Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen · a) „Die Förderung der individuellen...

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Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen Evaluationsbericht Juni 2017

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Drei Jahre Schulbezogene

Jugendsozialarbeit in Thüringen

Evaluationsbericht

Juni 2017

2 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

Impressum

Herausgeber

Organisationsberatungsinstitut Thüringen – ORBIT e. V.

Arvid-Harnack-Straße 1

07743 Jena

www.orbit-jena.de

Telefon: ( + 49) 03641 / 636 99 16

Fax: ( + 49) 03641 / 636 99 17

Verantwortlich

Ines Morgenstern

Kerstin Fieber-Martin

Luzia Rosenstengel-Kromke

Fabian Kötsche

Redaktionsschluss: Juni 2017

Bildnachweis Minister Helmut Holter: Jacob Schröter

Gefördert vom

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport:

Inhalt 3

I N H A L T

Inhalt .............................................................................................................. 3

1 Vorwort .................................................................................................... 5

2 Einleitung – Einordnung des Landesprogramms ........................................... 6

3 Evaluationsdesign .....................................................................................10

3.1 Bestandsanalyse........................................................................................... 12

3.2 Statistikdokumentation der Schulsozialarbeiter/innen ................................ 12

3.3 Sachberichte der Jugendämter 2013 - 2015 .................................................. 13

3.4 Befragungen der Schulsozialarbeiter/innen, der an der Schule Tätigen und

der Träger der schulbezogenen Jugendsozialarbeit ................................................ 13

3.5 Dokumentation der Vor-Ort-Besuche .......................................................... 14

4 Rahmenbedingungen der Schulsozialarbeit in Thüringen (inputs) ................ 15

4.1 Personal ....................................................................................................... 15

4.1.1 Fachkräftegebot .................................................................................... 15

4.1.2 Beschäftigungsverhältnisse – Befristung und Beschäftigungsumfang .. 18

4.1.3 Beschäftigungsverhältnisse – Personaldichte ....................................... 23

4.2 Finanzierung ................................................................................................ 27

4.2.1 Personalkostenfinanzierung .................................................................. 27

4.2.2 Sachmittelfinanzierung ......................................................................... 30

4.2.3 Finanzielle Absicherung in Thüringen .................................................... 31

4.3 Raumausstattung und Materialien ............................................................... 33

4.4 Kooperation ................................................................................................. 36

4.4.1 Kooperationsvereinbarungen ................................................................ 36

4.4.2 Kooperationsstrukturen ........................................................................ 38

4.5 Qualitätssicherung und -entwicklung ........................................................... 45

4.5.1 Standortspezifische Konzeptionen und Qualitätsreflexion ................... 45

4.5.2 Dokumentation und Sachberichterstattung .......................................... 47

4.5.3 Selbstevaluation .................................................................................... 48

4.5.4 Fortbildungen ........................................................................................ 48

5 Leistungen der Schulsozialarbeit (outputs) ................................................. 52

5.1 Arbeit mit einzelnen jungen Menschen ........................................................ 53

5.2 Arbeit mit Schüler/innengruppen ................................................................. 57

4 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

5.3 Krisenintervention ........................................................................................ 59

5.4 Arbeit mit Eltern und Sorgeberechtigten ..................................................... 60

5.5 Arbeit mit im Schulkontext Tätigen ............................................................. 62

5.6 Zusammenarbeit mit Partnern/innen in der Bildungslandschaft .................. 63

6 Wirkungen von Schulsozialarbeit (outcomes) ............................................ 66

6.1 Kinder- und Jugendliche ............................................................................... 67

6.1.1 Förderung von Sozialkompetenz........................................................... 70

6.1.2 Förderung der Selbstkompetenz ........................................................... 72

6.2 Eltern ............................................................................................................ 74

6.3 Institution Schule ......................................................................................... 76

6.3.1 Entfaltung sozialpädagogischer Sicht- und Handlungsweisen .............. 76

6.3.2 Unterstützung an der Schule tätiger Personen ...................................... 79

6.3.3 Einflüsse auf das System Schule (Schulqualität) .................................... 81

7 Wirkungen auf gesellschaftlicher Ebene (Impacts) ...................................... 86

7.1 Schulsozialarbeit als Funktionsbereich des Sozialstaates ............................. 86

7.2 Ziel: eigenverantwortliche und gemeinschaftsfähige Persönlichkeiten ....... 87

7.3 Wirkungen in den Sozialraum ....................................................................... 89

8 Abschließende Bewertung und Handlungsempfehlungen ........................... 90

8.1 Programmebene .......................................................................................... 90

8.1.1 Bedarfsdeckung und politische Weichenstellung .................................. 91

8.1.2 Rahmenbedingungen für Schulsozialarbeit weiterentwickeln .............. 92

8.1.3 Schulsozialarbeit braucht Kooperationen ............................................. 96

8.1.4 Qualitätsentwicklung als fortlaufender Prozess .................................... 98

8.2 Zielerreichung ............................................................................................ 100

8.2.1 Auf der Ebene der Kinder und Jugendlichen ........................................ 101

8.2.2 Auf der Ebene der Eltern und Personensorgeberechtigten ................. 102

8.2.3 Auf der Ebene der an der Schule Tätigen ............................................ 102

Abbildungsverzeichnis ................................................................................... 103

Tabellenverzeichnis ....................................................................................... 105

Literaturverzeichnis ...................................................................................... 106

Internetquellen ............................................................................................. 109

Stellungnahme des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport ....... 110

Vorwort 5

1 V O R W O R T

„Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen“

Sehr geehrte Damen und Herren,

schulbezogene Jugendsozialarbeit ist

seit einigen Jahren ein fester Bestandteil

an vielen unserer Schulen. Es war daher

an der Zeit, die Arbeit evaluieren zu

lassen. Der Bericht des

Organisationsberatungsinstituts ORBIT

e. V. liegt nun vor.

Wir können dankbar feststellen, mit welchem Engagement die Schulsozial-

arbeiterinnen und Schulsozialarbeiter tätig sind. Sie stehen in regem Kontakt mit den

Lehrerinnen und Lehrern und tragen ihren Teil zum Gelingen des Bildungs- und

Erziehungsauftrags der Schule bei.

Die nun vorliegenden Ergebnisse bestätigen jene Erfahrungen, die mit der

Bestandsanalyse 2014 gemacht werden konnten. Sie lassen aber auch erkennen, dass

immer wieder an den Bedingungen und Anforderungen der Schulsozialarbeit

gearbeitet werden muss. Dazu lade ich alle ein, die in diesem wichtigen Arbeitsfeld

der Jugendhilfe tätig sind, damit wir auch in Zukunft der Herausforderung, eine

förderliche Bildungskultur zu gestalten, gerecht werden.

Ihr

Helmut Holter

Thüringer Minister für Bildung, Jugend und Sport

User1
Unterschrift Helmut Holter

6 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

Abbildung 1 Wortwolke zum Begriffsdschungel

2 E I N L E I T U N G – E I N O R D N U N G D E S L A N D E S P R O G R A M M S

Mit schulbezogene

Jugendsozialarbeit werden in

Thüringen Angebote der

Jugendhilfe im Lern- und

Lebensraum Schule bezeichnet.

Dieser durch den 12. Kinder- und

Jugendbericht 1 als Oberbegriff

eingeführte Terminus soll den

besonderen Bezug zur

Jugendhilfe verdeutlichen. In der

Fachliteratur als auch in der

Förderpolitik der verschiedenen

Bundesländer werden zumeist

synonym unterschiedliche

Begrifflichkeiten für dieses Feld verwendet. Schulsozialarbeit 2 ist dabei

deutschlandweit der verbreitetste Begriff.

Unter verschiedenen Begrifflichkeiten hat die Schulsozialarbeit in Thüringen eine

vergleichsweise lange Tradition. Nach der politischen Wende kam es nicht nur im

Schul- sondern auch im Jugendhilfesystem zu einer umfangreichen Neuorganisation.

Schulsozialarbeit gab es zuvor nicht, dafür aber vielfältige Freizeitmöglichkeiten.

Daher verwundert es auch nicht, dass nach dem gesellschaftlichen Umbruch und der

Auflösung der Freizeitstrukturen in den Schulen und im Umfeld, der Ruf nach

„Freizeitpädagogik“ an Schule laut wurde. Über verschiedene Maßnahmen des

zweiten Arbeitsmarktes beantragten viele Schulen bzw. Schulfördervereine Projekte

zur Verbesserung der Freizeitangebote an den Schulen. Meist arbeiteten auf diesen

Stellen für 1 bis 3 Jahre Personen, die nicht aus dem pädagogischen Kontext

stammten. Schülercafés und Bibliotheken entstanden.

1993 initiierte der Freistaat Thüringen das erste zeitlich befristete Landesprogramm in

diesem Arbeitsfeld: Jugendarbeit an Thüringer Schulen. 1994 wurden die ersten

Sozialpädagogen/innen in Thüringer Schulen eingestellt und begleitend qualifiziert.

Konzepte für dieses Arbeitsfeld gab es in den wenigsten Kommunen. Erst im Laufe

der Zeit entwickelten einige Gebietskörperschaften Rahmenkonzepte für die

Schulsozialarbeit.

1 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2005): Zwölfter Kinder- und Jugendbericht. Bericht

über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe. Berlin, S. 407. 2

In diesem Bericht werden die Begriffe schulbezogene Jugendsozialarbeit und Schulsozialarbeit synonym verwendet.

Einleitung – Einordnung des Landesprogramms 7

Gefördert durch das Land Thüringen entstand 1999 das Modellprojekt „Sozialarbeit

an berufsbildenden Schulen in Thüringen“. Dieses Programm endete 2004.

Einige Jahre gab es keine explizite Landesförderung für dieses Arbeitsfeld, wohl aber

die Möglichkeit, Schulsozialarbeit über die Jugendpauschale des Landes zu

finanzieren. Im Diskurs um Zuständigkeiten zwischen Jugendhilfe und Schule

schieden sich die Geister. Einzelne Jugendämter bauten dieses Arbeitsfeld auch ohne

landesseitige Unterstützung weiter aus, andere verzichteten vollständig auf Angebote

der Jugendhilfe dieser Art an Schulen.

2003 beschloss der Thüringer Landesjugendhilfeausschuss die „Fachlichen

Empfehlungen zur Schulsozialarbeit“, welche im Jahr 2014 fortgeschrieben wurden. 3

Im Koalitionsvertrag 2009 wurde formuliert: „Die Koalitionspartner streben im

Einvernehmen mit den Kommunen eine Öffnung der beiden Systeme Schule und

Jugendhilfe zur nachhaltigen Stärkung der Schulsozialarbeit an.“4 „Beide Seiten

stimmen darin überein, eine bedarfsgerechte Förderung der Schulsozialarbeit im

Rahmen eines spezifischen Landesprogrammes anzustreben. Die Durchführung soll

zur besseren Vernetzung der beiden Leistungssysteme „Schule und Jugendhilfe“ bei

Trägern der Jugendhilfe liegen.“5 Auf der Grundlage der durch das Bildungs- und

Teilhabepaket zur Verfügung gestellten Mittel entstand im Jahr 2013 das

Landesprogramm „Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen“. Mithilfe dieses

landesseitig finanzierten Programms sollten ca. 200 Stellen an Schulen etabliert und

gefördert werden.

Seit 01.07.2013 ist das Landesprogramm in Kraft getreten und wird in allen 23

Gebietskörperschaften umgesetzt.

Die rechtliche Verortung der schulbezogenen Jugendsozialarbeit in Thüringen ist

entsprechend der Richtlinie als eine besondere Form der Jugendsozialarbeit im § 13

Absatz 1 in Verbindung mit § 82 Sozialgesetzbuch Achtes Buch - Kinder- und

Jugendhilfe (SGB VIII) zu sehen. So soll die Kooperation zwischen Jugendhilfe und

Schule gemäß § 81 SGB VIII, § 14 Absatz 4 und 19 Thüringer Kinder- und Jugendhilfe -

3

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2014): Fachliche Empfehlungen Schulbezogene Jugendsozialarbeit. Landesjugendhilfeausschuss, Beschluss Nr. 125/14 vom 08. Dezember 2014. 4

Vereinbarung zwischen Christlich Demokratischer Union (CDU) Landesverband Thüringen und Sozialdemokratischer Partei Deutschlands (SPD) Landesverband Thüringen über die Bildung einer Koalitionsregierung für die fünfte Legislaturperiode des Thüringer Landtages (2009): Starkes Thüringen – innovativ, nachhaltig, sozial und weltoffen. Erfurt, S. 23. 5 Ebenda, S. 33.

8 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

Ausführungsgesetz (ThürKJHAG) sowie §§ 2 Absatz 3, 11 und 55a Absatz 1 Thüringer

Schulgesetz verwirklicht werden.6

Durch das Thüringer Landesprogramm „Schulbezogene Jugendsozialarbeit“ sollen die

folgenden Ziele erreicht werden:

a) „Die Förderung der individuellen und sozialen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen –unter

Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen und Jungen –, indem

Maßnahmen angeboten werden, in denen Schülerinnen und Schüler über das schulische Angebot

hinaus ihre Fähigkeiten entfalten, Anerkennung erfahren und soziale Prozesse gestalten können.

b) Soziale Benachteiligungen, individuelle Beeinträchtigungen und strukturelle Nachteile sollen

abgebaut werden, indem der Ausgrenzung und den Risiken des Scheiterns in der Schule

entgegengewirkt wird. Schülerinnen und Schüler werden bei der Entfaltung ihrer Stärken, dem

Erschließen ihrer Ressourcen und bei der Entwicklung von Lebensperspektiven unterstützt.

c) Beratung von Lehrkräften und Eltern, indem die sozialpädagogische Sicht- und Handlungsweise

in die Schule eingebracht und somit eine Verbesserung der Brückenfunktion zwischen den

Sozialisationsinstanzen Jugendhilfe, Schule und Familie erreicht wird.

d) Junge Menschen sollen in die Lage versetzt werden, sich vor gefährdenden Einflüssen zu schützen

und zur Kritikfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit sowie zur

Verantwortung gegenüber ihren Mitmenschen befähigt werden.“7

Ferner werden in der Richtlinie quantitative Indikatoren zur Zielerreichung formuliert,

die sich auf die Anzahl der in der schulbezogenen Jugendsozialarbeit tätigen

Beschäftigten, die Nutzung der Angebote der Einzelfallhilfe, der sozialpädagogischen

Gruppenarbeit, Krisenintervention und der Angebote für Eltern und an der Schule

Tätige beziehen.

Entsprechend dem aktuellen Koalitionsvertrag von 2014 soll das Landesprogramm

„auf der Grundlage der Ergebnisse einer Evaluation und unter Beachtung

professioneller Standards“ weiterentwickelt und verstetigt werden.8

Seit der Etablierung des Landesprogramms hat das Organisationsberatungsinstitut

Thüringen – ORBIT e.V. die fachliche Begleitung inne. Im Rahmen dieser werden die

Akteure durch Beratung, Fortbildung und wissenschaftliche Untersuchungen

unterstützt.

Der hier vorliegende Bericht bündelt die Ergebnisse aus drei Jahren

Evaluationsforschung in Thüringen und setzt diese ins Verhältnis mit bundesweiten

6 Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2016): Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen an

örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe für Vorhaben der schulbezogenen Jugendsozialarbeit vom 16. Juni 2016. Erfurt, S. 1. 7 Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2016): S. 1.

8 Koalitionsvertrag zwischen den Parteien DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für die 6. Wahlperiode des

Thüringer Landtags (2014): THÜRINGEN GEMEINSAM VORANBRINGEN – DEMOKRATISCH, SOZIAL, ÖKOLOGISCH. Erfurt, S. 47.

Einleitung – Einordnung des Landesprogramms 9

Entwicklungen. Die hier vorliegenden Ergebnisse sollen dazu dienen, die

schulbezogene Jugendsozialarbeit wissenschaftlich fundiert weiterzuentwickeln.

10 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

3 E V A L U A T I O N S D E S I G N

Die vorliegende Evaluation des Thüringer Landesprogramms schulbezogene

Jugendsozialarbeit untersucht die Wirkungen desselben. Das Ziel ist es,

herauszufinden, welche Wirkungen durch das Landesprogramm erzielt werden. Um

Wirkungen zu analysieren, ist es ratsam, sich diesen entsprechend der gesetzten Ziele

und Wirkungslogiken zu nähern. Eines der verbreitetsten Modelle der Wirkungslogik

ist das „Logische Modell“ oder die „Wirkungskette“, welches für die meisten Ansätze

nutzbar ist. Dieses Modell wird für die hier angestellte Wirkungsanalyse zugrunde

gelegt. 9

Inputs bezeichnen alle Ressourcen, die für die Umsetzung des betrachteten

Landesprogramms notwendig sind und eingesetzt werden. Dies umfasst sowohl

finanzielle als auch personelle Ressourcen. Investitionen sind gleichsam zu

berücksichtigen. Unter Outputs sind alle Leistungen zu verstehen, die durch die

Schulsozialarbeiter/innen erbracht und durch die Zielgruppen genutzt werden.

Außerdem kann die Zufriedenheit der Zielgruppen mit den genutzten Leistungen

unter Outputs subsummiert werden. Die Intention ist, dass erst Entwicklungen bei der

Zielgruppe angestoßen werden können, wenn das Angebot für sie nützlich ist. Die

9 vgl. Kurz, Bettina/Kubek, Doreen (2013): Kursbuch Wirkungen. Das Praxishandbuch für alle, die Gutes noch besser

tun wollen. PHINEO gAG. Berlin. S. 33 ff.

Outputs

Leistungen

Das, was getan und

angeboten und wer

damit erreicht wird.

Outcomes

Wirkungen auf

Ebene der

Zielgruppe

Das, was bei der

Zielgruppe durch

die Arbeit bewirkt

werden soll.

Impact

Wirkungen auf

gesellschaftlicher

Ebene

Das, wozu auf

gesellschaftlicher

Ebene mit der

Arbeit beigetragen

wird.

Inputs

Ressourcen

Das, was

investiert

wird.

Abbildung 2 Logisches Modell nach Kurz & Kubek (2013)

Evaluationsdesign 11

Zufriedenheit bildet die Basis, um Wirkungen bei der Zielgruppe zu erzielen. Sie ist

somit eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für das Erzielen von

Wirkungen. Ferner lassen sich die eingesetzten Ressourcen in einen direkten

Zusammenhang mit den Leistungen bringen. So kann die Leistung beispielsweise von

der verfügbaren Arbeitszeit abhängig sein.

Auf den Ebenen der Outcomes und Impacts ist von Wirkungen zu sprechen. Outcomes

sind Wirkungen bzw. positive Veränderungen, die auf der Ebene der Zielgruppen

durch die geförderten Angebote der schulbezogenen Jugendsozialarbeit erzielt

werden (sollen). Dabei unterscheidet man unterschiedliche Ebenen der

Wirkungserzielung. Es können unter anderem positive Veränderungen des Wissens,

der Fähigkeiten, Fertigkeiten oder Einstellungen erzielt werden. Die Veränderungen

des Handelns oder Verhaltens sind auf einer weiteren Ebene verortet. Die dritte Ebene

betrachtet erwünschte Veränderungen in Bezug auf die Lebenslage der Zielgruppe,

beispielsweise die Verbesserung der sozialen Situation. Für die Wirkungsanalyse der

Schulsozialarbeit in Thüringen wird ferner ein Kompetenzmodell herangezogen,

welches die Veränderungen in den Bereichen Sach-, Methoden-, Sozial- und

Selbstkompetenz in den Fokus stellt und die oben genannten Ebenen aufgreift.

Impacts bezeichnen erzielte Wirkungen auf der Ebene der Gesellschaft. Darunter ist

beispielsweise die Verbesserung der Lebensbedingungen von Kindern und

Jugendlichen generell zu verstehen. Jedoch können diese Wirkungen in den

seltensten Fällen auf die Gesamtgesellschaft übertragen werden, weshalb es sinnvoll

ist, sich auf den zu betrachtenden Ausschnitt zu beziehen. Ein kausaler

Zusammenhang zwischen Outputs und Impacts lässt sich aufgrund weiterer

Möglichkeiten der Einflussnahme oder dem zeitlichen Faktor meist nur schwer

herstellen, da diese meist erst im Zeitverlauf real erkennbar werden.

Im Zuge der Evaluation wurden auf diesen Bestandteilen der Wirkungskette zunächst

Wirkungsannahmen und Wirkungsziele für das Landesprogramm definiert. Die

Grundlagen bilden hierbei die „Thüringer Richtlinie über die Gewährung von

Zuwendungen an örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe für Vorhaben der

schulbezogenen Jugendsozialarbeit“ vom 16. Juni 2016 10 sowie die „Fachlichen

Empfehlungen zur Schulbezogene Jugendsozialarbeit“11. Ergänzend wurden aktuelle

Richtlinien und Programme anderer Bundesländer zur bundesweiten Einordnung

herangezogen. Darüber hinaus fand die aktuelle Fachdiskussion Berücksichtigung.

Schlussendlich entstanden so Evaluationskriterien bzw. -schwerpunkte, die die

Abhandlungen in den nachfolgenden Kapiteln strukturieren, indem ein normativer

10

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2016). 11

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2014).

12 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

Horizont entfaltet wird. Möglich ist damit ein Abgleich zwischen den an

Schulsozialarbeit insgesamt herangetragenen Anforderungen und Erwartungen und

dem Grad der Erfüllung derselben durch die in Thüringen initiierten Angebote und

damit deren eigentliche Bewertung. Die Datengrundlage dieses Abgleiches ist im

Zuge der fachlichen Begleitung des Landesprogramms durch ORBIT mittels

unterschiedlicher Befragungen in den Jahren 2013-2016 generiert worden. Der

Datenstand bezieht sich ganz überwiegend auf Ende 2015. Auf der Grundlage der

erhobenen Informationen ist jeweils ein separater Teilbericht entstanden. Alle

Teilberichte sind dem vorliegenden Endbericht angehangen:

Bestandsanalyse aus dem Jahr 2014,

Statistikdokumentation der Schulsozialarbeiter/innen der Jahre 2013 bis 2015,

Sachberichte der Jugendämter der Jahre 2013 bis 2015,

Befragung der Schulsozialarbeiter/innen aus dem Jahr 2015,

Befragung der an der Schule Tätigen aus dem Jahr 2015,

Befragung der Träger der Schulsozialarbeit aus dem Jahr 2015,

Dokumentation der Vor-Ort-Besuche aus dem Jahr 2015.

3.1 Bestandsanalyse

2014 führte ORBIT in Kooperation mit dem zuständigen Ministerium eine

Bestandserhebung im Rahmen des Landesprogramms durch. Dazu wurden die im

Programm beteiligten Schulsozialarbeiter/innen und Schulleiter/innen online befragt.

Das Ziel war es, einen Überblick über die Einschätzung der aktuellen

Rahmenbedingungen vor Ort zu erhalten, welche den Schulsozialarbeitern/innen für

die Ausgestaltung ihrer Arbeit zur Verfügung stehen. Zudem erfasste die Erhebung

auch Informationen über die Zusammenarbeit mit schulinternen und -externen

Partnern/innen sowie die Erwartungen an die Tätigkeit der Schulsozialarbeiter/innen.

Die Schulsozialarbeiter/innen wurden gebeten, einen Bogen pro zu betreuender

Schule auszufüllen. An der Mehrzahl der Schulen war zum Befragungszeitpunkt ein/e

Schulsozialarbeiter/in (n=239) tätig, an 15 Schulen zwei und an einer Schule vier

Schulsozialarbeiter/innen. Insgesamt hätten somit 273 Bögen ausgefüllt werden

können. Die Rücklaufquote betrug mit 236 Bögen ca. 86,5 %. Im Rahmen der

Befragung der Schulleiter/innen beteiligten sich insgesamt 121 Personen. Ausgehend

von 254 Schulen betrug die Rücklaufquote 47,6 %.

3.2 Statistikdokumentation der Schulsozialarbeiter/innen

Zu Beginn der fachlichen Begleitung 2013 entwickelte ORBIT ein Berichtsinstrument,

für die Dokumentation der in der Richtlinie aufgeführten Indikatoren. Dies sind die

Beratung von Schülern/innen, die Einzelfallhilfe, die sozialpädagogische

Gruppenarbeit, die Arbeit mit Eltern, Lehrern/innen, Erziehern/innen sowie

Evaluationsdesign 13

sonderpädagogischen Fachkräften, die Gremienarbeit, die Krisenintervention und die

Fort- und Weiterbildung. Erfasst werden hauptsächlich Häufigkeiten (Fälle und

Sitzungen). Dieses Dokumentationsinstrument stellt keine Falldokumentation dar,

sondern lediglich eine statistische Erfassung relevanter Aufgaben. Die örtlichen

Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe stellen die Daten der

Schulsozialarbeiter/innen jahresbezogen zusammen und übermitteln diese dem

zuständigen Ministerium im Rahmen des Verwendungsnachweises. ORBIT wertet

diese Daten im Anschluss jahresbezogen aus. Alle Jugendämter können ihre Daten

ausgewertet bei der fachlichen Begleitung anfordern. Diesem Bericht liegen die Daten

der Jahre 2013 bis 2015 im Vergleich zugrunde.

3.3 Sachberichte der Jugendämter 2013 - 2015

In Absprache mit dem zuständigen Ministerium entwickelte ORBIT außerdem ein

qualitatives Raster zur Dokumentation der Schulsozialarbeit. Jeder Leistungserbringer

erstellt, nach Vorgabe des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe einen

Sachbericht. Der öffentliche Träger der Jugendhilfe fasst diese Berichte entsprechend

des qualitativen Rasters zusammen, sodass schlussendlich 23 Sachberichte pro Jahr

vorliegen. Die Auswertung dieser Berichte durch ORBIT liefert Erkenntnisse über die

Gesamtumsetzung des Landesprogramms in den Jahren 2013 bis 2015.

Themenschwerpunkte sind Bedarfe, Ziele, Arbeitsschwerpunkte,

Zielerreichung/Wirksamkeit, Gründe für das Nichterreichen von Zielen sowie

Steuerung/Qualitätsmanagement.

3.4 Befragungen der Schulsozialarbeiter/innen, der an der Schule Tätigen

und der Träger der schulbezogenen Jugendsozialarbeit

ORBIT näherte sich dem Untersuchungsgegenstand bei dieser Befragung mithilfe

unterschiedlicher methodischer Zugänge. Den Schwerpunkt stellten

Onlinebefragungen der Schulsozialarbeiter/innen, der an der Schule tätigen

Fachkräfte (vor allem Lehrer/innen und Schulleiter/innen) sowie der Träger der

schulbezogenen Jugendsozialarbeit dar. Thematisch lag der Fokus auf den erzielten

Wirkungen. Die Erhebungsinstrumente aller drei Befragungszielgruppen ähnelten

sich, um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Erfragt wurden unter anderem

fachliche Schwerpunkte, Kooperationsbeziehungen, Einschätzungen der Wirkungen

sowie Rahmenbedingungen der Schulsozialarbeit.

In die Befragung wurden alle im Landesprogramm tätigen Personen einbezogen. Da

einige Schulsozialarbeiter/innen auch für mehrere Schulen zuständig sind, wurden

diese gebeten, für jede Schule gesondert an der Befragung teilzunehmen. Insgesamt

gingen 158 Fragebögen in die Auswertung ein. Dies entspricht einer Rücklaufquote

von 60,76 %. Im Falle der befragten Akteure der Schulen fand die Auswahl mittels des

14 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

sogenannten Schneeballverfahrens statt. Die Schulleitungen haben den Fragebogen

mit der Bitte um Weiterleitung an das Kollegium erhalten. Insgesamt nahmen 270

Personen in verschiedenen Funktionen an der Befragung teil. Eine Ermittlung der

Rücklaufquote kann bei diesem Verfahren jedoch nicht erfolgen. Nach Bereinigung

der Daten aller eingegangenen Fragebögen konnten die Aussagen von 257 Befragten

herangezogen werden. Von den 77 Trägern im Landesprogramm nahmen 48 an der

Befragung teil. Dies entspricht einem Rücklauf von 62,3 %.

3.5 Dokumentation der Vor-Ort-Besuche

Um ein umfassendes Bild der schulbezogenen Jugendsozialarbeit in Thüringen zu

erhalten, wurde mit Hilfe von Vor-Ort-Besuchen die Tätigkeit der

Schulsozialarbeiter/innen qualitativ betrachtet. Dazu wurden 2015 insgesamt acht

Visitationen durchgeführt. Dabei standen Gespräche mit den Fachkräften, den an der

Schule tätigen Personen wie Lehrern/innen oder Schulleitern/innen sowie den Trägern

im Vordergrund. Die Auswahl der zu besuchenden Projekte erfolgte in Absprache mit

dem zuständigen Ministerium. Die Vor-Ort-Besuche basierten auf dem von ORBIT

entwickelten Beobachtungsinstrument. Die Auswertung erfolgte inhaltsanalytisch.

Rahmenbedingungen der Schulsozialarbeit in Thüringen (inputs) 15

4 R A H M E N B E D I N G U N G E N D E R S C H U L S O Z I A L A R B E I T I N

T H Ü R I N G E N ( I N P U T S )

Inputs sind Ressourcen. Bei der Betrachtung derselben steht die Frage im

Vordergrund, welche Ressourcen im Rahmen der Projektumsetzung aufgewendet

wurden und welche Zwecke beziehungsweise Ziele so verfolgt werden. Dabei sind

verschiedene Ressourcen zu unterscheiden und die Fragestellung ist durchaus weiter

auszulegen: Neben personellen sind zeitliche, finanzielle und materielle Ressourcen

ausschlaggebend. Inputs sind in diesem Sinne übersetzbar in die Voraussetzungen,

welche notwendig sind, um ein bestimmtes Angebot zur Verfügung zu stellen. Damit

kommt ihnen eine entscheidende Bedeutung mit Blick auf den Gesamterfolg zu: Fehlt

es bereits an den entsprechenden Ressourcen oder sind diese fehlerhaft/unzureichend

kalkuliert, ist der Erfolg (also die Outputs, Outcomes und Impacts) bereits von Anfang

an gefährdet.12

In der beschriebenen Weise ist es nun fraglich, welche Ressourcen durch den

Fördermittelgeber (Land Thüringen) in das Landesprogramm schulbezogene

Jugendsozialarbeit investiert, welche Ziele und Zwecke verfolgt und in wieweit diese

erreicht worden sind. Der vorliegenden Untersuchung liegen folgende Inputfaktoren

zugrunde:

- Personalaspekte (Qualifikation, Befristung, Personalschlüssel),

- Finanzielle Aspekte (Bezahlung Personal, Fördersumme, Entwicklung),

- Ausstattung und Materialien (Räume, Ausstattung, Zugang zu

Schulinfrastruktur),

- Kooperation und Partnerschaft (Vereinbarungen, Kooperationen, gemeinsame

Konzepte zwischen unterschiedlichen Bereichen der Daseinsvorsorge),

- Qualitätsentwicklung/-sicherung (standortspezifische Konzeptionen,

Reflexionsmöglichkeiten, Fort- und Weiterbildung).

4.1 Personal

4.1.1 Fachkräftegebot

Die Thüringer Richtlinie und die darauf bezogenen fachlichen Empfehlungen äußern

sich in besonderer Weise zum tätigen Personal und damit zur Durchführung des

Landesprogramms. Eine wesentliche Festlegung ist das Fachkräftegebot. Eine

Förderung durch das Land Thüringen kann demgemäß nur erfolgen, wenn die

geförderten Personalstellen mit einschlägig (formal)qualifizierten Mitarbeitern/innen

besetzt sind:

12

Kurz/Kubek (2013): S. 41 ff.

16 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

„Personalausgaben sind nur dann förderfähig, wenn die Beschäftigten sich für die

Aufgabe nach ihrer Persönlichkeit eignen und eine entsprechende fachliche

Ausbildung erhalten haben (Fachkräfte). Zu Fachkräften gehören

Diplomsozialarbeiterinnen/-sozialarbeiter, Diplomsozialpädagoginnen/-

sozialpädagogen, Erziehungswissenschaftlerinnen/Erziehungswissenschaftler und

Diplompsychologinnen/Diplompsychologen. Dies gilt auch für die im Rahmen der

Umsetzung des Bologna-Prozesses entstandenen und mit vorgenannten Abschlüssen

vergleichbaren Bachelor- bzw. Master-Abschlüssen.“13

Die fachlichen Empfehlungen des Landes Thüringen bekräftigen diese Forderung und

verweisen gleichermaßen auf das Fachkräftegebot.14 15

Diese beiden Verordnungen schaffen damit einen ausgeprägten normativen Horizont

mit Blick auf die Formalqualifikationen der Mitarbeiter/innen

(Schulsozialarbeiter/innen).

Landesseitig finanzierte Programme zur Förderung von Schulsozialarbeit, mithin

entsprechende Richtlinien/Empfehlungen finden sich auch in anderen deutschen

Bundesländern. Auch hier zeigt sich, dass entsprechende Anforderungen formuliert

werden, so beispielsweise in Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen oder

Baden-Württemberg. In den aktuellen sächsischen Fachempfehlungen heißt es

beispielsweise, dass die in der Schulsozialarbeit tätigen Fachkräfte einen

berufsqualifizierenden sozialpädagogischen Hochschulabschluss vorweisen sollen.16

Die Fördergrundsätze des Landes Baden-Württemberg sehen ebenfalls

sozialpädagogische Hochschulabschlüsse als Regelqualifikation vor.17 Gleiches gilt für

die bayerischen Regularien.18 Die zitierten Empfehlungen gehen über die Thüringer

Maßgabe hinaus, welche, wie beschrieben, die Bandbreite zugelassener

Berufsabschlüsse um nichtsozialpädagogische, aber verwandte Qualifikationen

erweitert (z.B. Erziehungswissenschaftler/innen oder Psychologen/innen).

Auch Speck und Just kommen zu dem Ergebnis, dass mit Blick auf die

Rahmenbedingungen von Schulsozialarbeit den dort Tätigen eine besondere

Bedeutung zukommt. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des Vorhandenseins einer

grundständigen sozialpädagogischen Ausbildung und den damit einhergehenden

13 Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2016): S. 3. 14

Landesjugendhilfeausschuss des Freistaates Thüringen (2013) Fachliche Empfehlungen offene Kinder und Jugendarbeit. Erfurt, S. 15. 15

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport 2014: S. 7, 9. 16

Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz (2016): Fachempfehlung zur Schulsozialarbeit im Freistaat Sachsen. Chemnitz, S. 12. 17

Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg (2016): Grundsätze zur Förderung der Jugendsozialarbeit an öffentlichen Schulen. Stuttgart, S. 3. 18

Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen (2012): Richtlinie zur Förderung der Jugendsozialarbeit an Schulen – JaS. München.

Rahmenbedingungen der Schulsozialarbeit in Thüringen (inputs) 17

Kompetenzen und persönlichen Fähigkeiten. 19 Daneben heißt es auch, dass

verwandte pädagogische Berufsabschlüsse, wie eine Ausbildung zum/zur Erzieher/in,

regelmäßig nicht ausreichend sind. Begründet wird dies zum einen mit den

Anforderungen der Tätigkeit/der Zielgruppe und zum anderen mit der notwendigen

Kooperation mit Lehrern/innen und anderen Stakeholdern, die über hochschulisch

erworbene Qualifikationen verfügen.20

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es auf Länderebene übliche Praxis ist,

Anforderungen an die Formalqualifikationen der Mitarbeiter/innen zu stellen,

wodurch regelmäßig sozialpädagogische oder verwandte pädagogische Abschlüsse

zur Voraussetzung werden.

