Durchblick 2/2012
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Durchblick
Juli | 2-2012 Diakonische StiftungWittekindshof
Schenken
Schenken
2 Durchb l i ck 2 -2012
Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
Freud und Leid liegen im Wittekindshof oft dicht zusammen. Das haben wir gerade in den letzten Monaten wieder erfahren. Da war auf der einen Seite der tragische Tod des zweijährigen Mädchens Fabronya in unserem Familienzentrum in Gronau, der viele zutiefst erschüttert hat. Und außerdem trauern wir natürlich um viele andere Menschen, die wir unterstützt haben (die Älteste von ihnen war 106 Jahre), aber auch um Mitarbeitende. Auf der anderen Seite haben wir gerade in diesem 125. Jubiläumsjahr auch viel Freude. Großen Spaß bereiteten uns die bunten Hüte im Gottesdienst auf dem Jahresfest, die uns so eindrücklich zeigten, wie viele Gemein-samkeiten es unter den verschiedensten Teilnehmenden gab. Sehr gefreut haben wir uns auch über die zahlreichen Spenden und Geschenke, die wir in diesem und im letzten Jahr wieder erhalten haben. Davon zeugen einige Artikel in diesem Heft und auch der beiliegende Spendenbericht.
Tief bewegt hat uns schließlich die Auseinandersetzung mit der eigenen Herkunft, auf die wir uns in den letzten Jahren eingelassen haben und die nun zu einer beein-druckenden Studie geführt hat, in der die gesamte Wittekindshofer Geschichte auf-gearbeitet ist. Eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse finden Sie in dem beiliegenden Sonderheft. Wir sind zutiefst dankbar, dass durch alle schlimmen und weniger schlimmen Zeiten hindurch die Stiftung von Gott bis heute erhalten und bewahrt wurde und Menschen mit Behinderung von ihr in dieser langen Zeit unter-stützt werden konnten – mal besser und auch mal schlechter. Wir sind froh, dass viele uns bis heute ihr Vertrauen schenken, dass wir sie unterstützen sollen und dass dies viele Mitarbeitende und auch Ehrenamtliche so zuverlässig tun.
So gehen wir reich beschenkt, dankbar und von vielen Gefühlen bewegt durch dieses 125. Jahr des Wittekindshofes und hoffen, dass noch viele gute Jahre folgen.
Ihr Pfarrer Prof. Dr. Dierk Starnitzke, Vorstandssprecher
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Diakonische StiftungWittekindshof
Menschenwürde gestalten.
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Schenken: „Wie liebende Paare einander selbstverständlich beschenken, kann auch die diakonische Liebesgabe Schenkende wie Beschenkte eigentlich nur bereichern.“
2 Editorial
4 Auf einen Blick Bunt behütet
Thema Schenken 6 Geschenkt: Künstler in Berlin 10 Die Faszination des Schenkens 13 Geben und Weitergeben
Wittekindshof14 Erschütterung und Hoffnung 14 Tödlicher Unfall 15 Meine Fabronya! 16 Hannelore Kraft und Christine Lieberknecht zu Gast 17 Es macht Spaß, solche Menschen kennen zu lernen. 18 Die grüne Karte: „Mama, ich möchte noch spielen!“20 Fünf Jahre Wittekindshof in Hamm und im
Kreis Warendorf 22 Ein Weg, der in eine inklusive Gesellschaft führt24 „... da war ich mir sicher!“25 Ihre Meinung 25 Ihr Geschenk für eine alte Dame 26 Christian Rüter ist neuer MAV-Vorsitzender 26 Wir trauern 27 Personalentwicklung 28 Aus der Region 29 Impressum
30 Fundraising Ihre Spende bringt Farbe ins Leben
32 Was macht eigentlich … Erika von Loßnitzer?
34 Blick zurück Die ersten Ärzte des Wittekindshofes
36 Einblick (K)eine andere Welt
38 Auf ein Wort Ach, wie wird an diesem Orte meine Seele fröhlich sein …
Schenkenauf einen Blick
Bunt behütet
Schenken
Bunt behütetGemeinsam Gottesdienst feiern zum 125. Jahresfest „erinnern – wahrnehmen – gestalten“ am 3. Juni 2012
Mai
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Schenken
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Es gibt Begebenheiten, die haben etwas Märchen-haftes an sich: Da bekommst du etwas geschenkt, womit du überhaupt nicht gerechnet hast! Und du suchst nach dem Trick, der dahinter steckt, damit du am Ende dann doch alles teuer bezahlen musst – und du findest keinen! Es ist wirklich ein Geschenk! Um mal Martin Luther zu bemühen: „ohn all Ver-dienst und Würdigkeit.“
Daran erinnert mich der Besuch einer Gruppe aus dem Wittekindshofer Kunstatelier im Februar dieses Jahres in Berlin. Wie es dazu gekommen ist? Dr. Erich Marx, ein weithin bekannter Kunstsamm-ler und -förderer, hatte sich anlässlich eines runden Geburtstages von seinen Freunden und allen, die ihm etwas Gutes tun wollten, anstelle von Geschen-ken eine Spende zugunsten des Wittekindshofer Kunstateliers gewünscht. Und viele haben sich an dieser Aktion beteiligt.
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, verant-wortlich für weltbekannte Museen, Bibliotheken und Archive vor allem in Berlin, arbei tet seit vielen
Jahren eng mit dem Berliner Kunstmäzen zusam-men. Deren Verantwortliche wollten sich mit einer besonderen Aufmerksamkeit an der Geburtstagsak-tion beteiligen und schenkten Dr. Marx deshalb ei-nen eigens konzipierten Museumsbesuch in Berlin. Nutznießer davon sollte aber nicht das „Geburts-tagskind“ selbst sein – sondern vielmehr eine Gruppe von Künstlerinnen und Künstlern aus dem Atelier der Diakonischen Stiftung Wittekindshof in Bad Oeynhausen-Volmerdingsen! Und damit es auch wirklich ein herausragendes Geschenk war, umfasste das Paket die Fahrt in die Hauptstadt, Hotelzimmer in Berlin Mitte, Essen im Restaurant und eine Stadtrundfahrt.
Die Verantwortlichen der Stiftung luden die Wittekindshofer nicht nur in zwei Museumen ein, sondern gaben den Gästen auch die Möglichkeit, ihre künstlerische Erfahrung zu erweitern, indem sie während des Aufenthaltes zu einem Workshop eingeladen waren, geleitet von einer versierten Kunstpädagogin. Daneben gab es viele Gespräche und wechselseitiges Kennenlernen, an dem sich hochrangige Persönlichkeiten der Stiftung beteilig-ten. Und auch Dr. Erich Marx, dem das Geschenk zu verdanken war, hatte es sich nicht nehmen lassen, die Wittekindshofer im Hamburger Bahnhof – Mu-seum für Gegenwart in Berlin zu begrüßen – und ihnen zu sagen, dass er gerne an seine Zeit in Bad Oeynhausen und seine Erfahrungen mit dem Wit-tekindshof zurück denkt.
Geschenkt: Künstler in Berlin
Ein Muss für Berlin-Besucher: Das Foto vor dem Brandenburger Tor; (v.l.) Matthias Haase, Andrzej Socala, Axel Fründ, Erika Georg, (dahinter)
Uwe Jauch, Tanja Danne und Oskar Silke
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Dienstag, den 22.2.2012Nachdem wir das Hotel bezogen hatten, sind wir mit der S-Bahn und dem Bus zur Haltestelle Phil-harmonie gefahren. Dort sind wir ausgestiegen und zur Gemäldegalerie gegangen. Draußen vorm Museum haben wir ein Gruppenfoto gemacht. Da-nach gingen wir ins Museum hinein. Dort haben wir uns alle versammelt. Gegen 16 Uhr begann unsere Führung. Anja Birkel leitete sie.
Bevor wir durch das Museum geführt wurden, mussten wir unsere Jacken und Taschen an der Gar-derobe abgeben. Dann hat uns Anja Birkel alles erklärt. In der Gemäldegalerie sind insgesamt 1500 Bilder ausgestellt. In der Wandelhalle haben sie keine Bilder aufgehängt. 1559 hat man in den Bil-dern oft nach Sprichwörtern gesucht. Solche Bilder gibt es auch von Pieter Breughel. Anja Birkel hat uns erklärt, was die Bilder so bedeuteten und was für Sprichwörter enthalten sind. Zum Beispiel: „Malt den Teufel nicht an die Wand“. Weitere Bilder waren von Peter Paul Rubens, Willem Buytewech, Esaias van de Velde und vielen anderen Künstlern.
Wir sind durch verschiedene Räume gegangen. Die Räumlichkeiten hatten alle eine Nummer. Die Nummern waren mit römischen Zahlen ausgewie-sen. Dann sind wir in eine Malerwerkstatt gegan-gen. Dort hat uns Anja Birkel erklärt, wie es dort vor etwa 400 Jahren ausgesehen hat und wie dort gearbeitet wurde. Sie hat erzählt, wie man früher die Farbe hergestellt hat: zum Beispiel das Karmin-rot aus Blattläusen. Außerdem hat sie uns noch
Gegenstände erklärt. Da war eine Schweineblase. Die war für Farbaufbewahrungen. Dann hat Anja Birkel auch noch besondere Farben vorgestellt. Es gab verbotene Farben, mit denen durfte man nicht malen: das sogenannte Indische Gelb zum Beispiel.
Als wir mit dem Durchgang fertig waren, sind wir wieder zur Bushaltestelle Philharmonie gegangen und sind mit dem Bus zur U–Bahnstation Branden-burger Tor gefahren. Von dort sind wir mit der U–Bahn bis zur Haltestelle Friedrichstrasse gefahren. Anschließend sind wir noch in ein Lokal gegangen und haben dort Abendbrot gegessen.
Mittwoch, den 23.2.2012Das Frühstück war die reinste Wonne! Was es da alles gab! Da konnte man sich gar nicht recht ent-scheiden, was man als erstes nehmen sollte. Natür-lich habe ich fast von allem probiert. Nachdem wir mit dem Frühstück fertig waren, gingen wir dann hoch auf die Zimmer, um unsere Jacken zu holen. Dann haben wir uns auf den Weg gemacht in Rich-tung U-Bahn und sind zum Brandenburger Tor ge-fahren. Dort machten wir noch schnell ein paar Fotos und gingen dann zur anderen Seite, weil wir dort mit der Fotografin, Frau Matoff, verabredet wa-ren. Sie begleitete uns für einen Tag und machte auch gleich die ersten Gruppenfotos. Nach einer kleinen Unterhaltung ging es dann auch schon wie-der los. Wir machten eine Stadtrundfahrt, wo wir viel sehen und viel entdecken konnten.
Die nachfolgenden Texte über den Berlinbesuch einer Dele-gation des Wittekindshofer Kunstateliers stammen aus den Tagebüchern, die die Teilnehmer Uwe Jauch und Axel Fründ eigens für dieses Ereignis geführt haben. Die Fotos hat die Berliner Foto-grafin Noel Tovia Matoff beigesteuert, die gebeten wurde, die Höhepunkte des Besuches für den „Durchblick“ in Bildern festzuhalten.
Axel Fründ (3. v.l.) als aufmerksamer Chronist bei der Stadtrundfahrt: „Das Kanzleramt ist achtmal so groß wie das Weiße Haus. Berlin hat 51 Seen. Dann kamen wir am Berliner Zoo vorbei.
Er ist der älteste Zoo von Deutschland.“
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Nachdem wir dann wieder am Brandenburger Tor angekommen waren, gingen wir dann in ein Café und machten dort eine kleine Rast, weil da ja auch schon Mittag war. Oskar brauchte was zu Mit-tag, weil es für ihn Zeit war, seine Tabletten einzu-nehmen. Ich habe eine Cola getrunken und mich dann nach draußen gesetzt und eine Zigarette ge-raucht. Nachdem dann auch alle wieder so weit
waren, sind wir auch gleich wieder losgegangen, weil wir ja auch noch mit Herrn Dr. Erich Marx ver-abredet waren.
Die Mitbegleiter wollten lieber einen Spazier-gang dorthin machen, also mussten wir los. Mit meinen Beinen war das zu diesem Zeitpunkt auch nicht mehr das Wahre – aber Spaß machte es trotz-dem. Man hat unterwegs viel zu sehen bekommen.
„Meine lieben Mitbegleiter wollten lieber einen Spaziergang zum Museum Hamburger Bahnhof machen. Mit meinen Beinen war es zu diesem Zeitpunkt auch nicht mehr das Wahre. Aber Spaß
machte es trotzdem, man hat unterwegs viel zu sehen bekommen.“
„Am Hamburger Bahnhof angekommen, da fühlte ich mich fast so, als wäre man selbst eine Prominenz. Es ist eigentlich ziemlich selten, dass
Herr Dr. Marx einen persönlich begrüßt.“
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Dann am Museum Hamburger Bahnhof angekom-men, da fühlte ich mich fast so, als wäre man selbst eine Prominenz – weil es eigentlich ziemlich selten ist, dass Herr Dr. Erich Marx einen persönlich be-grüßt.
Ja, wo wir dann am Museum waren, wurden wir recht herzlich von Dr. Erich Max und der Künstlerin Julia Rüther begrüßt. Wir sind dann hineingegan-gen, haben unsere Jacken abgegeben und haben Herrn Dr. Marx das Geschenk überreicht. Und ich habe ihm angesehen, dass er sich darüber freute.
(aus dem Tagebuch von Uwe Jauch)Den Workshop, der im Anschluß an die Besich-
tigung im Hamburger Bahnhof – Museum für Ge-genwart stattfand, hat Axel Fründ wie folgt erlebt:
(…) Danach hat Frau Rüther ihren Koffer aufge-macht und an uns Malunterlagen und Stifte verteilt. Dort haben wir verschiedene Linien gemalt. Zum Beispiel, wenn einer Wut auf einen anderen hat, wie man das mit Strichen und Linien zeichnen kann. Als wir damit fertig waren, mussten wir zu einem Bild die dazu gehörigen Bedeutungen malen: die so genannten Phantasien, die einem dazu einfielen.
Dann haben wir uns noch ein weiteres Bild an-geschaut, wo dreimal das gleiche Motiv vorkam. Dann hat Frau Rüther ein Blatt an unsere Schuhe gehalten und ist mit einem Stift rübergegangen. Da
sollten wir herausfinden, welche Motive daraus entstehen könnten. Danach sind wir mit dem Auf-zug in die 3. Etage in die Malerwerkstatt gefahren. Zuerst haben wir was zu trinken bekommen. Dann konnten wir Bilder malen. Zuerst haben wir uns einen Stempel angefertigt und haben damit Bilder gestempelt.
Anschließend haben wir noch eine andere Tech-nik ausprobiert: Auf einem Blatt Papier sollten wir einen Bindfaden oder mehrere Gummiringe vertei-len und darauf noch ein zweites Blatt Papier legen und mit einem Wachsmalstift darauf herum malen, so dass ein oder auch mehrere Muster entstanden. Als wir damit fertig waren, konnte, wer wollte, das Bild noch bunt ausmalen. Als die Bilder fertig wa-ren, wurden sie an der Wand aufgehängt. Dann war Feierabend.
Wir haben noch aufgeräumt und uns von Frau Matoff und Frau Rüther verabschiedet. Dann haben wir uns ein Lokal ausgesucht zum Abendessen. Das war ein thailändisches Lokal.
Schlusssatz aus den Tagebucheintragungen von Uwe Jauch: Wenn mich das nächste Mal einer fragen würde, ob ich wieder nach Berlin möchte, würde ich ja sagen!
Im Museum Hamburger Bahnhof. Museum der
Gegenwart: Führung durch die Sammlung Dr.
Erich Marx mit der Künstlerin Julia Rüther.
Im Hintergrund ein berühmtes Kunstwerk von
Andy Warhol.
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BedenkenSeit 125 Jahren werden vom Wittekindshof Men-schen mit Behinderungen in ihrem Leben unter-stützt. Das geschah immer unter den Bedingungen der jeweiligen Zeit. Die Stiftung hat dabei an den bewegten Geschehnissen der verschiedenen Epo-chen der deutschen Geschichte partizipiert. So ist die Unterstützung denn auch manchmal mehr und manchmal weniger gut gelungen. Phasen der star-ken Zunahme der Unterstützungsmöglichkeiten seit den 1890er Jahren und in den 1970er Jahren stehen Zeiten der systematischen Verletzung und sogar Tötung von Menschen mit Behinderungen entge-gen, besonders in den Jahren 1933 bis 1945, die auch der Wittekindshof nicht verhindern konnte.
Dass die Stiftung alle Herausforderungen und auch Gefährdungen bis hierher überstehen konnte, ist den vielen Menschen zu verdanken, die diese Arbeit mit getragen haben – vor allem den Mit-
arbeitenden, die seit 1887 oft unter einfachsten und schwierigsten Bedingungen diesen Dienst geleistet haben, aber auch den von ihnen unterstützten Menschen, die diese schwierigen Lebensbedingun-gen zumeist geduldig ertragen und durchgehalten haben. Schließlich auch den Angehörigen, politi-schen Institutionen und Kostenträgern, die dem Wittekindshof immer wieder den Auftrag gegeben haben, seine Arbeit für Menschen mit Behinderun-gen zu tun. Vieles ist diesem Zusammenhang noch zu bedenken und aufzuarbeiten. Wir bemühen uns, dazu beizutragen, nicht zuletzt durch unsere beiden Bücher zur Wittekindshofer Geschichte mit den Ti-teln „Als wären wir zur Strafe hier“ und „Der das Schreien der jungen Raben nicht überhört“.
SchenkenWenn man den 125. Geburtstag feiert, ist das auch ein Anlass zum Schenken. Im bisherigen Verlauf des Jahres ist deshalb so mancher gekommen und hat dem Wittekindshof gratuliert und sogar Geschenke gemacht. Ohne solche Geschenke wäre die Witte-kindshofer Arbeit so nicht möglich. Das betrifft vor allem die vielen Spenderinnen und Spender, die in den letzten 125 Jahren durch ihre Gaben die Stiftung unterstützt und damit dazu beigetragen haben, dass vieles an Hilfe ermöglicht werden konnte, was ohne ihre Gaben nicht geschehen würde. Wie das im letz-
Die Faszination des Schenkens
„Frau Rüther hat ihren Koffer aufgemacht und an uns Malunterlagen und Stifte verteilt. Dort haben wir verschiedene Linien gemalt. Zum Beispiel, wenn einer Wut auf den anderen hat. …
Dierk Starnitzke, Vorstands-sprecher der Diakonischen Stiftung Wittekindshof
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ten Jahr 2011 geschehen ist, können Sie im beilie-genden Spendenbericht lesen.
