfügbarkeitsprobleme ….unterschiedliche Gründe…..

Nicht vergessen… • Nahrung oder Nahrungsbestandteile können zu nachteiligen Reaktionen führen. Z.B.

– Verzögerte Magenpassage Verzögerung der Resorption

• Was wenn Sie schnelle Spitzenspiegel brauchen?

– Zersetzung, verringerte Löslichkeit, Reaktionen mit, Nahrungsbestandteilen Verminderung der Bioverfügbarkeit

• Mineralwasser mehrwertige Kationen (Ca2+, Mg2+, Fe2+/3+,… )

• Unterdosierung durch Bildung unlöslicher Komplexe (Tetrazykline, Bisphosphonate, Gyrasehemmer, Eltrombopag)

– Verbesserung der Auflösung Steigerung der Bioverfügbarkeit Tox.? • Erlotinib, Lapatinib, Nilotinib, Pazopanib, Posaconazol

– Ratain & Cohen J Clin Oncol 2007: The value meal: how to save $1,700 per month or more on lapatinib

– FPI Posaconazol: Einnahme nach/mit fettreicher Mahlzeiten oder mit saurer, carbonathaltiger Flüssigkeit (Ingwerlimonade)

• Einnahmevorschriften beachten

• Aber auch kritisch hinterfragen

• Was ist die Magen-Darm-Transitzeit?

• Was heißt „nüchtern“?

• Reicht ½ h vor einer Mahlzeit?

Magen-Darm Transitzeit

• Eine konstante Größe?

• Bei jedem Menschen?

• Nach jeder Mahlzeit?

Magenentleerungsraten Flüssigkeit vs. Partikel • Vereinfachte Darstellung

der mittleren Magenentleerungsraten des flüssigen Anteils – Limonade

• und des verdaulichen festen Anteils – Rührei

• einer Testmahlzeit. • Hinweis: der Magen ist

kein Resorptionsorgan

Einflussfaktoren auf die Geschwindigkeit der Magenentleerung

Auswirkung auf Magenentleerung

Nahrungsbestandteile Fette (Fettsäuren > 12 C) ↓↓↓

Kohlenhydrate ↓↓

Proteine ↓

Lebensalter ↓

Erkrankungen Diabetes ↓↓

systemische Sklerosis ↓↓

Arzneimittel N-Butylscopolamin ↓↓↓

Levodopa ↓

Acetylsalicylsäure ↓

Metoclopramid ↑↑

Erythromycin ↑↑↑

Helfen die Fachinformationen? 30 Min. vor dem

Essen

Gleichzeitig mit einer leichten Mahlzeit

1 h vor oder frühestens 2 h

nach dem Essen

Nicht zu den Mahlzeiten

Mit einer Mahlzeit

Unabhängig von den Mahlzeiten

Während oder kurz nach einer Mahlzeit

Mit viel Flüssigkeit

Vorzugsweise nach einer Mahlzeit

Womit wird am besten eingenommen?

• (Leitungs-)Wasser

• In ausreichender Menge – Min. 100 ml

• Und hinreichend großen Schlucken! – D. h. >> 10 ml/Schluck

Körperhaltung und Schluckvolumen

• Testtablette mit 12,5 mm Durchmesser (BaSO4)

• Rückenlage

Trinkvolumen Wasser [ml] Hängen gebliebene Tabletten [%]

0 91

15 61

30 44

60 30

100 18

Gallo et al. Gastrointest. Endosc. 1996; 44: 181-184.

Arzneimittelinteraktionen

Kinetisch

Dynamisch

Genetisch

• Die gute Nachricht: es gibt welche die wir verstehen und voraussehen können – Wird für Synergismen genutzt

– Antibiotika – Blutdrucksenker – Schmerztherapie

• Die schlechte Nachricht: relevante (negative) AM-Interaktionen lassen sich nicht systematisieren

• Wieso?