Thüringen weist ein flexibleres Fachkräftegebot auf als die meisten Bundesländer,

indem auch nicht sozialpädagogische Hochschulabschlüsse in die Aufzählung der

grundsätzlich zulässigen Qualifikationen aufgenommen worden sind. Zu diesen

gehören Erziehungswissenschaftler/innen und Diplompsychologen/innen. Die relative

Flexibilität wird beispielsweise im Vergleich zu den herangezogenen sächsischen

Regelungen und den zitierten Literaturmeinungen deutlich, welche ausschließlich

grundständige sozialpädagogische Ausbildungen postulieren. Nur in einzelnen

Bundesländern (z.B. Hessen und Schleswig-Holstein) besteht die Möglichkeit auch

Erzieher/innen einzusetzen.2122

Unabhängig von den tatsächlich fokussierten Hochschulabschlüssen ist erkennbar,

dass die Thüringer Regelung des Fachkräftegebotes wirkmächtig ist, da sie in der

Förderrichtlinie als Zuwendungsbestimmung positioniert ist. Die Formulierung macht

deutlich, dass Personalausgaben nur dann förderfähig sind, wenn Voraussetzungen

erfüllt sind (Muss-Bestimmung). Die Bewilligungsbehörde, also das zuständige

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (TMBJS), prüft bei der

Mittelbeantragung durch die Fördermittelempfänger (örtliche Träger der öffentlichen

Kinder- und Jugendhilfe), ob alle zu beschäftigenden Mitarbeiter/innen die

notwendigen Qualifikationen aufweisen. Sollte dies nicht der Fall sein, können deren

Personalkosten nicht aus dem Landesprogramm bestritten werden.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass nicht hinreichend formalqualifizierte Personen

gänzlich aus dem Tätigkeitsfeld Schulsozialarbeit in Thüringen ausgeschlossen sind.

Aus der Befragung der Träger der Schulsozialarbeit geht hervor, dass eine (relativ

19

Just, Anette (2013): Handbuch Schulsozialarbeit. 1. Auflage, Münster, S. 20. 20

Speck, Karsten (2009): Schulsozialarbeit. Eine Einführung. 2. Auflage. Stuttgart, S. 83. 21

Ministerium für Bildung und Wissenschaft Schleswig-Holstein (2014): Leitlinien zur Förderung von Schulsozialarbeit. Kiel, S. 8. 22

Kultusministerium Hessen (2014): Richtlinie für „unterrichtsunterstützende sozialpädagogische Förderung (USF) zur Erfüllung des Bildungs-und Erziehungsauftrags an Schulen in Hessen im Sinne der §§ 2 und 3 des Hessischen Schulgesetzes (HSchG)“. Wiesbaden, S. 3.

18 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

kleine) Anzahl der Träger auch Schulsozialarbeiter/innen außerhalb der

Landesförderung beschäftigt (n=15). Wenn dies der Fall ist, dann ist diese

Beschäftigung auch nicht an die Landesregularien des Fachkräftegebots gebunden.

Die Trägerbefragung richtete sich auch auf den eingeschätzten Beitrag der einzelnen

Landesregularien zum Gesamterfolg des Programmes. Die befragten Träger geben

an, dass das Fachkräftegebot maßgeblichen Einfluss auf den Umsetzungserfolg hat.

Über 80 % der Befragten gehen hiervon aus. Gegenteiliges wird nicht angegeben.

Insgesamt ist die Regelung des Fachkräftegebots akzeptiert.

Abbildung 3 Trägerbefragung: Einfluss des Fachkräftegebots auf den Erfolg des Landesprogrammes (n=40)

In diesem Zusammenhang sind auch die Selbsteinschätzungen der Thüringer

Schulsozialarbeiter/innen interessant: Hier gehen 97,2 % der befragten

Mitarbeiter/innen davon aus, bezüglich der notwendigen Kompetenzen die richtige

Person für die jeweilige Stelle zu sein. Es lässt sich also durchaus auch ein Effekt der

Regelung auf der Mitarbeiterebene mit Blick auf deren Selbstverständnis ausmachen.

Auch die Mehrzahl (90,7 %) der an der Schule Tätigen bestätigen die

Selbsteinschätzung der Schulsozialarbeiter/innen.

4.1.2 Beschäftigungsverhältnisse – Befristung und Beschäftigungsumfang

In verschiedenen Untersuchungen, wie beispielsweise im Zuge der Evaluation der

Schulsozialarbeit in Sachsen, wird besonders die kontinuierliche Beschäftigung des

Personals als wichtiger Einflussfaktor herausgestellt.23 Problematisch stellt sich vor

allem die Befristung von Arbeitsverhältnissen dar. Es ist davon auszugehen, dass sich

diese Praktik negativ auf die Etablierung von Schulsozialarbeit sowie deren Akteure

im Schulkontext auswirkt. Stabile Kooperationsstrukturen mit Verantwortlichen,

Lehrern/innen und Eltern sowie langfristige Beziehungen zu Schülern/innen sind

wichtige Gelingensbedingungen von Schulsozialarbeit und zugleich Ausdruck

23

ORBIT (2014): Abschlussbericht zur Evaluation der Schulsozialarbeit in Sachsen. Untersucht am Beispiel der Stadt Chemnitz und des Landkreises Zwickau. Jena, S. 29.

0 20 40 60 80 100

Einhaltung des Fachkräftegebotes62,5 20,0 17,5

in Prozent

trifft voll zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht zu trifft gar nicht zu

Rahmenbedingungen der Schulsozialarbeit in Thüringen (inputs) 19

(notwendiger) Kontinuität.24 Hierzu ist auch die Schaffung von Vollzeitstellen zu

zählen, wobei ein/e Schulsozialarbeiter/in jeweils nur für eine Schule zuständig sein

sollte. 25 Zusammenfassend sind unbefristete Vollzeitstellen als optimale

Ausgangsbedingung anzusehen.

Diesen Forderungen tragen auch einige aktuelle Stellungnahmen zum Thema

Rechnung: Der Kooperationsverbund Schulsozialarbeit postuliert bereits 2015 das

Vorhandensein von zumindest einer Vollzeitkraft je Schule.26 Gleiches gilt für die 2015

veröffentlichte Dortmunder Erklärung.27 Eine entsprechende Forderung findet sich

auch in Rheinland-Pfalz. Hier heißt es, dass eine Teilzeittätigkeit nur unter der

Maßgabe der Begrenzung des Tätigkeitsfeldes möglich ist.28 Die bayerische Richtlinie

zur Förderung der Schulsozialarbeit formuliert Vollzeitstellen ohne Befristung als

Zielmarke. In Ausnahmefällen sind Beschäftigungsumfänge im Rahmen von bis zu 0,5

Vollbeschäftigungseinheiten (VbE) möglich.29 Die entsprechende hessische Richtlinie

sieht ebenfalls Vollzeitbeschäftigung (40 Stunden) sowie tarifliche Bezahlung vor.30

Weiterhin formulieren die Standards des Landes Mecklenburg-Vorpommern

personelle Kontinuität als strukturellen Mindeststandard.31 Hingegen gelten Teil- oder

Vollzeitstellen für mehrere Schulen als wenig wirksam.32 Die fachlichen Empfehlungen

des Freistaates Sachsen stellen in besonderer Weise auf die Kontinuitätsforderung ab.

Hier heißt es:

„Schulsozialarbeit muss mit hauptamtlich und längerfristig tätigen Fachkräften in

möglichst unbefristeter Anstellung geplant werden, da der Aufbau von Kontakten

sowie eines Vertrauensverhältnisses zu den Schüler/innen entscheidend von der

personalen Akzeptanz der Fachkräfte abhängig ist und dies in der Regel einen

längeren Zeitraum beansprucht.“33

Die Thüringer Richtlinie zur Förderung der Schulsozialarbeit formuliert als personellen

Anspruch, dass eine Fachkraft je Schule tätig werden soll. Dies schließt nicht aus, dass

auch mehrere Personen (in Teilzeit) an einer Schule tätig werden können. In

begründeten Ausnahmefällen ist es auch denkbar, dass Fachkräfte an mehreren

24

Speck (2009): S. 82 f. 25

Speck (2009): S. 84. 26

Kooperationsverbund Schulsozialarbeit (2015): Leitlinien für Schulsozialarbeit. Berlin, S. 15. 27

Bundeskongress Schulsozialarbeit (2015): Dortmunder Erklärung. In: https://www.schulsozialarbeit-nrw.de/wp-content/uploads/2015/12/Die_Dortmunder_Erklärung_Digital_final.pdf 28

Rheinland-Pfälzisches Ministerium für Integration, Familie, Jugend und Frauen (2012): Standards der Schulsozialarbeit an allgemeinbildenden Schulen, die den Abschluss der Berufsreife anbieten. Mainz, S. 6. 29

Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen (2012): S. 3. 30

Kultusministerium Hessen (2014): S. 4. 31

Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern (2009): Empfehlungen zur Ausgestaltung der Zusammenarbeit im Bereich der Schulsozialarbeit zwischen Jugendhilfe und Schule in Mecklenburg-Vorpommern. Schwerin, S. 6. 32

Kooperationsverbund Schulsozialarbeit (2015): S. 9-10. 33

Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz (2016): S. 13.

20 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

Schulen tätig sind.34 Die zugehörigen fachlichen Empfehlungen sehen eine minimale

Wochenarbeitszeit von 30 Stunden je Fachkraft und Schule vor.35

Die Thüringer Regularien bezüglich der Beschaffenheit der Arbeitsverhältnisse

bleiben hinter denen anderer Bundesländer zurück. Vor allem finden sich keine

Anforderungen bzw. Empfehlungen mit Blick auf die Befristung der

Anstellungsverhältnisse. Die im Jahre 2015 erfolgte Befragung der Träger von

Schulsozialarbeit legt die Dominanz befristeter Arbeitsverträge nahe. Rund 58 % der

Arbeitsverträge der

Schulsozialarbeiter/innen sind

befristet. Gegenteiliges gilt für

rund 31 % der Verträge.

Interessant ist auch, dass bei

rund einem Zehntel der Träger

beide Vertragskonstellationen

koexistieren. Ferner ist

Befristung bei öffentlichen

Trägern ausgeprägter als bei

freien Trägern (66,7 % vs. 56,4

%).

Die Befragung förderte auch Effekte/Auswirkungen der Befristung zutage. Deutlich

über 70 % der befragten Trägervertreter/innen dokumentieren, dass es zumindest

einmal seit dem Beginn des Landesprogramms Personalwechsel bei ihrem Träger im

Bereich Schulsozialarbeit gegeben hat. Zum Befragungszeitpunkt hatte das

Landesprogramm rund zwei Jahre Bestand. In zwei Drittel der Fälle gab es noch keine

Personalwechsel, wenn die Arbeitsverhältnisse unbefristet sind. In keinem Fall ist es

zu mehrfachen Wechseln gekommen. Hingegen berichten knapp 40 % der

Trägervertreter von mehrfachen Wechseln, wenn die Verträge befristet sind.

Zusammengefasst ist davon auszugehen, dass die Thüringer Regularien Befristung

nicht verhindern, da diese nirgends thematisiert oder sogar ausgeschlossen werden.

Eine große Zahl der Verträge ist befristet, was sich auf die personelle Kontinuität

negativ auswirkt.

34

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2016): S. 3. 35

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2014): S. 9.

Abbildung 4 Arbeitsverträge der Schulsozialarbeiter/innen nach Beschaffenheit (n=48)

58,3 % 31,3 %

10,4 %

befristete Arbeitsverträge

unbefristete Arbeitsverträge

sowohl befristete als auch unbefristete Arbeitsverträge

Rahmenbedingungen der Schulsozialarbeit in Thüringen (inputs) 21

Abbildung 5 Trägerbefragung: Einfluss der Befristung von Arbeitsverhältnissen auf die Häufigkeit von

Personalwechseln (n=47)

Auch der Zeitumfang der Stellen der Thüringer Schulsozialarbeit ist in den Blick

genommen worden. Wie bereits benannt, macht die Richtlinie des Thüringer

Landesprogrammes hierzu keine Aussagen. In den fachlichen Empfehlungen wird eine

Wochenstundenzahl von 30 pro Stelle anvisiert. Im Jahre 2015 ergibt sich

diesbezüglich ein differenziertes Bild: Der durchschnittliche Beschäftigungsumfang

beträgt zu dieser Zeit rund 0,8 VbE je Mitarbeiter/in, was einer Arbeitszeit von 32

Stunden gleichkommt. Diese Tendenz findet sich auch in den Ergebnissen der

Befragung der Schulsozialarbeiter/innen wieder: 82,3 % der Mitarbeiter/innen sind im

Umfang zwischen 30 und 40 Wochenstunden tätig. Beide Erkenntnisse belegen, dass

die Forderungen der Thüringer fachlichen Empfehlungen weitestgehend eingelöst

sind (mind. 0,75 VbE bzw. 30 Wochenstunden je Fachkraft). Allerdings trifft auch auf

17,7 % der Beschäftigten Gegenteiliges zu: Der Beschäftigungsumfang insgesamt

beträgt weniger als 30 Wochenstunden. Hiervon sind 3,8 % wiederum weniger als 20

Stunden beschäftigt.

Wie gezeigt, sieht das Thüringer Landesprogramm auch die Möglichkeit vor, dass

Fachkräfte an mehreren Schulen tätig sein können. Wird dies in die Betrachtung der

Wochenarbeitszeit einbezogen, steigt der Anteil von Beschäftigungsverhältnissen,

welche weniger als 30 Wochenstunden an einer Schule tätig sind. Demnach sind rund

35 % der Beschäftigten weniger als 30 Wochenstunden an einer Schule tätig.

Zudem waren 7,3 % (19 Personen) zum Erhebungszeitpunkt mit 35 oder weniger

Stunden an mehr als einer Schule tätig.

0 20 40 60 80 100

befristete Arbeitsverträge

unbefristete Arbeitsverträge

39,3 25,0

33,3

35,7

66,7

in Prozent

ja, schon mehrmals ja, schon einmal nein

22 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

Abbildung 6 Schulsozialarbeiterbefragung: Wochenstunden des/r Schulsozialarbeiters/in insgesamt und an einer

Schule (n=147-158)

Zusammengefasst muss für Thüringen gelten, dass der/die „durchschnittliche“

Schulsozialarbeiter/in teilzeitbeschäftigt ist, wobei ein Stundenumfang zwischen 30

und 40 Wochenstunden am wahrscheinlichsten ist. Ferner ist es sehr wahrscheinlich,

dass er/sie im Rahmen eines befristeten Arbeitsvertrages beschäftigt ist.

Insgesamt sind personelle Kontinuität und Leistungsfähigkeit wichtige

Gelingensbedingungen von Schulsozialarbeit, wie die Befragung der Thüringer

Schulsozialarbeiter/innen nahelegt. Diese nimmt zentrale Leistungs- bzw.

Aufgabenbereiche derselben bezogen auf Kinder und Jugendliche in den Blick. Hierzu

gehören unter anderem Einzelfallhilfen für Schüler/innen, Beratungen von

Schülern/innen, Gruppenangebote und Beförderung der Persönlichkeitsentwicklung

von Schülern/innen. Erkennbar ist, dass Aspekte der personellen Kontinuität (neben

anderen) positive Wirkungen zeigten, um entsprechende Angebote umsetzen zu

können.

Abbildung 7 Begünstigende Einflüsse auf Leistungen von Schulsozialarbeit für Kinder und Jugendliche

0 20 40 60 80 100

Wochenstunden insgesamt

Wochenstunden an einer Schule

3,8

10,9

13,9

24,5

82,3

64,6

in Prozent

unter 20 Wochenstunden 20 bis unter 30 Wochenstunden 30 bis 40 Wochenstunden

• Seit 2013 Schulsozialarbeit an der Schule integriert

• Seit 2013 als Schulsozialarbeiter/in an der Schule

tätig

• 30 bis 40 Wochenstunden als Schulsozialarbeiter/in

an einer Schule tätig

• Zwei oder mehr Schulsozialarbeiter/innen pro

Schule

• Eine Schule pro Schulsozialarbeiter/in

• Kein Personalwechsel in der Schulsozialarbeit

• Gemeinsame Weiterbildungen mit Lehrkräften

Lei

stu

ng

en b

ezo

gen

au

f

Kin

der

un

d J

ug

end

lich

e

Rahmenbedingungen der Schulsozialarbeit in Thüringen (inputs) 23

4.1.3 Beschäftigungsverhältnisse – Personaldichte

Bezüglich der Personaldichte bzw. des „Personalschlüssels“ für Schulsozialarbeit

finden sich derzeit unterschiedliche Vorgaben/Erwartungen. Es existieren sowohl

Vorgaben, die sich auf die Anzahl der notwendigen Fachkräfte je Schule als auch eine

bestimmte Schülerzahl beziehen. Der Kooperationsverbund Schulsozialarbeit

postuliert als Mindestausstattung das Vorhandensein einer Fachkraft je 150

Schüler/innen oder zumindest einer Fachkraft je Schule.36 Auch die Dortmunder

Erklärung zur Schulsozialarbeit fordert eine Vollzeitstelle je 150 Schüler/innen.37 Speck

verzichtet auf die Angabe einer Quote, empfiehlt aber gleichsam die Orientierung an

der Anzahl der Schüler/innen sowie an den Bedarfen, denen sich die jeweilige

Fachkraft stellen muss. Weiterhin wird die Zuständigkeit einer Fachkraft für höchstens

eine Schule nahegelegt. 38 Die Evaluation der in Sachsen geförderten

Schulsozialarbeitsangebote aus dem Jahre 2014 macht beispielsweise deutlich, dass

die Fachkräfte bei einer höheren Anzahl zur Verfügung stehender VbE mehr

Arbeitszeit für ihre originären Tätigkeiten aufwenden (können), der Anteil der

verwaltungs- und organisationsbezogenen Beschäftigungen jedoch einen relativ

gleichbleibenden Tätigkeitsanteil beansprucht (bei 0,5 bzw. 1,0 VbE jeweils rund zehn

Wochenstunden). Dementsprechend werden mindestens 30 Wochenstunden pro

Schule und Fachkraft empfohlen.39

Abbildung 8 Arbeitszeitbereiche nach Zeitäquivalenten (eigene Berechnungen)

Dementsprechende Regelungen finden sich auch in einigen Bundesländern. Die

rheinlandpfälzische Richtlinie sieht beispielsweise eine Fachkraft je Schulstandort

vor.40 Die bayerische Richtlinie benennt als Regelfall eine Fachkraft je Standort und

für Schulen, welche besonders belastet sind oder mehr als 400 Schüler/innen

36

Kooperationsverbund Schulsozialarbeit (2015): S. 15. 37

Bundeskongress Schulsozialarbeit (2015). 38

Speck (2009): S. 84. 39

ORBIT (2014): S. 15. 40

Rheinland-Pfälzisches Ministerium für Integration, Familie, Jugend und Frauen (2012): S. 6.

24 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

aufweisen zwei Personalstellen je Standort als Möglichkeit.41 Das Land Sachsen-

Anhalt legt vordergründig einen Bemessungsschlüssel zugrunde: Gefördert werden

bis zu 1,0 VbE an Schulen mit bis zu 300 Schülern/innen und maximal 2,0 VbE an

Schulen mit mehr als 300 Schülern/innen.42 In den sächsischen Empfehlungen findet

sich ein weiterer wichtiger Hinweis, welcher den Personaleinsatz betrifft: Gefordert

wird der (idealtypische) Einsatz von zwei Fachkräften je Schule, wobei hier ein

Beschäftigungsumfang von mindesten 30 Wochenstunden pro Schule zugrunde

liegt.43 Dies findet sich auch in der neuen Förderrichtlinie des Freistaates Sachsen

wieder.44

Diese Forderungen richten sich gleichsam auf die Etablierung sogenannter Teams

(mehr als 1,0 VbE bzw. mehr als ein/e Mitarbeiter/in je Schule). Teams sollen dem

„Einzelkämpferdasein“ von Schulsozialarbeitern/innen entgegenwirken und, auch mit

Blick auf die komplexen Aufgaben und Herausforderungen, denen sie im Arbeitsalltag

ausgesetzt sind, für kollegialen fachlichen Austausch sorgen. Auch die Forderung nach

gemischtgeschlechtlicher Besetzung dieser Stellen trägt denselben Anforderungen

Rechnung.45

Die fachlichen Empfehlungen des Landes Thüringen sehen vor, dass der Bedarf je

Schule hinsichtlich des vorzuhaltenden Stundenumfanges je Fachkraft durch die

Jugendhilfeplanung zu ermitteln sei. Jedoch soll die Arbeitszeit pro

Schulsozialarbeiter/in nicht weniger als 30 Wochenstunden betragen. 46 Auf eine

Quotierung der erforderlichen Fachkräfte wird verzichtet. Aus dem Landesprogramm

geht weiterhin hervor:

„In der Regel soll eine Fachkraft an einer Schule tätig werden. Das schließt nicht aus,

dass an einer Schule zwei Fachkräfte, ggf. Teilzeit, tätig werden. Der Einsatz einer

Fachkraft an mehreren Schulen sollte nur in begründeten Ausnahmefällen erfolgen.“47

Hier ist zum einen die Erwartung formuliert, je Schulstandort eine entsprechend

qualifizierte Fachkraft einzusetzen. Zum anderen findet sich auch der Gedanke des

Mitarbeiterteams wieder, nämlich dann, wenn zwei Fachkräfte an einem

Schulstandort tätig sind. Dass eine Fachkraft an zwei Stellen tätig ist, stellt im

41

Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen (2012): S. 9. 42

Land Sachsen-Anhalt (2014): Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen für das ESF-Programm „Schulerfolg sichern”. Magdeburg, S. 6. 43

Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz (2016): S. 12. 44

Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz (2017): Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz zur Förderung von Schulsozialarbeit im Freistaat Sachsen. Dresden, S. 2. 45

Speck (2009): S.84. 46

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2014): S. 9. 47

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2016): S. 3.

Rahmenbedingungen der Schulsozialarbeit in Thüringen (inputs) 25

Landesprogramm lediglich einen Ausnahmefall dar, welcher zusätzlich der

Begründung bedarf.48

Wie gezeigt, lautet der Thüringer Standard, dass eine Fachkraft je Schule tätig werden

soll, wobei je Fachkraft ein Beschäftigungsumfang von mindestens 30 Stunden

anzustreben ist. Möglich ist auch, dass zwei Fachkräfte an einer Schule

zusammenwirken, wobei dann auch Teilzeitbeschäftigung denkbar ist. Im Falle

begründeter Ausnahmen kann eine Fachkraft an mehreren Schulen tätig sein. Im Jahre

2015 lag in 13 von 23 geförderten Gebietskörperschaften eine derartige

Ausnahmeregelung vor. Dies begründete sich vorwiegend damit, dass die Schulen in

räumlicher Nähe liegen, besonders klein sind oder eine besondere inhaltliche

Schwerpunktsetzung erprobt werden soll.

Das Thüringer Landesprogramm (Richtlinie und fachliche Empfehlungen) formuliert

verschiedene Anforderungen an die Beschäftigungsverhältnisse, welche nicht

nebeneinander, sondern zusammen betrachtet werden müssen. Einerseits wird in der

Richtlinie die grundlegende Anforderung formuliert, dass pro Schule eine Fachkraft

tätig sein soll. Andererseits ergänzen die fachlichen Empfehlungen diese Regelungen

damit, dass der wöchentliche Stundenumfang 30 Stunden betragen soll.

Damit konzipieren die Regelungen des Thüringer Landesprogramms und der

fachlichen Empfehlungen 1 Fachkraft pro Schule mit 30 Stunden als Regelfall. Möglich

wären aber auch mehrere Fachkräfte mit jeweils 30 Wochenstunden an einer Schule.

Für andere Regelungen sind Ausnahmegenehmigungen nötig.

Zum Zeitpunkt der Erhebungen waren entsprechend der Statistik 88,2 % an einer

Schule tätig, davon 72,8 % mit mindestens 30 Wochenstunden. Von den

verbleibenden 11,8 % an mehreren Schulen tätigen Schulsozialarbeiter/innen sind bis

auf eine Ausnahme alle mit 30 und mehr Wochenstunden tätig und erfüllen somit eine

der beiden Bedingungen des Landesprogramms. Allerdings muss auch erwähnt

werden, dass 19 Sozialarbeiter/innen mit 35 und weniger Wochenstunden an zwei und

mehr Schulen eingesetzt sind.

Zusammengefasst ist davon auszugehen, dass die Thüringer Anforderung (möglichst

1 Schule pro Fachkraft mit jeweils 30 Wochenstunden) weitestgehend

eingelöst/umgesetzt ist. Das bisweilen geringe Beschäftigungspotential je

Schulstandort und die Anzahl der Schulsozialarbeiter/innen, welche in zwei oder mehr

Schulen eingesetzt sind sowie die große Anzahl der Ausnahmeregelungen legt jedoch

auch nahe, dass regelmäßig die Anzahl der geforderten Wochenstunden

unterschritten wird und/oder Fachkräfte auf mehrere Schulstandorte verteilt werden

(müssen).

48

Ebenda.

26 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

Neben dem

Beschäftigungsumfang und der

schulbezogenen Zuständigkeit

der Fachkräfte ist ferner das

„Betreuungsverhältnis“ fraglich.

Wie gezeigt, sehen

landesspezifische Regularien hin

und wieder konkrete Verhältnisse

von Fachkräften und

Adressaten/innen vor, nicht so

jedoch in Thüringen. Anhand der

schon zitierten Befragungen lässt

sich das in Thüringen faktisch vorherrschende Betreuungsverhältnis erkennen: Ein

Viertel der Befragten gibt an, für bis zu 200 Schüler/innen zuständig zu sein. Weitere

45,2 % sind für bis zu 300 Schüler/innen ansprechbar. Ersichtlich wird weiterhin auch,

dass eine nennenswerte Anzahl der Fachkräfte für eine sehr große Schüleranzahl

zuständig ist, teilweise für über 1.000 potentielle Adressaten/innen. Diese sehr hohen

Zahlen sind sehr wahrscheinlich auf die Berufsbildenden Schulen rückführbar.

Erkennbar ist beim Thüringer Betreuungsverhältnis eine ausgeprägte Heterogenität

der Verhältnisse. Während einzelne Fachkräfte mit einer sehr großen Anzahl

potentieller Adressaten/innen zurechtkommen müssen, gilt für die Vielzahl der

Befragten, für bis zu 300 Schüler/innen ansprechbar zu sein. Die benannte

Heterogenität ist sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass das Thüringer

Landesprogramm auf sozial Benachteiligte Kinder und Jugendliche (SGB VIII, § 13)

fokussiert und sich weder die Richtlinie noch die fachlichen Empfehlungen auf

Schülerzahlen beziehen.

1,9 %

25,2 % 45,2 %

9,0 % 5,8 % 7,7 % 5,2 %

1-100 Schüler/innen 101-200 Schüler/innen201-300 Schüler/innen 301-400 Schüler/innen401-700 Schüler/innen 701-1000 Schüler/innenüber 1000 Schüler/innen

Abbildung 9 Anzahl der Schüler/innen (n=158)

Rahmenbedingungen der Schulsozialarbeit in Thüringen (inputs) 27

4.2 Finanzierung

4.2.1 Personalkostenfinanzierung

Der Kooperationsverbund Schulsozialarbeit plädiert insgesamt dafür, ein

professionelles Berufsprofil des/der Schulsozialarbeiters/in zu etablieren. Hierzu ist es

auch notwendig, abgesicherte Arbeitsverhältnisse zu schaffen, wozu wiederum die

adäquate Bezahlung beiträgt. Konstatiert wird jedoch im Umkehrschluss eine

regelmäßig unzureichende finanzielle Situation in Projekten der Schulsozialarbeit.

Dies ist auch auf unattraktive Vergütungen der Fachkräfte sowie auf geringe

Stundenumfänge zurückzuführen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die relative

Besserstellung von Lehrern/innen. Eine entsprechende Angleichung ist bisher nicht

erkennbar.49

Hinsichtlich der Personalkostenfinanzierung finden sich in den Ländern

unterschiedliche Ansätze. In der bayerischen Förderrichtlinie ist die Bezahlung nach

TVöD entsprechend der Eingruppierung staatlich anerkannter Sozialpädagogen/innen

als Zielmarke gesetzt.50 Den sächsischen Empfehlungen folgend, sind die finanziellen

Rahmenbedingungen von Schulsozialarbeit ein wichtiges Merkmal der

Strukturqualität derselben. Eine tarifentsprechende Bezahlung wird hier als

„selbstverständlich“ angesehen.51 Eine Bezahlung in Höhe der Entgeltgruppe 10 TV-L

für die sozialpädagogischen Fachkräfte schreiben die Richtlinie des Landes Sachsen-

Anhalt und die fachlichen Empfehlungen des Landes Mecklenburg-Vorpommern fest.

52 53

In den fachlichen Empfehlungen des Landes Thüringen finden sich keine Hinweise zur

Höhe der Vergütung der Fachkräfte bzw. zu deren tariflicher Eingruppierung. In der

entsprechenden Richtlinie des Landes hingegen heißt es, Personalkosten sind nicht

förderfähig, wenn Sie unter dem Niveau der Entgeltgruppe E 9 (TV-L) bzw. S 11

(TVöD-SuE) liegen.54 Die Thüringer Richtlinie macht mit der Festschreibung der

tariflichen Eingruppierung recht weitgehende Vorgaben (auch in Verbindung mit dem

Fachkräftegebot). Im Vergleich zu anderen Bundesländern (Sachsen-Anhalt und

Mecklenburg-Vorpommern) bleibt sie allerding in der Höhe der Eingruppierung

zurück. Wie sich das im Wettstreit um gute Fachkräfte auswirken wird, bleibt

abzuwarten. In jedem Falle schafft die Thüringer Förderrichtlinie einen ausgeprägten

Anforderungshorizont, indem Personalkosten nur förderfähig sind, wenn sie in einer

49

Speck (2009): S. 89 ff. 50

Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen (2012): S. 3. 51

Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz (2016): S. 13. 52

Ministerium für Arbeit, Gleichstellung Schwerin (2014): Empfehlung an die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets im Bereich der Personalkostenförderung von Fachkräften der Schulsozialarbeit ab 2014. Schwerin. 53

Land Sachsen-Anhalt (2014): S. 6. 54

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2014). S.3.

28 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

gewissen Höhe gezahlt werden. Über die Umsetzung dieser Anforderung wacht das

zuständige Ministerium als Bewilligungsbehörde bei der Beantragung der Mittel. Die

Thüringer Vorgehensweise entspricht damit den fachlich formulierten und

anerkannten Standards. Gleichsam wirkt sie so im Sinne eines zu etablierenden

professionellen Berufsbildes, da dem Einfordern einer bestimmten Qualifikation als

fachlicher Mindeststandard die Forderung einer anforderungsgemäßen Vergütung

gegenübergestellt wird. Aus der durchgeführten Befragung der Träger von

Schulsozialarbeit in Thüringen geht hervor, dass über 80 % der Befragten davon

ausgehen, dass die entsprechende Regelung für den Gesamterfolg von

Schulsozialarbeit relevant ist. 10 % stimmen dieser Aussage zumindest teilweise zu.

Interessant ist, welchen Einfluss die finanzielle Zuwendung des Landes auf die

Angebotslandschaft der Schulsozialarbeit hat. Laut Förderrichtlinie ist es deren

Zweck, entsprechende Angebote zu fördern. Aus einer vom zuständigen Ministerium

erhobenen Statistik geht hervor, dass vor Einführung des Landesprogramms

thüringenweit circa 103

Personen mit 92,3 VbE in

der Schulsozialarbeit tätig

waren. 55 Zum Zeitpunkt

der Erhebung für diese

Untersuchung waren im

Zuge des

Landesprogramms 262

Personen auf 199 VbE

tätig. Hinzu kommen noch

weitere

Schulsozialarbeiter/innenst

ellen, die nicht über das

Landesprogramm

finanziert werden. Damit ist ein Zuwachs von über 150 % bei den Personen und eine

Verdopplung bei den VbE zu verzeichnen. Die diesem Bericht zugrundeliegende

Befragung der Schulsozialarbeiter/innen erweist, dass 36,4 % der Schulen, an welchen

die Befragten tätig sind, bereits vor dem Start des Landesprogramms über Angebote

der Schulsozialarbeit verfügten. Fast zwei Drittel der Schulen können erst seit der

Einführung des Landesprogramms auf diese Angebote zugreifen. Das

Förderprogramm hat also ganz wesentlich für die Etablierung der Angebote gesorgt.

55

Eigene Berechnungen.

36,4 % 63,6 %

vor dem Landesprogramm seit dem Landesprogramm

Abbildung 10 Schulsozialarbeiterbefragung: Tätigkeitszeitraum der befragten Schulsozialarbeiter/innen (n=143)

Rahmenbedingungen der Schulsozialarbeit in Thüringen (inputs) 29

16,5 %

51,9 %

22,8 % 8,9 %

vor dem Jahr 2013 2013 2014 2015

Abbildung 11 Schulsozialarbeiterbefragung: Seit wann sind Sie für die betreffende Schule als Schulsozialarbeiter/in tätig? (n=158)

Aufschlussreich ist in diesem

Zusammenhang auch die Dauer

der Tätigkeit der befragten

Mitarbeiter/innen bei der

jeweiligen Schule. So zeigt sich,

dass seit Beginn des

Landesprogramms im Jahre 2013

ein erheblicher

Beschäftigungszuwachs

erkennbar ist, der größte hierbei

im Jahre 2013 mit dem Beginn

des Landesprogramms.

Betrachtet man sowohl die

Anzahl der tätigen

Schulsoziarbeiter/innen in

Thüringen als auch die so erreichten Schulen, so ist erkennbar, dass eine ganz

erhebliche zahlenmäßige Steigerung in beiden Fällen zu verzeichnen ist. Diese ist auf

das Landesprogramm rückführbar.

Zusammengefasst ist von einem erheblichen Zuwachs an beschäftigten

Schulsozialarbeitern/innen in der Folge der Schaffung des Landesprogrammes

auszugehen. Der politischen Zielsetzung des Landesprogramms, 200 Stellen in

Thüringen in der Schulsozialarbeit zu fördern, konnte damit entsprochen werden.

Dieses schafft so wiederum die Voraussetzungen für die Umsetzung von

Schulsozialarbeit an Thüringer Schulen.

