E-Demokratie: Chancen, Grenzen, Perspektiven

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    Grard Bkenkamp

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    Einfhrung

    Das Internet ist zu einem allgegenwrtigen Instrument der Kommunikation und Informationgeworden. Die Entwicklung ist rasant und gehrt wohl zu den strksten gesellschaftlichenTrends der letzten zehn Jahre. Die Politik ist von diesem Grotrend natrlich nicht unberhrtgeblieben. Das Internet beeinflusst den Willensbildungsprozess in der Bevlkerung und vern-dert die Medienlandschaft radikal. Von Beginn des Internetzeitalters an bestand der Gedanke,dass die Demokratie von dieser Vernderung im Sinne grerer Beteiligungsmglichkeiten derBrger profitieren knnte. Diese Anstze werden unter der berschrift E-Demokratie zusam-mengefasst. Darunter fallen aber sehr unterschiedliche Phnomene, wie die Erweiterung derPetitionsmglichkeiten, die effektivere Organisation der Brgergesellschaft, die vereinfachteKommunikation mit der Verwaltung und Information ber politische Planungsvorhaben und dieTeilnahme an demokratischen Wahlen ber das Internet.

    Das Grundgesetz und das WahlrechtDas Wahlrecht ist das zentrale Beteiligungsrecht in einer Demokratie. Da ist es zunchstnaheliegend, im Zuge der Diskussion ber E-Demokratie darber nachzudenken, tatschlichauch die Wahlen fr die demokratischen Vertretungen online durchzufhren, um mit dem Gangzum Wahllokal eine Hrde zu beseitigen. Mit dem Wegfall dieser Hrde knnte unter Umstndeneine hhere Wahlbeteiligung zu erreichen sein. Der Abstimmung ber das Internet sind jedochin Deutschland klare rechtliche Grenzen gesetzt. Das Grundgesetz schreibt allgemeine, glei-che und geheime Wahlen vor. Das heit, keine Gruppe darf aus wirtschaftlichen oder sozialenGrnden vom Wahlakt ausgeschlossen sein, wenn das festgesetzte Wahlalter erreicht wurde.Jeder Wahlberechtigte verfgt ber die gleiche Anzahl von Stimmen. Durch den Grundsatz dergeheimen Wahl soll jeder soziale Druck auf den Wahlberechtigten genommen werden.

    Die Briefwahl als Analogie zur Online-WahlDas Prinzip der allgemeinen Wahl kann so ausgelegt werden, dass der Gesetzgeber dazu ver-pflichtet ist, neben dem Recht auf die Teilnahme an der Wahl auch die tatschliche Mglichkeitzu schaffen, an der Wahl teilzunehmen. Dazu gehrt auch, Personen, denen es aus gesundheit-lichen oder anderen Grnden nicht mglich ist, am Wahltag ein Wahllokal zu besuchen, eineAlternative anzubieten. Deshalb besteht die Mglichkeit der Briefwahl. Diese Wahlmglichkeitsteht jedoch im Konflikt mit dem Prinzip der geheimen Wahl, weil bei der Briefwahl nicht ge-whrleistet ist, dass nicht ein Dritter Einsicht in den Wahlakt genommen hat. Deshalb darf demWahlrecht gem die Briefwahl nicht zur Regel werden, sondern soll nur bei Bestehen eines

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    wichtigen Verhinderungsgrundes am Wahltag eingerumt werden.1 Dass der Whler den Wahl-akt geschtzt vor den Blicken Dritter vollziehen kann, muss jedoch den Vorgaben des Wahl-rechts entsprechend die Regel bleiben. Daraus folgt, dass auch der Wahlabstimmung ber dasInternet durch das Wahlrecht prinzipielle Grenzen gesetzt sind.

    Die Zulssigkeit von Online-WahlenOnline-Wahlverfahren sind nur dann zulssig, wenn ein Verhinderungsgrund fr die Teilnahmean der Wahl durch Besuch des Wahllokals vorliegt. Das heit, die Online-Wahl knnte nur aufAntrag hin erfolgen. Es msste wie bei der Briefwahl eine eidesstattliche Erklrung abgegebenwerden, dass die Stimme frei und ohne Druck abgegeben wurde. Es msste auerdem mglichsein, auch ber das Internet eine ungltige Stimme abzugeben wie bei der Wahl im Wahl-lokal. Ein manipulierter Eingriff muss technisch ausgeschlossen sein. Das Online-Wahlverfah-ren msste auch nachtrglich berprfbar sein, ohne dass die Stimme dem jeweiligen Wahlbe-rechtigten zugeordnet werden kann. Zu diesem Zweck msste die Identitt des Stimmberech-tigten und die Auswertung des Stimmergebnisses in zwei voneinander getrennten Schrittenvorgenommen werden wie bei der Briefwahl.2 Nur unter diesen Auflagen und Einschrnkungenwre die Einfhrung von Online-Wahlen erlaubt. Dies gilt fr die Wahl zu reprsentativen Ver-tretungen ebenso wie fr Wahlen zu direktdemokratischen Entscheidungen. Die Erfahrungenmit Wahlautomaten und auch Wahlbetrug in anderen Lndern stimmen skeptisch, ob die elek-tronische Wahl das selbe Vertrauen genieen wrde wie die Abstimmung mit dem Stimmzettel.

