Drei lumbale Facettengelenksinfiltrationstechniken am ...

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Diplomarbeit Drei lumbale Facettengelenksinfiltrationstechniken am anatomischen Prüfstand eingereicht von Stefan Bayer zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der gesamten Heilkunde (Dr. med. univ.) an der Medizinischen Universität Graz ausgeführt am Lehrstuhl für makroskopische und klinische Anatomie unter der Anleitung von Sen.Lecturer Priv.-Doz. Dr.med.univ. Ulrike Pilsl Graz am 31.07.2021

Transcript of Drei lumbale Facettengelenksinfiltrationstechniken am ...

Diplomarbeit

Drei lumbale Facettengelenksinfiltrationstechniken

am anatomischen Prüfstand

eingereicht von

Stefan Bayer

zur Erlangung des akademischen Grades

Doktor der gesamten Heilkunde

(Dr. med. univ.)

an der

Medizinischen Universität Graz

ausgeführt am

Lehrstuhl für makroskopische und klinische Anatomie

unter der Anleitung von

Sen.Lecturer Priv.-Doz. Dr.med.univ. Ulrike Pilsl

Graz am 31.07.2021

I

Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne

fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet

habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen

als solche kenntlich gemacht habe.

Graz am 31.07.2021 Stefan Bayer eh.

II

Danksagungen

Ich möchte bei meiner Familie bedanken, welche mich seit meiner Schulzeit bis

durch das gesamte Studium immer unterstützte.

Danke Mama das du immer ein offenes Ohr hattest und mir immer Mut gemacht

hast!

Danke Bianca, dass du mich immer motiviert hast, weiterzumachen, auch wenn

ich mal selbst nicht ganz von mir überzeugt war!

Danke liebe Gundula, dass auch du mir immer zugehört hast und immer einen

guten Ratschlag parat hattest.

Danke auch Maya und Anatol, dass ihr immer an mich geglaubt habt!

Ein großer Dank gilt meiner Diplomarbeitsbetreuerin Priv.-Doz. Dr.med.univ. Ulrike

Pilsl. Sie ermöglichte es mir diese Arbeit durchzuführen und unterstützte mich mit

zahlreichen Ratschlägen und Verbesserungen.

Ein großer Dank gebührt auch dem Lehrstuhl makroskopischer und klinischer

Anatomie Graz. Danke für sowohl meine anatomische Ausbildung aber auch die

umfangreichen Möglichkeiten für das wissenschaftliche Arbeiten! Die

geschaffenen Rahmenbedingungen sind nahezu einzigartig! Hierbei gilt auch

Dank jenen Menschen, die sich bereit erklärten, ihren Körper nach ihrem Ableben

der Wissenschaft bereit zu stellen.

Dank gilt auch Herrn Priv.-Doz. Dr.med.univ. Georg Feigl, welcher zahllose

Stunden im Seziersaal mit uns verbrachte. Meine Kollegen und mich motivierte er

stets mit seinem Wissen und seinem präparatorischem Können. Er setzte den

Grundstein für mein wissenschaftliches Arbeiten und war stets eine Hilfe!

Zu guter Letzt möchte ich auch allen Freunden danken, welche mich nicht nur

durch das Studium sondern auch abseits davon immer begleiteten.

III

Inhaltsverzeichnis

Danksagungen ....................................................................................................... II

Inhaltsverzeichnis .................................................................................................. III

Glossar und Abkürzungen ..................................................................................... VI

Abbildungsverzeichnis .......................................................................................... VII

Tabellenverzeichnis ............................................................................................. VIII

Zusammenfassung ................................................................................................ IX

Einleitung: .......................................................................................................... IX

Abstract ................................................................................................................. XI

1 Einleitung ........................................................................................................ 1

1.1 Rückenschmerzen und deren Therapie .................................................... 1

1.2 Allgemeine anatomische Grundlagen........................................................ 2

1.2.1 Der Rücken und seine Regionen ........................................................ 2

1.2.2 Die Wirbelsäule ................................................................................... 3

1.2.3 Wirbel ................................................................................................. 6

1.2.4 Discus intervertebralis/Zwischenwirbelscheibe/Bandscheibe ............. 8

1.2.5 Articulatio zygapophysialis, das Facettengelenk .............................. 11

1.2.6 Bänder der Wirbelsäule, ligamentäre Verbindungen der Wirbel ....... 12

1.2.7 Muskulatur des Rückens .................................................................. 16

1.2.8 Nerven der Wirbelsäule .................................................................... 23

1.2.9 Topografie der Rami dorsales der Nervi lumbales ............................ 25

1.3 Schmerzen der Lendenwirbelsäule ......................................................... 27

1.3.1 Einteilung .......................................................................................... 28

1.3.2 Diagnostik ......................................................................................... 29

1.3.3 Die Rolle der Facettengelenke in Bezug auf Rückenschmerzen ...... 31

1.3.4 Facettengelenksblockaden, technische Möglichkeiten und ihre

Wirksamkeit ................................................................................................... 32

IV

1.4 Neuraltherapie – Von ihrer Entstehung bis zur aktuellen

wissenschaftlichen Datenlage ........................................................................... 34

1.4.1 Indikationen nach Kupke/Weinschenk .............................................. 36

1.4.2 Indikationen nach Tilscher ................................................................ 36

2 Material und Methoden.................................................................................. 37

2.1 Die Präparate .......................................................................................... 37

2.1.1 Demographische Daten der Präparate ............................................. 38

2.2 Werkzeuge .............................................................................................. 38

2.3 Technik .................................................................................................... 38

2.3.1 Aufsuchung und Identifikation der Processus spinosi hinsichtlich ihres

Segments ...................................................................................................... 39

2.3.2 Injektionstechniken ........................................................................... 40

2.3.3 Injektionstechnik nach Kupke/Weinschenk (Technik 1; Subgruppe 1a

und 1b) 41

2.3.4 Injektionstechnik nach Tilscher (Technik 2; Subgruppe 2a und 2b) .. 41

2.3.5 Eigene Technik (Technik 3; Subgruppe 3a und 3b) .......................... 42

2.3.6 Präparation ....................................................................................... 44

3 Ergebnisse – Resultate ................................................................................. 47

3.1 Ergebnisse der Injektionstechnik nach Weinschenk ............................... 47

3.2 Ergebnisse der Injektionstechnik nach Tilscher ...................................... 47

3.3 Ergebnisse der eigenen Injektionstechnik ............................................... 48

3.4 Vergleich der verschiedenen Techniken, im speziellen mit der eigens

entworfenen Technik ........................................................................................ 49

3.5 Auswertung nach Geschlecht .................................................................. 50

4 Diskussion ..................................................................................................... 51

4.1 Topographie der Fehltreffer ..................................................................... 51

4.2 Das Problem des Querfingers ................................................................. 53

4.3 Wirbelsäulendeformitäten und deren Auswirkung auf die Trefferquote ... 55

4.4 Die Frage nach dem Volumen ................................................................. 55

V

4.5 Intraartikuläre Injektionen ........................................................................ 56

4.6 Fazit ........................................................................................................ 57

4.7 Limitationen ............................................................................................. 58

5 Literaturverzeichnis ....................................................................................... 59

Anhang ................................................................................................................. 64

VI

Glossar und Abkürzungen

Abb. Abbildung

Art. / Artt. Articulatio / Articulationes

BWS Brustwirbelsäule

CT Computer-Tomographie

cm Zentimeter

FJI facet joint injections

HWS Halswirbelsäule

IB “intermediate branch”

i.v. intravenös

LB “lateral branch”

LBP low back pain

Lig. / Ligg. Ligamentum / Ligamenta

LWS Lendenwirbelsäule

M. / Mm. Musculus / Musculi

MAL “mamillo-accessory ligament”

MB “medial branch”

Mb. Morbus

MBB medial branch block

mm Milimeter

N. Nervus

Proc. Processus

QF Querfinger

R./Rr. Ramus / Rami

S. Seite

VII

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Wirbelsäule von dorsal, lateral und ventral (Rauber & Kopsch, 1998,

S. 180) .................................................................................................................... 5

Abbildung 2: Lendenwirbel von kranial und von rechts (Anderhuber, Pera und

Streicher, 2012, S.122) .......................................................................................... 8

Abbildung 3: Wirbelsäule mit Discus intervertebralis im Querschnitt (Bogduk, 2012,

S. 14) .................................................................................................................... 10

Abbildung 4: Mediansagittalschnitt Wirbelsäule mit Discus intervertebralis

(Platzer,W. et al, 2018, S.67) ............................................................................... 11

Abbildung 5: Ligamenta der Wirbelsäule im thorakolumbalen Bereich (Schünke et

al., 2014, S.120) ................................................................................................... 15

Abbildung 6: Lumbale Wirbelsäule mit Spinalnerv und Lig. mamilloaccessorium

(Cohen et al., 2020) .............................................................................................. 16

Abbildung 7: Lateraler Trakt, sakrospinales System, spinotransversales und

intertransversales System, (Schünke et al 2014, S. 149) ..................................... 20

Abbildung 8: Medialer Trakt, Spinales System und Transversospinales System

(Schünke et al., 2014, S. 151) .............................................................................. 23

Abbildung 9: Ramus dorsalis nervi spinalis (Cohen et al., 2020).......................... 27

Abbildung 10: Darstellung der Injektionstechniken ............................................... 43

Abbildung 11: Präparat nach Entfernen von Haut und Subcutis, eigenes Foto .... 45

Abbildung 12: Präparat mit teilweise entfernter Rückenmuskulatur, eigenes Foto 45

Abbildung 13: Präparat mit Darstellung der Facettengelenke und teilweiser

Entfernung des M. erector spinae, eigenes Foto .................................................. 46

Abbildung 14: Vergleich der Techniken ................................................................ 49

Abbildung 15 Initiale Fehltreffer (kein Knochenkontakt) der Techniken ................ 52

Abbildung 16: Intraartikuläre Injektion, markiert mittels Kanüle, eigenes Foto ..... 56

Abbildung 17 Beispiel einer Tabelle welche zur Dokumentation benutzt wurde ... 64

VIII

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Demographische Daten der Präparate ................................................ 38

Tabelle 2: Kreuztabelle Kupke/Weinschenk Treffer und Fehltreffer ..................... 47

Tabelle 3: Kreuztabelle, Tilscher Treffer und Fehlstiche ...................................... 48

Tabelle 4: Kreuztabelle Eigene Stichmethode Treffer und Fehltreffer .................. 49

Tabelle 5: Kreuztabelle, Auswertung nach Geschlecht ........................................ 50

IX

Zusammenfassung

Einleitung:

„Lower back pain“ also Schmerzen im Bereich der lumbalen Wirbelsäule stellen mit

einer Lebenszeitprävalenz von bis zu 85% (Schmidt et al., 2007, S.14) ein häufiges

Krankheitsbild dar. Die Ätiologie lumbaler Rückenschmerzen ist multifaktoriell, doch

ein nicht unwesentlicher Teil der Schmerzen geht von Pathologien im Bereich der

Facettengelenke, den Articulationes zygapophysiales aus.

Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, um Schmerzen im Bereich der

Facettengelenke zu therapieren. Eine davon kommt aus dem Gebiet der

Neuraltherapie. Die beiden Neuraltherapeuten M. Tilscher (Tilscher, 2007, S. 156)

und S. Weinschenk (Weinschenk, 2010, S. 632f) entwickelten jeweils Techniken zur

Facettengelenksinfiltration. Diese Techniken werden blind gestochen, also nur

anhand von tastbaren Knochenpunkten als Landmarken. Unsere Arbeit beschäftigt

sich damit, diese Techniken nach anatomischen Gesichtspunkten zu testen und zu

vergleichen. Zusätzlich verglichen wir eine eigens entworfene Technik.

Material und Methoden:

45 mittels Thiel’scher Methode fixierte Leichen wurden randomisiert und den drei

Techniken zugeteilt. Diese wurden dann entsprechend der jeweiligen Technik mit

Latex injiziert und anschließend präpariert. Anhand topographischer

Gesichtspunkte wurden anschließend die Trefferquoten der Techniken

dokumentiert und gegeneinander verglichen. Zusätzlich wurde auch die ungenaue

Angabe des Querfingers als Längenmaß untersucht.

Ergebnisse:

Die Technik nach Weinschenk zeigte sich mit einer insgesamten Trefferquote von

72,6% deutlich überlegen gegenüber der Technik nach Tilscher (48,6%) und der

eigenen Technik (47,7%). Nach der Präparation zeigte sich, dass die eigene

Technik zu weit medial liegt und die Technik nach Tilscher zu weit lateral. Die

Technik mit der besten Trefferquote, die Technik nach Weinschenk, liegt zwischen

den beiden anderen Techniken, bezogen auf den Abstand zur Medianlinie.

Das Geschlecht der Präparate hatte keinen Einfluss auf die Trefferquote.

X

Konklusio:

Blinde Stichtechniken zur perkutanen Facettengelenksinjektion zeigen eine

geringere Trefferquote als Stichtechniken, welche mittels bildgebender Verfahren

angewandt werden. Sie sind daher deutlich weniger zuverlässig und weisen ein

höheres Verletzungspotential auf. Wir untersuchten ebenfalls den Querfinger als

Längenmaß. Dieser ist naturgemäß untersucherabhängig und dabei

Schwankungen unterworfen. In unserer Arbeit konnten wir dabei einen statistisch

signifikanten Unterschied bezüglich der Trefferquote nachweisen bei einer Differenz

von nur 0,5 cm bei der Anwendung der Stichtechniken.

Es wurden nur 7 echte intraartikuläre Injektionen beobachtet.

XI

Abstract

Introduction:

Lower back pain represents a very common condition, with a lifetime prevalence of

up to 85% (Schmidt et al., 2007). Not only are a multitude of aetiologies described,

but also there are a wide variety of treatment options for patients available. One of

these treatment options consists of local facet joint injections. There are several

approaches of percutaneous facet joint injections available. One of such

approaches comes in the form of “blind” techniques which utilize osseous structures

of the vertebral column as landmarks. The aim of this study was to discern the most

accurate technique and compare the two existing ones to a technique of our own

design.

Methods:

Using 45 cadavers, preserved using Thiel’s Method, we compared the techniques

described by Tilscher and Weinschenk against our own “medial” technique as

comparison. All techniques were performed in the lumbar segments of the spine,

L1-L5. Skin and subcutaneous fat was removed beforehand.

Using a custom template according to the techniques described by Tilscher

(Tilscher, 2007, S. 156) and Weinschenk (Weinschenk, 2010, S. 632f) we injected

1 ml of latex in the lumbar segments of spine on each side. In addition, we designed

a more medial technique for comparison.

Results:

The technique of Weinschenk had a statistically significant higher rate of success

(72,6%) compared to Tilscher’s technique (48,6%) and our own medial technique

(47,7%). In total, only 7 true intraarticular injections where observed. Using gross

anatomic dissection, we were able to discern the location of the latex in comparison

to the facet joint. In the case of misplaced need position, Tilscher’s technique mostly

hit lateral of the facet joint, our own technique mostly medial. Weinschenk’s

technique hit both lateral and medial the facet joints. The gender of the cadavers

showed no influence on the success rate.

XII

Conclusion:

Our study questions the accuracy of blind percutanous techniques. Compared to

techniques with utilization of imaging devices, such as fluoroscopy or sonography,

it showed a higher risk of incorrect needle placement and possible injuries.

Additionally, using the width of a finger as a measurement device, as described in

literature, has a potential negative impact on the success rate of the technique.

1

1 Einleitung

1.1 Rückenschmerzen und deren Therapie

Rückenschmerzen stellen mit einer Lebenszeitprävalenz von bis zu 85% nicht nur

eine der häufigsten Krankheiten der westlichen Bevölkerung dar, sondern sind auch

mit erheblichem Aufwand, Diagnostik, Therapie und damit auch Kosten für das

Gesundheitssystem verbunden.

Rückenschmerzen oder auch „low back pain“ (LBP) in der englischsprachigen

Literatur genannt, werden eingeteilt anhand ihres Verlaufs (akut, subakut oder

chronisch), nach Ätiologie (spezifisch oder unspezifisch) und auch nach klinischer

Symptomatik (lokal, radikulär oder pseudoradikulär).

Viele Arbeiten sowohl im deutschsprachigen Raum als auch international zeigen,

dass ein nicht unerheblicher Teil der Schmerzen im Bereich der lumbalen

Wirbelsäule von degenerativen Veränderungen im Bereich der Facettengelenke

ausgelöst wird. Klinisch äußern sie sich meist als lokales oder pseudoradikuläres

Schmerzsyndrom.

