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Gehörbildung ist für alle, die sich näher mit Musik befassen,ein aktuelles Thema. Doch wie betreibt man sie, um zu einemmöglichst sinnvollen Ergebnis zu kommen ? Vor allem Studie-rende an Hochschulen, aber auch Musiker und musizierendeLaien beschäftigt stets von neuem diese Frage, ohne daß dereinzelne für sich in der Regel eine befriedigende Antwortfände. Clemens Kühn gibt in dem vorliegenden Buch für dieGehörbildung im Selbststudium methodisch durchdachte An-leitungen, Übungen und Arbeitshilfen mit dem Ziel, daß mu-sikalische Zusammenhänge hörend erfaßt werden können. Ernennt die Bedingungen, unter denen eine solche Schulunggeleistet werden kann, erläutert die Konzeption, nach der ervorgeht, und führt den Benutzer Schritt für Schritt von Ein-zeltönen und Intervallen über Akkorde und Melodien zumhomophonen Satz und schließlich zum Lesen und Hören vonKompositionsabschnitten und vollständigen Werken. Singen,spielen, schreiben, hören sind die dabei erforderlichen Tätig-keiten, die gemeinsam mit uneingeschränkter Konzentrationfür ein positives Ergebnis zusammenwirken müssen.

Clemens Kühn, 1945 in Hamburg geboren, studierte dortSchulmusik, Germanistik, Musiktheorie und Kompositionsowie in Berlin Musikwissenschaft. 1978 wurde er Professorfür Musiktheorie an der Hochschule der Künste in Berlinund wechselte 1988 an die Hochschule für Musik inMünchen; seit 1998 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Musik-theorie an der Hochschule für Musik »Carl Maria von We-ber« Dresden. Neben zahlreichen Artikeln in Fachzeitschrif-ten und Lexika veröffentlichte er eine >Musiklehre<, eine>Formenlehre der Musik< und innerhalb der >BärenreiterStudienbücher Musik< die Standardwerke >Analyse lernen<und >Kompositionsgeschichte in kommentierten Beispielen<.Zuletzt erschien >Musiktheorie unterrichten — Musik ver-mitteln< (2006).

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Clemens Kühn

Gehörbildung imSelbststudium

BärenreiterDeutscher Taschenbuch Verlag

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Zugeeignet Regina Krakau, Ralf Meißner und UlrichSchreiber — in Erinnerung an jene Gruppe, mit der

die gemeinsame Arbeit an Musik eine besondere Lust war.

Originalausgabe1. Auflage Januar 1983 (dtv 10073)

3., erweiterte Auflage Juni 198512. Auflage April 2007

Gemeinschaftliche Ausgabe:Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München

www.dtv.deund Bärenreiter-Verlag Karl Vötterle GmbH & Co. KG,

Kassel • Basel • London • New York • Prahawww.baerenreiter.com

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt.Sämtliche, auch auszugsweise Verwertungen bleiben vorbehalten.

© 1983 Bärenreiter KasselUmschlagkonzept: Balk & Brumshagen

Umschlagfoto: Bavaria BildagenturSatz und Noten: Bärenreiter, Kassel

Druck und Bindung: Druckerei C. H. Beck, NördlingenPrinted in Germany • ISBN 978-3-423-30047-6 (dtv)

ISBN 978-3-7618-0760-6 (Bärenreiter)ISMN M-006-30682-4

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INHALT

Grundsätze Seite

Gehörbildung allein ? 7

Bedingungen 9Zur Konzeption 18

Übungen

Einzeltöne 20Intervalle 21

Skalen 26

Dreiklänge 29Septakkorde 39Akkordfolgen 45

Melodien 56

Zweistimmigkeit 68

Homophone Sätze 78Lesen und Hören 95

Hör-Liste 120

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GRUNDSÄTZE

Gehörbildung allein ?

