Echte Liebe: Jürgen Klopp, Dortmund und der BVB

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BORUSSIA DORTMUND Wie der Deckel auf dem Pott: Der Meistertrainer und der BVB August 2012 Deutschland EUR 4,50 / Österreich EUR 5,00 / Luxemburg EUR 5,20 / Schweiz sfr 7,90 Olympia Faszination Feldhockey Deutschlands erfolgreichste Teamsportart • Plus: Volleyball: Georg Grozer in Vaters Fußspuren 08/2012 LIES DEN SPORT! Extremsport Hart am Limit Grips & Kraft: Der stärkste Mann Deutschlands • Report: Zwischen Abenteuerlust und Wahnsinn Leichtathletik Carl Lewis’ Erbe Weitsprung-Europameister Sebastian Bayer auf Medaillenjagd. Plus: Speerwurf und Paralympics Bundesliga 18 Vereine, 18 Ziele Liga-Kompass: So viel Süden war noch nie! • Oliver Pocher über Fernsehbeweis und Fan-Dasein PHÄNOMEN KLOPP SPEZIAL: 30 SEITEN FUSSBALL

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Noch vor wenigen Jahren stand Borussia Dortmund vor der Pleite, eine ganze Stadt litt Höllenqualen. Dortmund und der BVB – das ist eine über Jahrzehnte gewachsene Einheit, die sich nun über die Früchte seriöser Maloche freuen kann. Dank eines Trainers, der zum Club passt wie der Deckel auf den (Ruhr-)Pott.

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BORUSSIA DORTMUND

Wie der Deckel auf dem Pott: Der Meistertrainer und der BVB

August 2012 Deutschland EUR 4,50 / Österreich EUR 5,00 / Luxemburg EUR 5,20 / Schweiz sfr 7,90

OlympiaFaszination FeldhockeyDeutschlands erfolg reichste Teamsportart • Plus: Volleyball: Georg Grozer in Vaters Fußspuren

08/2012LIES DEN SPORT!

ExtremsportHart am LimitGrips & Kraft: Der stärkste Mann Deutschlands • Report: Zwischen Abenteuerlust und Wahnsinn

LeichtathletikCarl Lewis’ ErbeWeitsprung-Europameister Se bas tian Bayer auf Medaillenjagd. Plus: Speerwurf und Paralympics

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Bundesliga18 Vereine, 18 ZieleLiga-Kompass: So viel Süden war noch nie! • Oliver Pocher über Fernsehbeweis und Fan-Dasein

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Jürgen Klopp war mal wieder so richtig in seinem Element. Wie immer, wenn er sich als Entertrainer präsentieren und der ungezügelten Lust der freien Rede frönen darf. Dieses Mal trat der begabte Rhetoriker

nicht vor seiner Mannschaft, Journalisten oder im Fernsehen auf, sondern vor Studenten der Sporthochschule Köln. Der Hörsaal als Bühne, das Audi-torium platzte aus allen Nähten, 800 Studenten wollten sich die Show nicht entgehen lassen. Sie wurden nicht enttäuscht. „So viel wie in den letzten zwei Stunden habe ich hier an der Uni in den letzten drei Jahren nicht gelacht“, resümierte ein Student, als der Trainer seinen Vortrag beendet hatte. So ist das mittlerweile – wo immer Dortmunds Meistermacher aufläuft, fliegen ihm die Herzen zu (Gelsenkirchen und München vielleicht außen vor). Witzig, charmant, eloquent und verbindlich, dieser Mann vereint in sich alle Qualitäten, die nötig sind, um Menschen zu begeistern. Klopp, der 2001 bei dem in Abstiegsnöte geratenen Zweitligisten in Mainz mehr zufällig zu seinem Traumjob als Trainer kam und später als TV-Experte bundesweite Popularität erlangte, hat längst die nächsten Stufen auf der Karriereleiter erklommen. In Dortmund haben sie mit Spielern wie Mats Hummels, Mario Götze, Robert Lewandowski oder nun auch Marco Reus Spieler mit großer Strahlkraft unter Vertrag, doch der Star ist und bleibt der Trainer.

Noch vor wenigen Jahren stand Borussia Dortmund vor der Pleite, eine ganze Stadt litt Höllenqualen.

Dortmund und der BVB – das ist eine über Jahrzehnte gewachsene Einheit, die sich nun über die Früchte

seriöser Maloche freuen kann. Dank eines Trainers, der zum Club passt wie der Deckel auf den (Ruhr-)Pott.