Als Therapiemöglichkeiten stehen eine Vielzahl an konservativen oder invasiven

Maßnahmen zur Verfügung.

Zu den invasiven Methoden zählen perkutane Verfahren wie lokale Injektionen.

Diese werden sowohl blind, also anhand von tastbaren Knochenpunkten als

Landmarken durchgeführt als auch gezielt, mittels Ultraschall, Durchleuchtung (C-

Bogen) oder CT durchgeführt.

Zwei blinde Stichtechniken zur Facettengelenksinjektion wurden von S.

Weinschenk und H. Tilscher beschrieben. Beide gehen von den Processus spinosi

der Wirbelsäule aus (Hans Tilscher, 2007, S. 156; Weinschenk, 2010, S. 633).

Hopfgartner untersuchte die Treffergenauigkeit in der Brustwirbelsäule und

Lendenwirbelsäule, wobei als Treffer der Knochenkontakt galt (Hopfgartner, 2017).

Die Arbeit eruierte das Gefahrenpotenzial der Stichtechniken im Bereich der

Brustwirbelsäule, und zwar ob die Nadel unbeabsichtigt die Wirbelsäule passieren

kann und es im Zuge dessen zu Organverletzungen kommen könnte.

2

Wir gingen noch einen Schritt weiter und betrachteten die Techniken etwas

genauer. Anhand von Latexinjektionen und subsequentem Präparieren von 45

Körperspendern verglichen wir die Trefferquote von zwei schon beschriebenen

Techniken und einer eigens entworfenen Technik. Die Beurteilung erfolgte aufgrund

ihres Ausbreitungsmusters und der Lokalisation des Latex zum Facettengelenk und

dessen versorgenden Nerven.

Die Arbeit von Hopfgartner zeigte ebenso wie wichtig die Entfernung des Einstiches

von der Medianebene ist. Eine Verschiebung der Einstiche nach lateral erhöhte die

Anzahl der Fehltreffer signifikant.

Mit dem Ziel die bereits bestehenden Techniken nach Tilscher und Weinschenk zu

verbessern und damit auch sicherer zu machen, entwarfen wir zusätzlich eine

eigene Technik, welche als Vergleich diente. Die Technik wurde so gewählt, dass

sie deutlich medialer liegt. Auch die eigens entworfene Technik wurde auf ihre

Trefferquote getestet, und zwar ebenso über Injektion von Latex und

darauffolgender Präparation zur Lokalisation des applizierten Latex.

1.2 Allgemeine anatomische Grundlagen

1.2.1 Der Rücken und seine Regionen

Der Rücken ist der Teil der Rumpfwand, welcher sich vom Hinterhaupt, dem Os

occipitale, bis zum Kreuzbein, dem Os sacrum, erstreckt. Er entspricht der

Längsausdehnung der Wirbelsäule. Lateral geht der Rücken ohne scharfe

Begrenzung in die Seitenflächen des Körpers über (Anderhuber, Pera und

Streicher, 2012, S. 117).

Am weitesten cranial befindet sich die Regio cervicalis posterior, welche einen Teil

der Nackenregion, der Regio nuchalis, darstellt. Die Regio cervicalis ist cranial

durch die Linea nuchae superior von der Regio occipitalis abgegrenzt, lateral geht

sie in die Regio cervicalis lateralis über. Kaudal des siebenten Halswirbels schließt

sich median die Regio vertebralis an. Lateral von dieser Region liegen von cranial

nach kaudal die Regiones scapularis, infrascapularis, lumbalis und sacralis, welche

ebenfalls zum Rücken gezählt werden (Hafferl, 1969, S. 680).

Die kaudalen Begrenzungen des Rückens verlaufen wie folgt: median befindet sich

die Spitze des Kreuzbeins, welche ebenso die untere Begrenzung der Regio

3

sacralis darstellt. Lateral des Os sacrum befindet sich die Crista illiaca, welche die

Regio lumbalis von der Regio glutea abgrenzt.

Je nach Autor wird der Rücken in noch weitere Regionen eingeteilt, was aber aus

topographischer Sicht nicht immer sinnvoll ist. Klinisch relevante Regionen sind die

Regio occipitalis wegen ihrer Beziehung zum Rest des Nackens, die Regio

scapularis aufgrund ihrer Beziehung zu den Lungenspitzen, die Regio lumbalis

wegen des Zugangs zu den Nieren und nicht zuletzt die Regio vertebralis aufgrund

des darunterliegenden Rückenmarks und der Rückenmarkshäute (Hafferl, 1969, S.

680).

1.2.2 Die Wirbelsäule

Die Wirbelsäule, Columna vertebralis, bildet die knöcherne Grundlage unseres

Skeletts. Sie ist die zentrale Säule unseres Rumpfes, welche einerseits über

Zwischenwirbelscheiben und straffe Bänder, andererseits über eine Vielzahl an

Muskeln fest miteinander verbunden ist. Kapandji vergleicht ihre Form mit der eines

Schiffsmastes, welcher als Basis das Becken hat und sich nach kranial aufrichtet.

Gleich wie ein Schiffsmast, welcher über eine Vielzahl von Tauen, ausgehend vom

Rumpf des Schiffes aufrecht gehalten wird, wird die Wirbelsäule über eine Vielzahl

von Ligamenta und Muskeln stabilisiert und aufgerichtet (Kapandji, 2016, S.14).

Sie besteht aus 24 einzelnen Wirbeln und drei Abschnitten:

7 Hals- beziehungsweise Cervikalwirbel, diese bilden die Halswirbelsäule

(HWS)

12 Brust- beziehungsweise Thorakalwirbel, diese bilden die

Brustwirbelsäule (BWS)

5 Lenden- beziehungsweise Lumbalwirbel, diese bilden die

Lendenwirbelsäule (LWS)

Des Weiteren werden auch das Os sacrum, das Kreuzbein, und das Os coccygis,

das Steißbein, zum Verbund der Wirbelsäule gezählt.

Das Kreuzbein besteht bei 50% der erwachsenen Bevölkerung aus 5 miteinander

verschmolzenen sakralen Wirbeln, ist aber zu einem großen Teil Variationen

unterworfen. Eine häufige Variation des Kreuzbeines ist die Sakralisation. Im Falle

einer Solchen kommt es zu Vermehrung der sakralen Wirbel (meist auf 6 Stück)

4

aufgrund der Miteinbeziehung eines kaudalen Lumbalwirbels oder eines kranialen

Wirbels des Steißbeines. Das Os sacrum ist annähernd dreieckig geformt und

schaufelförmig, wobei es nach dorsal konvex gekrümmt imponiert (Rauber &

Kopsch, 1998, S. 196-202).

Das Steißbein ist ein Andenken an frühere schwanzartige Körperteile unserer

evolutionären Vorfahren. Es ist das Rudiment einer Schwanzwirbelsäule und setzt

sich aus 3-6 einzelnen Wirbelrudimenten zusammen. Diese sind untereinander

entweder knöchern, knorpelig oder sogar gelenkig verbunden (Rauber & Kopsch,

1998, S. 203).

Der Schultergürtel ist nun wie ein Segel in einer transversalen Richtung an der

Wirbelsäule befestigt.

Aus biomechanischer Sicht muss die Wirbelsäule zwei gegensätzliche

Eigenschaften miteinander verbinden, Elastizität und Rigidität. Nur wenn beide in

Einklang sind, besteht die höchstmögliche Stabilität bei gleichzeitig größtmöglichem

Bewegungsumfang unseres Rumpfes (Kapandji, 2016,S.15).

Um die axiale Belastbarkeit noch weiter zu erhöhen ist die Wirbelsäule nicht wie ein

Stab gerade geformt, sondern besitzt segmental verschiedene Krümmungen. Diese

Krümmungen sind teils nach ventral konvex geformt, man nennt dies Lordose, teils

nach ventral konkav geformt, was man Kyphose nennt.

Von kranial nach kaudal bezeichnet man diese Krümmungen nun wie folgt:

Die Halslordose, vom 1. bis zum 6. Halswirbel

Die Brustkyphose, vom 6. Halswirbel bis zum 9. Brustwirbel

Die Lendenlordose, vom 9. Brustwirbel bis zum 5. Lendenwirbel

Die Sakralkyphose, im Sakral- und Coccygealbereich

Bei Neugeborenen sind diese Krümmungen noch nicht sehr stark ausgeprägt, sie

konsolidieren sich erst im Laufe der ersten Lebensjahre. Zusätzlich zu diesen

Krümmungen ist die Wirbelsäule am Übergang vom Kreuzbein zur freien

Wirbelsäule stark abgeknickt. Dieser Knick, welcher als Lumbosakralwinkel

bezeichnet wird, kann quantifiziert werden, indem man je eine dorsoventrale Achse

durch den 5. Lendenwirbel und den 1. Sakralwirbel legt und den Winkel, in dem die

beiden Achsen zueinander liegen misst. Der Discus intervertebralis zwischen den

beiden oben genannten Wirbeln ist essenziell als Referenzpunkt für verschiedene

Beckenmaße. Beispielsweise die Beckenöffnung mit dem kürzesten Durchmesser,

5

die Conjugata vera beziehungsweise obstretica. Er ragt am weitesten in den

Beckeneingangsraum und wird als Promontorium bezeichnet.

( Rauber & Kopsch, 1998, S. 181)

Abbildung 1: Wirbelsäule von dorsal, lateral und ventral (Rauber & Kopsch, 1998, S. 180)

6

1.2.3 Wirbel

Jeder Wirbel besteht grundlegend aus einem Körper, dem Corpus vertebrae,

welcher ventral liegt und dem dorsal liegenden Bogen, Arcus vertebrae. Diese

Grundform lässt sich auf jeder Etage der Wirbelsäule finden, besitzt aber weitläufige

Abweichungen an allen genannten Komponenten, und zwar in Abhängigkeit der

Höhe innerhalb der Wirbelsäule.

Der Wirbelkörper besitzt eine annähernd zylindrische Form, wobei er breiter als

hoch ist. Er hat eine kraniale und eine kaudale Fläche, beide tragen eine hyalin-

knorpelige Abschlussplatte und laufen in einer knöchernen bogenförmigen

Randleiste aus. Laut Kapandji weisen die einzelnen Wirbelkörper die Struktur eines

kurzen Knochens auf. Wie bei anderen kurzen Knochen wird auch hier eine

intraossäre Spongiosa von einer soliden Kortikalis umschlossen. Die Spongiosa ist

aus einem Netz an Knochenbälkchen aufgebaut. Diese Knochenbälkchen, auch

Trabekel genannt, bilden eine schwammartige Struktur, deren Hohlräume mit

Knochenmark ausgefüllt sind. Aufgrund von Zug- und Druckkräften kommt es zu

einer Verdichtung der Knochenbälkchen und einer Anordnung der trabekulären

Struktur entlang der Trajektorien der Krafteinwirkung. Die daraus entstehenden

trabekulären Systeme überschneiden sich in ihren Trajektorien, was dem

Wirbelkörper eine hohe Stabilität verleiht.

Die hauptsächliche mechanische Belastung eines Wirbels trägt das Corpus

vertebrae.

(Rauber & Kopsch, 1998, S. 183-194; Kapandji, 2016, S. 22-27)

Der Arcus vertebrae, der Wirbelbogen, entsteht durch die Verwachsung zweier

symmetrischer Hälften in der Medianebene. Der ventrale Teil des Wirbelbogens,

der Pediculus arcus vertebrae, hat seine Basis an der dorsalen Seite des

Wirbelkörpers. Den dorsalen Abschnitt des Arcus vertebrae nennt man Lamina

arcus vertebrae.

Vom Pediculus arcus vertebrae ausgehend entspringen mehrere knöcherne

Strukturen. Diese sind paarig angelegt. Es sind die Querfortsätze, Processus

transversi, und die Gelenksfortsätze, Processus articulares.

Die Querfortsätze sind nach lateral ausgerichtet. Sie sind im thorakalen Bereich der

Wirbelsäule sehr kräftig ausgebildet, im cervikalen und lumbalen Bereich kommen

7

sie im Gegensatz dazu nur rudimentär vor. Sie dienen als Ursprung und Ansatz von

vielen Muskeln und Ligamenta.

Von den Gelenksfortsätzen, den Processus articulares, gibt es pro Seite jeweils

zwei. Zwei obere Gelenksfortsätze, die Processus articulares superiores, welche

nach kranial ausgerichtet sind, und zwei nach kaudal gerichtete unteren, die

Processus articulares inferiores. Betrachtet man nun mehrere Wirbel, artikulieren

immer die Processus articulares inferiores eines Wirbels mit den Processus

articulares superiores des kaudal davon liegenden Wirbels. Diese Gelenke nennt

man Wirbelbogengelenke oder auch Facettengelenke, die Articulationes

zygapophysiales. In Verbindung mit den Zwischenwirbelscheiben sind die

Facettengelenke ausschlaggebend für das Bewegungsausmaß der Wirbelsäule.

Auch bei den Gelenksfortsätzen gibt es jeweils Unterschiede, welche vom Abschnitt

der Wirbelsäule abhängig sind. Diese erklären auch die bevorzugten

Bewegungsmöglichkeiten der verschiedenen Wirbelsäulensegmente.

Dorsal an den Processus articularis schließt sich die ebenfalls paarige Lamina arcus

vertebrae an. Diese läuft schlussendlich in den unpaarigen Dornfortsatz, den

Processus spinosus aus. Der Processus spinosus liegt streng median.

Der Processus spinosus ist nicht nur in Abhängigkeit der Wirbelsäulenetage

Veränderungen unterworfen, sondern auch auf physiologische und pathologische

Weise bei jedem Menschen unterschiedlich.

(Rauber & Kopsch, 1998,S. 183-188; Kapandji, 2016, S. 22-28)

Diese Tatsache ist besonders hervorzuheben, denn der Processus spinosus stellt

den Tastpunkt der Wirbelsäule dar. Er wird als Referenz beziehungsweise als

Landmarke für die Durchführung der von uns untersuchten neuraltherapeutischen

Techniken verwendet.

Die Wirbelsäule dient aber nicht nur als zentrale Säule und Stütze unseres

Rumpfes, sondern auch als Protektor unseres Rückenmarks. Die Rückflächen der

Wirbelkörper bilden zusammen mit den Wirbelbögen das Wirbelloch, Foramen

vertebrale genannt. Die Foramina vertebralia aller Wirbel bilden in ihrer Gesamtheit

den Canalis vertebralis, den Wirbelkanal, welcher das gesamte Rückenmark

inklusive seiner Rückenmarkshäute beherbergt.

Während der Entwicklung kann es bei der Verschmelzung der Wirbelbögen zu

Störungen kommen. Es handelt sich dabei um einen sogenannten

8

Neuralrohrdefekt. Sind nur einer oder mehrere einzelne Wirbelbögen betroffen, wird

dies Spina bifida bezeichnet. Diese Pathologie kann auch weitläufiger eintreten,

muss dabei aber nicht nur eine ganze Serie von Wirbelbögen betreffen, sondern

kann gleichzeitig auch die Meningen und das Rückenmark selbst treffen.

Bezeichnet wird dies dann als Rachischisis.

Als Austrittsmöglichkeit der Spinalnerven aus dem Canalis vertebralis dienen die

Foramina intervertebralia. Jeder Wirbel hat an der Basis des Wirbelbogens zwei

Einkerbungen, diese werden Incisurae vertebrales genannt. Die Einkerbung kranial

am Pediculus arcus vertebrae wird Incisura vertebralis superior genannt. Die

kaudale wird Incisura vertebralis inferior genannt. Durch das Zusammenspiel der

Einbuchtungen eines Wirbels und den Einbuchtungen der jeweils kranial und kaudal

davon liegenden Wirbel entstehen die Zwischenwirbellöcher, die Foramina

intervertebralia.

Durch die Größenzunahme der Wirbel und den Abstand zu den Disci

intervertebrales, nimmt die Größe der Foramina intervertebralia von kranial nach

kaudal zu.

(Rauber & Kopsch, 1998,S. 183f; Anderhuber, Pera und Streicher, 2012, S. 117-

123)

Abbildung 2: Lendenwirbel von kranial und von rechts (Anderhuber, Pera und Streicher, 2012, S.122)

1.2.4 Discus intervertebralis/Zwischenwirbelscheibe/Bandscheibe

Die Disci intervertebrales sind fundamentale Bestandteile der Columna vertebralis

beziehungsweise deren Bewegungssegmente. Sie stellen nicht nur eine

Verbindung der Wirbelkörper dar und übertragen Druckkräfte, sondern sind auch zu

einem Großteil für die passive Mobilität der Wirbelsäule verantwortlich. Betrachtet

9

man ihren Anteil an der Höhe der gesamten Wirbelsäule, machen die Disci

intervertebrales circa ein Viertel der präsakralen Wirbelsäule aus. Morphologisch

entspricht ihre Form in der Sagittalen nicht genau der einer Scheibe, sondern sie

sind leicht keilförmig, was der segmentalen Krümmung der Wirbelsäule

zugutekommt. So sind zum Beispiel die Zwischenwirbelscheiben der lumbalen

Wirbelsäule ventral höher als dorsal (Anderhuber, Pera und Streicher, 2012, S.