»Man bedenke einmal«, so der Stoßseufzer eines Kollegen,»was es kostet, wenn ein Hochschullehrer eine Quinteanschlägt.« Daß es Studienanfängern (und nicht nur ihnen)meist schon schwerfällt, einzelne Intervalle hörend aufzufas-sen, gehört zu den Wirklichkeiten des Hochschulalltags. Daßdarum das Fach »Gehörbildung« sich oft semesterlang mitelementaren Übungen zu bescheiden hat — dem bloßen Erken-nen von Intervallen, Skalen, Dreiklängen, Septakkorden —, istdie bedrückende Folge: belastend für den Schüler, dem solchesTraining musikfern erscheinen muß, wie für den Lehrer, dergern Sinnvolleres anbieten würde als immer wieder angeschla-gene Quinten. (Die nicht seltene Konsequenz, daß Zwischen-oder Abschlußprüfungen — nur in flotterem Tempo — denselbenelementaren Stoff abfragen wie die Aufnahmeprüfung, grenztans Groteske.)

Die Fähigkeit, ein Intervall oder einen Sextakkord sichererkennen und benennen zu können, ist Voraussetzung für dashörende Erfassen musikalischer Zusammenhänge : Die Bewäl-tigung des Ganzen setzt die Beherrschung des Details voraus.Doch gilt es, nicht nur den hochschulischen Unterricht zumin-dest von der lähmenden Fixierung auf elementare Hörübungenwenn nicht zu befreien, so doch zu entlasten. Bei der relativkurzen Ausbildungszeit — »Gehörbildung« wird in der Regel 4bis 6 Semester lang mit nur 1 Wochenstunde unterrichtet — istdas ein Problem. (Die übliche Isolierung dieses Faches, alsabgehobene Einzeldisziplin gleichsam in einem luftleerenRaum angesiedelt, kommt erschwerend hinzu.) Immer wieder,nicht erst zu Prüfungszeiten, wird darum von Studenten selbstdie Frage gestellt, ob und wie man für sich selbst Gehörbil-dung treiben könne — Zeichen sowohl für die Unzufriedenheitmit den eigenen Hörproblemen schon bei einfachen Aufgaben

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wie auch für die Überzeugung von dem Rang dieser Disziplin.Kann Gehörbildung auch im Selbststudium geleistet wer-

den ? Bislang existiert keine Anleitung dazu. Es gibt hervorra-gende Lehrbücher*, reich an musikalischen Beispielen undmethodischen Ideen; sie alle aber sind für die Hand desLehrers bestimmt und bedürfen der Konstellation Lehrer —Schüler. Nur selten sind jedoch im Studienalltag eine Gruppeoder zumindest ein Einzelner greifbar, mit denen man sichaußerhalb des Unterrichts an diesem Stoff üben kann. Auf sichallein verwiesen, scheinen zwei Dinge — die Bekanntheit derselbstgestellten Aufgabe und der Mangel an Kontrolle —Hindernisse zu sein : Greife ich am Klavier eine Quinte, weißich sie sogleich, schreibe ich eine Melodie auf, muß ich derenRichtigkeit nachprüfen können. Soll private Gehörbildung(unabhängig vom und zusätzlich zum regulären Unterricht)möglich und praktikabel sein — und das hat sich die vorlie-gende Schrift zum Ziel gesetzt —, muß sie also von Übungenausgehen, die Selbstbetrug ausschließen und Eigenkontrollegewährleisten. Kaum zu entbehren ist für derartige Übungenallerdings ein Tasteninstrument. Doch ist auch derjenige nichtauszuschließen, der nicht darüber verfügt; viele Aufgaben sinddaher auch mit Hilfe eines Melodieinstruments zu bewältigen.

Die Ausbildung der Hörfähigkeit ist kein Reservat derHochschulen. Diese Übungen sind jedem zugänglich undnütze. Daß hier von der hochschulischen Situation ausgegan-gen wurde, zeigt gerade umgekehrt die Dringlichkeit, frühzei-

* Roland Mackamul, Lehrbuch der Gehörbildung, Band 1 : Elementare Gehörbil-dung, Band 2: Hochschul-Gehörbildung, Kassel usw. 21975 bzw. 1970, Bärenrei-

ter. — Monika Quistorp, Die Gehörbildung. Das Kernfach musikalischer Erzie-hung, Wiesbaden 1970, Breitkopf & Härtel; dieselbe, Übungen zur Gehörbildung,3 Hefte, Wiesbaden 1974, Breitkopf & Härtel. — Hermann Grabner, NeueGehörübung, Kassel usw. 1968, Bärenreiter. — Lars Edlund, Modus novus.