Ich scheue mich nicht, Sie in diesem Zusammen-hang herzlich zu bitten, uns zum 125. ein Geburts-tagsgeschenk zu machen und unsere Arbeit auch im 126. Jahr ideell und materiell zu unterstützen. Mit jedem Ihrer Beiträge beteiligen Sie sich aktiv am Erfolg unserer Arbeit für die Menschen mit Behin-derungen. Die Gabe, das freiwillige Geschenk, das uneigennützige Vermächtnis durchbricht dabei un-
sere geläufige Logik vom „Geben um des Nehmens Willen“. Gaben für die diakonische Arbeit, Ge-schenke für ein diakonisches Jubiläum sind eben nicht geprägt vom Geist der gegenseitigen Verrech-nung, der unser alltägliches Leben und Wirtschaften sonst so durchdringt. Wer ohne Berechnung gibt, befreit sich von den fesselnden Ketten des „Wie du mir, so ich dir“. Wer aus freien Stücken schenkt, ohne Erwartung einer Gegenleistung, der kann darin die Freiheit vom sklavischen Geist des „do ut des“ (des
… Nachdem wir dann mit den Bildern durch
waren, nahmen wir auch an einem Work-
shop teil, wo man verschiedene Dinge aus-
probieren konnte. …
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„ich gebe, damit du gibst“) genießen. Das Geben und Schenken fasziniert deshalb nicht nur bis heute die Philosophen und Sozialtheoretiker, sondern auch die Liebenden. Im Schenken und beschenkt werden lässt sich etwas von der Freiheit des menschlichen Geistes erahnen, der nicht nur auf Berechnung und eigenen Vorteil aus ist, sondern die Selbstlosigkeit der Liebestat und den Wert des menschlichen Ge-genübers genießen kann. So wie liebende Paare oder Familienmitglieder sich selbstverständlich beschen-ken und dabei im Geben immer noch reicher werden, kann auch die diakonische Liebesgabe Schenkende wie Beschenkte eigentlich nur bereichern. Einen klei-nen Eindruck davon können vielleicht auch andere Beiträge in diesem Heft vermitteln.
Ich lade Sie herzlich ein, dieses Geheimnis des beschenkt Werdens im Schenken für den Witte-kindshof kennen zu lernen. Das muss dabei nicht nur durch Geld oder materielle Güter geschehen, es kann auch durch ein ehrenamtliches Engagement für unsere Stiftung und die von ihr unterstützten Menschen sein. Ich möchte Sie schließlich ermuti-
gen, unsere Arbeit auch in anderer Weise zu unter-stützen, z. B. durch ein anerkennendes Wort an Mitarbeitende, durch ein Fürbittengebet im stillen Kämmerlein für unsere Arbeit oder auch durch po-litischen Einfluss für die Stiftung in Ihrem eigenen Wirkungsfeld. Mit solchen Worten und Taten können Sie sich einfügen in die lange Reihe derer, die seit 125 Jahren die Arbeit der Diakonischen Stiftung Wit-tekindshof fördern, in die Gemeinschaft der glück-lichen Geber. Ich wünsche Ihnen viel Freude dabei.
DankenEin besonderes Geschenk an die Stiftung ist jedoch für mich, dass Gott seine gnädige Hand in den letz-ten 125 Jahren nicht vom Wittekindshof weggezogen hat. Er hat die Stiftung und die in ihr tätigen und von ihr unterstützten Menschen begleitet und bewahrt. Sicherlich ist dabei auch vieles geschehen, was wir als Menschen nur schwer verstehen und annehmen können. Wir können aber fest darauf vertrauen, dass Gott in seinem allumfassenden Erbarmen alles Ge-wesene und die daran beteiligten Menschen in Zeit und Ewigkeit nicht loslässt – egal, wie positiv oder negativ wir das vergangene Geschehen für uns heute bewerten mögen. Wenn Gottes universales Erbar-men auch allen mit dem Wittekindshof in Verbin-dung stehenden Menschen in Vergangenheit, Ge-genwart und Zukunft wirklich gilt, so wie es in der Bibel verheißen ist, dann ist das wohl das schönste und größte Geschenk an uns alle.
Im Schenken und beschenkt werden lässt sich etwas von der Freiheit des mensch lichen Geistes erahnen, der nicht nur auf Berechnung und eigenen Vorteil aus ist …
… Als die Bilder fertig waren, wurden sie an die Wand gehängt. Dann war Feierabend.“
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Seit Jahren engagiert sich Marie-Sophie Wetter ehrenamtlich für das Therapeutische Reiten. „An-gefangen hat es mit vorsichtigem Fragen. Ihr Pferd hat ebenso wie die acht Wittekindshofer Therapie-pferde eine Box in der Reitanlage Lohoff in Bad Oeynhausen-Volmerdingsen. Marie-Sophie wollte mehr über angemessene und gesunde Pferdehal-tung wissen, und uns ist ihr verantwortungsvoller Umgang mit Pferden aufgefallen“, erinnert sich die Wittekindshofer Reitpädagogin Sylvia Niemeier. Aus Fragen und kleinen Handgriffen, die in einer guten Stallgemeinschaft üblich sind, hat sich viel ehren-amtliches Engagement entwickelt. „Marie- Sophie spendet uns viel Zeit und ermöglicht zusammen mit anderen Ehrenamtlichen Höhepunkte wie Turnier-besuche oder den Wittekindshofer Reitertag“, er-klärt Reitpädagoge Michael Rahmöller.
Aber Marie-Sophie hat sich nicht nur im Stall und im direkten Kontakt mit Pferden und Teilnehmerin-
nen und Teilnehmern des Therapeutischen Reitens engagiert, sondern auch in ihrer eigenen Familie. Erst haben ihre Eltern angefangen, sich auch ehren-amtlich zu engagieren mit ihren eigenen Erfahrun-gen und Fähigkeiten. Auch die eine oder andere Spende wurde in den letzten Jahren überwiesen.
Zum 125-jährigen Jubiläumsjahr der Diakoni-schen Stiftung Wittekindshof sind sie noch einen Schritt weiter gegangen: „Die MAWE-Wetter GmbH übernimmt eine monatliche Patenschaft für Ray-shar, eines der Therapiepferde“, berichtet Stefanie Wetter, die Geschäftsführerin. „Wir wollen etwas dafür tun, dass Menschen mit Behinderung, die im Wittekindshof leben oder arbeiten, regelmäßig an einem Angebot rund um das Pferd teilnehmen kön-nen. Die Finanzierung darf kein Ausschlusskriterium sein.“
Mit der Idee einer Patenschaft für ein Therapie-pferd konnte Marie-Sophie aber auch ihre Groß-mutter überzeugen, die Geschäftsführerin der Wigo-Werkzeugdienst Wetter GmbH in Löhne ist. „Wenn Pferde Beziehungen bei behinderten Men-schen ermöglichen, zu denen sonst kaum Kontakte aufgebaut werden können, wie es mir Marie-Sophie berichtet hat, dann unterstützen wir das gerne. Be-ziehungen sind der Schlüssel zur Entwicklung für Firmen und Menschen“, ist Marianne Wetter über-zeugt.
Geben und Weitergeben
Zeit und Geld schenken: Marie-Sophie Wetter engagiert sich ehrenamtlich, die Firmen ihrer Mutter und Großmutter haben Patenschaften für
Therapiepferde übernommen.
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Wittekindshof
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Erschütterung und Hoffnung
Tödlicher Unfall
Stellungnahme von Vorstandssprecher Pfarrer Professor Dr. Dierk Starnitzke
Familienzentrum Wittekindshof in Gronau
Der tödliche Unfall im Familienzent-
rum hat uns alle zutiefst erschüttert.
Eltern vertrauen uns ihre Kinder an,
damit wir sie gut betreuen, fördern
und ihnen eine schöne Zeit zusammen
mit anderen Kindern ermöglichen. Der
einfühlsame Brief von Elina Morasch
an die verstorbene Fabronya zeigt mir,
dass wir diesen Anspruch wohl auch
bei Fabronya bis zum Tage des Unfalls
erfüllen konnten. Ich habe das Mäd-
chen leider nicht persönlich kennen
gelernt, habe aber nach dem Unfall die
große Trauer, das Entsetzen und die
Leere bei den Menschen im Familien-
zentrum gespürt. Für Eltern ist es das
Schlimmste und Härteste, wenn ihnen
ein Kind genommen wird und sie es
zu Grabe tragen müssen.
Ich bin sehr dankbar, dass ich den
Eltern und der Familie persönlich bei
einem Besuch mein Mitgefühl ausdrü-
cken konnte und bei der großen Trau-
erfeier sprechen durfte. Das ist nicht
selbstverständlich, denn ich bin ja
Vorstand in der Stiftung, die das Fami-
lienzentrum betreibt, in dem Fabronya
einen so schweren Unfall erlitten hat,
dass sie an den Folgen gestorben ist.
Zurzeit sieht es so aus, dass die
Mitarbeiterinnen wahrscheinlich nicht
wegen Verletzung der Aufsichtspflicht
angeklagt werden. Das wäre zumin-
dest juristisch eine große Entlastung.
Die betroffenen Menschen beschäfti-
gen aber wahrscheinlich weiterhin
viele Fragen.
Der Unfalltod von Fabronya hat das
Leben ihrer Familie ganz entscheidend
verändert. Auch im Familienzentrum
und vor allem bei den direkt beteilig-
ten Mitarbeiterinnen bleiben Spuren
zurück, die wohl niemals mehr ganz
verschwinden. Wir müssen zu den all-
täglichen Verflichtungen zurückkeh-
ren, um den anderen Kindern und
Familien zuverlässig die Unterstüt-
zung, Begleitung und Förderung zu-
kommen zu lassen, die sie von uns
erwarten und benötigen.
Nach diesem furchtbaren Tod von
Fabronya, der uns bis heute tief be-
wegt, können wir uns eigentlich nur
alle an unseren gemeinsamen christ-
lichen Glauben halten: dass Gott sie
jetzt zu sich genommen hat. Vor dem
Familienzentrum, in dem Fabronya
sterben musste, stand eine Tafel. Sie
wurde von Menschen aufgestellt, die
mit der Familie getrauert haben. Dar-
auf stand: „Gott hat einer Mutter am
2.10.2009 zwei Engel geschenkt. Er
nahm einen von diesen Engeln am
30.3.2012 zu sich.“ Treffender kann
man diese Glaubenshoffnung nicht
zum Ausdruck bringen. Wenn wir nun
den einen Engel, Faya, die Zwillings-
schwester von Fabronya, weiter vor
Augen haben, dann ist das ein ständi-
ges Zeichen dafür, dass der andere
Engel, der Faya so ähnlich sieht, hof-
fentlich schon im Himmel bei Gott ist.
Am 29. März ist die zweijährige
Fabronya in der Krippengruppe des
Familienzentrums Wittekindshof in
Gronau verunglückt. Trotz Erste-Hilfe-
Maßnahmen und Behandlung vor Ort
durch den umgehend alarmierten Not-
arzt ist sie am nächsten Tag im Univer-
sitätsklinikum Münster gestorben. Die
Ermittlungen der Staatsanwaltschaft
sind noch nicht abgeschlossen. Anfang
Mai hat die Staatsanwaltschaft gegen-
über Medienvertretern mündlich einen
Zwischenbericht erteilt. Im Mittelpunkt
der Ermittlungen stehe die externe
Fachkraft für Arbeitssicherheit, die
mehrfach Sicherheitsprüfungen in der
Krippengruppe durchgeführt hatte,
sowie ein anerkannter Spezialausstat-
ter für Kindertagesstätteneinrichtun-
gen, der das Spiel- und Ruhepodest
hergestellt und vor Ort montiert hat.
Nach den bisherigen Untersu-
chungsergebnissen hatte Fabronya
beim Spielen ihren Kopf zwischen
Zimmerdecke und Oberkante des
Spiel- und Ruhepodestes gesteckt. Da-
bei wurde sie eingeklemmt und war so
schnell bewusstlos, dass sie sich selbst
nicht durch Schreien oder Weinen be-
merkbar machen konnte. Die Erziehe-
rin befand sich im Nebenraum und
wurde von Fabronyas Zwillingsschwes-
ter angesprochen. Die sofort dazu ei-
lende Erzieherin hat das Kind befreit
und Erste Hilfe geleistet. Dabei wurde
sie von Kolleginnen unterstützt, die
sich auch um die übrigen Kinder ge-
kümmert haben.
Zum Unfallzeitpunkt befanden sich
vier Kinder mit zwei Mitarbeiterinnen
im ehemaligen Pfarrhaus, in dem 2008
die Krippengruppe für zehn Kinder
eingerichtet worden war. Die übrigen
sechs Krippenkinder waren im Haupt-
gebäude des benachbarten Familien-
zentrums, um den Snoezelen- und den
Planschraum zu nutzen.
Fabronya wurde auf dem Friedhof
des syrisch-aramäischen Klosters Glane
in den Niederlanden beigesetzt. Zur
Trauerfeier waren zwischen 1.500 und
2.000 Trauergäste vor allem aus den
syrisch-aramäischen Gemeinden in
ganz Europa gekommen. Auch die Mit-
arbeiterinnen des Familienzentrums
und viele Eltern haben bei der Beerdi-
gung Abschied von Fabronya genom-
men. Der Wittekindshofer Vorstands-
sprecher Pfarrer Professor Dr. Dierk
Starnitzke hat während der Trauerfeier
eine Rede gehalten. Nach einem per-
sönlichen Besuch bei den Eltern hat er
so auch öffentlich das Mitgefühl und
die Trauer der Stiftung zum Ausdruck
gebracht.
Für Kinder und Eltern hat am Tag
nach der Beerdigung eine Abschieds-
feier im Familienzentrum Wittekinds-
hof stattgefunden, die Mitarbeiterin-
nen zusammen mit Pfarrerin Claudia
de Wilde für Angehörige verschiedener
Religionen vorbereitet und gestaltet
hatten. Die evangelische Seelsorgerin,
die regelmäßig ins Familienzentrum
Wittekindshof kommt, war in den Tagen
nach dem Unfall besonders oft im Fa-
milienzentrum und hat als Seelsorge-
rin, Gesprächspartnerin und Beraterin
Unterstützung angeboten. Außerdem
wurde den Mitarbeiterinnen externe
und interne Beratung und Unterstüt-
zung angeboten. Um die Betreuung der
Kinder im Familienzentrum sicher zu
stellen, hat Ressortleiter Reiner Breder
zusätzliche Mitarbeitende aus anderen
Arbeitsbereichen des Wittekindshofes
im Familienzentrum eingesetzt, da fast
alle Mitarbeiterinnen nach dem Unfall
zwar relativ schnell wieder im Dienst,
aber durch das traumatische Ereignis
noch nicht wieder voll belastbar waren.
Die Räume im ehemaligen Pfarr-
haus werden nicht mehr zur Betreuung
kleiner Kinder genutzt. Im benachbar-
ten Stadtteilzentrum des Diakonischen
Werkes Gronau wurden Ersatzräume
gefunden.
Meine Fabronya!
Wittekindshof
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Meine Fabronya!
Es ist so schwer, von Dir zu sprechen,
zu erzählen, zu schreiben. Immer
wieder sehe ich Deine schönen Au-
gen, Dein hübsches Gesicht, höre
Deine Stimme, höre, wie Du immer
fragst: „Ich auch, Elina, ich auch plan-
schen?“ Bis auf den Flur folgst Du mir
in der Hoffnung, dass ich es mir an-
ders überlege und Dich doch mit-
nehme. Du hast nicht geweint, als ich
Dir immer wieder sagte: „Nein,
Schätzchen, heute nicht, aber nächste
Woche bist Du und auch Faya dran!
O.K.?“ Du warst einverstanden und
zufrieden und lässt Dich zurück in den
Gruppenraum begleiten. „Nächste
Woche, ich und Faya“, sprachst Du
nach, und ich machte die Tür zu …
„Guten Morgen, Elina!“ habt Ihr
mich jedes Mal begrüßt und seid auf
dem Flur um die Wette losgerannt,
um neue Haarspangen, neue Hand-
schuhe oder von Oma selbst gestrickte
Kleidchen zu zeigen. Mama […] hat
Euch immer so hübsch gekleidet.
Weißt Du noch, ganz am Anfang
fiel es Dir und Faya schwer, Euch von-
einander zu trennen. Wenn Faya zum
Einkaufen gehen durfte und Du blei-
ben musstest, habt Ihr beide geweint.
Dann hast Du Dich aber schneller als
Faya beruhigt.
Du und Faya, Ihr habt Euch so gut
in den Krippenalltag eingelebt. Schon
nach ein paar Monaten konntet Ihr die
Namen von allen Kindern und Erzie-
herinnen aussprechen, ganz geschickt
wart Ihr im Umgang mit dem Stift, der
Prickelnadel und der Schere. Ihr
konntet aus dem Glas trinken, mit
dem Besteck essen und Butter aufs
Brot schmieren. Toll! Auch kleine Auf-
träge und Bitten von uns habt Ihr
verstanden und ausgeführt.
Jedes Wort, jeden Satz, jede Frage
– alles habt Ihr nachgesprochen.
Wenn ich Dich fragte: „Fabronya, wo
ist Lebo?“, wiederholtest Du: „Wo ist
Lebo?“ Du hast eine kleine Pause ge-
macht und geantwortet: „Lebo Kin-
dergarten!“
Ja, Ihr beiden habt ganz viel
durchs Nachsprechen gelernt. Wie gut
und wie weit seid Ihr im Erlernen der
deutschen Sprache gekommen, und
wie schön klingt es, wenn Ihr Euch
mit Mama […] und Papa […] auf ara-
mäisch unterhalten habt.
Du kanntest schon alle Farben,
konntest bis zehn zählen, Du hast so
viele Tiere und Gegenstände in Bil-
derbüchern und beim Spielen erkannt
und benannt. Du warst sehr selbstän-
dig und hast vieles versucht, alleine
zu tun: Hausschuhe und Söckchen
an- und ausziehen, Hände waschen,
Zähne putzen, aufs Töpfchen gehen,
und, was ganz toll war, beim Essen
oder Anziehen hast Du versucht, an-
deren Kindern zu helfen.