Text: Felix Meininghaus

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Inzwischen ist Klopp nicht nur zum populären Vertreter seiner Zunft, sondern auch zur Werbe-Ikone aufgestiegen. Der Meister-trainer des Jahres 2012 hat tatsächlich Kaiser Franz Beckenbauer abgehängt. Nach Angaben des Magazins „Focus“ kommt der Dort-munder mittlerweile auf sieben Sponsorenverträge. „Klopp hat sich als Marke etabliert“, versichert Philipp Kupfer, Berater des Kölner Marktforschers „Sport & Markt“. Wegen seiner hohen Popularität und der charismatischen Ausstrahlung sei der Trainer universeller einsetzbar als andere Stars aus der Branche. Das, so Kupfer weiter, „spiegelt sich in seinen Sponsoreneinahmen in Höhe von mehr als 1,5 Millionen Euro wider“.

Klopp ist omnipräsent, er hat es sogar geschafft, den signifikanten Drei- bis Fünf-Tage-Bart zu versilbern, der längst sein Markenzei-chen geworden ist. Unter dem Slogan „Dein Bart für Deutschland” wirbt Dortmunds Trainer für einen Styleshaver frei nach dem alten Sportlermotto: „Wer rasiert – verliert.“ Glaubhafter kann diesen Spruch derzeit niemand rüberbringen, denn unter Klopp haben die Dortmunder tatsächlich das Verlieren verlernt. 28 Mal in Folge blieb der BVB in der vergangenen Saison in Folge ungeschlagen. Rekord. 81 Punkte hat der alte und neue Meister auf sein Konto geschaufelt. Rekord. Dazu kam der erste Gewinn des Doubles in der 103-jährigen Klubgeschichte. Den Branchenführer aus München hat die Borussia inzwischen fünfmal hintereinander besiegt. Natürlich ist auch das neuer Bundesligarekord. Kein Wunder, dass Sportdirektor Michael Zorc immer wieder betont, dieser Mann sei der mit Abstand beste Transfer seiner Amtszeit. Klopp und Borussia Dortmund, da haben sich zwei gesucht und gefunden. Das passt wie ein Deckel auf den Topf. Oder – um es im derben Ruhrpott-Slang zu formulieren: wie Arsch auf Eimer. Im Revier hat man sich an die Blickrichtung ge-wöhnt, die Tabelle von der Spitze aus nach unten zu betrachten, seit zwei Jahren präsentiert sich der BVB als Gesamtkunstwerk. Vorne-weg der Trainer, der junge, hungrige und hochtalentierte Spieler um sich geschart hat, die meisterhaft seine Philosophie auf dem Platz

umsetzen. Bei seinem Amtsantritt sprach Klopp von „Vollgasveran-staltungen“ und schuf eine Mannschaft, die sein Credo willig umsetzt. „Wir haben die Worte ,gierig bleiben‘ für uns entdeckt“, doziert Klopp, es sei die Aufgabe eines jeden Einzelnen, diesem Anspruch Tag für Tag gerecht zu werden.

Die mitreißenden Darbietungen fallen auf fruchtbaren Boden. Mehr als 80.000 Zuschauer im Schnitt sahen in der abgelaufenen Saison die Heimspiele ihrer Borussia. Auch dieser Wert bedeutet einen neuen Bundesligarekord, ja sogar europaweit ein Alleinstellungsmerkmal. Mehr als 25.000 Fans auf der größten Stehplatztribüne der Welt sorgen für eine Kulisse, die ihresgleichen sucht. Die „Gelbe Wand“ ist weit über das Ruhrgebiet hinaus Kult, die Stimmung, so Jürgen Klopp mache süchtig, wie er der Süddeutsche Zeitung verriet: „Es ist jedes Mal derselbe Kick, wenn du in dieses Stadion reinkommst. Du kriegst immer wieder Gänsehaut.“ Beim BVB sind sie stolz darauf, dass die angesehene britische Tageszeitung „Times“ das Dortmunder Stadion vor drei Jahren zum schönsten der Welt kürte. In der Rang-liste folgten das Guiseppe-Meazza-Stadion in Mailand vor Liverpools legendärer Anfield Road. Das sind Marketingargumente, mit denen sich hervorragend arbeiten lässt. Carsten Cramer spricht von einem „riesigen Potenzial und einer einzigartigen Strahlkraft“. Der gebür-tige Münsteraner arbeitet seit zwei Jahren für den Börsenklub als Direktor für die Bereiche Vertrieb, Marketing und Business Deve-lopment und hat in dieser Zeit mit dafür gesorgt, dass die Umsätze wachsen. Erstmals hat der Klub beim Umsatz in einem Geschäftsjahr die Grenze von 200 Millionen Euro überschritten, Tendenz steigend. Das ist immer noch rund ein Drittel weniger als Bayern München, aber immerhin hat es der BVB seine Einnahmen innerhalb von vier Jahren verdoppelt.