Lehrbuch in freitonaler Melodielesung, Stockholm 1963, Nordiska Musikforlag. —Walter Kolneder, Singen. Hören. Schreiben. Eine praktische Musiklehre, Mainz1963-1967, Schott. — Gustav Güldenstein, Gehörbildung für Musiker. EinLehrbuch, Basel und Stuttgart 1971, Schwabe & Co.

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tig vorher mit Hörübungen zu beginnen. Dabei weisen dieallgemeinen Bedingungen des Faches »Gehörbildung« derKonzeption solcher Übungen den Weg. Sich diese Bedingun-gen in Umrissen zu vergegenwärtigen, hilft Hintergrund, Sinnund Ziel der dann folgenden Aufgaben zu verstehen.

Bedingungen

1. Hörleistungen — dessen muß sich ebenso der privat Übendebewußt sein — sind auch von der seelischen Dispositionabhängig. (Deswegen ist es gerade in dieser Disziplin men-schenfeindlicher Unsinn, die Benotung aus der Momentauf-nahme einer einzigen Prüfung zu gewinnen, statt den ganzenvorherigen Zeitraum zu berücksichtigen.)

Tage, an denen das Hören auch komplexer Zusammenhängeleicht fällt, können mit solchen wechseln, an denen man selbstvor vergleichsweise leichten Höraufgaben kapituliert. Der Falldes Absoluthörens (obgleich auch er Schwankungen unter-liegt) sei ausgeklammert. Beim ungeübten, durchschnittlichtrainierten und begabten Hörer jedoch, der nicht absolut hört,schlägt fast immer das persönliche Befinden durch und fördertoder hemmt das Hörvermögen.

In der Gehörbildungs-Gruppe wird dies meist noch ver-stärkt, da es schwer möglich ist, eine Gruppe aus Personen mitidentischer Hörfähigkeit zusammenzustellen. Das Niveau-gefälle kann nicht nur für das schwächste Glied zu einererheblichen Belastung werden; die Angst, eine Aufgabe nichtso schnell und sicher wie ein anderer zu lösen oder gänzlich zuversagen, führt nicht selten zu einer krampfhaften Anspan-nung, die erst recht jedes hörende Erfassen vereitelt. (Undjeder kennt die Erfahrung, daß man durchaus Aufgabenbewältigt, die einem anderen gestellt sind, daß man aber —selbst frontal befragt — unsicher reagiert.)

2. Beidem — dem Konkurrenzdruck der Gruppe wie derseelischen Disposition des Einzelnen — kann, wenn auch nichteben leicht, begegnet werden : der Gruppensituation durch eine

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bewußt gelassene Atmosphäre und behutsame Ausbalancie-rung zwischen den Teilnehmern, der individuellen Situationschon durch das Wissen um sie (die Erkenntnis seelischerBedingtheit soll nicht billiger Selbsttröstung dienen, aber einegrundsätzliche Lähmung des Hörens ausschließen). Schwieri-ger aber zu beseitigen ist jenes Hindernis, das nach meinerErfahrung die gravierendste Hör-Barriere darstellt : der Man-gel an Konzentration. Ob allein oder in der Gruppe : JedeHöraufgabe verlangt die volle, ungeteilte, nur auf diesenGegenstand gerichtete Aufmerksamkeit. Schon der Wille zurKonzentration jedoch fällt den meisten außerordentlichschwer. In einer Zeit optischer wie akustischer Reizüberflu-tung unerhörten Ausmaßes verwundert dies nicht; für dieeigene Hör- und Erlebnisfähigkeit und -intensität aber kann estödlich sein. Das Abschalten äußerer oder gedanklicher Ablen-kungen muß den Rückzug in sich selbst, genauer : auf dasinnere Ohr ermöglichen und freimachen. Das bedarf, ohneLockerheit preiszugeben, der Anstrengung und, noch vor demeigentlichen Hörvorgang, der willentlichen Übung : Unver-krampfte Konzentration ist einer der Schlüssel zur Hörfähig-keit

3. Es wäre jedoch eine Verengung, die Bewältigung einerHöraufgabe lediglich als Akt puren Hörens anzusehen. Hörenohne Wissen — um es auf eine grobe Formel zu bringen — istnicht denkbar. Der Zusammenhang mit, zum Teil sogar dieAbhängigkeit von bestimmten Kenntnissen bedeutet für dasHören nicht nur eine Erleichterung, sondern ist auch bisweilenseine unabdingbare Voraussetzung. Vier Bereiche möchte ichansprechen: die Beherrschung der Notenschrift; satztechni-sches Wissen; das Zusammenwirken mit musikalischer Pra-xis; der Einfluß von Repertoire-Kenntnissen.