125).

Der Discus intervertebralis besteht aus einem zentralen Kern, dem Nucleus

pulposus, einem Faserring, dem Anulus fibrosus, und einer hyalinen Knorpelplatte,

der Lamina cartilaginosa corporis vertebrae.

Der Anulus fibrosus ist ein Faserring, welcher sich in eine Außenzone und eine

Innenzone einteilen lässt. Die äußere Zone besteht aus lamellenartig angeordneten

Lagen an kollagenen Faserbündeln, welche hauptsächlich Kollagen Typ I und Typ

II enthalten. Die innere Zone gleicht einem Faserknorpel und geht in den Nucleus

pulposus über, ihm gegenüber besitzt sie keine scharfe Begrenzung. Die Fasern

sind einerseits konzentrisch, andererseits in ihrer Faserrichtung so angeordnet,

dass übereinander liegende Schichten im 90°-Winkel zueinanderstehen und sich

überkreuzen. Durch dieses Geflecht wird ein Austritt des Nucleus pulposus

verhindert und dieser an seinem Platz fixiert. Der Faserring ist altersbedingten

Umbauten unterworfen. Kommt es etwa zu Rissen, werden diese durch eine Fusion

der Lamellen repariert, was aber eine Schwächung des Ringes an diesen Stellen

zur Folge hat. Diese treten meist dorsal auf, was auch eine Erklärung in Hinblick auf

Nucleusprotrusion und Nucleusprolaps darstellen könnte (Rauber & Kopsch, 1998,

S. 206ff).

Die hyaline Knorpelplatte, von Bogduk auch vertebrale Endplatte genannt, befindet

sich am Corpus vertebrae, und zwar innerhalb der knöchernen Randleiste. Sie stellt

die Verbindung des inneren Teils des Anulus fibrosus und des Nucleus pulposus

mit dem Wirbelkörper dar, welcher sowohl kranial als auch kaudal von ihr bedeckt

wird. Die vertebrale Endplatte reicht nicht bis zur knöchernen Randleiste und damit

auch nicht bis zum äußeren Rand des Anulus fibrosus. Am äußeren Rand des

Anulus fibrosus ist dieser direkt mit der knöchernen Randleiste verbunden.

Histologisch betrachtet ist die dem Wirbelkörper zugewandte Seite eher aus

10

hyalinem Knorpel aufgebaut, wohingegen die dem Nucleus pulposus zugewandte

Seite aus Faserknorpel besteht. Die kollagenen Fasern haben ihren Ursprung im

Anulus fibrosus. Dabei stellt der faserknorpelige Anteil der vertebralen Endplatte

eine Art Erweiterung des Anulus fibrosus dar. Die beiden Strukturen umschließen

den Nucleus pulposus allseits wie eine Kapsel. Die Verbindung zwischen der

vertebralen Endplatte und dem Wirbelkörper ist schwächer als ihre Verbindung mit

dem Nucleus pulposus. Daher wird die vertebrale Endplatte als Teil des Discus

intervertebralis angesehen und nicht als ein Teil des Wirbelkörpers. (Bogduk, 2000,

S. 22f).

Abbildung 3: Wirbelsäule mit Discus intervertebralis im Querschnitt (Bogduk, 2012, S. 14)

Abbildung 3 zeigt die Verhältnisse von Discus intervertebralis, Anulus fibrosus und

der vertebralen Endplatte.

Der Nucleus pulposus ist ein gallertartiger Kern, welcher einen großen Anteil an

Glykosaminoglykanen enthält. Diese haben die Fähigkeit sehr viel Wasser zu

binden. Durch diesen hohen Wassergehalt wirkt der Nucleus pulposus wie ein

Wasserkissen: wirkt Druck auf ihn ein, überträgt er die Kraft gleichmäßig auf den

ihn umgebenden Anulus fibrosus. Der Wassergehalt nimmt allerdings bei

Druckeinwirkung ab, und es kommt zu Flüssigkeitsverschiebung. Es kommt daher

im Laufe des Tages zu einer Höhenabnahme der Disci intervertebrales. Diese

Tatsache hat auch einen Einfluss auf die Körperlänge, welche aufgrund der

Belastung im Laufe eines Tages um bis zu 3 cm abnimmt (Anderhuber, Pera und

Streicher, 2012, S.125).

11

Die Abbildung 4 zeigt einen Mediansagittalschnitt der Wirbelsäule mit Discus

intervertebralis. Markiert sind: Der Anulus fibrosus (1), Nucleus pulposus (2), die

hyaline Endplatte/Lamina cartilaginea (3) und die Ligg. longitudinalia anteriora et

posteriora (4).

Abbildung 4: Mediansagittalschnitt Wirbelsäule mit Discus intervertebralis (Platzer,W. et al, 2018, S.67)

1.2.5 Articulatio zygapophysialis, das Facettengelenk

Die Articulationes zygapophysiales, auch Facettengelenke genannt, werden aus

den miteinander artikulierenden Processus articulares superiores et inferiores

aufgebaut. Morphologisch zählt man sie zu den diskontinuierlichen

Gelenksverbindungen, den „echten“ Gelenken. Sie besitzen eine Kapsel, einen

Gelenksspalt und zwei getrennte mit hyalinem Knorpel überzogene Gelenkskörper.

(Bogduk, 2000, S.47)

Die Gelenkskapsel der Facettengelenke setzt sich aus einer Membrana fibrosa und

einer Membrana synovialis zusammen, wobei die Membrana fibrosa einen

gewissen Anteil an elastischen Fasern enthält, was zur Stabilisierung der

Wirbelsäule beiträgt. Außerdem weisen sie meniskoide Falten auf. Diese sind

Einstülpungen der synovialen Kapsel, so genannte Plicae synoviales, welche in den

Gelenksraum reichen. Über die Funktion dieser Synovialfalten sind sich die Autoren

nicht einig. So weist ihnen Platzer krafttragende Funktion zu (Platzer, Fritsch und

Kahle, 2018, S. 70), Rauber-Kopsch aber wiederspricht dieser Theorie, aufgrund

12

des histologischen Aufbaus der Plicae (Rauber & Kopsch, 1998, S. 213). Aufgrund

der Form der Gelenksflächen zählt man sie zu den Articulationes planae, wobei zu

beachten ist, dass sie sich segmental sowohl in der Form als auch in der

Ausrichtung ihrer Gelenksflächen unterscheiden. Durch diese Unterschiede sind in

den verschiedenen Abschnitten der Wirbelsäule unterschiedliche Bewegungen

möglich. (Rauber & Kopsch, 1998, S. 211)

Im Bereich der Halswirbelsäule sind die Gelenksflächen um 45° gegen die

Horizontale geneigt und zwar nach cranio-dorsal. Ebenso sind die Gelenkskapseln

schlaff. Die HWS ist der beweglichste Teil unserer Wirbelsäule. Sowohl Vor- und

Rückwärtsbeugen als auch Seitwärtsneigung und Drehung sind gut möglich.

Im Bereich der Brustwirbelsäule stehen die Gelenksflächen eher frontal, also sehr

steil. Die Rotation der BWS ist mit circa 35° deutlich größer als die der LWS aber

geringer als die mögliche Rotation der HWS (Rauber & Kopsch, 1998, S. 215;

Kapandji, 2016, S. 53).

Die Processus articulares der Lendenwirbelsäule sind wiederum senkrecht und

nahezu sagittal ausgerichtet. Die ausgebildeten Gelenksflächen der oberen

Gelenksfortsätze sind leicht konkav und blicken nach medial, die der unteren weisen

eine Konvexität auf und sind nach lateral gerichtet. Im Gesamten ist im Bereich der

LWS ein großes Ausmaß an Flexion und Extension, aber nur eine geringe Rotation

möglich.

(Anderhuber, Pera und Streicher, 2012, S. 127; Schünke et al., 2014, S. 114)

1.2.6 Bänder der Wirbelsäule, ligamentäre Verbindungen der Wirbel

Eine Vielzahl an Ligamenta verbindet die einzelnen Wirbel der Columna vertebralis.

Dabei stehen sowohl Wirbelkörper als auch Wirbelbögen mittels Ligamenta in

Verbindung.

Obwohl die Gelenkskapsel der Artt. zygapohysiales eine bandartige Funktion erfüllt,

wird sie meist nicht zu den Ligamenta der Wirbelsäule gezählt.

Es bestehen vertikale Verbindungen aller Wirbelkörper und der

dazwischenliegenden Bandscheiben, und zwar in Form eines vorderen und hinteren

Längsbandes.

13

Das vordere Längsband, Lig. longitudinale anterius, liegt ventral der Wirbelkörper.

Beginnend am Atlas inseriert das Lig. longitudinale anterius immer am oberen und

am unteren Rand der Wirbelkörper und endet am ersten Kreuzbeinwirbel. Es nimmt

an Breite von kranial nach kaudal zu. Es besteht aus oberflächlichen und tiefen

Anteilen. Die tiefen Anteile verbinden immer zwei Wirbelkörper miteinander. Die

oberflächlichen Anteile ziehen über vier bis fünf Wirbel hinweg. Das Lig.

longitudinale anterius hat keine feste Verbindung zu den Disci intervertebrales.

(Rauber & Kopsch, 1998 S. 208)

Der überwiegende Teil des Bandes setzt an den Randleisten der Wirbelkörper an

und verläuft ohne Kontakt über die Konkavität der Wirbelkörper. Einige

tieferliegende Anteile beziehungsweise Fasern des Bandes inserieren aber auch

am Periost der konkaven Anteile der Wirbelkörper. An den Stellen, an denen keine

Fasern am Periost inserieren, verlaufen Blutgefäße und Nerven eingebettet in

Bindegewebe (Bogduk, 2000, S. 64)

Das Lig. longitudinale posterius verläuft auf der dorsalen Seite der Wirbelkörper. Es

erstreckt sich ebenso vom Os occipitale bis zum Os sacrum, weist aber bezüglich

Form und Insertion Unterschiede zum Lig. longitudinale anterius auf. Es ist schmäler

und nimmt eine rhombenförmige Gestalt an. Am Corpus vetrebrae bedeckt es nur

einen schmalen Teil zwischen den Pediculi arcus vertebrae. Auf Höhe der Disci

intervertebrales dehnt es sich aber deutlich nach lateral aus, daher die

rhombenförmige Gestalt. Ebenso wie beim Lig. longitudinale anterius wird der Spalt

zwischen Band und Knochen von Gefäßen und Bindegewebe gefüllt (Rauber &

Kopsch, 1998, S. 208-211).

Zu den Wirbelbogenbändern zählen die Ligg. flava, die Ligg. interspinalia, die Ligg.

intertransversaria, die Ligg. supraspinalia und im Bereich der HWS das Lig. nuchae.

Die Ligg. flava spannen sich zwischen den einzelnen Laminae der Wirbelbögen auf

und verbinden jeweils zwei aufeinanderfolgende Wirbel. Sie bestehen

hauptsächlich aus elastischen Fasern, was ihnen einerseits ihre gelbe Farbe

verleiht, andererseits aber auch bewirkt, dass sie auch bei aufrechter Wirbelsäule

gespannt sind. Bogduk spekuliert, dass ein Lig. flavum, welches statt aus

elastischen Fasern aus mehrheitlich kollagenem Bindegewebe bestehen würde,

sich in entspannter Position vorwölben beziehungsweise kräuseln würde und es

14

dadurch zu Einklemmung der Nervenwurzel im Bereich des Foramen

intervertebrale kommen könnte (Bogduk, 2000 S. 69-70).

Die Ligg. interspinalia spannen sich zwischen zwei benachbarten Processus spinosi

auf. Ihr Faserverlauf zieht von dorso-kranial nach ventro-kaudal und verhindert

somit eine Dorsalverschiebung des Wirbels.

Die Ligg. intertransversaria liegen zwischen benachbarten Querfortsätzen und

haben im Vergleich zu anderen Zwischenwirbelbändern ein deutlich rundlicheres

Erscheinungsbild (Anderhuber, Pera und Streicher, 2012, S.129).

Das Lig. supraspinale verläuft posterior auf den Kanten der Processus spinosi, also

direkt in der Mittellinie der Wirbelsäule. Es zieht dabei über die von den

Dornfortsätzen aufgeworfenen, interspinalen Räume. Bogduk teilt das Lig.

supraspinale in eine oberflächliche, mittlere und tiefe Schichte ein. Dabei beschreibt

er, dass die tieferen Schichten nicht bandartig sind, sondern sich als Sehnen

darstellen. Nur die oberflächliche Schicht hat keinen Kontakt zur Muskulatur, ist aber

im kaudalen Bereich wenig oder gar nicht ausgebildet. In der Ebene von L4, L5

verliert die oberflächliche Schicht des Lig. supraspinale alle seine vertikal

gerichteten Fasern und nimmt aponeurotisches Aussehen an. Dabei ist es eng mit

der Aponeurose des M. longissimus verknüpft, welcher an den Dornfortsätzen

ansetzt (Bogduk, 2000, S. 69).

Abb. 5 zeigt die oben genannten Ligamenta im Bereich der Lendenwirbelsäule.

15

Abbildung 5: Ligamenta der Wirbelsäule im thorakolumbalen Bereich (Schünke et al., 2014, S.120)

Weitere Bänder bilden sich im Bereich der Lendenwirbelsäule aus. Diese Ligamenta

ziehen von den Spitzen der Processus mamillares zu den Processus accessorii der

gleichen Seite. Ein einzelnes dieser Bänder wird als Lig. mamilloaccessorium oder

auf Englisch „mamillo-accessory ligament“ (MAL) bezeichnet. Bogduk schreibt,

dass es sich hierbei aber weniger um ein echtes Ligament handelt, sondern in

seiner Struktur und Verlauf eher einer Sehne der semispinalen Muskulatur. Das Lig.

mamilloaccessorium spielt topographisch eine wichtige Rolle, da es hier den

medialen Ast des R. dorsalis n. spinalis bedeckt. Im Gegensatz dazu zeigt es

mechanisch keinerlei Wirkung. (Bogduk, 2000, S. 76)

16

Die Abbildung 6 zeigt das Lig. mamilloaccesorium im Bereich der lumbalen

Wirbelsäule und die topographische Beziehung zum Ramus medialis des

Spinalnerven. Zusätzlich ist im Bild ein möglicher Zugang zur

Radiofrequenzablation des Ramus medialis mittels Sonde zu sehen.

Abbildung 6: Lumbale Wirbelsäule mit Spinalnerv und Lig. mamilloaccessorium (Cohen et al., 2020)

1.2.7 Muskulatur des Rückens

Man unterscheidet aufgrund der embryonalen Entwicklung beziehungsweise der

unterschiedlichen Herkunft der Rückenmuskulatur zwischen verschiedenen

Gruppen:

Die epaxiale Muskulatur, welche dorsal der Processus transversi liegt, und

hypaxiale Muskulatur, welche teils dorsal liegt und teils die ventro-laterale

Rumpfwand aufbaut.

Die epaxiale Muskulatur bildet die autochthone, also ortsständige

Rückenmuskulatur und wird von den Rami dorsales der Spinalnerven innerviert. In

der Literatur wird sie oft zusammenfassend als M. erector spinae bezeichnet. Diese

autochtone Rückenmuskulatur wird weiters in einen medialen und einen lateralen

Trakt eingeteilt, abhängig von ihrer respektiven Versorgung durch den R. medialis

oder den R. lateralis der dorsalen Spinalnervenäste.

17

Die hypaxiale Muskulatur entsteht aus dem Hypomer, welches einen

Myotomabschnitt darstellt. Sie stellt den eingewanderten Teil der Muskulatur dar

und wird von ventralen Ästen der Spinalnerven versorgt.