200

220

240

260

280

2013 2014 2015

233

260 265 252

270 270

abso

lute

Zah

len

Anzahl der Schulsozialarbeiter/innen Anzahl der Schulen

Abbildung 12 Statistikerhebung: Anzahl der Schulsozialarbeiter/innen und Schulen

30 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

4.2.2 Sachmittelfinanzierung

Wie an anderer Stelle benannt, hängt das Gelingen von Schulsozialarbeit ganz

erheblich von den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln ab. Notwendig ist

eine auskömmliche und langfristige Finanzierung. Hierzu muss auch die hinreichende

Ausstattung mit Sachmitteln gezählt werden, welche insbesondere zur Beschaffung

von Arbeits-, Verbrauchs- und Spielmaterialien sowie zum Bestreiten von Honoraren

und Reisekosten einsetzbar sein soll. Ferner ist die projektbezogene Verwendung im

Rahmen pädagogischer Aktivitäten ein wichtiges Kriterium. Hervorzuheben ist auch

die Anforderung, dass die pädagogischen Fachkräfte eigenständig über den

verfügbaren Etat entscheiden können.56

Ein expliziter Sachkostenetat ist beispielsweise in den Standards der Schulsozialarbeit

an allgemeinbildenden Schulen des rheinland-pfälzischen Ministeriums für

Integration, Familie, Jugend und Frauen festgehalten. 57 Die Förderrichtlinie des

Landes Sachsen-Anhalt sieht ebenfalls ein entsprechendes Budget vor, welches für

Dienstfahrten und Übernachtungen sowie Arbeitsmaterialien, Eintrittsgelder und

Referenten/innenhonorare nutzbar ist. Bisweilen sind auch pauschalierte Beträge

vorgesehen, die sich monatlich und nach der Anzahl der Vollbeschäftigungseinheiten

bemessen (300 Euro bis 1,4 VbE bzw. 400 Euro bis 1,5 - 2,0 VbE).58 Konkrete Angaben

hinsichtlich des Vorhandenseins eines verfügbaren Sachkostenetats finden sich auch

in den bayerischen und hessischen Regularien/Richtlinien. Die sächsischen

Fachempfehlungen fordern gleichsam einen eigenständigen, flexiblen und

angemessenen Sachkostenetat. 59 Dies findet sich auch in der entsprechenden

Richtlinie wieder.60

In den fachlichen Empfehlungen des Landes Thüringen ist kein Sachmitteletat

ausgewiesen. Die Förderrichtlinie hingegen weist auch Sachkosten als förderfähig

aus. Da die Förderung als Zuwendung an die eigentlich leistungspflichtigen

Gebietskörperschaften (Landkreise und kreisfreie Städte) erfolgt, ist in der

Gesamtfördersumme auch ein Anteil für Sachkosten vorgesehen. Dieser beträgt laut

Richtlinie bis zu 15 % der Landeszuwendung an den Leistungserbringer. 61 Die

Mehrheit der im Jahre 2015 befragten Träger geht davon aus, dass die Bereitstellung

von Sachmitteln für den Gesamterfolg des Programms in besonderer Weise relevant

ist. Nur ein/e Trägervertreter/in (Person) meint, dass die Sachmittelbereitstellung

weitestgehend irrelevant ist. Mit Blick auf die Einschätzung durch die Träger muss

56

Speck (2009). S. 89 ff. 57

Rheinland-Pfälzisches Ministerium für Integration, Familie, Jugend und Frauen (2012): S. 6. 58

Land Sachsen-Anhalt (2014): S.6-7. 59

Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz (2016): S. 13. 60

Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz (2017): S. 2. 61

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2014): S. 3.

Rahmenbedingungen der Schulsozialarbeit in Thüringen (inputs) 31

davon ausgegangen werden, dass die Sachkostenfinanzierung einen wichtigen Teil

der Gesamtfinanzierung darstellt.

Abbildung 13 Trägerbefragung: Beitrag des Bereitstellens von Sachmitteln zum Gesamterfolg von

Schulsozialarbeit (n=39)

4.2.3 Finanzielle Absicherung in Thüringen

Wie weiter oben bereits angedeutet, ist die gelingende Umsetzung von

Schulsozialarbeit insbesondere von einer langfristig abgesicherten

Finanzierungsgrundlage abhängig.62 Seit der Etablierung des Landesprogramms 2013

ist eine Kontinuität der Fördersumme zu beobachten.

2013 2014 2015 2016

Haushaltsmittel 3.000.000 € 10.000.000 € 10.106.000 € 10.430.000 €

bewilligte Mittel 2.410.050 € 9.722.649 € 9.921.982 € 10.388.255 €

Mittelabruf 2.410.050 € 9.445.962 € 9.758.522 € 10.006.869 €

Rückzahlungen 68.195 € 281.508 € 63 tatsächlich verwendete

Mittel 2.341.855 € 9.164.454€

Tabelle 1 Fördersummen seit Etablierung des Landesprogrammes schulbezogene Jugendsozialarbeit

Rund 64 % der befragten Schulsozialarbeiter/innen befinden die finanzielle

Ausstattung von Schulsozialarbeit als angemessen, weitere 25 % stimmen hier

zumindest teilweise zu. Rund 11 % gehen davon aus, dass die finanzielle Ausstattung

(eher) nicht auskömmlich ist.

Die Fördermittelerstempfänger (Jugendämter der kreisfreien Städte und Landkreise)

sind zu einer jährlichen Sachberichtserstattung gegenüber dem zuständigen

Ministerium verpflichtet. Die Auswertung dieser Berichte ergibt insgesamt, dass der

Bedarf an Schulsozialarbeit von den Erstempfängern als hoch eingeschätzt wird.

Gleichzeitig ist erkennbar, dass in einer geringen Anzahl der Fälle die Bedarfsdeckung

62

Speck (2009): S. 90. 63

Die Gesamtsumme der Rückzahlungen und damit die tatsächliche Mittelverwendung kann erst nach abschließender Prüfung der Verwendungsnachweise festgestellt werden.

0 20 40 60 80 100

Bereitstellung von Sachmitteln56,4 30,8 10,3 2,6

in Prozent

trifft voll zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht zu trifft gar nicht zu

32 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

mithilfe der zur Verfügung gestellten Landesmittel möglich ist. Hingegen ist zu

erkennen, dass die Landesmittel in der Mehrzahl der Fälle nicht ausreichen. Weiterhin

zeigt sich, dass eine jeweils nennenswerte Anzahl der örtlichen Träger eigene Mittel

zur Finanzierung von Schulsozialarbeit einsetzt.

2013 2014 2015

Bedarfsdeckung durch Landesmittel möglich 3 3 3

Bedarfsdeckung durch Landesmittel nicht möglich 15 17 12

Eigenmittel? Ja! 11 7 8

Eigenmittel? Nein! 3 10 9

Tabelle 2 Ausgewählte Ergebnisse der Sachberichtsauswertung 2013-2015 mit Blick auf Auskömmlichkeit der Fördermittel (Zahlen geben Anzahl der diesbezüglich berichtserstattenden Gebietskörperschaften an; nicht alle 23 Thüringer Gebietskörperschaften haben zu jedem Aspekt Bericht erstattet.)

Mit Blick auf den Umfang des Mittelabrufes durch die Gebietskörperschaften muss

davon ausgegangen werden, dass die Mittel auf bestehende Bedarfe im geförderten

Angebotsbereich treffen und in diesem Sinne notwendig und umsetzbar sind. Dass ein

Teil der Schulsozialarbeiter/innen die zur Verfügung gestellten Mittel als nicht

ausreichend befindet, sagt zunächst nicht viel aus. Inwieweit die Landesmittel

bestehende Bedarfe tatsächlich erreichen, müsste auf der Ebene der

fördermittelempfangenden Gebietskörperschaften eruiert werden, da, wie auch die

Thüringer Förderrichtlinie vorsieht, Aktivitäten der Schulsozialarbeit Bestandteil der

örtlichen Jugendhilfeplanung sein müssen. An diesem Ort erfolgt die Abwägung

zwischen bestehenden Bedarfen und deren Deckung. Aufgrund dieser

Zuwendungsvoraussetzung sowie der gesetzlichen Planungsverpflichtung der

Landkreise und kreisfreien Städte (beinhaltet ebenfalls Bedarfsfeststellung) muss eine

bedarfsbezogene und damit „sinngemäße“ Mittelverwendung der Fördermittel

unterstellt werden.

Ein wichtiger Hinweis hinsichtlich der finanziellen Absicherung der Angebote durch

die Förderung ist bereits weiter oben offensichtlich geworden: Eine erhebliche Anzahl

der geschaffenen Stellen ist befristet, was, wie ebenfalls gezeigt, auf die personelle

Kontinuität zurückwirkt. Wie angeführt, ist es Teil der herrschenden Meinung, dass

Angebote der Schulsozialarbeit auf personelle Kontinuität angewiesen sind. Die

Betrachtung der Sachberichte der Jahre 2013 bis 2015 weist jeweils auf eine

ausgeprägte Anzahl von Gebietskörperschaften hin (15 bis 17 von 23), welche die

Verstetigung der finanziellen Zuwendungen im Sinne deren Kontinuität fordern.

Wenn also die Beschaffenheit der Beschäftigungsverhältnisse auf die (befristete)

landesseitige Finanzierung rückführbar sein sollte, wäre deren Sicherheitswirkung

zumindest in Zweifel zu ziehen. In diesem Sinne ist jedoch auch auf die

Zuständigkeitsregelungen des SGB VIII hinzuweisen. Nach § 69 in Verbindung mit § 79

SGB VIII liegt die Gesamt- und Planungsverantwortung für die Kinder- und

Jungendhilfe beim örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe und damit bei den

Rahmenbedingungen der Schulsozialarbeit in Thüringen (inputs) 33

Jugendämtern der Thüringer Landkreise und kreisfreien Städte. Im Rahmen der

kommunalen Selbstverwaltung müssen diese tragfähige Kinder- und

Jugendhilfestrukturen schaffen, wobei ihnen die Landesförderung helfen soll. Mit

Blick auf die oben auseinandergesetzte Befristung von Arbeitsverhältnissen der

Schulsozialarbeiter/innen wären die Jugendämter also gleichermaßen in der

Verantwortung zu sehen. Ferner liegt die Zuständigkeit für Leistungen nach § 13 SGB

VIII ebenfalls beim örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe, welchen das Land

Thüringen als überörtlicher Träger in der Wahrnehmung seiner Aufgaben unterstützt.

Weiterhin fraglich ist die Gestaltung des Mechanismus zur Mittelvergabe mit Blick auf

weitere Regelungen der Richtlinie: Diese sieht die tarifgemäße Vergütung der

Beschäftigten vor. Diese Regelung ist dem Grunde nach sehr zu begrüßen.

Problematisch ist jedoch die damit verbundene zu erwartende

Personalkostensteigerung, da die Bezüge von tariflich Beschäftigen in regelmäßigen

Abständen steigen (Erfahrungsstufen). Die der Landesrichtlinie zugrundeliegende

Annahme basiert auf dem 2013 geltenden TV-L E 9, Erfahrungsstufe 2. Ein Aufstieg in

die Erfahrungsstufe 2 erfolgt spätestens nach 2 Jahren.

Dieser Umstand sowie die derzeitige Gestaltung der Förderung legen folgende

Szenarien nahe:

a) Die Anzahl der Beschäftigten, die über das Landesprogramm finanziert

werden, sinkt.

b) Parallel zum Anwachsen der Personalkosten schwindet der jeweilige

Beschäftigungsumfang bei den derzeitigen Beschäftigten.

c) Die Fördermittelerstempfänger (Jugendämter) bewältigen die resultierenden

Kostensteigerungen aus Eigenmitteln. Dies ist mit Blick auf den beschriebenen

Einsatz eigener Mittel unter Umständen bereits der Fall.

d) Die Fördermittelletztempfänger (vor allem Träger der freien Kinder- und

Jugendhilfe) bewältigen die resultierenden Kostensteigerungen aus

Eigenmitteln.

4.3 Raumausstattung und Materialien

In der Fachdiskussion ist es Konsens, dass Schulsozialarbeiter/innen über geeignete

Räumlichkeiten verfügen müssen, um pädagogisch tätig sein zu können. Das bloße

Vorhandensein von Räumen reicht jedoch nicht aus. Vielmehr müssen diese

bestimmten Anforderungen genügen:64

- Zentrale Lage in der Schule und damit niedrige Zugangsschwelle,

- Räumlicher Zugang auch außerhalb der Unterrichtszeit,

64

Speck (2009): S. 92 f.

34 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

- Schlüsselgewalt bei den Schulsozialarbeitern/innen,

- Eigenverantwortliche Nutzbar- und Gestaltbarkeit durch die

Schulsozialarbeiter/innen.

Daneben müssen die Räumlichkeiten auch Rückzugsmöglichkeiten für

Einzelfallberatungen bieten sowie über eine angemessene IT- bzw.

Technikausstattung verfügen. 65 Weiterhin ist es notwendig, dass andere

Räumlichkeiten der Schule durch Schulsozialarbeiter/innen mitgenutzt werden

können (Klassenräume, Turnhalle, Gruppenräume, Fachräume, etc.).66 Just formuliert

weiterhin den Anspruch, dass die Beschaffenheit der Räumlichkeiten im Sinne einer

einladenden Atmosphäre auch die Qualität der Arbeit bzw. der Einrichtung

wiederspiegelt und diese gleichsam begünstigt. Daher wird auch empfohlen,

Schulsozialarbeitern/innen die Möglichkeit zu geben, auf eine ansprechende

Raumdekoration/-gestaltung hinwirken zu können.67

Die Forderungen nach eigenen Räumlichkeiten sind auch in zahlreichen Richtlinien

und Stellungnahmen berücksichtigt. Der Kooperationsverbund Schulsozialarbeit

postuliert die Verfügbarkeit von eigenen Räumen, welche eine adäquate Ausstattung

haben (Schreibtisch, Telefon, PC, Internetzugang, Drucker und pädagogische

Materialien wie Spiele oder Sportgeräte).68 Einen ähnlichen Standard definiert das

Ministerium für Integration, Jugend und Frauen Rheinland-Pfalz. Hier wird die

„zeitgemäße“ Ausstattung der Räumlichkeiten postuliert.69 Weiterhin ist erkennbar,

dass sich die erforderlichen räumlichen Bedingungen im Sinne der oben diskutierten

Anforderungen in zahlreichen weiteren Richtlinien und fachlichen Empfehlungen

abbilden.

Die fachlichen Empfehlungen des Landes Thüringen weisen ebenfalls Anforderungen

bezüglich der notwendigen Räumlichkeiten auf. Es ist nötig, den

Schulsozialarbeitern/innen einen eigenen Arbeitsraum inklusive

Bürokommunikationstechnik und Internetzugang und bei Bedarf freien Zugang zu

Beratungs- und Gruppenräumen zu gewährleisten.70 Die entsprechende Richtlinie

fordert ebenfalls allein nutzbare Räume sowie den Zugang zu Gruppen- und

Beratungsräumen.71 Die Thüringer Regularien greifen damit den deutschlandweit

anerkannten fachlichen Standard auf. Pädagogische Fachkräfte müssen zum einen

über eigenständig nutzbare, frei zugängliche sowie entsprechend (technisch)

ausgestattete Räume sowie zum anderen über den Zugang zu weiteren Schul- und

65

Kooperationsverbund Schulsozialarbeit (2015): S. 15. 66

Speck (2009): S. 92 f. 67

Just (2013): S. 49. 68

Kooperationsverbund Schulsozialarbeit (2015): S. 15. 69

Rheinland-Pfälzisches Ministerium für Integration, Familie, Jugend und Frauen (2012): S.6. 70

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2014): S. 9. 71

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2016): S. 2.

Rahmenbedingungen der Schulsozialarbeit in Thüringen (inputs) 35

Gruppenräumen verfügen. Ein Vergleich der Sachberichte der Jahre 2013 bis 2015

zeigt eine diesbezüglich positive Entwicklung: Während 2013 noch acht

fördermittelempfangende Gebietskörperschaften als Grund für das Nichterreichen

der gefassten Ziele die ungünstige Ressourcensituation und hier vor allem die

ungenügende Raumsituation angeben, trifft dies 2014 noch auf sechs und 2015 nur

noch auf zwei Jugendämter zu.

Die Befragung der Schulsozialarbeitsträger zeichnet ein ambivalentes Bild: 52,5 % der

befragten Trägervertreter/innen befinden die räumliche Situation für insgesamt

angemessen, 40 % sind unentschlossen (teils/teils). 7,5 % bescheinigen eine

unangemessene Raumsituation. Diesbezüglich getroffene Vereinbarungen zwischen

Trägern und Schulen werden in der überwiegenden Anzahl der Fälle beachtet: 7,5 %

der Befragten sind auch hierbei skeptisch. Die Forderung des Landes nach

entsprechenden Räumlichkeiten für die Schulsozialarbeiter/innen wird von der

Mehrzahl der befragten Träger für das Gelingen desselben als relevant eingeschätzt

(70 %). Dennoch beurteilen auch 7,5 % der Befragten dieselbe als eher unwichtig.

Abbildung 14 Trägerbefragung: Voraussetzungen der schulbezogenen Jugendsozialarbeit in Thüringen (n=40)

Eine zweite Perspektive gibt die Einschätzung der räumlichen Voraussetzungen durch

die Schulsozialarbeiter/innen wieder. Erkennbar ist, dass die überwiegende Anzahl die

Voraussetzungen als angemessen bewertet. Rund 8 % der Befragten attestiert jedoch

auch eine unangemessene Situation.

0 20 40 60 80 100

Die getroffenen Vereinbarungen zur materiellen undräumlichen Ausstattung der

Schulsozialarbeiter/innen werden von der/denSchule/n eingehalten.

Die materielle Ausstattung derSchulsozialarbeiter/innen ist angemessen.

Die räumliche Situation derSchulsozialarbeiter/innen ist angemessen.

Die den Schulsozialarbeitern/innen zur Verfügungstehenden finanziellen Mittel sind angemessen.

55,0

40,0

32,5

30,0

22,5

37,5

20,0

30,0

15,0

15,0

40,0

25,0

5,0

5,0

7,5

12,5

2,5

2,5

2,5

in Prozent

trifft voll zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht zu trifft gar nicht zu

36 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

Abbildung 15 Schulsozialarbeiterbefragung: Einschätzung räumliche Situation (n=147)

Ein ähnliches Bild zeichnet eine Befragung von Personen, die neben den

Schulsozialarbeitern/innen an Schulen tätig sind (also vor allem Lehrer/innen und

Schulleiter/innen). Rund 62 % halten die räumliche Ausstattung für angemessen, rund

23 % sind unentschlossen. 14 % gehen allerdings auch von einer eher unzureichenden

Situation aus.

Zusammengenommen zeigen die Ergebnisse, dass die Regelungen/Anforderungen

des Landesprogramms hinsichtlich notwendiger Räumlichkeiten einerseits anerkannt

und andererseits recht weitgehend umgesetzt werden. Die zwar in geringen

Ausprägungen, aber regelmäßig auftretenden diesbezüglichen negativen

Einschätzungen weisen allerdings auch auf fortbestehenden Handlungsbedarf hin. Die

unterschiedlichen Einschätzungen der räumlichen Rahmenbedingungen durch die

befragten Statusgruppen könnten aus einem unterschiedlichen Anforderungsdenken

resultieren. Fraglich ist, wie mit diesen umzugehen ist.

4.4 Kooperation

4.4.1 Kooperationsvereinbarungen

In der Fachdiskussion ist es weiterhin anerkannt, dass, gewissermaßen als Grundlage

gelingender Schulsozialarbeit, alle beteiligten Akteure in entsprechenden

Vereinbarungen ihre Absichten bezüglich des zu etablierenden Angebots fixieren und

damit die teilweise auseinanderstrebenden und/oder konfliktbehafteten Interessen

und Haltungen einen sollen. Die Schaffung solcher konkreten Regelungen soll damit

der festen Verortung von Schulsozialarbeit in der Bildungslandschaft dienen. Speck

empfiehlt, die Kooperation auf vier verschiedenen Ebenen, nämlich auf der

- individuellen Ebene zwischen den pädagogischen Akteuren,

- organisationsbezogenen Ebene und hier vor allem zwischen Leistungsträgern,

Leistungserbringern sowie den Schulen,

0 20 40 60 80 100

Die räumliche Situation ist für die Schulsozialarbeitangemessen.

46,3 31,3 14,3 6,1 2,0

in Prozent

trifft voll zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht zu trifft gar nicht zu

Rahmenbedingungen der Schulsozialarbeit in Thüringen (inputs) 37

- örtlichen beziehungsweise sozialräumlichen Ebene und den dort ansässigen

Akteuren,

- überörtlichen Ebene durch die zuständigen Ministerien und Ressorts, zu

regeln.72

Es lässt sich festhalten, dass hinreichende Kooperationsvereinbarungen im oben

dargestellten Sinne als Qualitätsmerkmal von Schulsoziarbeit zu werten sind. Auch

der Kooperationsverbund Schulsozialarbeit postuliert in seinen Leitlinien das

Abschließen von Kooperationsvereinbarungen bzw. -verträgen zwischen den

zuständigen Stellen, deren Inhalt vor allem Aufgaben, Zuständigkeiten sowie Formen

der Finanzierung und Zusammenarbeit sein sollen.73 Rademacker kommt weiterhin zu

dem Ergebnis, dass entsprechende Vereinbarungen vor allem dann zu finden sind,

wenn Schulsozialarbeit durch Landesprogramme Förderung erfährt.74 Auch eine

Evaluation der Schulsozialarbeit in Sachsen erkennt Kooperationen und insbesondere

die schulinterne Kooperation als ein wichtiges Qualitätsmerkmal.75

In den fachlichen Empfehlungen des Landes Sachsen finden sich entsprechende

Hinweise. Hier heißt es:

„Die Bereitschaft von Kinder- und Jugendhilfe und Schule zur Kooperation ist

Grundvoraussetzung für das Gelingen des Zusammenwirkens beider Seiten.

Grundsätzlich soll die Zusammenarbeit zwischen dem Träger der Kinder- und

Jugendhilfe und der Schule direkt und über eine schriftliche

Kooperationsvereinbarung geregelt werden. In den Vereinbarungen sind die

konkreten Leistungen, Ziele, Aufgaben/ Arbeitsfelder, Zuständigkeiten und deren

Grenzen sowie die gegenseitige Einbeziehung in arbeitsorganisatorische Strukturen

zu regeln. Ebenso müssen Festlegungen zwischen den Partnern zu Räumlichkeiten

und zur Sachausstattung der Schulsozialarbeit darin fixiert werden.“76

Erkennbar werden hier die weiter oben dargelegten Intentionen: Zum einen gilt es,

sich mithilfe der Kooperationsvereinbarungen gemeinsam zur Durchführung von

Schulsozialarbeit zu entschließen bzw. zu bekennen und zum anderen

Zuständigkeiten, Aufgaben und Ressourcen festzulegen.

Die Thüringer Richtlinie wie auch die entsprechenden fachlichen Empfehlungen

weisen ebenfalls auf notwendige Kooperationsverträge hin. Diese sind zwischen dem

jeweiligen Schulamt beziehungsweise der Schule sowie dem Leistungserbringer zu

72

Speck (2009): S. 94 ff. 73

Kooperationsverbund Schulsozialarbeit (2015): S. 15. 74

Rademacker, Hermann (2009): Schulsozialarbeit – Begriff und Entwicklung. In Pötter, H. und Segel, G. (Hrsg.): Profession Schulsozialarbeit. Beiträge zu Qualifikation und Praxis der sozialpädagogischen Arbeit an Schulen. Wiesbaden, S. 14. 75

ORBIT (2014): S. 29. 76

Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz (2016): S. 13.

38 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

schließen. Dabei enthalten sie Vereinbarungen hinsichtlich Zielen, Aufgaben und

Verantwortlichkeiten sowie Festlegungen bezüglich Raumnutzung und Ausstattung.

„Zwischen dem zuständigen Schulamt oder in dessen Auftrag zwischen der einzelnen

Schule und dem Leistungserbringer (Letztempfänger) ist eine

Kooperationsvereinbarung abzuschließen. Die Grundlage dafür bildet u. a. das

Schulentwicklungskonzept der jeweiligen Schule. Die Kooperationsvereinbarung

muss eine Ziel-, Aufgaben- und Verantwortungsbeschreibung sowie Festlegungen

hinsichtlich der sächlichen Ausstattung einschließlich Raumnutzung enthalten. Diese

Kooperationsvereinbarung ist mit dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe

einvernehmlich abzustimmen und zum Bestandteil des Zuwendungsbescheides bzw.

des öffentlich-rechtlichen Vertrags an die Leistungserbringer zu erklären.“ 77

Auch in den fachlichen Empfehlungen finden sich ähnliche Forderungen wieder.78

Erkennbar ist, dass die Thüringer Regularien notwendigen

Kooperationsvereinbarungen Rechnung tragen. Wie oben gezeigt, sind

Vereinbarungen zwischen den jeweiligen Schulen und den Trägern der

Schulsozialarbeitsangebote abzuschließen. Die Regularien sind dabei Muss-

Bestimmungen, stehen also nicht zur Disposition.

Die vorhandene Datenlage gibt vor allem hinsichtlich der sozialräumlichen und

organisationsbezogenen Ebene Aufschluss. So zeigt sich beispielsweise, dass 82 % der

befragten Trägervertreter/innen davon ausgehen, die entsprechenden Regularien

tragen zum Gesamterfolg der Landesförderung bei. 67,6 % der befragten

Schulsozialarbeiter/innen verfügen über eine klare Stellenbeschreibung, rund 24 %

benennen das Gegenteil.

Inwiefern diese Anforderungen des Thüringer Landesprogramms Wirksamkeit

entfalten, inwiefern sich also konkrete Kooperationsaktivitäten und darauf

rückführbare Effekte beobachten lassen, ist auf der Betrachtungsebene der Outputs

bzw. Outcomes in den Blick zu nehmen.

4.4.2 Kooperationsstrukturen

Neben Vereinbarungen ist auch das Vorhandensein konkreter Kooperationsstrukturen

und-orte zwischen Schule und Jugendhilfe erforderlich. Dies ist auch auf die

Beschaffenheit bzw. den Charakter des Systems Schule zurückzuführen, welches zum

einen langfristig gewachsen und damit entsprechend verankert und etabliert und zum

anderen hierarchisch strukturiert ist. Für die Akteure der Kinder- und Jugendhilfe ist es

daher sehr wichtig, an diesem Ort Fuß zu fassen, um Synergieeffekte nutzen zu

77

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2014): S. 4. 78

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2016a): S. 7-9.

Rahmenbedingungen der Schulsozialarbeit in Thüringen (inputs) 39

können.79 Hierzu ist Just folgend auch die Teilnahme an schulinternen Konferenzen

und Versammlungen notwendig.80

Mit Speck und den oben genannten Inhalten von Kooperationsvereinbarungen lassen

sich folgende Kooperationsstrukturen bzw. -schwerpunkte herausstellen:81

- Individuelle Kooperationsebene: Neben wechselseitiger Akzeptanz können das

gemeinsame Durchführen kleinerer Projekte/Aktivitäten von Lehrern/innen

und Sozialarbeitern/innen sowie gemeinsame Fallbesprechungen und

Fortbildungen Orte konkreter Kooperation zwischen den tätigen Fachkräften

sein.

- Organisationsbezogene Kooperationsebene: Hier ist insbesondere die

Beteiligung der Schulsozialarbeiter/innen an Beratungen, Konferenzen,

Gremien sowie weiteren, auch entscheidungsrelevanten Aktivitäten auf

Schulebene maßgeblich.

- Örtliche Kooperationsebene: Es ist ferner nötig, Schule und Schulsozialarbeit

sowie andere beteiligte und/oder verantwortliche Akteure zusammenzufassen

und an einen Tisch zu bringen. Hierzu sind Aktivitäten der Jugendhilfeplanung

genauso relevant wie die Gründung regionaler

Fachgremien/Arbeitsgemeinschaften und die Schaffung einer Struktur der

fachlichen Begleitung.

- Überörtliche Kooperationsebene: Letztlich ist auf dieser Ebene die

Zusammenarbeit der Systeme Schule und Kinder- und Jugendhilfe politisch

anzulegen. Möglich ist dies vor allem mithilfe entsprechender Gesetze,

Ausführungsgesetze, Fachempfehlungen, etc. Notwendig ist insbesondere,

dass die unterschiedlichen Ressorts trotz unterschiedlicher Handlungslogiken

zusammenwirken.

Die Thüringer Regularien schaffen hinsichtlich dieser Kooperationsaspekte eine

umfassende Basis. Die fachlichen Empfehlungen sehen auf örtlicher/überörtlicher

Ebene den regelmäßigen fachlichen Austausch sowie entsprechende Fortbildungen

vor. Beides ist durch den überörtlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe zu

gewährleisten. Eine Struktur der fachlichen Begleitung aller Träger und

Schulsozialarbeiter/innen ist gleichermaßen vorgesehen. Weiterhin geht aus den

festgeschriebenen Anforderungen an die einzelnen Akteure hervor, dass

Schulsozialarbeiter/innen an schulinternen Beratungen, Gremien und Konferenzen zu

beteiligen sind. Auch sind regelmäßige Gespräche zwischen

Schulsozialarbeitern/innen sowie Schulleitern/innen, Beratungslehrern/innen zu

gewährleisten. Die Beteiligung an außerschulischen, sozialraumbezogenen Gremien

79

Just (2013): S. 45. 80

Just (2013): S. 46. 81

Speck (2009): S. 94 f.

40 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

ist als Anforderung an die tätigen Fachkräfte angelegt.82 Mit Blick auf das Verfahren

zur Abschätzung des Verdachtes auf Kindeswohlgefährdung sind Schulen sowie

Leistungsträger und -erbringer angehalten, in den gemeinsamen

Kooperationsvereinbarungen hinreichende Verfahren anzulegen. Auch die Thüringer

Richtlinie betont die in den fachlichen Empfehlungen vorgedachten

Kooperationsstrukturen: Schulsozialarbeiter/innen sind an Konferenzen,

Arbeitsgruppen sowie Elternabenden und -gesprächen zu beteiligen.83 Ferner ist auch

im Thüringer Schulgesetz die Teilnahme der Schulsozialarbeiter/innen an

schulinternen Gremien geregelt.84 So ist eine Teilnahme an Lehrerkonferenzen im § 37

direkt benannt. An Schulkonferenzen nimmt der/die Schulsozialarbeiter/in beratend

teil.

Insgesamt ist erkennbar, dass es ein aufwendiger Prozess ist, die Angebote und

Anforderungen des Landesprogrammes im System Schule zu implementieren. Dies

betrifft vor allem Kooperation und Vernetzung zwischen Schulsozialarbeitern/innen

und Lehrpersonen. Hierfür bedeutsam ist die wechselseitige Akzeptanz dieser

unterschiedlichen Berufsgruppen. Die Auswertung der Sachberichte der Jahre 2013

bis 2015 legt dies nahe: So gibt 2015 nur noch ein Jugendamt an, die Ziele des

Landesprogrammes wurden vor allem aufgrund fehlender Akzeptanz seitens der

Schule nicht erreicht. Im Jahre 2013 und 2014 sind dies noch fünf bzw. zehn

Gebietskörperschaften. Über alle Jahre hinweg zeigt sich, dass das Thema Vernetzung

und Zusammenarbeit in den Sachberichten als kontinuierliche Entwicklungsaufgabe

eingeschätzt wird. Dies gilt für wechselseitige Akzeptanz gleichermaßen.

Die Befragung der Träger von Schulsozialarbeit weist auf insgesamt gelingende

Kooperationsbeziehungen zwischen den Schulsozialarbeitern/innen und deren

Arbeitgebern/Trägern hin. Rund 95 % der Befragten bestätigen das Vorhandensein

regelmäßiger Termine zur Besprechung aktueller Themen auf dieser Ebene.

Erkennbar ist, dass das Verhältnis zwischen Schulsozialarbeitern/innen und

Lehrpersonen regelmäßiges Thema dieser Besprechungen ist (rund 56 % der

Befragten bestätigen, dass dies (sehr) häufig der Fall ist).

82

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2014): S. 6 ff. 83

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2016): S. 2. Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2014): S. 8.

84 Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2015): Thüringer Schulgesetz. Erfurt, S. 31 ff.

Rahmenbedingungen der Schulsozialarbeit in Thüringen (inputs) 41

Abbildung 16 Trägerbefragung: Regelmäßige Abstimmungstermine zwischen Trägern und

Schulsozialarbeitern/innen (n=39)

Wie benannt, ist Kooperation zwischen Kinder- und Jugendhilfe und Schule auf

unterschiedlichen Ebenen (individuell, organisationsbezogen, etc.) in die fachlichen

Empfehlungen des Landes Thüringen hineinformuliert. Anhand der Befragung der

Schulsozialarbeiter/innen zeigt sich, dass personelle Zusammenarbeit Bedeutsamkeit

aufweist: Insbesondere Lehrer/innen und Schulleiter/innen in ihren unterschiedlichen

Funktionen sind (sehr) oft Kooperationspartner/innen von Schulsozialarbeitern/innen.

Abbildung 17 Schulsozialarbeiterbefragung: Häufige Kooperationspartner/innen im Kontext schulbezogener

Jugendsozialarbeit (n=76-153)

0 20 40 60 80 100

Es gibt regelmäßige Termine zur Besprechungaktueller Themen.

79,5 15,4 2,6

2,6

in Prozent

trifft voll zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht zu trifft gar nicht zu

0 20 40 60 80 100

Erzieher/innen

sonderpädagogische Fachkräfte

Schülervertretung

Fachlehrerinnen

Vertrauenslehrer/innen

Beratungslehrer/innen

Schulleitung

Klassenlehrer/innen

7,9

11,3

12,3

30,9

35,8

45,6

46,4

58,8

18,4

31,2

25,3

40,8

29,2

32,9

39,2

34,0

30,3

33,3

32,2

25,0

21,2

14,8

10,5

6,5

30,3

22,0

21,9

3,3

11,7

5,4

3,9

0,7

13,2

2,1

8,2

2

,2

1,3

in Prozent

sehr oft oft teils/teils selten nie

42 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

Ein ähnliches Bild ergibt die Befragung der an der Schule Tätigen. Auch hier gehören

die Klassenlehrer/innen, Schulleitungen und Beratungslehrer/innen zu den häufigsten

Kooperationspartnern.

Ebenfalls ist es Anforderung der Richtlinie, dass die geförderten Angebote Bestandteil

der örtlichen Jugendhilfeplanung sein müssen. Für diese sind

Abstimmung/Vernetzung und letztlich Kooperation auf örtlicher/regionaler Ebene

Voraussetzung. Diese Richtlinienfestlegung wirkt also im Sinne der geforderten

Kooperation und Koordination der Akteure.

Die örtliche Begleitstruktur wird durch die zuständigen örtlichen Träger der

öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe (Jugendämter), teilweise auch in Kooperation

mit freien Trägern, realisiert. Die fachliche Begleitung durch die örtlichen Träger wird

in den Gebietskörperschaften unterschiedlich intensiv gefördert. Während einige

Kommunen Mittel für bis zu 1,0 VbE beantragen, trifft dies andernorts nur auf sehr

geringe oder gar keine Stellenanteile zu. Worauf dies rückführbar ist bzw. wie in

Gebietskörperschaften, welche auf die Förderung verzichten, die Begleitung realisiert

wird, muss an dieser Stelle offenbleiben. Zum Zeitpunkt der Erhebungen wurden

insgesamt 9,025 VbE für die fachliche Begleitung vor Ort gefördert.