Borussia Dortmund als schillernde schwarz-gelbe Marke, die weit über das Ruhrgebiet hinaus strahlt, das war nicht immer so. In der über 100-jährigen Vereinsgeschichte war der BVB über Jahrzehnte hinweg eine kleine, regionale Nummer, die ihr Dasein im Schatten des großen FC Schalke 04 fristete. Heute nehmen sich die beiden dominierenden Klubs im Revier als Erzrivalen auf Augenhöhe wahr, vor dem Krieg war das Gefälle dagegen riesig. Königsblau bestimmte mit dem berühmten Kreisel – ein Passspiel mit direkten kurzen Päs-sen, von der S04-Mannschaft um Ernst Kuzorra kreiert – das Niveau, holte Titel en masse und delegierte sogar Trainer in die Nachbarstadt, um dem kleinen Bruder als Entwicklungshelfer unter die Arme zu greifen. Das Blatt wendete sich am 18. Mai 1947. Ein geschichtsträch-tiges Datum: Beim Endspiel um die Westfalenmeisterschaft gewann Dortmund gegen Schalke im Herner Stadion am Schloss Strünkede mit 3:2. Es war der erste Sieg überhaupt über den Nachbarn und zudem die Wende im Westen. Der BVB zog unbeirrt an der Kon-kurrenz vorbei. 1956 und 1957 folgten die beiden ersten Deutschen Meisterschaften, beide Titel gelangen in gleicher Besetzung, was vorher und nachher keinem anderen Klub gelingen sollte. Spätes-tens 1966, als die Borussia in Glasgow gegen den FC Liverpool als

Wenn der BVB ein Heimspiel austrägt, ist die Stadt wie menschenleer. 90.000 Zuschauer

passen in das Stadion, der Rest der Dortmunder feiert in Kneipen oder daheim am Fernseher.

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„WIR LAGEN IM VORZIMMER DER PATHOLOGIE.“BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke

erste deutsche Mannschaft den Europapokal gewann, hatte sich der Revierklub als Spitzenklub etabliert. Daran änderte auch die düstere Epoche der 70er-Jahre nichts, als der BVB in Liga zwei abstürzte und jahrelang in der Versenkung verschwand. Der Mythos war geboren und inzwischen so tief verwurzelt, dass der Fußballklub als Synonym für die Stadt gesehen wurde. Und umgekehrt.

Ein vergleichbares Phänomen bieten deutschlandweit nur zwei wei-tere Klubs: der FC Schalke 04 und der 1. FC Kaiserslautern. Mit dem Unterschied, dass Gelsenkirchen 250.000 Einwohner zählt und Kaiserslautern weniger als 100.000, während Dortmund mit mehr als einer halben Million Bewohnern weitaus größer ist. Wie eng die Beziehung zwischen Stadt und Klub ist, hat Marketingchef Cramer zuletzt gespürt, als der Pokalsieger aus Berlin zurückkehrte und Hunderttausende den Autokorso durch die Dortmunder Straßen begleiteten. „Diese Verschmelzung der Menschen mit den Fußballern, das war einzig-artig und sinnbildlich“, schwärmt Cramer. Bei der Auswertung der Berichterstattung ausländischer Medien in der diesjährigen Cham-pions League konnte Cramer feststellen, „dass fast ausschließlich die Südtribüne gezeigt wurde, wenn es um Dortmund ging. Unser Stadion ist das Wahrzeichen dieser Stadt.“ So sehen das auch andere Beobachter: „Dortmund, das ist nicht die Oper, die Uni, die Wirt-schaft. Dortmund, das ist der BVB“, hat der „Spiegel“ erkannt. Nur in dieser Stadt ist es möglich, dass der Oberbürgermeister im Schal des heimischen Fußballklubs ins Opernhaus geht, ohne schief angesehen

zu werden. Das Stück, das geboten wurde, hieß „Fangesänge – Fußball-Hymne in zwei Halbzeiten“. Der Intendant Jens-Daniel Herzog versuchte, mit diesem Kunstgriff eine Brücke zu schlagen zwischen seiner Institution und dem, was den Bürgern hier wirklich am Herzen liegt. „Diese Beziehung“, hat Herzog festgestellt, „hat etwas Irrationales, etwas Religiöses“.