(Anderhuber, Pera und Streicher, 2012, S. 132ff)

1.2.7.1 Der laterale Trakt der autochthonen Rückenmuskulatur

Der laterale Trakt wird nochmals in drei Abschnitte eingeteilt (siehe Abb. 7):

Sakrospinales System

Spinotransversales System

Intertransversales System

(Rauber & Kopsch, 1998, S. 246,247)

Das Sakrospinale System, welches auch M. sacrospinalis genannt wird, besteht aus

dem M. iliocostalis und dem M. longissimus. Im Bereich der Brustwirbelsäule liegt

der M. iliocostalis lateral des M. longissimus. Im Bereich der Lendenwirbelsäule wird

der M. longissimus größtenteils vom M. iliocostalis bedeckt. (Rauber & Kopsch,

1998, S. 249)

Der M. iliocostalis wird in drei Abschnitte gegliedert, und zwar einen Hals-, Brust-,

und Lumbalabschnitt. Der kräftigste Teil ist der lumbale, der M. iliocostalis

lumborum. Zusammenfassend entspringt der M. iliocostalis am Darmbeinkamm, an

der Fascia thoracolumbalis und an der dritten bis zwölften Rippe. Er inseriert an

allen Rippen und an den Querfortsätzen des dritten bis sechsten Halswirbels.

Innerviert wird der M. iliocostalis durch die Rr. laterales der Rr. dorsales der

Spinalnerven, welche von den Segmenten C8-L1 stammen.

Funktionell beteiligt er sich an der Seitneigung und Rotation des Rumpfes.

(Anderhuber, Pera und Streicher, 2012, S. 137)

Der M. longissimus wird in Kopf-, Hals- und Brustabschnitt gegliedert. Er entspringt

am Os sacrum, der Crista iliaca, den Processus spinosi der Lendenwirbel, den

Processus transversi der gesamten Brustwirbelsäule sowie den Processus

transversi und Processus articulares des 4. bis 7. Halswirbels. Er inseriert an den

Processus accessorii der Lendenwirbel, den Processus costales der Lendenwirbel,

18

Processus transversi der Brustwirbel und des 2. bis 5. Halswirbels einschließlich

derer Processus articulares, an der 2. bis 12. Rippe und am hinteren Rand des

Processus mastoideus.

Primär wirkt er bei der Dorsalflexion der Wirbelsäule, er unterstützt auch die

Seitneigung des gesamten Rumpfes und beteiligt sich bei der Rotation im Bereich

der Halswirbelsäule.

Innerviert wird der M. longissimus durch die Rr. laterales der Rr. dorsales der Nn.

spinales, welche von den Segmenten C1-L5 entstammen.

(Rauber & Kopsch, 1998, S. 246-249)

Das Spinotransversale System wird vom M. splenius aufgebaut, welcher sich

topographisch in einen M. splenius cervicis und einen M. splenius capitis einteilen

lässt. Gemeinsam betrachtet entspringt der M. splenius an den Processus spinosi

des 3. bis 7. Halswirbels und der obersten 6 Brustwirbel. Seine Insertionsstellen

befinden sich an den Processus transversi der obersten 2 Halswirbel, dem

Processus mastoideus und an der Linea nuchae. An diesen Stellen wird er

allerdings vom M. sternocleidomastoideus bedeckt.

Funktionell stellen die Mm. splenii wichtige Bestandteile bei der Bewegung und

Stabilisation im Bereich der Halswirbelsäule und der Kopfgelenke dar.

Innerviert wird der M. splenius durch Rr. laterales der Rr. dorsales der Nn. spinales

aus den Segmenten C1-C6.

(Rauber & Kopsch, 1998, S. 252; Anderhuber, Pera und Streicher, 2012, S. 137)

Das Intertransversale System besteht aus einer Vielzahl an Mm. intertransversarii

und Mm. levatores costarum.

Die Mm. intertransversarii spannen sich zwischen benachbarten Querfortsätzen auf

und gehören damit zu den einzigen unisegmentalen Muskeln im lateralen Trakt der

autochthonen Rückenmuskulatur.

Im Bereich des Halses zerfallen die Mm. intertransversarii posteriores cervicis in

eine Pars lateralis und eine Pars medialis, wobei nur der mediale Teil vom R.

dorsalis der Spinalnerven innerviert wird und damit zur autochthonen

19

Rückenmuskulatur gezählt wird. Er verläuft im Bereich des 2.-7. Halbswirbels

zwischen den Tubercula posteriora der Querfortsätze. Die Pars lateralis wird zur

ventralen Rumpfmuskulatur gezählt.

Im Brustbereich sind die Mm. intertransversarii üblicherweise nicht existent.

Im Lumbalbereich kann man ebenso zwischen Mm. intertransversarii mediales

lumborum, welche zwischen den Processus accessorii und Processus mamillares

der Lendenwirbel liegen, und den Mm.intertransversarii laterales lumborum, welche

zwischen den Processus costales der Lendenwirbel verlaufen, unterscheiden.

(Rauber & Kopsch, 1998, S. 252)

Zu den Funktionen der Mm. intertransversarii zählen primär eine stabilisierende

Funktion, aber auch Seitneigung und Dorsalflexion der cervicalen und lumbalen

Wirbelsäule.

Im Gegensatz zu anderen Anteilen des M. errector spinae erfolgt die Innervation

nicht ausschließlich über die Rr. dorsales der Spinalnerven. Die Mm.

intertransversarii laterales lumborum werden teilweise auch von Rr. ventrales der

Spinalnerven versorgt (Rauber & Kopsch, 1998, S. 252).

Die Mm. levatores costarum werden in kurze und lange Muskeln eingeteilt, und zwar

in die Mm. levatores costarum breves und Mm. levatores costarum longi. Die Mm.

levatores costarum breves kommen im Bereich des gesamten Thorax, die Mm.

levatores costarum longi kommen nur im kranialen und kaudalen Bereich des

Thorax vor, im mittleren Bereich fehlen sie oft. Die Mm. levatores costarum

entspringen an den Querfortsätzen der Wirbel, beginnend am 7. Halswirbel, hinab

bis zum 11. Brustwirbel. Dann verlaufen sie nach lateral-kaudal bis zu ihrer

Insertionsstelle medial vom Angulus costae. Funktionell wirken die Mm. levatores

costarum bei der ipsilateralen Seitwärtsneigung und der kontralateralen Drehung

mit. Die Innervation erfolgt über die Rr. laterales der dorsalen

Spinalnervenäste.(Rauber & Kopsch, 1998, S. 254).

20

1.2.7.2 Der Mediale Trakt der autochthonen Rückenmuskulatur

Der mediale Trakt besteht aus dem spinalen System und dem transversospinalen

System (siehe Abb. 8).

Die Innervation des gesamten medialen Trakts erfolgt über Rr. mediales der Rr.

dorsales der Spinalnerven. Einzige Ausnahme bildet der M. semispinalis, welcher

zusätzlich von Rr. laterales innerviert wird. Um Wiederholungen zu vermeiden,

wurde auf die Angabe der Nervenäste nachfolgend verzichtet und nur deren

Segmente angegeben (Rauber & Kopsch, 1998, S. 254f).

Abbildung 7: Lateraler Trakt, sakrospinales System, spinotransversales und intertransversales System, (Schünke et al 2014, S. 149)

,

21

Das spinale System wird aus den Mm. interspinales und dem M. spinalis aufgebaut.

Die Mm. interspinales spannen sich zwischen zwei benachbarten Processus spinosi

auf. Sie kommen in allen Abschnitten der Wirbelsäule vor und sind nach den

Abschnitten unterteilt beziehungsweise benannt. Man unterscheidet zwischen Mm.

interspinales cervicis, thoracis und lumborum. Cervikal verlaufen sie entlang der

gesamten Halswirbelsäule, links und rechts neben dem Lig. nuchae, thorakal nur

zwischen 1.-3. und 11.–12. Brustwirbel, lumbal entlang der gesamten

Lendenwirbelsäule links und rechts der Ligg. interspinalia.

Funktionell unterstützen sie die Stabilisierung und Dorsalflexion der Wirbelsäule.

Die Innervation erfolgt über die zugehörigen Segmente.

(Rauber & Kopsch, 1998, S. 254)

Der M. spinalis wird in einen M. spinalis capitis, M. spinalis cervicis und M. spinalis

thoracis eingeteilt. Der M. spinalis capitis kommt nur inkonstant vor. Der Anteil am

Hals entspringt von den Processus spinosi von C5-Th2 und inseriert an den

Processus spinosi des 2.-4. Cervicalwirbels. Den kräftigsten Anteil des Muskels

stellt der M. spinalis thoracis dar, welcher seinen Ursprung an den Dornfortsätzen

der unteren Brustwirbel und des 1.-3. Lendenwirbels hat und dessen Ansatz sich an

den Dornfortsätzen des 2.-8. Brustwirbels befindet. Der M. spinalis unterstützt die

Dorsalflexion der Wirbelsäule. Seine Innervation erfolgt aus den Segmenten C2-L1.

(Rauber & Kopsch, 1998, S. 254-256)

Das transversospinale System, auch Schrägsystem genannt, besteht aus Muskeln,

welche vom Processus transversus eines Wirbels ausgehend nach kranial-medial

zum Processus spinosus der kranial gelegenen Wirbel ziehen.

Es besteht aus folgenden Muskeln:

Die Mm. rotatores sind die tiefsten Muskeln des transversospinalen Systems. Dabei

unterscheidet man zwischen Mm. rotatores breves und Mm. rotatores longi. Weiters

werden sie nach den Wirbelsäulenabschnitten benannt, in denen sie vorkommen,

primär sind das die Mm. rotatores thoracis, aber auch variabel die Mm. rotatores

cervicis et lumborum. Die kurzen Mm. rotatores sind unisegmental und verlaufen

von ihrem Ursprung am Querfortsatz bis zu ihrer Insertion an der Außenfläche des

Arcus vertebrae des nächsthöheren Wirbels. Die langen Mm. rotatores verlaufen

vom Querfortsatz nach kranial zum Dornfortsatz des übernächsten Wirbels, dabei

22

überspringen sie einen Wirbel. Funktionell tragen die Mm. rotatores zur

Stabilisierung und Rotation der Wirbelsäulengelenke bei (Rauber & Kopsch, 1998,

S. 256).

Einen weiteren Teil des Transversospinalen Systems stellt der M. multifidus dar. Er

wird in kurze und lange Muskeln eingeteilt. Er entspringt von der Facies dorsalis des

Os sacrum, den Processus mamillares der Lendenwirbel und den Processus

transversi aller Brustwirbel und des 4. -7. Halswirbels. Die kurzen Muskeln

inserieren am Dornfortsatz des nächsthöheren Wirbels. Die langen Muskeln

überspringen mehrere Wirbel und inserieren ebenso am Processus spinosus. Der

M. multifidus assistiert die ipsilaterale Seitneigung und stabilisiert die Wirbelsäule

vor allem im Bereich des lumbosakralen Übergangs. Die Innervation des Muskels

erfolgt über die Segmente C3-S3 (Rauber & Kopsch, 1998, S. 256).

Der oberflächlichste Teil des transversospinalen System ist der M. semispinalis. Er

wird in einen Brust-, Hals- und Kopfteil eingeteilt, einen M. semispinalis thoracis,

cervicis und capitis respektive. Der M. semispinalis entspringt an den Processus

transversi der unteren vier bis fünf Halswirbel, aller Brustwirbel und am Processus

mamillaris des 1. Lendenwirbels. Er setzt an den Processus spinosi des 1.-4.

Brustwirbels sowie des 2.-7. Halswirbels an und bildet breitflächig mit dem M.

splenius capitis eine Sehnenplatte, welche bis zum Os occipitale reicht. Funktionell

streckt er in der Brust- und Halswirbelsäule und den Kopfgelenken, beteiligt sich an

der ipsilateralen Seitneigung und der kontralateralen Rotation. Außerdem ist er Teil

des Verspannungssystems der Halswirbelsäule und des kraniovertebralen

Übergangs. Die Innervation des Brust- und Halsteils erfolgt über die Rr. mediales

der Rr. dorsales der Spinalnerven aus den Segmenten C3-Th6. Der Kopfteil wird

zusätzlich zu den Rr. mediales auch von den Rr. laterales aus den Segmenten C1-

C6/7 versorgt (Rauber & Kopsch, 1998; S. 256-257 ;Anderhuber, Pera und

Streicher, 2012, S. 138).

23

1.2.8 Nerven der Wirbelsäule

Die Wirbelsäule, ihre ligamentären Strukturen, Gelenke, Disci intervertebrales,

Muskeln und die darüber liegende Haut werden von Spinalnerven versorgt. Diese

sind Teil des peripheren Nervensystems. Spinalnerven sind auf unterschiedliche

Abbildung 8: Medialer Trakt, Spinales System und Transversospinales System (Schünke et al., 2014, S. 151)

24

Weise aus vier verschiedenen Arten von Fasern zusammengesetzt und gelten als

gemischte Nerven (Kahle, Frotscher und Schmitz, 2018, S. 84).

Sie sind aufgebaut aus:

Afferenten

o somatosensible Fasern

o viszerosensible Fasern

Efferenten

o somatomotorische Fasern

o viszeromotorische Fasern

(Kahle, Frotscher und Schmitz, 2018, S. 84)

Die afferenten Fasern des Spinalnerven kommen aus der Peripherie, bilden das

pseudo-unipolare Spinalganglion und ziehen dann als Radix dorsalis weiter.

Daraufhin treten sie ins Rückenmark ein, wo sie meist zum Cornu posterius der

grauen Substanz gelangen.

Die efferenten Fasern bilden die Radix ventralis, wobei die somatomotorischen

Fasern aus dem Vorderhorn und die viszeromotorischen Fasern aus dem

Seitenhorn der grauen Substanz stammen. Die Radix ventralis vereinigt sich lateral

des Spinalganglions mit der Radix dorsalis zum Spinalnerv, welcher durch das

Foramen intervertebrale aus der Wirbelsäule austritt.

Die Spinalnerven treten immer paarweise auf. Es handelt sich um 31-32 Paare,

welche nach dem jeweiligen Abschnitt der Wirbelsäule, aus dem sie austreten,

benannt werden. Dabei wird zwischen acht Nn. cervicales, zwölf Nn. thoracici, fünf

Nn. lumbales, fünf Nn. sacrales und ein bis zwei Nn. coccygeales unterschieden

(Anderhuber, Pera und Streicher, 2012, S. 69; Kahle, Frotscher und Schmitz, 2018,

S. 84-85).

Der Spinalnerv gibt vier Äste ab:

Ramus meningeus: ein sensibler Ast, welcher rückläufig in den Wirbelkanal

läuft und die Hirnhäute versorgt.

25

Ramus communicans: sie liegen links und rechts paravertebral und stellen

eine Verbindung zwischen Rückenmark und den Grenzstrangganglien dar.

Ramus ventralis: Sie bilden nach dem Austritt mehrere Nervengeflechte,

unter anderem den Plexus lumbalis. Dieser wird innerhalb des M. psoas

major, nach dem Durchtritt der Rami ventrales durch das Lig.

intertransversarium gebildet. Es handelt sich hierbei um gemischte Äste.

Ramus dorsalis: aufgrund der Relevanz der Rami dorsales in Bezug auf

Facettengelenksbeschwerden und die angewandten Infiltrationstechniken

wird auf die Topografie der Rami dorsales im Folgenden genauer

eingegangen (Anderhuber, Pera und Streicher, 2012, S. 69).

1.2.9 Topografie der Rami dorsales der Nervi lumbales

Über den genauen Verlauf des Ramus dorsalis der lumbalen Spinalnerven und die

Anzahl der beständigen Äste herrschen Uneinigkeit in der Literatur.

So beschreiben sowohl Anderhuber als auch Dauber nur die Aufspaltung des

Ramus dorsalis in einen Ramus medialis und einen Ramus lateralis. Diese Äste

versorgen einerseits die autochthone Rückenmuskulatur und andererseits mit Rr.

cutanei mediales et laterales die Haut des Rückens. Auf die Nennung weiterer Äste

wird verzichtet.

Auch Thiel beschreibt ausschließlich einen R. medialis und einen R. lateralis

welcher vorwiegend sensibel sei (Hafferl, 1969, S.682; Dauber 2008, S. 420;

Anderhuber, Pera und Streicher, 2012, S. 69).

Bogduk beschreibt zusätzlich aber einen weiteren variablen Ast. Dabei bestehen

Unterschiede zwischen L1-L4 und L5. Im Bereich von L1-L4 teilt sich der Ramus

dorsalis kurz vor dem Querfortsatz der Wirbelsäule in einen medialen, lateralen und

einen intermediären Ast. In der internationalen Literatur werden diese Äste als

„medial branch / MB“, „intermedial branch / IB“ und „lateral branch / LB“ bezeichnet.