Du hast es gelernt zu warten, bis
Du drankamst und hast gar nicht
geweint, wenn die Schaukel besetzt
war oder am Maltisch kein Platz frei
war. […] Auch im Garten hast Du so
toll gespielt. So aufmerksam hast Du
Ameisen, Regenwürmer, Nacktschne-
cken, die wir im Garten entdeckten,
betrachtet. Du hast Dich riesig über
die ersten Frühlingsblumen gefreut!
Aber deine Leidenschaft waren die
Marienkäfer und Schmetterlinge […]
Mein Mädchen, ich bin so glück-
lich, dass ich Dich kurz nach dem
schrecklichen Unfall im Traum gese-
hen habe. Dieser Traum beeindruckt
mich bis heute. Ich bin mir sicher, Du
hast mir ein Zeichen gegen, dass es
Dir ganz gut geht und Du hast mich,
Deine Elina, beruhigt und hast mir
geholfen, den unendlichen Schmerz
ein wenig zu lindern. Der Gedanke an
Dich gibt mir jeden Tag Kraft, mit Dei-
nen Freunden wieder zu spielen, zu
basteln, zu lachen….
Deine [Schwester] Faya und Mama
waren vor kurzem bei uns zu Besuch.
Ich habe sie, Deinen Bruder Lebo und
Deine Freundin zum Planschen mit-
genommen. Ganz ausgelassen und
fröhlich haben die drei im Plansch-
becken gespielt. Ein paar Mal hat Faya
Deinen Namen erwähnt und „Fabro-
nya ist nicht da“ gesagt!
Von Elina Morasch, Erzieherin in der
Krippengruppe des Familienzentrums
Wittekindshof in Gronau, in der Ende
März die zweijährige Fabronya tödlich
verunglückt ist. Im Brief erwähnt die
Erzieherin auch deren Zwillings-
schwester Faya und ihren großen Bru-
der Lebo.
Aus einem Brief an Fabronya
Elin
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oras
ch
Wittekindshof
1 6 Durchb l i ck 2 -2012
SPD- und CDU-MinisterpräsidentinZwei amtierende Ministerpräsidentin-
nen mit unterschiedlichen Parteibü-
chern waren im Abstand von gut zwei
Wochen zu Gast in der Diakonischen
Stiftung. „Beide Besuche standen im
Zusammenhang mit den Landtags-
wahlen in Nordrhein-Westfalen und
waren Teil des Wahlkampfes. Trotzdem
haben wir uns gefreut, dass sich die
heimischen Landtagsabgeordneten für
die Besuche der prominenten Politi-
kerinnen im Wittekindshof eingesetzt
haben. Beide Ministerpräsidentinnen
sind in Begleitung gekommen. Das hat
uns gute Chancen geboten, Kontakte
zu pflegen und über die für uns wich-
tigen Themen ins Gespräch zu kom-
men“, erklärte Vorstandssprecher
Pfarrer Professor Dr. Dierk Starnitzke.
Aus Düsseldorf nach Bad Oeynhau-
sen angereist war die Ministerpräsi-
dentin des Landes Nordrhein-Westfa-
len, Hannelore Kraft (SPD). Dabei war
ein Gespräch mit der Wittekindshofer
Leitung geplant. Entwickelt hat sich
daraus ein für alle Beteiligten beein-
druckender Dialog mit Auszubilden-
den aus dem Berufbildungswerk.
Podiumsdiskussion in GronauDen Wittekindshof in Gronau besuchte
die Ministerpräsidentin des Freistaates
Thüringen, Christine Lieberknecht
(CDU). Hier wurde öffentlich zu deren
Vortrag und zur anschließenden Podi-
umsdiskussion mit dem CDU-Land-
tagskandiaten Bernhard Tenhumberg
und Pfarrer Prof. Dr. Dierk Starnitzke
eingeladen. „Wert(los) in die Zukunft?
– Welche Werte leiten uns?“ war das
Thema der Veranstaltung. Ein Gruß-
wort sprach Arthur Becker, Vorsitzen-
der des Werkstattrates der Wittekinds-
hofer Werkstätten Gronau. Viel Zustim-
mung fand dabei seine Aufforderung:
„Keine Sonntagsreden am Mittwoch!“
Ministerpräsidentin Lieberknecht
griff in ihrem Vortrag auf das Buch des
Zukunftsforschers Horst W. Opaschow-
ski zurück: „Wir! – Warum Ichlinge
keine Zukunft mehr haben“. Sie be-
tonte, dass die Menschen Verlässlich-
keit, Vertrauen und Verantwortung
wieder deutlich mehr achten als in den
90er Jahren. Die Spaßgesellschaft
ließe eine neue Ernsthaftigkeit erken-
nen. Als Gründe nannte sie drei „re-
gelrechte Ohnmachtserfahrungen“ in
der ersten Dekade des 21. Jahrtau-
sends: die Finanzkrise, Fukushima und
die Anschläge vom 11. September 2001.
„Es haben sich die Vorzeichen geän-
dert. Dadurch rücken die Menschen
enger zusammen“, erklärte die Minis-
terpräsidentin.
Mit Verweis auf Psalm 8, einen der
Schöpfungspsalmen im Alten Testa-
ment, betonte die frühere Gemeinde-
pfarrerin: „Es geht nicht nur darum,
die sieben Taten der Barmherzigkeit
zu tun, nicht nur von der Bedürftigkeit,
sondern immer von den Potentialen
her zu denken, immer von dem her,
was in den Menschen steckt.“
Hannelore Kraft und Christine Lieberknecht zu Gast
Bad Oenhausen/Gronau
Thüringens Ministerpräsidentin zu Gast in Gronau: v.l. Gronaus stellv. Bürgermeister Rainer Doetkotte, Ressortleiter Reiner Breder, Christine
Lieberknecht, MdL Bernhard Tenhumberg, Prof. Dr. Dierk Starnitzke, Landrat Kai Zwicker, Geschäftsbereichsleiter Michael Bleiber und Arthur
Becker, Vorsitzender des Werkstattbeiratrates
„Keine Sonntagsreden am Mittwoch!“
Es macht Spaß, solche Menschen kennen zu lernen.
Anke
Mar
hold
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Wittekindshof
Durchb l i ck 2 -2012 17
Auszubildende und Mitarbeitende im
Ausbildungsrestaurant des Berufsbil-
dungswerkes (BBW) Wittekindshofes
nutzten den Besuch von Minister-
präsidentin Hannelore Kraft, um Or-
ganisationstalent und erlernte haus-
wirtschaftliche Fertigkeiten in dieser
besonderen Konstellation anzuwen-
den:
„Wir sollten ein paar Kleinigkeiten zum
Essen für den Besuch vorbereiten. Ich
habe solche Besuche schon öfter er-
lebt. Bei uns in der Schule war die
Schulministerin. Doof war nur das
Warten. Wir haben uns aufgeschrie-
ben, was wir sagen sollten beim Ser-
vieren.
Wir haben Obstspieße, kleine Piz-
zaecken, überbackene Tomate-Mozza-
rella, kleine Bratlinge vorbereitet – al-
les ohne Weizenmehl mit Reis- und
Maismehl. Die Honigtomaten haben
Frau Kraft am besten geschmeckt. “
Melissa Witkowski, 2. Ausbildungsjahr
Hauswirtschaftshelferin
„Ich dachte erst, nein, warum ich? Ich
habe gefragt, wer ist das denn? Ich
habe die noch nie im Fernsehen gese-
hen, aber auf den Wahlplakaten. Frau
Nagel, unsere Chefin, hat gesagt:
„Doch, doch, das trau ich Ihnen zu. Sie
packen das!“ Alle haben uns Mut ge-
macht: Ihr schafft das!
Dann haben wir eine geraucht –
dann kam sie. Im Endeffekt war das
gar nicht so schlecht und sie war ganz
nett. Jetzt können wir sagen: Hanne-
lore Kraft, ja die kennen wir, mit der
haben wir uns schon mal unterhal-
ten.“
Lisa Lockhausen, 2. Ausbildungsjahr
Hauswirtschaftshelferin
„Wir mussten mit den Platten reinge-
hen und sagen, was das ist. Ich war
total aufgeregt und am Zittern. Frau
Kraft hat gesagt, ich soll mich erst ein-
mal hinsetzen. Alle sollten sich hinset-
zen, die haben die Runde dann größer
gemacht. Im Gespräch ging es dann.
Aber ich wusste ja erst nicht, ob die
mich so nimmt, wie ich bin. Wir haben
ganz offen geredet. Ich habe gesagt,
dass ich froh bin, hier im BBW zu sein.
Ich war auf der Förderschule. Aus mei-
ner Klasse hat nur einer eine normale
Ausbildung gefunden.
Mein Bruder hat einen Schulab-
schluss und hat erst ein Soziales Jahr
gemacht und dann ganz viele Bewer-
bungen geschrieben, aber er hat trotz-
dem nichts gefunden. Jetzt arbeitet er
in einem Getränkemarkt. Er hat soviel
getan, aber mit einer Ausbildung hat
es nicht geklappt. Herr Rahe (Mitglied
des Landtages, die Redaktion) hat mir
seine Karte gegeben und gesagt, dass
er ihn unterstützen will.
Wir Förderkinder werden sonst so
abgestempelt. Auch wenn wir zum Bei-
spiel mit dem Bus zur Berufsschule
fahren. Ich finde das nicht gut. Wir ma-
chen doch auch richtige Arbeit. Ich
muss auch am Wochenende arbeiten.
Wenn wir Praktikum machen im Alten-
heim oder in einer Klinik, bekommen
wir auch gute Beurteilungen. Hier im
BBW wird uns nun mehr gezeigt und
wir haben mehr Zeit. Die Schüler im
Bus sagen: Ach, die vom Wittekindshof!
Warum sollen die Förderschulen ge-
schlossen werden? Es gibt doch uns
Förderkinder! Frau Kraft hat jeden von
uns reden lassen und wirklich zugehört.
Es macht Spaß, solche Menschen
kennen zu lernen. Wenn nächstes Mal
wieder Hilfe nötig ist, mache ich das
gerne!“
Anna-Lena Koke, 1. Ausbildungsjahr
Beiköchin
Es macht Spaß, solche Menschen kennen zu lernen.
Hannelore Kraft aus Sicht von BBW-Auszubildenden
Hannelore Kraft beim Wunschfototermin mit den Auszubildenden im Wittekindshofer KIZ Volmerdingsen: v.l. Hauswirtschaftsleiterin Bianka Nagel, Lisa Lockhausen, Anna-Lena Koke,
Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Melissa Witkowski, Ilker Bayram und Gülistan Agushi
Klau
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Wittekindshof
1 8 Durchb l i ck 2 -2012
Spezielle Förderermöglichkeit bei Autismus
Was ist Autismus? Und was hat Autis-
mus mit der Arbeit im Wittekindshof zu
tun? Melanie Selberg, Diplom-Pädago-
gin und Expertin für diese Themen,
weist zunächst auf die Vielfalt an Er-
scheinungsformen hin, die ihr bei ihrer
beruflichen Befassung mit Autismus
begegnen.
„Wir sprechen heute besser von
Autismus-Spektrum-Störungen – ab-
gekürzt ASS – um das ganze Thema zu
erfassen.“ Dabei sind die Diagnosen
unterteilt in frühkindlichen Autismus,
den atypischen Autismus und das As-
perger-Syndrom. Allerdings gibt das
noch keine Auskunft über den konkre-
ten Förderbedarf. Gemeint ist damit die
Vielfalt möglicher Verhaltensweisen,
die dazu führen können, dass das Mit-
einander in einer Gruppe oder einer
Familie erschwert wird. „Wir leben in
sozialen Kontexten, in denen bestimmte
Verhaltensweisen vorausgesetzt wer-
den“, sagt Melanie Selberg: „Häufig ist
dieser Kontext für den Betroffenen aber
nicht eindeutig – und dann verhält er
sich anders, als man es in einer ver-
meintlich eindeutigen Situation erwar-
ten würde. Dieses Verhalten führt häu-
fig auch bei erfahrenen Mitarbeitern
zu Ratlosigkeit – und bringt Eltern und
Familienangehörige an ihre Grenzen.“
Besonders herausfordernde Verhaltens-
weisen oder scheinbare Teilnahmslo-
sigkeit fordern die Mitmenschen stark.
„Trotz langer Erfahrung, wir lernen noch dazu“Intern, also innerhalb der Diakoni-
schen Stiftung, gibt es die Autismus-
ambulanz, wie sie derzeit besteht, seit
ca. drei Jahren. „Die Erfahrungen in
der praktischen Arbeit reichen aller-
dings weiter zurück, so dass ich per-
sönlich hier schon auf zehn Jahre Be-
rufserfahrung mit dem autistischen
Spektrum komme“, bilanziert Melanie
Selberg, um sogleich zu ergänzen:
„Wir lernen aber immer noch dazu!“
Als Beispiel für eine Autismus-Spek-
trum-Störung, wie sie durchaus in einer
Familie auftreten kann, beschreibt sie
einen Vorgang aus ihrer Berufspraxis:
„Es ist eine wiederkehrende Situation
am Abend! Der Junge geht ungern ins
Bett. Jeden Abend – ohne Ausnahme
– fängt er an zu weinen, sobald die
Mutter das Zimmer betritt. Bei Körper-
kontakt schlägt er nach ihr. Meistens
verbringt die Mutter zwei Stunden da-
mit, bis der Junge schläft.“
Wie kann eine Autismusambulanz
in solch einer Situation helfen? „Hier
wäre der erste Ansatz die teilneh-
mende Beobachtung durch erfahrene
Mitarbeiter, eventuell auch mit Auf-
zeichnung einer Videosequenz. Daran
schließt sich eine Analyse an: Was geht
der geschilderten Situation voraus?
Wie erfährt der Junge das Anliegen
seiner Mutter? Versteht er überhaupt,
was von ihm erwartet wird? Meint er
vielleicht, das Zu-Bett-gehen sei Teil
seines Spielens? Vielleicht gelingt es
aber auch der Mutter nicht, deutlich
genug zu machen, welches Verhalten
sie von ihrem Kind in dieser konkreten
Situation erwartet.“
Verständnis und Fachwissen bringen weiterEin Schritt in die richtige Richtung
könnte das gegenseitige Verstehen
sein. Dazu kann Fachwissen einen Bei-
trag leisten: Sobald die Mutter erkennt,
dass ihr der Junge nicht wehtun will –
sondern dass sein Schlagen in dieser
Situation eine Form der Kommunika-
tion darstellen kann – hat sie die Mög-
lichkeit, gelassener darauf zu reagie-
ren. Natürlich reicht Beratung allein
nicht aus! Die Strukturierung und Vi-
sualisierung der Situation eröffnet
beispielsweise weitergehende metho-
dische Möglichkeiten. Im konkreten Fall
stellt sich die Frage, wie man Zeit deut-
lich macht, wenn jemand die Uhr noch
nicht kennt. Melanie Selberg und die
anderen Mitarbeiter aus der Autismu-
sambulanz könnten es beispielsweise
mit Bildern versuchen, die das Zu-Bett-
gehen anzeigen, oder mit einer Sand-
uhr, die das Ende des Spielens mar-
kiert, sobald der Sand durchgelaufen
ist. Aber auch der Junge könnte sein
Befinden mit Hilfe von Symbolik ver-
deutlichen – etwa mit bunten Kommu-
nikationskarten. Rot würde dann be-
deuten: „Mama, ich bin soweit!“,
während die grüne Farbe besagt:
„Mama, jetzt noch nicht. Ich will noch
spielen!“
Die grüne Karte: „Mama, ich möchte noch spielen!“
In einer Fachkonzeption sind die Grundzüge für die Beratung bei Autismus-Spektrum-Störungen verbindlich geregelt: ...
„Autismus-Spektrum-Störungen führen dazu, dass das Miteinander erschwert wird. Jemand verhält sich anders als erwartet.“
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Wittekindshof
Durchb l i ck 2 -2012 19
In einer Fachkonzeption sind die Grundzüge für die Beratung bei Autismus-Spektrum-Störungen verbindlich geregelt: ...
Alles in allem habe man in der Di-
akonischen Stiftung Wittekindshof mit
den Möglichkeiten des TEACCH-Pro-
grammes langjährige und gute Erfah-
rungen. Die Abkürzung steht für
„Treatment and Education of Autistic
and related Communication handicap-
ped Children“, was auf Deutsch in etwa
heißt: „Behandlung und pädagogische
Förderung autistischer und in ähnli-
cher Weise kommunikationsbehinder-
ter Kinder“. TEACCH ist die Methode,
die sich bei der internen Unterstützung
von Menschen mit ASS im Wittekinds-
hof bewährt hat, so Melanie Selberg:
„Ergänzend zu TEACCH nutzen wir ein
breites Spektrum an weiteren verhal-
tenstherapeutischen Methoden.“
In der Wittekindshofer Autismusam-
bulanz ist man sich bewusst darüber,
dass sich die intern gemachten Erfah-
rungen mitunter von externen Angebo-
ten für Familien und externe Bezugs-
gruppen unterscheiden. Während in-
tern Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
beraten werden, die abends alles hinter
sich lassen können, hat die Zusammen-
arbeit mit externen Bezugspersonen
ihre eigene Dynamik. „Dennoch wird
intern wie extern mit einem systemi-
schen Ansatz gearbeitet. Dabei ist es
uns wichtig, dass unsere Arbeit im Sys-
tem des Betroffenen stattfindet. Wir
fahren also ins häusliche Umfeld oder
in Kindertagesstätten und Schulen.“
Die Grundzüge für die Beratung bei
Autismus-Spektrum-Störungen sind in
der Diakonischen Stiftung Wittekinds-
hof in einer Fachkonzeption verbindlich
geregelt. Dort heißt es: „Ausgangs-
punkt aller Angebote für Menschen mit
Autismus-Spektrum-Störungen ist im-
mer die einzelne Person mit ihren in-
dividuellen Problemen“. Ob und inwie-
weit Beratungsangebote erfolgreich
gestaltet werden können, hängt aber
nicht in erster Linie von Konzeptionen
oder Methoden ab: „Entscheidend für
das Gelingen ist jedoch letztlich die
Kompetenz und die Bereitschaft aller
an der Betreuung Beteiligten …“.