Auch ist eine Struktur der landesweiten fachlichen Begleitung des

Landesprogrammes in der Förderrichtlinie vorgesehen. Die hierfür verfügbaren Mittel

betragen laut Richtlinienvorgabe bis zu 1,5 % der jährlich förderfähigen Summe. Die

fachliche Begleitung besteht seit Beginn der Landesförderung im Jahre 2013.

0 20 40 60 80 100

Klassenlehrer/innen

Schulleitung

Beratungslehrer/in

Vertrauenslehrer/in

sonderädagogischen Fachkräften

Fachlehrer/innen

Erzieher/innen

46,3

45,5

45,1

29,1

20,0

17,4

12,5

45,1

44,7

40,6

40,3

46,7

53,3

29,7

8,2

7,2

11,6

24,0

27,2

26,4

20,3

0,4

2,6

2,7

5,6

5,1

2,5

14,1

-

-

1,0

1,0

0,4

23,4

in Prozent

sehr oft oft teils/teils selten nie

Abbildung 18 Befragung an der Schule Tätige: Häufige Kooperationspartner/innen im Kontext schulbezogener Jugendsozialarbeit (n=64-242)

Rahmenbedingungen der Schulsozialarbeit in Thüringen (inputs) 43

Abbildung 19 Trägerbefragung: Bedeutsamkeit der Begleitstrukturen für die erfolgreiche Umsetzung der

Landesförderung (n=39-40)

Abbildung 20 Schulsozialarbeiterbefragung: Bedeutsamkeit der Begleitstrukturen für die erfolgreiche Umsetzung

der Landesförderung (n=12-147)

Die landesweite fachliche Begleitung (realisiert durch ORBIT e.V.) hält wichtige

örtliche und überörtliche Kooperations- und Vernetzungsstrukturen vor:

- Regionaltreffen für die Schulsozialarbeiter/innen: Diese finden mehrmals

jährlich an unterschiedlichen Stellen statt und dienen der Information/dem

Wissenstransfer sowie der Vernetzung der Schulsozialarbeiter/innen.

- Koordinatoren/innentreffen: Die auf regionaler Ebene tätigen Koordinatoren

bei den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe finden sich ebenfalls

regelmäßig zu gemeinsamen Vernetzungstreffen zusammen.

- Fachtagungen: Einmal jährlich findet eine Fachtagung statt. Hier sprechen

renommierte Experten/innen aus der Wissenschaft. Angeboten wurden in der

Vergangenheit auch Workshops von einschlägig erfahrenen Praktikern/innen.

Die Fachtagungen sind für alle Stakeholder der Landesförderung zugänglich

(Sozialarbeiter/innen, Lehrer/innen, Schulleiter/innen,

Jugendamtsmitarbeiter/innen).

0 20 40 60 80 100

Fachliche Begleitung im zuständigen Jugendamt

Fachliche Begleitung im Landesprogramm

40,0

30,8

27,5

17,9

22,5

35,9

5,0

12,8

5,0

2,6

in Prozent

trifft voll zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht zu trifft gar nicht zu

0 20 40 60 80 100

Fachliche Begleitung im zuständigen Jugendamt

Fachliche Begleitung im Landesprogramm

25,2

22,1

39,9

32,4

26,6

33,8

7,7

10,3

0,7

1,4

in Prozent

stimme voll zu stimmer eher zu teils/teils stimme eher nicht zu stimme gar nicht zu

44 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

2014 2015 2016

Regionaltreffen 5 6 6

Koordinatoren/innentreffen 2 2 2

Fachtagungen 1 1 1

Fortbildungsangebote 17 15 12 Tabelle 3 Kooperationsangebote und -strukturen nach Jahren

Die landesweite fachliche Begleitstruktur realisiert weiterhin Fortbildungsangebote.

Diese dienen vor allem der Qualitätsentwicklung. Erkennbar ist jedoch auch ein

Kooperationsaspekt: Bestimmte Formate sind sowohl für Lehrpersonal als auch für

sozialpädagogisches Personal geöffnet. Wie anhand bestimmter

Wirkungsdimensionen erkennbar (Outcomes), gehen von der gemeinsamen

Fortbildungsteilnahme positive Potentiale aus.

Insgesamt gehen von den Thüringer Regularien umfangreiche

Vorgaben/Anforderungen hinsichtlich der Strukturen und Aktivitäten der Kooperation

und Vernetzung aus. Vor allem die Kooperation zwischen Lehrpersonal und

sozialpädagogischem Personal ist ausgeprägt, was nicht notwendigerweise

wechselseitige Akzeptanz nach sich ziehen muss. Diese herzustellen, ist offensichtlich

ein voraussetzungsvoller Prozess. Das Landesprogramm sieht auch Strukturen der

regionalen und landesweiten fachlichen Begleitung der Angebote der schulbezogenen

Jugendsozialarbeit bzw. ihrer Mitarbeiter/innen vor.

Rahmenbedingungen der Schulsozialarbeit in Thüringen (inputs) 45

4.5 Qualitätssicherung und -entwicklung

Speck folgend, geht der fachliche Trend auf der Ebene der Träger von

Schulsozialarbeit in Richtung der Etablierung eines umfassenden systematischen und

komplexen Qualitätsentwicklungsprozesses.85 An anderer Stelle ist eine Reihe von

Verfahren und Instrumenten aufgezählt, die in der Schulsozialarbeit dieser

Qualitätsentwicklung dienen (können) und entsprechend erkannt sind. Notwendig ist

insbesondere die Erstellung von Konzeptionen auf der Grundlage von Bestands- und

Bedarfsanalysen, also insgesamt die Durchführung von Planung. Weitere wichtige

Bestandteile sind die Erstellung von Dokumentationen (fallbezogen,

aufgabenbezogen, zeitbezogen, etc.) und auf die Tätigkeit bezogene

Reflexionsprozesse. Letztere stellen sowohl auf datenbasierte als auch auf dialogische

Ansätze ab und dienen der Zielüberprüfung anhand gefasster Indikatoren und

entsprechender Daten. Weiterhin sinnvoll sind kollegiale Beratungen, Supervision und

Weiterbildungen. 86 Es ergeben sich damit einige qualitätsbezogene

Ausgangsbedingungen von schulbezogener Jugendsozialarbeit auf der Ebene der

Inputs:

- Schulstandortspezifische Leistungskonzeptionen anhand lokaler Bedarfe,

- Dokumentation und Sachberichterstattung,

- Selbstevaluation,

- Dialogische Reflexionsmöglichkeiten,

- Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten.87

4.5.1 Standortspezifische Konzeptionen und Qualitätsreflexion

Die Förderrichtlinie des Landes Thüringen formuliert in den

Zuwendungsvoraussetzungen, dass die über das Landesprogramm geförderten

Vorhaben Teil der Jugendhilfeplanung sein müssen. Weiterhin bedarf es

standortspezifischer Konzeptionen, die beispielsweise den Personaleinsatz oder die

Raumnutzung regeln. 88 Beide Anforderungen implizieren die Orientierung der

Angebote an lokalen Bedarfen und Strukturen.

Die fachlichen Empfehlungen des Landes geben ebenfalls Hinweise bezüglich der

Qualitätsentwicklung der Angebote. So sind standortspezifische Konzeptionen zu

erstellen. Weiterhin sind Ziel- und Leistungsvereinbarungen zwischen den

Fördermittelerst- und -letztempfängern abzuschließen, welche auf die aktuellen

85

Speck (2009): S. 125. 86

ebenda: S. 132 87

Speck (2009): S. 83. 88

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2016): S. 2.

46 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

73,4 %

26,6 %

vorhanden nicht vorhanden

Abbildung 21 Schulsozialarbeiterbefragung: Vorhandensein einer schulstandortspezifischen Konzeption (n=143)

Bedarfe eingehen und in zweijährigem Rhythmus zu aktualisieren sind. Diese

Vereinbarungen sind wiederum Teil eines zyklischen Qualitätszirkels. Dieser sieht

auch vor, basierend auf der fortlaufenden Dokumentation sowie dem Sachbericht, in

jährlichen Dialogen über den Zustand und die Bedingungen der zu etablierenden

Angebote zu reflektieren.89

In der Befragung der

Schulsozialarbeiter/innen gab die

überwiegende Mehrheit an, auf

eine schulstandortspezifische

Konzeption zurückgreifen zu

können. Von den an der Schule

Tätigen wird dieser Zustand mit

einem Zustimmungswert von

86,4 % bestätigt.

Wie gezeigt, stellt das

Abschließen entsprechender

Vereinbarungen zwischen den

Akteuren (vor allem Schule und Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe) eine

wichtige Anforderung der Thüringer Richtlinie dar. Aus der Auswertung der

Sachberichte der Jahre 2013 bis 2015 geht hervor, dass dieser Aspekt im

entsprechenden Förderzeitraum an Bedeutung gewonnen hat. Jeweils neun, zwölf

bzw. elf Gebietskörperschaften geben für die jeweiligen Folgejahre an,

standortspezifische Bedarfe erfassen und Konzeptionen und Angebote hierauf

abstimmen zu wollen. Es zeigt sich weiterhin, dass die Vorgabe des

Landesprogramms, Kooperationsvereinbarungen zwischen den Akteuren

abzuschließen, von den befragten Trägern als relevanter Erfolgsfaktor eingeschätzt

wird. Auch zeigt sich an anderer Stelle, dass diese Vereinbarungen in der ganz

überwiegenden Anzahl der Fälle seitens der Schulen eingehalten werden (rund 77 %

der befragten Trägervertreter/innen positionieren sich hier affirmativ). Daher wird zu

zeigen sein, dass das Vorhandensein schul- bzw. standortspezifischer Konzeptionen

die Einflussmöglichkeiten von Schulsozialarbeit insgesamt deutlich erhöht.

89

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2014): S. 10 f.

Rahmenbedingungen der Schulsozialarbeit in Thüringen (inputs) 47

Abbildung 22 Trägerbefragung: Beitrag Abschließen von Kooperationsvereinbarungen zum Gesamterfolg des

Förderprogrammes (n=39)

4.5.2 Dokumentation und Sachberichterstattung

Aufschlussreich sind außerdem die Anforderungen zur Zielerreichungskontrolle in der

Förderrichtlinie. Der Zuwendungsgeber (Land Thüringen) erlegt den Erst- bzw.

Letztempfängern (öffentliche und freie Kinder- und Jugendhilfeträger) einige

Nachweispflichten auf. Hierfür sind vor allem die Quantitäten der erbrachten

Angebote, deren Nutzung sowie die Zeitaufwendungen der Beschäftigten zu

erfassen. Ferner sind jährliche Sachberichte vorzulegen, welche die lokale quantitative

und qualitative Umsetzung des Förderprogrammes inhaltlich dokumentieren.90

Die durchgeführte Befragung zeigt, dass die Träger von Schulsozialarbeit in Thüringen

die ihnen auferlegten Dokumentationspflichten für den Gesamterfolg des

Förderprogrammes als vergleichsweise wenig und in der Zusammenschau aller

bewerten Fördervorgaben- bzw. Rahmenbedingungen zugleich als am wenigsten

relevant einschätzen.

Abbildung 23 Trägerbefragung: Beitrag der Landesvorgaben (Kooperationsvereinbarungen) zum Gesamterfolg des

Förderprogrammes (n=39)

90

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2014): S. 5.

0 20 40 60 80 100

Abschluss von Kooperationsvereinbarungen41,0 41,0 10,3 7,7

in Prozent trifft voll zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht zu trifft gar nicht zu

0 20 40 60 80 100

Dokumentation der Tätigkeit (Statistik undSachbericht)

28,2 28,2 23,1 20,5

in Prozent

trifft voll zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht zu trifft gar nicht zu

48 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

Das Beibringen der Dokumentationen und Nachweise ist den

fördermittelempfangenden Gebietskörperschaften auferlegt. Die Vorlage derselben

erfolgt im Rahmen bestimmter Fristen. Für den Betrachtungszeitraum 2013 bis 2015

liegen alle erforderlichen Dokumente vor.

Förderzeitraum 2013 2014 2015

Sachberichte 23 23 23

Statistiken 23 23 23 Tabelle 4 In die Evaluation eingegangene Dokumentationen

4.5.3 Selbstevaluation

Einen weiteren Schwerpunkt stellen geforderte Selbstevaluationsaktivitäten dar. Auf

Trägerebene sind demnach in regelmäßigen Abständen Bestandteile der

pädagogischen Arbeit in den Blick zu nehmen und unter Zuhilfenahme geeigneter

Methoden und Daten einer Überprüfung zu unterziehen, deren Ergebnisse dann

wiederum in praxisrelevante Rückschlüsse münden.91 Über die Umsetzung dieser

Vorgabe liegen keine Daten vor.

4.5.4 Fortbildungen

Die kontinuierliche Inanspruchnahme von Weiterbildungen durch die Fachkräfte der

Schulsozialarbeit gehört zu einem allgemein anerkannten fachlichen Standard.92 Dies

findet sich auch in den fachlichen Empfehlungen des Landes Thüringen wieder. Wie

oben benannt, ist es auch Aufgabe der landesweiten fachlichen Begleitung,

Fortbildungen anzubieten. In jedem Falle greifen die Beschäftigten auch noch auf

andere Weiterbildungsmöglichkeiten zurück. Erkennbar ist, dass die Träger der

Schulsozialarbeit in Thüringen die programmbegleitenden Fortbildungen als

wichtigen Erfolgsfaktor ansehen.

Abbildung 24 Trägerbefragung: Beitrag der Landesvorgaben (Fortbildungen) zum Gesamterfolg des

Förderprogrammes (n=38)

91

ebenda: S. 11. 92

Speck (2009): S. 83.

0 20 40 60 80 100

Programmbegleitende Fortbildung34,2 36,8 21,1 7,9

in Prozent

trifft voll zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht zu trifft gar nicht zu

Rahmenbedingungen der Schulsozialarbeit in Thüringen (inputs) 49

Dies spiegelt sich auch in der Anzahl der beanspruchten Fortbildungstage wider: Die

Auswertung der Statistikberichte der Jahre 2014 und 2015 unter Berücksichtigung der

Anzahl der Beschäftigten weist eine durchschnittliche Inanspruchnahme von acht

Weiterbildungstagen je Fachkraft aus.

Abbildung 25 Anzahl der Fort- und Weiterbildung in den Jahren 2014 und 2015

Erkennbar ist, dass die Thüringer Regularien durchaus umfangreiche Anforderungen

hinsichtlich Qualitätssicherung und -entwicklung an die gewährten

Landesfördermittel binden. Diese entsprechen in ihren Kernforderungen den fachlich

anerkannten Standards (Dokumentation, Selbstevaluation, Fort- und Weiterbildung).

Die Umsetzung derselben lässt sich im Rahmen der vorliegenden Evaluation nur

teilweise nachhalten: So bleibt es fraglich, inwiefern die in den fachlichen

Empfehlungen angelegten Qualitätsgespräche zwischen Fördermittelerst- und -

zweitempfängern umgesetzt werden oder wie Selbstevaluationsprozesse Anwendung

finden. Da diese Aspekte entweder unmittelbar durch die Richtlinie oder unmittelbar

durch die fachlichen Empfehlungen als Muss-Bestimmungen an die

Fördermittelgewährung gebunden sind, lässt sich zumindest deren Vorhandensein

unterstellen. Wie gezeigt, trifft beispielsweise das Abschließen von

Kooperationsvereinbarungen insgesamt auf positive Resonanz, wird aber auch als

fortwährende Entwicklungsaufgabe eingeschätzt.

Ersichtlich wird anhand der vorliegenden Dokumente auch, dass die geförderten

Gebietskörperschaften den an sie gestellten Dokumentationsanforderungen

nachkommen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sowohl aus der Sicht der Träger als auch der

Schulsozialarbeiter/innen die Rahmenvorgaben zum Erfolg des Landesprogramms

beitragen. In den folgenden Übersichten werden aber auch die unterschiedlichen

Sichtweisen auf diese Vorgaben deutlich.

Fort- und Weiterbildungstage:

2257

2014 Fort- und

Weiterbildungstage: 2119

2015

50 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

Abbildung 26 Gegenüberstellung der Einschätzungen der Träger der Schulsozialarbeit und der

Schulsozialarbeiter/innen: Beitrag der Rahmenvorgaben zum Erfolg der Schulsozialarbeit I (n=38-147)

0 20 40 60 80 100

Träger der Schulsozialarbeit

Schulsozialarbeiter/innen

Träger der Schulsozialarbeit

Schulsozialarbeiter/innen

Träger der Schulsozialarbeit

Schulsozialarbeiter/innen

Träger der Schulsozialarbeit

Schulsozialarbeiter/innen

Träger der Schulsozialarbeit

Schulsozialarbeiter/innen

Träger der Schulsozialarbeit

Schulsozialarbeiter/innen

Träger der Schulsozialarbeit

Schulsozialarbeiter/innen

Ber

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tellu

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der

Lan

des

rich

tlin

ie

87,2

94,6

70,0

92,5

82,5

89,0

57,5

87,4

85,0

81,3

82,1

79,3

71,1

77,8

10,3

3,4

22,5

6,8

17,5

8,9

25,0

8,4

10,0

11,1

10,3

15,2

18,4

17,4

2,6

2,0

7,5

0,7

2,1

17,5

4,2

5,0

7,6

7,7

5,5

10,5

4,9

in Prozent

trifft voll/eher zu teils/teils trifft eher/gar nicht zu

Rahmenbedingungen der Schulsozialarbeit in Thüringen (inputs) 51

Abbildung 27 Gegenüberstellung der Einschätzungen der Träger der Schulsozialarbeit und der

Schulsozialarbeiter/innen: Beitrag der Rahmenvorgaben zum Erfolg der Schulsozialarbeit II (n=38-147)

0 20 40 60 80 100

Träger der Schulsozialarbeit

Schulsozialarbeiter/innen

Träger der Schulsozialarbeit

Schulsozialarbeiter/innen

Träger der Schulsozialarbeit

Schulsozialarbeiter/innen

Träger der Schulsozialarbeit

Schulsozialarbeiter/innen

Träger der Schulsozialarbeit

Schulsozialarbeiter/innen

Träger der Schulsozialarbeit

Schulsozialarbeiter/innen

Pro

gra

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tist

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Sac

hb

eric

ht)

71,1

76,0

71,8

65,8

67,5

65,0

53,8

57,2

48,7

54,5

56,4

33,6

21,1

17,8

25,6

26,7

22,5

26,6

28,2

29,0

35,9

33,8

23,1

36,3

7,9

6,2

2,6

7,5

10

8,4

17,9

13,8

15,4

11,7

20,5

30,1

in Prozent

trifft voll/eher zu teils/teils trifft eher/gar nicht zu

52 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

5 L E I S T U N G E N D E R S C H U L S O Z I A L A R B E I T ( O U T P U T S )

Mit Outputs werden Leistungen bezeichnet, die alle Tätigkeiten umfassen, die im

Rahmen eines Projektes ausgeübt werden. Im konkreten Fall handelt es sich um

Leistungen der Schulsozialarbeit. Darüber hinaus wird auch die Nutzung der

Leistungen durch die Zielgruppe unter Outputs betrachtet. Kurz und Kubek

unterscheiden dabei drei Stufen der Analyse von Outputs. Outputs der Stufe 1 sind

alle Angebote, die der Zielgruppe zur Verfügung gestellt und in ihrer Quantität

benannt werden können. Auf Stufe 2 findet eine Betrachtung der durch die Zielgruppe

genutzten Leistungen statt. Outputs der Stufe 1 und 2 lassen sich dann in einen

direkten Zusammenhang mit den Rahmenbedingungen, also den Inputs bringen.

Diese Zusammenhänge ermöglichen anschließend Aussagen über die Effizienz der

Projektumsetzung. Mittels Stufe 3 wird die Zufriedenheit der Zielgruppe in Bezug auf

die Leistungen analysiert. Hintergrund der Zufriedenheitsanalyse in Bezug auf die

Angebote und Leistungen ist die Annahme, dass mit der Zufriedenheit ein Gefühl des

„sich ernst genommen Fühlens“ einhergeht. Durch das Gefühl der Zufriedenheit

erscheinen der Zielgruppe die Angebote als nützlich und es können dadurch

Entwicklungen angestoßen werden. Die Projektbasis bilden die Leistungen, die bei

der Zielgruppe Wirkungen erzeugen. Jedoch ist die Zufriedenheit als eine notwendige

aber nicht hinreichende Bedingung für das Erreichen von Wirkungen anzusehen.93

Die folgenden Schwerpunkte werden der Betrachtung der Outputs zugrunde gelegt.

Diese orientieren sich maßgeblich an den fachlichen Empfehlungen der

schulbezogenen Jugendsozialarbeit in Thüringen und gliedern sich nach deren

Zielgruppen:94

- Arbeit mit einzelnen jungen Menschen,

- Arbeit mit Schüler/innengruppen,

- Krisenintervention,

- Arbeit mit Eltern und Erziehungsberechtigten,

- Arbeit mit im Schulkontext tätigen Personen,

- Zusammenarbeit mit Partnern/innen der Bildungslandschaft.

Betrachtet man das oben aufgezeigte Zielgruppenspektrum der Schulsozialarbeit so

wird deutlich, dass hierfür eine Vielfalt von Angebotsformen notwendig ist. Speck

thematisiert in Anbetracht dieser Angebotsbreite die mögliche Gefährdung einer

Profillosigkeit aus Sicht Außenstehender sowie einer Überlastung der

Schulsozialarbeit. Daher ist ein klares Angebotsprofil mit einer Prioritätensetzung

93

vgl. Kurz/Kubek (2013): S. 36 ff. 94

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2014) S. 5 f.

Leistungen der Schulsozialarbeit (outputs) 53

notwendig.95 Die fachlichen Empfehlungen des Landes Thüringen beschreiben die

Aufgabenfelder der Schulsozialarbeit unter der Prämisse der Schwerpunktsetzung

anhand des Bedarfes der jeweiligen Schule sowie der Abstimmung mit den Akteuren

vor Ort. 96 In diesen schulspezifischen Konzeptionen kommen die durch die

Schulsozialarbeiter/innen ermittelten und mit den schulinternen Akteuren

abgestimmten Bedarfe zum Ausdruck. Die Konzeptionen enthalten somit konkrete

Tätigkeitsschwerpunkte und Aufgabenfelder der Schulsozialarbeit an der jeweiligen

Schule.

5.1 Arbeit mit einzelnen jungen Menschen

Die Leistungen der Arbeit mit einzelnen jungen Menschen folgen überwiegend den in

den fachlichen Empfehlungen des Landes Thüringen beschriebenen Aufgabenfeldern.

Beratung und Information zu allen Lebensfragen bei individuellen Problemen

(in und auch außerhalb der Schule),

Einzelfallhilfen bei komplexen Problemlagen,

Vermittlung von einzelnen Schülern/innen in weiterführende Hilfen bzw. an

Fachdienste (z. B. Jugendamt, Sozialamt, Bundesagentur für Arbeit etc.).97

Nach Speck gehören Beratung und Begleitung von Schülern/innen zu den

Kernaufgaben von Schulsozialarbeit. Dies umfasst Einzelfallhilfe, Beratungsgespräche

bei sozialen, schulischen, persönlichen und beruflichen Problemen sowie Sprechzeiten

und Einzelförderung. Die Vermittlung in weiterführende Hilfen, die Speck nicht

explizit als eine Kernleistung der Schulsozialarbeit benennt, wird jedoch in Thüringen

zu diesen gezählt.98 Anhand von Untersuchungen verschiedener Landesprogramme in

Deutschland stellt Speck fest, dass Schulsozialarbeit ein komplexes Leistungsangebot

aus präventiven und intervenierenden Leistungen erfordert.99 Der Vergleich des

Thüringer Landesprogramms mit anderen Bundesländern zeigt in einigen

Leistungsbereichen klare Unterschiede. So ist die Gestaltung und Durchführung von

Freizeitangeboten in Thüringen nicht über das Landesprogramm vorgesehen. In

Ausnahmefällen können Freizeitangebote mit einer spezifischen Zielsetzung,

beispielweise der Bekanntmachung der Schulsozialarbeit oder dem Erreichen

bestimmter Zielgruppen, eingesetzt werden. Auch Deinet subsumiert Freizeit- und

Betreuungsangebote unter die wichtigsten Arbeitsbereiche von Schulsozialarbeit100.

Neben dem Anbieten von Freizeitaktivitäten sehen Landesprogramme anderer

95

Speck, Karsten (2009): S. 70. 96

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2014): S. 5. 97

ebenda: S. 5. 98

Speck (2009): S. 70. 99

Speck (2009): S. 69. 100

Deinet, Ulrich (2015): Schulsozialarbeit im Spannungsfeld von Schulstandort und Sozialraum. In: Bundeskongress Schulsozialarbeit – Kongressdokumentation. Dortmund, S. 40.

54 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

Bundesländer zum Teil auch die Durchführung von Exkursionen vor. Freizeitangebote

an Thüringer Schulen sind in Thüringen im Rahmen der schulbezogenen Jugendarbeit

förderfähig.

Der Kooperationsverbund Schulsozialarbeit nimmt Stellung zum Verhältnis von

Prävention und Einzelfallhilfe. Diese Aspekte sollten demnach in einem

ausgewogenen Verhältnis stehen.101 Der präventive Aspekt der Schulsozialarbeit wird

durch den Deutschen Verein um den Aspekt der niedrigschwelligen

sozialpädagogischen Hilfestellung ergänzt102. In wesentlichen Punkten bestehen

jedoch Gemeinsamkeiten zwischen den beschriebenen Leistungen und Angeboten

und dem Angebotsspektrum in Thüringen. Andernorts wird auch Begleitung von

Übergängen zwischen Schule und Beruf als Betätigungsfeld von Schulsozialarbeit

erachtet.103

101

Kooperationsverbund Schulsozialarbeit (2015): S. 7. 102

Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. (2014): Diskussionspapier des Deutschen Vereins zur Entwicklung und Verortung der Schulsozialarbeit. S. 9. 103

Deinet, Ulrich (2015): S. 40.

Leistungen der Schulsozialarbeit (outputs) 55

Abbildung 29 Bestandsanalyse und Schulsozialarbeiterbefragung: Entwicklung der Leistungen für einzelne junge Menschen

5,3

4,6

-0,8

-10,0 -5,0 0,0 5,0 10,0

Beratung von Schülern/innen

Einzelfallhilfe fürSchüler/innen

Tür-und-Angel-Gespräche mitSchülern/innen

Entwicklung der Leistungen 2014 zu 2015

Die Arbeit mit einzelnen jungen

Menschen beanspruchte 2015 in

Thüringen mit 45,3 % den

größten Anteil der gesamten

Leistungen der

Schulsozialarbeit. Dies

entspricht einer gesamten

Anzahl von 41.316 Fällen. Dieses

deckt sich mit den Angaben aus

der Befragung der

Schulsozialarbeiter/innen: Tür-

und-Angel-Gespräche mit

Schülern/innen, Beratungen und

Einzelfallhilfen zählen zu den am

häufigsten erbrachten Leistungen. Werden die einzelnen Angebote bezogen auf die

Zielgruppe im Jahresvergleich betrachtet, ist eine Verschiebung des Anteils der

Beratungen hin zu mehr Einzelfallhilfen sichtbar.

Jahr Einzelfallhilfen Beratung

absolute Angaben

in Prozent absolute Angaben

in Prozent

2013 3.967 16,3 % 6.940 28,8 %

2014 18.767 19,9 % 23.691 25,2 %

2015 20.087 22,0 % 21.229 23,3 %

Tabelle 5 Beratung und Einzelfallhilfen im Jahresvergleich

Im Jahr 2015 bilden Beratung

und Einzelfallhilfe einen

ähnlichen Anteil. Der Vergleich

zwischen den Befragungen der

Schulsozialarbeiter/innen der

Jahre 2014 und 2015

(Bestandsanalyse und

Wirkungsanalyse) verdeutlicht

einen Anstieg im Bereich der

Beratung von Schülern/innen

und der Einzelfallhilfe. Tür- und

Angel-Gespräche haben von

2014 zu 2015 um 0,8

45,3 % der Fälle sind Arbeit mit einzelnen

jungen Menschen.

23,3 % Beratung

22,0 % Einzelfallhilfen

52,0 % der Sitzungen sind

Arbeit mit einzelnen jungen Menschen.

18,6 % Beratung

33,4 % Einzelfallhilfen

Abbildung 28 Leistungen für einzelne junge Menschen (2015)

45,3 % der Fälle sind Arbeit mit einzelnen

jungen Menschen.

23,3 % Beratung

22,0 % Einzelfallhilfen

52,0 % der Sitzungen sind

Arbeit mit einzelnen jungen Menschen.

18,6 % Beratung

33,4 % Einzelfallhilfen

56 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

Prozentpunkte abgenommen.

Im Durchschnitt beansprucht in der Anfangsphase des Landesprogramms im Jahr

2013 ein Fall 1,6 Sitzungen. In den Jahren 2014 und 2015 waren durchschnittlich 1,8

Sitzungen pro Fall notwendig. Insgesamt entfallen 52,0 % der Sitzungen auf die Arbeit

mit einzelnen jungen Menschen. Das entspricht einer absoluten Anzahl von 78.813

Sitzungen. Dabei überwiegen Sitzungen für Einzelfallhilfen gegenüber Beratungen

(siehe Tabelle 6).

Jahr Einzelfallhilfen Beratung

absolute Angaben

in Prozent absolute Angaben

in Prozent

2015 50.630 33,4 % 28.183 18,6 %

Tabelle 6 Beratung und Einzelfallhilfen im Jahresvergleich nach Sitzungen

Die Betrachtung der Sitzungsanzahl pro Einzelfallhilfe nach Schularten macht

deutlich, dass Hilfen an Förder- und Regelschulen die meiste Zeit beanspruchen (2,9

bzw. 2,7 Sitzungen).

2015 Beratung Einzelfallhilfen104

Gemeinschaftsschulen 1,4 2,5

Grundschulen 1,1 2,2

Regelschulen 1,4 2,7

Gymnasien 1,4 2,4

Gesamtschulen 1,4 2,0

Förderschulen 1,4 2,9

Berufsbildende Schulen 1,3 2,5

Durchschnitt Thüringen 1,4 2,6 Tabelle 7 Durchschnittlich aufgewendete Sitzungen pro Fall nach Schulart in 2015

Die Befragung der Schulsozialarbeiter/innen ergab, dass das Erbringen von

Einzelfallhilfen und Beratungen abhängig von der Anzahl der Wochenstunden des/r

Schulsozialarbeiters/in ist. Weitere Einflussfaktoren sind die Anzahl der an der Schule

tätigen Schulsozialarbeiter/innen, die Durchführung gemeinsamer Weiterbildungen

mit Lehrkräften sowie die Beschäftigungskontinuität des sozialpädagogischen

Personals.

104

Der durchschnittliche Wert für Einzelfallhilfen müsste bei mindestens 3 liegen, da Einzelfallhilfen durch die Anzahl der Sitzungen von Beratungen unterschieden werden. Es ist zu vermuten, dass von den 3 Beratungen, die eine Einzelfallhilfe ergeben, nicht alle Sitzungstermine den Einzelfallhilfen zugeordnet wurden und dementsprechend ein Wert kleiner 3 entsteht.

Leistungen der Schulsozialarbeit (outputs) 57

Abbildung 30 Schulsozialarbeiterbefragung: Einflussfaktoren auf die Leistungen der Schulsozialarbeit für einzelne

junge Menschen (n=131-154)

Die Nutzung der angebotenen Leistungen macht deutlich, dass fast überall der/die

Schulsozialarbeiter/in als Ansprechpartner/in bei Problemen für die jungen Menschen

gesehen wird. Dies belegen die Befunde aus allen zugrundeliegenden Erhebungen.

Auch eine vermehrte Nutzung von Freizeitangeboten sei zu einem gewissen Anteil

durch die Schulsozialarbeit entstanden (40,4 %) so die Einschätzung der an der Schule

Tätigen.

5.2 Arbeit mit Schüler/innengruppen

Angebote für Schüler/innengruppen beziehen sich zum einen auf Angebote in und mit

Schulklassen und zum anderen auf Angebote für freie Gruppen. In und mit

Schulklassen findet sozialpädagogische Gruppenarbeit im Sinne von

Kompetenztrainings, Unterstützung von Lerngruppen mit gruppenpädagogischen

Methoden sowie Beratung und Vermittlung zwischen jungen Menschen und den im

Schulkontext tätigen Personen statt. Angebote für freie Gruppen sind vorwiegend im

Sinne von Präventionsangeboten zu sehen, beispielsweise zu Themen wie

Gesundheit, Sexualität, Medien oder Gewalt. Darüber hinaus gehören auch die Arbeit

mit Migranten/innen und die Beratung der Schüler/innenvertretung zu den Angeboten

für freie Gruppen. Voraussetzung für die Präventionsarbeit mit freien Gruppen ist eine

freiwillige Teilnahme. Die sozialpädagogische Gruppenarbeit (z. B. Projektarbeit,

Kompetenztrainings) gehört laut Speck ebenfalls zu den Kernleistungen der

Schulsozialarbeit.

Die Arbeit mit Schüler/innengruppen bzw. die sozialpädagogische Gruppenarbeit

beansprucht im Vergleich zur Arbeit mit einzelnen jungen Menschen einen geringeren

Einzelfallhilfen/ Beratungen

zwei oder mehr Schulsozialarbeit-er/innen an einer

Schule

30 bis 40 Wochenstunden einer

Fachkraft an einer Schule

gemeinsame Weiterbildungen für

Lehrkräfte und Schulsozialarbeit-er/in

nen

kein Personalwechsel in der Schulsozialarbeit

58 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

Abbildung 32 Bestandsanalyse und Schulsozialarbeiterbefragung: Entwicklung der Leistungen für Schüler/innengruppen

14,1

12,0

10,2

5,0

4,2

0,0 5,0 10,0 15,0 20,0

Gruppenangebote

Freizeitangebote

Schülersprecherarbeit

Projektarbeit

Streitschlichtung

Entwicklung der Leistungen 2014 zu 2015

Anteil der Arbeitsleistung der Sozialarbeiter/innen. 11,0 % der Fälle105 entfielen 2015

auf sozialpädagogische Gruppenarbeiten. Ausgehend von den Sitzungen entsprachen

14,5 % sozialpädagogischer Gruppenarbeit. Sowohl die Anteile der entsprechenden

Leistungen an allen Fällen als auch an allen Sitzungen sind seit Beginn des

Landesprogramms angestiegen. Durchschnittlich finden zwei Sitzungen pro

Gruppenarbeit statt.

Betrachtet man die Angebotsformen noch einmal genauer, so ist festzustellen, dass

neben den klassischen Gruppenangeboten auch Projekte, Streitschlichtung und

Integrationsarbeit mit Schülern/innen häufig wiederkehrende Bestandteile sind.

Abbildung 31 Schulsozialarbeiterbefragung: Leistungen bezogen auf Schüler/innengruppen (n=153-154)

Der Vergleich zwischen der Einschätzung der Schulsozialarbeiter/innen im Rahmen

der Bestandsanalyse (2014)

und der Wirkungsanalyse

(2015) verdeutlicht, dass aus

dieser subjektiven Perspektive

mehr Angebote etabliert

worden sind.