a) Ohne die Beherrschung der Notenschrift kann musikali-sches Hören nicht funktionieren (will es sich nicht mit einerzweifelhaften »Sensibilisierung« bescheiden, der sich einefeinsinnige Differenzierung von Geräuschen oder bloßem»hoch« und »tief«, »hell« und »dunkel« verdankt). Denn das

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Verhältnis von Hörvorgang und Vergegenwärtigung musika-lischer Schrift, von Lesen und Hören ist wechselseitig : Dasstumme Lesen einer Partitur läßt, zumindest partiell, Klang-vorstellungen lebendig werden; umgekehrt schließt das Hörenetwa einer Melodie, zumindest ebenso partiell, die gedanklicheVorstellung von deren schriftlicher Gestalt ein. Beides stelltsich für den Anfänger nicht von selbst ein. Die Übung aber inbeidem ist unbedingt notwendig, weil Hören auf Konkretionangewiesen ist.

b) Das Wissen um satztechnische Regeln, Formeln oderEigenarten kann das hörende Auffassen stützen. Paradigma-tisch sei dies an einem Detail gezeigt. Die Lösung der Aufgabe,einen Choralsatz J. S. Bachs zu erfassen und zu notieren,profitiert von der Kenntnis der Stimmführungsregeln undharmonischer Progression. Schreibe ich, im Sinne der »über-geordneten Zweistimmigkeit« (Paul Hindemith), zunächstbeispielsweise folgenden Sopran und Baß auf,

dann kann ich den Verlauf von Alt und Tenor, ohne auf sieüberhaupt beim Hören geachtet zu haben, nahezu schlußfol-gern — eine Vorwegnahme, die ihrerseits dann natürlich derHörkontrolle bedarf.

An den Schlußformeln von Zeilenenden läßt sich das Verfah-ren noch handgreiflicher machen. Stets sind sie kadenzierende

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Alt:Tenor: -- Quinte Tenor: --Terz Quinte

Wendungen, wenn nicht die vollständige Kadenz. Daß derLeitton, sofern im Alt oder Tenor gelegen, regulär weiterge-führt wird,

kommt bei Bach so gut wie nie vor. Die Regel ist bei ihm derzur Quinte oder Terz abspringende Leitton, wodurch einvollständiger Tonika-Dreiklang garantiert wird. Als Formelgefaßt, ergeben sich daher lediglich drei Möglichkeiten, die inBach-Chorälen stereotyp wiederkehren:

Durch hörende Kontrolle läßt sich unschwer die jeweilsvorliegende Version erschließen. (Selbst bei einem Vorspiel aufdem Klavier; denn es ist mit nur wenig Übung möglich, sichauf eine Stimme zu konzentrieren, sie gleichsam reliefartighervortreten zu lassen, während man die anderen Stimmeninnerlich »wegfiltert«.)

c) Der Leser sei ermuntert, diese Formeln, in Dur- undMolltonarten bis zu vier # und b , wiederholt zu spielen (unddabei auch jede einzelne Stimme singend zu verfolgen). Dennunverkennbar ist der Einfluß praktischen Musizierens auf dasmusikalische Hören. Ein Geiger, der ein Intervall bestimmensoll, »greift« — innerlich oder direkt sichtbar — dieses Intervallinstinktiv auf einer imaginären Violine; ein Pianist, der eine

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Akkordfolge bestimmen soll, vollzieht diese Folge instinktivauf einem imaginären Klavier mit. Nicht nur der Kopf, auchdie Finger »hören« : Das Hören konkretisiert sich — auch — ininstrumentalpraktischen Vorstellungen, wie umgekehrt dieseVorstellungen auf das Hören zurückwirken. Höraufgaben amInstrument nachzuvollziehen oder — umgekehrt — das Instru-mentalspiel mit Höraufgaben zu begleiten, ist deshalb voneminenter Wichtigkeit.

d) Auf der Basis eines schmalen Repertoires kann Hörfähig-keit nicht gedeihen. Andersherum formuliert : Wer viel undverschiedenartige Musik aufgenommen und verarbeitet hat,dem wird ihr hörendes Begreifen leichter fallen. Dies gilt selbstfür elementare Aufgaben. Gewiß ist es möglich und auchnotwendig, beispielsweise am isolierten Dominantseptakkord,seinen Umkehrungen und Auflösungen gleichsam abstrakteHörübungen anzustellen. Doch bleibt dies demjenigen totesTraining, der nicht die Funktion des Akkordes im musika-lischen Kontext erfahren hat, oder hier jetzt genauer : der nichtaufgrund von Werkkenntnis um den unterschiedlichen Rangdes Akkordes etwa in einem Choral von Bach und einemKlavierstück von Claude Debussy weiß.