Ergänzend zum Wittekindshofer An-
gebot der Interdisziplinären Frühförde-
rung (IFF) ist es nun möglich, nach ge-
sicherter Diagnose Kindern und Jugend-
lichen eine gezielte autismusspezifische
Förderung auch ambulant anzubieten.
Vernetzung und fachliche Weiterbildung
sind also auch hier Stichworte, die das
neue Angebot zur Regionalversorgung
im Kreis Minden-Lübbecke kennzeich-
nen. Damit dies weiter bekannt wird,
werden seitens der Autismusambulanz
auch Fortbildungsveranstaltungen an-
geboten. Das Thema hat öffentliches
Interesse verdient.
Auskünfte zu den Aktivitäten der Autismusambulanz:
Diakonische Stiftung Wittekindshof
Therapeutische Dienste
Dr.-Klevinghaus-Straße 17
32549 Bad Oeynhausen
Telefon (0 57 34) 61-22 50
E-Mail-Adresse:
... Danach steht immer die einzelne Person mit ihren individuellen Problemen im Mittelpunkt
Wittekindshof
2 0 Durchb l i ck 2 -2012
Fünf Jahre Wittekindshof in Hamm und im Kreis Warendorf
Region West
Wohnangebote für Menschen mit
geistiger Behinderung sind in Westfa-
len ungleich verteilt. Viele Teile des
Ruhrgebietes sind unterversorgt, wäh-
rend in Kreisen und Städten, in denen
große Komplexanbieter wie der Witte-
kindshof vertreten sind, überdurch-
schnittlich viele Angebote zu finden
sind. „Der Ausbau ambulanter und
wohnortnaher Angebote, die Wunsch-
und Wahlfreiheit ermöglichen, sind
zentrale Grundsätze in der Weiterent-
wicklung der Wittekindshofer Ange-
bote“, erklärt Diakon Uwe Thünemann,
Ressortleiter Wohnen und Regionali-
sierung.
In Verhandlungen mit dem Land-
schaftsverband Westfalen-Lippe wurde
deswegen festgelegt, dass der Witte-
kindshof zukünftig neue Standorte in
unterversorgten Regionen aufbaut.
Dazu gehören auch Hamm und der
Kreis Warendorf. Die Stadt Hamm
zeichnet sich durch einen hohen Anteil
an Menschen mit Migrationshinter-
grund, hohe Arbeitslosigkeit und einen
Strukturwandel nach Schließung aller
vier Zechen aus. Der Wittekindshof hat
deswegen schon früh eine türkisch-
sprachige Mitarbeiterin angestellt und
Informationsmaterial über das Ambu-
lant Unterstützte Wohnen ins Türkische
übersetzt. Mittlerweile arbeiten auch
zwei Muslima im Team der ambulan-
ten Angebote.
Klinkenputzen und NetzwerkaufbauKlinkenputzen und Kontakte knüpfen
in Schulen, auf Wochenmärkten und bei
fachspezifischen Veranstaltungen waren
erste Schritte, um einen neuen Witte-
kindshofer Standort aufzubauen. „Auf
Initiative des Wittekindshofes haben in
Hamm die rund zehn Träger der Ein-
gliederungshilfe im April 2007 eine
Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft
(PSAG) mit Fachschwerpunkt Men-
schen mit geistiger Behinderung ge-
gründet, die seitdem wichtige Netz-
werkfunktion übernimmt“, erinnert
sich die stellvertretende Geschäftsbe-
reichsleitung Monika Hubert, eine
erfahrene Mitarbeiterin aus dem Wit-
tekindshof Gronau, die nach Hamm
gewechselt ist und die Angebote fast
von Anfang an mitentwickelt und auf-
gebaut hat.
Trotz großer Kooperationsbereit-
schaft mit den vor Ort vorhandenen
Diensten und Einrichtungen wurden in
der Praxis quantitative und qualitative
Grenzen deutlich. Beispielsweise war
die Förderschule bereits überbelegt,
als neue Schülerinnen und Schüler aus
den Wittekindshofer Wohngruppen
hinzu kamen. Vor allem für Kinder und
Jugendliche mit intensiv herausfor-
derndem Verhalten konnte die Schule
kaum angemessene Rahmenbedin-
gungen bieten. Die heilpädagogische
und psychologische Begleitung wurde
zunächst durch Spezialisten vor Ort
wahrgenommen. Es hat sich aber ge-
zeigt, dass der hohe Bedarf nur durch
zusätzliche Mitarbeiterqualifikation
und einen eigenen Fachdienst sicher-
gestellt werden kann.
Ambulante AngeboteAnfang 2006 wurden Räumlichkeiten
für ein Kontakt- und Informationszen-
trum (KIZ) in zentraler Innenstadtlage
gesucht. Im September 2006 konnte
das KIZ in der Ostenallee eröffnet wer-
den. Eine grundlegende Funktion des
KIZ war die Förderung des Ambulant
Unterstützten Wohnens. Für die ersten
vier Klienten konnten noch 2006 Hilfean-
tragsverfahren eingeleitet werden. Mitt-
lerweile nutzen 14 Frauen und Männer
mit geistiger Behinderung und 18 Kli-
entinnen und Klienten mit psychischer
Behinderung das Ambulant Unter-
stützte Wohnen in Hamm/Warendorf.
Aufgrund konkreter Nachfragen
wurden 2008 erstmals die Begleitete
Elternschaft und die Heilpädagogische
Familienhilfe angeboten. Beides sind
ambulante Angebote in Familien mit
behinderten Kindern oder für Eltern
mit Behinderung. Außerdem werden
seit 2012 zwei Personen im Betreuten
Wohnen in Gastfamilien unterstützt.
Kontakt- und InformationszentrumIm KIZ wurden offene Treffpunkte, Bil-
dungsangebote für Menschen mit Be-
hinderung, Kurse, Gruppen sowie Be-
ratung und Information angeboten. Das
KIZ-Team hat sich bei den Ferienspielen
der Stadt Hamm engagiert, daraus hat
sich ein fester Treffpunkt für Kinder und
Jugendliche mit Behinderung im KIZ
entwickelt. Anfang 2012 haben wö-
chentlich 35 Personen an vier verschie-
denen Angeboten im KIZ teilgenom-
men. Hinzu kommen Gastgruppen.
Stationäre Wohnangebote für Kinder und JugendlicheVon Anfang an geplant war auch der
Bau eines Wohnhauses. Als Zielgruppe
waren zunächst Kinder, Jugendliche
In Hamm fehlte es an Wohnangeboten für Kinder und Jugendliche.
„Wunsch- und Wahlfreiheit möglich zu machen, sind Grundsätze bei der Weiterentwicklung unserer Angebote.“
Wittekindshof
Durchb l i ck 2 -2012 2 1
und Erwachsene im Blick. Vor Ort ist
deutlich geworden, dass vor allem für
Kinder und Jugendliche Wohnange-
bote gesucht werden mussten, so dass
das Angebot entsprechend angepasst
wurde. Im Stadtteil Heesen wurde ein
passendes Grundstück gefunden. Bau-
beginn war Ende Juni 2009. Der
Grundstein wurde am 20. August ge-
legt. Dabei waren Kinder und Jugend-
liche aus dem Wohnhaus Schleswig-
straße, von denen einige später in den
Neubau umziehen sollten.
Da dringend Wohnangebote für
Kinder und Jugendliche mit Behinde-
rung gesucht wurden, wurden schon
vor Baubeginn erste Gespräche mit der
Hammer Gemeinnützigen Baugesell-
schaft geführt. In der Schleswigstraße
konnte im Dezember 2008 und in der
Schumannstraße im April 2010 jeweils
ein frisch renoviertes Wohnhaus ge-
mietet werden. Das Kinder- und Ju-
gendhaus in der Schumannstraße ist
ein Angebot der stationären Jugend-
hilfe, die übrigen Häuser bieten Un-
terstützung im Rahmen der Eingliede-
rungshilfe – auch Kurzzeitwohnen ist
möglich. Die Zielgruppen sind ähnlich:
Kinder und Jugendliche mit Behinde-
rung und in der Regel mit hohem Un-
terstützungsbedarf im sozialen Bereich.
Nur gut vier Monate nach der Er-
öffnung des Wohnhauses Schumann-
straße wurde Mitte August 2010 der
Neubau in der Sulkshege bezogen. Die
24 Einzelzimmer sind in sechs Kleinst-
gruppen aufgeteilt. Eine Gruppe wird
als Heilpädagogischer Intensivbereich
(HPI) für Kinder und Jugendliche mit
intensiv herausforderndem Verhalten
geführt; hinzu kommen zwei weitere
HPI-Plätze in Regelwohngruppen.
Fach- und Erfahrungswissen„Insbesondere die Arbeit im Heilpäd-
agogischen Intensivbereich hat gezeigt,
dass es nicht einfach ist, Fachwissen
und Konzepte vom Gründungsgelände
an neue Standorte zu exportieren. Je
spezieller die Angebote, desto höher
die Anforderungen und desto mehr
Erfahrungswissen seitens unserer Mit-
arbeitenden und Kooperationspartner
im pädagogischen, medizinischen,
therapeutischen und psychologischen
Bereich wird gebraucht“, erinnert sich
Dr. Christina Heinrich, die ehemalige
Leiterin des Fachdienstes und jetzige
stellvertretende Ressortleiterin. Sie hat
die Mitarbeitenden in Hamm intensiv
geschult und begleitet, bis sich die
Angebote stabilisiert hatten, und steht
den Experten vor Ort bei Bedarf auch
weiterhin beratend zur Seite.
Rückblick und AusblickAnlässlich eines Gottesdienstes zum
5-jährigen Bestehen des Wittekinds-
hofes Hamm/Warendorf erklärte Bür-
germeisterin Ulrike Wäsche, die Mit-
glied im Ausschuss für Soziales,
Gesundheit und Integration der Stadt
Hamm ist, dass sich der Wittekindshof
zu einer festen Größe entwickelt habe
und insbesondere mit den Angeboten
für Kinder und Jugendliche Versor-
gungslücken geschlossen worden sein.
In der Planung für die nächsten
Jahre liegen Schwerpunkte im Ausbau
der ambulanten Angebote und fließen-
der Übergänge zwischen verschiede-
nen Unterstützungsformen, aber auch
die Weiterentwicklung des Kontakt-
und Informationszentrums als Treff-
punkt für Kinder, Jugendliche und
Erwachsene mit und ohne Behinde-
rung.
Fachwissen und Erfahrung sind die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Miteinander von Klienten und Mitarbeiterschaft.
Das Wittekindshofer Wohnhaus in der
Schumannstraße, bezogen im April 2010
Anke
Mar
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Wittekindshof
2 2 Durchb l i ck 2 -2012
Durchblick: Herr Thünemann, die Kon-
takt- und Informationszentren (KIZ) der
Diakonischen Stiftung haben sich zum
festen Bestandteil Wittekindhofer An-
gebote entwickelt. Das jüngste Pro-
grammheft weist in den Kreisen Min-
den-Lübbecke und Herford sieben
dieser Begegnungsstätten aus und
umfasst 60 Seiten mit unterschiedli-
chen Veranstaltungen. Welche Grund-
idee stand denn am Beginn dieser
Begegnungsangebote?
Uwe Thünemann: Mit den Kontakt- und
Informationszentren haben wir gleich
mehrere Ziele verfolgt: Wir wollten da-
mit den Prozess der Dezentralisierung
von ambulanten und stationären
Wohnangeboten in den Städten und
Regionen unterstützen. Das sollte durch
Begegnungsstätten geschehen, wo
Menschen mit und ohne Behinderung
einander treffen und ihre Freizeit ge-
stalten können. Und dann wollten wir
auch, dass dort Menschen mit und ohne
Behinderungen bedarfsgerecht beraten
und informiert werden, wenn sie das
möchten.
D: Gab es dafür Vorbilder, oder sind
die Kontakt- und Informationszentren
eine Wittekindshofer Erfindung?
Th: Man kann dabei schon – und auch
ein bisschen stolz – von einer Witte-
kindshofer Erfindung sprechen. Natür-
lich gab es in verschiedenen Einrich-
tungen schon eine ganze Anzahl klas-
sischer Beratungsstätten. Doch wer
geht schon in eine Beratungsstelle,
wenn er seine Freizeit verbringen
möchte? Wir haben uns bei den Pla-
nungen stark von den Wünschen der
Klienten leiten lassen: Ein KIZ sollte
einladend sein wie ein schönes Café
oder eine gemütliche Kneipe! Es darf
auf keinen Fall nach Behindertenein-
richtung aussehen! Schließlich will
man seine Freundinnen und Freunde
mitbringen und neue Menschen ken-
nenlernen. Die Besucher möchten Spaß
haben und mit anderen etwas unter-
nehmen. Und es sollte jemand da sein,
der Information und Hilfen geben kann.
All diese Überlegungen fließen ein,
wenn ein KIZ aufgebaut wird – und das
gelingt uns ziemlich gut, denke ich.
D: Zusammen mit der Westregion –
also Gronau, Hamm und Herne – steht
nun die Zahl zehn im Raum. Haben Sie
mit dieser schnellen Entwicklung von
Anfang an gerechnet?
Th: Ich glaube, es hat sich am Anfang
niemand vorstellen können, dass wir
nach verhältnismäßig kurzer Zeit un-
ser zehntes KIZ einweihen können.
Aber nun ist das so – und das zeigt,
dass diese Begegnungs- und Bera-
tungsangebote eine wichtiger Bau-
stein in der Wittekindshofer Angebots-
palette für Menschen mit und ohne
Behinderung sind.
D: Gelingt dieses Miteinander von
Menschen mit und ohne Behinderung
wirklich? Oder sind die KIZ doch eher
ein Treffpunkt für Menschen aus dem
Wittekindshof?
Th: Dazu möchte ich gerne mal aus
dem Handlungsleitenden Bild der Stif-
tung zitieren: „Wir wollen den Mitglie-
dern der Gesellschaft konkrete Wege
zeigen, wie sich die Gesellschaft für
die Teilhabe (Inklusion) der Menschen
mit Behinderung öffnen kann, begin-
nend mit der Einbeziehung in gesell-
schaftliche Aktivitäten und Institutio-
nen. Hierzu machen wir auch Ange-
bote, die Menschen mit und ohne
Behinderung gemeinsam nutzen
können.“ Bei attraktiven Veranstaltun-
gen, wenn beispielsweise am Sonn-
abend die Bundesliga übertragen
wird, gibt es oft keinen freien Platz
mehr – und die Fans unterscheiden
nicht zwischen behindert und nicht
behindert. Da ist dann ein KIZ ein ganz
konkreter Weg, der in eine inklusive
Gesellschaft führt.
D: Wo sehen Sie denn künftig noch
Bedarf für Nachbesserungen und neue
Perspektiven?
Th: Ich habe schon den Eindruck, dass
die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
bei der Umsetzung der KIZ-Idee genau
hinhören, was denn die Wünsche der
Menschen sind: was sie möchten und
was nicht. Das gilt auch für die ständig
erfolgende Weiterentwicklung. Kon-
kreten Nachbesserungsbedarf sehen
wir in den Kontakt- und Informations-
zentren in den Städten Hamm und
Herne. Dort hat es in der jeweiligen
Startphase noch etwas andere Schwer-
punktsetzungen gegeben. Künftig soll
es auch dort ein gastronomisches An-
gebot geben. Leider wird es dann mit
dem Raumangebot recht eng. Aber wir
halten schon Ausschau nach neuen
attraktiven Standorten im innerstädti-
schen Bereich. Dort werden dann auch
Räumlichkeiten für unsere Geschäfts-
stellen entstehen.
Das Leitmotiv Inklusion hat in der Diakonischen Stiftung Wittekindshof einen hohen Stellenwert. Doch wo findet das
heute bereits statt, dass Menschen mit und ohne Behinderungen einander ‚auf Augenhöhe’ begegnen können? Uwe
Thünemann, Ressortleiter für Unterstütztes Wohnen, sieht dabei die Wittekindshofer Kontakt- und Informationszentren
auf einem guten Weg. Für den „Durchblick“ stellte Klaus Schuhmacher die Fragen und erfuhr dabei, weshalb aus einem
Wasserschaden vielleicht doch noch ein Glücksfall werden kann.
Ein Weg, der in eine inklusive Gesellschaft führt
Kontakt- und Informationszentren
Die zehn Kontakt- und Informationszentren der Diakonischen Stiftung Wittekindshof
• Gronau/Westfalen, eröffnet 2005
• Bad Oeynhausen, eröffnet 2006
• Herne, eröffnet 2006
• Hamm, eröffnet 2006
• Enger, eröffnet 2007
• Vlotho, eröffnet 2008
• Lübbecke, eröffnet 2009
• Volmerdingsen, eröffnet 2009
• Minden, eröffnet 2011 (wegen
Wasserschadens derzeit ge-
schlossen)
• Bünde, eröffnet 2011
Gemeinsamkeit wird im KIZ großgeschrieben: egal ob beim Fernsehen oder bei Mitmach-
Angeboten, zu denen alle eingeladen sind.
Wittekindshof
Durchb l i ck 2 -2012 2 3
D: Es war immer schwierig, eine lang-
fristige Finanzierungsperspektive für
die Kontakt- und Informationszentren
zu erschließen. Ist es hier gelungen,
die Refinanzierung dieser Arbeit zu
sichern?
Th: Die „Aktion Mensch“ hat im Rah-
men ihres Förderprogrammes die
Aufbauarbeit sehr unterstützt. Dafür
sind wir sehr dankbar! Aber dieses
Programm ist nun leider ausgelaufen.
Die Arbeit bleibt jedoch auf solche
Förder- und Unterstützungsprogramme
angewiesen. Wir sind uns aber auch
bewusst, dass eine solche Arbeit zur-
zeit nicht kostendeckend zu organisie-
ren ist. So sind wir froh darüber, dass
unsere Arbeit auch über Spenden fi-
nanziert wird. Dankbar sind wir aber
auch für die Menschen, die unsere
KIZ-Angebote ehrenamtlich unterstüt-
zen. Das ist eine gute Investition für
eine inklusive Gesellschaft.
D: In dem Kontakt- und Informations-
zentrum in Minden hat es Schwierig-
keiten mit dem Mietobjekt gegeben.
Wie geht es dort nun mit dieser Arbeit
weiter?
