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dtv Bibliothek der Erstausgaben Franz Kafka Das Schloss

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dtvBibliothek der Erstausgaben

Franz KafkaDas Schloss

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Franz Kafka

Das Schloss

Roman

München 1926

Herausgegeben von

Joseph Kiermeier-Debre

Deutscher Taschenbuch Verlag

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Der Nachdruck des Textes folgt originalgetreuder Erstausgabe von 1926.

Die Originalpaginierung wird im fortlaufenden Text vermerkt.Der Anhang gibt Auskunft zu Autor und Werk.

OriginalausgabeNovember 2005

Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, Münchenwww. dtv. de

cO 2005 Deutscher Taschenbuch Verlag, MünchenUmschlagkonzept: Balk & Brumshagen

Umschlagfoto: Wolfgang BalkGesetzt aus der Bembo

Satz: Karlheinz Hülser, KonstanzDrück und Bindung: Druckerei C.H. Beck, Nördlingen

Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem PapierPrinted in Germany • ISBN 3-423-02663-4

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FRANZ KAFKA

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ROMAN

KURT WOLFF VERLAG

MÜNCHEN

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5 Es war spät abends, als K. ankam. Das Dorf lag in tie-fem Schnee. Vom Schloßberg war nichts zu sehen,Nebel und Finsternis umgaben ihn, auch nicht derschwächste Lichtschein deutete das große Schloß an.Lange stand K. auf der Holzbrücke, die von der Land-

10 straße zum Dorf führte, und blickte in die scheinbareLeere empor.

Dann ging er ein Nachtlager suchen; im Wirtshauswar man noch wach, der Wirt hatte zwar kein Zimmerzu vermieten, aber er wollte, von dem späten Gast äu-

15 ßerst überrascht und verwirrt, K. in der Wirtsstube aufeinem Strohsack schlafen lassen. K. war damit einver-standen. Einige Bauern waren noch beim Bier, aber erwollte sich mit niemandem unterhalten, holte selbstden Strohsack vom Dachboden und legte sich in der

20 Nähe des Ofens hin. Warm war es, die Bauern warenstill, ein wenig prüfte er sie noch mit den müden Au-gen, dann schlief er ein.

121 Aber kurze Zeit darauf wurde er schon geweckt.Ein junger Mann, städtisch angezogen, mit schauspie-

25 lerhaftem Gesicht, die Augen schmal, die Augenbrau-en stark, stand mit dem Wirt neben ihm. Die Bauernwaren auch noch da, einige hatten ihre Sessel herum-gedreht, um besser zu sehen und zu hören. Der jungeMann entschuldigte sich sehr höflich, K. geweckt zu

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haben, stellte sich als Sohn des Schloß-Kastellans vorund sagte dann: „Dieses Dorf ist im Besitze des Schlos-

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ses, wer hier wohnt oder übernachtet, wohnt oderübernachtet gewissermaßen im Schloß. Niemand darfdas ohne gräfliche Erlaubnis. Sie aber haben eine sol-che Erlaubnis nicht oder haben sie wenigstens nicht

5 vorgezeigt."K. hatte sich halb aufgerichtet, hatte die Haare zu-

recht gestrichen, blickte die Leute von unten her anund sagte: „In welches Dorf habe ich mich verirrt? Istdenn hier ein Schloß?"

10 „Allerdings," sagte der junge Mann langsam, wäh-rend hier und dort einer den Kopf über K. schüttelte,„das Schloß des Herrn Grafen Westwest."

„Und man muß die Erlaubnis zum Übernachten 13haben?" fragte K., als wolle er sich davon überzeugen,

15 ob er die früheren Mitteilungen nicht vielleicht ge-träumt hätte.

„Die Erlaubnis muß man haben", war die Antwortund es lag darin ein grober Spott für K., als der jungeMann mit ausgestrecktem Arm den Wirt und die Gäste

20 fragte: „Oder muß man etwa die Erlaubnis nicht ha-ben?"