Problem: Arzneimittelinteraktionen

Arzneimittelinteraktionen (AI)

• „Systematik“ schwierig • Interaktionen einzelner Stoffklassen mit...? • Interaktionen verstoffwechselnder und/oder ausscheidender

Organe durch...? • Beides...? • Problem (u.a.):

– Einzelfallberichte – Keine Studien an gesunden Probanden mit Krankheitsmodellen

• Sie erinnern sich: der Mensch ist kein präzise funktionierendes Messgerät

Kinetik

Beachte

• Die Pharmakokinetik betrachtet den Organismus (immer noch) als offenes Fließgleichgewicht – Beispielsweise Verteilung durch passive (!)

Diffusion

• Jedoch: der Mensch ist kein präzise funktionierendes Messgerät… und

Faktoren, die die Verteilung eines Arzneimittels im Organismus beeinflussen

• Organdurchblutung • Kapillaraufbau • Proteinbindung • Gewebeaffinität • physikochemische Stoffeigenschaften • Aktiver Transport

– OATP (organic anion-transporting polypeptide) – OAT (organic anion transporter) – NTCP (sodium taurocholate cotransporting peptide) – OCT (organic cation transporter) – PEPT (oligopeptide transporter) – ASBT (apical sodium-dependent bile acid transporter) – MDR (multidrug resistant (or resistance)) – MRP (multidrug resistance-associated protein) – SLC(solute carrier superfamily)

Human Membrane Transporter Database Search Engine

Interaktionen

• Bitte denken Sie daran:

• Pflanzeninhaltsstoffe / pflanzliche Arzneimittel sind auch Arzneimittel

• Auch diese haben Nebenwirkungen

• Auch diese können mit anderen Medikamenten interagieren.

• An 1. und 2. Stelle zu nennen?

• Grapefruitsaft & Johanniskraut

Grapefruit-Saft Quelle für zahlreiche Arzneimittel-Wechselwirkungen

(Verantwortliche Inhaltsstoffe: Naringin, 6‘,7‘-dihydroxy-bergamottin)

Mögliche Effekte von Grapefruitinhaltsstoffen auf orale Medikamente

1. Enzymhemmung während des 1st-Pass

• Folge: Überdosierung – Beispiel: CSE-Hemmer

Mögliche Effekte von Grapefruitinhaltsstoffen auf orale Medikamente

2. Hemmung von AM-Transportern im GI • OATP

• Folge: Unterdosierung, Nicht-Resorption – Beispiele:

• Fexofenadin – Antihistaminikum

• Ciclosporin – Immunsuppressivum

• Talinolol, Celiprolol,Atenolol – Betablocker

• Etoposid oral – Zytostatikum

• Ciprofloxacin, Levofloxacin

• Quetiapin – Neuroleptikum

• Itraconazol - Antimykotikum nachgewiesen

Mögliche Effekte von Grapefruitinhaltsstoffen auf orale Medikamente

3. 3 x tgl. 240 ml eines doppelt konzentrierten GJ

• Hemmen zusätzlich CYP in der Leber – Folge: Parenteralia sind mit betroffen

• Problem: Inhaltsstoffspektrum des GJ qualitativ und quantitativ nicht bekannt

Cytochrom P 450 Enzyme und Phytopharmaka

• Cave: Phytopharmaka • Echinacea ssp. (Sonnenhut) in vitro Cyp3A4 Inhibitor • Allium Sativa (Knoblauch) Cyp3A4 Induktor (4g/d)

– Hypoglykämische Effekte bei Diabetikern Insulindosis – Verlängerte Blutungszeit mit Warfarin et. al.

• Ginko biloba, kontroverse Daten zu Cyp1A2, -2D6, und -3A4; – Aber: potenziert die Wirkung von MAO-Hemmern – Erhöht es Blutungsrisiko durch Inhibition des Plättchen aktivierenden

Faktors (Ginkgolide) • Hydrastis canadensis (Kanadische Gelbwurz) Cyp3A4 Inhibitor

– Vermindert die Vit. B Absorption – Inhibiert antikoagulanzieneffkte

Cassileth & Lucarelli Herb-Drug Interactions in Oncology

„Rauchercytrochrome“

• Cytochrome P450 (CYP) – CYP 1A1

– CYP 1A2

– eventuell CYP 2E1.