Th: Unser KIZ in Minden heißt ja „Café
Klee“. Man könnte meinen, der Name
hat uns kein Glück gebracht! Aber viel-
leicht wird der Wasserschaden am
Ende doch noch zum Glücksfall? Wir
haben nämlich in der Mindener Kö-
nigstraße ein sehr attraktives neues
Objekt gefunden. Und nicht nur das:
Wir werden das KIZ künftig gemein-
sam mit der Diakonie Stiftung Salem
betreiben. Wir freuen uns schon auf
die Zusammenarbeit mit diesem kom-
petenten Partner. Im Herbst geht es
dann wieder los.
D: Es hat immer wieder den Versuch
gegeben, andere soziale Gruppen an
der Arbeit in den Kontakt- und Infor-
mationszentren zu beteiligen. Welche
Synergien konnten damit erreicht wer-
den?
Th: Von "Versuchen" kann man eigent-
lich nicht sprechen. Die KIZ-Arbeit ist
auch Netzwerkarbeit – und zwar ge-
nerationenübergreifend. So sind aus
Begegnungen Kooperationen entstan-
den, aus Kooperationen Freundschaf-
ten und Partnerschaften. Es sind Grup-
pen und Personen aus Kirche und
Diakonie, aus der Politik, aus anderen
sozialen Einrichtungen oder auch Ver-
eine, mit denen wir direkt oder indi-
rekt in diesen Kontexten zusammen-
arbeiten. Das geht vom PC-Kurs für
Senioren über Fraktionssitzungen bis
zu Kultur- und Vereinstreffen sowie
Schul- oder Volkshochschulkursen. Ich
schätze mal, dass man auf über hun-
dert Gruppierungen kommt, wenn
man alle auflisten wollte.
D: Wo geht die Reise der Wittekinds-
hofer Kontakt- und Informationszent-
ren in den nächsten Jahren hin?
Th: Vielleicht haben wir dann einmal
das Dutzend voll! Aber ich denke, dann
ist die Diakonische Stiftung mit diesen
Angeboten überall gut aufgestellt und
vernetzt. Zurzeit bauen wir weitere
Arbeitsplätze für Menschen mit Behin-
derungen in den KIZen auf. Das ge-
schieht mit Unterstützung unserer
Werkstätten und Werkstätten anderer
Träger, mit denen wir zusammen-
arbeiten. Es handelt sich dabei um
sehr attraktive Arbeitsplätze, die bei
den jungen Leuten sehr begehrt sind.
Auf jeden Fall aber gehen wir den Weg
in Richtung auf eine inklusive Gesell-
schaft mit unseren Kontakt- und Infor-
mationszentren konsequent weiter.
Typisch KIZ!Die Diakonische Stiftung Wittekindshof unterhält in verschiedenen Städten
Kontakt- und Informationszentren (KIZ). Jedes KIZ hat seinen eigenen
Charakter. Einige Merkmale treffen auf nahezu alle Standorte zu:
• zentrale und gut erreichbare Lage
• moderne und gemütliche Räume
• Treffpunkt für Menschen mit und ohne Behinderungen
• Imbiss und Getränke
• Sportübertragungen auf Großbildleinwand
• Freizeitangebote für Menschen mit Behinderungen (Kreatives Gestalten,
Ausflüge, Spiele, Musik u.a.)
• Bildungsangebote für Menschen mit Behinderungen
• regelmäßige Gruppenangebote
• Informationen und allgemeine Beratung zum Thema Behinderung
Ein Café, in dem man ungestört spielen kann, was man möchte – auch Fußball auf dem Tisch.
Anke
Mar
hold
t
Verantwortet die KIZ-Idee:
Ressortleiter Uwe Thünemann
Wittekindshof
2 4 Durchb l i ck 2 -2012
„...da war ich mir sicher!“
Westfälische Pflegefamilie
„Geschafft, die Kinder sind aus dem
Haus, haben eine gute Ausbildung und
stehen auf eigenen Füßen. Jetzt kön-
nen wir das Leben genießen.“ Volker
Schneider kann sich noch sehr genau
an dieses Gefühl erinnern und fing an,
Pläne zu schmieden. Er gibt zu, dass
es ihn damals genervt habe, als seine
Frau von einem Pflegekind gesprochen
hat. „Als unsere eigenen Kinder noch
klein waren, war das schon einmal ein
Thema. Aber man hört so viel über
Pflegekinder… Wir hatten uns dagegen
entschieden“, berichtet der selbstän-
dige Masseur. Vor gut einem Jahr ist
er dann doch mit seiner Frau zum Ju-
gendamt gegangen. „Ich wollte ihr
den Gefallen tun und war überzeugt,
dass spätestens unser Alter ein Hinde-
rungsgrund ist.“
Aber es kam ganz anders. „Die Mit-
arbeiterin vom Jugendamt hat uns von
Anfang an die rosarote Brille abge-
nommen. Das hat mich absolut über-
zeugt. Sie hat nicht nur die schönen
Seiten angesprochen, sondern auch
Herausforderungen und Schwierigkei-
ten“, berichtet Volker Schneider, der
sich nach mehreren Gesprächen im-
mer besser vorstellen konnte, ein Kind
aufzunehmen. Das Alter von Ehepaar
Schneider war kein Problem: „Das Al-
ter ist nur ein Kriterium. In diesem Fall
haben wir eine Familie mit Erfahrung
gesucht, die auch bereit ist, den Kon-
takt zur leiblichen Mutter zu gestal-
ten“, berichtet Kerstin Krohn, die in der
Diakonischen Stiftung Wittekindshof
Westfälische Pflegefamilien auf ihre
neuen Aufgaben vorbereitet, vermittelt
und später begleitet und berät.
Im letzten September kam dann
der Anruf vom Jugendamt: „Es hat sich
gut angehört. Die leibliche Mutter
wünscht sich selbst eine Pflegefamilie
für ihren Sohn, weil sie erkannt hatte,
dass sie ihrem Sohn nicht alles geben
kann, was er braucht“, erinnert sich
Volker Schneider. Beim Telefonat habe
er dann doch zweimal schlucken müs-
sen, als er hörte, dass das Kind behin-
dert sei. „In der Vorbereitungsphase
hatten wir die Frage nach einem be-
hinderten Kind außen vor gelassen.
Jetzt hat es sich angefühlt, als wenn
man schwanger ist und erfährt, dass
etwas mit dem Kind nicht in Ordnung
ist“, berichtet Volker Schneider.
Der Anruf vom Jugendamt kam di-
rekt vor einer Urlaubswoche. Ehepaar
Schneider hat die Zeit zum Reden auch
mit Freunden und Bekannten genutzt.
Bei der Vorstellung, ein behindertes
Kind aufzunehmen, fühlten sich
Schneiders überfordert. Deswegen
hatten sie den Termin im Jugendamt
zunächst abgesagt. Aber sie wollten
den kleinen Jungen kennenlernen und
sind trotzdem hingegangen. „Wir ha-
ben ein Bild von Maurice gesehen und
mehr erfahren und dann doch einen
Besuch verabredet. Als ich beim Aus-
steigen aus dem Auto zum ersten Mal
seine Augen gesehen habe, war ich
mir 102-prozentig sicher“, erinnert
Maurice hat bei Schneiders ein neues Zuhause gefunden: Zusammen sind sie eine Westfälische Pflegefamilie.
Ihre Meinung
Anke
Mar
hold
t
Wittekindshof
Familienpflege:Der Wittekindshof vermittelt Pflegekinder und begleitet
Pflegefamilien, um Kindern und Jugendlichen mit
Behinderung eine Alternative zu stationären Wohnange-
boten zu bieten.
Seit vielen Jahren bewährt sich das Betreute Wohnen in
Gastfamilien für Erwachsene. Das Familienpflegeteam
sucht weiterhin Familien, Paare und Einzelpersonen,
die bereit sind, ein Pflegekind oder einen Gast aufzu-
nehmen.
Kontakt: Diakonische Stiftung
Wittekindshof, Kerstin Krohn,
Tel.: (05734) 61-1555,
Informationsveranstaltungen:Das Familienpflegteam bietet Informationsveranstal-
tungen rund um das Thema Westfälische Pflegefamilien
und Betreutes Wohnen in Gastfamilien an.
Termine:
Dienstag, 31. Juli und 4. September, jeweils 19 Uhr
im Kontakt- und Informationszentrum Volmerdingsen,
Zum Dorfplatz 2, 32549 Bad Oeynhausen.
Ihre Meinung
Leserbrief
Mit Interesse habe ich den „Durch-
blick“ gelesen. Durch die Beiträge
kann ich den Weg des Wittekindshofes
zum Teil mit verfolgen. Besonders gut
gefällt mir der Abschnitt: Was macht
eigentlich ... ? Hier zeigen sich die
Früchte der Inklusion, die allerdings
damals noch nicht so hieß. Allein der
gesunde Menschenverstand führte
dazu, Max und Andrea diese Chance
zu geben.
Im Mittelteil vermisse ich jedoch
einen Hinweis auf die offizielle Ver-
abschiedung von ehemaligen Mitar-
beiterinnen und Mitarbeitern. Ein Bild
mit einem kurzen Text dazu kann doch
wohl nicht den redaktionellen Rah-
men sprengen – oder sind es ehema-
lige Mitarbeiter nicht mehr wert, er-
wähnt zu werden?
Brigitte Schaub, Bad Oeynhausen
Danke für diesen gelungenen
Durchblick! Der Geschäftsbereich 5
(Bethanien) gratuliert zu der letzten
Ausgabe des „Durchblick“. Eine sehr
gelungene und „fesselnde Aufma-
chung“, finden wir.
Dieser Durchblick war in so man-
chen Gesprächen Thema – und die
Resonanz nur positiv.
Wir finden, das hat ein dickes Lob
verdient und freuen uns darüber hin-
aus auf die nächste Ausgabe.
Im Auftrag der Geschäftsbereichs-
leitung und der Mitarbeitenden im
Geschäftsbereich Wohnen 5.
Christiane Hagemeier
Wittekindshof, Volmerdingsen
Ihr Geschenk für eine alte Dame
Machen Sie mit!
Am 2. Mai – so steht es in den Do-
kumenten – ist sie 125 Jahre alt gewor-
den: die alte Dame Wittekindshof. Beim
Jahresfest hat es deshalb eigens eine
Ausstellung gegeben. Man konnte da-
bei vieles bestaunen, was es in alten
Zeiten so gegeben hat. Ein Torfbett (aus
Bethel geliehen. Danke!), altes Metall-
geschirr, eine frühe Maschine zum For-
men von Spekulatius, ein blauer Kittel,
wie ihn die Brüder früher im Dienst
trugen. „Das gibts ja gar nicht“, konnte
man junge Besucher verwundert sagen
hören. Und etliche Alte haben sich ein-
fach nur erinnert und den anderen er-
zählt, was früher noch so alles anders
war.
Einige Mitarbeiter und Angehörige
haben Briefe geschrieben und auf be-
sondere Begebenheiten hingewiesen
und Fotos mitgeschickt, die schon leicht
gelblich waren wegen des hohen Alters.
Kurzum – wir möchten es einfach
noch mal probieren und laden Sie ein
mitzumachen: Wenn Sie Erinnerungen
an den Wittekindshof haben, schreiben
Sie sie für uns auf. Auch vermeintliche
Kleinigkeiten sind uns wichtig. Wenn
Sie Fotos oder Gebrauchsgegenstände
aus vergangenen Wittekindshofer Zei-
ten zur Verfügung haben, lassen Sie es
uns bitte wissen. Die gute Resonanz auf
die historische Bearbeitung der Witte-
kindshofer Geschichte, aber auch das
beachtliche Interesse an der Ausstel-
lung zeigen, wie groß das Interesse am
Leben im Wittekindshof ist.
Wenn Sie den Wittekindshof unter-
stützen und beschenken möchten:
Diakonische Stiftung Wittekindshof
Öffentlichkeitsarbeit
Volmerdingsener Straße 149
32549 Bad Oeynhausen
sich der mittlerweile durch und durch
überzeugte Pflegevater.
Seit sieben Monaten lebt Maurice
in seiner neuen Familie. Kurz bevor er
dort ankam, hatte er gerade laufen
gelernt. Das ist deutlich sicherer ge-
worden. Seine Angst vor Wasser ist
verschwunden. Auch beim Sprechen
gibt es Fortschritte. „Das schönste ist,
dass eine Beziehung wächst“, freut
sich Christiane Schneider. Wie früher
ihre eigenen Kinder fängt auch Mau-
rice damit an, das Zähneputzen und
Anziehen am liebsten alleine zu ma-
chen. Und Staubsaugen und andere
Alltagsarbeiten möchte er genau wie
die Großen erledigen.
„Er ist unser Sonnenschein“, erklä-
ren Christiane und Volker Schneider,
die die Entscheidung für Maurice nicht
einen Tag bereut haben. Obwohl das
Ehepaar viel Erfahrung mit Kindern
hat, ist bei Maurice einiges anders. Sie
sind deswegen froh, dass sie alles mit
Kerstin Krohn besprechen und beraten
können. Die Sozialpädagogin unter-
stützt auch die Kontakte zur leiblichen
Mutter. „Vor kurzem haben wir zusam-
men Maurices vierten Geburtstag ge-
feiert. Es war auch für die leibliche
Mutter schön zu sehen, dass es ihrem
Sohn gut geht“, erklärt Kerstin Krohn.
Fragt man Volker Schneider, ob
ihm nicht doch etwas von der erhofften
Freiheit nach der Familienphase fehlt,
ist die Antwort eindeutig: „Nichts fehlt
mir. Wir geben viel, aber bekommen
auch sehr viel durch Maurice ge-
schenkt und freuen uns, dass unsere
Familie und Freunde Maurice wie ein
Familienmitglied annehmen.“
Wittekindshof
Christian Rüter ist neuer MAV-Vorsitzender
MAV
Christian Rüter ist neuer Vorsitzender
sowohl der Wittekindshofer Mitarbei-
tervertretung in der Region Ost als
auch der Gesamtmitarbeitervertretung
der Diakonischen Stiftung. Die Neu-
wahlen waren erforderlich geworden,
nachdem der bisherigen MAV-Vorsit-
zende, Diakon Dieter Thormann, zum
neuen Abteilungsleiter des Personal-
wesens bestimmt worden war. Nach-
dem die Wahlen im Februar bzw. im
März erfolgt waren, wurde zwischen-
zeitlich auch der Amtswechsel vollzo-
gen: Seit Anfang Mai ist Christian Rüter
in die Geschäftsstelle der Mitarbeiter-
vertretung in der Pfarrer-Krekeler-
Straße 27 auf dem Gründungsgelände
eingezogen, und Dieter Thormann ist,
bedingt durch seine Tätigkeit als Leiter
des Personalwesens, aus der Witte-
kindshofer MAV-Arbeit ausgeschieden.
Christian Rüter, der neue Vorsit-
zende, ist 37 Jahre alt und in Bünde
wohnhaft. In der Diakonischen Stiftung
arbeitete er zuletzt als Bereichsleiter
im Ambulant Unterstützten Wohnen im
Geschäftsbereich Wohnen II (SoLe).
Nach seiner Schulausbildung hat er
zunächst den Beruf des Industriekauf-
manns gelernt. Während seines Zivil-
dienstes in der Jugend- und Drogen-
beratungsstelle in Herford wuchs sein
Interesse an der sozialen Arbeit. Er
wollte sich mit und für Menschen en-
gagieren, die sich Beratung, Beglei-
tung und Unterstützung wünschen.
2002 beendete er erfolgreich sein Stu-
dium zum Diplom-Sozialarbeiter an
der Fachhochschule in Bielefeld.
Nach fünfjähriger Berufstätigkeit
als Schuldner- und Insolvenzberater
bei der Diakonie in Bielefeld begann
Rüter 2006 seine Arbeit im Sozialpäd-
agogischen Dienst des Berufsbildungs-
werks der Diakonischen Stiftung Wit-
tekindshof in Bad Oeynhausen. Im
gleichen Jahr wechselte er als Team-
leiter in das Stationäre Wohnen auf
dem Wittekindshofer Gründungsge-
lände. Ab Oktober 2007 übernahm
Rüter eine neue Leitungsaufgabe im
Ambulant Unterstützten Wohnen. Er
hat den Basiskurs Kirche und Diakonie
absolviert und ist eingesegnetes Mit-
glied der Diakonischen Brüder- und
Schwesternschaft.
In die Mitarbeitervertretung wurde
Christian Rüter erstmals im Jahr 2010
gewählt. Er wirkte dort besonders im
Arbeitskreis Sozialarbeit und Gesund-
heit mit und brachte seine Fachkennt-
nisse im Sozialrecht und in der Bera-
tungsarbeit in die MAV-Arbeit ein.
Seine Motivation, mit der er damals
zur Wahl anzutreten ist, gilt auch heute
noch: Es ist ihm ein zentrales Anliegen,
dass die Weiterentwicklung der Diako-
nischen Stiftung, die durch Begriffe wie
Regionalisierung und Dekonzentrie-
rung gekennzeichnet wird, einhergeht
mit dem Erhalt und dem Ausbau posi-
tiver Arbeits- und Rahmenbedingun-
gen für die gesamte Mitarbeiterschaft
in der Diakonischen Stiftung Witte-
kindshof: „Als freigestellter Mitarbei-
tervertreter sehe ich meine Tätigkeit
wie ein Dienstleister an der Seite aller
Kolleginnen und Kollegen. Die MAV
arbeitet verschwiegen. Sie vertritt
deutlich individuelle Belange im Inte-
resse der Mitarbeiterschaft“, skizziert
Rüter die Grundposition.