„Dann werde ich mir also die Erlaubnis holen müs-sen", sagte K. gähnend und schob die Decke von sich,als wolle er aufstehn.

25 „Ja von wem denn?" fragte der junge Mann.„Vom Herrn Grafen," sagte K., „es wird nichts an-

deres übrigbleiben."„Jetzt um Mitternacht die Erlaubnis vom Herrn

Grafen holen?" rief der junge Mann und trat einen30 Schritt zurück.

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„Ist das nicht möglich?" fragte K. gleichmütig.„Warum haben Sie mich also geweckt?"

Nun geriet aber der junge Mann außer sich. „Land-streichermanieren!" rief er, „ich verlange Respekt vor

5 der gräflichen Behörde! Ich habe Sie deshalb geweckt,um Ihnen mitzuteilen, daß Sie sofort das gräfliche Ge-biet verlassen müssen."

141 „Genug der Komödie", sagte K. auffallend leise,legte sich nieder und zog die Decke über sich. „Sie

10 gehen, junger Mann, ein wenig zu weit und ich werdemorgen noch auf Ihr Benehmen zurückkommen. DerWirt und die Herren dort sind Zeugen, soweit ichüberhaupt Zeugen brauche. Sonst aber lassen Sie essich gesagt sein, daß ich der Landvermesser bin, den

15 der Graf hat kommen lassen. Meine Gehilfen mit denApparaten kommen morgen im Wagen nach. Ich woll-te mir den Marsch durch den Schnee nicht entgehenlassen, bin aber leider einigemal vom Weg abgeirrt unddeshalb erst so spät angekommen. Daß es jetzt zu spät

20 war, mich im Schloß zu melden, wußte ich schon ausEigenem, noch vor Ihrer Belehrung. Deshalb habe ichmich auch mit diesem Nachtlager hier begnügt, das zustören Sie die — gelinde gesagt — Unhöflichkeit hatten.Damit sind meine Erklärungen beendet. Gute Nacht,

25 meine Herren." Und K. drehte sich zum Ofen hin.„Landvermesser?" hörte er noch hinter seinem Rüc-

ken zögernd fragen, dann war allgemeine Stille. Aberder junge Mann faßte sich bald und sagte zum Wirt ineinem Ton, der genug ges dämpft war, um als Rück-

30 sichtnahme auf K.s Schlaf zu gelten, und laut genug,um ihm verständlich zu sein: „Ich werde telephonisch

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anfragen." Wie, auch ein Telephon war in diesemDorfwirtshaus? Man war vorzüglich eingerichtet. Imeinzelnen überraschte es K., im ganzen hatte er es frei-lich erwartet. Es zeigte sich, daß das Telephon fast über

5 seinem Kopf angebracht war, in seiner Verschlafenheithatte er es übersehen. Wenn nun der junge Mann te-lephonieren mußte, dann konnte er beim besten Wil-len K.s Schlaf nicht schonen, es handelte sich nurdarum, ob K. ihn telephonieren lassen wollte, er be-

10 schloß, es zuzulassen. Dann hatte es aber freilich auchkeinen Sinn, den Schlafenden zu spielen und er kehrtedeshalb in die Rückenlage zurück. Er sah die Bauernschon zusammenrücken und sich besprechen, die An-kunft eines Landvermessers war nichts Geringes. Die

15 Tür der Küche hatte sich geöffnet, türfüllend standdort die mächtige Gestalt der Wirtin, auf den Fußspit-zen näherte sich ihr der Wirt, um ihr zu berichten.Und nun begann das Telephongespräch. Der Kastellanschlief, aber ein Unterkastellan, einer der Unterkastel-

20 lane, ein Herr Fritz war da. !61 Der junge Mann, dersich als Schwarzer vorstellte, erzählte wie er K. gefun-den, einen Mann in den Dreißigern, recht zerlumpt,auf einem Strohsack ruhig schlafend, mit einem win-zigen Rucksack als Kopfkissen, einen Knotenstock in