Die Häufigkeit der Angebote

für Schüler/innengruppen ist

von verschiedenen Faktoren

abhängig: Gruppenangebote

105

Im Rahmen der statistischen Erhebungen wurden Angebote der Gruppenarbeit analog zur Beratung in Fälle

(entspricht hier Angebot) und Sitzungen (entspricht hier Einheit/Treffen) unterteilt. Gemeint ist hier also die Anzahl der Angebote der Gruppenarbeit

0 20 40 60 80 100

Gruppenangebote

Projektarbeit

Schülersprecherarbeit

Integrationsarbeit mit Schülern/innen

Streitschlichtung

Freizeitangebote

21,6

15,6

11,7

11,0

7,8

6,5

49,7

40,9

17,5

26,6

39,2

21,4

23,5

28,6

26,0

38,3

40,5

29,9

4,6

11,7

27,9

22,1

11,8

18,2

0,7

3,2

16,9

1,9

0,7

24,0

in Prozent

sehr oft oft teils/teils selten nie

Leistungen der Schulsozialarbeit (outputs) 59

werden tendenziell häufiger durchgeführt, wenn die Schulsozialarbeiter/innen 30

Wochenstunden oder mehr an einer Schule tätig sind und kein Personalwechsel

stattgefunden hat. Außerdem scheinen gemeinsame Weiterbildungen mit den

Lehrkräften, schulspezifische Konzeptionen sowie das Zusammenwirken mehrerer

Schulsozialarbeiter/innen einen Einfluss zu haben, der sich durch ein vermehrtes

Angebot von Leistungen für Schüler/innengruppen ausdrückt.

Abbildung 33 Schulsozialarbeiterbefragung: Einflussfaktoren auf Gruppenangebote der Schulsozialarbeit (n=141-

153)

5.3 Krisenintervention

In Thüringen gehören Kriseninterventionen explizit zum Leistungsbereich der

Schulsozialarbeit. Konkret beinhalten diese Leistungen das Eingreifen in Krisen, die

Moderation von Interventionen sowie die Vermittlung in weiterführende Hilfen und

Fachdienste, sofern hierfür Notwendigkeit besteht (z. B. Sozialamt, Beratungsstellen,

Jugendamt, Integrationsamt, Bundesagentur für Arbeit).106

In der herangezogenen Literatur wird Krisenintervention nur teilweise als

Kernaufgabe der Schulsozialarbeit beschrieben, so beispielsweise in den Leitlinien für

Schulsozialarbeit des Kooperationsverbundes Schulsozialarbeit. 107 Einzelne

Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen oder Brandenburg benennen ebenfalls

Krisenintervention als Aufgabenfeld.

106

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2014): S. 5. 107

Kooperationsverbund Schulsozialarbeit (2015): S. 13 f.

Gruppen-angebote

zwei oder mehr Schulsozialar-

beiter/innen pro Schule (87,3 %)

30 bis 40 Wochen-stunden an einer Schule (76,1 %)

eine Schule pro Fachkraft (72,3 %)

kein Personal-wechsel in der

Schulsozialarbeit (77,4 %)

gemeinsame Weiterbildungen mit Lehrkräften

(80,6 %)

schulspezifische Konzeption

(76,0 %)

60 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

Der Anteil der Krisenintervention an den Leistungen der Schulsozialarbeit ist seit

Beginn des Thüringer Landesprogramms im Jahr 2013 kontinuierlich zurückgegangen.

2013 betrug dieser Anteil an der Gesamtfallanzahl 10,1 %, 2014 waren es 6,0 % und

2015 nur noch 4,6 %. Die Analyse der Statistiken macht deutlich, dass

Kriseninterventionen 2,7 % aller im Rahmen von Schulsozialarbeit erbrachten

Sitzungen auf sich vereinen (2015). Auch hier lässt sich ein Rückgang verzeichnen.

Diese Entwicklung bestätigen sowohl die Sachberichte der Jugendämter als auch die

Bestands- und Wirkungsanalyse. Aufschlussreich ist auch, dass knapp ein Drittel der

Schulsozialarbeiter/innen angeben, sehr oft bzw. oft Krisenintervention

durchzuführen. Das subjektive Empfinden weicht also von den tatsächlichen Fall- und

Sitzungszahlen ab. Nach Ansicht der an der Schule tätigen Personen begünstigen die

Anzahl der Schulsozialarbeiter/innen an der Schule, eine vorhandene Konzeption

sowie die Dauer der Tätigkeit an der Schule das Hinzuziehen der

Schulsozialarbeiter/innen zu Interventionen durch die an der Schule Tätigen.

Abbildung 34 Befragung an der Schule Tätige Einflussfaktoren auf die Interventionen (n=149-218)

108

5.4 Arbeit mit Eltern und Sorgeberechtigten

Eltern und Sorgeberechtigte109 sind, neben Schülern/innen, regelmäßige Zielgruppe

von Schulsozialarbeit. In der Thüringer Richtlinie der schulbezogenen

108

Die Prozentangaben beziehen sich auf die Zustimmungswerte zu den Aussagen „sehr oft“ und „oft“. 109

Die Begriffliche Unterscheidung zieht im weiteren Verlauf keine Konsequenzen nach sich: Eltern und Personensorgeberechtigte werden nicht separat betrachtet. Daher wird im Fortgang nur noch von Eltern gesprochen.

Die Schulsozialarbeit

wurde für Interventionen hinzugezogen

Anzahl

zwei oder mehr Schulsozialarbeiter/innen

82,4 %

Dauer

Schulsozialarbeit vor 2013

81,5 %

Schulsozialarbeitsähnliche Projekte vor 2013

82,8 %

Konzeption

schulspezifische Konzeption

82,8 %

Leistungen der Schulsozialarbeit (outputs) 61

Jugendsozialarbeit findet daher gleichermaßen eine Zielsteuerung in Bezug auf

Lehrkräfte und Eltern statt.110 Die fachlichen Empfehlungen des Landes Thüringen

definierten hinsichtlich der Leistungen in Bezug auf die Eltern fünf Leistungsbereiche:

Beratung von Eltern und Sorgeberechtigten bei schulbezogenen

Schwierigkeiten der Kinder sowie bei Erziehungs- und Lebensfragen,

Beratung und Vermittlung bei Problemlagen zwischen Eltern bzw. jungen

Menschen und der im Schulkontext tätigen Personen,

Beratung und Unterstützung der Elternvertretung,

Durchführung von Gruppenangeboten für und mit Eltern und

Sorgeberechtigten und

Vermittlung in weiterführende Hilfen und Fachdienste (z. B. Beratungsstellen,

Sozialamt, Jugendamt, Bundesagentur für Arbeit, Integrationsamt).111

Andere Bundesländer sowie einschlägige Fachliteratur benennen die Beratung von

Eltern gleichermaßen als einen Leistungsbereich der Schulsozialarbeit. In Hamburg

umfasst die Elternarbeit offene Sprechstunden, gegebenenfalls Hausbesuche sowie

Einzelgespräche.112 Ähnlich beschreiben dies auch andere Städte und Länder, wie

beispielsweise Potsdam.113

Die Arbeit mit Eltern beansprucht mit 8,4 % einen relativ geringen Anteil der

Gesamtfallanzahl. Dabei lässt sich ein leichter Anstieg der Fallhäufigkeit seit Beginn

des Landesprogramms verzeichnen. Diese Tendenz bestätigt sich auch anhand der

Sachberichte. Die Betrachtung nach Sitzung ergibt, dass die Arbeit mit Eltern 5,9 %

der Gesamtsitzungsanzahl beansprucht. Laut der Befragung aus dem Jahre 2015

beraten knapp die Hälfte der befragten Schulsozialarbeiter/innen Eltern. Ferner gehen

über 90 % der Befragten davon aus, dass Eltern eine/n Ansprechpartner/in bei

Problemen mit ihrem/n Kind/ern durch sie haben. Zudem sind auch 86 % der

befragten an der Schule tätigen Personen wie Lehrer/innen hiervon überzeugt. Jedoch

ist eine enge Kooperation mit den Elternvertretungen nur bei einem geringen Anteil

der Schulsozialarbeiter/innen vorzufinden. Insgesamt ist für die Arbeit mit Eltern die

Personalausstattung ausschlaggebend. Dieses Ergebnis wird vor allem durch die

Einschätzung der an der Schule tätigen Personen bestätigt.

110

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2016): S. 1. 111

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2014): S. 6. 112

Freie und Hansestadt Hamburg (2013): Rahmenvereinbarung: Regionale Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe für die Bildung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit besonders herausforderndem Verhalten. Hamburg, S. 4 ff. 113

Landeshauptstadt Potsdam (2015): Gesamtkonzept – Schule Jugendhilfe. Potsdam, S 52.

62 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

5.5 Arbeit mit im Schulkontext Tätigen

Die Zielgruppe der im Schulkontext tätigen Personen umfasst die Schulleiter/innen,

die Lehrer/innen und alle weiteren Personen, wie beispielsweise

Beratungslehrer/innen, Berufsberater/innen oder Integrationsbegleiter/innen. Beim

Einbeziehen anderer Quellen wird deutlich, dass Lehrer/innen häufig als Zielgruppe

benannt werden. In Thüringen umfassen die entsprechenden Leistungen folgende

Tätigkeiten:

Kooperation mit der Schulleitung und den im Schulkontext tätigen Personen

(Schulentwicklung),

Beratung und Unterstützung bei schulbezogenen Fragen und

Mitarbeit in schulischen Gremien.114

Die Mitwirkung in schulischen Gremien und die Zusammenarbeit mit Lehrkräften ist

eine Kernleistung der Schulsozialarbeit115. Die obengenannten Tätigkeiten Thüringer

Schulsozialarbeiter/innen sind mit denen anderer Bundesländer und den

Beschreibungen in der Fachliteratur insgesamt vergleichbar. Eine Besonderheit der

Thüringer Regularien ist die Berücksichtigung anderer Berufs- bzw. Statusgruppen

zusätzlich zum Lehrpersonal als designierte Adressaten/innen der Leistungen.

Aus der Statistik der Schulsozialarbeit in Thüringen geht hervor, dass 2015 ein Fünftel

der erbrachten Fälle auf Leistungen und Angebote entfielen, die sich an in der Schule

tätige Personen richten. Davon entfallen wiederum der Großteil der Fälle (16,8 %) auf

die Arbeit mit Lehrern/innen und der geringste Anteil mit sonderpädagogischen

Fachkräften (3,2 %). Über die Jahre 2013 bis 2015 sind dabei nur geringe

Veränderungen sichtbar. Interessant erscheint hierbei die Betrachtung nach

Schularten. Die Arbeit mit Lehrern/innen nimmt an Gymnasien einen höheren

Stellenwert ein als an anderen Schularten. Die Betrachtung der oben genannten

Leistungen nach den durchgeführten Sitzungen ergibt ein ähnliches Bild. So entfallen

16,5 % der Sitzungen auf die Beratung/Unterstützung von an der Schule tätigen

Personen. Auffällig ist, dass die Anzahl der Sitzungen pro Fall seit dem Jahr 2013

kontinuierlich angestiegen ist. Die Gremienarbeit ist in Bezug auf deren Häufigkeit

von 2013 bis 2015 leicht angestiegen (2013: 7,3 %; 2014: 8,4 %; 2015: 9,1 %).

Nach Einschätzung der befragten Schulsozialarbeiter/innen ist die Kooperation mit

internen Partnern das bedeutsamste Betätigungsfeld. Aus Sicht der an der Schule

tätigen Personen steht die Kooperation und gemeinsame Arbeit mit

Schulsozialarbeitern/innen ebenfalls im Fokus der Zusammenarbeit. Kooperationen

finden in Form gemeinsamer Absprachen über Schüler/innen bei Problemlagen und

114

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2014): S. 6. 115

Speck (2009): S. 70 f.

Leistungen der Schulsozialarbeit (outputs) 63

der Einbeziehung/Hinzuziehung der Schulsozialarbeiter/innen zu Projekten sowie

Arbeitsgemeinschaften statt. Die Beratung von Lehrern/innen nimmt gegenüber der

Arbeit mit sonderpädagogischen Fachkräften einen höheren Anteil ein. Dies

entspricht im Wesentlichen auch dem an den Schulen vorzufindenden Verhältnis von

Lehrer/innen und sonderpädagogischen Fachkräften. Ferner ist knapp die Hälfte der

Schulsozialarbeiter/innen nach eigener Einschätzung in schulische Gremien

eingebunden.

Ein Einflussfaktor auf eine stärker ausgeprägte Kooperation zwischen

Schulsozialarbeitern/innen und an der Schule tätigen Personen ist die gemeinsame

Teilnahme an Weiterbildungen. Aber auch Personalkontinuität trägt zur besseren

schulinternen Kooperation, vermehrten Beratung von Lehren/innen durch

Schulsozialarbeiter/innen sowie ausgeprägten Einbeziehung in schulinterne Gremien

bei. Aus der Befragung der an der Schule tätigen Personen geht außerdem hervor,

dass das Leistungsspektrum der Schulsozialarbeiter/innen dann vermehrt diese

Angebote vorsieht, wenn zwei

oder mehr Schulsozialarbeiter/innen an der Schule tätig sind. Innerhalb der

durchgeführten Vor-Ort-Besuche wurden als begünstigende Faktoren einer guten

Zusammenarbeit innerhalb der Schule auch die Einbindung in Dienstberatungen,

Möglichkeiten der Reflexion oder auch regelmäßige Absprachen (monatlich) benannt.

Die Zusammenarbeit zwischen Schulsozialarbeitern/innen und Lehrern/innen wird

insgesamt als gewinnbringend eingeschätzt. Durch bestehende Kooperationen (z. B.

gemeinsame Projekte, Hospitationen, Besprechungen) wird die Einbindung der

Schulsozialarbeiter/innen in den Schulalltag begünstigt.

5.6 Zusammenarbeit mit Partnern/innen in der Bildungslandschaft

Für eine gelingende Vernetzung und Einbindung in den Sozialraum ist die

Zusammenarbeit mit den verschiedenen Partnern/innen der Bildungslandschaft

unabdingbar. Die fachlichen Empfehlungen Thüringens umfassen diesbezüglich

folgende Aktivitäten:

Mitarbeit in Gremien,

Sozialraum-, Gemeinwesen- und Stadtteilarbeit,

Vernetzung schulischer Angebote mit Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe,

Vernetzung und Kooperation mit externen Institutionen.116

Der Deutsche Verein und Speck legen jeweils in ihren Ausführungen dar, dass die

Einbettung in sozialräumliche Netzwerke und kommunale Bildungslandschaften

sowie die Zusammenarbeit und Vernetzung mit dem Gemeinwesen zum

116

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2014): S. 6.

64 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

Abbildung 35 Bestandsanalyse und Schulsozialarbeiterbefragung: Entwicklung der Zusammenarbeit mit Partnern in der Bildungslandschaft

0 10 20

Kooperation mit externenPartnern/innen

Aufbau eines regionalenNetzwerkes

17,9

10,6

Prozentpunkte

Entwicklung der Leistungen 2014 zu 2015

Abbildung 36 Bestandsanalyse und Schulsozialarbeiterbefragung: Entwicklung der Kooperationen mit Partnern in der Bildungslandschaft

0 5 10 15 20

Einrichtungen der Kinder undJugendarbeit

Beratungsstellen

Fachdienste (z.B.Schulpsychologischer Dienst)

Jugendamt

Vereine und Verbände imStadtteil

20,0

18,2

15,8

12,3

12,2

Prozentpunkte

Entwicklung der Leistungen 2014 zu 2015

Angebotsspektrum der Schulsozialarbeit zu zählen sind. 117 118 Einzelne Bundesländer

oder Städte, wie Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen oder Potsdam äußern sich

ebenfalls im Sinne der Notwendigkeit von außerschulischen Kooperationen und

sozialräumlicher Vernetzung. 119 120 121

In Thüringen kooperieren die Schulsozialarbeiter/innen am häufigsten mit

Einrichtungen der Kinder- und

Jugendarbeit (61,2 %), mit dem

Jugendamt (61,0 %) sowie mit

Beratungsstellen (42,5 %). Die

Ergebnisse der Vor-Ort-

Besuche zeigen, dass

Kooperationen mit dem

Jugendamt (insbesondere mit

dem Allgemeinen Sozialen

Dienst (ASD)) vorwiegend im

Rahmen von Einzelfallhilfen

stattfinden.

Nach Einschätzung der Schulsozialarbeiter/innen lässt sich eine Intensivierung der

Kooperationen mit externen Partnern/innen sowie des Aufbaus eines regionalen

Netzwerkes im Verlauf der

Jahre 2014 zu 2015 beobachten.

Insgesamt geben 2015 über

zwei Drittel der

Schulsozialarbeiter/innen an,

sehr oft bis oft mit

schulexternen Partnern/innen

zu kooperieren (68,6 %). Eher

selten arbeiten die

Schulsozialarbeiter/innen mit

Vereinen und Verbänden aus

dem Stadtteil, der Agentur für

Arbeit oder potenziellen

Arbeitgebern/innen zusammen.

Bei der Betrachtung der

117

Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. (2014): S. 9. 118

Speck (2009): S. 71. 119

Ministerium für Bildung und Wissenschaft Schleswig-Holstein (2014): S. 9. 120

Landesfachgruppe Schulsozialarbeit (2006): Rahmenrichtlinie des Deutschen Berufsverbandes für Soziale Arbeit. Landesverband Nordrhein-Westfalen. Paderborn, S. 7 ff. 121

Landeshauptstadt Potsdam (2015): S. 52.

Leistungen der Schulsozialarbeit (outputs) 65

Entwicklung fällt auf, dass nach Einschätzung der Schulsozialarbeiter/innen vor allem

Kooperationen mit Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit an Bedeutung

gewonnen haben. Aber auch Beratungsstellen, Fachdienste, Jugendämter sowie

Vereine und Verbände im Stadtteil werden häufiger für die gemeinsame

Zusammenarbeit herangezogen.

Dabei ist zu beachten, dass Berufsorientierung und Berufsvorbereitung kein

intendiertes Ziel der Schulsozialarbeit in Thüringen darstellen. Auf die Kooperation

der Schulsozialarbeiter/innen mit der Bundesagentur für Arbeit hat der Schultyp einen

Einfluss. Es zeigt sich, dass vor allem Schulsozialarbeiter/innen an

Berufsbildungszentren über einen engen Kontakt zur Agentur für Arbeit verfügen.

Begünstigt wird eine Kooperation mit externen Partnern/innen durch folgende

Einflussfaktoren:

Besuch gemeinsamer Weiterbildungen von Lehrkräften und

Schulsozialarbeiter/innen,

personelle Kontinuität der Sozialpädagogen/innen,

Wochenarbeitszeiten von 30 oder mehr Stunden pro Schule,

Anzahl der an einer Schule tätigen Schulsozialarbeiter/innen.

Der Aufbau regionaler Netzwerke sowie die Öffentlichkeitsarbeit nehmen einen eher

geringen Raum im Rahmen der Tätigkeiten der Schulsozialarbeiter/innen ein.

66 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

6 W I R K U N G E N V O N S C H U L S O Z I A L A R B E I T ( O U T C O M E S )

Outcomes stellen die Wirkungen der Schulsozialarbeit auf der Ebene ihrer

Zielgruppen dar. Im Fachdiskurs werden drei Zielgruppen für Schulsozialarbeit

identifiziert. 122 Junge Menschen (Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene),

Personensorgeberechtigte (Eltern, Familien) und weitere im Schulkontext tätige

Personen (Lehrkräfte, pädagogische Fachkräfte). Ferner zielt Schulsozialarbeit auf die

Entwicklung der Institution Schule sowie des schulischen Umfeldes, weshalb auch für

die Schule in ihrer Gesamtheit Wirkungsziele definiert sind.123

Abbildung 37 Akteure und Wirkungslinien von Schulsozialarbeit (eigene Darstellung)

Auch bei der Betrachtung der Outcomes müssen sich Zieldefinition und

Zielerreichung gegenüberstehen. Die Zieldefinition umfasst den Soll-Zustand, die

spezifischen Wirkungsziele der Schulsozialarbeit. Zielerreichung stellt den Ist-Zustand

dar, also die – im Sinne des Soll-Zustands – veränderten Fähigkeiten, Fertigkeiten und

(Handlungs-) Kompetenzen der Zielgruppe(n). Von Wirkungen kann dann gesprochen

werden, wenn sich im Ist-Zustand die Merkmale des Soll-Zustands wiederfinden. Wird

zum Beispiel als Soll-Zustand definiert, dass Kinder und Jugendliche fähig sein sollen,

ihre individuellen Problemlagen besser zu bearbeiten, so kann dann von einer

Wirkung (durch die Schulsozialarbeit) gesprochen werden, wenn beobachtbare

122

Speck (2009): S. 53 f. 123

ebenda: S. 121.

Wirkungen von Schulsozialarbeit (outcomes) 67

Veränderungen bezüglich der Problembewältigungsfähigkeit von Kindern und

Jugendlichen zu erkennen sind/eintreten.

Inwiefern die Schulsozialarbeit in Thüringen im eigentlichen Sinne wirkt, es also auf

der individuellen Ebene der Kinder und Jugendlichen zu Veränderungen kommt, kann

auf der Grundlage der vorliegenden Untersuchung nur im Ansatz geschlossen werden.

Dies liegt vor allem daran, dass die Hauptzielgruppe selbst bisher nicht befragt

worden ist. Vielmehr muss sich auf die Einschätzungen der handelnden

professionellen Akteure beschränkt werden. Beispielsweise beschreiben die befragten

Schulsozialarbeiter/innen, dass sie Verbesserungen der Sozialkompetenzen bei

Schülern/innen, mit denen sie arbeiten, erkennen können. Abgebildet wird mit dieser

Aussage allerdings nur die Beobachtung der Schulsozialarbeiter/innen und nicht ein

tatsächlicher Kompetenzzuwachs bei den Schülern/innen. Daher können auch nur

Aussagen hinsichtlich dieser Beobachtungen getroffen werden. Für diese Evaluation

wurden Erhebungen bei unterschiedlichen Akteuren durchgeführt, die jeweils ihren

besonderen Blick auf die Entwicklungen der Kompetenzen, Fähigkeiten und

Fertigkeiten der Kinder und Jugendlichen haben. Immer dann, wenn die Ergebnisse

zwischen den Akteuren korrelieren, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass hier

entsprechende Wirkungen zu erkennen sind.

Im weiteren Verlauf werden, je nach Zielgruppe, zunächst die definierten

Wirkungsziele des Thüringer Landesprogramms dargestellt und anschließend

diskutiert ob im Hinblick auf diese Ziele, Veränderungen in der jeweiligen Praxis

beobachtbar sind. Ergänzend werden die Wirkungsziele in Thüringen ins Verhältnis zu

Wirkungszielen anderer Bundesländer gesetzt.

6.1 Kinder- und Jugendliche

Die im Thüringer Landesprogramm und den entsprechenden Empfehlungen

beschriebenen Ziele der Schulsozialarbeit bezogen auf die Kinder und Jugendlichen

lassen sich primär den beiden Kompetenzbereichen Sozialkompetenz und

Selbstkompetenz zuordnen. Die Grundsätze zur Förderung an öffentlichen Schulen

aus Baden-Württemberg 124 , die fachlichen Empfehlungen aus Mecklenburg-

Vorpommern125 und auch das Förderprogramm „Schulerfolg sichern“ aus Sachsen-

Anhalt 126 beinhalten eine stärkere Fokussierung auf die Stabilisierung des

Schulerfolgs.. Der Freistaat Bayern konzentriert sich in seinen Wirkungsabsichten

auch auf die Integration von Jugendlichen, die durch Aggressivität und

Gewaltbereitschaft auffallen sowie auf die Integration von jungen Menschen mit

124

Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg (2016): S. 1. 125

Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Mecklenburg-Vorpommern (2009): S. 3. 126

Land Sachsen-Anhalt (2014): S. 1.

68 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

Migrationshintergrund.127 Im Bundesvergleich zeigen sich weitere Ziele, die mit Hilfe

der Schulsozialarbeit angestrebt werden. Diese lassen bisweilen einen bewusst

präventiveren Ansatz erkennen. An anderer Stelle finden sich auch deutlichere

Bildungsbezüge, die Fokussierung von Zu- und Übergängen zu bzw. zwischen

unterschiedlichen (Aus)Bildungssystemen sowie das Thema Gesundheitsförderung.128

Folgt man den gängigen Kompetenzmodellen, so könnte man vereinfacht davon

sprechen, dass in der Schule die verschiedenen Professionen mit unterschiedlichen

Schwerpunktsetzungen (Blickrichtungen) auf die Kompetenzentwicklung der Kinder

und Jugendlichen schauen.

Aufschluss über die zugeschriebenen Zuständigkeiten hinsichtlich der Herausbildung

bestimmter Kompetenzbereiche geben die 2015 durchgeführten Befragungen.

Erkennbar ist, dass den Schulsozialarbeitern/innen Verantwortung vor allem im

Bereich der Sozial- und Selbstkompetenzherausbildung zugeschrieben wird. Inverses

gilt für die Förderung von Sach- und Methodenkompetenzen. Diese werden eher dem

Lehrpersonal zugeschrieben. Die Zuschreibungen decken sich dabei durchaus mit den

oben diskutierten Wirkungszielen von Schulsozialarbeit in Thüringen. Einzig die

Zuordnungen der an der Schule Tätigen weichen sowohl in der Sozial- als auch in der

Selbstkompetenz deutlich ab.

127

Bayrisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen (2012): S. 2. 128

Kooperationsverbund Schulsozialarbeit (2015): S. 11 f.

Sachkompetenz

Selbstkompetenz

Soziale Kompetenz

Methodenkompetenz

Schulsozialarbeit

Schule

Abbildung 38 Kompetenzmodell

Wirkungen von Schulsozialarbeit (outcomes) 69

Abbildung 39 Kompetenzzuschreibungen der verschieden Akteure (Zusammenstellung aus den verschiedenen

Befragungen) (n=41-251)

Im Folgenden sollen nun die Sozial- und Selbstkompetenz als Schwerpunkte der

Schulsozialarbeit näher betrachtet werden.

0 20 40 60 80 100

Schulsozialarbeiter/innen

an der Schule Tätige

Trägervertreter

Schulsozialarbeiter/innen

an der Schule Tätige

Trägervertreter

Schulsozialarbeiter/innen

an der Schule Tätige

Trägervertreter

Schulsozialarbeiter/innen

an der Schule Tätige

Trägervertreter

Sac

hko

mp

ete

nz

Met

ho

den

kom

pe

ten

zS

ozi

alko

mp

eten

zS

elb

stko

mp

ete

nz

87,7

90,8

78,1

61,1

74,0

51,2

8,4

0,6

12,4

12,3

8,4

19,5

37,0

24,0

43,9

35,7

75,2

43,9

39,0

77,1

51,2

0,8

2,4

1,9

2,0

4,9

64,3

16,4

56,1

60,4

10,4

48,8

Prozent

(eher) Lehrpersonal gleichermaßen (eher) Schulsozialarbeiter/innen

70 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

6.1.1 Förderung von Sozialkompetenz

Soziale Kompetenzen sind Kenntnisse und Fähigkeiten, die dazu dienen, im Umgang

mit anderen Menschen adäquat zu handeln. Dazu gehören insbesondere

Kooperationsfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit und Konfliktfähigkeit.129

Insgesamt beobachten die Akteure in Thüringen eine Verbesserung sozialer

Kompetenzen. Die Analyse zeigt, dass sowohl Träger als auch an der Schule Tätige

sowie die Schulsozialarbeiter/innen selbst Verbesserungen in den folgenden

Bereichen erkennen:

verbesserte Kommunikation,

verbessertes Konfliktverhalten,

verbessertes Sozialverhalten.

Die sozialpädagogischen Fachkräfte geben Veränderungen bezüglich der

Kommunikationsfähigkeit der Schüler/innen an. Diese werden bei der Kommunikation

untereinander, z. B. in den Pausen, im Klassenverband sowie bei Gruppen- oder

Projektarbeiten, erkannt. Gleiches gilt im Hinblick auf die Beziehung zwischen den

Schülern/innen und Lehrkräften.

Ähnliche Beobachtungen zeigen sich im Bereich des Konfliktverhaltens. Die

sozialpädagogischen Fachkräfte wie auch die an der Schule tätigen Personen führen

Verbesserungen des Konfliktverhaltens auf die Schulsozialarbeit zurück. Nach diesen

Einschätzungen sind junge Menschen an Thüringer Schulen eher in der Lage,

Konfliktsituationen untereinander sowie mit Lehrern/innen, Eltern und

Erziehungsberechtigten adäquat zu lösen. Der Einfluss der Schulsozialarbeit auf

Konflikte zwischen Schülern/innen und Lehrkräften wird jedoch weniger ausgeprägt

eingeschätzt als auf Konflikte zwischen den Schülern/innen selbst.

Verbesserung befinden die Befragten im Zuge des Landesprogramms auch mit Blick

auf das Sozialverhalten an Thüringer Schulen. Nach Einschätzung der Fachkräfte und

Träger ist diese Entwicklung insbesondere am toleranteren Umgang der

Schüler/innen untereinander zu beobachten. Im Zusammenhang damit wird

außerdem eine Verminderung der Ausgrenzung von Individuen und Gruppen erkannt.

129

Orth, H. (1999). Schlüsselqualifikationen an deutschen Hochschulen. Konzepte, Standpunkte und Perspektiven. Neuwied.

Wirkungen von Schulsozialarbeit (outcomes) 71

Abbildung 40 Schulsozialarbeiterbefragung: Häufigkeitsverteilung der sozialen Kompetenzen (n=134-148)

Die Verbesserung der beschriebenen sozialen Kompetenzen ist insbesondere dann

durch die Befragten zu beobachten, wenn bestimmte Bedingungen gegeben sind. So

wird die Kommunikation zwischen Schülern/innen und Lehrpersonal besser

eingeschätzt, je länger Schulsozialarbeit an einer Schule integriert ist.

Dementsprechend wirkt sich eine langfristige Integration der Schulsozialarbeit

scheinbar positiv auf die kommunikativen Umgangsformen der Schüler/innen

untereinander aus. Gleiches gilt für die langfristige Beschäftigung

sozialpädagogischer Fachkräfte. Auch wird ein verändertes Konfliktverhalten

zwischen Schülern/innen und Lehrern/innen eher beschrieben, wenn personelle

Kontinuität besteht. Gleiches gilt für die Anzahl der an der Schule beschäftigten

sozialpädagogischen Fachkräfte. Je mehr Schulsozialarbeiter/innen an einer Schule

tätig sind, desto eher erfolgen Einschätzungen hinsichtlich der Verbesserung im

Bereich der Sozialkompetenzen. Dementsprechend scheint die Beschäftigung

mehrerer sozialpädagogischer Fachkräfte an einer Schule im Hinblick auf die

Entwicklung sozialer Kompetenzen förderlich zu sein. Neben den beschriebenen

Bedingungen gibt es weitere Variablen, die eine Kompetenzförderung begünstigen.

0 20 40 60 80 100

Bei den Schülern/innen, mit denen ich gearbeitethabe, sind Verbesserungen im Bereich der

Sozialkompetenz zu beobachten.

Die Kommunikation unter den Schüler/innen hatsich verbessert.

Die Konflikte unter den Schüler/innen haben sichverringert.

Die Kommunikation zwischen den Lehrer/innenund den Schüler/innen hat sich verbessert.

Die Konflikte zwischen den Schüler/innen undden Lehrer/innen haben sich verringert.

29,1

10,1

9,0

6,2

5,6

52,7

49,3

34,3

33,1

32,5

17,6

35,5

47,8

49,2

44,4

0,7

5,1

9,0

10,0

15,9

1,5

1,6

Prozent

stimme voll zu stimme eher zu teils/teils stimme eher nicht zu stimme gar nicht zu

72 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

Abbildung 41 Einflussfaktoren auf die Förderung von Sozialkompetenzförderung

Weiterhin ist davon auszugehen, dass das Zusammenwirken der beschriebenen

sozialen Kompetenzen das Klima an Thüringer Schulen positiv beeinflusst. Wie

gezeigt, beobachten die Akteure Veränderungen in diesem Kompetenzbereich. Wenn

Schulsozialarbeit hier in entsprechender Weise wirksam ist, lässt sich vermuten, dass

sie die Entwicklung junger Menschen zu gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten

begünstigt.

6.1.2 Förderung der Selbstkompetenz

Selbstkompetenzen sind Fähigkeiten und Einstellungen, die sich auf das individuelle

Handeln beziehen. Dazu zählen Lernbereitschaft, Engagement oder die Fähigkeit,

Probleme zu lösen. Durch Schulsozialarbeit ließen sich Selbstkompetenzen fördern,

wenn Schüler/innen nach einer Beratung oder der Wahrnehmung einer anderen

individuellen Hilfeleistung beispielweise in der Lage sind, ihre schulischen oder

familiären Probleme eher oder besser eigenständig zu bearbeiten.

Die sozialpädagogischen Fachkräfte, die an der Schule tätigen Personen und die

Träger der Schulsozialarbeit beobachten Verbesserungen im Bereich der

Selbstkompetenzen. Argumentiert wird dies insbesondere mit dem eigenständigen

Erarbeiten von Problemlösungen. Auch erkennen die Befragten Einflüsse von

Beratungen und Einzelfallhilfen. Schüler/innen konnten auf dieser Grundlage

schulische Probleme besser eigenständig bearbeiten. Ähnliches zeigt sich auch

hinsichtlich der familiären Ebene. Die Akteure erkennen Verbesserungen hinsichtlich

der Fähigkeiten junger Menschen, innerfamiliäre Probleme eigenständig zu

bearbeiten. In diesem Sinne ist es denkbar, dass Schulsozialarbeit in Thüringen die

Selbsthilfepotenziale ihrer Adressaten/innen fördert.

Beobachtete Veränderung

sozialer Kompetenzen

Anzahl der Personalwechsel im

Bereich der Schulsozialarbeit

Lanfristige Intgration der

Schulsoaziarbeit an den Schulen

Anzahl gemeinsamer Weiterbildungen von

Schulsoziaarbeitern/innen und Lehrkräften

Anzahl der an der Schule beschäftigten

Schulsozialarbeiter/innen

Vorliegen einer schulspezifischen

Konzeption

Wirkungen von Schulsozialarbeit (outcomes) 73

Abbildung 42 Schulsozialarbeiterbefragung: Wirkungen im Bereich der Selbstkompetenzen (n=142-148)

In Bezug auf die familiären und schulischen Beziehungen werden auch positive

Veränderungen des Kritikverhaltens junger Menschen beobachtet. Durch

Schulsozialarbeit scheint ein Teil der Schüler/innen eher in der Lage zu sein, mit Kritik

umzugehen, was als Aspekt der Persönlichkeitsentwicklung interpretierbar ist. Als

Effekt erweiterter Selbstkompetenzen könnte auch der Selbstschutz vor

gefährdenden Einflüssen gewertet werden. Die Schulsozialarbeit ist diesbezüglich vor

allem mittels präventiver Einzelgespräche und Gruppenangebote aktiv, welche

Thematiken wie Substanzmissbrauch, Medien, Gewalt und Mobbing behandeln. Dies

macht vor allem die Auswertung der Sachberichte der Jahre 2013 bis 2015 deutlich.

