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Seit Mitte der 90er Jahre besteht in Nie- dersachsen bereits ein Vertrag, der die Struktur und das Leistungsangebot der Diabetologischen Schwerpunktpraxen (DSP) regelt. Mit Einführung der Disea- se Management Programme (DMP) ab 2002 in Deutschland wurde auch der DSP-Vertrag angepasst. Gerade im Be- reich Diabetes mellitus haben die Pro- gramme zu einer strukturierteren und vollständigeren Untersuchung der Pa- tienten mit Diabetes mellitus beigetra- gen. Darauf weist eine erste Sichtung von DMP-Dokumentationen des seit 1. April 2012 angepassten bestehenden DSP-Strukturvertrages zwischen der KVN und den Primärkassen in Nieder- sachsen hin. Auf der Basis der Daten aus den DMP hatte sich eine Arbeitsgruppe aus Dia- betologen, Vertretern der KVN und der Primärkassen (AOK, BKK, LKK, IKK, Knappschaft) gebildet, um einen neuen Diabetes-Strukturvertrag für Nieder- sachsen zu gestalten. Das gemeinsame Ziel: die Verbesserung der medizini- schen Versorgung für Patienten mit Diabetes mellitus. Dazu wurde eine Zielvereinbarung getroffen. Sie sah ins- besondere vor, dass die Erfüllungsquo- te für wichtige Untersuchungen auf Folgeschäden (siehe Tabelle 1) gestei- gert werden sollte. Um eine ausrei- chende Fokussierung zu erreichen, wurden drei Untersuchungen als Kon- trollparameter ausgewählt: > die Urintestung auf Mikroalbumi- nurie, > die jährliche augenärztliche Fun- duskopie und > die Mitbehandlung durch Diabeto- logische Fußambulanzen bei auf- fälligem Fußstatus. Im Vordergrund bei der Auswahl stand die Relevanz der jeweiligen Untersu- chung für die weitere Behandlung und das langfristige Wohl der Patienten. Kontrollparameter Am Beispiel der Mikroalbuminurie als wichtiger Marker für das kardiovasku- läre Outcome und damit einer beson- deren Hochrisikokonstellation wurden erste Auswertungen vorgenommen. Darüber hinaus ist die Mikroalbumi- nurie die erste Stufe einer diabetischen Nephropathie. Das frühzeitige Erken- nen der Mikroalbuminurie ist von gro- ßer Bedeutung, da diese durch geeig- nete Interventionen (Verbesserung der 52 11 | 2014 niedersächsisches ärzteblatt DSP-Vertrag intern Gemeinsame Zielvereinbarung zeigt Wirkung Diabetes mellitus: Erste Datenanalyse lässt auf deutliche Zunahme von Folgeuntersuchungen durch Diabetes-Strukturvertrag schließen Grafik 2: Abgerechnete Untersuchungen in der DSP: Mikroalbuminurie-Testung Grafik 1: Abgerechnete Untersuchungen in der DSP: Urinstatus Veröffentlichung - Niedersächsisches Ärzteblatt - Ausgabe: 11/2014 Dr. med. Andreas Lueg, Hameln Heike Meyer, AOK Niedersachsen

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Seit Mitte der 90er Jahre besteht in Nie-dersachsen bereits ein Vertrag, der dieStruktur und das Leistungsangebot derDiabetologischen Schwerpunktpraxen(DSP) regelt. Mit Einführung der Disea-se Management Programme (DMP) ab2002 in Deutschland wurde auch derDSP-Vertrag angepasst. Gerade im Be-reich Diabetes mellitus haben die Pro-gramme zu einer strukturierteren undvollständigeren Untersuchung der Pa-tienten mit Diabetes mellitus beigetra-gen. Darauf weist eine erste Sichtungvon DMP-Dokumentationen des seit 1.April 2012 angepassten bestehendenDSP-Strukturvertrages zwischen derKVN und den Primärkassen in Nieder-sachsen hin.

Auf der Basis der Daten aus den DMPhatte sich eine Arbeitsgruppe aus Dia-betologen, Vertretern der KVN und derPrimärkassen (AOK, BKK, LKK, IKK,Knappschaft) gebildet, um einen neuenDiabetes-Strukturvertrag für Nieder-sachsen zu gestalten. Das gemeinsameZiel: die Verbesserung der medizini-schen Versorgung für Patienten mitDiabetes mellitus. Dazu wurde eineZielvereinbarung getroffen. Sie sah ins-besondere vor, dass die Erfüllungsquo-te für wichtige Untersuchungen aufFolgeschäden (siehe Tabelle 1) gestei-gert werden sollte. Um eine ausrei-chende Fokussierung zu erreichen,wurden drei Untersuchungen als Kon-trollparameter ausgewählt: > die Urintestung auf Mikroalbumi-

nurie, > die jährliche augenärztliche Fun-

duskopie und > die Mitbehandlung durch Diabeto-

logische Fußambulanzen bei auf-fälligem Fußstatus.

