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44 DRÄGERHEFT 393 | 1 / 2014 Reise ins Blaue In Australien haben Olympus, das John Flynn Private Hospital und Dräger einen der modernsten VIDEO-OPERATIONSSÄLE der Welt eröffnet. D ie Schiebetüren könnten auch in ein U-Boot führen: ozeanblaue Wände, kobaltfarbenes Licht. Auf dem Boden markiert ein stahlblauer Kreis den Aktionsradius des OP-Teams. Anäs- thesist Steven Koh versetzt eine Patientin gerade in den T iefschlaf, HNO-Arzt Mark Courtney bespricht die nächste Prozedur mit den Schwestern. Helfer legen Instru- mente bereit, bringen Monitore und blau umrandete Strahler in Position. Mit dem nahen Pazifik hat das mar itime Ambien- te im Endoalpha-OP des John Fl ynn Pri- vate Hospital an Queenslands Gold Coast allerdings wenig zu tun. Die F arbe unter- stützt vielmehr kühle Konzentration und entspanntes Arbeiten. Und sie symbolisiert einen völlig neuen Typ des Operationssaals: Von hier aus können Eingriffe per Kame- ra und Internet zu Fachleuten in der gan- zen Welt übertragen werden – in Echtzeit. Dabei sind Diskussionen und F ragen aus- drücklich erwünscht! „Dieser OP ist einer der ersten seiner Art, und er wir d sicher nicht der letzte sein“, sagt Dr. Ray Randle, dessen Ideen und Hartnäckigkeit mit dazu beigetragen haben, dass ein global vernetz- ter Video-OP Wirklichkeit wurde. Blick über die Schulter An der Decke des „blauen Salons“ fängt eine Raumkamera die Vorbereitungen ein. Im Zentrum der Dräger Polaris 760, einer LED-Leuchte, fokussiert ein zwei- tes Aufnahmegerät das zu oper ierende Ohr der P atientin. Die De tailkamera überträgt hochaufgelöst in High Defini- tion (HD) jeden Handgriff des Chirurgen auf die Bildschirme im Raum. Gef äße, Organe, Schnitte und Prozeduren lassen sich so gestochen scharf erkennen. All das ist auch auf der Internetseite der Kli- nik zu sehen. Studenten in Europa und Indien können – ebenso wie Fachärzte in den USA – die Pr ozeduren live beobach- ten, Fragen zur Methodik und Technik stellen. Das, was da im OP geschieht, ist natürlich nicht für jedermann bestimmt:

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Reise ins BlaueIn Australien haben Olympus, das John Flynn Private Hospital und Dräger einen der modernsten VIDEO-OPERATIONSSÄLE der Welt eröffnet.

D ie Schiebetüren könnten auch in ein U-Boot führen: ozeanblaue Wände, kobaltfarbenes Licht. Auf

dem Boden markiert ein stahlblauer Kreis den Aktions radius des OP-Teams. Anäs-thesist Steven Koh versetzt eine Patientin gerade in den T iefschlaf, HNO-Arzt Mark Courtney bespricht die nächste Prozedur mit den Schwestern. Helfer legen Instru-mente bereit, bringen Monitore und blau umrandete Strahler in Position. Mit dem nahen Pazifik hat das mar itime Ambien-te im Endoalpha-OP des John Fl ynn Pri-vate Hospital an Queenslands Gold Coast allerdings wenig zu tun. Die F arbe unter-stützt vielmehr kühle Konzentration und

entspanntes Arbeiten. Und sie symbolisiert einen völlig neuen Typ des Operationssaals: Von hier aus können Eingriffe per Kame-ra und Internet zu Fachleuten in der gan-zen Welt übertragen werden – in Echtzeit. Dabei sind Diskussionen und Fragen aus-drücklich erwünscht! „Dieser OP ist einer der ersten seiner Art, und er wird sicher nicht der letzte sein“, sagt Dr. Ray Randle, dessen Ideen und Hartnäckigkeit mit dazu beigetragen haben, dass ein global vernetz-ter Video-OP Wirklichkeit wurde.

Blick über die Schulter

An der Decke des „blauen Salons“ fängt eine Raumkamera die Vorbereitungen

ein. Im Zentrum der Dräger Polaris 760, einer LED-Leuchte, fokussiert ein zwei-tes Aufnahmegerät das zu oper ierende Ohr der Patientin. Die Detailkamera überträgt hochaufgelöst in High Defini-tion (HD) jeden Handgriff des Chirurgen auf die Bildschirme im Raum. Gef äße, Organe, Schnitte und Prozeduren lassen sich so gestochen scharf erkennen. All das ist auch auf der Internetseite der Kli-nik zu sehen. Studenten in Europa und Indien können – ebenso wie Fachärzte in den USA – die Pr ozeduren live beobach-ten, Fragen zur Methodik und Technik stellen. Das, was da im OP geschieht, ist natürlich nicht für jedermann bestimmt:

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OP-Saal im austra-lischen Queensland:

Von den Video-Über tragungen profi-

tieren Mediziner auf der ganzen Welt

Der Facharzt in Wuppertal soll dem aus-tralischen Spezialisten bei einer kompli-zierten Gelenkrekonstruktion zusehen können, ein chinesischer Student sich über einen urologischen Eingriff fortbil-den, der an seiner Universität eventuell noch wenig bekannt ist. Für Unbefugte ist der Blick über die Schulter der Ärz-te indes tabu. Um die Privatsphäre der Patienten zu wahren, gibt es komplexe Sicherheitsschranken, die Online-Über-tragungen nur r egistrierten Nutzern ermöglichen.