Eine detaillierte Betrachtung der Einschätzungen hinsichtlich der positiven

Selbstkompetenzveränderungen macht deutlich, dass diese von einigen

0 20 40 60 80 100

Bei den Schüler/innen, mit denen ich gearbeitet habe,sind Verbesserungen im Bereich der

Selbstkompetenz zu beobachten.

Die Schüler/innen, die Beratungen/Einzelfallhilfen inAnspruch genommen haben, konnten ihre

schulischen Probleme besser eigenständig bearbeiten

Die Schüler/innen, die Beratungen/Einzelfallhilfen inAnspruch genommen haben, konnten ihre familiären

Probleme besser eigenständig bearbeiten.

26,4

17,9

10,6

52,7

47,6

48,6

20,9

33,8

34,5 6,3

0,7

Prozent

stimme voll zu stimme eher zu teils/teils stimme eher nicht zu stimme gar nicht zu

Beobachtete Förderung von Selbstkomptenz

personelle Kontinuität in der Schulsozialarbeit

vorliegen einer schulspezifischen Konzeption

Abbildung 43 Einflussfaktoren auf die Förderung von Selbstkompetenz

74 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

Einflussfaktoren begünstigt werden. Das Vorhandensein einer schulspezifischen

Konzeption ist hierzu zu zählen. Die personelle Kontinuität in der Schulsozialarbeit an

den jeweiligen Schulen ist ebenfalls günstig.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die verschiedenen befragten

Akteure im Wesentlichen in ihren Beurteilungen über die beobachtbaren Wirkungen

der Schulsozialarbeit in den Kompetenzbereichen übereinstimmen.

Abbildung 44 Beobachtete Wirkungen der Akteure aus den Befragungen (n=35-227)

6.2 Eltern

Ziel und Anspruch des Förderprogrammes ist es, Leistung der Schulsozialarbeit zu

fördern, welche sich gleichermaßen an junge Menschen wie auch an deren

Familien/Eltern richten. Erkennbar ist hier eine ganzheitliche, systemische

Betrachtungsweise des einzelnen Individuums, welche der Sozialen Arbeit und damit

auch der Schulsozialarbeit inhärent ist. Diese Ansprüche finden sich auch in den

zugehörigen fachlichen Empfehlungen. Schulsozialarbeit soll in diesem Sinne dazu

beitragen, Eltern in ihren Erziehungskompetenzen zu stärken, das System Familie

insgesamt zu fördern bzw. funktionaler zu machen, um so dem allgemeinen Anspruch

0 20 40 60 80 100

Schulsozialarbeiter/innen

an der Schule Tätige

Trägervertreter

Schulsozialarbeiter/innen

an der Schule Tätige

Trägervertreter

Schulsozialarbeiter/innen

an der Schule Tätige

Trägervertreter

Met

ho

den

kom

pe

ten

zS

ozi

alko

mp

eten

zS

elb

stko

mp

ete

nz

22,0

29,6

37,2

81,8

73,2

92,1

79,1

73,2

83,8

60,6

51,3

45,7

17,6

24,6

7,9

20,9

25,5

16,2

17,3

19,1

17,1

0,7

2,2

1,4

Prozent

stimme voll/eher zu teils/teils stimme eher/gar nicht zu

Wirkungen von Schulsozialarbeit (outcomes) 75

der Kinder- und Jugendhilfe, junge Menschen bei der Entwicklung zu

eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu unterstützen,

gerecht zu werden. Zudem soll erreicht werden, dass Eltern an schulischen Prozessen

partizipieren. Diese für Thüringen definierten Ziele sind deckungsgleich mit denen

anderer Bundesländer.

Bezüglich der elterlichen Partizipation am schulischen Geschehen sowie der

Verringerung krisenhafter Erfahrungen durch Beratung und andere Interventionen der

Schulsozialarbeit können auf der Wirkungsebene für Thüringen bisher nur wenig

konkrete Aussagen getroffen werden. Dies ist vor allem auf das bisherige Auslassen

der Eltern als Untersuchungsgruppe zurückzuführen. Wie im Laufe des

vorangegangenen Kapitels deutlich geworden ist, beanspruchen Angebote und

Leistungen, welche sich dezidiert an Eltern richten, einen vergleichsweise geringen

Anteil an den Gesamttätigkeiten der Schulsozialarbeiter/innen. Dies sagt jedoch

nichts darüber aus, inwieweit die oben dargestellten Ziele erreicht oder verfehlt

worden sind. Jedoch ist durchaus erkennbar, dass Eltern als Zielgruppe nicht im

Mittelpunkt der schulsozialarbeiterischen Aktivitäten stehen.

Dies spiegeln auch die durch die verschiedenen Akteure beobachteten

Kommunikationsverbesserungen zwischen Eltern und Lehrern/innen wieder. Große

Übereinstimmung gibt es zwischen den Befragtengruppen darin, dass den Eltern bei

Problemen ein/e Ansprechpartner/in zur Verfügung steht.

Abbildung 45 Wirkungen der Schulsozialarbeit – Eltern (n=9-227)

0 20 40 60 80 100

Schulsozialarbeiter/innen

an der Schule Tätige

Trägervertreter

Schulsozialarbeiter/innen

an der Schule Tätige

Trägervertreter

Die

Elt

ern

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93,0

86,3

87,5

23,4

28,5

30,0

6,3

11,0

12,5

59,8

52,5

60,0

0,7

2,7

16,8

19,0

10,0

Prozent

stimme voll/eher zu teils/teils stimme eher/gar nicht zu

76 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

6.3 Institution Schule

Die Entfaltung sozialpädagogischer Sicht- und Handlungsweisen an der Schule stellt

in Thüringen eine Wirkungserwartung auf der institutionellen Ebene dar. Ein

verbessertes, lernförderliches Schulklima sowie die Öffnung der Schule nach außen

sind weitere strukturelle Entwicklungen, welche Schulsozialarbeit begünstigen

könnte. Benannt wird in der entsprechenden Förderrichtlinie die Besetzung einer

„Brückenfunktion“ zwischen den Sozialisationsinstanzen Jugendhilfe, Schule und

Familie. Für die Lehrer/innen und alle weiteren im Schulkontext tätigen Personen

kann Schulsozialarbeit bedarfsorientierte Unterstützungs- und Beratungsangebote

bereithalten, welche sie bei ihren üblichen Aufgaben sowie in krisenhaften

Situationen unterstützen. Über Thüringen hinaus finden sich bisweilen zusätzliche

Ziele. Die rheinlandpfälzischen wie auch die niedersächsischen Standards der

Schulsozialarbeit beinhalten beispielsweise Zielformulierungen, die sich auf die

psychosoziale Entlastung der Lehrkräfte beziehen.130 Auch die Sicherstellung von

Freizeit- und Betreuungsangeboten wird im Bundesvergleich, im Gegensatz zu

Thüringen, als Wirkungsziel benannt.131

Um die tatsächlichen Wirkungen auf dieser Ebene darstellen zu können, werden zum

einen personelle Aspekte thematisiert, zum anderen Implikationen von

Schulsozialarbeit auf den institutionellen Rahmen Schule diskutiert.

6.3.1 Entfaltung sozialpädagogischer Sicht- und Handlungsweisen

Fraglich ist zunächst, was unter sozialpädagogischen Sicht- und Handlungsweisen zu

verstehen ist. Die fachlichen Empfehlungen des Landes Thüringen machen diese

beispielhaft deutlich. Benannt und beschrieben werden die Grundsätze der 132

- Beziehungsarbeit,

- Ressourcenorientierung,

- Prozessorientierung,

- Systemorientierung,

- Prävention,

- Freiwilligkeit,

- Partizipation,

- kritischen Parteilichkeit.

130

Rheinland-Pfälzisches Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen (2012): Arbeitsgruppe der Landesarbeitsgemeinschaft Schulsozialarbeit Niedersachsen (2005): Schulsozialarbeit in Niedersachsen: Qualitätsstandards und Beispiele. Wolfsburg und Braunschweig. 131

Deinet, Ulrich; Nelke, Kirsten: Zwischen Schule, Jugendhilfe und Sozialraum – Ergebnisse einer Studie zur Schulsozialarbeit in Düsseldorf. In: sozialraum.de (7) Ausgabe 1/2015. http://www.sozialraum.de/zwischen-schule-jugendhilfe-und-sozialraum.php, (zuletzt aufgerufen am18.01.2017); Speck (2009). 132

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2014). S. 4.

Wirkungen von Schulsozialarbeit (outcomes) 77

All diese dort benannten Handlungsmaximen können als solche der Sozialen Arbeit

und insbesondere auch der Kinder- und Jugendhilfe angesehen werden. Mit dem

Achten Kinder- und Jugendbericht sowie der im SGB VIII postulierten

Lebensweltorientierung sind Ansätze wie Ressourcen- und Systemorientierung sowie

Partizipation der Kinder- und Jugendhilfe inhärent. Gleiches gilt für die Haltung der

kritischen Parteilichkeit.

Die in Abbildung 46 dargestellten Befragungsergebnisse (an der Schule Tätigen)

geben die Orientierung an den oben benannten Maximen durchaus wieder: Erkennbar

ist zum Beispiel, dass Angebote der Schulsozialarbeit in der ganz überwiegenden

Anzahl der Fälle als an den Bedürfnissen orientiert eingeschätzt werden, was

Rückschlüsse hinsichtlich Beziehungsarbeit oder Ressourcenorientierung zulässt.

Weiterhin ist erkennbar, dass die produktive Kooperation von Schulsozialarbeit und

Schule sichergestellt zu sein scheint, indem die Erwartungen und Wünsche sowie die

jeweiligen Zuständigkeiten klar abgesteckt sind. So schätzen dies zumindest die

befragten Personen ein (in diesem Falle die an der Schule Tätigen). Auch ist

ersichtlich, dass nur eine geringe Zahl der Befragten Kompetenzüberschreitungen

dokumentiert.

Abbildung 46 Befragung der an der Schule Tätigen: Ansichten zur Schulsozialarbeit (n=186-234)

0 20 40 60 80 100

Die Schulsozialarbeit orientiert sich an denWünschen und Bedürfnissen der Schule.

Die Schulsozialarbeit ist eigenständig in derAusgestaltung ihrer Tätigkeitsfelder.

Die Zuständigkeiten sind klar abgegrenzt.

Die gegenseitigen Erwartungen und Wünsche sindallen Beteiligten klar.

Es kommt an einzelnen Punkten zuKompetenzüberschreitungen durch die an der

Schule tätigen Personen.

Es kommt an einzelnen Punkten zuKompetenzüberschreitungen durch den/die

Schulsozialarbeiter/in.

Seine/Ihre Aufgaben werden in der Regel vonanderen Personen (z.B. Beratungslehrern/innen)

abgedeckt.

Die Schulsozialarbeit läuft an den Bedürfnissen derSchule vorbei.

42,7

38,0

37,9

35,4

1,1

0,5

0,5

45,3

40,7

43,2

46,7

4,3

2,1

3,0

1,0

11,5

17,6

17,6

16,6

5,4

4,2

7,0

2,5

0,4

2,3

1,3

1,3

31,7

27,9

17,1

13,6

1,4

57,5

65,3

72,4

82,9

in Prozent

trifft voll zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht zu trifft gar nicht zu

78 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

Schulsozialarbeit scheint an Thüringer Schulen darüber hinaus weitestgehend

akzeptiert zu sein. Dies zeigt die Auswertung der Sachberichte der Jahre 2013 bis

2015. Hier geben die geförderten Gebietskörperschaften immer häufiger als Indikator

für die Zielerreichung die Akzeptanz bei Schülern/innen, Lehrern/innen sowie Eltern

an, was auf eine tatsächlich stärker ausgeprägte Akzeptanz hinweist.

2013 2014 2015

Akzeptanz als Indikator der Zielerreichung 4 14 16

Tabelle 8 Akzeptanz Schulsozialarbeit - Auszug aus den Ergebnissen der Sachberichtsauswertung

Schulsozialarbeit ist seit der Einführung des Landesprogramms offenbar stärker in das

Bewusstsein der Lehrer/innen an Thüringer Schulen gerückt. Ein Großteil der im Jahre

2015 befragten an der Schule tätigen Personen berichtet von einer ausgeprägten

Anerkennung und Wertschätzung der Sozialarbeiter/innen. Gleiches gilt für eine

entsprechende Offenheit gegenüber denselben. Es ist zu erkennen, dass Lehrer/innen

durch Schulsozialarbeit neue Perspektiven auf Problemfälle gewonnen haben. Nicht

zuletzt wird auch ein wertschätzender Umgang aller Beteiligten untereinander

berichtet. Schulsozialarbeiter/innen sind den Einschätzungen folgend in der ganz

überwiegenden Anzahl der Fälle durch die Lehrer/innen und Schulleiter/innen

anerkannte pädagogische Fachkräfte. Auch fällt auf, dass eine relativ ausgeprägte

wechselseitige Kenntnis und Kongruenz hinsichtlich der Ziele der jeweils anderen

Berufsgruppe gegeben zu sein scheint. Erkennbar wird anhand der Einschätzungen

der Befragten auch, dass Lehrer/innen seitens der von Sozialarbeiter/innen

angestoßenen Veränderungen bisweilen nur eingeschränkt offen sind.

Wirkungen von Schulsozialarbeit (outcomes) 79

Abbildung 47 Befragung der an der Schule Tätigen: Einstellungen des Lehrpersonals gegenüber der

Schulsozialarbeit (n=227-236)

Mit Blick auf die grundsätzliche Akzeptanz, Kenntnis und Wertschätzung kann davon

ausgegangen werden, dass sich sozialpädagogische Sicht- und Handlungsweisen im

System Schule etablieren konnten. Inwieweit diese auf der Fall- bzw. Individualebene

wirksam werden (können), wäre auch dort zu eruieren (also auf der Ebene dieser

Zielgruppe).

6.3.2 Unterstützung an der Schule tätiger Personen

Ein wichtiges Tätigkeitsfeld von Schulsozialarbeitern/innen stellt die Beratung von

Lehrkräften dar. Aus der Befragung der Schulsozialarbeiter/innen geht hervor, dass

rund 63 % (19 %) derselben sehr oft bis oft Lehrer/innen (sonderpädagogische

Fachkräfte) beraten bzw. unterstützen.

0 20 40 60 80 100

Er/Sie wird von den Lehrern/innen und derSchulleitung als pädagogische Fachkraft anerkannt.

Die Tätigkeiten des/r Schulsozialarbeiters/in werdenvon allen an der Schule Tätigen geschätzt.

Die Lehrer/innen stehen der Schulsozialarbeitaufgeschlossen gegenüber.

Es besteht eine Übereinstimmung in denpädagogischen Zielen der beiden Berufsgruppen.

Die Lehrer/innen wissen über die Ziele derSchulsozialarbeit genau Bescheid.

Die Lehrer/innen sind offen für die Veränderungen,die der/die Schulsozialarbeiter/in mit sich bringt.

Die Lehrer/innen wissen über die Inhalte derSchulsozialarbeit genau Bescheid.

Die Lehrer/innen setzen sich für die Veränderungen,die der/die Schulsozialarbeiter/in mit sich bringt,

aktiv ein.

52,6

48,7

43,8

38,2

30,9

29,4

26,2

19,8

35,8

36,6

44,6

53,9

49,2

47,6

48,5

48,0

9,9

13,8

10,7

7,5

17,8

19,9

23,2

30,0

1,7

0,9

0,9

0,4

1,3

3,0

1,7

2,2

0,8

0,4

in Prozent

trifft voll zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht zu trifft gar nicht zu

80 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

Abbildung 48 Schulsozialarbeiterbefragung: Häufigkeit Beratung/Unterstützung von Lehrkräften (n=153-154)

Inwiefern dies Wirkungen zeigt, ist ebenfalls Teil der Befragung gewesen. Am

bedeutsamsten wird dabei die durch Schulsozialarbeit generierte Entlastungsfunktion

des Lehrkörpers eingeschätzt. Dies passt insgesamt zu der andernorts festgehaltenen

Erkenntnis, dass Schulsozialarbeiter/innen häufig im Falle konkreter Interventionen

konsultiert werden. Deutlich über 90 % der befragten Fachkräfte erkennt diese in

Alltags- oder Krisensituationen. Auch eine Entlastung im Sinne eines Zeitgewinns

erkennen rund 88 % der Befragten. Etwas weniger Zustimmung erfahren die

Einschätzungen, dass Lehrer/innen im Sinne pädagogischer Anregungen oder

Erweiterungen der individuellen Handlungskompetenz profitieren. Dennoch erscheint

diese Erkenntnis bemerkenswert, da auf diese Weise die weiter oben eruierte

Etablierung sozialpädagogischer Sicht- und Handlungsweisen im System Schule

begünstigt werden könnte. Vergleichsweise geringer Einfluss wird

Schulsozialarbeiter/innen auf die Kommunikation unter den Lehrern/innen

zugeschrieben.

0 20 40 60 80 100

Beratung von Lehrern/innen

Beratung von sonderpädagogischen Fachkräften

16,3

2,0

47,1

17,0

27,5

32,7

7,8

35,3

1,3

13,1

in Prozent

sehr oft oft teils/teils selten nie

Wirkungen von Schulsozialarbeit (outcomes) 81

Abbildung 49 Befragung an der Schule Tätige: Unterstützungsleistungen durch Schulsozialarbeiter/innen (n=232-

235)

6.3.3 Einflüsse auf das System Schule (Schulqualität)

Qualität beschreibt die Summe aller Eigenschaften einer Sache oder eines

Gegenstandes, welche dazu dienen, die ihr zugedachten Zwecke und Ziele zu

realisieren. Der Grad dieses Erreichens sagt wiederum etwas über die Qualität aus.

Laut Thüringer Richtlinie soll Schulsozialarbeit in diesem Sinne unter anderem dazu

beitragen, soziale Benachteiligungen, individuelle Beeinträchtigungen und

strukturelle Nachteile abzubauen, indem dem Risiko des Scheiterns in der Schule

entgegengewirkt wird. In dieser Forderung drückt sich aus, welche Gefahren vom

Scheitern in der Schule bzw. dem Verlassen derselben ohne einen Abschluss

ausgehen. Schulsozialarbeit soll also dazu dienen, Schule funktionaler zu machen und

dieser Gefahr zu begegnen.

Dabei gilt es zu hinterfragen, wie der Einfluss der Schulsozialarbeit diesbezüglich

einzuschätzen und nachzuhalten ist. Von den Befragten benannte Einflüsse wären

demnach:

0 20 40 60 80 100

einer Unterstützung bei schwierigen Schülern/innen.

einer Entlastung im Schulalltag.

einem Zeitgewinn für mich.

einer Erweiterung meiner Handlungskompetenz.

einer besseren Kommunikation mit denSchülern/innen.

pädagogischen Anregungen.

einer besseren Kommunikation mit denKollegen/innen.

63,4

48,9

33,6

31,5

30,3

28,9

9,5

28,5

31,3

31,9

35,3

35,5

40,4

20,7

7,2

13,7

22,6

19,8

20,9

24,3

33,6

0,9

4,7

8,5

9,5

11,1

6,0

24,6

1,3

3,4

3,9

2,1

0,4

11,6

in Prozent

trifft voll zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht zu trifft gar nicht zu

Bezogen auf meine Arbeit führt die Tätigkeit

des/r Schulsozialarbeiters/in in der Schule zu …

82 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

o Lerneinstellung der Schüler/innen,

o Nutzung lernunterstützender Angebote,

o Schulabbruch und Schuldistanz,

o Lernumfeld,

Schulklima,

Konflikte,

Gewalt,

Konsum von Alkohol und Drogen,

o Freizeitangebote an Schule.

Die folgenden Abbildungen zeigen Qualitätsaspekte von Schule, die sich vor allem

anhand von Verhaltensaspekten der Schüler/innen offenbaren. Bei der Interpretation

derselben ist wiederum zu berücksichtigen, dass die Daten nicht das eigentliche

Verhalten der Schüler/innen (oder andere tatsächliche Zusammenhänge)

wiedergeben, sondern lediglich die darauf bezogenen Einschätzungen der befragten

Beobachter. Dass es sich nicht um die tatsächlichen Merkmalsausprägungen handelt,

legen auch die unterschiedlich ausgeprägten Einschätzungen der Zusammenhänge

durch an der Schule tätige Personen wie Lehrer/innen und Schulsozialarbeiter/innen

nahe.

Hinsichtlich der Schüler/innen, welche sich von der Schule distanzieren bzw. diese

vollständig abbrechen, schätzen die befragten Lehrer/innen die Effekte von

Schulsozialarbeit deutlich skeptischer ein als Sozialarbeiter/innen. Dennoch ist

festzuhalten, dass jeweils zwischen einem Viertel und der Hälfte der Befragten hier

von Verbesserungen im Zuge der Einführung von Schulsozialarbeit ausgehen. Dass es

sich hierbei tendenziell um eine subjektive Einschätzung handelt, legen die Daten der

Schulstatistik nahe: Die Anzahl der Personen, die die Schule ohne

Hauptschulabschluss verlassen, ist zwischen 2013 und 2016 insgesamt leicht

angewachsen. 133 Dabei vernachlässigt diese Darstellung die in den

Gebietskörperschaften unterschiedlich und teilweise auch gegensätzlich verlaufenden

(zahlenmäßigen) Entwicklungen. Zudem bezieht sie sich auf alle Thüringer Schulen

und nicht nur auf diejenigen, die über Schulsozialarbeit verfügen.

Schuljahr 2012/2013

Schuljahr 2013/2014

Schuljahr 2014/2015

Schuljahr 2015/2016

1.177 1.118 1.197 1.286

Tabelle 9 Anzahl der Schulabgänger/innen ohne Hauptschulabschluss

133

http://www.statistik.thueringen.de/datenbank/tabWMAnzeige.asp?tabelle=kr001302%7C%7CAbsolventen%2FAbg%26%23228%3Bnger+aus+allgemeinbildenden+Schulen+nach+Kreisen&ersterAufruf=x&wmID=213050%7C%7C1&tit2=&TIS=&SZDT=&startpage=1&auswahlnr=, abgerufen am 26.04.2017.

Wirkungen von Schulsozialarbeit (outcomes) 83

Weitere Indikatoren sind die Nutzung von lernunterstützenden Angeboten sowie die

Lernbereitschaft der Schüler/innen. Hier beobachten jeweils rund ein Fünftel der

Befragten positive Entwicklungen. Ein großer Teil der Befragten ist jedoch eher

skeptisch oder ablehnend hinsichtlich dieser Veränderungen durch die

Schulsozialarbeit.

Abbildung 50 Gegenüberstellung der Einschätzungen der Schulsozialarbeiter/innen und der an der Schule Tätige I

(n=139-206)

Weitere Einschätzungen betreffen beispielsweise das Schulklima. Hier zeigt sich, dass

die Mehrzahl der Befragten der jeweiligen Statusgruppe positive Effekte beobachtet.

Auffällig ist weiterhin, dass die Befragten in nahezu gleicher Weise ein verändertes

Konfliktverhalten der Schüler/innen untereinander beobachten.

0 20 40 60 80 100

Schulsozialarbeiter/innen

an der Schule Tätige

Schulsozialarbeiter/innen

an der Schule Tätige

Schulsozialarbeiter/innen

an der Schule Tätige

Schulsozialarbeiter/innen

an der Schule Tätige

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51,2

25,5

48,1

35,5

23,2

23,9

19,0

18,9

24,4

27,7

37,5

34,9

43,2

57,4

62,0

63,6

24,4

46,8

14,4

29,5

33,6

18,8

19,0

17,5

Prozent

stimme voll/eher zu teils/teils stimme eher/gar nicht zu

84 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

Abbildung 51 Gegenüberstellung der Einschätzungen der Schulsozialarbeiter/innen und der an der Schule Tätige II

(n=144-222)

Weitere Beurteilungen betreffen die Vermeidung bzw. die Zurückdrängung kinder-

und jugendgefährdender Einflüsse in der Schule als Aspekt der Qualität derselben. So

zeigt sich, dass jeweils rund ein Drittel der Befragten, unabhängig von der

Zugehörigkeit zu einer bestimmten Statusgruppe, hier positive Tendenzen

ausmachen.

Abbildung 52 Gegenüberstellung Einschätzungen Schulsozialarbeiter/innen und an der Schule Tätige III (n=106-

183)

0 20 40 60 80 100

Schulsozialarbeiter/innen

an der Schule Tätige

Schulsozialarbeiter/innen

an der Schule Tätige

Das

Sch

ulk

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60,9

74,3

43,3

45,0

35,3

21,6

47,8

45,5

3,8

4,1

9,0

9,6

Prozent

stimme voll/eher zu teils/teils stimme eher/gar nicht zu

0 20 40 60 80 100

Schulsozialarbeiter/innen

an der Schule Tätige

Schulsozialarbeiter/innen

an der Schule Tätige

Die

Gew

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ind

ert.

38,7

37,7

31,9

34,0

47,2

48,6

43,1

40,6

14,2

13,7

25,0

25,5

Prozent

stimme voll/eher zu teils/teils stimme eher/gar nicht zu

Wirkungen von Schulsozialarbeit (outcomes) 85

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Einflüsse von Schulsozialarbeit auf das

System Schule bzw. dessen Qualität lediglich auf der Grundlage von Einschätzungen

bestimmter Gegebenheiten durch die Befragten bewertbar sind. Ziel war es, Effekte

von Schulsozialarbeit zu identifizieren, die die Funktionalität des Systems Schule mit

Blick auf das angestrebte Ziel (Erreichen eines formalen Bildungsabschlusses)

begünstigen könnten. Zwar erkennen die Befragten (mehr oder weniger ausgeprägte)

Effekte hinsichtlich Schuldistanz oder Schulabbruch, allerdings kann dies mit Blick auf

die Statistik so nicht angenommen werden. Hierfür wären separate Untersuchungen

nötig. Die positivsten Einschätzungen ergeben sich im Hinblick auf das Schulklima.

Hier erkennen jeweils rund zwei Drittel der Befragten, dass sich durch die

Schulsozialarbeit positive Effekte eingestellt haben. Auch eine eingeschätzte

Veränderung des Konfliktverhaltens sowie des Alkohol- und Drogenmissbrauchs lässt

sich positiv mit Blick auf Schulqualität werten. So schätzen die Befragten

beispielsweise ein, dass sich der Alkohol- und Drogenmissbrauch vermindert hat.

Die oben zusammengefassten Einflussfaktoren von Schulsozialarbeit im Sinne

verbesserter Schulqualität stehen in Wechselwirkungen mit ihren strukturellen

Voraussetzungen. Wie auch an anderer Stelle ersichtlich, zeigen vor allem personelle

Kontinuität, ein anforderungsentsprechender Beschäftigungsumfang der Fachkräfte

an einer Schule sowie eine angemessene materielle Ausstattung positive Wirkungen.

Abbildung 53 Einfluss struktureller Voraussetzungen von Schulsozialarbeit

Einflussfaktoren Schulqualität

30 bis 40 Wochenstunden an einer Schule tätig

Eine Fachkraft pro Schule

Gemeinsame Weiterbildung mit

Lehrkräften

Schulspezifische Konzeption

Schulsozialarbeit bereits vor 2013 an

der Schule

Angemessene materielle

Ausstattung

Keinen Personalwechsel

Arbeitszeit in den Schulzeiten Je länger

Schulsozialarbeit an einer Schule integriert ist

86 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

7 W I R K U N G E N A U F G E S E L L S C H A F T L I C H E R E B E N E ( I M P A C T S )

7.1 Schulsozialarbeit als Funktionsbereich des Sozialstaates

Impacts beschreiben Wirkungen auf gesellschaftlicher Ebene, also Wirkungen über die

Zielgruppe hinaus. Im Rahmen der Evaluation des Landesprogramms schulbezogene

Jugendsozialarbeit stellt sich die Frage, zu welchen gesellschaftlichen Entwicklungen

Schulsozialarbeit beiträgt. Diese ist Teil der Kinder- und Jugendhilfe und diese

wiederum ein Funktionsbereich des deutschen Sozialstaates. Der Sozialstaat stellt

eine politisch verfasste, machtvolle Struktur dar, dessen wesentlicher Zweck es ist,

soziale Ungleichheiten und Unterschiede auszugleichen, welche nicht zuletzt durch

die politische und wirtschaftliche Neuordnung im Zuge der Industrialisierung

aufgeworfen worden sind. Der Sozialstaat verfolgt hierfür vielfältige Ziele. Neben der

Absicherung des Einzelnen gegen (unverschuldeten) Einkommensausfall kann eines

der wesentlichen Anliegen in der Gewährleistung der Teilhabe jedes Einzelnen an

allen gesellschaftlichen und politischen Teilbereichen gesehen werden. Dem

Sozialstaat bzw. den aus ihm hervorgehenden Leistungen sind also behütende wie

auch befähigende Momente inhärent.

Diese Dialektik weist auch die Kinder- und Jugendhilfe und damit auch die

Schulsozialarbeit auf. Als funktioneller Teilbereich des deutschen Sozialstaates muss

sie zugleich behüten und befähigen. Dies belegen insbesondere zwei Entwicklungen

der jüngeren Vergangenheit: Die Etablierung der sogenannten Frühen Hilfen bestärkt

die Funktion der Kinder- und Jugendhilfe mit Blick auf die Sicherung des Kindeswohls,

die Ausweitung der Kindertagesbetreuung betont die Rolle als eigenständige

Sozialisationsinstanz. Weiterhin findet sich die oben benannte Dialektik in den ersten

beiden Absätzen des § 1 SGB VIII. Absatz 1 drückt das Recht junger Menschen aus,

Förderung zum Zwecke ihrer Entwicklung im Sinne eigenverantwortlicher und

gemeinschaftsfähiger Persönlichkeiten zu erfahren (Befähigen). Dieses zu

gewährleisten, ist zunächst Aufgabe der Eltern. Im Falle ihres Versagens greift Kinder-

und Jugendhilfe zum Schutz der jungen Menschen ein (Behüten).

„(1) Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf

Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.“

„(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die

zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche

Gemeinschaft.“134

Zur Verwirklichung des oben benannten Rechts junger Menschen hält die Kinder- und

Jugendhilfe eine Vielzahl von Leistungen und anderen Aufgaben vor, welche

134

§ 1 Absatz 1 und 2 SGB VIII.

Wirkungen auf gesellschaftlicher Ebene (Impacts) 87

- „junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern und

dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen,

- Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung beraten und

unterstützen,

- Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen,

- dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre

Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder

zu schaffen.“135

Diese Formulierungen des §1 Absatz 3 SGB VIII sind normativ für alle Leistungen der

Kinder- und Jugendhilfe und machen wiederum die oben beschriebene Dialektik

deutlich.

Der deutsche Sozialstaat ist auf die Teilhabe des Einzelnen an allen gesellschaftlichen

Teilbereichen hin ausgerichtet. Dieses Ziel wird mittels Sozialleistungen realisiert, zu

denen auch die Kinder- und Jugendhilfe (Schulsozialarbeit) zu zählen ist. Als

Funktionsbereich des Sozialstaates dient sie mithin dessen Gesamtziel. Insofern sind

die Leistungen/Wirkungen von Schulsozialarbeit auch immer in einem

gesellschaftlichen Zusammenhang zu sehen. Wenn es mittels durch das

Landesprogramm schulbezogene Jugendsozialarbeit geförderter Leistungen gelingt,

junge Menschen im Sinne ihrer Entwicklung zu eigenverantwortlichen und

gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu unterstützen, resultiert daraus

gleichermaßen eine gesellschaftliche Wirkung im oben genannten sozialstaatlichen

Sinne.

7.2 Ziel: eigenverantwortliche und gemeinschaftsfähige Persönlichkeiten

Fraglich wäre nun, ob sich Auswirkungen des Thüringer Landesprogramms finden

lassen, die Entwicklungen der Zielgruppe im benannten Sinne nahelegen. Wie an

anderer Stelle gezeigt, wird den tätigen Schulsozialarbeitern/innen vor allem

zugesprochen, im Bereich der Sozial- und Selbstkompetenzen der Schüler/innen

wirksam sein zu können. Gleichsam ließen sich im bisherigen Verlauf eine Reihe

positiver Einflüsse von Schulsozialarbeit mit Blick auf die designierten Zielgruppen

auffinden und diskutieren. Es kann also von Wirkungen ausgegangen werden.

Die Befragung der Schulsozialarbeiter/innen ergibt, dass diese einschätzen,

Schüler/innen, welche Einzelfallhilfen in Anspruch genommen haben, sind

anschließend in der Lage, familiäre Probleme eigenständig(er) zu bearbeiten. Hiervon

gehen rund 59 % der Befragten aus. In dieser Einschätzung spiegelt sich eindeutig das

befähigende Potential von Schulsozialarbeit im Sinne des oben beschriebenen

135

ebenda: Absatz 3.

88 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

gesellschaftlichen bzw. sozialstaatlichen Anspruches wieder. Gleiches zeigt sich mit

Blick auf das eingeschätzte Konfliktverhalten der Schüler/innen untereinander. Auch

hier erkennen rund 43 % der befragten Fachkräfte Verbesserungen.

Abbildung 54 Schulsozialarbeiterbefragung: Auswirkungen von Schulsozialarbeit I (n=134-142)

Ein weiterer diesbezüglicher Hinweis stellt die Einschätzung der Akteure dar, die

Schüler/innen kennen im Zuge von Schulsozialarbeit mehr Freizeitorte außerhalb der

Schule.

Abbildung 55 Schulsozialarbeiterbefragung: Auswirkungen von Schulsozialarbeit II (n=123)

Mit allen drei beobachteten Auswirkungen von Schulsozialarbeit, der eigenständigen

Lösung von familiären Problemen, dem veränderten Konfliktverhalten zwischen den

Schüler/innen sowie der Kenntnis außerschulischer Freizeitorte, lässt sich die oben

beschriebene befähigende Funktion von Schulsozialarbeit und damit deren Beitrag im

sozialstaatlichen Sinnen dem Grunde nach argumentieren. Verkannt werden darf

dabei nicht die fehlende bzw. die quasi hineingedachte Kausalität dieser Betrachtung:

Nicht jede individuell erkennbare Befähigung muss notwendigerweise auf

gesellschaftliche Implikation befragt werden, um als solche zu gelten.

0 20 40 60 80 100

Die Schüler/innen, die Beratungen/Einzelfallhilfen inAnspruch genommen haben, konnten ihre familiären

Probleme besser eigenständig bearbeiten.

Die Konflikte unter den Schüler/innen haben sichverringert.

10,6

9,0

48,6

34,3

34,5

47,8

6,3

9,0

Prozent stimme voll zu stimme eher zu teils/teils stimme eher nicht zu stimme gar nicht zu

0 20 40 60 80 100

Die Schüler/innen kennen mehr Freizeitorteaußerhalb der Schule.