25 Reichweite. Nun sei er ihm natürlich verdächtig ge-wesen, und da der Wirt offenbar seine Pflicht vernach-lässigt hatte, sei es seine, Schwarzers, Pflicht gewesen,der Sache auf den Grund zu gehn. Das Gewecktwer-den, das Verhör, die pflichtgemäße Androhung der

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Verweisung aus der Grafschaft habe K. sehr ungnädigaufgenommen, übrigens, wie sich schließlich gezeigt

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habe, vielleicht mit Recht, denn er behaupte, ein vomGrafen bestellter Landvermesser zu sein. Natürlich seies zumindest formelle Pflicht, die Behauptung nach-zuprüfen, und Schwarzer bitte deshalb Herrn Fritz,

5 sich in der Zentralkanzlei zu erkundigen, ob ein Land-vermesser dieser Art wirklich erwartet werde, und dieAntwort gleich zu telephonieren.

Dann war es still, Fritz erkundigte sich drüben undhier wartete man auf die Antwort. K. blieb wie bisher,

io drehte sich nicht einmal um, schien 171 gar nicht neu-gierig, sah vor sich hin. Die Erzählung Schwarzers inihrer Mischung von Bosheit und Vorsicht gab ihm eineVorstellung von der gewissermaßen diplomatischenBildung, über die im Schloß selbst kleine Leute wie

15 Schwarzer leicht verfügten. Und auch an Fleiß ließensie es dort nicht fehlen; die Zentralkanzlei hatte Nacht-dienst. Und gab offenbar sehr schnell Antwort, dennschon klingelte Fritz. Dieser Bericht schien allerdingssehr kurz, denn sofort warf Schwarzer wütend den

20 Hörer hin. „Ich habe es ja gesagt," schrie er, „keineSpur von Landvermesser, ein gemeiner lügnerischerLandstreicher, wahrscheinlich aber Ärgeres." EinenAugenblick dachte K., alle, Schwarzer, Bauern, Wirtund Wirtin würden sich auf ihn stürzen. Um wenig-

25 stens dem ersten Ansturm auszuweichen, verkroch ersich ganz unter die Decke. Da läutete das Telephonnochmals und, wie es K. schien, besonders stark. Ersteckte langsam den Kopf wieder hervor. Trotzdem esunwahrscheinlich war, daß es wieder K. betraf, stock-

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ten alle und Schwarzer kehrte zum Apparat zurück. Erhörte dort eine längere Erklärung ab und sagte dann

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leise: „Ein Irrtum 181 also? Das ist mir recht unange-nehm. Der Bureauchef selbst hat telephoniert? Son-derbar, sonderbar. Wie soll ich es dem Herrn Land-vermesser erklären?"

5 K. horchte auf. Das Schloß hatte ihn also zum Land-vermesser ernannt. Das war einerseits ungünstig fürihn, denn es zeigte, daß man im Schloß alles Nötigeüber ihn wußte, die Kräfteverhältnisse abgewogen hat-te und den Kampf lächelnd aufnahm. Es war aber an-

10 dererseits auch günstig, denn es bewies seiner Meinungnach, daß man ihn unterschätzte und daß er mehr Frei-heit haben würde, als er hätte von vornherein hoffendürfen. Und wenn man glaubte, durch diese geistiggewiß überlegene Anerkennung seiner Landverm_es-serschaft ihn dauernd in Schrecken halten zu können,so täuschte man sich; es überschauerte ihn leicht, daswar aber alles.

Dem sich schüchtern nähernden Schwarzer winkteK. ab; ins Zimmer des Wirtes zu übersiedeln, wozu

20 man ihn drängte, weigerte er sich, nahm nur vom Wirteinen Schlaftrunk an, von der Wirtin ein Waschbeckenmit Seife und Handtuch und mußte gar nicht erst ver-langen, daß der 191 Saal geleert werde, denn alles dräng-te mit abgewendeten Gesichtern hinaus, um nicht etwa

25 morgen von ihm erkannt zu werden. Die Lampe wur-de ausgelöscht und er hatte endlich Ruhe. Er schlieftief, kaum ein-, zweimal von vorüberhuschenden Rat-ten gestört, bis zum Morgen.