In diesem Bereich herrscht große Variabilität. Der Ramus intermedius entspringt

meist dem R. dorsalis, variabel aber auch dem R. lateralis. Die Häufigkeit dieser

Dreiteilung steigt von kranial nach kaudal. Auf der Ebene L1 dominiert ein

zweigeteilter Ramus dorsalis gegenüber der Dreiteilung. Im Gegensatz dazu

26

gewinnt die Dreiteilung auf der Ebene von L3 die Mehrheit und stellt im Bereich L4

die Normvariante dar. Im Bereich von L5 teilt sich der Ramus dorsalis in einen

medialen und einen Ast, welcher im Verlauf am ehesten dem intermediären Ast von

L1-L4 entspricht (Bogduk, Wilson and Tynan, 1982).

Dem medialen Ast kommt aufgrund seiner Versorgung des Facettengelenks eine

besondere klinische Bedeutung zu. Durch Blockade des Ramus medialis, entweder

mittels Lokalanästhetika oder aber dauerhaft mittels Radiofrequenztherapie, kann

eine Schmerzausschaltung im Bereich der Art. zygapophysialis erreicht werden

(Kaplan et al., 1998).

Bogduk beschreibt den genauen Verlauf der Rami mediales im Bereich L1-L4

folgenderweise. Die medialen Äste verlaufen über ihrem korrespondierenden

Processus transversus und treten durch das Lig. intertransversarium im Bereich der

Basis des Processus transversus. Anschließend zieht der Ramus medialis zur Basis

des Processus articularis superior und schraubt sich um diesen, dabei verläuft er

unter dem Lig. mamilloaccessorium. Nach dem Durchtritt unter dem Lig.

mamilloaccessorium spaltet sich der Ramus medialis in mehrere Äste und versorgt

sowohl das cranial als auch das kaudal zu ihm liegende Facettengelenk (Bogduk,

2000, S. 194).

Saito zeigte, dass es in einem Großteil der Fälle zu einer Dreiteilung des Ramus

dorsalis nervi spinalis kommt, und zwar hinter dem Processus costalis des nächst

caudal gelegenen Wirbels. Dies wurde sowohl im Brust- als auch im

Lendenwirbelsäulenbereich untersucht. Im Bereich der Lendenwirbelsäule zeigte

sich ein ähnliches Bild wie bei Bogduk. Auf der Höhe des Segmentes L1-L2

präsentierte sich der Ramus dorsalis sowohl dreigeteilt als auch zweigeteilt. Im

Bereich L3-L4 kommt es praktisch immer zu einer Dreiteilung. Nomenklatorisch wird

dieser dritte Ast ebenso als intermediärer Ast/ „intermediate branch/IB“ bezeichnet.

Das Versorgungsgebiet des medialen Astes sind der M. spinalis et multifidus, die

Haut im Bereich der Processus spinosi und die Facettengelenke. Der laterale Ast

versorgt den M. iliocostalis und die Haut lateral der Processus spinosi. Der

intermediäre Ast innerviert den M. longissimus und die Haut lateral der Processus

spinosi, und zwar genau zwischen den Versorgungsgebieten des medialen und

lateralen Astes (Saito et al., 2019).

27

Abbildung 9: Ramus dorsalis nervi spinalis (Cohen et al., 2020)

Abbildung 9 zeigt den Verlauf des Ramus dorsalis nervi spinalis. Nicht abgebildetet

ist dabei das Lig. mamilloaccessorium.

1.3 Schmerzen der Lendenwirbelsäule

Kreuzschmerzen sind definiert als Schmerzen unterhalb des Rippenbogens aber

oberhalb der Gesäßfalte, mit oder ohne Ausstrahlung ins Bein. Sie stellen eine der

häufigsten Symptome beziehungsweise Beschwerden dar, welche Patient*innen zu

einem Arztbesuch bewegen. Die Prävalenz der Beschwerden im Hinblick auf die

28

Lebenszeit beträgt in Deutschland rund 85% (Schmidt et al., 2007; Kassenärztliche

Bundesvereinigung und Versorgungsleitlinie, 2017, S. 14).

1.3.1 Einteilung

Kreuzschmerzen können anhand von mehreren Klassifikationen eingeteilt werden.

Die Einteilung erfolgt nach klinischen Symptomen, nach Ätiologie und nach der

Dauer der Beschwerden.

Klassifiziert man anhand von Symptomen unterscheidet man ein lokales,

pseudoradikuläres und radikuläres Schmerzsyndrom. Bei einem lokalen

Schmerzsyndrom führen Pathologien im Bereich der Bandscheiben, Ligamenta und

der Wirbelgelenke zu Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule ohne Ausstrahlung.

Beim pseudoradikulären Schmerzsyndrom besteht eine Lumbalgie mit

Ausstrahlung, welche aber kein typisches Ausfallsmuster entlang eines Segmentes

zeigt. Beim radikulären Schmerzsyndrom handelt es sich um einen Schmerz

aufgrund einer Kompression der Nervenwurzel, welcher eine segmentale

Ausstrahlung entlang der Dermatome zeigt. (Scharf et al., 2009, S. 586)

Die Klassifikation anhand des zeitlichen Verlaufs unterteilt Rückenschmerzen in:

akute Kreuzschmerzen (Dauer der Symptomatik von 1-4 Wochen)

subakute Kreuzschmerzen (Dauer der Symptomatik von 5-12 Wochen)

chronische Kreuzschmerzen (Dauer von mindestens 12 Wochen oder

episodisch innerhalb von 6 Monaten)

(Österreichische Leitlinie unspezfischer Kreuzschmerz, 2018, S. 14)

Die Klassifikation nach Ätiologie unterteilt Rückenschmerzen in:

Spezifische Rückenschmerzen, welche sich auf funktionelle Störungen der

Wirbelsäule zurückführen lassen. Die Ursachen spezifischer

Kreuzschmerzen können sowohl vertebragener Natur sein, z.B. aufgrund

degenerativer Ursachen wie beim Facettengelenkssyndrom, entzündlich-

infektiöse Vorgänge, funktionelle Ursachen oder Deformitäten. Spezifische

Rückenschmerzen können ihren Ursprung aber auch in extravertebragenen,

29

fortgeleiteten Ursachen, wie Pathologien des kleinen Beckens oder der

inneren Organe, haben.

Unspezifische Rückenschmerzen, bei welchen sich kein organisches

Korrelat beziehungsweise keine spezifische Ursache der Rückenschmerzen

nachweisen lässt. Solche unspezifischen Rückenschmerzen stellen eine

Ausschlussdiagnose dar.

(Scharf et al., 2009, S. 587; Österreichische Leitlinie unspezifischer Kreuzschmerz,

2018, S. 14)

1.3.2 Diagnostik

Die Diagnostik umfasst eine Anamnese mit Ausschluss von „red flags“ (siehe unten)

und die Erhebung von komorbiden psychosozialen Faktoren, eine körperliche

Untersuchung, Bildgebung, Laboruntersuchung und ein interdisziplinäres

Assessment. Sie dient einerseits dazu schwerwiegende abwendbare Verläufe und

Chronifizierung zu verhindern, oder auf ein Minimum zu reduzieren. Andererseits

dient sie dazu, weiterführende, zum Teil unnötige oder auch invasive

Untersuchungen und Therapien zu vermindern.

1.3.2.1 Anamnese

Der unspezifische Kreuzschmerz stellt eine Ausschlussdiagnose dar. Um diese zu

stellen, müssen zuerst die Ursachen für spezifischen Kreuzschmerz

ausgeschlossen werden. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Vermeidung

von schwerwiegenden Verläufen oder einer Chronifizierung und dem Erkennen von

dringlichem Behandlungsbedarf. Symptome, die auf solche Verläufe hinweisen

werden „red flags“ genannt und sind anamnestisch zu erheben. „Red flags“ sind

aufgrund ihrer geringen Sensitivität allerdings nur im Gesamtbild mit allen

Symptomen hilfreich und zielführend für die Diagnose.

Folgende Ursachen von spezifischen Kreuzschmerzen und deren „red flags“

nennen die österreichischen Leitlinien:

Fraktur/Osteoporose

o Schwerwiegendes Trauma

o Bagatelltrauma bei älteren Patient*innen und potentiellen Osteoporosepatient*innen

30

o Systemische Steroidtherapie

Infektion

o Allgemeine Krankheitssymptome

o Durchgemachte bakterielle Infektion

o i.v. – Drogenabusus

o Immunsuppression

o Konsumierende Grunderkrankungen

o Kürzliche zurückliegende Infiltrationsbehandlung an der Wirbelsäule

o Starker nächtlicher Schmerz

Radikulopathie/Neuropathien

o Symptome eines Kaudasyndroms

o Neurologisches Defizit der unteren Extremität

o Nachlassen des Schmerzes, Lähmung, Funktionsverlust des Kennmuskels

o In die untere Extremitäten ausstrahlende Schmerzen

Tumor/Metastasen

o Höheres Alter

o Tumorleiden in der Patientengeschichte

o Allgemeine Symptome wie Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit, rasche Ermüdbarkeit

o Schmerzzunahme in Rückenlage

o Starker nächtlicher Schmerz

Axiale Spondyloarthritis

o Beginn vor dem 45. Lebensjahr

o Schleichender Beginn

o Besserung der Schmerzen durch Bewegung

o Fehlende Besserung der Schmerzen in Ruhe

o Nachtschmerz, der sich beim Aufstehen bessert

o HLA-B27 nachweisbar

o Nachweis von Sakroiliitis (MR, Röntgen), Arthritis, Enthesitis

o Vorliegen von Psoriasis, Uveitis, chronisch entzündliche Darmerkrankung

o Positive Familienanamnese einer Spondyloarthritis

o Erhöhte Entzündungsparameter

o Gutes Ansprechen auf NSAR

(Leitlinie Kreuzschmerz 2018, Bundesministerium für Arbeit, S. 19-21)

31

1.3.2.2 Bildgebende Verfahren und Laboruntersuchungen

Bei Abwesenheit von „red flags“ oder Hinweisen auf spezifische ernst zu nehmende

Verläufe sollten sowohl im Anfangsstadium der Kreuzschmerzen, also innerhalb der

ersten vier Wochen, aber auch bei rezidivierendem Auftreten keine bildgebenden

Verfahren oder andere Laboruntersuchungen angewandt werden. Sie bringen keine

weiterführenden Informationen (Chou et al., 2009).

Unbedingt notwendig sind bildgebende Verfahren und Laboruntersuchungen bei

Auftreten von „red flags“, da sie in diesem Fall Hinweise zur Diagnose von

spezifischen Rückenschmerzen dienen (Chou et al., 2011; Haußmann, 2020).

1.3.3 Die Rolle der Facettengelenke in Bezug auf Rückenschmerzen

Zahlreiche Arbeiten beschäftigten sich spezifisch mit pathologischen

Veränderungen der Facettengelenke und ihrem Einfluss auf chronische

Rückenschmerzen. Bis heute ist aufgrund der zahlreichen Faktoren und vielfältiger

Ätiologie die Rolle der Facettengelenke und ihr Ausmaß im Hinblick auf chronische,

unspezifische Rückenschmerzen nicht eindeutig geklärt.

So evaluierten Manchikanti et al verschiede Strukturen und ihren Einfluss auf LBP.

Sie identifizierten in etwa 40% aller Fälle die Facettengelenke als Ursache für

unspezifische Rückenschmerzen (Manchikanti et al., 2001).

Bogduk et al zeigten in ihrer Arbeit, dass Schmerzen der lumbalen Wirbelsäule nur

in etwa 20% der Fälle alleine den Discus intervertebralis als Ursache haben und in

41% der Fälle sowohl der Discus als auch eine symptomatische Pathologie des

Facettengelenkes eine Rolle spielen (Schwarzer et al., 1994).

Die Arbeit von DePalma et al zeigte eine Prävalenz von Schmerzen, welche vom

Facettengelenk ausgehen, von 31% (DePalma et al, 2011).

Bokov et al geben in ihrer Arbeit über die diagnostischen Möglichkeiten chronischer

Schmerzen im Zusammenhang mit degenerativen Vorgängen der lumbalen

Wirbelsäule die Prävalenz von Facettengelenkspathologien mit 50% an. Die

Methodik der Arbeit bestand aus einer Facettengelenksblockade, nach welcher es

bei bis zu 50% der Patient*innen zu einer Besserung der Symptome kam (Bokov et

al., 2013).

32

1.3.4 Facettengelenksblockaden, technische Möglichkeiten und ihre

Wirksamkeit

Schmerzen der lumbalen Wirbelsäule gehen zu einem nicht unbeträchtlichen Teil

von den Facettengelenken aus. Doch was bedeutet diese Tatsache für Diagnostik

und Therapie der Rückenschmerzen?

Im Laufe der Zeit entwickelte sich die Idee der lokalen Injektion der

Zygapophysialgelenke. Dies dient sowohl zur Diagnostik als auch zur Therapie. Da

sich herkömmliche bildgebende Verfahren nicht zur Differenzierung der Ätiologie

von LBP eignen, nutzt man lokale Injektionstechniken. Durch Infiltration des

Facettengelenks oder des R. medialis ergibt sich die diagnostische Möglichkeit der

genauen Lokalisation der Schmerzherkunft beziehungsweise der genauen

Ätiologie.

In der Literatur wird zwischen Facettengelenksblockaden, also dem Block des

Ramus medialis, dem „medial branch block“ oder MBB, und intraartikulären

Injektionen, den „Facet joint injections“ (abgekürzt mit FJI) unterschieden.

Unter anderem beschäftigten sich folgende Arbeiten mit

Facettengelenksblockaden, also MBBs:

Civelek et al zeigten eine Besserung bei 69% der Patient*innen nach Infiltration des

R. mediales unter Durchleuchtung. Infiltriert wurden dabei ein Lokalanästhetikum

und ein Steroid (Civelek et al., 2012).

Manchikanti et al verglichen 2010 den therapeutischen Nutzen von R. medialis-

Blockaden beziehungsweise Infiltrationen mit Lokalanästhetika, sowohl mit als auch

ohne Zugabe von Steroiden. Sie zeigten dabei eine Schmerzverbesserung von bis

zu 85% in der Gruppe ohne Steroide und in bis zu 90% in der Gruppe mit Steroiden

(Manchikanti et al., 2010).

Mit der intraartikulären Injektion der FJI beschäftigten sich unter anderem folgende

Studien:

Onafowokan et al untersuchten in ihrem Review die Evidenz der Anwendung von

multiplen Facettengelenksinjektionen und Facettengelenksblockaden bezogen auf

33

ihre Langzeiterfolge. Sie kamen zu dem Schluss, dass Blockaden des R.medialis

überlegen gegenüber Facettengelenksinjektionen sind. Diese Techniken werden

zwar häufig angewandt, konkrete Evidenz zeigt sich aber nicht vollständig konklusiv.

(Onafowokan et al., 2020).

Ebenso zeigten Campos et al in ihrer Arbeit gute Resultate von

Facettengelenksinjektionen. Sie infiltrierten dabei unter Durchleuchtung die

Facettengelenke intraartikulär sowohl mit Lokalanästhetika als auch mit einem

Steroid. Sie befragten die Patient*innen 6 Monate nach dem Eingriff über ihre

Beschwerdesymptomatik, wobei 81,4% der Patient*innen eine deutliche Besserung

angaben (Campos et al., 2019).

Ein weiterer wichtiger Aspekt sowohl von FJIs als auch von MBBs ist die technische

Durchführung. In der internationalen Literatur und den Guidelines werden meist

bildgebende Verfahren zu Hilfe genommen. Anwender greifen dabei entweder auf

Durchleuchtung mittels C-Bogen oder die Sonographie zurück. Die Methode der

Infiltration mittels Durchleuchtung ist schon länger etabliert und wird in der Literatur

als wirksam und sicher beschrieben. Ein Nachteil ergibt sich aus der dabei

verwendeten ionisierenden Strahlung. Um diese zu verringern beziehungsweise

ganz zu vermeiden, wird versucht, auf ultraschallgezielte Techniken umzusteigen.

Han et al zeigten in einer retrospektiven Studie keinen signifikanten Unterschied

zwischen ultraschallgezielten und über Durchleuchtung durchgeführtem MBB (Han

et al., 2017).

Jung et al führten MBBs sonographisch gezielt durch und kontrollierten

anschließend ihre Position. Bei der Kontrolle, welche über Durchleuchtung

durchgeführt wurde, zeigte sich eine Trefferquote von 91,6% (Jung et al., 2012).