– Kohlenmonoxid induziert CYP 2D6.

Rauchercytochrome 1A2

• Psychotropics: – Amitriptylin – Chlorpromazin – Clomipramin – Clozapin – Duloxetin – Fluphenazin – Fluvoxamin – Imipramin – {Mirtazapin} – {Olanzapin} – Perphenazin – Thioridazin – Trifluoperazin

• Diverse: – Lidocain – Mexiletin – Naproxen – Ondansetron – Paracetamol – Propranolol

Rauchercytochrome 2E1

• Cytochrome P450 (CYP) – eventuell CYP 2E1.

• Anaesthetika – *-flurane

• Paracetamol

Rauchercytochrome 2D6 durch CO

• Beta Blocker:

• S-Metoprolol

• Propafenone

• Timolol

• Antidepressiva:

• Amitriptylin

• Clomipramin

• Desipramin

• Imipramin

• Paroxetin

• Allg. TCA

• Antipsychotics:

• Haloperidol

• Risperidon

• Thioridazin

• Diverse:

• Aripiprazol

• Codein

• Dihydrocodein

• Dextromethorphan

• Duloxetin

• Etoricoxib

• Flecainid

• Hydrocodon

• L-Methadon

• Mexilletin

• Ondansetron

• Oxycodon

• Tamoxifen

• Tramadol

• Venlafaxin

Interaktionen…

…was ist klinisch relevant?

Interaktionen

• Was ist wirklich – klinisch- relevant?

• Oft: Cytochom P450 „Gedödel“ CYP3A4

CYP2E1

CYP2B6 CYP2C19

CYP2C8 CYP1A2

Interaktionen

• Was ist wirklich –klinisch- relevant?

• Induktoren – Schwer vorhersehbar

– Ausnahme: Zigarettenkonsum ≥ 5/d

• Inhibitoren Ein starker Inhibitor verursacht einen > 5-fachen Anstieg der Plasma-AUC

Werte oder eine mehr als 80% verminderte Clearance.

Ein moderater Inhibitor verursacht einen > 2-fachen Anstieg der Plasma-AUC Werte oder eine 50-80% verminderte Clearance.

Ein schwacher Inhibitor verursacht einen > 1.25-fachen jedoch < 2-fachen Anstieg der Plasma-AUC Werte oder eine 20-50% verminderte Clearance

Alle anderen Inhibitoren

Flockhart DA. Drug Interactions: Cytochrome P450 Drug Interaction Table. Indiana University School of Medicine (2007).

TKI Metabolisierung Arzneistoff Substrat von CYP-Inhibitor

Axitinib CYP3A4/5, (1A2, 2C19) CYP(1A2, 2C8)

Crizotinib CYP3A4/5 CYP3A4

Dasatinib CYP3A4 CYP3A4, 2C8

Erlotinib CYP3A4, 1A1 CYP(1A1), 3A4, 2C8 Everolimus CYP3A4 CYP3A4, 2D6

Gefitinib CYP3A4, 2D6

Imatinib CYP3A4 CYP3A4, 2C9, 2C19, 2D6 Lapatinib CYP3A4/5, 2C8, CYP3A4, 2C8/9

Nilotinib CYP3A4 CYP3A4, 2C8/9, 2D6 Pazopanib CYP3A4, (1A2, 2C8) CYP2C8, 2D6, 3A4

Sorafenib CYP3A4 CYP2C9, 2B6, 2C8, 2C19, 2D6, 3A4

Sunitinib CYP3A4

Vandetanib CYP3A4

Vemurafenib CYP3A4 CYP1A2, 2A6, 2D6, 2C9, 2C19, 3A4/5

Interaktionen

• Was ist wirklich –klinisch- relevant?

• Induktoren – Schwer vorhersehbar

• Rauchercytochrome

• Onkologie: – Irinotecan

– Erlotinib

Critical Reviews in Oncology/Hematology 81 (2012) 58–74

Herzlichen Dank fürs Zuhören Fragen?

[email protected] http://www.stil-info.de