Nach dem Frühstück, das nach Angabe des Wirts,30 wie überhaupt K.s ganze Verpflegung, vom Schloß

bezahlt werden sollte, wollte er gleich ins Dorf gehn.

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Aber da der Wirt, mit dem er bisher in Erinnerung ansein gestriges Benehmen nur das Notwendigste ge-sprochen hatte, mit stummer Bitte sich immerfort umihn herumdrehte, erbarmte er sich seiner und ließ ihn

5 für ein Weilchen sich niedersetzen.„Ich kenne den Grafen noch nicht," sagte K., „er

soll gute Arbeit gut bezahlen, ist das wahr? Wenn man,wie ich, so weit von Frau und Kind reist, dann willman auch etwas heimbringen."

10 „In dieser Hinsicht muß sich der Herr keine Sorgemachen, über schlechte Bezahlung hört man keineKlage."

„Nun," sagte K., „ich gehöre ja nicht zu denSchüchternen und kann auch einem Grafen meine Iro!

15 Meinung sagen, aber in Frieden mit den Herren fertigzu werden, ist natürlich weit besser."

Der Wirt saß K. gegenüber am Rand der Fenster-bank, bequemer wagte er sich nicht zu setzen und sahK. die ganze Zeit mit großen braunen, ängstlichen

20 Augen an. Zuerst hatte er sich an K. herangedrängt,und nun schien es, als wolle er am liebsten weglaufen.Fürchtete er, über den Grafen ausgefragt zu werden?Fürchtete er die Unzuverlässigkeit des „Herrn", fürden er K. hielt? K. mußte ihn ablenken. Er blickte auf

25 die Uhr und sagte: „Nun werden bald meine Gehilfenkommen, wirst du sie hier unterbringen können?"

„Gewiß, Herr," sagte er, „werden sie aber nicht mitdir im Schlosse wohnen?"

Verzichtete er so leicht und gern auf die Gäste und30 auf K. besonders, den er unbedingt ins Schloß verwies?

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„Das ist noch nicht sicher," sagte K., „erst muß icherfahren, was für eine Arbeit man flir mich hat. Sollteich z. B. hier unten arbeiten, dann wird es auch ver-nünftiger sein, hier unten zu wohnen. Auch fürchteich., daß mir das Leben oben im Schlosse nicht zusagenwürde. Ich will immer frei sein."

1 11 1 „Du kennst das Schloß nicht", sagte der Wirtleise.

„Freilich," sagte K., „man soll nicht verfrüht urtei-len. Vorläufig weiß ich ja vom Schloß nichts weiter, alsdaß man es dort versteht, sich den richtigen Landver-messer auszusuchen. Vielleicht gibt es dort noch an-dere Vorzüge." Und er stand auf, um den unruhig sei-ne Lippen beißenden Wirt von sich zu befreien. Leicht

15 war das Vertrauen dieses Mannes nicht zu gewinnen.IIn Fortgehen fiel K. an der Wand ein dunkles Por-

trät in einem dunklen Rahmen auf. Schon von seinemLager aus hatte er es bemerkt, hatte aber in der Ent-fernung die Einzelheiten nicht unterscheiden können

20 und geglaubt, nur einen schwarzen Rückendeckel zusehn. Aber es war doch ein Bild, wie sich jetzt zeigte,das Brustbild eines etwa sojährigen Mannes. Den Kopfhielt er so tief auf die Brust gesenkt, daß man kaumetwas von den Augen sah, entscheidend für die Sen-

25 kung schien die hohe lastende Stirn und die starke hin-abgekrümmte Nase. Der Vollbart, infolge der Kopf-haltung am Kinn eingedrückt, stand weiter unten ab.Die linke Hand lag gespreizt in den 1 121 vollen Haa-ren, konnte aber den Kopf nicht mehr heben. „Wer