Der Verein hat einen Slogan kreiert, der reichlich pathetisch daher kommt: Echte Liebe. Wohl wissend, dass man sich mit zwei solch starken Worten auf dünnem Eis bewegt. „Wir glauben, dass wir damit den Nerv treffen“, sagt Carsten Cramer, der aber auch weiß, „dass wir uns des Risikos immer bewusst sein müssen. Aber das schärft

die Sinne, um nah an den Fans zu bleiben, die für diesen Verein leben.“ Denn, so erkannte auch schon Jürgen Klopp gegenüber der SZ: „In Dortmund ist Fußball nicht diese schönste Nebensache der Welt. Es ist eine Hauptsache.“

Wie tief die Menschen der Stadt mit ihrem Fußballklub verwurzelt sind, zeigte sich in den Jahren des Niedergangs. Als das damalige Führungsduo aus Präsident Gerd Niebaum und Manager Michael Meier den Klub zu Beginn des neuen Jahrtausends nach dem Gewinn der Champions League mit größenwahnsinniger Attitüde erst an die Börse und dann an den Rand des wirtschaftlichen Ruins geführt hat-ten, litt ganz Dortmund Höllenqualen. Diese Angst, das Wertvollste für immer zu verlieren, war an jeder Straßenecke, in jeder Kneipe, an jeder Trinkbude zu spüren. Kapitän Sebastian Kehl erinnert sich an den Tag, „als bei mir ein Briefträger vor der Tür stand und weinte“.

Hans-Joachim Watzke, Jürgen Klopp und Michael Zorc hatten zuletzt gut lachen. Das BVB-Triumvirat

aus Geschäftsführer, Trainer und Sportdirektor führte den Verein zum historischen Double-Erfolg.

„IN DORTMUND IST FUSSBALL DIE HAUPTSACHE DER WELT.“ Jürgen Klopp

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weniger auf spektakuläre Transfers, sondern eher auf gutes und früh-zeitiges Scouting – so geschehen bei talentierten Nachwuchskräften wie Lars Bender, Kevin Großkreutz oder Marcel Schmelzer, die heute zum Stamm der Mannschaft gehören und keine Ablösesumme ge-kostet haben. Dass man dem Primus aus dem Süden auf diese Weise zuletzt sportlich nicht nur ebenbürtig war, sondern bittere Nieder-lagen zufügte, wurde im Revier mit diebischer Freude registriert.

Der Wegbereiter des neuen Stils heißt Michael Zorc. Der Sportdirek-tor kam als B-Jugendlicher vom Vorortklub TuS Eving-Lindenhorst zum BVB, dem er seit fast 35 Jahren ohne Unterbrechung treu ist. Und dabei auch sich selbst. Wenn Watzke das Gehirn und Klopp das Gesicht der Borussia ist, dann ist Zorc das Herz dieses Klubs. Dabei versteht sich Zorc in der ultrahoch erhitzten Branche Profifußball nicht als Marktschreier, sondern als Kaufmann, dem urwestfälische Tugenden wie Ruhe, Hartnäckigkeit und – da haben wir es wieder

– Bodenständigkeit auf den Leib geschnitten sind. In weniger erfolgreichen Zeiten ist dem Manager das immer wieder zum Nachteil aus-gelegt worden. Er bringe zu wenig Zirkusluft in die Manege und sei ein rechter Langeweiler.