8,1 38,2 39,8 8,1 5,7

Prozent

stimme voll zu stimme eher zu teils/teils stimme eher nicht zu stimme gar nicht zu

Wirkungen auf gesellschaftlicher Ebene (Impacts) 89

7.3 Wirkungen in den Sozialraum

Wie benannt, muss es auch Ziel und Anspruch von Schulsozialarbeit sein, in den

Sozialraum hineinzuwirken, um dazu beizutragen, positive Lebensbedingungen für

junge Menschen und ihre Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt

zu erhalten oder zu schaffen (§ 1 Absatz 3 SGB VIII). Derartige Auswirkungen sind

aufgrund der vorliegenden Befragungen nicht nachzuhalten. Allerdings macht die

Auswertung der Sachberichte aus den Jahren 2013 bis 2015 deutlich, dass das

Sozialraumbewusstsein der Akteure durchaus ausgeprägt ist. In den Jahren 2014 bzw.

2015 geben jeweils 16 bzw. 12 der insgesamt 23 berichterstattenden Jugendämter an,

einen entsprechenden Schwerpunkt im Rahmen der Aktivitäten zu setzen. Hierbei

steht insbesondere die Vernetzung und Koproduktion mit angrenzenden Akteuren

(der Kinder- und Jugendhilfe) im Mittelpunkt.

Inwiefern Schulsozialarbeit mit Blick auf die Lebensbedingungen ihrer

Adressaten/innen bzw. auf den Sozialraum wirkt, müsste gesondert in den Blick

genommen werden.

90 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

8 A B S C H L I E ß E N D E B E W E R T U N G U N D

H A N D L U N G S E M P F E H L U N G E N

Ausgehend von der einleitend beschriebenen Ausrichtung des Landesprogramms soll

nun resümierend ein Fazit zu den Ansprüchen und Umsetzungsergebnissen der

letzten drei Jahre gezogen werden. Dies dient dazu, der im Koalitionsvertrag 2014

beschriebenen Weiterentwicklung und Verstetigung „unter Beachtung professioneller

Standards“ 136 wichtige Impulse zu verleihen.

Dementsprechend wird zunächst die Ebene der Weiterentwicklung des Programms

betrachtet. Aus den vorliegenden Untersuchungen lassen sich aber auch

Schlussfolgerungen zur Weiterentwicklung der Schulsozialarbeit allgemein, auf der

örtlichen Ebene und auf der Mikroebene der Projekte ziehen. Auch hierzu soll dieses

Kapitel einen Beitrag leisten.

8.1 Programmebene

Schulsozialarbeit hat sich seit den 1970er Jahren in Deutschland stetig entwickelt.

Waren es zu Beginn im Wesentlichen die Ganztagsschulen und Problemschulen, die

diese Form der sozialen Arbeit etablierten, gehört heute Schulsozialarbeit vielerorts

zum Qualitätsstandard einer „guten Schule“.137

In den vergangenen Jahren ist es zu einem erheblichen Ausbau der Schulsozialarbeit

in Deutschland gekommen. In vielen Bundesländern sind seit Anfang der 200oer Jahre

Landesprogramme etabliert worden. Thüringen gehörte über viele Jahre zu den

Bundesländern ohne ein flächendeckendes Förderprogramm. Dennoch gab es von

1999 bis 2004 das Landesprogramm „Schulsozialarbeit an berufsbildenden Schulen in

Thüringen“ und die Möglichkeit Schulsozialarbeit über das Bildungs- und

Teilhabepaket zu etablieren. Daher muss die Einführung des Landesprogramms

„Schulbezogene Jugendsozialarbeit“ als besonderer Erfolg gewertet werden,

insbesondere deshalb, da es sich um ein Programm handelt, welches eine fast

vollständige Übernahme der Personal- und Sachkosten (ohne Aufwendungen für

Räume und deren grundhafte Ausstattung) durch das Land beinhaltet. Zudem ist das

Thüringer Programm im Gegensatz zu denen anderer Bundesländer (z.B. Sachsen-

Anhalt) außerhalb des europäischen Sozialfonds im Landeshaushalt angesiedelt.

Dafür gebührt den politischen Entscheidungsträgern in Thüringen große

Anerkennung.

136

Koalitionsvertrag zwischen den Parteien DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für die 6. Wahlperiode des Thüringer Landtags (2014): S. 47. 137

Olk, Thomas/Speck, Karsten (2015): Schulsozialarbeit in Deutschland. In: Deutsches Rotes Kreuz e.V. (2015): Reader Schulsozialarbeit – Band 3. Von den Nachbarn lernen – Internationaler Vergleich von Jugendsozialarbeit an Schule. Berlin, S. 13 ff.

Abschließende Bewertung und Handlungsempfehlungen 91

8.1.1 Bedarfsdeckung und politische Weichenstellung

Das Programm war von Anbeginn an flächendeckend aber nicht bedarfsdeckend

angelegt. Die Intention bestand und besteht darin, mit Landesmitteln die Kommunen

in ihrer Planungshoheit zu unterstützen und dazu beizutragen, die Schulsozialarbeit

als bedeutsames jugendpolitisches Handlungsfeld in den Fokus zu rücken. Hierfür

wurden kalenderjährlich circa 10 Millionen Euro in den Landeshaushalt eingestellt, mit

dem Ziel, 200 Schulsozialarbeiterstellen in Thüringen zu fördern. Vor der Einführung

des Landesprogramms gab es, wie vorn beschrieben, 136 Schulsozialarbeiter/innen

mit 96,925 VbE, die in einigen Gebietskörperschaften tätig waren. Zum Zeitpunkt der

Erhebungen 2015 waren 261 Personen mit 199 VbE im Rahmen des

Landesprogramms verteilt auf alle Gebietskörperschaften tätig. So wurde durch die

Initiative des Landes auch in Gebietskörperschaften Schulsozialarbeit etabliert, in

denen es bisher keine politische Mehrheit für diese Form der sozialen Arbeit gab.

Die oben genannte Zielstellung wurde durch das Landesprogramm in den letzten

drei Jahren erreicht und hat zu einer politischen Weichenstellung in der Ausrichtung

der Kinder- und Jugendhilfe insgesamt vor Ort geführt.

Die Verteilung der im Rahmen des Landesprogramms zur Verfügung stehenden Mittel

werden nach einem Schlüssel, der die Schülerzahlen und den Anteil der Kinder unter

15 Jahre in SGB II Bedarfsgemeinschaften berücksichtigt, auf die Kommunen verteilt.

Die Bedarfsermittlung bleibt damit auf der kommunalen Ebene, welche für die

Planung und Steuerung der Jugendhilfe per Gesetz verpflichtet ist.138 Die Thüringer

Richtlinie sieht vor, dass die geförderten Angebote Teil der Jugendhilfeplanung auf

der Ebene der Gebietskörperschaften sein müssen. Hier soll also durch die im Gesetz

festgeschriebene Art und Weise ermittelt werden, an welchen Schulen welcher Bedarf

vorliegt und wie diesem sozialpädagogisch entsprochen werden kann. Der Einsatz von

eigenen Mitteln wird durch das Landesprogramm keinesfalls gehemmt. Das Thüringer

Ausführungsgesetz zum SGB VIII (ThürKJHAG) verweist darauf, dass die Kommunen

den Bedarf an Einrichtungen und Diensten in einem Jugendförderplan ausweisen

müssen. 139 Zur Beantragung der Landesmittel ist ein Beschluss des örtlichen

Jugendhilfeausschusses zur Umsetzung der Schulsozialarbeit vorzulegen.

Ob die Fördermittel den fachlichen Bedarf decken, muss auf der Grundlage der

vorliegenden Erkenntnisse unterstellt werden, da der Fokus im Rahmen der

Erhebungen nicht auf der Evaluation der lokalen Jugendhilfeplanungsaktivitäten lag.

138

Wiesner, Reinhard (2011): SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe. Kommentar. 4. Überarbeitete Auflage, München, S. 1115 ff. 139

Thüringer Kinder- und Jugendhilfe-Ausführungsgesetz (ThürKJHAG) (2009) § 16. http://landesrecht.thueringen.de/jportal/portal/t/8nm/page/bsthueprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=jlr-KJHAGTH2009rahmen&doc.part=X&doc.price=0.0#jlr-KJHAGTH2009pP12.

92 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

Im Rahmen ihrer örtlichen Zuständigkeit und kommunalen Selbstverwaltung haben

verschiedene Thüringer Kommunen zur Verteilung der Schulsozialarbeit

entsprechende Indikatoren (z.B. Anzahl der Schüler/innen pro Schule) entwickelt.

Andere Kommunen gehen von einem Bedarf an allen Schulen aus. Erkennbar wurde

an unterschiedlichen Stellen, dass die Akteure den Bedarf an Schulsozialarbeit

insgesamt als ausgeprägt einschätzen. Weiterhin gehen sie davon aus, dass die

Landesfördermittel regelmäßig nicht bedarfsdeckend sind. Beides sind Indizien für

eine grundsätzliche Bedarfsabwägung.

Betrachtet man die fachpolitische Diskussion zur Schulsozialarbeit in Deutschland, so

wird deutlich, dass dieses Handlungsfeld längst nicht mehr als zusätzliches oder in

Ausnahmefällen nötiges Arbeitsfeld in den Schulen angesehen wird. Sowohl die

führenden Wissenschaftler/innen als auch die einschlägigen Bundesverbände fordern,

Schulsozialarbeit an allen allgemeinbildenden Schulen zu etablieren.

Ein Ausbau der Schulsozialarbeit in Thüringen sollte unbedingt bedarfsorientiert

erfolgen. Betrachtet man die in der Dokumentation der wissenschaftlichen

Dienste des Bundestags enthaltene Aufstellung einer Modellrechnung, die auch

auf der bereits zitierten Dortmunder Erklärung basiert, so wären für eine

Bedarfsdeckung in Thüringen 1.573 Stellen nötig.140

8.1.2 Rahmenbedingungen für Schulsozialarbeit weiterentwickeln

a) Fachkräftegebot

Wie gezeigt, ist es Bestandteil der herrschenden Fachmeinung, dass die Qualität von

Schulsozialarbeit maßgeblich von den Formalqualifikationen der Beschäftigten

abhängig ist. Als einschlägig qualifiziert gelten in diesem Sinne Personen, welche

sozialpädagogische/sozialarbeiterische Hochschulabschlüsse vorweisen können. Das

Thüringer Landesprogramm berücksichtigt diese Forderung, lässt aber auch

Psychologen/innen oder Erziehungswissenschaftler/innen zu. Daneben besteht

zudem die Möglichkeit von Ausnahmeregelungen. Dadurch können auch Personen

mit einer geringeren Qualifizierung tätig werden.

Das Thüringer Fachkräftegebot ist aus fachlicher Perspektive zu begründen und zu

begrüßen. Es wirkt qualitätssichernd und professionsstiftend. Zu überlegen ist,

auf die benannten Ausnahmeregelungen perspektivisch zunehmend zu

verzichten.

140

Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (2016): Schulsozialarbeit in Deutschland, den Niederlanden, der Schweiz, Österreich und Schweden. WD 8 - 3000 - 039/16, Berlin, s. 33.

Abschließende Bewertung und Handlungsempfehlungen 93

b) Beschäftigungskontinuität

Es ist fachlich anerkannt, dass Befristung von Stellen der nachhaltigen und wirksamen

Etablierung von Schulsozialarbeit entgegenläuft. Gefordert werden daher vielerorts

unbefristete Stellen. Diese Forderung findet sich auch in einigen zitierten Regelungen

anderer Bundesländer wieder. In Thüringen findet sich keine diesbezügliche

Erwartungshaltung. Im Gegenteil: Es ist davon auszugehen, dass die Thüringer

Regularien Befristung begünstigen, da diese nirgends thematisiert oder sogar

ausgeschlossen wird. In der Folge dominieren befristete Arbeitsverhältnisse und in

diesen Fällen auch häufigere Personalwechsel. Viele Jugendämter signalisieren heute

bereits, dass gerade befristete Stellen nur schwer zu besetzen sind. An anderer Stelle

ließ sich zeigen, dass die Schaffung gut genutzter und wirksamer Angebotsstrukturen

sowie die Herausbildung stabiler Arbeitsbeziehungen in Thüringen maßgeblich durch

Aspekte der Beschäftigungskontinuität befördert werden.

Schulsozialarbeiter/innen sollten unbefristet beschäftigt sein. Dies zeigt eine

Vielzahl positiver Effekte und bedingt die nachhaltige Etablierung von

Schulsozialarbeit. Hierfür sollten entsprechende Regelungen getroffen werden.

Insgesamt sollten Überlegungen angestellt werden, wie das Arbeitsfeld in

Thüringen nachhaltig verstetigt werden kann, beispielsweise in Form einer

gesetzlichen Fixierung.

c) Beschäftigungsumfang und Zuständigkeit

Im Rahmen der Evaluation ließ sich zeigen, dass Angebote und Leistungen der

Schulsozialarbeit dann besonders gelingend etabliert und umgesetzt werden können,

wenn einerseits mindestens eine Fachkraft je Schule tätig ist und der

Beschäftigungsumfang andererseits zwischen 30 und 40 Stunden beträgt.

Die in den fachlichen Empfehlungen enthaltene Vorgabe von 30 Wochenstunden pro

Personalstelle ist positiv hervorzuheben. Problematisch gestaltet sich dies dann, wenn

Schulsozialarbeiter/innen in Teilzeit an verschiedenen Schulstandorten tätig sind.

Zwar sieht das Thüringer Landesprogramm vor, dass Schulsozialarbeiter/innen an

einer Schule tätig sein sollen, beinhaltet aber gleichsam eine Ausnahmeregelung.

Nach dieser kann der Einsatz einer Fachkraft an mehreren Schulen mit einer

entsprechenden Begründung erfolgen. Die Realität zeigt, dass zum Zeitpunkt der

Erhebungen 2015 die Mehrzahl der geförderten Gebietskörperschaften über

Ausnahmeregelungen verfügen. Die Mehrzahl der Schulsozialarbeiter/innen ist in

Teilzeit tätig und für eine Schule zuständig. Auch steht an einer nennenswerten

Anzahl von Schulen ein Beschäftigungspotential von weniger als 0,75 VbE zur

Verfügung. Über 10 % der Schulsozialarbeiter/innen sind in Teilzeit an mehr als einer

Schule tätig. Weiterhin geben Schulsozialarbeiter/innen bisweilen an, aufgrund ihres

Arbeitsvertrages über weniger als 30 Stunden Wochenarbeitszeit zu verfügen. In die

94 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

Betrachtungen zur Teilzeittätigkeit ist ferner die Lage der Arbeitszeit einzubeziehen.

Konzentriert sich die Arbeitszeit eines/r Schulsozialarbeiters/in auf die Schulzeit, ist

eine Teilzeittätigkeit nötig, um die Ferienzeiten zu kompensieren.

Nur wenn Schulsozialarbeiter/innen regelmäßig und kontinuierlich an „ihrer“ Schule

präsent sind, können sie Teil des Schulbildes werden, ansprechbar sein,

Beratungsbeziehungen aufbauen, Bedürfnisse ergründen und darauf aufbauend

Angebote schaffen sowie den Alltag der Schüler/innen kennen lernen.

Die im Landesprogramm und den fachlichen Empfehlungen festgeschriebenen

Standards sollten unbedingt eingehalten werden. Eine Minimierung der

Ausnahmeregelungen ist dafür dringend erforderlich.

d) Betreuungsverhältnis

Die Frage, für wie viele potentielle Adressaten/innen eine Fachkraft zuständig ist bzw.

sein soll, wird in der Fachdiskussion auf unterschiedliche Weise beantwortet. Es finden

sich sowohl schüler/innen- als auch standortabhängige Ansätze. Weiterhin finden sich

Ansätze, die generell mehr als eine Fachkraft pro Schule bzw. den Einsatz

sogenannter Teams fordern. Dies soll zum einen den kollegialen Austausch und zum

anderen sozialpädagogische Ansätze wie beispielsweise geschlechtersensible

Angebote berücksichtigen.

Die Thüringer Regularien verzichten auf eine Quotierung des Bedarfes. Bevorzugt

wird die zielgruppen-, standort- und bedarfsspezifische Ermittlung des notwendigen

Personaleinsatzes, unter der Voraussetzung, dass pro Schulstandort eine Fachkraft

mit mindestens 30 Wochenstunden Beschäftigungsumfang zum Einsatz kommt. Die

Umsetzung dieser Vorgaben wurde oben diskutiert. Erkennbar ist beim Thüringer

Betreuungsverhältnis eine ausgeprägte Heterogenität der Verhältnisse. Während

einzelne Fachkräfte mit einer sehr großen Anzahl potentieller Adressaten/innen

zurechtkommen müssen, gilt für den Großteil der Befragten, für bis zu 300

Schüler/innen ansprechbar zu sein. Es zeigt sich auch, dass an einigen Thüringer

Schulen mehr als 1,0 VbE pro Standort zur Verfügung stehen. Der Gedanke des Teams

ist dort implementiert, ohne dass dies landesseitig vorgegeben worden ist.

Der Paritätische Gesamtverband forderte bereits 2013 für einen bedarfsgerechten

Ausbau einen Schlüssel anhand der Schüler/innenzahl festzulegen, der pro 150 junge

Menschen eine/n Schulsozialarbeiter/in vorsieht. Diese Forderung wurde auf dem

Bundeskongress Schulsozialarbeit 2015 in der Dortmunder Erklärung bekräftigt.

Der Einsatz der Schulsozialarbeiter/innen sollte sich auch in Thüringen an den

Schülerzahlen der betreuten Schulen orientieren, wobei es besondere

Bestimmungen für berufsbildende Schulen geben sollte. Das Arbeiten in einem

Abschließende Bewertung und Handlungsempfehlungen 95

Team von mehreren Schulsozialarbeitern/innen schulstandortübergreifend in

Form von Kooperationsmodellen sollte zudem festgeschrieben werden.

e) Vergütung der Fachkräfte

In der Fachdiskussion ist es Konsens, dass eine entsprechende Vergütung der

Fachkräfte notwendig ist. Sie stellt gewissermaßen das Gegenstück zur Forderung

nach einer anforderungsgemäßen Formalqualifikation dar. Gleichsam wirkt sie so im

Sinne eines zu etablierenden professionellen Berufsbildes, da dem Einfordern einer

bestimmten Qualifikation als fachlicher Mindeststandard die Forderung einer

anforderungsgemäßen Vergütung gegenübergestellt wird. Als Maßstab der

Angemessenheit dienen die einschlägigen Tarife. Entsprechende Vorgaben finden

sich in zahlreichen Landesregelungen. Die Thüringer Richtlinie schafft in diesem Fall

mit der Festschreibung der tariflichen Eingruppierung einen ausgeprägten

Anforderungshorizont (auch in Verbindung mit dem Fachkräftegebot). Die geforderte

Eingruppierung im Bereich TVöD-SuE S 11 bzw. TV-L E 9 ist ein erster Schritt in diese

Richtung, wenngleich in anderen Bundesländern inzwischen insgesamt in der Kinder-

und Jugendhilfe höhere Eingruppierungen (TV-L E 10) gängige Praxis sind.

Mit Blick auf die seit 2013 nur geringfügig gestiegene Fördersumme wurden die

daraus resultierenden Probleme aufgrund des tariflich vorgesehenen Mehrverdienstes

diskutiert. Wenn weder Land noch Kommunen weitere Mittel einsetzen, drohen

entweder ein Rückgang der Personen insgesamt oder des Beschäftigungsumfanges

der Schulsozialarbeiter/innen. Beides kann mit Blick auf die hier dargestellten

Erfordernisse kein anzustrebendes Ziel sein.

Die tarifgerechte Bezahlung der geförderten Fachkräfte ist aus fachlicher

Perspektive zu begrüßen und gleichermaßen nötig. Der Fördermittelgeber sollte

die Kostensteigerungen durch den tariflich festgelegten Mehrverdienst

berücksichtigen, damit die Richtlinie auch in Zukunft entsprechend umgesetzt

werden kann. Die Eingruppierung der Fachkräfte sollte perspektivisch den

Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt nicht nur aufgrund des drohenden

Fachkräftemangels angepasst werden.

f) Sächliche Ausstattung

Die darauf bezogenen fachlichen Diskussionen gehen davon aus, dass eine

bedarfsgerechte Ausstattung mit Dingen, die zur pädagogischen Arbeit notwendig

sind, eine unabdingbare Voraussetzung gelingender Schulsozialarbeit ist. Diese steht

natürlich in engem Zusammenhang mit der finanziellen Ausstattung bzw. der Frage,

inwieweit Sachkosten mitfinanziert werden. Hier finden sich im bundesvergleich

unterschiedliche Bemessungsansätze. Die Thüringer Richtlinie sieht vor, dass die

Zuwendung für Sachausgaben bis zu 15 % der Gesamtfördersumme der jeweiligen

96 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

Fördermittelerstempfänger betragen kann. Inwiefern dies bedarfsgerecht ist, müsste

wiederum aufgrund der Bedarfsüberlegungen derselben eruiert werden. Wie gezeigt,

gehen die im Jahre 2015 befragten Träger mehrheitlich davon aus, dass die

Bereitstellung von Sachmitteln für den Gesamterfolg des Programms in besonderer

Weise relevant ist.

Die Förderfähigkeit von Sachausgaben entspricht anerkannten fachlichen

Standards und ist aus dieser Perspektive zu begrüßen. Zu prüfen wären, inwieweit

die Beantragung und Verwendung derselben durch die

Fördermittelerstempfänger bedarfsgerecht ist.

g) Räumliche Ausstattung

Gleichermaßen notwendig sind geeignete Räumlichkeiten, die den pädagogischen

Fachkräften zur Verfügung stehen bzw. die sie mitbenutzen können. Wie gezeigt

finden sich in der Fachdiskussion entsprechende Forderungen (Lage, Ausstattung,

Gestalt- und Nutzbarkeit, etc.). Dabei berührt diese Frage nach den Räumlichkeiten

zugleich einen weiteren Aspekt, welcher maßgeblich für die Etablierung von

Schulsozialarbeit ist: Die Kooperation von Jugendhilfe und Schule.

Die Thüringer Regularien berücksichtigen dies. Zum einen finden sich in den

fachlichen Empfehlungen Angaben zum Vorhandensein und zur Nutzung der

Räumlichkeiten. Zum anderen weist die Richtlinie auf die Berücksichtigung der

Räumlichkeiten in den abzuschließenden Kooperationsvereinbarungen hin. Die

beschriebenen Daten legen nahe, dass die benannten Vereinbarungen in der

überwiegenden Anzahl der Fälle Berücksichtigung finden. Die tatsächliche

Raumsituation wird von den befragten Statusgruppen jeweils unterschiedlich

beurteilt, was ein insgesamt ambivalentes Bild hinterlässt.

Die Hinweise bezüglich notwendiger Räumlichkeiten und deren Ausstattung sind

aus fachlichen Erwägungen heraus wichtig. Es sollte auch zukünftig darauf

hingewirkt werden, dass alle Kooperationspartner/innen die getroffenen

Vereinbarungen einhalten.

8.1.3 Schulsozialarbeit braucht Kooperationen

Nach Speck sollte es Kooperation auf vier verschiedenen Ebenen, zwischen den

pädagogischen Akteuren, zwischen Leistungserbringern und Schulen, im Sozialraum

Abschließende Bewertung und Handlungsempfehlungen 97

und auf überörtlicher Ebene geben.141 Das Vorhandensein dieser vier Ebenen konnte

im Rahmen der vorliegenden Untersuchungen belegt werden.

Die Thüringer Regularien fordern Kooperationsvereinbarungen zwischen den

Akteuren als Fördervoraussetzung. Diese Regelung wird von den Trägern der

Schulsozialarbeit auch als bedeutsam für das Gelingen der Angebote eingeschätzt.

Auf der Projektebene finden vielfältige schulinterne Kooperationen statt, die sowohl

von den Schulsozialarbeitern/innen als auch von den an der Schule Tätigen als

wichtige Gelingensbedingung angesehen werden. Schulsozialarbeiter/innen

wünschen sich bisweilen eine noch größere Verbindlichkeit zur Kooperation zwischen

den verschiedenen Professionen. In den Erhebungen wurden besonders intensive

Kooperationen zwischen Schulsozialarbeitern/innen, Klassenlehrern/innen,

Schulleitungen und Beratungslehrern/innen beschrieben.

Auch auf der Ebene der sozialräumlichen Vernetzung berichten die Akteure über

vielfältige Vernetzungsstrukturen und eine Öffnung der Schule in den Sozialraum. Die

Zielstellung des Landesprogramms, eine Verbesserung der Brückenfunktion zwischen

den Sozialisationsinstanzen Jugendhilfe, Schule und Familie zu bewirken, wird durch

die Akteure positiv eingeschätzt.

Die überregionalen Vernetzungsstrukturen wie Regionaltreffen, Fortbildungen

innerhalb des Landesprogramms und die Landesfachtagungen erfahren ebenfalls eine

positive Resonanz.

Kooperationen bilden aus Sicht der Akteure ein wichtiges Qualitätsmerkmal in der

Schulsozialarbeit und sollten auch weiterhin von allen Seiten unterstützt werden.

Die Verbesserung der Brückenfunktion zwischen den unterschiedlichen

Sozialisationsinstanzen als eine Zielstellung des Landesprogramms wird von den

unterschiedlichen Akteuren positiv hervorgehoben.

141

Speck (2009): S. 94 ff.

98 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

8.1.4 Qualitätsentwicklung als fortlaufender Prozess

Die Qualitätsentwicklung als Prozess erfährt in den fachlichen Empfehlungen

Thüringens eine besondere Bedeutung.142 Demnach bildet die standortspezifische

Konzeption die Grundlage und trägt entscheidend zum Erfolg der Schulsozialarbeit

bei. Weitere Elemente des Prozesses sind die Dokumentation, die Zielüberprüfung

und der Qualitätsdialog vor Ort. Außerdem werden Fortbildungen und Fachberatung

als Qualitätsinstrumente benannt.

a) Standortspezifische Konzeption

Die vorliegenden Untersuchungen in Thüringen haben gezeigt, dass das

Vorhandensein einer konkreten mit den verschiedenen Akteuren

abgestimmten/kommunizierten Konzeption einen Einfluss auf das von den Akteuren

wahrgenommene Gelingen von Schulsozialarbeit zu haben scheint.

73,4 % der Schulsozialarbeiter/innen hatten bereits 2015 eine solche Konzeption. Auch

die an der Schule Tätigen bestätigen dies. Sie geben zudem an, dass die Konzeption

die Aufgabenfelder der Schulsozialarbeit beschreibt, im Schulentwicklungsplan

verankert ist und allen Beteiligten vorgestellt wurde. Die Einbeziehung der Lehrenden

in die Konzeptentwicklung scheint insgesamt seltener vorzukommen.

An Standorten, an denen eine solche Konzeption vorliegt, wird häufiger davon

berichtet, dass es seltener zu Kompetenzüberschreitungen zwischen den

verschiedenen Professionen kommt, die Lehrkräfte der Schulsozialarbeit gegenüber

aufgeschlossener sind und es häufiger zum Einbinden des sozialen Lernens in den

Unterricht kommt. Auch scheinen die verschiedenen Angebotsformen (Beratung,

Einzelfallhilfe und soziale Gruppenarbeit) der Schulsozialarbeit nach Einschätzung der

Schulsozialarbeiter/innen häufiger wahrgenommen zu werden. Dies lässt den Schluss

zu, dass durch die konzeptionelle Klarheit ein deutlicherer Fokus innerhalb des

Angebotsspektrums der Schulsozialarbeit gelegt wird und dies dazu führt, dass

zielgerichteter gearbeitet wird.

Eine standortspezifische Konzeption ist ein wichtiger Einflussfaktor für gute

Kooperationen und eine zielorientierte Arbeit. Daher sollte eine solche

Konzeption an jedem Standort vorliegen und auch jährlich weiterentwickelt

werden. Die Einbeziehung der schulischen Akteure in die Konzeptentwicklung

sollte zukünftig eine größere Bedeutung haben.

142

Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (2014): S. 10 ff.

Abschließende Bewertung und Handlungsempfehlungen 99

b) Dokumentation

Die Thüringer Regularien stellen durchaus umfangreiche Anforderungen hinsichtlich

der Dokumentation an die Akteure. Wie gezeigt, erfreuen sich diese

Dokumentationserfordernisse bei den Befragten nicht sonderlicher Beliebtheit. Die

Dokumentation umfasst einerseits die Erstellung einer jährlichen Statistik der im

Landesprogramm festgeschriebenen Indikatoren durch die Schulsozialarbeiter/innen

und als Zusammenfassung durch die Jugendämter. Neben dieser Statistik sind

jährliche Sachberichte vorzulegen.

Die Statistik gibt einen guten Überblick über die Entwicklungen der letzten drei Jahre.

So ist festzustellen, dass die Anzahl der durch die Schulsozialarbeit erreichten

Schüler/innen zugenommen hat. Die Angebots-Fallzahlen liegen bei ca. 450 pro

vollbeschäftigte/n Schulsozialarbeiter/in. Im Jahresvergleich ist festzustellen, dass die

Einzelfallhilfen zugenommen und die Beratungen und Kriseninterventionen

abgenommen haben. Dies deutet darauf hin, dass die Arbeit mit einzelnen Kindern

und Jugendlichen intensiver geworden ist.

Bezüglich der Fall- und Nutzungsstatistik liegt bundes- und auch landesweit kein

Referenzrahmen vor, der die dargestellte Anzahl der Fälle ins Verhältnis setzt. Daher

müssen diese Daten innerhalb der im Landesprogramm tätigen Akteure diskutiert

werden und Konkretisierungen erfahren.

Die etablierten Dokumentationsverfahren entsprechen in ihrer Konstruktion den

fachlichen Standards und sind daher zu begrüßen. Eine Weiterentwicklung der

quantitativen Indikatoren des Landesprogramms sollte im Rahmen der

Qualitätsentwicklung gemeinsam mit den Akteuren erfolgen.

c) Fortbildung

Gleichermaßen fachlich anerkannter und geforderter Standard ist die regelmäßige

Teilnahme der Beschäftigten an einschlägigen Fort- und

Weiterbildungsveranstaltungen. Die fachlichen Empfehlungen des Landes Thüringen

sehen dies ebenfalls vor. Die Auswertung der Statistiken zeigt, dass die Thüringer

Schulsozialarbeiter/innen 2014 und 2015 im Durchschnitt acht Weiterbildungstage in

Anspruch nahmen. Die Befragten schätzen ferner die programmbegleitenden

Fortbildungen als bedeutsam ein. Auch die Bewertung der Themen und Inhalte der

Fortbildungen gestaltet sich sehr positiv.

Fortbildungen sind etablierter Bestandteil der Berufstätigkeit der Thüringer

Schulsozialarbeiter/innen und sollten fortgeführt werden.

100 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

d) Fachliche Begleitung

Fachliche Begleitung von Schulsozialarbeitern/innen wird in der Fachdiskussion

regelmäßig eingefordert. Das Land Thüringen eröffnet hier im Rahmen des

Landesprogramms recht umfangreiche Möglichkeiten. Zum einen wird eine regionale

fachliche Begleitung gefördert, welche bei den örtlichen Trägern der öffentlichen

Kinder- und Jugendhilfe angesiedelt ist. Hier ist davon auszugehen, dass diese in recht

unterschiedlichem Umfang realisiert wird. Dies legen beispielsweise die hierfür

beantragten Mittel nahe. Daneben fördert das Landesprogramm auch eine externe

Begleitstruktur (ORBIT), welche insbesondere die Akteure in fachlichen Fragen berät,

Fortbildungen organisiert, regionale Fachaustausche initiiert und wissenschaftliche

Analysen für die Landesebene anstellt. Auf der Grundlage der Erhebungen ist deutlich

geworden, dass die Angebote fachlicher Begleitung bei den Akteuren akzeptiert sind,

dieser sicher aber auch eine Art Kontrollfunktion zugesprochen wird.

Das Thüringer Landesprogramm sieht die Einrichtungen von fachlicher Begleitung

auf zwei Ebenen vor. Dies entspricht den fachlichen Standards und sollte

fortgeführt werden.

8.2 Zielerreichung

Im Landesprogramm „Schulbezogene Jugendsozialarbeit“ werden vier pädagogische

Ziele formuliert:

a) „Die Förderung der individuellen und sozialen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen –unter

Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen und Jungen –, indem

Maßnahmen angeboten werden, in denen Schülerinnen und Schüler über das schulische Angebot

hinaus ihre Fähigkeiten entfalten, Anerkennung erfahren und soziale Prozesse gestalten können.

b) Soziale Benachteiligungen, individuelle Beeinträchtigungen und strukturelle Nachteile sollen

abgebaut werden, indem der Ausgrenzung und den Risiken des Scheiterns in der Schule

entgegengewirkt wird. Schülerinnen und Schüler werden bei der Entfaltung ihrer Stärken, dem

Erschließen ihrer Ressourcen und bei der Entwicklung von Lebensperspektiven unterstützt.

c) Beratung von Lehrkräften und Eltern, indem die sozialpädagogische Sicht- und Handlungsweise

in die Schule eingebracht und somit eine Verbesserung der Brückenfunktion zwischen den

Sozialisationsinstanzen Jugendhilfe, Schule und Familie erreicht wird.

d) Junge Menschen sollen in die Lage versetzt werden, sich vor gefährdenden Einflüssen zu schützen

und zur Kritikfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit sowie zur

Verantwortung gegenüber ihren Mitmenschen befähigt werden.“143

Mithilfe der vorliegenden Untersuchungen wurde versucht, Informationen über das

Erreichen der pädagogischen Ziele durch die Akteure der Schulsozialarbeit auf der

Ebene der Professionellen gesammelt. Durch die Befragung der

143

ebenda: S. 1.

Abschließende Bewertung und Handlungsempfehlungen 101

Schulsozialarbeiter/innen, Träger und an der Schule Tätigen ist es gelungen, deren

Perspektiven aufzuzeigen. Selbstverständlich können hier keine kausalen

Wirkungsketten dargestellt werden. Die befragten Akteure benennen allerdings aus

ihrer Sichtweise heraus Veränderungen, die sie dem Wirken der Schulsozialarbeit

zuschreiben.

Betrachtet man die Ziele des Landesprogramms genauer, lassen sie sich wie vorn

beschrieben, zunächst verschiedenen Zielgruppen zuordnen:

a) Kinder und Jugendliche,

b) Lehrkräfte (an der Schule Tätige),

c) Eltern.

Die Erreichung der Zielgruppen wurde mittels der Jahresstatistik abgefragt. Als

Hauptzielgruppe stehen insbesondere die Kinder und Jugendlichen im Fokus der

Schulsozialarbeit. Aber auch Angebote für Eltern und Lehrkräfte finden sich im

Portfolio der Fachkräfte.

Im Sinne der Ergebnisqualität lassen sich die benannten Ziele in ein Kompetenzmodell

einordnen, welches auch den Thüringer Lehrplänen zugrunde liegt. Demnach werden

vier Kompetenzebenen (Sach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz) benannt.

8.2.1 Auf der Ebene der Kinder und Jugendlichen

Bereits in der Evaluation in Sachsen wurde deutlich, dass die größten Erfolge der

Schulsozialarbeit bei Kindern und Jugendlichen im Bereich der Sozial- und

Selbstkompetenz (Reduzierung von Problemlagen einzelner Schüler/innen und

Reduzierung von Problemlagen einzelner Klassen und Gruppen) zu verzeichnen sind.