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ist das?" fragte K., „der Graf?" K. stand vor dem Bildund blickte sich gar nicht nach dem Wirt um. „Nein,"

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sagte der Wirt, „der Kastellan." „Einen schönen Ka-stellan haben sie im Schloß, das ist wahr," sagteK., „schade, daß er einen so mißratenen Sohn hat."„Nein," sagte der Wirt, zog K. ein wenig zu sich her-

5 unter und flüsterte ihm ins Ohr: „Schwarzer hat ge-stern übertrieben, sein Vater ist nur ein Unterkastellanund sogar einer der letzten." In diesem Augenblickkam der Wirt K. wie ein Kind vor. „Der Lump!" sagteK. lachend, aber der Wirt lachte nicht, sondern sagte:

10 „Auch sein Vater ist mächtig." „Geh," sagte K., „duhältst jeden für mächtig. Mich etwa auch?" „Dich",sagte er schüchtern, aber ernsthaft, „halte ich nicht fürmächtig." „Du verstehst aber doch recht gut zu beob-achten," sagte K., „mächtig bin ich nämlich im Ver-

15 trauen gesagt wirklich nicht. Und habe infolgedessenvor den Mächtigen wahrscheinlich nicht weniger Re-spekt als du, nur bin ich nicht so aufrichtig wie du undwill es nicht immer eingestehen." Und K. klopfte demWirt, um ihn zu trösten und sich ge 13 lneigter zu ma-

20 chen, leicht auf die Wange. Nun lächelte er doch einwenig. Er war wirklich ein Junge mit seinem weichen,fast bartlosem Gesicht. Wie war er zu seiner breitenältlichen Frau gekommen, die man nebenan hinter ei-nem Querfenster, weit die Ellbogen vom Leib, in der

25 Küche hantieren sah. K. wollte aber jetzt nicht mehrweiter in ihn drängen, das endlich bewirkte Lächelnnicht verjagen. Er gab ihm also nur noch einen Wink,ihm die Tür zu öffnen, und trat in den schönen Win-termorgen hinaus.

30 Nun sah er oben das Schloß deutlich umrissen inder klaren Luft und noch deutlicher durch den alle

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Formen nachbildenden, in dünner Schicht überall lie-genden Schnee. Übrigens schien oben auf dem Bergviel weniger Schnee zu sein als hier im Dorf, wo sichK. nicht weniger mühsam vorwärts brachte als gestern

5 auf der Landstraße. Hier reichte der Schnee bis zu denFenstern der Hütten und lastete gleich wieder auf demniedrigen Dach, aber oben auf dem Berge ragte allesfrei und leicht empor, wenigstens schien es so von hieraus.

10 Irrt ganzen entsprach das Schloß, wie es sich hiervon der Ferne zeigte, K.s Erwartungen. Es 1141 warweder eine alte Ritterburg, noch ein neuer Prunkbau,sondern eine ausgedehnte Anlage, die aus wenigenzweistöckigen, aber aus vielen eng aneinander stehen-

15 den niedrigen Bauten bestand; hätte man nicht ge-wußt, daß es ein Schloß ist, hätte man es für ein Städt-chen halten können. Nur einen Turm sah K., ob er zueinem. Wohngebäude oder einer Kirche gehörte, warnicht zu erkennen. Schwärme von Krähen umkreisten

20 ihn.Die Augen auf das Schloß gerichtet, ging K. weiter,

nichts sonst kümmerte ihn. Aber im Näherkommenenttäuschte ihn das Schloß, es war doch nur ein rechtelendes Städtchen, aus Dorfhäusern zusammengetra-

25 gen, ausgezeichnet nur dadurch, daß vielleicht alles ausStein gebaut war, aber der Anstrich war längst abge-fallen und der Stein schien abzubröckeln. Flüchtig er-innerte sich K. an sein Heimatstädtchen. Es stand die-sem angeblichem Schlosse kaum nach, wäre es K. nur

30 auf die Besichtigung angekommen, dann wäre es scha-de uni die lange Wanderschaft gewesen und er hätte