Galiano et al verglichen in ihrer Arbeit ebenso Ultraschall oder CT-gezielte

Techniken. Dabei wurden 18 Patient*innen randomisiert zur ultraschallgezielten

Technik zugewiesen. Bei 16 Patient*innen konnten die Facettengelenke eindeutig

sonographisch dargestellt und injiziert werden. Alle 16 Injektionen wurden anhand

von CT in ihrer Position überprüft und als korrekt platziert identifiziert (Galiano et al.,

2007).

34

1.4 Neuraltherapie – Von ihrer Entstehung bis zur aktuellen

wissenschaftlichen Datenlage

Die Entwicklung der Neuraltherapie im deutschsprachigen Raum lässt sich auf die

Brüder Walter und Ferdinand Huneke zurückführen. Ferdinand Huneke entdeckte

die wirksame analgetische Wirkung von intravenös verabreichtem Procain. Procain

ist ein Natriumkanalblocker und gehört zur Gruppe der Lokalanästhetika. Ferdinand

Huneke verabreichte seiner Schwester ein Lokalanästhetikum, welches zusätzlich

Procain enthielt, um deren quälenden Migräneattacken zu behandeln. Nur

verabreichte er dieses Medikament, welches intramuskulär angewandt werden

sollte, versehentlich intravenös. Zum damaligen Zeitpunkt galt intravenös

verabreichtes Procain als sehr gefährlich. Zum Erstaunen von Huneke rief die

Medikation aber keine unerwünschten Effekte hervor, sondern bewirkte im

Gegenteil eine sofortige Heilwirkung der Migräne. Er schloss daher auf die

analgetische Wirkung von procainhaltigen Wirkstoffen und begann diese genauer

zu erforschen. Gemeinsam mit seinem Bruder Walter beschrieb er 1929 dieses

Phänomen als „Unbekannte Fernwirkung der Lokalanästhesie“.

Ebenso postulierte er 1940 das „Sekundenphänomen“ nach der Therapie einer

Patientin mit chronischen, therapieresistenten Schulterbeschwerden. Die

Schulterschmerzen besserten sich sofort nach einer Infiltration einer alten

Osteomyelitis-Narbe am Unterschenkel. Er schloss auf die Fernwirkung der

Anästhetika, welche eigentlich nur lokale Wirkung zeigen sollten. Er beobachtete

auch eine Verbesserung von rheumatisch bedingten Muskel- und

Gelenksbeschwerden nach Infiltration der Mundschleimhaut, welche bei manchen

auch weit länger anhielten als die Lokalanästhesie (Weinschenk, 2010, S. 7;

Huneke, 1956).

Auf Basis von Hunekes Arbeit führte M. Ratschow in den Jahren 1950/1951 weitere

Versuche durch. Er und seine Mitarbeiter wendeten die Neuraltherapie nach

Huneke bei 1011 Fällen an. Dabei kam es zu 441 vollständigen Remissionen, 427

wesentlichen Besserungen und nur 143 Versagern (Ratschow, 1951).

Huneke gliedert die Neuraltherapie in:

Störfeldtherapie

Segmenttherapie

35

Die Störfeldtherapie basiert auf der Theorie, dass chronische Erkrankungen von

einem entfernten Störfeld ausgehen. Durch Lokalisierung und Ausschaltung eines

solchen Störfeldes können chronisch bestehende Krankheitsbilder behandelt

werden. Weinschenk unterscheidet dabei noch zwischen den oft nicht synonym

gebrauchten Begriffen Herd und Störfeld. Ein Herd beschreibt eine nachweisbare

chronische Veränderung von Gewebsstrukturen, welche aber nicht

zwingendermaßen symptomatisch im Sinne einer Fernwirkung werden muss. Ein

Störfeld dagegen kann über eine Fernwirkung eine chronische Erkrankung

auslösen. Diese kann, muss aber nicht über einen, wie eben definierten Herd

ausgelöst werden. Im Unterschied zu einem Herd ist also ein Störfeld nicht immer

konventionell nachweisbar.

Die Segmenttherapie nutzt lokale Infiltrationen von Head- oder MacKenzie – Zonen.

Durch die Behandlung eines Gebietes innerhalb eines Segmentes sollen andere

Pathologien im selben Segment therapiert werden können (Weinschenk, 2010, S.

137ff).

So viel zum Geschichtlichen und der vorhandenen Fachliteratur. Doch wie steht es

um die Evidenz in klinischen Studien? Inwieweit ist die Neuraltherapie in der

derzeitigen Praxis integriert?

Alternativmedizinische Verfahren finden im deutschsprachigen Raum häufige

Verwendung. Bei einer Befragung gaben 60% von 1471 Hausärzten an,

alternativmedizinische Methoden zu benutzen. 64,8% der Ärzte, welche diese

Methoden verwenden, gaben die Neuraltherapie als „sehr häufig verwendet“ an

(Joos, Musselmann and Szecsenyi, 2011).

Doch wie effektiv ist die Neuraltherapie bei verschiedenen Anwendungen? Mermod

et al zeigten in ihrer Arbeit signifikante Unterschiede der Patientenzufriedenheit bei

der Behandlung von Schmerzen des Bewegungsapparates mit Neuraltherapie im

Vergleich zur konventionellen Therapie (Mermod et al., 2008).

Tsai et al erforschten die Behandlung von Schmerzen im Bereich der

Schultermuskulatur, sekundär ausgelöst durch zervikale

Facettengelenkspathologien, mit neuraltherapeutischer Blockade der

Zygapophysialgelenke. Es zeigte sich eine signifikante Besserung der

Versuchsgruppe nach Injektion der Facettengelenke im Bereich C4-C5 (Tsai et al.,

2009).

36

In der Conclusio ihrer Literaturrecherche erklärten Mosshammer et al, dass derzeit

noch ungenügend Evidenz für Effektivität, mögliche Risiken und Nebenwirkungen

der Neuraltherapie vorhanden sind (Mosshammer et al, 2013).

Die Empfehlung für oder gegen neuraltherapeutische Verfahren ist nach derzeitiger

Datenlage nicht eindeutig, speziell wenn man die diversen Anwendungsgebiete

betrachtet. Eindeutiger ist die Datenlage für lokalanästhetische Verfahren im

Bereich der Facettengelenke zu diagnostischen Zwecken.

1.4.1 Indikationen nach Kupke/Weinschenk

Folgende Indikationen für die Anwendung Neuraltherapeutischer Blockaden im

Bereich der Facettengelenke nennt Weinschenk:

Lokale, pseudoradikuläre, radikuläre Schmerzsyndrome in allen Etagen der

Wirbelsäule

Verspannung der paravertebralen Muskulatur

Schmerzhafte Arthrosen der Facettengelenke

Bandscheibenprolaps mit und ohne radikuläre Symptomatik

Myofasziale Schmerzsyndrome der Wirbelsäule

Herpes zoster des betreffenden Segments

Als Kontraindikation beschreibt Weinschenk:

Lokale Infektion der Haut an der Injektionsstelle

Injektionen an der HWS, insbesondere oberhalb C6 nur für erfahrene

Anwender

(Weinschenk, 2010, S. 629f)

1.4.2 Indikationen nach Tilscher

Tilscher beschreibt folgende Indikation für eine Injektion an den

Wirbelbogengelenken.

Instabilität des lumbosakralen Übergangs oder der darüber gelegenen

lumbalen Wirbelbogengelenke

Gelenksreizzustände und Blockierungen

37

Tilscher selbst beschreibt aber, dass eine tatsächliche intraartikuläre Injektion ohne

Einsatz eines Bildwandlers einen Zufall darstellt. Die periartikuläre Applikation sei

aber nahezu gleichwertig (Hans Tilscher, 2007, S. 67,122,156).

2 Material und Methoden

Ziel der Arbeit war es, die vorhandenen neuraltherapeutischen Techniken

untereinander und mit einer eigens entworfenen Technik im Bereich der LWS zu

vergleichen. Dabei wurde anhand der beschriebenen Techniken Latex injiziert.

Anschließend erfolgte die Präparation der Leichen, wodurch wir das

Ausbreitungsmuster des Latex und dessen topographische Beziehung zum

Facettengelenk und den versorgenden Nerven beurteilen konnten.

Die beiden untersuchten Techniken wurden von Kupke/Weinschenk (Weinschenk,

2010, S. 633) und Tilscher (Hans Tilscher, 2007, S. 156) beschrieben.

2.1 Die Präparate

Zur Untersuchung standen 45 Leichen zur Verfügung, welche nach der von Thiel

entwickelten Technik der Balsamierung konserviert wurden (Thiel, 2002). Diese

Leichen stammten aus dem Dedikationsprogramm des Lehrstuhls für

makroskopische und klinische Anatomie und stellten freiwillige Körperspenden dar.

Die Injektion und anschließende Präparation erfolgte im Rahmen der

Sezierübungen des Wintersemesters 2018/19 des Sezierkurses der Studierenden,

welche sich im dritten Semester befanden. Haut und Subcutis wurden laut

Sezierplan bereits am ersten Tag entfernt. Dies war nicht nur aufgrund des

Sezierplanes notwendig, sondern erleichterte auch die Anwendung der von uns

untersuchten Techniken im Sinne der exakten Palpation und Orientierung.

Noch vor den Injektionen entfernten wir letzte Gewebereste und stellten somit die

Fascia thoracolumbalis in toto dar. Die palpatorische Aufsuchung der Processus

spinosi und die Injektion erfolgte somit ohne Haut und Subcutis. Die Anwendung

der Stichtechniken wurde dadurch deutlich erleichtert. Bei nicht präparierten

Leichen mit hohem BMI oder auch adipösen Patient*innen, gestaltet sich Palpation

und Identifikation aller Dornfortsätze oft als schwierig.

38

2.1.1 Demographische Daten der Präparate

Es wurden 45 Leichen untersucht. Davon waren 22 männlich und 23 weiblich. Das

durchschnittliche Alter zum Zeitpunkt des Todes lag bei 80,27 Jahren, die

durchschnittliche Größe bei 1,68 m, das durchschnittliche Gewicht bei 68,95 kg und

der durchschnittliche BMI lag bei 24,21 kg/m²

Demographie

N Minimum Maximum Mittelwert

Alter (Jahre) 45 56,0 97 80,27

Größe (m) 45 1,51 1,85 1,68

Gewicht (kg) 45 50,0 105,0 68,95

BMI (kg/m²) 45 17,04 34,02 24,21

Tabelle 1: Demographische Daten der Präparate

2.2 Werkzeuge

Folgende Werkzeuge wurden bei der Injektion und Präparation verwendet:

Klingenhalter

10er Klingen

20er Klingen

Anatomische Pinzette

Injektionsnadeln

Spritze 5ml

Spritze 2ml

Geodreieck / eigens angefertigte Schablone

Schiebelehre

Latex zur Injektion

Einwegtücher

Kunststoffrolle

2.3 Technik

Der praktische Teil der Arbeit erfolgte in drei Arbeitsschritten.

39

Zuerst erfolgte die Darstellung der Fascia thoracolumbalis. Anschließend erfolgte

die Aufsuchung der Processus spinosi mit darauffolgender Injektion mit Latex. Nach

ca. einer Woche wurde die Präparation zur Kontrolle der Treffgenauigkeit

durchgeführt.

2.3.1 Aufsuchung und Identifikation der Processus spinosi hinsichtlich ihres Segments

Da wir die Techniken ausschließlich im lumbalen Bereich der Wirbelsäule

anwandten war eine akkurate Identifizierung der Segmente beziehungsweise der

Processus spinosi essenziell.

Trotz vorhandenem Wissen und Verständnis der knöchernen Wirbelsäule gestaltete

sich das Auffinden der Dornfortsätze als eine der größten Schwierigkeiten. Mehrere

Faktoren hatten dabei einen Einfluss, sowohl in positiver als auch negativer

Hinsicht.

Den größten Einfluss hatte mit Sicherheit die Lagerung. Die Leichen befanden sich

in Bauchlagerung, flach am Seziertisch. Dadurch waren die einzelnen Wirbel und

vor allem die Übergänge zwischen den Wirbelsäulenabschnitten schwer zu

ertasten. Etwas Abhilfe konnte mit einer Kunststoffrolle geschaffen werden, welche

ventral der LWS platziert wurde. Dadurch kam es zu einer gewissen Entlordosierung

wodurch sich die Abstände zwischen den Dornfortsätzen etwas erweiterten. Diese

Vorgehensweise erleichterte die Aufsuchung und die Injektion deutlich.

Eine weitere mögliche Variante wäre gewesen, die Leichen sitzend zu lagern, so

wie die Injektionstechnik in der Praxis eigentlich angewandt wird. Dafür wären aber

entweder komplizierte Vorrichtungen oder mehrere, ständig verfügbare

AssistentInnen notwendig gewesen. In dem verfügbaren Setting war dies nicht

möglich, weshalb die Präparate wie oben beschrieben, mit einer Rolle, gelagert

wurden.

Erleichternd für die Aufsuchung war die Tatsache, dass bei allen Leichen bereits

Haut und Subcutis entfernt waren. Dadurch war unter anderem auch der Ansatz des

Musculus trapezius ersichtlich, welcher sich bis zum 12. Brustwirbel erstreckt und

damit den Übergang von Brustwirbelsäule in Lendenwirbelsäule darstellt.

Eine weitere Struktur zur Höhenorientierung stellten die Darmbeinkämme dar. Denn

wenn man eine Linie zwischen linkem und rechtem Darmbeinkamm zieht, schneidet

40

sich diese auf dem vierten Lumbalwirbel. Diese Linie wird auch „Tuffier’s line“

genannt (Windisch et al, 2009).

2.3.2 Injektionstechniken

Wir verglichen drei verschiedene Techniken welche blind, nur anhand von tastbaren

Knochenpunkten als Landmarken, durchgeführt werden. Zwei in der Literatur

beschriebene Techniken, und zwar die Technik nach Tilscher und die Technik nach

Weinschenk. Außerdem eine eigens entworfene Technik. Diese diente als Vergleich

zu den bereits bestehenden.

Angewandt wurden diese Techniken ausschließlich im Bereich der lumbalen

Wirbelsäule, also zwischen L1 und L5.

Es wurden 45 Präparate randomisiert und jeweils einer Technik zugewiesen.

Das ergibt 15 Leichen pro Technik. Zusätzlich wurde aber auch der Unterschied in

der Wahl des Referenzpunktes untersucht. Dabei wurden die 15 Präparate pro

Technik abermals unterteilt, und zwar wurde bei 8 Präparaten die Technik vom

Mittelpunkt des Dornfortsatzes ausgehen und bei 7 Stück die Technik vom lateralen

Rand des Dornfortsatzes ausgehend, durchgeführt.

Nach dem Entfernen der letzten Gewebereste und der Darstellung der Fascia

thoracolumbalis wurden die Processus spinosi aufgesucht.

Nach Bestimmung der korrekten Position wurde mit einer Kanüle eingestochen,

diese wurde bis zum Knochenkontakt vorgeschoben. Anschließend wurde je 1 ml

Latex injiziert. Kam es nicht zu einem Knochenkontakt, wurde kein Latex injiziert

und der Versuch an diesem Segment als „Nicht getroffen“ dokumentiert.

Um die Techniken möglichst akkurat und konstant anzuwenden, wurden

Schablonen angefertigt. Die Basis dieser Schablonen waren mehrere

handelsübliche Geodreiecke. Ausgehend von der Mitte der Schablone wurden die

richtigen Abstände der jeweiligen Technik ausgemessen. Anschließend wurde ein

Loch zur Führung der Injektionskanüle gebohrt. Durch die Verwendung der

angefertigten Schablone konnte die Reproduzierbarkeit der Techniken

gewährleistet werden.

Um die Zielmenge von 1 ml Latex möglichst genau einzuhalten verwendeten wir

eher kleinere Spritzengrößen. Die anfangs verwendete 2 ml-Spritze stellte sich aber

41

sehr schnell als ineffizient heraus, daher verwendeten wir durchgehend eine 5 ml-

Spritze.

Auch die verwendete Kanüle musste nach den ersten Versuchen angepasst

werden. Bei zu kurzer Kanüle mussten die Weichteile mit großem Kraftaufwand

komprimiert werden, um einen Knochenkontakt zu erzielen. Das hat zwar

möglicherweise am lebenden Patienten keine negativen Auswirkungen auf die

Injektion, bei unserem Versuchsaufbau aber sehr wohl Auswirkungen auf die

genaue Ausmessung der Einstichtiefe, da diese immer vom Faszienniveau ausging.

Ein weiterer Faktor war die Schablone selbst, welche bei kurzer Kanüle das

Komprimieren und somit den möglichen Knochenkontakt verhinderte.