Zwölf- bis 15-mal im Jahr reist Ortho-päde Randle normalerweise durch die Welt – vor allem in die USA, nach Deutsch-land und Asien, um seine Arbeit mit Kol-legen und Studenten zu teilen. Gefragt ist vor allem „Randles Knie“. Die spezielle Prothesen-Operationstechnik des Austra-liers ist ebenso schwierig wie erfolgreich, der Heilungsverlauf besonders zügig. Kein Wunder, dass andere von ihm lernen wol-

ten Patienten zeigen zwei Spezialmoni-tore sowohl Courtney als auch der gegen-über assistierenden Stephanie Gant exakt, wie die endoskopische Operation an den Nasenscheidewänden vorangeht. Bei die-sem Eingriff werden die Lichter im Saal blau gedimmt, die Bildschirme zum zwei-ten Augenpaar des Arzts. Für Orthopäden und Innere Mediziner ist vor allem die in die OP-Leuchte integrierte Detailkamera ein Gewinn. Eine auswechselbare, sterile Verschalung schützt das Objektiv, das den zu behandelnden Körperbereich automa-tisch scharf stellt.

„Wir laden häufig Ärzte zum Training ein: Australier, klar, aber auch Kollegen von anderen Kontinenten“, erklärt Randle, wie Schulungen bislang liefen. „Solche Studi-enreisen sind natürlich teuer, dazu gibt es immer wieder Visums- und Terminpro-bleme. Mit der Online-Übertragungstech-nik können wir sehr viel mehr Menschen erreichen“, sagt er und erklärt einen wei- >

OPERATIONSSAAL H IGHTECH-MEDIZIN

len. „Aber meine ständigen Reisen kos-ten natürlich Zeit und Energie – und sie bedeuten auch Einbußen“, erzählt Randle, während der OP hinter ihm für einen neuen Patienten vorbereitet wird. Aus organisatorischen Gründen arbeiten er und sein Team heute im Nachbar-OP. Zehn neue Kniegelenke stehen auf dem Programm. Ein ganz normaler Freitag.

Dritte Kamera an der Stirn?

Im blauen Operationssaal gegenüber macht sich unterdessen Dr. Courtney mit der neuen T echnik vertraut. „Es dauert immer etwas, bis sich das Team an ein neues Umfeld gewöhnt hat“, sagt er und scherzt: „Wir HNO-Ärzte könnten fast noch eine dritte Kamera an der Stirn gebrauchen, da wir mit weniger K opfbe-wegungen arbeiten als die Or thopäden, uns aber zuweilen nah über den P atien-ten beugen. So versperren wir leicht der anderen Kamera die Sicht.“ Beim nächs- F

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HIGHTECH-MEDIZIN OPERATIONSSAAL

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teren Vorteil: „Bisher konnte ein Arzt wäh-rend seines Besuchs vielleicht bei ein oder zwei Eingriffen zusehen. Mittlerweile gibt es einen „Stundenplan“, der online ver -fügbar ist. So kann jeder Arzt eine OP so oft studieren, wie er möchte – zu Zeiten, die für ihn sinnvoll sind. Dieser vertiefen-de Lerneffekt durch wiederholtes Zusehen ist ein enormer Fortschritt.“ Zudem kön-nen schwierige Situationen direkt bespro-chen werden, wenn die OP live ist. Neben den Kameras sind auch Mikrofone einge-schaltet. „Ich bin es gewohnt, während der Arbeit zu erläutern, wie ich vorgehe und warum ich das so mache“, sagt Ray Randle. „Zwischenfragen stören mich nicht.“

Als er vor zwei Jahren den ersten Pati-enten in Saal 1 operierte, gingen für den Orthopäden fünf Jahre Wunschdenken in Erfüllung: „Entscheidend war zunächst die erstklassige HD-Qualität der Bilder. Niemandem nutzen für diese Zwecke nur mäßig scharfe Aufnahmen.“ Als Nächstes mussten die Finanzen geklärt werden. Danach wartete ein logistischer Kraft-akt: Krankenhausrealität, Architektur, neue Technologien und modernes Design mussten auf einen Nenner gebracht wer-den. Zwei Jahr e arbeitete Australiens Dräger-Gesellschaft mit Olympus-Exper-ten für Systemintegration und Ramsay Health, den Betreibern der John-Flynn-Privatklinik, an op timalen Lösungen für das Projekt. „Das Ergebnis hat unse-re Erwartungen zunächst erfüllt, dann sogar übertroffen“, sagt John Cotroneo, der Drägers Infrastrukturbereich in Aus-tralien betreut. Er zeigt auf ein F oto des Raums vor dem Umbau: eine Art Abstell-kammer mit Neonleuchten, kaum wie-

derzuerkennen im blauen Hightech-OP. Cotroneo ist auch mit dem weiteren Ver-lauf des Pilotprojekts zufrieden: „Inzwi-schen haben wir weitere Polaris-Systeme im John Flynn Private Hospital installiert, mehrere neue Gas troenterologie- und Endoskopiesäle ausgestattet und weitere Operationssäle in anderen Krankenhäu-sern realisiert.“