144 Bundesweit ist inzwischen unstrittig, dass Schulsozialarbeit Veränderungen in der

Sozial- und Selbstkompetenz von einzelnen Kindern und Jugendlichen und speziellen

Gruppen (z.B. Schulklassen) hervorbringt.

Auch in Thüringen benennen die Schulsozialarbeiter/innen deutlich Veränderungen im

Bereich der Sozial- und Selbstkompetenz. Diese Veränderungen werden in den

Untersuchungen dann häufiger benannt, wenn

die Anzahl der Wochenstunden des/r Schulsozialarbeiters/in über 30 Stunden

liegt,

durch eine/n Schulsozialarbeiter/in nur eine Schule betreut wird,

mehr als ein/e Sozialarbeiter/in an der Schule tätig ist,

die personelle Kontinuität gewährleistet ist,

eine standortspezifische Konzeption vorliegt,

die Schulsozialarbeiter/innen mit den räumlichen Bedingungen zufrieden sind,

144

ORBIT (2014): S. 18.

102 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

die Arbeitsverträge der Sozialpädagogen/innen unbefristet sind.

Zu beachten ist, dass die hier beschriebenen Wirkungsannahmen aus der Sicht der

Professionellen beschrieben werden. Eine Erhebung auf der Ebene der Kinder und

Jugendlichen könnte hier hilfreich sein, um diese Ergebnisse zu überprüfen.

8.2.2 Auf der Ebene der Eltern und Personensorgeberechtigten

Angebote für Eltern machen einen relativ geringen Anteil am Gesamtportfolio der

Schulsozialarbeiter/innen aus. Knapp die Hälfte der Schulsozialarbeiter/innen hält

nach eigenen Aussagen Beratungsangebote für Eltern vor. Aufgrund der geringen

Datengrundlage und der Art der Untersuchungen können auf der Wirkungsebene für

Thüringen bisher nur wenig konkrete Aussagen getroffen werden. Die an der Schule

Tätigen signalisieren, dass ein Ausbau der Angebote für Eltern wünschenswert sei.

8.2.3 Auf der Ebene der an der Schule Tätigen

Die seitens der Schulsozialarbeiter/innen angestoßenen Veränderungen stoßen

bisweilen nur eingeschränkt auf Offenheit bei den an der Schule Tätigen. Mit Blick auf

die grundsätzliche Akzeptanz, Kenntnis und Wertschätzung kann davon ausgegangen

werden, dass sich sozialpädagogische Sicht- und Handlungsweisen im System Schule

etablieren konnten. Die Entlastungsfunktion scheint nach Aussage der Befragten

deutlicher wahrnehmbar als die Befähigungsfunktion. Dennoch scheint es zu

gelingen, dass Lehrer/innen im Sinne pädagogischer Anregungen oder Erweiterungen

der individuellen Handlungskompetenz profitieren. Die Einflüsse von

Schulsozialarbeit auf das System Schule bzw. die Schulentwicklung wird von einer

beachtlichen Zahl von schulinternen Akteuren beschrieben. Inwieweit

Schulsozialarbeit auch dazu beiträgt, Schuldistanz zu mindern und das Erreichen der

formalen Bildungsabschlüsse zu befördern (Abbau von Bildungsbenachteiligungen)

muss an dieser Stelle zunächst offenbleiben. Hierfür wären weitere Untersuchungen

auf der Ebene der Kinder und Jugendlichen nötig.

Das Erreichen der Ziele scheint aus Sicht der befragten Akteure zu gelingen.

Inwieweit die intendierten Wirkungen auch tatsächlich bei den Kindern und

Jugendlichen festzustellen sind, sollte perspektivisch untersucht werden. Hierfür

scheint eine Befragung der Zielgruppe erstrebenswert. Zudem sollten weitere

Möglichkeiten erschlossen werden, um die Wirksamkeit von Schulsozialarbeit zu

beschreiben.

Mit Blick auf die qualitative Weiterentwicklung des Landesprogramms sollte der

Schwerpunkt Elternarbeit inhaltlich thematisiert und fachlich weiterentwickelt

werden, da hierzu bislang keine Erkenntnisse vorliegen.

Auch Schuldistanz und Schulabbruch scheinen Themenfelder zu sein, die im

Rahmen der Weiterentwicklung einer sozialpädagogischen Diskussion bedürfen.

Abbildungsverzeichnis 103

A B B I L D U N G S V E R Z E I C H N I S

Abbildung 1 Wortwolke zum Begriffsdschungel ........................................................... 6

Abbildung 2 Logisches Modell nach Kurz & Kubek (2013)........................................... 10

Abbildung 3 Trägerbefragung: Einfluss des Fachkräftegebots auf den Erfolg des

Landesprogrammes (n=40) ........................................................................................ 18

Abbildung 4 Arbeitsverträge der Schulsozialarbeiter/innen nach Beschaffenheit (n=48)

................................................................................................................................... 20

Abbildung 5 Trägerbefragung: Einfluss der Befristung von Arbeitsverhältnissen auf die

Häufigkeit von Personalwechseln (n=47) .................................................................... 21

Abbildung 6 Schulsozialarbeiterbefragung: Wochenstunden des/r

Schulsozialarbeiters/in insgesamt und an einer Schule (n=147-158) ........................... 22

Abbildung 7 Begünstigende Einflüsse auf Leistungen von Schulsozialarbeit für Kinder

und Jugendliche ......................................................................................................... 22

Abbildung 8 Arbeitszeitbereiche nach Zeitäquivalenten (eigene Berechnungen) ...... 23

Abbildung 9 Anzahl der Schüler/innen (n=158) ........................................................... 26

Abbildung 10 Schulsozialarbeiterbefragung: Tätigkeitszeitraum der befragten

Schulsozialarbeiter/innen (n=143) .............................................................................. 28

Abbildung 11 Schulsozialarbeiterbefragung: Seit wann sind Sie für die betreffende

Schule als Schulsozialarbeiter/in tätig? (n=158) .......................................................... 29

Abbildung 12 Statistikerhebung: Anzahl der Schulsozialarbeiter/innen und Schulen . 29

Abbildung 13 Trägerbefragung: Beitrag des Bereitstellens von Sachmitteln zum

Gesamterfolg von Schulsozialarbeit (n=39) ................................................................ 31

Abbildung 14 Trägerbefragung: Voraussetzungen der schulbezogenen

Jugendsozialarbeit in Thüringen (n=40) ...................................................................... 35

Abbildung 15 Schulsozialarbeiterbefragung: Einschätzung räumliche Situation (n=147)

................................................................................................................................... 36

Abbildung 16 Trägerbefragung: Regelmäßige Abstimmungstermine zwischen Trägern

und Schulsozialarbeitern/innen (n=39) ....................................................................... 41

Abbildung 17 Schulsozialarbeiterbefragung: Häufige Kooperationspartner/innen im

Kontext schulbezogener Jugendsozialarbeit (n=76-153) ............................................. 41

Abbildung 18 Befragung an der Schule Tätige: Häufige Kooperationspartner/innen im

Kontext schulbezogener Jugendsozialarbeit (n=64-242) ............................................ 42

Abbildung 19 Trägerbefragung: Bedeutsamkeit der Begleitstrukturen für die

erfolgreiche Umsetzung der Landesförderung (n=39-40) ........................................... 43

Abbildung 20 Schulsozialarbeiterbefragung: Bedeutsamkeit der Begleitstrukturen für

die erfolgreiche Umsetzung der Landesförderung (n=12-147) .................................... 43

Abbildung 21 Schulsozialarbeiterbefragung: Vorhandensein einer

schulstandortspezifischen Konzeption (n=143) .......................................................... 46

Abbildung 22 Trägerbefragung: Beitrag Abschließen von

Kooperationsvereinbarungen zum Gesamterfolg des Förderprogrammes (n=39) ...... 47

104 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

Abbildung 23 Trägerbefragung: Beitrag der Landesvorgaben

(Kooperationsvereinbarungen) zum Gesamterfolg des Förderprogrammes (n=39) ... 47

Abbildung 24 Trägerbefragung: Beitrag der Landesvorgaben (Fortbildungen) zum

Gesamterfolg des Förderprogrammes (n=38)............................................................. 48

Abbildung 25 Anzahl der Fort- und Weiterbildung in den Jahren 2014 und 2015 ........ 49

Abbildung 26 Gegenüberstellung der Einschätzungen der Träger der Schulsozialarbeit

und der Schulsozialarbeiter/innen: Beitrag der Rahmenvorgaben zum Erfolg der

Schulsozialarbeit I (n=38-147) ..................................................................................... 50

Abbildung 27 Gegenüberstellung der Einschätzungen der Träger der Schulsozialarbeit

und der Schulsozialarbeiter/innen: Beitrag der Rahmenvorgaben zum Erfolg der

Schulsozialarbeit II (n=38-147) .................................................................................... 51

Abbildung 28 Leistungen für einzelne junge Menschen (2015) ................................... 55

Abbildung 29 Bestandsanalyse und Schulsozialarbeiterbefragung: Entwicklung der

Leistungen für einzelne junge Menschen ................................................................... 55

Abbildung 30 Schulsozialarbeiterbefragung: Einflussfaktoren auf die Leistungen der

Schulsozialarbeit für einzelne junge Menschen (n=131-154) ....................................... 57

Abbildung 31 Schulsozialarbeiterbefragung: Leistungen bezogen auf

Schüler/innengruppen (n=153-154) ............................................................................. 58

Abbildung 32 Bestandsanalyse und Schulsozialarbeiterbefragung: Entwicklung der

Leistungen für Schüler/innengruppen ........................................................................ 58

Abbildung 33 Schulsozialarbeiterbefragung: Einflussfaktoren auf Gruppenangebote

der Schulsozialarbeit (n=141-153) ............................................................................... 59

Abbildung 34 Befragung an der Schule Tätige Einflussfaktoren auf die Interventionen

(n=149-218) ................................................................................................................ 60

Abbildung 35 Bestandsanalyse und Schulsozialarbeiterbefragung: Entwicklung der

Zusammenarbeit mit Partnern in der Bildungslandschaft .......................................... 64

Abbildung 36 Bestandsanalyse und Schulsozialarbeiterbefragung: Entwicklung der

Kooperationen mit Partnern in der Bildungslandschaft .............................................. 64

Abbildung 37 Akteure und Wirkungslinien von Schulsozialarbeit (eigene Darstellung)

................................................................................................................................... 66

Abbildung 38 Kompetenzmodell ................................................................................ 68

Abbildung 39 Kompetenzzuschreibungen der verschieden Akteure

(Zusammenstellung aus den verschiedenen Befragungen) (n=41-251)....................... 69

Abbildung 40 Schulsozialarbeiterbefragung: Häufigkeitsverteilung der sozialen

Kompetenzen (n=134-148) ..........................................................................................71

Abbildung 41 Einflussfaktoren auf die Förderung von Sozialkompetenzförderung .... 72

Abbildung 42 Schulsozialarbeiterbefragung: Wirkungen im Bereich der

Selbstkompetenzen (n=142-148) .................................................................................73

Abbildung 43 Einflussfaktoren auf die Förderung von Selbstkompetenz ....................73

Abbildung 44 Beobachtete Wirkungen der Akteure aus den Befragungen (n=35-227) 74

Abbildung 45 Wirkungen der Schulsozialarbeit – Eltern (n=9-227) ............................. 75

Tabellenverzeichnis 105

Abbildung 46 Befragung der an der Schule Tätigen: Ansichten zur Schulsozialarbeit

(n=186-234) ................................................................................................................. 77

Abbildung 47 Befragung der an der Schule Tätigen: Einstellungen des Lehrpersonals

gegenüber der Schulsozialarbeit (n=227-236)............................................................. 79

Abbildung 48 Schulsozialarbeiterbefragung: Häufigkeit Beratung/Unterstützung von

Lehrkräften (n=153-154) ............................................................................................. 80

Abbildung 49 Befragung an der Schule Tätige: Unterstützungsleistungen durch

Schulsozialarbeiter/innen (n=232-235) ....................................................................... 81

Abbildung 50 Gegenüberstellung der Einschätzungen der Schulsozialarbeiter/innen

und der an der Schule Tätige I (n=139-206)................................................................. 83

Abbildung 51 Gegenüberstellung der Einschätzungen der Schulsozialarbeiter/innen

und der an der Schule Tätige II (n=144-222) ............................................................... 84

Abbildung 52 Gegenüberstellung Einschätzungen Schulsozialarbeiter/innen und an

der Schule Tätige III (n=106-183) ................................................................................ 84

Abbildung 53 Einfluss struktureller Voraussetzungen von Schulsozialarbeit .............. 85

Abbildung 54 Schulsozialarbeiterbefragung: Auswirkungen von Schulsozialarbeit I

(n=134-142)................................................................................................................. 88

Abbildung 55 Schulsozialarbeiterbefragung: Auswirkungen von Schulsozialarbeit II

(n=123)........................................................................................................................ 88

T A B E L L E N V E R Z E I C H N I S

Tabelle 1 Fördersummen seit Etablierung des Landesprogrammes schulbezogene

Jugendsozialarbeit ..................................................................................................... 31

Tabelle 2 Ausgewählte Ergebnisse der Sachberichtsauswertung 2013-2015 mit Blick

auf Auskömmlichkeit der Fördermittel (Zahlen geben Anzahl der diesbezüglich

berichtserstattenden Gebietskörperschaften an; nicht alle 23 Thüringer

Gebietskörperschaften haben zu jedem Aspekt Bericht erstattet.) ............................ 32

Tabelle 3 Kooperationsangebote und -strukturen nach Jahren .................................. 44

Tabelle 4 In die Evaluation eingegangene Dokumentationen .................................... 48

Tabelle 5 Beratung und Einzelfallhilfen im Jahresvergleich ........................................ 55

Tabelle 6 Beratung und Einzelfallhilfen im Jahresvergleich nach Sitzungen ............... 56

Tabelle 7 Durchschnittlich aufgewendete Sitzungen pro Fall nach Schulart in 2015 ... 56

Tabelle 8 Akzeptanz Schulsozialarbeit - Auszug aus den Ergebnissen der

Sachberichtsauswertung ............................................................................................ 78

Tabelle 9 Anzahl der Schulabgänger/innen ohne Hauptschulabschluss ...................... 82

106 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

L I T E R A T U R V E R Z E I C H N I S

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ofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=jlr-

KJHAGTH2009rahmen&doc.part=X&doc.price=0.0#jlr-KJHAGTH2009pP12,

abgerufen am 05.05.2017.

110 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

S T E L L U N G N A H M E D E S T H Ü R I N G E R M I N I S T E R I U M S F Ü R B I L D U N G ,

J U G E N D U N D S P O R T

Stellungnahme des TMBJS, Referat 42 zum Abschlussbericht der Evaluation

„Drei Jahre Schulsozialarbeit in Thüringen“

Ausgangslage

Seit der Etablierung des Landesprogramms mit Beginn des Schuljahres 2013//2014 hat das Organisationsberatungsinstitut Thüringen – ORBIT e.V. die fachliche Begleitung inne. In diesem Rahmen werden die Akteure durch Beratung, Fortbildung und Tagungen unterstützt.

Entsprechend dem Koalitionsvertrag zwischen den Parteien DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für die 6. Legislaturperiode von 2014 soll das Landesprogramm „auf der Grundlage der Ergebnisse einer Evaluation und unter Beachtung professioneller Standards“ weiterentwickelt und verstetigt werden.

Der vorgelegte Bericht bündelt die Ergebnisse aus drei Jahren und setzt sie ins Verhältnis mit bundesweiten Entwicklungen. Er untersucht die Wirkungen und hat das Ziel, die schulbezogene Jugendsozialarbeit wissenschaftlich fundiert weiterzuentwickeln.

Abschlussbericht

Der Ausgangspunkt des Abschlussberichtes der Evaluation ist eine Bestandserhebung aus dem Jahr 2014. Danach wurden die einschlägigen Statistiken und Sachberichte der Förderungen ausgewertet und die Schulsozialarbeiter/innen, die an der Schule Tätigen und die Träger der Schulsozialarbeit befragt. Außerdem wurden Vor-Ort-Besuche vorgenommen und in die Auswertung einbezogen.

Auf der Grundlage der Auswertungsergebnisse werden Handlungsempfehlungen abgeleitet (Pkt. 8 des Berichtes), zu denen sich das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (TMBJS) wie folgt verhält:

1. Bedarfsdeckung und politische Weichenstellung

Ein Ausbau der Schulsozialarbeit in Thüringen sollte unbedingt bedarfsorientiert erfolgen. Betrachtet man die der Dortmunder Erklärung zugrundeliegende Modellrechnung, so wären für eine Bedarfsdeckung in Thüringen 1.573 Stellen nötig. (Seite 92 des Abschlussberichtes).

Wie der Bericht korrekt ausführt, ist das Förderprogramm flächendeckend, aber nicht bedarfsdeckend angelegt. Die Landesförderung unterstützt eine stabile Grundfinanzierung der Schulsozialarbeit. Für diese Leistung nach § 13 SGB VIII ist aus

Stellungnahme des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport 111

Sicht des TMBJS der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 85 Abs. 1 SGB VIII zuständig. Das Land fördert ihn im Rahmen seiner Zuständigkeit nach § 82 Abs. 1 SGB VIII.

Ebenso obliegt es den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe, den örtlichen Bedarf festzustellen. Die Bedarfsfeststellung ist die Voraussetzung, nicht jedoch das Maß für die Landesförderung.

2. Rahmenbedingungen für Schulsozialarbeit weiterentwickeln

a) Fachkräftegebot

Das Thüringer Fachkräftegebot ist aus fachlicher Perspektive zu begründen und zu begrüßen. Es wirkt qualitätssichernd und professionsstiftend. Zu überlegen ist, auf die benannten Ausnahmeregelungen zu verzichten.

(Seite 92 des Abschlussberichtes).

Das TMBJS stimmt der Empfehlung uneingeschränkt bei Neueinstellungen zu. Die erteilten Zustimmungen in Einzelfällen (9 Ausnahmeregelungen seit Beginn des Landesprogrammes) betreffen in der Regel langjährig tätige Personen im Bereich der Schulsozialarbeit. Im sog. Fachkräftebeschluss des Landesjugendhilfeausschusses vom 4. Juni 2012 wurde Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die seinerzeit im Bereich der geförderten Stellen der örtlichen Jugendförderung angestellt sind und nicht über Formalqualifikationen verfügen, die Möglichkeit eröffnet, eine Qualifizierung an einer Fachhochschule aufzunehmen. Das für Jugendarbeit zuständige Thüringer Ministerium hat dazu sukzessive vier Kurse an den FH Jena und Erfurt etabliert (sog. 500-Stunden-Programm). Im Sinne der Gleichbehandlung wird für die Absolventen dieser Kurse jene Bestandsschutzregelung für die örtlichen Jugendförderung, zu der bis heute auch Vorhaben der Schulsozialarbeit gehören, nun auch auf die Schulsozialarbeit angewendet.

b) Beschäftigungskontinuität

Schulsozialarbeiter/innen sollten unbefristet beschäftigt sein. Dies zeigt eine Vielzahl positiver Effekte und bedingt die nachhaltige Etablierung von Schulsozialarbeit. Hierfür sollten entsprechende Regelung getroffen werden. Insgesamt sollten Überlegungen angestellt werden, wie das Arbeitsfeld in Thüringen nachhaltig verstetigt werden kann, beispielsweise in Form einer gesetzlichen Fixierung.

(Seite 93 des Abschlussberichtes).

Für die Vorhaben der Schulsozialarbeit werden vom Land Zuwendungen bewilligt. Damit ist der Grundsatz der Jährlichkeit öffentlicher Haushalte maßgebend, der durch das Instrument der Verpflichtungsermächtigung auf das Folgejahr ausgedehnt wird. Es wird konstatiert, dass die seit Jahren stabile Pauschalförderung des Landes nicht verhindern konnte, dass nach wie vor viele befristete Anstellungsverhältnisse existieren. Dies ist jedoch eine Entscheidung der Projektträger, ob freier Träger oder

112 Drei Jahre Schulbezogene Jugendsozialarbeit in Thüringen

örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Dies wird mit Verweis auf die jährliche Förderung des Landes oder sogar auf die befristete Geltungsdauer der Richtlinie begründet. Die formale Dreijahresgeltung von Richtlinien besteht in Thüringen grundsätzlich und enthält keinerlei inhaltliche oder politische Aussagen zur Dauer eines Förderprogramms. Entscheidend sind die im Haushalt des Landes bereitgestellten Mittel, die in der Tat jährlich bzw. für zwei Jahre vom Gesetzgeber beschlossen werden.

Aus Sicht des TMBJS ist das Arbeitsfeld Schulsozialarbeit im § 13 SGB VIII rechtlich geregelt – es liegt in der Verantwortung der Landkreise bzw. kreisfreien Städte. Ihnen obliegt es, für stabile Rahmenbedingungen – z. B. Beschäftigungskontinuität - zu sorgen. Die Empfehlung der Evaluatoren wird durch das TMBJS mitgetragen, denn Fachkräfte sind nur auf Dauer zu binden, wenn sie förderliche Arbeitsbedingungen vorfinden.

Eine gesetzliche Festschreibung des Arbeitsfeldes im ThürKJHAG wird auf Fachebene geprüft.

c) Beschäftigungsumfang und Zuständigkeit

Die im Landesprogramm und den fachlichen Empfehlungen festgeschriebenen Standards sollten unbedingt eingehalten werden. Eine Minimierung der Ausnahmeregelungen ist dafür dringend erforderlich.

(Seite 94 des Abschlussberichtes).

Dieser Empfehlung ist grundsätzlich zuzustimmen. Im Rahmen der Richtlinie Schulbezogene Jugendsozialarbeit werden zwei Ausnahmeregelungen insbesondere in Anspruch genommen. Dies ist 1. die Untergrenze von 30 Wochenstunden je Fachkraft (derzeit arbeiten ca. 55 Schulsozialarbeiter/Schulsozialarbeiterinnen weniger als 30 Stunden) und 2. die Empfehlung „eine Fachkraft – für eine Schule“ (dies betrifft ca. 35 Fachkräfte).

Mit Blick auf den nächsten Förderzeitraum 2018/19 sind im Rahmen der Fachberatung durch die Fachbehörde Lösungsmöglichkeiten zur Minimierung dieser Ausnahmeregelungen zu suchen.

d) Betreuungsverhältnis

Der Einsatz der Schulsozialarbeiter/innen sollte sich auch in Thüringen an den Schülerzahlen der betreuten Schulen orientieren. Das Arbeiten in einem Team von mehreren Schulsozialarbeitern/innen schulstandortübergreifend in Form von Kooperationsmodellen sollte zudem festgeschrieben werden.

(Seite 94 des Abschlussberichtes).

Der Empfehlung kann grundsätzlich zugestimmt werden, allerdings wird darauf verwiesen, dass die Bedarfsfeststellung, wie ausgeführt, in der Verantwortung der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe liegt. Dies trifft ebenfalls auf die

Stellungnahme des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport 113

Entscheidung zu, ob an einer Schule mehrere Fachkräfte, ggf. in Teilzeit, tätig werden sollen (Genderaspekt). Dies muss sich in der jeweiligen fachlichen Konzeption niederschlagen. Bisher gibt es dazu seitens des Landes keine Vorgaben, was zu der von ORBIT festgestellten ausgeprägten Heterogenität der Thüringer Verhältnisse führt. Im Rahmen der Qualitätsentwicklung sollte dies verstärkt diskutiert werden. Mehrere Schulen einbeziehende Kooperationsmodelle konterkarieren allerdings den bewährten Grundsatz „eine Fachkraft – eine Schule“.

e) Vergütung der Fachkräfte

Die tarifgerechte Bezahlung der geförderten Fachkräfte ist aus fachliche Perspektive zu begrüßen und gleichermaßen nötig. Der Fördermittelgeber muss die Kostensteigerungen durch den tariflich festgelegten Mehrverdienst berücksichtigen. Die Eingruppierung sollte perspektivisch angepasst werden.

(Seite 95 des Abschlussberichtes).

Wie in Tabelle 1 auf Seite 30 erkennbar, steigen die Haushaltsansätze Jahr für Jahr an. Damit wird den Ausgabensteigerungen aufgrund der Tarifentwicklung entsprochen und die Einkommen der Fachkräfte der Schulsozialarbeit stagnieren nicht. Insoweit wird der ausgesprochenen Empfehlung durch das Land entsprochen.

Allerdings gilt es hier erneut darauf hinzuweisen, dass der Fördermittelgeber Land nicht allein für die bedarfsgerechte Durchführung der Schulsozialarbeit zuständig ist, sondern die Landkreise und kreisfreien Städte ebenso in der Verantwortung stehen. Die Tatsache, dass gemäß Förderrichtlinie die Festbetragsfinanzierung als Vollfinanzierung sämtlicher zuwendungsfähiger Ausgaben bewilligt werden kann, darf nicht als Verpflichtung des Landes missverstanden werden, alle begründeten Ausgaben voll zu finanzieren.

Die Empfehlung, die Eingruppierung der Fachkräfte perspektivisch anzupassen, muss im Zusammenhang mit der Finanzierung aller Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe gesehen werden. Deshalb ist dies momentan nicht zu unterstützen.

f) Sächliche Ausstattung

Die Förderfähigkeit von Sachausgaben entspricht anerkannten fachlichen Standards und ist aus dieser Perspektive zu begrüßen. Zu prüfen wären, inwieweit die Beantragung und Verwendung derselben durch die Fördermittelerstempfänger bedarfsgerecht ist.

(Seite 96 des Abschlussberichtes).

Im Vergleich zu anderen Förderzwecken besteht bei der Schulsozialarbeit die Besonderheit, dass die Schulträger den Schulsozialarbeiter/innen einen Arbeitsraum und dessen Ausstattung zur alleinigen Verfügung unentgeltlich zur Verfügung zu stellen haben. Damit entstehen keine Miet- und Mietnebenkosten, die projektgebundene Sachkostenbudgets oft stark in Anspruch nehmen. Somit verbleiben nur solche Sachausgaben inklusive Erstausstattung und Material für die

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schulbezogene Jugendsozialarbeit, die zur fach- und sachgerechten Durchführung erforderlich sind. Die Zuwendung für Sachausgaben kann bis zu 15 v. H. der Landeszuwendung an die Leistungserbringer betragen. Hiervon wiederum kann bis zu einem Drittel pauschal als Overheadkosten verwendet werden.

Nicht durch die Evaluation, sondern durch die Prüfung der Verwendungsnachweise ist deutlich geworden, dass Sachkosten für Honorare an Dritte eingesetzt werden. Dies sehen die fachlichen Empfehlungen und die Richtlinie nicht vor. Die Schulsozialarbeit organisiert nicht Projekte Dritter (und finanziert sie), sondern die Schulsozialarbeit selbst ist das Projekt. Es wird daher ein hoher Anspruch an die Zuwendungsempfänger gestellt, konzeptionell zu begründen, dass solche Aktivitäten unverzichtbarer Teil der konkreten Schulsozialarbeit sind. Das gleiche gilt ebenfalls für feststellbare Ferienaktivitäten mit Gruppenbesuchen von kommerziellen Freizeiteinrichtungen, was erhebliche Fahrtkosten und Eintrittsgelder verursacht.

Eine Ausgabeermächtigung bedeutet keine Ausgabeverpflichtung. Der für Sachausgaben einsetzbare Förderanteil von15 v. H. kann auch für steigende Personalausgaben verwendet werden; umgekehrt gilt dies nicht. Etliche Landkreise und kreisfreie Städte verwenden bereits mehr als 85 v. H. der Landeszuwendung für Personalausgaben.

Die Empfehlung der Evaluation wird mitgetragen. Durch die fachliche Begleitung werden in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Fachreferat des TMBJS Handreichungen für den Umgang mit Sachkosten und der Durchführung von Ferienfreizeiten erarbeitet.

g) Räumliche Ausstattung

Die Hinweise bezüglich notwendiger Räumlichkeiten und deren Ausstattung sind aus fachlichen Erwägungen heraus wichtig. Es sollte auch zukünftig darauf hingewirkt werden, dass alle Kooperationspartner/innen die getroffenen Vereinbarungen einhalten. (Seite 96 des Abschlussberichtes).

Die Empfehlung wird uneingeschränkt unterstützt, da, wie unter f) ausgeführt, ein eigener Arbeitsraum unabdingbare Voraussetzung für die Förderung ist, dessen Nichterfüllung zuwendungsrechtliche Konsequenzen hätte. Darüber hinaus sollen weitere Räume zur Mitbenutzung verfügbar sein. Hier arbeitsförderliche Bedingungen zu schaffen, ist Aufgabe der Leistungserbringer sowie der Schulen, mit deren Zustimmung diese Leistung der Jugendhilfe angeboten wird.

3. Schulsozialarbeit braucht Kooperation

Kooperationen bilden aus Sicht der Akteure ein wichtiges Qualitätsmerkmal in der Schulsozialarbeit und sollten auch weiterhin von allen Seiten unterstützt werden. Die Verbesserung der Brückenfunktion zwischen den unterschiedlichen

Stellungnahme des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport 115

Sozialisationsinstanzen als eine Zielstellung des Landesprogramms wird von den unterschiedlichen Akteuren positiv hervorgehoben.

(Seite 97 des Abschlussberichtes).

Die Schulsozialarbeit ist ein wesentlicher Bereich der Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule. Die Erfahrungen zeigen, dass dies überwiegend gelingt. Damit ist ein wesentlicher Aspekt für den Erfolg des Förderprogramms Schulsozialarbeit erfüllt.

4. Qualitätsentwicklung als fortlaufender Prozess

a) Standortspezifische Konzeption

Eine standortspezifische Konzeption ist ein wichtiger Einflussfaktor für gute Kooperationen und eine zielorientierte Arbeit. Daher sollte eine solche Konzeption an jedem Standort vorliegen und auch jährlich weiterentwickelt werden. Die Einbeziehung der schulischen Akteure in die Konzeptentwicklung sollte zukünftig eine größere Bedeutung haben.

(Seite 98 des Abschlussberichtes).

Schulsozialarbeit wird in öffentlichen und freien Schulen geleistet. Im Falle öffentlicher Schulen haben die Landkreise bzw. kreisfreien Städte, die zugleich Jugendhilfeträger und Schulträger sind, als Voraussetzung der Förderung eine Konzeption vorzulegen. Sofern es sich bei den Schulträgern um einen freien Träger handelt, schließen die Landkreise bzw. kreisfreien Städte mit dem Schulträger eine Rahmenvereinbarung ab. In beiden Varianten sind standort-, also schulspezifische Konzeptionen Teil der Arbeitsgrundlage. Es ist anzustreben, dass in allen Schulen eine solche Adaption des Konzeptes vorgenommen wird, um zielgerichtet sozialpädagogisch arbeiten zu können und eine gelingende Kooperation in den Schulen zu verstärken. Diese Empfehlung wird in die Fachberatung des nächsten Schuljahres einbezogen um die Konzeptionen ggf. anzupassen.

b) Dokumentation

Die etablierten Dokumentationsverfahren entsprechen in ihrer Konstruktion den fachlichen Standards und sind daher zu begrüßen. Eine Weiterentwicklung der quantitativen Indikatoren des Landesprogramms sollte im Rahmen der Qualitätsentwicklung gemeinsam mit den Akteuren erfolgen.

(Seite 99 des Abschlussberichtes).

Dokumentations- und Berichtspflichten sind aus fachlicher und haushaltsrechtlicher Sicht unverzichtbar. Ihre Ergebnisse erlauben es, das Förderprogramm insgesamt zu verbessern. Der empfohlenen Diskussion der statistischen Daten innerhalb der im Landesprogramm tätigen Akteure steht nichts entgegen. Jedoch übersieht die Erwartung eines (einheitlichen) Referenzrahmens die Gefahr, dass mit der

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Aggregation faktischer Daten eine Normierung verbunden sein kann. Schon allein aufgrund der verschiedenen Schultypen und Schulgrößen sind hier eher Missverständnisse als Zugewinne an Erkenntnis zu erwarten. Diese Engführung sollte allen Akteuren bewusst sein.

c) Fortbildung

Fortbildungen sind etablierte Bestandteil der Berufstätigkeit der Thüringer Schulsozialarbeitern/innen und sollten fortgeführt werden.

(Seite 99 des Abschlussberichtes).

Dem wird uneingeschränkt zugestimmt.

d) Fachliche Begleitung

Das Thüringer Landesprogramm sieht die Einrichtungen von fachlicher Begleitung auf zwei Ebenen vor. Dies entspricht den fachlichen Standards und sollte fortgeführt werden. (Seite 100 des Abschlussberichtes).

Mit Beginn des Landesprogramms im Jahr 2013 war zunächst nur eine fachliche Begleitung auf Landesebene vorgesehen, die von Anfang an umgesetzt worden ist. Bald wurde auch auf örtlicher Ebene der Bedarf an fachlicher Begleitung artikuliert und diese konzeptioneller Teil des Projektes. Mit Neufassung der Förderrichtlinie 2016 wurde der Rahmen für die fachliche Begleitung vor Ort, wie im vorliegenden Bericht beschrieben, präzisiert, indem bis zu 10 v. H. der Personalausgaben für die fachliche Begleitung vor Ort verwendet werden kann. Auf Landesebene beträgt die Obergrenze dafür 1,5 v. H.

Die Empfehlung wird von Seiten des TMBJS mitgetragen.

5. Zielerreichung

Das Erreichen der Ziele scheint aus Sicht der befragten Akteure zu gelingen. Inwieweit die intendierten Wirkungen auch tatsächlich bei den Kindern und Jugendlichen festzustellen sind, sollte perspektivisch untersucht werden. Hierfür scheint eine Befragung der Zielgruppe erstrebenswert. Zudem sollten weitere Möglichkeiten erschlossen werden, um die Wirksamkeit von Schulsozialarbeit zu beschreiben. Mit Blick auf die qualitative Weiterentwicklung des Landesprogramms sollte der Schwerpunkt Elternarbeit inhaltlich thematisiert und fachlich weiterentwickelt werden. Auch Schuldistanz und Schulabbruch scheinen Themenfelder zu sein, die im Rahmen der Weiterentwicklung einer sozialpädagogischen Diskussion bedürfen. (Seite 102 des Abschlussberichtes).

Die Zielerreichungskontrolle ist ein wichtiges Steuerungsinstrument im Reglement der Landesförderung, zugleich ist sie immer nur näherungsweise erreichbar. In dieser

Stellungnahme des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport 117

Spannung steht jede Sozialarbeit, da intendierte Wirkungen nicht einfach zähl- und messbar sind. Der in der Evaluation gewählte Weg der Befragung der Fachkräfte der Schulsozialarbeit, der an der Schule Tätigen und von Trägerverantwortlichen bringt wertvolle Einsichten hervor, die den vom Förderprogramm eingeschlagenen Weg bestätigen und zugleich Anregungen für dessen Neujustierung en détail vermitteln. Diese gilt es im fachlichen Dialog aller Akteure zu bedenken und in den Prozess des Landesprogramms zu integrieren.