Christian Rüter:Telefon (0 57 34) 61–24 40
MAV-Geschäftsstelle
Telefon (0 57 34) 61-24 42
Wir trauern Verstorbene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Klientinnen und Klienten
9. Februar Heinrich Rüter9. März Brigitte Seemund13. März Monika Brocke21. März Heinrich Benker30. März Fabryona Saker6. April Frank Hosefelder9. April Silke Wachholz15. April Daniel Ortkraß18. April Ruth Pfingst
21. April Karin Bergner2. Mai Ruth Giesler3. Mai Helene Hellmann4. Mai Hauke Scholz13. Mai Erika Trawny16. Mai Gustav Otling24. Mai Toni Mundt28. Mai Heike Genz-Brouwer29. Mai Wolfgang Hermichen
Stan
d: 3
1. M
ai 2
012
Personalentwicklung
priv
at
2 6 Durchb l i ck 2 -2012
Durchb l i ck 2 -2012 2 7
Personalentwicklung
Veränderungen in den
Geschäftsbereichsleitungen Wohnen
Diakon Jan Meyer ist seit April neuer
Leiter des Geschäftsbereiches Wohnen
VIII und damit u.a. für die drei Wohn-
häuser im Park von Schloss Benkhau-
sen in Espelkamp und am Vorwerk in
Bad Oeynhausen-Volmerdingsen so-
wie die dazugehörenden Tagesstruk-
turierenden Angebote verantwortlich.
Schwerpunkte bilden Wohnangebote
für Menschen mit herausforderndem
Verhalten und Autismus sowie Ange-
bote im Heilpädagogischen Intensiv-
bereich.
Diakon Hartmut Wloka hat Ende
vergangenen Jahres 2011 die Leitung
des Geschäftsbereiches Wohnen X
Hamm/Warendorf übernommen. Sein
Nachfolger im Geschäftsbereich Woh-
nen V ist seit 1. Dezember Diakon Gerd
Sulewski. Er ist verantwortlich für die
Wohnhäuser Bethanien, Marien- und
Lazarusheim und die dazu gehören-
den Tagesstrukturierenden Angebote.
Aus dem bisherigen Geschäftsbereich
hat er den Ambulanten Pflegedienst
und den Ambulanten Hospiz- und
Palliativberatungsdienst mitgebracht.
Neu im Team der Geschäftsbereichs-
leitung Wohnen V ist die Diplom-Päd-
agogin und Gesundheits- und Kran-
kenpflegerin Inga Stobbe-Hoeft, die
bereits während ihres Studiums im
Geschäftsbereich von Gerd Sulewski
gearbeitet hat. Sie hatte zuletzt eine
Fachstabsstelle im Geschäftsbereich
Wohnen VI inne, wo sie stellvertre-
tende Geschäftsbereichsleitung war.
In dieser Zeit hat sie einen Studien-
gang im Bereich der Gesundheitswis-
senschaften als Master of Public
Health abgeschlossen. Ihre Nach-
folgerin ist die Diplom-Pädagogin
und Diakonin Janaa-Ann Schwennen.
Sie wird sich auch künftig besonders
um die Sozialraum- und Angebotsent-
wicklung in Minden kümmern.
Die neu zu besetzende Fachstabs-
stelle im Geschäftsbereich Wohnen VI
mit dem Schwerpunkt der konzeptio-
nellen Ausrichtung der stationären
und ambulanten Wohnangebote in
Bad Oeynhausen und Minden über-
nimmt die Diplom-Sozialpädagogin
und Sozialbetriebswirtin Katrin Bei-
ning.
Neue Geschäftsbereichsleitung
Wohnen VII ist Marion Neuper. Die Di-
plom- Sozialarbeiterin verfügt über
Qualifikationen in Mediation und im
Management Sozialer Organisationen
sowie über eine therapeutische Zu-
satzausbildung. Sie ist verantwortlich
für die Wohnhäuser und die Tages-
strukturierenden Angebote am Lan-
genhagen (Häuser Andreas, Simon
und Tabea) sowie im Marthahaus.
Marion Neuper bringt vielfältige Be-
rufserfahrungen aus Leitungsfunktio-
nen bei diakonischen und anderen
freien Trägern sozialer Arbeit in ihre
Tätigkeit ein.
Neue Abteilungsleitung
im Personalwesen
Seit April ist Diakon Dieter Thormann
Leiter der Abteilung Personalwesen.
Zuvor war er 16 Jahre lang für die Ar-
beit in der Mitarbeitervertretung
(MAV) freigestellt, deren Vorsitzender
er war. Brigitte Trompka, bisherige
Abteilungsleiterin, hat auf eigenen
Wunsch andere Aufgaben im Perso-
nalwesen übernommen.
Seit März dieses Jahres werden die
beiden Ressortleiter Diakon Reiner Breder und Diakon Uwe Thünemann,
die den Großteil der personenbezoge-
nen Wohn- und Unterstützungsange-
bote für Menschen mit und ohne
Behinderung in der Diakonischen Stif-
tung Wittekindshof verantworten,
durch stellvertretende Ressortleitun-
gen unterstützt:
Im Ressort 3 „Unterstütztes Woh-
nen“ (Leitung: Diakon Uwe Thüne-
mann) übernimmt der Betriebswirt
und Diakon André Weber diese Auf-
gabe. Er war bisher Geschäftsbe-
reichsleiter Wohnen VIII für die Wohn-
angebote und die Tagesstrukturieren-
den Angebote am Vorwerk in Bad
Oeynhausen-Volmerdingsen sowie in
Espelkamp und Rahden.
Dr. Christina Heinrich ist stellver-
tretende Ressortleitung für die Ange-
botsfelder Bildung, Arbeit, Gesund-
heit und Region West (Kreis Borken).
Dem Doppelressort 5/6 (Leitung: Dia-
kon Reiner Breder) ist der Fachdienst
zugeordnet, den die Diplom-Psycho-
login aufgebaut und bereits bisher
geleitet hat. Zugeordnet sind ihr An-
gebote wie der Psychologische Dienst,
die Kunst- und Musiktherapie, das
Kunstatelier, das Therapeutische Rei-
ten, das Interventionsteam und die
Autismusambulanz.
Neue Geschäftsbereichsleitung
in den Werkstätten
Diakon Andreas Nettingsmeier, Dip-
lom-Berufspädagoge, hat zum 1. Ap-
ril die neue Stelle der Geschäftsbe-
reichsleitung Rehabilitation in den
Werkstätten in Bad Oeynhausen,
Löhne und Espelkamp übernommen.
Er trägt die Fachverantwortung für
die Arbeitsbereiche für Menschen mit
schwerer Mehrfachbehinderung und
die Eingliederungs- bzw. Berufs-
wegeplanung. Nettingsmeier ist auch
zuständig für die Personal- und
Budgetentwicklung und die Angebots-
entwicklung in den Betriebsstätten in
Espelkamp und Vorwerk in Volmer-
dingsen.
Ein wichtiges Projekt wird die Öff-
nung der Wittekindshofer Werkstät-
ten für Menschen mit schweren
Behinderungen sein, die bisher an
Tagesstrukturierenden Angeboten
teilnehmen. Die Projektleitung hat
Diakon Norbert Heider übernommen,
seit April Bereichsleiter des neuen
Arbeitsbereiches für Menschen mit
schwerer Mehrfachbehinderung.
Durchb l i ck 2 -2012 2 7
Jan Meyer Gerd Sulewski Marion Neuper
Dr. Christina Heinrich André Weber
Anke
Mar
hold
t
Wittekindshof
2 8 Durchb l i ck 2 -2012
Bünde
Punkte und Streifen: Wie man einander näher kommt
L anganhaltender Applaus und
eine Rose für alle Mitwirken-
den waren der Lohn für sechs-
monatige Probenarbeit. 56
Kinder, Jugendliche und junge Erwach-
sene aus Bünde hatten während dieser
Zeit das Musical „Tuishi Pamoja“ erar-
beitet. Bei zwei öffentlichen Vorstel-
lungen wurden sie dafür von über 800
Gästen gefeiert.
Worum ging es? „Punkte und Strei-
fen passen einfach nicht zusammen“,
erklären die Giraffen im Musical und
sind überzeugt, dass es am besten
überhaupt keine Kontakte mit den Ze-
bras geben sollte. Trotzdem zeigen das
gestreifte Zebrajungtier Zea und die
kleine gepunktete Giraffe Raffi schüch-
tern Interesse für einander. Die Eltern
sehen das gar nicht gerne. Keine gute
Basis für „Tuishi Pamoja“, was soviel
bedeutet wie: „Wir wollen zusammen
leben“. Doch als sich die Erdmännchen
einmischen, kommen sie einander nä-
her.
Die Inhalte der Aufführung spie-
gelten sich auch in der Vorbereitung
wider, an der viele junge Leute mit
unterschiedlichem Alter und Hinter-
grund beteiligt waren. „Am Anfang
war es komisch mit den Jugendlichen
aus dem Wittekindshof. Die haben
keine Angst und kommen manchmal
ganz dicht heran, aber daran hat man
sich gewöhnt“, berichtete ein Neunt-
klässler. Diakonin Dorothea Elges, bei
der die Fäden zusammenliefen, be-
Wittekindshof
aus der Region
2 8 Durchb l i ck 2 -2012
Gronau
Werkstatt-Angebote werden ständig erweitert
Die Wittekindshofer Werkstätten
bieten in drei Betriebsstätten
im Gronauer Westen insgesamt
255 Arbeitsplätze für Menschen mit
Behinderung, darunter 42 Plätze im
Berufsbildungsbereich. Die Werkstatt
wurde 1975 gegründet, um Arbeits-
möglichkeiten für die Bewohnerinnen
und Bewohnern aus dem Wittekinds-
hofer Wohnbereich zu schaffen.
Seit fünf Jahren sind die Witte-
kindshofer Werkstätten für das regio-
nale Einzugsgebiet Gronau und Epe
zuständig. Mittlerweile arbeiten 58
Frauen und Männer in den Wittekinds-
hofer Werkstätten, die kein Wohnan-
gebot des Wittekindshofes nutzen.
Außer für externe Beschäftigte ha-
ben sich die Wittekindshofer Werkstät-
ten Gronau seit 2010 auch für Men-
schen mit psychischer Behinderung
geöffnet. Sie sind vor allem in der
neuen Betriebsstätte Schürblick 2 im
Arbeits- und Berufsbildungsbereich
tätig sind.
Eine weitere Öffnung ist gegenüber
dem allgemeinen Arbeitsmarkt er-
folgt. Sowohl im Berufsbildungs- als
auch im Arbeitsbereich sind Praktika
in externen Betrieben und Einrichtun-
gen möglich. Einige Beschäftigte be-
reiten sich durch entsprechende Fort-
und Weiterbildungen, Praktika und
intensive Zusammenarbeit mit dem
Integrationsfachdienst auf eine dauer-
hafte Tätigkeit auf einem betriebsin-
tegrierten Arbeitsplatz der Wittekinds-
hofer Werkstätten oder dem allgemei-
nen Arbeitsmarkt vor.
richtet, dass die Behinderungen an-
sonsten kein Thema bei den Proben
waren: „Da ging es um Konzentration,
Geduld bis zum nächsten Einsatz, das
Auswendiglernen der Texte oder die
Frage, ob auf der Bühne Kaugummi
gekaut werden darf.“
Auf die Frage, ob das Musical „in-
klusiv“ sei, schmunzelt die Sozialpäd-
agogin: „Es klingt modern, wenn man
von Inklusion spricht. Wenn wir ehrlich
sind, ist es ein integratives Projekt. Wir
müssen noch viele Erfahrungen sam-
meln, bis Menschen mit und ohne
Behinderung wirklich ganz selbstver-
ständlich miteinander leben und wis-
sen, wo sie voneinander profitieren
und wie sie einander unterstützen
können. Das Musical ist aber ein Mo-
saikstein auf dem Weg zu einer inklu-
siven Gesellschaft.“
Anke
Mar
hold
t
Wittekindshof
Durchb l i ck 2 -2012 2 9
aus der Region
Gronau
Werkstatt-Angebote werden ständig erweitert
Minden
Dann bin ich zum Pastor gegangen
Am Ostermontag wurde Jochen Pe-
ter nach 30 Jahren Tätigkeit als
Küster der evangelischen Kirchenge-
meinde Dankersen verabschiedet. Er
hatte all das getan, was man von einem
guten Küster erwartet: er hatte die Ge-
meinderäume für Gottesdienste vorbe-
reitet, die Grünanlagen rund um das
Gemeindezentrum und auf dem Fried-
hof gepflegt. Er hatte älteren Gemein-
degliedern regelmäßig Kassettenauf-
nahmen von den Gottesdiensten ge-
bracht und war für manche zu einem
wichtigen Gesprächspartner gewor-
den. Er engagierte sich im Kirchenchor
und fiel mit einem beachtlichen Na-
mensgedächtnis auf. „Vielleicht bist Du
einer der letzten Dankerser Bürger, der
noch alle Menschen in Dankersen
kennt“, sagte Pfarrer Uwe Marczinzik
dazu in seiner Laudation für den lang-
jährigen Gemeinde-Mitarbeiter.
Dass das Leben von Jochen Peter
einen solchen Verlauf nehmen würde,
war nicht unbedingt zu erwarten, als
er sich vor bereits drei Jahrzehnten
dazu entschloss, den Wittekindshof in
Volmerdingsen zu verlassen, um nach
Dankersen zu ziehen. Dort war er zu-
nächst auf einem Hof als so genannter
Pferdejunge beschäftigt. Aber das war
auf Dauer nichts für ihn. „Als ich es
nicht mehr ausgehalten habe, bin ich
zum Pastor gegangen und habe ge-
fragt, ob er nicht Arbeit für mich hat.“
Die gab es im Küsterdienst und so
konnte sich Jochen Peter bestens be-
währen.
Wegen gesundheitlicher Probleme
musste er im vergangenen Jahr deut-
lich kürzer treten und nun auch seinen
Abschied nehmen. Die Diakonische
Stiftung Wittekindshof hatte verschie-
dene Vorschläge gemacht, wie eine
Unterstützung nach Beendigung der
Tätigkeit als Küster in Dankersen aus-
sehen könnte. Jochen Peter hat sich für
das Ambulant Unterstützte Wohnen in
Minden entschieden und dort bereits
eine neue Wohnung in der Innenstadt
bezogen. Seiner Kirchengemeinde in
Dankersen will er auch weiter verbun-
den bleiben.
Wittekindshofer Werkstätten
Berlin direkt
Aus Anlass eines Nachtreffens
Anfang Juni in den Räumen
der Betriebsstätte Sonnenb-
rede der Wittekindshofer
Werkstätten tauschten die rund 50
Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre
Erlebnisse und Erfahrungen anlässlich
einer Berlinreise aus. Mit dabei war
auch der Bundestagsabgeordnete Ste-
fan Schwartze, der die Gruppe im Ok-
tober letzten Jahres nach Berlin einge-
laden hatte. Der Aufenthalt war vom
Presse- und Informationsamt der Bun-
desregierung organisiert worden.
Neben einer Stadtrundfahrt durch
die Bundeshauptstadt hatten auch Ge-
spräche in Ministerien und Museums-
besuche zu der dreitägigen Veranstal-
tung gehört. Zu den Programmpunkten
des Informationsbesuches zählte die
Besichtigung des Reichstagsgebäudes,
der Besuch einer Plenarsitzung und
der Blick über die Hauptstadt von der
Reichstagskuppel aus. Selbstverständ-
lich hatte es sich MdB Schwartze nicht
nehmen lassen, die Gäste aus den Wit-
tekindshofer Werkstätten in Berlin zu
begrüßen und ihnen die Parlaments-
arbeit zu erklären.
„Solche Bildungsreisen“, so Ge-
schäftsbereichleiter Ulrich Hagemeier,
„gehören immer wieder einmal zum
Programm in den Wittekindshofer
Werkstätten. Schließlich wird hier nicht
nur gearbeitet. Es ist unser Auftrag,
Menschen fortzubilden und in allen
Lebensbereichen zu befähigen. Da ha-
ben wir uns natürlich sehr über die
Einladung nach Berlin gefreut. Es ist
ganz wichtig, dass die Beschäftigten,
aber auch die sie begleitenden Mitar-
beiterinnen und Mitarbeiter, die Plätze
und vor allem die Atmosphäre einmal
selbst erleben, die man sonst doch nur
aus den Tagesthemen kennt.“
Besonders beeindruckend war für
die ostwestfälischen Gäste eine Schiff-
fahrt auf der Spree und später auch
noch der Besuch der Gedenkstätte
Berliner Mauer. An der Reise hatten
neben Beschäftigten aus den Witte-
kindshofer Werkstätten auch Gäste aus
den Herforder Werkstätten, den Lüb-
becker Werkstätten sowie der Diakoni-
schen Werkstätten Minden teilgenom-
men.
Wittekindshof
Impressum
Durchblick Zeitschrift der Diakonischen Stiftung Wittekindshof
Herausgeber: Pfarrer Prof. Dr. Dierk Starnitzke,Theologischer Vorstand (v.i.S.d.P.)
Redaktion:Klaus SchuhmacherZur Kirche 2, 32549 Bad [email protected]
Texte:Die nicht namentlich gekennzeichneten Texte wurden erstellt von Anke Marholdt, Pressesprecherin, und Klaus Schuhmacher.Auswahl und Redaktion: Klaus Schuhmacher
Layout:Wilfried Gandras, Hamburg
Druck:Druckerei + Verlag Kurt Eilbracht GmbH & Co KG, Löhne
Versand: Wiegmann GmbH, Petershagen
Namentlich gekennzeichnete Beiträgegeben nicht unbedingt die Meinung desHerausgebers wieder. Alle Rechte vorbehalten.Nachdruck auch auszugsweise nur mitGenehmigung der Redaktion.
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Wittekindshof
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Ihre Spende bringt Farbe ins Leben
Fundraising
… wie Ihre Spenden den Menschen mit
Behinderungen in der Stiftung Witte-
kindshof ganz konkret zugutekamen, le-
sen Sie im Jahresspendenbericht für das
Jahr 2011. Sie finden ihn als Beilage zu
diesem „Durchblick“.
Gerne schicken wir Ihnen bei Bedarf weitere Exemplare zu: Diakonische Stiftung Wittekindshof
Spenderservice
Volmerdingsener Str. 149,
32549 Bad Oeynhausen
Tel.: 05734-61-1132
E-Mail:
Diakonische Stiftung WittekindshofSpendenkonten: Volksbank Bad Oeynhausen-Herford
BLZ: 494 900 70
Konto: 12 22 00
Stadtsparkasse Bad Oeynhausen
BLZ 490 512 85
Konto: 12 22 00
Weitere Zahlen, Daten und Geschichten …
Unsere Freunde und Förderer unter-
stützen die Arbeit der Diakonischen
Stiftung Wittekindshof auf vielfältige
Weise: mit Geld- und Sachspenden,
Kollekten und Sammlungen, aber
auch mit Erbschaften und Vermächt-
nissen. Im Jahr 2011 waren es insge-
samt 306.894,22 Euro.