Im Vordergrund bei der Auswahl standdie Relevanz der jeweiligen Untersu-chung für die weitere Behandlung unddas langfristige Wohl der Patienten.

Kontrollparameter

Am Beispiel der Mikroalbuminurie alswichtiger Marker für das kardiovasku-

läre Outcome und damit einer beson-deren Hochrisikokonstellation wurdenerste Auswertungen vorgenommen.Darüber hinaus ist die Mikroalbumi-nurie die erste Stufe einer diabetischenNephropathie. Das frühzeitige Erken-nen der Mikroalbuminurie ist von gro-ßer Bedeutung, da diese durch geeig-nete Interventionen (Verbesserung der

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DSP-Vertragintern

Gemeinsame Zielvereinbarung zeigt Wirkung Diabetes mellitus: Erste Datenanalyse lässt auf deutliche Zunahme vonFolgeuntersuchungen durch Diabetes-Strukturvertrag schließen

Grafik 2: Abgerechnete Untersuchungen in der DSP: Mikroalbuminurie-Testung

Grafik 1: Abgerechnete Untersuchungen in der DSP: Urinstatus

Veröffentlichung - Niedersächsisches Ärzteblatt - Ausgabe: 11/2014Dr. med. Andreas Lueg, HamelnHeike Meyer, AOK Niedersachsen

Erfüllungsquoten

Bei der Analyse im Rahmen der DMP-Auswertung 2010/11 zeigte sich,dass die angestrebten Untersu-chungszahlen nicht erreicht wordenwaren. Der gemeinsame Konsens derBeteiligten war deshalb, die Zieler-

reichung hier auf über 90 Prozent zusteigern.

Die Gründe für die unzureichende Ziel-erreichung sind vielfältig: Zum einengab es unterschiedliche Interpretatio-nen bei der Dokumentationsroutine,zum anderen sind die notwendigen

DSP-Vertrag intern

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kvn

QS-Ziele QS-Indikatoren Grundgesamtheit

Diabetes Typ 1

Hoher Anteil von Patienten Anteil der Patienten ab dem 11. Alle eingeschriebenen

ohne diabetische Nephropathie Lebensjahr, bei denen jährlich Patienten ab 11 Jahren

mit jährlicher Bestimmung der Albumin im Urin gemessen wird mit einer DMP

Albuminausscheidung im Urin unter Patienten ohne bereits Teilnahmedauer von

bestehende diabetische mind. 12 Monaten und

Nephropathie ohne bereits

Zielwert: 90 Prozent bestehende

Nephropathie

Diabetes Typ 2

Hoher Anteil an jährlichen Anteil der in den letzten 12 Alle eingeschriebenen

augenärztlichen Monaten vom Augenarzt Patienten mit einer

Untersuchungen untersuchten Patienten unter DMP-Teilnahmedauer

allen eingeschriebenen Patienten von mind. 12 Monaten

Zielwert: 90 Prozent

Diabetes Typen 1 und 2

Mitbehandlung durch eine Anteil der Patienten, die an eine Alle eingeschriebenen

Diabetologische Fußambulanz auf die Behandlung des Patienten mit auffälligem

bei auffälligem Fußstatus diabetischen Fußes spezialisierte Fußstatus und Wagner

Einrichtung überwiesen werden, 2-5 oder Armstrong C/D

unter den Patienten mit

auffälligem Fußstatus

Zielwert: 75 Prozent

Tabelle 1: Qualitätsziele im Diabetes-Strukturvertrag mit den Primärkassen

Grafik 3: Anstieg der im DMP-Bogen dokumentierten Untersuchungen auf Mikroalbuminurie beiTyp-1-Diabetes (Quelle: Qualitätsberichte DMP)

Diabeteseinstellung, Optimierung derBlutdruckeinstellung, Nikotinkarenz,Gewichtsreduktion, u.a.m.) zurückge-bildet werden kann. Im ungünstigstenFall stehen am Ende die terminale Nie-reninsuffizienz und die Dialysepflich-tigkeit.

Ein derart ungünstiger Verlauf ist lei-der nicht selten; die Diabetiker ma-chen unter den Dialysepatienten be-reits mehr als die Hälfte der Fälle aus.Die Dialysebehandlung stellt für die Pa-tienten eine erhebliche Einschränkungder Lebensqualität dar und ist zugleichein erheblicher Kostenfaktor im Ge-sundheitswesen. Die Studien zu Be-handlungskosten zeigen eindeutig,dass den größten Kostenpunkt die auf-wändige Behandlung der Folgeschädendarstellt. Ein für die Kostenträger be-sonders interessanter Aspekt: Die Ver-meidung von Folgeschäden führt damitzu einer Win-Win-Win-Situation: Pa-tient, Arzt und Kostenträger profitierengleichermaßen.

Schritte aber auch unterlassen worden,weil der Fokus auf anderen Behand-lungsthemen lag.