    Ein klarer Vorteil gegenber den etablierten Verfahren ist nicht erkennbar.

    Kommunikation zwischen Parteien und Volksvertreternund dem BrgerWhrend dem Einsatz des Internets bei den Wahlen selbst Grenzen gesetzt sind, besteht dieMglichkeit, ber das Internet als Brger auf andere Weise Einfluss auf den demokratischenEntscheidungsprozess zu nehmen. Im Prinzip ndert sich hier nicht grundstzlich etwas. DerZugewinn durch den Einsatz des Internets besteht nicht in vllig neuen Institutionen, sondernin der effektiveren Nutzung der alten. Es war auch vor dem Internetzeitalter mglich, seinemAbgeordneten zu schreiben, zu Stellungnahmen aufzufordern oder diesen in der Sprechstun-de auf bestimmte Probleme hinzuweisen, und man konnte sich auch schon vorher mit diesenAnliegen an Parteien und ihre Gliederungen wenden. Inzwischen knnen solche Anfragen auf

    Online-Plattformen oder per E-Mail von jedem Internetanschluss aus erfolgen, was die Hrdenfr solche Anfragen senkt.

    Zustzlicher Informationskanal fr Politik und ParteienDieser Weg vom Brger zum Politiker ist keine Einbahnstrae. Nicht nur die Brger erreichenihre Vertreter schneller ber das Internet als bisher, auch Politiker und Parteien haben ber ih-ren Webauftritt, Newsletter und soziale Medien zustzliche Kanle fr die Kommunikation mitihrer Basis und der Brgerschaft gewonnen. Politiker und Parteien erhalten zudem auf dieseWeise neben den regelmigen demoskopischen Untersuchungen ein zustzliches Instrumentzur Abschtzung der allgemeinen Stimmungslage zu einzelnen Themen und Problemen. Par-

    1 Esfandiar Khorrami: Bundestagswahlen per Internet, S. 74.2 Esfandiar Khorrami: Bundestagswahlen per Internet, S 76.

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    teien knnen ihren Email-Eingang nach inhaltlichen Gesichtspunkten untersuchen und damitThemen und Meinungen identifizieren, die fr viele Brger von besonderer Bedeutung sind.

    Online-PetitionenEine besondere Form, sein Anliegen der Politik vorzutragen, ist die Petition. Das Petitionsrechtist sogar im Grundgesetz verankert. Nach Artikel 17 des Grundgesetzes hat jedermann dasRecht, sich einzeln und mit anderen gemeinsam schriftlich mit Bitten und Beschwerden anden Bundestag zu wenden. Dem Petitionsausschuss obliegt es, die Bitten und Beschwerdenzu prfen.3 Die Mglichkeiten Petitionen einzureichen besteht seit 2005 auch elektronisch.Einzelpetitionen werden ber ein Online-Formular eingereicht. ffentliche Petitionen werdenmit Begrndung und der Angabe des Namens des Einreichenden fr eine bestimmte Zeit onlinegestellt. Wer sich der Petition anschlieen will, kann diese durch eine Mitzeichnung im Inter-net untersttzen.4 Das ist ein Beispiel dafr, wie Konzepte von E-Demokratie und klassische, inGrundgesetz verankerte Beteiligungsformen miteinander verschmelzen und damit eine quali-tative Aufwertung erfahren.

    E-Demokratie und politisches EngagementZur Demokratie gehren neben den offiziellen Entscheidungsinstitutionen auch die ganzePalette des Brgerengagements in Initiativen, durch Demonstrationen, Kundgebungen, poli-tische Bildung und Nichtregierungsorganisationen. Die neuen sozialen Netzwerke erleichternes Gleichgesinnten, sich zu finden und Kontakt zu pflegen. Dies erleichtert es, eine Schweige-spirale im Sinne des Begriffs von Elisabeth Noelle-Neumann aufzubrechen. Darunter verstandNoelle-Neumann, dass diejenigen verstummen, die durch die Berichterstattung den Eindruckgewinnen, sie seien in der Minderheit. ber soziale Netzwerke im Internet knnen Gegenposi-tionen aufgebaut werden und sich jenseits der verffentlichten Debatte Initiativen zusammen-finden. Ein Beispiel dafr war die Pro-Stuttgart-21-Bewegung, die sich vor allem ber Facebookorganisiert hat und sich trotz fehlender Berichterstattung schlielich beim Referendum berStuttgart 21 durchgesetzt hat.5 Das Internet ermglicht auf kostengnstige Art und Weise frseinen Standpunkt zu werben, Untersttzer und Spender zu finden und senkt damit die Mark-teintrittsbarrieren fr Brgerinitiativen.