Mehr noch ist ein breit gefächertes Repertoire für die»Höranalyse« zu fordern. Banal zu sagen, daß dies diegrundlegende Voraussetzung ist für die Fähigkeit, Werkestilistisch, formal, harmonisch, satztechnisch zu beschreibenund einzuordnen. (Das Risiko des Scheiterns ist freilich auchdann nicht auszuschließen. Wer je am Radio ein unbekanntesWerk vergeblich zu entziffern suchte oder bei seiner Bemühungdie Wahrheit verfehlte, weiß, wie kläglich man danebengreifenkann. Der Effekt für das musikalische Hören aber — unddeswegen ist das Einlassen auf das Radio mehr als einamüsantes Spiel: nämlich eine hochrangige Übung — istbeträchtlich. Man muß nicht entlegene Beispiele aufsuchen —die 2. Symphonie von Charles Ives, informationslos vorge-spielt, wird fast jeden in Verlegenheit setzen —, um musikali-sches Stilbewußtsein auszubilden.)

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Aus diesem Grunde ist im Anhang eine »Hör-Liste« beige-geben. Ihr Unvollständigkeit vorzuhalten, ist nicht schwer;doch sollten, um den Preis von Lücken, Schwerpunkte gesetztwerden. Die Hörliste umfaßt einen Katalog von Werken, derenKenntnis als Mindestvoraussetzung anzusehen ist. Sie sollweder gängeln noch nicht Genanntes ausschließen, sondernOrientierung ermöglichen. Der richtige Umgang mit diesenWerken, soll er fruchtbar sein, ist entscheidend : Sie wärenhörend, lesend, spielend — das Ineinander ist wichtig : dieverschiedenen Ansätze stützen sich gegenseitig — zu erar-beiten.

4. Hörbegabungen sind gleichwohl unterschiedlich orien-tiert. Bekannt ist, daß Spielern von Melodieinstrumenten dasErfassen linearer Vorgänge leichter fällt als das harmonisch-vertikaler Verläufe, während es sich bei Spielern von Tastenin-strumenten umgekehrt verhält. Die private Übung sollte sichdarum schwerpunktmäßig gerade dem zuwenden, was einemnicht so zugänglich ist : Die Perfektionierung des ohnehinGekonnten trägt der Ausbildung umfassender Hörfähigkeitwenig ein.

5. Notendiktate sind, respektiert man den Zusammenhangvon Lesen und Hören, sinnvoll und unentbehrlich. (Daß sieüberdies zur disziplinierten Rechenschaft über das Gehörtezwingen, ist wesentlich.) Eine Diktataufgabe jedoch, kommen-tarlos so oft wiederholt, bis auch der letzte sie niedergeschrie-ben hat, wäre ein Alptraum. Ebensowenig wie für Gehörübun-gen zu zweit oder mehreren ist leerlaufende Repetition für dasprivate Studium eine weiterführende Hilfe. Sie provoziert einsukzessiv-gedankenloses Aufnehmen und verhindert, was demHören erst die Richtung weist : eine Methode. Je nach Gegen-stand werden die Methoden wechseln; der angemesseneZugang wird von der Sache diktiert.

Ein überaus wichtiger Anhalt — um einen Gesichtspunktherauszugreifen — ist die Fixierung von Bezugstönen. An demberühmten Thema von Bachs Passacaglia c-moll für Orgel(BWV 582) sei ein Netz von Relation, Identität, Zusammen-

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hang skizziert, das — ganz oder nur zu Teilen erfaßt — dertonräumlichen Orientierung hilfreich ist.