2.3.3 Injektionstechnik nach Kupke/Weinschenk (Technik 1; Subgruppe

1a und 1b)

Die Injektionstechnik nach Weinschenk wurde wie folgt in der Literatur beschrieben

und durchgeführt.

Patient sitzend, leicht vornübergebeugt oder in Bauchlage

Auf Höhe der Mitte zwischen den Dornfortsätzen

1 Querfinger lateral der Dornfortsatzlinie

Streng sagittal

Bis Knochenkontakt, dann 1 mm zurückziehen und injizieren

(Weinschenk, 2010, S. 632f)

Gelagert wurden unsere Präparate in Bauchlage. Weinschenk definiert einen

Querfinger als 1,5 cm. In unserem Versuchsaufbau wurde aufgrund der

Vergleichbarkeit sowohl bei der Technik nach Weinschenk als auch der Technik

nach Tilscher, 1,5 cm als Maß des Querfingers angenommen (Weinschenk, 2010,

S. 400).

2.3.4 Injektionstechnik nach Tilscher (Technik 2; Subgruppe 2a und 2b)

Tilscher beschreibt die Lage der Facettengelenke mit einem Querfinger kranial und

2 cm lateral der Dornfortsätze. Dadurch ergibt sich die folgende Technik:

42

Patient sitzend oder in Bauchlage

1 QF kranial der Dornfortsätze

2 cm lateral der Dornfortsatzreihe

Streng sagittal

Einführung der Nadel bis zum Knochenkontakt

(Hans Tilscher, 2007, S. 156)

Auch hier wurden die Präparate in Bauchlage gelagert und der Querfinger mit 1,5

cm festgelegt.

2.3.5 Eigene Technik (Technik 3; Subgruppe 3a und 3b)

Zusätzlich zu den beiden in der Literatur beschriebenen Techniken entwarfen wir

als Vergleich eine eigene Technik. Diese Technik nimmt ebenso den Processus

spinosus als Anhaltspunkt und hat im Vergleich zu den anderen beiden Techniken

den kürzesten Abstand zur Dornfortsatzlinie. Da die Technik im Vergleich zu den

bereits bestehenden Techniken deutlich näher der Medianlinie lag, wurde sie auch

als „mediale Technik“ bezeichnet.

Die Leichen wurden ebenso in Bauchlage gelagert.

1 cm lateral der Dornfortsätze

Streng sagittal

Einführung der Nadel bis zum Knochenkontakt

43

Die Basis für diese Technik bildete eine vorangegangene Arbeit von Hopfgartner

(Hopfgartner, 2017), welche zeigte, dass sich die Anzahl an Fehlstichen erhöht je

weiter sich die Technik nach lateral bewegt. Es erhöht sich dabei teilweise drastisch

die Gefahr, dass die Nadel lateral an der Wirbelsäule vorbeigeführt wird. Um die

Anzahl an Fehlstichen zu verringern, wurde der Einstichpunkt der eigenen Technik

deutlich medialer gewählt. Die Technik soll dabei nicht nur mit höherer

Wahrscheinlichkeit das Facettengelenk treffen, sondern auch die Chance einer

möglichen Weichteil oder Organverletzung mittels Fehltreffer verringern.

Abbildung 10: Darstellung der Injektionstechniken

Abbildung 10: zeigt schematisch die Techniken im Vergleich:

Blau: die Technik nach Weinschenk:

o Mittig zwischen zwei Processus spinosi, 1,5 cm nach lateral

Rot: die Technik nach Tilscher:

o Mittelpunkt Processus spinosus, 1,5 cm kranial, 2 cm lateral

Grün: die eigene/mediale Technik:

o Mittelpunkt Procesuss spinosus, 1 cm lateral

Dabei geht die Subgruppe „a“ immer von der Medianlinie aus. Die Subgruppe „b“

geht immer vom lateralen Rand der Dornfortsätze aus. Der Vergleich zwischen dem

Mittelpunkt und dem lateralen Rand des Processus spinosus wurde aufgrund der

Arbeit von Hopfgartner (Hopfgartner, 2017) gewählt. Diese zeigte einen statistisch

signifikanten Unterschied zwischen den beiden Platzierungen. Es wird dabei die

unterschiedliche Größe eines Querfingers simuliert. Somit konnten wir in unserer

44

Arbeit präparatorisch überprüfen, ob ein signifikanter Unterschied bei einer solchen

Nadelplatzierung besteht.

2.3.6 Präparation

Nach Aushärten des Latex (ca. eine Woche) wurden die injizierten Leichen

präpariert. Die Präparation diente dazu, die Verhältnisse des Latex zum

Facettengelenk zu eruieren. Das präparative Vorgehen erfolgte streng nach

Schichten, so wurde zuerst die Fascia thoracolumbalis abgehoben und

anschließend die Muskulatur. Auch hier erfolgte die Abtragung schichtweise. Zuerst

wurden der oberflächlich liegende M. latissimus dorsi und die im Weg liegenden

Anteile der dorsalen Bauchwand präpariert, dann der M. obliquus internus

abdominis. Anschließend erfolgte die Präparation der autochthonen

Rückenmuskulatur. Ebenso entfernt, beziehungsweise inzidiert wurde die Pars

lumbalis des M. longissimus und des M. iliocostalis lumborum.

Die Präparation erfolgte so weit in die Tiefe, bis man auf den Latex oder auf die Art.

zygapophysialis stieß. Der Latex wurde dann in toto dargestellt, evaluiert und

entweder als „Treffer“ oder „Kein Treffer“ protokolliert.

Folgende Positionen des Latex galten als Treffer:

Intraartikulär in der Art. zygapophysialis

Umspülung des Facettengelenkes

Umspülung des gelenksversorgenden Nervs oder Füllung des

Kompartiments, in welchem er sich befindet.

Als „kein Treffer“ oder „Fehltreffer“ wurde die Injektion unter folgenden

Bedingungen protokolliert:

Kein Knochenkontakt nach Einstich, dabei erfolgte keine Injektion von Latex

Kein Kontaktpunkt des Latex zum Facettengelenk oder dessen Nerv

45

Abbildung 11: Präparat nach Entfernen von Haut und Subcutis, eigenes Foto

Bei der Abb. 11 handelt es sich dabei um eine seitliche Ansicht von rechts. Die

linke Seite des Bildes deutet Richtung kaudal, rechts Richtung kranial. ereits

entfernte Haut und Subcutis und Darstellung der Fascia thoracolumbalis. Die

Processus spinosi sind sowohl lumbal als auch thorakal deutlich sichtbar.

Anschließend erfolgte die Latexinjektion.

Abbildung 12: Präparat mit teilweise entfernter Rückenmuskulatur, eigenes Foto

46

Nach Injektion und Aushärten erfolgte die weitere schichtweise Präparation. Hierbei

wurde erst die Muskulatur lateral der Wirbelsäule entfernt. Der Großteil des Errector

spinae ist aber noch erhalten. Entfernt wurden unter anderem der M. latissimus

dorsi, der kaudale Anteil des M. trapezius und Teile des M. serratus posterior

inferior. Zu sehen in Abbildung 12.

Abbildung 13: Präparat mit Darstellung der Facettengelenke und teilweiser Entfernung des M. erector spinae, eigenes Foto

Abbildung 13 zeigt das endgültige Ergebnis. Der M. erector spinae wurde im Bereich

der lumbalen Wirbelsäule zu einem Großteil entfernt. Nach der präparativen

Freilegung der Wirbelsäule bzw. des Latex konnte die örtliche Beziehung zwischen

Latex, Facettengelenk und dessen versorgenden Nerv beurteilt und ausgewertet

werden. Zu sehen ist Latex injiziert nach der Technik von Tilscher.

47

3 Ergebnisse – Resultate

3.1 Ergebnisse der Injektionstechnik nach Weinschenk

15 Leichen wurden von uns nach der Technik von Weinschenk injiziert. Sie wurden

weiters in zwei Gruppen (1a und 1b) eingeteilt. Die Anwendung der Technik

unterscheidet sich in den beiden Gruppen bezogen auf ihrem Referenzpunkt.

Sieben Leichen wurden mit der Technik nach Weinschenk injiziert ausgehend von

einer gedachten Linie, welche durch den Mittelpunkt des Dornfortsatzes verlauft.

Bei Acht injizierten Leichen lag der Referenzpunkt auf einer Linie welche durch den

lateralen Rand der Dornfortsätze verläuft.

Diese 15 Leichen wurden beginnend von Th12/L1 bis L4/L5 beidseitig injiziert. Dies

ergab insgesamt 150 Einstiche. Nach dem Sezieren ergab sich folgendes Bild

beziehungsweise folgende Anzahl an Treffern.

Ergebnisse der Technik nach Weinschenk

Treffer

Gesamt kein Treffer Treffer

Technik 1a-Weinschenk Mittelpunkt Anzahl 7 53 60

% innerhalb von Technik 13,4% 86,6% 100,0%

1b-Weinschenk lateraler

Rand

Anzahl 34 56 90

% innerhalb von Technik 37,8% 62,2% 100,0%

Gesamt Anzahl 41 109 150

% innerhalb von Technik 27,3% 72,7% 100,0%

Tabelle 2: Kreuztabelle Kupke/Weinschenk Treffer und Fehltreffer

Um zu eruieren, ob die prozentuell klar unterschiedliche Trefferquote von 86,6%

und 62,2% zwischen der vom Mittelpunkt angewandten Technik und der vom

lateralen Rand gestochenen, auch eine statistische Signifikanz aufweisen, wurde

ein Chi-Quadrat-Test angewandt. Dieser zeigte eine große statistische Signifikanz

bei p=0,001 und α=0,05.

3.2 Ergebnisse der Injektionstechnik nach Tilscher

15 Leichen wurden mit der Technik nach Tilscher injiziert. Davon entfielen 8 Stück

auf die Gruppe 2a, welche ihren Ausgangspunkt im Mittelpunkt des Processus

spinosus hatte, und 6 Stück auf die Gruppe 2b, welche den lateralen Rand des

Processus spinosus als Referenzpunkt nahm. Ein Präparat musste aufgrund einer

bereits durchgeführten Laminektomie ausgeschlossen werden.

48

Die Gruppe 2a zeigte 45 Treffer und 35 Fehlstiche. Bei 80 Stichen insgesamt ergibt

das 56,3% Treffer und 43,8% Fehlstiche.

Die Gruppe 2b zeigte bei 60 Stichen insgesamt 23 Treffer und 37 Fehlstiche. Das

ergibt respektive 38,3% und 61,7%.

Ergebnisse Tilscher

Treffer

Gesamt kein Treffer Treffer

Technik 2a -Tilscher Mittelpunkt Anzahl 35 45 80

% innerhalb von Technik 43,8% 56,3% 100,0%

2b - Tilscher lateraler

Rand

Anzahl 37 23 60

% innerhalb von Technik 61,7% 38,3% 100,0%

Gesamt Anzahl 72 68 140

% innerhalb von Technik 51,4% 48,6% 100,0%

Tabelle 3: Kreuztabelle, Tilscher Treffer und Fehlstiche

Nach Anwendung des Chi-Quadrat Tests sieht man, dass der Unterschied zwischen

der medianen und der lateralen Position statistisch signifikant ist (p= 0,036; α =

0,05).

3.3 Ergebnisse der eigenen Injektionstechnik

15 Leichen waren unserer eigenen Technik zugewiesen. Ein Präparat musste von

der Arbeit ausgeschlossen werden, aufgrund einer bereits durchgeführten

Laminektomie. Eine weitere Leiche musste aufgrund eines Fehlers bei der Injektion

von der Arbeit ausgeschlossen werden.

Auch die Präparate, welche der eigenen Technik zugewiesen wurden, wurden in

zwei Gruppen eingeteilt. Es wurden sieben Präparate der Gruppe 3a zugewiesen

und sechs Präparate der Gruppe 3b. Dies ergibt insgesamt 130 Stiche. Die Gruppe

3a ging streng vom Mittelpunkt des Processus spinosus aus, die Gruppe 3b von

dessen lateralen Rand.

Gruppe 3a erzielte bei insgesamt 70 Injektionen 29 Treffer (41,4%) und 41

Fehltreffer (58,6%).

Gruppe 3b erzielte bei insgesamt 60 Injektionen 33 Treffer (55%) und 27 Fehltreffer

(45%).

49

Injektion nach eigener Stichtechnik

Treffer

Gesamt kein Treffer Treffer

Technik 3a-Eigene Stichmethode

Mittelpunkt

Anzahl 41 29 70

% innerhalb von Technik 58,6% 41,4% 100,0%

3b- Eigene Stichmethode

lateraler Rand

Anzahl 27 33 60

% innerhalb von Technik 45,0% 55,0% 100,0%

Gesamt Anzahl 68 62 130

% innerhalb von Technik 52,3% 47,7% 100,0%

Tabelle 4: Kreuztabelle Eigene Stichmethode Treffer und Fehltreffer

Auch bei unserer eigenen Technik zeigte sich ein prozentueller Unterschied der

Trefferquote, ein durchgeführter Chi-Quadrat Test zeigte aber keinen statistisch

signifikanten Unterschied zwischen 3a und 3b (p = 0,122, α = 0,05).

3.4 Vergleich der verschiedenen Techniken, im speziellen mit der

eigens entworfenen Technik

Als die Technik mit der höchsten Trefferquote stellte sich die Stichtechnik nach

Kupke/Weinschenk heraus. Sie zeigte eine Trefferquote von insgesamt 72,7%.

Deutlich schlechter schnitten sowohl die Technik nach Tilscher mit insgesamt 48,6%

Treffer und die eigene Technik mit insgesamt 47,7% ab.

Abbildung 14: Vergleich der Techniken

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Weinschenk/Kupke Tilscher Eigene Technik

Techniken im Vergleich

Mittelpunkt lateraler Rand insgesamt

50

Betrachtet man die Ergebnisse noch etwas differenzierter, fällt das Urteil zum Teil

noch eindeutiger aus. Vergleicht man etwa die Treffer von Gruppe 1a mit 88,3%

(siehe Tabelle 2) und die der Gruppe 2b mit 38,3% (siehe Tabelle 3) so zeigt sich

ein deutlicher Unterschied. Gruppe 1a wurde dabei nach der Technik von

Weinschenk eingestochen und das ausgehend vom Mittelpunkt des Processus

spinosus. Gruppe 2b wurde wiederrum nach der Technik von Tilscher injiziert und

das ausgehend vom lateralen Rand des Processus spinosus.

3.5 Auswertung nach Geschlecht

Aufgrund der vorhandenen epidemiologischen Daten konnten wir die Techniken

auch nach Geschlecht auswerten. Es zeigten sich folgendes Bild:

Auswertung nach Geschlecht

Gesamt kein Treffer Treffer

Geschlecht Männer Anzahl 91 109 200

% innerhalb von Geschlecht 45,5% 54,5% 100,0%

Frauen Anzahl 92 128 220

% innerhalb von Geschlecht 41,8% 58,2% 100,0%

Gesamt Anzahl 183 237 420

% innerhalb von Geschlecht 43,6% 56,4% 100,0%

Tabelle 5: Kreuztabelle, Auswertung nach Geschlecht

Ein durchgeführter Chi Quadrat Test zeigte keinen statistisch signifikanten

Unterschied (p=0,578 bei α=0,05) zwischen der Trefferquote an männlichen

Präparaten und der an weiblichen Präparaten.

Die Nullhypothese kann daher nicht verworfen werden und es kann dadurch nicht

ausgeschlossen werden, dass es sich hier nur um einen zufälligen, statistischen

Unterschied handelt.

Wir konnten daher in der Arbeit keinen Unterschied der Trefferquote in Abhängigkeit

vom Geschlecht zeigen.

51

4 Diskussion

Die Arbeit ist die nach unserem Wissen erste Studie an Körperspendern, welche

neuraltherapeutisch genutzte Techniken untersucht und vergleicht. Basierend auf

bestehenden Arbeiten haben wir zwei bereits bekannte und eine neuentwickelte

Technik an Körperspendern untersucht. Sie zeigte auch erstmals die

Ausbreitungsmuster und erreichten Strukturen mittels direkten Assessments durch

Dissektion.

Die Ergebnisse unserer Arbeit beantworten nicht nur wichtige Fragen, sondern

werfen auch neue auf. Wie oben ersichtlich, stellte sich eine Technik als überlegen

heraus, und zwar die Technik Weinschenk. Mit einer insgesamten Trefferquote von

72,7% grenzte sie sich deutlich von den beiden anderen Techniken ab (siehe

Tabelle 2 und Abbildung 14).