Ihre Spende, ob groß oder klein,
bereichert das Leben der Menschen
mit Behinderungen und ermöglicht
auch ungewöhnliche Angebote. Hier
erzählen Menschen mit Behinderun-
gen selbst, wie sie die Angebote und
neuen Chancen erleben, die auch
Ihre Spende ermöglicht hat:
Mitten im Umbau – die Wittekinds-
hofer Werkstätten „Ich heiße Felix
Bilbang und arbeite schon seit unge-
fähr fünf Jahren in der Küche in den
Wittekindshofer Werkstätten in
Volmerdingsen. So habe ich den
ganzen Umbau hautnah und Tag für
Tag miterlebt.
Ich weiß, wie es vorher war, und
habe die Veränderungen genau ver-
folgt: Alles ist jetzt viel geräumiger
und schöner. Wir haben Platz zum
Arbeiten und auch Platz, um in der
Pause in der Sonne zu sitzen und
andere Kollegen zu treffen.
In der neuen Küche der WfbM
haben wir jetzt eine Spülstraße, so
dass wir das Geschirr viel schneller
wieder sauber haben. Das ist richtig
professionell, und es macht mir viel
Spaß, in der Küche zu arbeiten. Am
liebsten arbeite ich bei der Essens-
ausgabe mit.
Doch der Umbau ist noch nicht zu
Ende, und der Baulärm wird uns
wohl noch etwas begleiten. Aber ich
freue mich, dass unser Arbeitsplatz
schon so schön geworden ist.“
Nach dem Umzug ins neue Schulge-
bäude „Hey, ich bin Sonja Meier und
Schülerin in der Berufspraxisstufe 3.
Im vorigen Herbst sind wir in das
neue Schulgebäude eingezogen.
Im Unterricht und in der Pause hat
sich viel verändert: Die B3 hat ein
sehr schönes Klassenzimmer mit fünf
Computern, auf denen wir mit Lern-
programmen für Rechnen, Lesen und
Schreiben arbeiten.
Für die große Pause gibt es jetzt
einen Kiosk. Dort arbeite ich mit und
verkaufe Getränke und Süßigkeiten,
zusammen mit meinem Mitschüler
Oliver Eikermann. Besonders mag
ich es, anderen Schülern, die nicht
alleine trinken und essen können, zu
helfen und sie zu unterstützen.
Doch am meisten freue ich mich
immer auf den Gitarrenunterricht.
Einmal in der Woche lernen wir hier
sehr schöne Lieder, zum Beispiel von
Peter Maffay und das Lied von Unhei-
lig ,Geboren um zu leben‘. Dafür
muss ich aber noch einige Akkorde
üben.“
Dr. Clowns zu Besuch in der Kinder-
heimat „Hallo, ich heiße Roman
Muchamedshin und lebe zusammen
mit sechs anderen Kindern in einer
Wohngruppe des Hauses Kinderhei-
mat. Für mich ist es das Schönste,
wenn einmal im Monat die Dr.
Clowns zu Besuch kommen. Sie se-
hen sehr lustig aus und haben im-
mer viele Überraschungen dabei wie
Tröten, Seifenblasen, Papierschlan-
gen und Musikinstrumente. Ich mag
es, wenn die Clowns Gitarre spielen
und dazu Kinderlieder singen. Von
mir aus könnten uns die Clowns viel
öfter besuchen.“
Felix Bilbang
Sonja Meier
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Ihre Spende bringt Farbe ins Leben
Anke
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Roman Muchamedshin Jürg
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Was macht eigentlich … Erika von Loßnitzer?
„Ich geh gern spazieren, mache gerne
weite Wanderungen. Erst am Café
Klatsch entlang in die Landgrafen-
straße, dann über die Losserstraße zur
Oase – kennst Du die? – und dann an
dem Flüsschen, an der Dinkel entlang.
Da beobachte ich so gern die kleinen
Enten, die schwimmen unter der Brü-
cke her. Jetzt kommen auch Blumen,
Sumpfdotterblumen, – kennst Du die?
– die leuchten so schön gelb!“
Auf die Frage, ob sie mir erlaubt,
etwas über ihre Person zu schreiben,
kommt dieser lange Gedanke als Ant-
wort aus einem übervollen Herzen. Ich
erkläre noch, dass später vielleicht ein
Artikel über sie in der Wittekindshofer
Zeitung erscheint: „Nur für Gronau –
oder auch in Volmerdingsen? Dann
kommt da aber mal was Schönes rein!“
Was machen eigentlich diese oder
jene Personen…? Was ist aus ihnen
geworden? Manche leben selbständig
in einer eigenen Wohnung. Einige le-
ben jetzt in Gastfamilien oder werden
ambulant betreut. Manche haben ge-
heiratet, manche sind aus dem Witte-
kindshofer Campus ausgezogen in die
heimatnahen Regionen. Manche ha-
ben sogar einen Arbeitsplatz in einer
„richtigen“ Firma bekommen.
Dem Annaheim treu verbundenErika von Loßnitzer begegnet mir als
eine Frau, die heute noch im Anna-
heim lebt, wo sie vor vielen Jahren
hingeschickt wurde. Danach hat sie
sich jedes Mal ganz bewusst dafür ent-
schieden, dort zu bleiben, wenn sie
ein Angebot für ein Leben in einer
anderen Wohnform bekam. Was ist sie
für ein Mensch? Was hat sie bewogen,
in einem Umfeld zu bleiben, welches
sich um sie herum stark veränderte?
Mit Stolz in der Stimme erzählt sie,
dass sie im vorigen Jahr 80 Jahre alt
geworden ist und auch noch 60-jähri-
ges Jubiläum feiern durfte. „Tante
Thea, die jüngste von fünf Schwestern
meiner Mutti, hat hier in der Nähe in
Coesfeld gewohnt. Sie ist sogar 94 ge-
worden! Und ich habe schöne Erinne-
rungen an Urlaube mit Tante Ilse. Die
hat mich immer mitgenommen – nach
Alassio und Venedig, an die Nordsee
und Ostsee, in den Schwarzwald…!“
Im Alter von 20 Jahren kam Erika
von Loßnitzer am 28. Dezember 1951
in den Wittekindshof. Sie weiß das
Datum noch genau: „Ich wollte eigent-
lich bei Tante Marianne in Lingen blei-
ben, aber wir hatten im November ein
Gespräch mit Pastor Klevinghaus. Und
er meinte, es wären im Moment alle
Plätze belegt. So konnte ich erst im
Dezember in der Aufnahmestation im
Marienheim einziehen.“ Gearbeitet hat
sie im großen Schwestern-Speisesaal
im Marthahaus in Volmerdingsen. „Da
waren wir Serviermädchen und muss-
ten das Essen auftragen und den Saal
schön sauber und in Ordnung halten.
Ich war auch noch in der Schulstation
zum Helfen bei Schwester Henny.“
Nach 21 Jahren in der Haupteinrich-
tung wurde Frau von Loßnitzer 1972,
eine Woche vor ihrem Geburtstag im
Juni, nach Gronau geholt. Sie lebte und
arbeitete dann im alten Annaheim.
Dort gab es zu der Zeit noch Schlafsäle.
“Ich habe immer Hausarbeiten ge-
macht: im Haus der Diakonissen ge-
putzt – auch in der Nähstube gearbei-
tet – und Fenster geputzt. Mit einer
ganz hohen Leiter!“
Seit Mitte der 90er Jahre lebt Erika
von Loßnitzer im neu erbauten Anna-
heim in einem Einzelzimmer in einer
Wohngruppe zusammen mit 12 weite-
ren Männern und Frauen. Alle sind
äußerst unterschiedlich in ihren Mög-
lichkeiten zu kommunizieren, in ihren
verschiedenen Arten der geistigen und
körperlichen Einschränkungen, in ih-
rem Unterstützungsbedarf.
„Ich wollte immer da bleiben, wo ich
bin ... mit meinen ganzen Schätzen,
mit allem Trubel. Guck mal, ich fühl
mich da wohl! Ich kenn’ da doch alle
die lieben Mitarbeiter. Die haben mir
ein Zimmer angeboten und gesagt:
‚Guck mal, Erika, da hast du Dein ei-
genes Badezimmer und Deine eigene
Toilette‘. Was soll ich damit? Das habe
ich doch hier auch – ich teile es zwar
mit Irmgard und Jutta, aber das sind
doch zwei so liebe Personen!“
„Ich frühstücke in meinem Zimmer.
Mittagessen und Abendbrot kann ich
auch dort bekommen. Manchmal esse
ich auch in der Gruppe mit, dann freut
sich meine Freundin Jutta. Ich kann
das so machen, wie ich das möchte!“
Den Tag verbringt sie mit Spazier-
gängen in der näheren Umgebung und
Besuchen verschiedener Personen –
zum Beispiel im Sekretariat: „Alles
meine Freundinnen!“ „Stille Lieben“,
fügt sie verschmitzt hinzu. „Ich erkun-
dige mich, wie es ihnen geht und höre
Was macht eigentlich …
Erika von Loßnitzer weiß viel zu erzählen. Seit 1951 lebt sie in der Diakonischen Stiftung Wittekindshof;
seit 1972 ist sie im Gronauer Annaheim Zuhause.
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Was macht eigentlich … Erika von Loßnitzer?
dann die schönsten Geschichten! Mal
vom Urlaub im Schnee … und schon
ist da wieder etwas zum Freuen. Ich
guck auch mal Fernsehen (sie besitzt
ein winziges Gerät – älteres Modell!)
– keine Krimis – aber gern etwas über
schöne Landschaften und Gärten.“
Rege Korrespondenz mit vielen PersonenFrau von Loßnitzer erzählt voller Be-
geisterung von ihrer Teilnahme an
verschiedenen Angeboten: “ Wir üben
mit unserer Tanzgruppe (sie ist dort
treues Mitglied seit fast 30 Jahren) für
einen Auftritt in der Stadt.“ Alle 14 Tage
verbringt sie den Samstagvormittag im
Café Klatsch. Dann werden dort Mär-
chen vorgelesen oder Märchenfilme
gezeigt. Singen im Chor bereitet ihr
besonders viel Freude, viele Volks- und
Kirchenlieder kann sie auswendig.
Erika von Loßnitzer führt eine rege
Korrespondenz mit vielen Personen: mit
der Verwandtschaft, mit ehemaligen
Mitarbeiterinnen, Freundinnen, Ur-
laubsbekanntschaften. Darum sind bei
ihr Geschenke in Form von Briefpapier
und Briefmarken immer angebracht.
„Von Anfang an war Monika B.
meine Freundin. Sie war so geschickt
mit den Fingern, hat so schön gebas-
telt und gehäkelt und für meine Pup-
pen wunderschöne Kleider gemacht.“
Sie waren einander treue Freundin-
nen. In jüngeren Jahren gab es noch
den Freund Karl-Heinz, aber als sie
merkte, dass ihre Zeit und Kraft nur für
eine Person reicht, blieb sie der Freun-
din verbunden und trennte sich von
ihm. Ihre Treue reichte bis zum Tod.
Als Monika B. schwer krank wurde und
viele Jahre als Pflegefall im Rollstuhl
verbrachte, verging nicht ein Tag, ohne
dass sie Besuch von Erika bekam.
Kürzlich verstarb die Freundin. In
unseren gemeinsamen Gesprächen
durchlebt Erika von Loßnitzer immer
wieder die letzten Minuten, die sie
gemeinsam mit ihrer Freundin ver-
brachte, ehe diese (wie so oft in der
letzten Zeit) ins Krankenhaus gebracht
wurde: „,Atme ruhig ... ein … aus …
stirb nicht, mein Mäuschen. Und dann
habe ich ihren Puls gefühlt.“
Die Mitarbeiterinnen hatten sich
große Sorgen gemacht: Wie würde
Erika, deren Lebensinhalt diese
Freundschaft ausmachte, diesen Ver-
lust verkraften? Nach der Beerdigung
brachte sie aber nur ihre Bewunde-
rung für Gottes wunderschöne Natur
zum Ausdruck und freute sich an den
ersten Frühlingsboten auf dem Fried-
hof: „Der liebe Gott wird schon alles
richtig machen.“
„Ich gehe gern in die Kirche oder
sehe einen Gottesdienst im Fernsehen.
… Früher, da hieß es: ‚Erika, geh Du
mit Vati in die Kirche‘… und so ist es
geblieben.“ Tief im Glauben verwurzelt,
vertraut sie Gottes Wegen. Ich denke,
mit diesem Vertrauen weiß sie sich
geborgen in Gottes Hand. Sie strahlt
dieses Wissen aus, in ihrem Lächeln
und ihrer Freundlichkeit zu anderen
Menschen. – Und beharrlich besteht sie
darauf, im Annaheim zu bleiben, wo
Gottes Wege sie vor mehr als 40 Jahren
hingeführt haben, wo sie sich sicher
und aufgehoben fühlt und wo sie ein
selbstbestimmtes Leben führen kann
in einem Rahmen, der für sie passt!
Ihre Eindrücke aus den Gesprächen
mit Erika von Loßnitzer fasste Diakonin
Margarete Grimm zusammen. Sie ist
als Mitarbeiterin Fachstab mit wohn-
übergreifenden Aufgaben im Witte-
kindshof Gronau.
Zielsetzung der Diakonischen Stiftung
Wittekindshof ist ein möglichst breites
Spektrum unterschiedlicher ambulant
und stationär unterstützter Wohnange-
bote. Sie bilden die feste Basis, um ein
möglichst selbstbestimmtes Leben füh-
ren zu können. Fähigkeiten und Bega-
bungen sollen erprobt und erweitert
werden. Stationäre Wohnangebote mit
klar erkennbarer Gruppenstruktur und
vergleichsweise festen Abläufen stehen
diesen Zielvorgaben nicht entgegen.
Auch sie können eine angemessene
Wahl sein. Auch hier ist ein tief greifen-
der Wandel spürbar. Es entstanden mehr
Freiräume: Mitsprache und individuelle
Gestaltungsoptionen und nicht zuletzt
mehr Rückzugsmöglichkeiten tragen
entscheidend dazu bei, dass auch in der
stationären Gruppe die individuelle Le-
bensgestaltung im Vordergrund steht.
Was macht eigentlich …
Intensive Kommunikation mit vielen Menschen, an vielen Orten ist ihr Lebenselixier – hier im Gespräch mit Ella Buresch.
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DDie medizinische Versorgung
der Bewohnerinnen und Be-
wohner des Wittekindshofes
übernahm in den ersten Jahren der
angesehene Bad Oeynhausener Arzt
Dr. Friedrich Huchzermeyer (1844-
1926). Leider ist über seine Tätigkeit im
Wittekindshof nur sehr wenig bekannt.
Wahrscheinlich wird Dr. Huchzermeyer
nur auf Anforderung von Bad Oeyn-
hausen in den Wittekindshof gekom-
men sein. Dr. Huchzermeyer war seit
Zusammentreten der ersten Witte-
kindshofer Generalversammlung 1890
Mitglied dieses Gremiums. Auch nach-
dem er seine Tätigkeit im Wittekinds-
hof beendet hatte, blieb er dem Wit-
tekindshof verbunden, denn auch nach
Beendigung seiner Tätigkeit als Haus-
arzt des Wittekindshofes blieb er bis
etwa 1920 Mitglied der Generalver-
sammlung. Da er letztlich wohl pfle-
gebedürftig wurde, kam er schließlich
in den Wittekindhof und verstarb dort
1926.
Nachdem Dr. Huchzermeyer 1892
sein Amt als Hausarzt niederlegt hatte,
übernahm dieses Dr. Rudolf Wellmer
(1863–1944) aus Bergkirchen, der dort
gerade eine eigene Praxis eröffnet
hatte. Das hatte den großen Vorteil,
dass der Weg zwischen der Praxis und
der Einrichtung nicht mehr so weit
war. Die ständig steigende Zahl der
Wittekindshofer Patienten hatte zur
Folge, dass auch die jährliche Vergü-
tung von Dr. Wellmer beständig ge-
steigert wurde. Die immer vielfältige-
ren Aufgaben führten dazu, dass Dr.
Wellmer für sich eine leitende Position
im Wittekindshof beanspruchte. Dies
führte allerdings zu einem getrübten
Verhältnis zwischen ihm und dem da-
mals noch nebenamtlichen Anstalts-
leiter, Pfarrer Hermann Krekeler.
So kam es schon 1895 zu Streitig-
keiten. Es fing damit an, dass eine
Stadtverwaltung das Ausfüllen von drei
Formularen für einen Pflegegeldfall
forderte. Dr. Wellmer weigerte sich,
dem nachzukommen, da er meinte, in
einem formlosen Papier bereits alles
Notwendige gesagt zu haben. Darauf-
hin wurde Hermann Krekeler grund-
sätzlich: Als „Hausarzt der Anstalt“ sei
Dr. Wellmer nicht berechtigt, diese
Leistung zu verweigern. „Das Patronat
[der Vorstand] und in erster Linie ich
haben die Vertretung der Anstalt nach
Außen“, wies Krekeler den Arzt zurecht
und drohte als Konsequenz an, dass bei
weiterer „Zurückweisung meines Ge-
suchs unser Verhältnis als gelöst“ an-
zusehen sei. Dr. Wellmer beschwerte
sich darauf beim Patronatsvorsitzen-
den, Pfarrer Eberhard Delius aus Val-
dorf.
Kein Platz für den Arzt im PatronatUnter anderem wollte er erreichen,
dass sein Verhältnis als Anstaltsarzt zu
Pfarrer Krekeler so festzulegen sei, dass
er nicht unter, sondern neben ihm
stehe und seine Position so zu gestalten
sei, dass es gegen ärztliche Anordnun-
gen keinen Widerspruch geben könne.
Krekeler wandte sich daraufhin eben-
falls an Delius und schrieb ihm, dass
die Hausvorstände Angst vor einer
größeren Machtbefugnis Wellmers
hätten, da dieser sehr herrisch auftrete.
Von einer Mitgliedschaft Dr. Wellmers
im Vorstand riet er ab.
Delius wandte sich nun an seinen
Stellvertreter im Vorstand, Pastor Adolf
Prieß aus Bergkirchen, und bat ihn, Dr.