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Wirr bleibt der folgende Ausschnitt (>Air< aus Bachs Partita e-moll BWV 830), so lange man sich, öfterem Hören vertrauend,punktuell vortastet. Die Sequenzidee wird sofort erkanntwerden. Doch erst — verbunden mit vertikalem Denken — dasAufspüren des »Sekundganges« (wie Hindemith die sekund-mäßige Verbindung melodischer Hoch- und Tiefpunktenannte) ist die angemessene Hörmethode, der sich das Beispielmühelos erschließt.

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Anders gearteter Musik ist anders beizukommen. Entschei-dend bleibt jeweils das »Wie« des methodischen Schlüssels,nicht die Frage nach dem »Wie oft« stumpfer Wiederholung.

6. Voraussetzung für das eben Gesagte ist die Fähigkeit,einen musikalischen Gedanken in seinem Zusammenhangaufzufassen; das wiederum setzt eine Gedächtnisleistungvoraus. Deren Abhängigkeit von der erwähnten Konzentra-tionsfähigkeit ist offenkundig : Viele haben bereits nachErklingen eines dritten oder vierten Tons den ersten aus demOhr verloren. Darum bedarf besonders das Gedächtnis immerwieder des Trainings, in allmählicher Steigerung von Länge

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und Komplexität des Gehörten und in — zunächst getrennter —Konzentration auf rhythmische, lineare und harmonische Ver-läufe.

Erst auf dieser Basis ist es möglich, den zweiten (schwieri-geren) Schritt zu vollziehen: das Behaltene und innerlichplastisch vor sich »Gesehene« in der skizzierten Weise aufzu-schlüsseln.

Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Der üblichefolgenschwere Fehler, sich beim Hören etwa einer einstimmi-gen Melodie von Intervall zu Intervall fortzuhangeln, vereiteltden Überblick über das Ganze. Gerade umgekehrt muß dasBemühen darauf gerichtet sein, beim Ganzen anzusetzen, es ingrobem Umriß zu erfassen, durch beziehendes Denkengenauer zu beschreiben und dann erst sich noch offen gebliebe-nen Details zuzuwenden. Ein einfaches Beispiel (aus : Hinde-mith, >Ludus tonalis() :

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7 Takte, markant aufsteigender Beginn, sequenzierend fallendeFortsetzung. Anfangs- und Endton identisch. Steigende großeTerz anfangs, fallende kleine Terz am Schluß. Korrespondenzder , ansonsten bis auf eine Synkope als Stau (Vorbereitungdes Falls) nur -Bewegung. Intervalle : nur Sekunden, Terzen,Quarten; drei sich überlappende Sequenzen (je aus kl. 2, kl. 2,gr. 3, kl. 3) im Terzabstand.

Durch solche einzelnen, sich immer dichter herantastendenSchritte wird jede Höraufgabe lösbar. Die folgende Melodie(Béla Bartôk, Konzert für Orchester, 1. Satz) diene demeigenen Versuch. Man spiele (oder singe !) sie, nähere sich ihrin ähnlicher Weise (nach zwei- oder dreimaligem Vorspiel ohneBlick auf den Notentext), und notiere sie dann aus demGedächtnis :

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r i rxoriri7. Die alte Streitfrage, in welchem Maße sich Hörübungen

nur auf das Klavier fixieren dürfen, sollte nicht allzu voreiligzuungunsten des Klaviers beantwortet werden. So falsch undverhängnisvoll einseitig es wäre, allein vom Klavier auszuge-hen — schon von den heutigen Möglichkeiten im Bereich derMedien her ist eine solche Begrenzung gar nicht einsehbar —,so falsch wäre seine vorschnelle Verbannung. Nicht nur, daßes sich zur Darstellung und vor allem zum praktischenNachvollzug hervorragend eignet und anbietet. Auch werdenetwa Nicht-Pianisten bestätigen, daß es ihnen meist schwererfällt, vom Klavier als vom eigenen Instrument her etwashörend aufzunehmen. Die Praktikabilität des Klaviers darfzwar nicht zur Ausrede für Faulheit oder Einfallslosigkeit inder Gehörbildung dienen; doch sollte man das Urteil differen-zieren.

Auch für das private Studium bedeutet dies : Das Klavierdarf und muß ohne Skrupel benutzt werden; einer gehörs-mäßigen Fixierung aber auf den Klavierklang ist (da im Selbst-studium das Life-Vorspiel verschiedener Instrumente aus-scheidet) durch die Einbeziehung der Medien zu begegnen.