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vernünftiger gehandelt, wieder einmal die alte Hei-mat zu besuchen, wo er schon so lange nicht gewesenwar. Und er verglich in Gedanken 1151 den Kirchturmder Heimat mit dem Turm dort oben. Jener Turm,

5 bestimmt, ohne Zögern geradewegs nach oben sichverjüngend, breitdachig, abschließend mit roten Zie-geln, ein irdisches Gebäude — was können wir ande-res bauen? — aber mit höherem Ziel als das niedrigeHausvergemenge [Häusergemenge] und mit klarerem

10 Ausdruck, als ihn der trübe Werktag hat. Der Turmhier oben — es war der einzige sichtbare — der Turmeines Wohnhauses, wie sich jetzt zeigte, vielleicht desHauptschlosses, war ein einförmiger Rundbau, zumTeil gnädig von Efeu verdeckt, mit kleinen Fenstern,

15 die jetzt in der Sonne aufstrahlten, etwas Irrsinnigeshatte das, und einem söllerartigen Abschluß, dessenMauerzinnen unsicher, unregelmäßig, brüchig, wievon ängstlicher oder nachlässiger Kinderhand gezeich-net, sich in den blauen Himmel zackten. Es war, wie

20 wenn ein trübseliger Hausbewohner, der gerechter-weise im entlegensten Zimmer des Hauses sich hätteeingesperrt halten sollen, das Dach durchbrochen undsich erhoben hätte, um sich der Welt zu zeigen.

Wieder stand K. still, als hätte er im Stillestehn mehr25 Kraft des Urteils. Aber er wurde gestört. 1161 Hinter der

Dorfkirche, bei der er stehengeblieben war — es wareigentlich nur eine Kapelle, scheunenartig erweitert,um die Gemeinde aufnehmen zu können — war dieSchule. Ein niedriges langes Gebäude, merkwürdig

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den Charakter der [des] Provisorischen und des sehrAlten vereinigend, lag es hinter einem umgitterten

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Garten, der jetzt ein Schneefeld war. Eben kamen dieKinder mit dem Lehrer heraus. In einem dichten Hau-fen umgaben sie den Lehrer, aller Augen blickten aufihn, unaufhörlich schwatzten sie von allen Seiten, K.

5 verstand ihr schnelles Sprechen gar nicht. Der Lehrer,ein junger, kleiner, schmalschultriger Mensch, aberohne daß es lächerlich wurde, sehr aufrecht, hatte K.schon von der Ferne ins Auge gefaßt, allerdings waraußer seiner Gruppe K. der einzige Mensch weit und

io breit. K. als Fremder grüßte zuerst, gar einen so be-fehlshaberischen kleinen Mann. „Guten Tag, HerrLehrer", sagte er. Mit einem Schlag verstummten dieKinder, diese plötzliche Stille als Vorbereitung für seineWorte mochte wohl dem Lehrer gefallen. „Ihr sehet

15 das Schloß an?" fragte er, sanftmütiger, als K. erwartethatte, aber in einem Tone, als billige 1171 er nicht das,was K. tue. „Ja," sagte K., „ich bin hier fremd, erst seitgestern abend im Ort." „Das Schloß gefällt Euchnicht?" fragte der Lehrer schnell. „Wie?" fragte K. zu-

20 rück, ein wenig verblüfft, und wiederholte in mildererForm die Frage: „Ob mir das Schloß gefällt? Warumnehmet Ihr an, daß es mir nicht gefällt?" „KeinemFremden gefällt es", sagte der Lehrer. Um hier nichtsUnwillkommenes zu sagen, wendete K. das Gespräch

25 und fragte: „Sie kennen wohl den Grafen?" „Nein",sagte der Lehrer und wollte sich abwenden. K. gababer nicht nach und fragte nochmals: „Wie? Sie ken-nen den Grafen nicht?" „Wie sollte ich ihn kennen?"sagte der Lehrer leise und fügte laut auf französisch

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hin2u: „Nehmen Sie Rücksicht auf die Anwesenheitunschuldiger Kinder." K. holte daraus das Recht zu