Doch das Ziel der Arbeit war nicht nur, die Trefferquoten zu vergleichen, sondern

sie diente mit ihrem Versuchsaufbau auch der Lokalisation von Fehltreffern.

4.1 Topographie der Fehltreffer

Nach der Auswertung stellte sich eine der drei angewandten Techniken als deutlich

überlegen heraus. Doch inwiefern unterscheidet sich diese Technik von den beiden

anderen angewandten?

Die Techniken unterscheiden sich voneinander sowohl in Bezug auf die

transversale als auch die vertikale Achse. Bezogen auf die transversale Achse

unterscheiden sich die Techniken über den Abstand der Einstiche von der

Medianlinie bzw. den Processus spinosi nach lateral. Die mit 1 cm am weitesten

medial gelegene Technik ist die eigene. Die mit 2 cm am weitesten lateral platzierte

Technik ist die Technik nach Tilscher. Die Technik nach Weinschenk liegt mit 1,5

cm Abstand zur Medianlinie genau in der Mitte.

Die mediale Platzierung der eigenen Technik spiegelte sich auch in den Fehltreffern

wider. Die eigene Technik zeigte eine hohe Fehlerquote, dabei war zu beobachten,

dass sich der Latex meist medial der Facettengelenke befand. Er lag dabei

entweder dorsal der Lamina arcus vertebrae oder direkt lateral an der Basis des

Processus spinosus. In beiden Fällen zeigte er aber keine Beziehung zum

Facettengelenk oder zum Ramus medialis.

52

Die Technik nach Tilscher zeigte genau das umgekehrte Bild. Nicht nur die

Einstichstelle der Technik lag am weitesten lateral, sondern auch der injizierte

Latex. Der Latex wurde dabei entweder im Bereich des Processus costalis injiziert

oder aber diffus im Bereich der lateralen Weichteile.

Die Technik zeigte aber nicht nur eine große Anzahl von Fehltreffern lateral des

Facettengelenks, sondern auch deutlich mehr initiale Fehltreffer. Initiale Fehltreffer

deswegen, weil es beim Anwenden der Technik nicht zu einem Knochenkontakt

kam. Es wurde daher auch kein Latex injiziert.

Anzahl der Fehltreffer mit fehlender Knochenkontakt (Abbildung 15):

Die Technik nach Tilscher verzeichnete 24 von 140 Stichen ohne

Knochenkontakt, dies entspricht etwa 17,1%.

Bei der Technik nach Weinschenk fehlte bei 6 von 150 Stichen der

Knochenkontakt, dies entspricht etwa 4%.

Bei der eigenen Technik fehlte bei 4 von 130 Stichen der Knochenkontakt,

dies entspricht etwa 3,0% an initialen Fehltreffern.

Abbildung 15 Initiale Fehltreffer (kein Knochenkontakt) der Techniken

Grundsätzlich unterscheidet sich die insgesamte Trefferquote der Technik nach

Tilscher und unserer eigenen nur sehr gering, 48,6% versus 47,7%. Betrachtet man

jedoch die deutlich größere Anzahl an initialen Fehltreffern und die Lokalisation der

Fehltreffer, so kann durchaus die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die

17

,1%

4%

3,0

%

T I L S C H E R W E I N S C H E N K E I G E N E T E C H N I K

KEIN KNOCHENKONTAKT

Tilscher Weinschenk Eigene Technik

53

Technik nach Tilscher eine größere potenzielle Gefahr darstellt, an der Wirbelsäule

vorbeizustechen und damit in ungeliebte tiefe Regionen zu kommen.

Der nach der Technik nach Tilscher injizierte Latex zeigte eine deutlich variablere

Lokalisation, vor allem was die Tiefe und Ausbreitung betrifft. Diese

Unberechenbarkeit erschwerte die Reproduzierbarkeit von exakten Injektionen, und

führte in Einzelfällen sogar zu intraperitonealen Injektionen. Im Vergleich zu den

anderen Techniken wurde aber aufgrund des fehlenden Knochenkontaktes auch

deutlich öfter kein Latex injiziert.

Die eigene Technik zeigte zwar eine ebenso hohe Anzahl an Fehltreffern, aber

deutlich geringere Variabilität der Lokalisation des Latex zur lumbalen Wirbelsäule.

Dieser befand sich nahezu ausschließlich dorsal der lumbalen Wirbelsäule bzw. der

Lamina arcus vertebrae. Grundsätzlich kam es dabei zwar in 52,3% der Fälle nicht

zu einer Injektion des Facettengelenks. Im Falle eines Fehltreffers ist die Gefahr

einer intraperitonealen Injektion oder einer Organperforation aber deutlich geringer.

Die Technik nach Weinschenk schätzen wir als deutlich sicherer ein als die Technik

nach Tilscher. Dies aufgrund der deutlich höheren Trefferquote und auch der sehr

niedrigen Anzahl an initialen Fehltreffern ohne Knochenkontakt.

4.2 Das Problem des Querfingers

Bei der Beschreibung der Techniken greifen sowohl Weinschenk als auch Tilscher

auf eine sehr ungenaue, nicht standardisierte Einheit zurück, den Querfinger.

Grundsätzlich stellt der Querfinger für den Anwender natürlich eine leicht

anzuwendende Messmethode dar. Der Vorteil ist klar, die Technik kann dabei

grundsätzlich immer und überall angewendet werden. Außer der eigenen Hand

werden keine weiteren (Mess-) Werkzeuge benötigt. Das Problem dabei ist der

Anwender und die Größe der verwendeten Hand bzw. des Fingers. Diese Größe

weist Variationen auf, wodurch die Reproduzierbarkeit der Technik eingeschränkt

ist. Weinschenk gibt daher als Hilfe eine Umrechnung des Querfingers an, und zwar

entspricht ein Querfinger 1,5 cm. (Weinschenk, 2010, S. 400)

Es wurde somit zwar eine einheitliche Einheit definiert, doch stellt sich dabei die

Frage, ob eine solche immer beim Ausführen der Technik angewandt wird. In der

realen Anwendung ist es weder möglich noch praktisch, Messmethoden wie Lineal,

Maßband, Schiebelehre oder Schablonen zu verwenden. Wir gehen davon aus,

54

dass ein Großteil der Neuraltherapeuten die Techniken wie beschrieben, mittels

Querfinger als Maß, anwendet.

Ein weiterer Faktor ist der Referenzpunkt des Processus spinosus. In unserem

Versuchsaufbau war es möglich den Mittelpunkt der Dornfortsätze exakt

auszumessen. Das Messen dieses Referenzpunktes erfolgte mittels Schiebelehre.

Dieses Vorgehen war aber nur aufgrund der vorherigen Darstellung der Fascia

thorakolumbalis und der Processus spinosi möglich (siehe Abb. 11). Am realen

Patienten wäre das aufgrund der Weichteile nicht möglich.

Um diese Variabilität der Techniken zu simulieren, wurden die Versuchsgruppen

der jeweiligen Technik halbiert. Bei einer Hälfte der Präparate wurde der Mittelpunkt,

bei der anderen Hälfte der laterale Rand des Processus spinosus als Referenz

gewählt.

In der Auswertung zeigte sich dabei sowohl bei der Technik nach Weinschenk als

auch der Technik nach Tilscher ein statistisch signifikanter Unterschied in der

Trefferquote. Die eigene Technik zeigte mit einem P-Wert von 0,122 bei α=0,05

keine statistische Signifikanz, der Unterschied kann also nicht sicher auf die

Lokalisation zurückgeführt werden. (siehe Tabelle 4)

Bei der Technik nach Weinschenk ergab das einen Unterschied von 24,4 %. Vom

Mittelpunkt traf die Technik in 86,6 % der Fälle, vom lateralen Rand dagegen in 62,2

% (siehe Tabelle 2).

Die Technik nach Tilscher zeigte dabei einen Unterschied von 18 %. Vom

Mittelpunkt traf die Technik in 56,3% der Fälle, vom lateralen Rand dagegen nur in

38,3% (siehe Tabelle 3).

Zwei Aussagen können daher getroffen werden:

Je weiter sich die Technik vom Processus spinosus ab einem gewissen

Punkt entfernt, desto geringer wird die Trefferquote. Die eigene Technik

verschlechterte sich nicht statistisch signifikant bei Lateralisierung. Daher,

der Effekt tritt erst ab einem gewissen, noch nicht genau definierten,

Mindestabstand ein.

Sehr geringe Unterschiede bei der Wahl der Referenzpunktes oder in der

Messmethode reichen aus, um die Trefferquote positiv oder negativ zu

beeinflussen.

55

4.3 Wirbelsäulendeformitäten und deren Auswirkung auf die

Trefferquote

In unserer ursprünglichen Fragestellung werden Fehlstellungen der Wirbelsäule

nicht berücksichtig. Insbesondere Skoliosen stellten sich im Verlauf der Arbeit als

potenzielle Fehlerquelle für Fehlstiche dar. Bei ausgeprägterer Skoliose zeigte sich

in Einzelfällen ein komplettes, meist einseitiges Versagen der Stichtechnik.

Wir führten die Arbeit an fast ausschließlich orthograden, oder nur minimal

skoliotischen Wirbelsäulen durch. Auch der Schweregrad der Skoliose war vor der

Präparation meist nicht ersichtlich. Es lassen sich daher keine statistisch relevanten

Aussagen bezüglich der Zielgenauigkeit der Stichtechniken bei skoliotischen

Wirbelsäulen treffen.

An einzelnen Präparaten mit Wirbelsäulenfehlstellung sah man aber deutlich, dass

hierbei ein beträchtlich größeres Potenzial für Fehltreffer besteht.

Für konkrete, statistische Ergebnisse an skoliotischen Wirbelsäulen sind allerdings

weitere Arbeiten notwendig.

4.4 Die Frage nach dem Volumen

Für die praktische Anwendung stellt sich auch die Frage der Menge des benötigten

Injektionsvolumens, welches man für eine ausreichende Analgesie benötigt.

Die synoviale Kapsel des Facettengelenks umfasst ein Volumen zwischen 1,0 ml –

2,0 ml (Cohen et al., 2020, S. 17). Daher macht es wahrscheinlich keinen Sinn,

intraartikuläre Injektion mit mehr als 2,0 ml durchzuführen. Es würde dabei

wahrscheinlich zu Rupturen der Gelenkskapsel kommen.

In unserer Arbeit verwendeten wir ein Injektionsvolumen von 1 ml.

Bei exakter Nadelposition erwies sich diese Menge mehr als ausreichend. Bei

Treffern, also bei Nadelplatzierung im richtigen Kompartment, umspülte 1 ml sowohl

das Facettengelenk als auch den Nerv.

Bei Fehltreffern stellt sich die Frage, ob größere Volumina zum Erfolg geführt hätten.

Konkret beantworten lässt sich dies mit unserer Arbeit nicht. Einerseits weil immer

die gleiche Menge von 1 ml Latex verwendet wurde, andererseits weil sich Latex im

Gegensatz zu Lokalanästhetika aufgrund der fehlenden Eigenschaft zu Diffusion

weniger verteilt.

56

Es würde weiterer Arbeiten mit verschiedenen Volumina benötigen, um deren

Einfluss zu eruieren.

4.5 Intraartikuläre Injektionen

Was durch unsere Arbeit deutlich ersichtlich wurde ist, dass intraartikuläre Treffer

bei Injektionen mittels neuraltherapeutischer Techniken eine Seltenheit darstellen.

Von den insgesamt 420 Injektionen zeigte sich bei gerade einmal sieben

Facettengelenken eine intraartikuläre Injektion mit Latex.

Diese so geringe Anzahl zeigt sehr deutlich, dass es mit blinden Stichtechniken

nicht zuverlässig möglich ist, perkutan Facettengelenke intraartikulär zu injizieren.

Dies gilt sowohl für Latex als auch für Lokalanästhetika oder Kortikosteroide.

Abbildung 16 zeigt eine intraartikuläre Facettengelenksinfiltration. Diese wurde

nach der eigenen Technik durchgeführt, es wurde dabei grüner Latex verwendet.

Die Kapsel des infiltrierten Facettengelenks wurde inzidiert und teilweise entfernt.

Dadurch lässt sich der mit grünem Latex gefüllte Gelenksraum darstellen. Dieser

wurde im Bild mithilfe einer grünen Kanüle markiert.

Grundsätzlich stellt sich die Frage der Wirksamkeit von Facettengelenksblockaden,

welche nicht intraartikulär gestochen werden. Dabei ist zu beachten, dass eine

Abbildung 16: Intraartikuläre Injektion, markiert mittels Kanüle, eigenes Foto

57

Schmerzausschaltung auch mit einer periartikulären Injektion erreicht werden kann.

Voraussetzung dafür ist die Blockade der versorgenden Nerven.

In der Praxis wird dies im Sinne eines „medial branch blocks“ sowohl diagnostisch

als auch therapeutisch genutzt.

Es ist daher anzunehmen, dass die von uns angewandten Techniken aufgrund der

präparatorisch nachgewiesenen Lokalisation zum Nerv ebenso am Facettengelenk

ihre Wirkung entfalten, trotz fehlender intraartikulärer Injektion.

4.6 Fazit

Als Fazit unserer Arbeit können wir die Anwendung von blinden Stichtechniken zur

Facettengelenksinfiltration nicht für die Praxis empfehlen. Speziell für den

niedergelassenen Bereich (z.B. einer Allgemeinmedizinerpraxis) ist die Technik

nicht zuverlässig genug, und eventuelle Nebenwirkungen können nicht

ausgeschlossen werden.

Unser Versuch eine sicherere Technik zu entwickeln, misslang. Die mediale

Technik zeigt unserer Einschätzung nach zwar geringeres Gefahrenpotenzial, aber

leider auch eine deutlich geringere Treffsicherheit.

Der Goldstandard der Facettengelenksinfiltration ist die CT-gezielte Technik bzw.

die mittels Durchleuchtung durchgeführte. Diese Techniken sind aufgrund des

technischen Aufwandes nur innerklinisch durchführbar.

Eine Alternative dazu sind ultraschallgezielte Techniken. Die sonographisch

durchgeführte Technik liefert laut Literatur sehr vielversprechende Ergebnisse,

ohne Gefahr der ionisierenden Strahlung. Studien, die CT-gezielte bzw. mittels

Durchleuchtung durchgeführte Techniken mit ultraschallgezielten Techniken

vergleichen, sind im Kapitel 1.3.4 beschrieben (Galiano et al., 2007; Han et al.,

2017). Ein zusätzlicher Faktor, der neben der ionisierenden Strahlung für die

Sonographie spricht ist, dass sich Ultraschallgeräte im Laufe der Zeit nicht nur im

Bereich Bildqualität verbessert haben, sondern auch immer günstiger und

handlicher wurden. So ist es denkbar, dass in Zukunft ultraschallgezielte Techniken

auch Einzug im niedergelassenen Bereich finden werden.

58

4.7 Limitationen

Die größte Limitation der Arbeit stellt die Rigidität des Versuchaufbaus dar. Der

genaue Versuchsaufbau diente der bestmöglichen Vergleichbarkeit der Techniken.

In der Praxis würden die Techniken nicht auf diese Art und Weise angewendet

werden. Die Einstiche erfolgten nach genauer Abmessung und unter Anwendung

von extra angefertigten Schablonen. Auch die Injektion erfolgte streng in der

Sagittalebene, es erfolgte keine Anpassung. In der Praxis würde der/die

durchführende Ärzt*in seine Technik entsprechend seinen Erfahrungen und den

individuellen anatomischen Gegebenheiten seiner Patient*innen anpassen.

Wie bei fast allen Techniken spielt das haptische Gefühl auch hier eine große Rolle,

sowie das genaue Wissen über notwendige Tiefe und Lokalisation der Nadel in den

jeweiligen Kompartments. Unser einziges Kriterium zur Injektion nach Einstich war

der erfolgte Knochenkontakt. Im Gegensatz dazu würde ein Neuraltherapeut eine

Injektion wahrscheinlich nicht durchführen, wenn er der das Gefühl hätte, dass die

Nadel fehlplatziert wäre, auch bei erfolgtem Knochenkontakt.

59

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64

Anhang

Die Dokumentation der Treffer erfolgte über folgenden Tabellen, welche jeweils in

DIN A4 ausgedruckt wurden. Eine Tabelle/Blatt entspricht einem Tisch und der

dabei angewandten Technik. In den freien Feldern wurden die (Fehl-)Treffer

dokumentiert.

Name der Technik

TischNr.:

Gruppe (z.B. 2a)

LINKS RECHTS

L1

L2

L3

L4

L5

Abbildung 17 Beispiel einer Tabelle welche zur Dokumentation benutzt wurde