B. Die Fähigkeit zu bewußtem, differenziertem, verständi-gem, auch: urteilsfähigem Hören, gepaart mit der Fähigkeit,auch gelesene (statt gehörte) Musik innerlich erklingen zulassen, ist nach meinem Verständnis letztlich das Ziel derGehörbildung. Niemals, so meine Überzeugung, wird Hörana-lyse an die komplexe Fülle musikalischer Werke heranreichenkönnen (man hüte sich hier vor Überschätzungen) ; umgekehrtaber liefe bloße Textanalyse Gefahr, in Abstraktion steckenzu-bleiben.

Das Vermögen und auch die Bereitschaft, sich auf ein Hörenvon Musik einzulassen, das tatsächlich die Musik als heraus-

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forderndes Gegenüber im Auge hat und das sich nicht mitvordergründig-plakativen Feststellungen zufriedengibt, son-dern dem inneren Gefüge und dem jeweils musikalisch Eige-nen nahezukommen sucht — dies Vermögen und diese Bereit-schaft sind zu schulen. Beides weist auch dem privatenHörstudium den Weg.

Zur Konzeption

Aus den vorherigen Überlegungen resultiert — den Möglichkei-ten und Bedingungen eines Einzelstudiums angepaßt — dieAnlage dieser Schrift. Nur stichwortartig seien darum wenigeDinge angesprochen.

Äußeres Format und Umfang sollen die Schrift als »Vade-mecum« brauchbar machen. Auch deshalb waren der Anzahlder abgedruckten Literatur-Beispiele Grenzen gesetzt; siesollen gleichwohl im jeweiligen Fall den konkreten musika-lischen Bezug verdeutlichen und darüber hinaus zur Anwen-dung auf weitere, selbst gewählte Beispiele anregen.

Die Progression von »leicht« zu »schwer«, von elementarenBausteinen zum zusammenhängenden Ganzen soll demAnfänger einen hinreichend stringenten Lehrgang, dem Fort-geschritteneren einen individuellen Einstieg und verschiedeneAnregungen bieten. Daß dabei dem Singen ein hervorragenderStellenwert zugewiesen wird, gehorcht nicht primär demZwang, einem Einzelnen praktikable Übungen an die Hand zugeben. Es ist vielmehr meine Überzeugung, daß singendesErfassen — das Nachvollziehen mit dem eigenen Körper alsdem empfindlichsten aller Instrumente — die innere Ton- undHörvorstellung grundlegend und am entscheidendsten fördernkann. Darum unterschätze man beispielsweise nicht diescheinbar triviale Aufforderung, einen bestimmten Ton nach-zusingen : Viele haben bereits damit, nicht allein aus Scheu vorstimmlicher Veräußerung, erhebliche Schwierigkeiten.

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Singen, Spielen, Schreiben (ein kleines Notenheft sollteimmer parat sein), Hören : Notwendig ist, daß die Tätigkeitenzusammenwirken. Und wichtig noch dies : Kontinuität desÜbens ist förderlicher als seine Zusammenballung auf einenTermin (besser jeden Tag 10 Minuten als einmal wöchentlich 2Stunden) ; ungeschmälerte Konzentration auf wenige Übungenträgt mehr ein als oberflächlicher Durchlauf zahlreicher Übun-gen. Und : Gehörbildung ist, nimmt man sie ernst, geistiganstrengend, je mehr, desto angestrengter man sich an einemAufgabentypus festbeißt. Die Inhalte sollten deshalb variieren,um Geist und Ohr neue Anreize und Richtungen zu geben.

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ÜBUNGEN

Einzeltöne

0 Am Instrument einzelne Töne in bequemer Stimmlage vorspie-len — nachsingen.

Q Umgekehrt: Beliebige einzelne Töne singen; versuchen, derenTonhöhe zu bestimmen; am Instrument kontrollieren.

Q Vorgespielte sehr hohe/tiefe Töne in die eigene Stimmlageumdenken und nachsingen. (Wichtig: Kopf und Kehle inunverändert lockerer Haltung lassen — nicht entsprechend derTonhöhe nach oben bzw. unten recken und dadurch ver-krampfen!)

0 Übung 0 und 0 gemischt. (Tempo der Tonfolge steigern!)

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