Durch ein vom Verband der niederge-lassenen Diabetologen Niedersachsens(VNDN) durchgeführtes Dokumentati-onstraining konnten Schwierigkeitenbei der Dokumentation ausgeräumtwerden. Die gemeinsame Zielvereinba-rung im Rahmen des Strukturvertragesmit den Primärkassen unterstrich zu-dem die Wichtigkeit der Zielerreichung.

Im Jahr 2014 haben wir dann in einerAnalyse der DMP-Daten der diabetolo-gischen Schwerpunktpraxen die Ziel-erreichung für alle drei Untersuchungennach Einführung des neuen Diabetes-Strukturvertrages überprüft. Hat derVertrag zu einer Steigerung der Unter-suchungszahlen geführt? Das sehr er-freuliche Ergebnis: Das vereinbarte Zielwurde für die Testung auf Mikroalbu-minurie erreicht. Die Untersuchungs-frequenz wurde deutlich gesteigert(Grafik 3).

Für die Durchführung der Mikroalbu-minurietestung sind die diabetologi-schen Schwerpunktpraxen unmittel-bar verantwortlich, weil diese Unter-suchung in der jeweiligen Praxis direkterbracht und auch mit einer Abrech-nungsnummer des EBM abgerechnetwird. Dadurch eignet sich dieser Para-meter besonders für die Unterschei-

auf einer kleinen Veranstaltung in Han-nover die symbolische Übergabe derFördermittel.

„Die KVN will mit ihrer Förderungnicht nur von der KassenärztlichenBundesvereinigung anerkannte Pra-

xisnetze unterstützen, sondern auchNetze, die sich auf den Weg zum aner-kannten Netz gemacht haben oder mitdem Gedanken spielen, ein Netz auf-zubauen“, sagte dazu der Vorstands-vorsitzende der KVN, Mark Barjen-bruch. Er sieht die Förderung koopera-

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Förderung Praxisnetzeintern

Netze sollen Patienten auffangenKV Niedersachsen fördert die ersten zwei Praxisnetze. „Gesundheitsnetz Leinetal“ und „pleXxon“ erhalten insgesamt 88.000 Euro

dung von Dokumentationsverbesse-rung und Untersuchungssteigerung.

Es zeigte sich ein Anstieg der Untersu-chung auf Mikroalbuminurie um 45Prozent.

Im gleichen Zeitraum stieg auch dieZahl der Untersuchungen des Urinsta-tus um 26 Prozent an. Beide Untersu-chungen werden zumindest bei der ers-ten Testung gemeinsam durchgeführt.Deshalb ist der gemeinsame Anstiegentsprechend der täglichen Praxis zuerwarten.

Damit ist die Zielerreichung für die Mi-kroalbuminurie-Testung über die tatsäch -lich vermehrte Durchführung diesesScreenings erreicht worden. Die Ver-besserung der Dokumentationsdurch-führung spielte dabei nur eine unter-geordnete Rolle (Grafik 1 und Grafik 2).

Fazit

Die gemeinsame Initiative von Diabe-tologen, Kassenärztlicher Vereinigungund den Primärkassen hat zu einer Ver-besserung des Screenings auf Folge-schäden geführt. Die angestrebte Ziel-erreichung von über 90 Prozent für dieaugenärztliche Funduskopie (bei Dia-betes mellitus Typ 1) und das Screeningauf Mikroalbuminurie wurden erreicht.Auch die Mitbehandlung der Patientenmit auffälligem Fußstatus (Zielwert:

Die Kassenärztliche Vereinigung Nie-dersachsen (KVN) gewährt den Praxis-netzen „Gesundheitsnetz Leinetal e. V.“und „pleXxon GbR“ als ersten Praxis-netzen in Niedersachsen eine finan-zielle KVN-Förderung von insgesamt88.000 Euro. Am 22. Oktober erfolgte

mind. 75 Prozent) in den DSP wurde fürDM 1 erreicht.

Die Zielerreichung ist auf eine reale Er-höhung der Untersuchungshäufigkeitzurückzuführen und nicht durch dieVerbesserung der Dokumentationsgü-te zu erklären. Dies konnte am Beispieldes Mikroalbumin-Screenings gezeigtwerden.

Der Diabetes-Strukturvertrag mit denPrimärkassen (AOK, BKK, LKK, IKK,Knappschaft) hat somit einen wichti-gen Beitrag zur Verbesserung der Ver-sorgung von Menschen mit Diabetesmellitus in Niedersachsen geführt.

Wir sind also auf dem richtigen Weg.Nun gilt es, die Verträge weiter zu ent-wickeln und die Qualitätsparameterweiter zu beobachten. Ziel des ge-meinsamen Vorgehens ist die Verbes-serung der Versorgung zur Vermei-dung von Folgeerkrankungen – eineechte Herausforderung bei steigenderPrävalenz, die sich nur durch das Zu-sammenwirken aller Beteiligten steu-ern lässt.

Dr. med. Andreas LuegHamelnHeike MeyerAOK Niedersachsen

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