Wellmer zu beschwichtigen. Delius
stand deutlich auf Seiten Krekelers,
was sich mit einiger Wahrscheinlich-
keit auf die im Sommer 1895 folgende
Generalversammlung auswirkte. Sie
beschloss, dass Pfarrer Hermann
Krekeler hauptamtlicher Anstaltsgeist-
licher und Anstaltsleiter werden sollte.
Dr. Wellmer wurde zum Mitglied der
Generalversammlung gewählt und als
Mitglied des Ortsvorstandes empfoh-
len. Zu den Sitzungen sollte er in be-
sonderen Fällen eingeladen werden.
Damit hatte Dr. Wellmer wenig er-
reicht, da seine neue Mitgliedschaft
bzw. empfohlene Mitgliedschaft mit
wenigen praktischen Kompetenzen ver-
sehen war. Der von ihm angestrebte
Sitz im Wittekindshofer Patronat, ver-
gleichbar mit dem heutigen Stiftungs-
rat, blieb ihm verwehrt.
Ein weiterer Beschluss der Gene-
ralversammlung 1895 legte fest, dass
Dr. Wellmer „in jeder Woche wenigs-
tens einmal die Anstalt besucht“, was
einen Hinweis auf die Intensität der
Arbeit bis 1895 gibt. Bis dahin war der
Arzt wohl eher unregelmäßig und nur
bei akutem Bedarf gekommen. Dane-
ben hatte er ärztliche Jahresberichte
zu verfassen. Auch wurde ihm aufge-
geben, die Angestellten mit ihren
Familien medizinisch zu versorgen,
Atteste auszustellen und Krankenpfle-
geunterricht zu erteilen.
Die Diskussion um Stellung und
Arbeitsbedingungen war Mitte 1895
aber noch längst nicht beendet. Sie
fand nunmehr nur auf einer anderen
Ebene statt – nicht ohne Konsequenzen
auch für Wittekindshof. Schon um 1890
war es bereits in anderen Einrichtun-
gen zu Auseinandersetzungen unter
Ärzten, Pädagogen und Geistlichen
gekommen, die Ende 1895 schließlich
zu verschärften gesetzlichen Regelun-
gen führten. Im Juni des Jahres waren
skandalöse Umstände der Betreuung
behinderter Menschen im Kloster Ma-
riaberg bekannt geworden. In der
Fachpresse wurde dafür eindeutig
„das falsche Princip derartiger Anstal-
ten, die unter ‚geistlicher Oberleitung‘
stehen, mit Ärzten, die im ‚Nebenamt‘
ihrer Pflicht nicht genügen können“,
verantwortlich gemacht. Auch Krekeler
beteiligte sich an dieser Diskussion
und geriet dadurch selber in die Kritik.
Blick zurück
Die ersten Ärzte des Wittekindshofes
Die ersten Ärzte des Wittekindshofes:
Sanitätsrat Dr. med. Friedrich Huchzermeyer (1844–1926) aus Bad Oeynhausen,
Hausarzt des Wittekindshofes 1887–1892
Dr. med. Rudolf Wellmer (1863–1944) aus Bergkirchen,
Hausarzt des Wittekindshofes 1892–1907
Stabsarzt a. D. und Sanitätsrat Dr. med. Ferdinand Dieckmann (1868–1931),
erster hauptamtlicher Arzt des Wittekindshofes 1907–1928,
von 1920 an leitender Arzt des Wittekindshofes
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Die gesetzlichen Regelungen be-
trafen unter anderem die Anstellung
hauptamtlicher Ärzte, stärkere Kont-
rolle durch Besuchskommissionen der
königlichen Regierung, genauere Füh-
rung von Krankenblättern und anderen
ärztlichen Unterlagen sowie die Aus-
stattung von Räumen. Dr. Wellmers
Stellung war durch die Vorgänge nach
der Generalversammlung, aber auch
durch die gesetzlichen Regelungen
sicherlich gewichtiger geworden.
Praktisch änderte sich für ihn jedoch
wenig, er blieb weiterhin Hausarzt.
Königliche Regierung bemängelt die ärztliche VersorgungZwar steigerten sich auch in den Fol-
gejahren seine Aufwandsentschädi-
gungen weiter, aber von ihm gemachte
Verbesserungsvorschläge wurden ab-
gelehnt. Zugleich kam es auch zu Be-
anstandungen der ärztlichen Versor-
gung durch die königliche Regierung.
So hieß es um 1900, „die regelmäßigen
Untersuchungen der Anstaltspfleglinge,
sowie die Führung der Krankenge-
schichten sei ungenügend“.
Die weiteren Erhöhungen von An-
forderungen seitens der Regierung
sowie das Wachstum der Anstalt
machten die Schaffung einer Stelle
eines hauptamtlichen Anstaltsarztes
immer dringlicher. Der Vorstand ver-
suchte jedoch, diese Anstellung so-
lange wie möglich zu verschieben.
1904 wurden Dr. Wellmer schließlich
3000 Mark pro Jahr zugestanden, „da-
mit er in den Stand gesetzt wird, seine
Privatpraxis einzuschränken“. So wurde
die Forderung nach Festeinstellung
eines Arztes wiederum verzögert.
Erst 1906 bekam er die bereits vier
Jahre zuvor erwarteten 3600 Mark. Die
Unzufriedenheit mit dieser Entwick-
lung, aber auch andere ihn verlet-
zende Vorkommnisse waren aus-
schlaggebend für die Kündigung durch
Dr. Rudolf Wellmer im Jahr 1907. Da-
nach konzentrierte er sich auf seine
Praxis in Bergkirchen.
Letztlich waren aber auch die An-
forderungen an die medizinische Be-
treuung der Menschen im Wittekinds-
hof so gestiegen, dass diese nur von
einem hauptamtlichen Anstaltsarzt
versehen werden konnten. Dies wurde
auch nach einem Besuch einer Kom-
mission der Bezirksregierung im No-
vember 1906 gefordert. Durch das
getrübte Verhältnis zu Dr. Wellmer sah
die Leitung der Einrichtung davon ab,
ihm diese Stelle anzubieten. Allein die
Bewohneranzahl hatte sich in der
Dienstzeit Dr. Wellmers von etwa 100
auf über 500 gesteigert.
1907, also zwanzig Jahre nach der
Gründung, erhielt der Wittekindshof
mit Dr. Ferdinand Dieckmann (1868-
1931) seinen ersten hauptamtlichen
Arzt. Während seiner Amtzeit profes-
sionalisierte sich die ärztliche Arbeit
auf dem Wittekindshof weiter und
vergrößerte sich zudem. 1920 wurde
eine weitere Arztstelle eingerichtet, so
dass Dr. Dieckmann leitender Arzt des
Wittekindshofes wurde. 1928, kurz vor
Vollendung des Krankenhauses Betha-
nien, trat Dr. Dieckmann aus gesund-
heitlichen Gründen in den Ruhestand.
Damals lebten bereits mehr als tau-
send Menschen im Wittekindshof. 1931
verstarb er in Berlin.
Michael Spehr, Archiv Wittekindshof
Blick zurück
Dr. Rudolf Wellmer baute 1897 in Bergkirchen in der Wellenstraße sein Wohnhaus, in dem auch
seine Praxis untergebracht war. Dort verstarb er 1944. Dieses Haus mietete der Wittekindshof von
1952 bis 1971 an, um dort eine Frauenstation unterzubringen. Zu Ehren von Dr. Wellmer nannte es
der Wittekindshof „Dr-Rudolf-Wellmer-Haus“.
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(K)eine andere Welt
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Sie lachen, winken, sprechen einen an, haben keinerlei Hemmungen und – das finde ich das Schöne – sie wirken in keiner Weise distanzlos. Sie sind hier ganz offenbar zu Hause!
Einblick
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Meinen ersten bewussten Kontakt mit der Diakonischen Stif-tung Wittekindshof hatte ich genau vor vier Jahren – sechs Jahre nach meiner Praxiseröffnung. Zu diesem Zeitpunkt lebte ich schon zehn Jahre in Bad Oeynhausen. Zuvor hatte ich mich noch nicht näher mit dieser Einrichtung und ihren Menschen auseinander gesetzt.
Damals wurde mir die ärztliche Betreuung von Menschen mit Behinderung aus dem Bereich SoLe (Selbstbestimmte of-fene Lebensräume, Anm. d. Red.) angeboten: aufregend und spannend zugleich, denn eigentlich wusste ich nicht genau, was auf mich zukam. Die Erfahrungen, die ich bis dahin mit Men-schen mit Behinderung hatte, lagen ausschließlich im medizi-nischen Bereich und hatten sich oftmals schwierig gestaltet. Schwierig allein deswegen, weil gerade Menschen mit Behin-derung nicht immer in der Lage sind, ihre Beschwerden ad-äquat äußern zu können. Die Gefahr sah ich darin, ihnen nicht immer gerecht werden zu können. Mitunter hatte mich auch ihr Verhalten etwas verunsichert.
Zurzeit betreue ich über 100 Patientinnen und Patienten aus der Diakonischen Stiftung Wittekindshof. Auch wenn es nicht immer einfach ist, sind diese Menschen mit ihrem Verhalten eine Bereicherung: Das Unbeschwerte, das In-Sich-Glücklich-Sein und die Dankbarkeit sind immer gegenwärtig.
Seit fast einem Jahr habe ich neben dem SoLe-Bereich innerhalb des Wittekindshofes zusätzlich noch die Bereiche Sonnenbrede und Marienheim übernehmen können. Wieder entstanden neue Eindrücke und trotz der körperlichen und geistigen Behinderungen wieder das gleiche Erleben: Diese Menschen sind glücklich. Zum Glück!
Diese Menschen nehmen selbstverständlich, geben aber genauso selbstverständlich: eine Eigenschaft, die ich in der „normalen Welt“ häufig vermisse. In dem Moment, wo ich auf den Wittekindshof fahre, empfinde ich, dass ich eben in eine etwas „andere Welt“ komme: Bewohnerinnen und Bewohner mit und ohne Rollator, Rollstuhl oder in Begleitung zeigen sich überall auf den Straßen und Wiesen. Sie lachen, winken, spre-chen einen an, haben keinerlei Hemmungen und – das finde ich das Schöne – sie wirken in keiner Weise distanzlos. Sie sind hier ganz offenbar zu Hause!
Vergleiche ich die Bewohner des SoLe-Bereichs, die ja meis-tens in Wohnungen in der Stadt leben, mit den Menschen, die innerhalb des Wittekindshofs leben, stelle ich mir manchmal die Frage: „Wer von diesen beiden Gruppen ist hier eigentlich glücklicher?“
Die Bewohner innerhalb des Wittekindshofs leben gut ver-sorgt in ihrer Welt. Bewohner aus dem SoLe-Bereich kommen tagtäglich mit Menschen ohne Behinderung zusammen. Oft-mals finden sie wenig Verständnis, auch wenn das meistens nicht ausgesprochen wird. Ich erlebe Menschen mit Behinde-rung in diesem Punkt als sehr empfindsam. Sie verinnerlichen sehr genau, wenn sie nicht akzeptiert oder respektiert werden. Ich denke, keiner von uns lässt sich gerne belächeln! Dürfen wir ihnen das, wo wir uns für sie verantwortlich fühlen, zumuten?
Ein anderes Beispiel: Eine Bewohnerin, die in Bad Oeyn-hausen in der Stadt lebt, sehe ich häufig bei schönem Wetter alleine spazieren gehen. Sie schaut keinen an, sie läuft über den Asphalt, einfach so vor sich hin. Auf dem Wittekindshofer Gelände hätte sie vielleicht ganz andere Möglichkeiten. Aller-dings: Beschwert hat sie sich bis heute nicht, vielleicht emp-finde nur ich das? Auf jeden Fall empfinde ich in diesem Mo-ment so etwas wie Mitleid.
Andererseits gibt es eine große Anzahl von Bewohnerinnen und Bewohnern im SoLe-Bereich, die offenkundig sehr gut in und mit ihrer Umgebung klar kommen und sich dort wohl fühlen. Unzweifelhaft bedeutet das eine Steigerung ihrer Le-bensqualität.
Trotzdem sollten wir gut überlegen, wer wo wohnt. Mein Eindruck ist es, dass das Gründungsgelände des Wittekindsho-fes ein guter Lebensraum für solche Menschen mit Behinde-rung ist, die sich damit schwer tun, Gefahren für sich alleine abzuschätzen.
Eine besondere Herausforderung ist es für mich als Pallia-tivmedizinerin (Palliativmedizin bedeutet die Behandlung von Menschen, deren Erkrankung weit fortgeschritten ist, weiter rasch fortschreitet und deren Heilung nicht mehr möglich ist, Anm. d. Red.), schwerstkranke Menschen innerhalb des Witte-kindshofes zu betreuen. Dabei musste ich lernen, dass dies im medizinischen Bereich völliges Neuland ist. So sehr die palli-ative, also die symptomorientierte Behandlung für Menschen ohne Behinderung in der Gesellschaft akzeptiert ist, ist sie in der Behindertenmedizin noch ein seltenes Thema. Denn hier fehlt uns die Erfahrung. Aber trotzdem müssen wir sie den Bewohnerinnen und Bewohnern anbieten, denn auch sie wer-den durch die verbesserte medizinische Versorgung älter und deshalb auch altersbedingt krank.
Ich habe es bis heute nicht bereut, das Angebot der ärztlichen Betreuung von Menschen aus der Diakonischen Stiftung Witte-kindshof anzunehmen. Das Arbeiten mit Menschen mit Behin-derung zeigt medizinisch ständig neue Herausforderungen und bietet immer wieder Anlass, das eigene Leben zu überdenken.
Anke Richter ist Fachärztin für Innere Medizin mit hausärztlicher Ver-
sorgung sowie Palliativmedizin und hausärztliche Geriatrie. Sie hat in
Gießen studiert, danach folgte die Ausbildung zur Fachärztin in Lich
bei Gießen. 1998 wechselte sie in das Herz- und Diabeteszentrum nach
Bad Oeynhausen. Seit 2002 ist sie dort als niedergelassene Ärztin
tätig.
Sie lachen, winken, sprechen einen an, haben keinerlei Hemmungen und – das finde ich das Schöne – sie wirken in keiner Weise distanzlos. Sie sind hier ganz offenbar zu Hause!
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Wittekindshof
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Wilf
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Wittekindshof
Durchb l i ck 2 -2012 3 9
ach, wie wird an diesem Orte meine Seele fröhlich sein …
„Endlich mal raus! Raus aus dem täglichen Trott und die Seele baumeln lassen!“ So denken viele Menschen, wenn sie in den nächsten Tagen in den Urlaub aufbrechen. Die schönste Zeit des Jahres, wie man sagt.
Und dann fährt und fliegt man mit der Familie oder mit einer Gruppe in die ganze Welt, in die verschiedens-ten Gegenden: an weite Strände mit weißem Sand, an ein blaues Meer, in die Berge und an die Seen, in faszinie-rende Städte mit schöner Architektur und ruhmreicher Geschichte.
Der tägliche Kram, der einen zu Hause umgibt, kann für eine Zeit vergessen werden. Eine Unterbrechung des Alltags. „Ich habe mich gut erholt“, sagen viele, wenn sie zurückgekommen sind. Und die Farbe im Gesicht ist fast so etwas wie ein Beweis dafür. Gut erholt, und vielleicht auch wieder ausgerüstet mit viel Freude auf die Aufgaben des Alltags. Die Unterbrechung durch den Urlaub tut meistens gut.
Solche Unterbrechung erinnert mich ein wenig daran, was in unseren Gottesdiensten geschieht. Das mag über-raschend klingen. Aber ich glaube, unsere Gottesdienste sind auch eine Art Unterbrechung: notwendig und sehr heilsam. Gottesdienste sind natürlich keine Urlaubsreise. Und Farbe im Gesicht bekommt man da in der Regel auch nicht.
Aber ist es nicht so, dass man auch dort „die Seele baumeln“ lässt? Am Anfang eines Gottesdienstes singen wir manchmal: „Tut mir auf die schöne Pforte, führt in Gottes Haus mich ein; ach, wie wird an diesem Orte meine Seele fröhlich sein“. Eine Erquickung für die Seele erhof-fen wir uns im Hause Gottes.
Das geschieht, auch wenn wir da als Gemeinde, als Gemeinschaft versammelt sind, sicherlich auf ganz indi-viduelle Weise. Jede und jeder mag etwas anderes finden,
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woran die Seele sich erquicken kann: das Vorspiel der Orgel, die Melodie eines Liedes, die Sonnenstrahlen, die durch die Kirchenfenster hereindringen, einzelne Wen-dungen in Gebeten, Gedanken aus der Predigt, die einen weiter beschäftigen und uns etwas Neues sehen lassen. Mit all diesen Dingen begegnet uns Gott, um uns zu er-quicken. Was uns sonst umtreibt – Sorge, Ängste, Verlet-zungen, aber auch Freude –, das wird mit Gott in Verbin-dung gebracht. Das geschieht, damit wir in unseren Sor-gen unterbrochen und in unserer Freude gestärkt werden.
Das geschieht, damit wir die Wahrheit über uns erken-nen: Ich bin ein Kind Gottes, wir sind Gottes Kinder. So wie uns mitunter unbeschwerte Kindertage zur Urlaubs-zeit vor Augen stehen und wir uns gern an sie erinnern, so blitzt diese Erkenntnis im Gottesdienst auf. Wir zehren von ihr. Gelassenheit breitet sich aus.
Gottesdienst heißt ja: Gott dient uns. Er unterbricht uns auf heilsame Weise. Wir erfahren, was uns wirklich trägt bei allem, was wir in unserem Alltag tun und lassen.
Dies können wir nicht wie einen Urlaub buchen – wir können es uns nur schenken lassen. Die schöne Pforte tut sich für uns auf. „Hier ist Gottes Angesicht, hier ist lauter Trost und Licht“, heißt es weiter in dem Lied. Ein neues Licht fällt auf unser Leben und unseren Alltag. Und damit verändert sich auch der tägliche Trott. Unser Blick weitet sich. Wir entdecken, was alles möglich ist.
Wenn wir aus einem Gottesdienst kommen, sagen wir wohl nicht: „Ich bin gut erholt.“ Aber vielleicht denken wir: „Ich habe neuen Schwung bekommen.“ Und wir gehen fröhlich in den Alltag hinein – von Gottes Licht begleitet.
Michael KrauseSuperintendent im Evangelischen Kirchenkreis Herford
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