    E-Government und moderne Verwaltung

    Neben der direkten Beteiligung und der Partizipation und Einflussnahme an den Entscheidungs-prozessen, bestehen unter dem Begriff E-Goverment die Mglichkeiten, den Brgern onlinemehr Informationsmglichkeiten und Serviceangebote bei der Umsetzung der staatlichen Ma-nahmen und fr die Verwaltungsakte zur Verfgung zu stellen. Auf der ersten Ebene verfgenBehrden und Verwaltungseinheiten ber eine einfache Webprsenz. Auf der zweiten hherenEbene werden dort Informationen ber Inhalte und Ablufe leicht verstndlich zugnglich ge-macht. Auf der dritten Ebene werden neben den Informationen auch Dienstleistungen und in-teraktive Kommunikation angeboten. Auf der vierten Ebene knnen bestimmte Transaktionen

    3 Grundstze des Petitionsausschusses ber die Behandlung von Bitten und Beschwerden, gefunden auf: http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a02/grundsaetze/verfahrensgrundsaetze.html

    4 Portal des Deutschen Bundestages zum Einreichen von Online-Petitionen: http://www.bundestag.de/service/

    glossar/O/online_petition.html5 Vortrag von Tim Stephan, auf dem Kolloquium Vorbild Schweiz Direkte Demokratie in Deutschland? derFriedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit am 18.10.2012

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    durchgefhrt werden. Auf der hchsten Ebene sind Online-Auftritt und Services bruchlos in dieadministrativen Ablufe integriert. Informationen knnen abgerufen, Antrge ausgefllt undeingereicht werden, Untersttzung wird geleistet, Nachfragen beantwortet und die Vorgngeknnen so weit wie nur mglich von zu Hause aus ber Internet abgewickelt werden. UnntigeBehrdengnge und Schreiben werden vermieden.6 Voraussetzung dafr ist, dass Datenschutzund Internetsicherheit gewhrleistet sind.

    FazitDas Internet verndert die demokratischen Prozesse, ohne die Prozesse jedoch selbst grund-stzlich infrage zu stellen. Es fhrt vielmehr dazu, dass Eintrittsbarrieren fr das demokra-tische Engagement und Hrden fr die Beteiligung am demokratischen Prozess abgebaut wer-den und die Kommunikation zwischen Brger und Behrden effektiver gestaltet werden kann.Dem Brger knnen Informationen schnell zugnglich zur Verfgung gestellt werden und dieInteraktion zwischen Institutionen, Politikern und Parteien mit dem Brger wird vereinfacht.Politik und Parteien wird die Mglichkeit geboten, auch an den traditionellen Medien vorbeiihre Whlerschaft direkt zu erreichen. Die sozialen Netzwerke bieten dem Brger eine neuePlattform zur Vernetzung, was die Organisation politischer Aktionen und den Aufbau vonInitiativen erleichtert. Durch das Instrument der Online-Petition wird der Petitionsweg fr dieBrger verkrzt. Dem Einsatz des Internets bei demokratischen Wahlen sind jedoch durch dasGrundgesetz berechtigte und nachvollziehbare Grenzen gesetzt. Wie die Briefwahl drfte die

    Abgabe der Stimme online nur in begrndeten Ausnahmefllen erfolgen und nicht zur Regelwerden. Die Grundstze der allgemeinen, gleichen und geheimen Wahl und die Anforderungenan einen geordneten Wahlprozess bestimmen den Rahmen fr den Einsatz von Wahltechnikund nicht die Wahltechnik bestimmt das Verfahren.

    Literatur:Grundstze des Petitionsausschusses ber die Behandlung von Bitten und Beschwerden, ge-funden auf: http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a02/grundsaetze/verfahrens-grundsaetze.html

    Esfandiar Khorrami: Bundestagswahlen per Internet. Zur rechtlichen und tatschlichen Reali-sierbarkeit von Internetwahlen, Baden-Baden 2006.

    A. Manoharan, M. Holzer (Hrsg.): E-Governance and Civic Engagement, Hershey 2012.

    Portal des Deutschen Bundestages zum Einreichen von Online-Petitionen, auf: http://www.bundestag.de/service/glossar/O/online_petition.html

    Tim Stephan, Vortrag auf dem Kolloquium Vorbild Schweiz Direkte Demokratie in Deutsch-land? der Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit am 18.10.2012

    6 A. Manoharan, M. Holzer (ed.): E-Gouvernance and Civic Engagement, Hershey 2012.