Entspannte Augen sehen mehr

Vier Monate nach der ersten Operation in John Flynns neuem Saal haben sic h die Teams auf die Besonderheiten der blauen Stube eingespielt. „Wir mussten uns das

Türentreten abgewöhnen“, lacht Anäs-thesieschwester Joanne Death. Auch aus hygienischen Gründen lassen sich Türen in Kliniken mitunter nur per Fuß öffnen – was den modernen Schiebetüren weni-ger bekommt. Sie gleiten per Knopfdruck geräuschlos beiseite und schließen sich zeitverzögert und automatisch. Um not-falls doch die altbewährte Tritttechnik anwenden zu können, wurden neben den Schleusen schwarze Gummipolster befes-tigt, unter denen ein Sensor sitzt.

Das Blau indes schafft einen optima-len Kontrast für die Kameras, zugleich hat es eine beruhigende Wirkung und ent-spannt die Augen, was in der konzentrier-ten Atmosphäre eines Operationssaals durchaus nützlich ist. Die Anäst hesis-ten jedoch müssen ihre Aufmerksamkeit erhöhen: Venen und Hautfarbe des Pati-enten sind im blauen Ambiente weniger gut zu erkennen. „Natürlich geben uns die Monitore exakte Daten über Her z-schlag, Blutdruck und Zustand des Pati-enten. Aber meine Beobachtung liefert zusätzliche Informationen“, sagt Anäs-thesieschwester Joanne Death.

„Deshalb schalten wir das blaue Licht nicht ständig ein“, sagt Ray Randle. Doch auch wenn er auf die klaren Polaris-Leuch-ten umschaltet, reflektieren die blauen Glaswände im Raum eine kühle Brillanz. Die Bildschirme heben sich von der dun-kelblauen Umgebung ab. Zuschauer im Rest der Welt können im blauen wie im klaren Ambiente per Raumkamera die OP-Anordnung studieren. Gebannter aller -dings dürften sie der Detailkamera folgen, die zu heilende Körperteile und Chirur-genhände zeigt.

Auf dem HD-Display zeigen sich Organe und Gefäße mit großer Genauigkeit

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HNO-Spezialist Dr. Mark Courtney konzentriert alle Sinne auf den Eingriff

Dr. Ray Randle ist der Vater der Video-OPs und auch in der Lehre ein Talent

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OP-SAAL H IGHTECH-MEDIZIN

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Als Nebeneffekt unterstützt dieses Aufnah-megerät auch das Team im OP. „Einen langwierigen Aorta-Eingriff letzte Woche übertrug die Kamera auf den Wandbild-schirm“, erzählt Priscilla Vanwyk, die gerade von Stations- auf OP-Schwester umsattelt. „Ich konnte auf dem Display alles genau verfolgen, Organe und Gefä-ße so gut sehen wie noc h nie und exakt beobachten, wie und wo die assistieren-de Schwester die Klammern setzte.“ In einem herkömmlichen Operationssaal versperren die Schultern des Arzts der Saalschwester häufig die Sicht.

Pionierarbeit

Dass einer der modernsten Live-OP-Säle der Welt ausgerechnet in Queenslands John-Flynn-Klinik eröffnet wurde, macht dem Namenspatron des Krankenhauses alle Ehre. Flynn war ein Pionier innova-tiver Technik und spielte für Australiens medizinische Versorgung eine wichtige Rolle: 1911 öffnete er das er ste Busch-Krankenhaus, 15 Jahre später verwirklich-te der Australier seine visionär e Idee der fliegenden Ärzte, die per Telegraf ins Out-back gerufen werden. Flynns Flying Doc-tors (siehe auch Seite 5) legen bis heu-te jährlich 27 Millionen Flugkilometer zurück, um täglich bis zu 750 Patienten in abgelegenen Regionen des Kontinents zu behandeln. Mit dem Endoalpha-OP wir d versucht, Flugmeilen zu reduzieren – und doch schickt er medizinisches Wissen und Können um die Welt. Julica Jungehülsing

Fast wie in einem Fernsehstudio – und doch ist dieser Raum primär ein Opera-tionssaal: ausgestattet mit Hightech-Medizin für die bestmögliche Behandlung

Beinahe schattenfrei und mit einem hellen Strahl – so rückt die Dräger-OP-Leuchte Polaris den Patienten ins rechte Licht

Produktinfo: Und es ward Licht – Dräger-Operationsleuchten. www.draeger.com/393/polaris

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