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fragen: „Könnte ich Sie, Herr Lehrer, einmal besu-chen? Ich bleibe längere Zeit hier und fühle michschon jetzt ein wenig verlassen, zu den Bauern gehöreich nicht und ins Schloß wohl auch nicht." „Zwischen

s den Bauern und dem Schloß ist kein Unterschied",sagte der Lehrer. „Mag sein," sagte K., „das ändertan meiner Lage 1181 nichts. Könnte ich Sie einmalbesuchen?" „Ich wohne in der Schwanengasse beimFleischhauer." Das war nun zwar mehr eine Adressen-

10 angabe als eine Einladung, dennoch sagte K.: „Gut, ichwerde kommen." Der Lehrer nickte und zog mit dengleich wieder losschreienden Kinderhaufen weiter. Sieverschwanden bald in einem jäh abfallenden Gäßchen.

K. aber war zerstreut, durch das Gespräch verärgert.15 Zum erstenmal seit seinem Kommen fohlte er wirk-

liche Müdigkeit. Der weite Weg hierher schien ihnursprünglich gar nicht angegriffen zu haben, wie war erdurch die Tage gewandert, ruhig, Schritt für Schritt! —jetzt aber zeigten sich doch die Folgen der übergro-

20 ßen Anstrengung, zur Unzeit freilich. Es zog ihn un-widerstehlich hin, neue Bekanntschaften zu suchen,aber jede neue Bekanntschaft verstärkte die Müdigkeit.Wenn er sich in seinem heutigen Zustand zwang,seinen Spaziergang wenigstens bis zum Eingang des

25 Schlosses auszudehnen, war übergenug getan.So ging er wieder vorwärts, aber es war ein langer

Weg. Die Straße nämlich, diese Hauptstraße des Dor-fes, führte nicht zum Schloßberg, 1191 sie führte nurnahe heran, dann aber wie absichtlich bog sie ab und

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wenn sie sich auch vom Schloß nicht entfernte, so kamsie ihm doch auch nicht näher. Immer erwartete K.,

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daß nun endlich die Straße zum Schloß einlenkenmüsse, und nur weil er es erwartete, ging er weiter;offenbar infolge seiner Müdigkeit zögerte er, die Straßezu verlassen, auch staunte er über die Länge des Dorfes,

s das kein Ende nahm, immer wieder die kleinen Häus-chen und vereisten Fensterscheiben und Schnee undMenschenleere — endlich riß er sich los von dieser fest-haltenden Straße, ein schmales Gäßchen nahm ihn auf,noch tieferer Schnee, das Herausziehen der einsin-

10 kenden Füße war eine schwere Arbeit, Schweiß brachihm aus, plötzlich stand er still und konnte nicht mehrweiter.

Nun, er war ja nicht verlassen, rechts und links stan-den Bauernhütten. Er machte einen Schneeball und

15 warf ihn gegen ein Fenster. Gleich öffnete sich dieTüre -- die erste sich öffnende Tür während des ganzenDorfweges — und ein alter Bauer in brauner Pelzjoppe,den Kopf seitwärts geneigt, freundlich und schwachstand dort. „Darf ich ein wenig zu Euch kommen?"

20 sagte K., „ich 124 bin sehr müde." Er hörte gar nicht,was der Alte sagte, dankbar nahm er es an, daß ihm einBrett entgegengeschoben wurde, das ihn gleich ausdein Schnee rettete, und mit ein paar Schritten stand erin der Stube.

25 Eine große Stube im Dämmerlicht. Der von drau-ßen Kommende sah zuerst gar nichts. K. taumelte ge-gen einen Waschtrog, eine Frauenhand hielt ihn zu-rück. Aus einer Ecke kam viel Kindergeschrei. Auseiner anderen Ecke wälzte sich Rauch und machte aus

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Halblicht Finsternis. K. stand wie in Wolken. „Er ist jabetrunken", sagte jemand. „Wer seid Ihr?" rief eine