Zorc hat sich davon nie beirren lassen, stattdessen ist er seinen Weg mit einer an Sturheit grenzenden Geradlinigkeit gegangen. Neulich ist er von einem Journalisten gebeten worden, seine beste Geschichte aus all den Jahren in Schwarz-Gelb zum Besten zu geben. Da hat Zorc gelächelt und gefragt, was um Himmels Willen er denn erzählen solle: „Ich bin doch so ein dröger Typ.“

Das muss nichts Schlechtes heißen. Im Gegenteil. In Zeiten, da die ersten Mahner vor der Gefahr warnen, die Macher in Dortmund könnten bei anhaltendem Erfolg zurück in die Großmannssucht vergangener Zeiten abdriften, kann dieser Mann zum wichtigsten Regulativ werden. Auch er betonte jüngst, dass der BVB sicher gerade bei den jungen Spielern, die erfolgshungrig sind, die sich weiterent-wickeln und den nächsten Schritt machen wollen, eine erstklassige Adresse sei. Wenn es also bei Borussia Dortmund eine Versicherung gibt, die heiligen Werte des Vereins kein zweites Mal zu verraten, dann ist das Michael Zorc. Der Sportdirektor wird sich auch weiter treu bleiben und sich im Hintergrund halten. Weil er mit Watzke einen Mann an seiner Seite ist, der die wirtschaftlichen Belange seines Klubs eloquent vertritt. Und dann gibt es für die Außendarstellung ja vor allem Jürgen Klopp, den geborenen Entertainer. Wann immer sich die Möglichkeit bietet, trägt „Kloppo“ die maximale Identifikation mit seinem Arbeitgeber in die Welt. So wie neulich vor den Studenten an der Kölner Sporthochschule. Dortmunds Trainer trat nicht im Sakko vor die werdenden Akademiker, sondern zünftig im schwarz-gelben Kapuzenpullover mit den Insignien seines Vereins. Er habe dieses Outfit „ganz bewusst gewählt“, betonte Klopp und fügte mit einem breiten Grinsen hinzu: „Obwohl ich in dem Ding schwitze wie ein Schwein.“

Bevor es zum Crash kam, wurde die Borussia – die unter der Schul-denlast etwa nicht mehr die Miete für ihr 2002 verkauftes Stadion be-zahlen konnte – gerettet. Im Februar 2005 war der Diplom-Kaufmann Hans-Joachim Watzke vom Präsidialausschuss des BVB auf dem Hö-hepunkt der Existenzkrise zum Geschäftsführer bestellt worden. Das sei eine rein emotionale Angelegenheit gewesen, die mit Ratio nichts zu tun gehabt habe, gab Watzke der Akademie Deutscher Genossen-schaften gegenüber als Beweggrund an. Jeder habe ihm abgeraten, „aber ich habe seit 40 Jahren BVB-Blut in den Adern. Dann macht man so etwas einfach.“ Und das, obwohl die Chancen zur Rettung auf maximal fünf Prozent beziffert worden seien. So wurden es drama-tische Stunden, im letzten Moment gelang es den Sanierern um den neuen Geschäftsführer, den Untergang zu verhindern. Es war der 14. März 2005, als Watzke und seine Mitstreiter in der „Event Terminal Halle“ des Düsseldorfer Flughafens ihr Endspiel erlebten. Es galt, die Anteilseigner des Stadionfonds Molsiris davon zu überzeugen, dem Sanierungskonzept der Borussia zuzustimmen und auf Geld zu verzichten. Ein schweres Un-terfangen, „uns schlug eine eisige Stimmung entgegen“, berichtet Watzke. Schließlich galt es, auf Gewinne zu verzichten, um nicht alles zu verlieren. „Wir lagen im Vorzimmer der Pathologie“, sagt Watzke, wenn er vom dramatischsten Tag seines Schaffens berichtet. Bei einer Ablehnung hätte der börsenorientierte Klub am nächsten Tag den Gang zum Insolvenzrichter angetreten. Doch die schwierige Übung gelang, die Sanierung konnte beginnen. Als Meilensteine bezeichnet Watzke dabei unter anderem die Namensumwandlung vom „Westfa-lenstadion“ zum „Signal Iduna Park“ sowie der Rückkauf des Stadions mithilfe der Morgan-Stanley-Bank. Längst ist der Patient Borussia vom Totenbett aufgestanden und kommt kraftstrotzend daher, als habe es den Überlebenskampf nie gegeben. Doch die Erinnerung an das Siechtum bleibt. Die neuen Macher achten darauf, Tugenden wie Bescheidenheit und Demut nach außen zu tragen – Tugenden, die laut Hans-Joachim Watzke ohnehin in allen Lebenslagen gut zu Gesicht stünden, gefolgt von Sekundärtugenden wie Pflichterfüllung, Disziplin und Fleiß, wie er in einem Interview betonte. So was kommt in einer Arbeiterstadt wie Dortmund an und ist eine solide Basis für die „echte Liebe“ zwischen Einwohnern und Verein.

Doch Watzke ist kein Alleinherrscher. Vielmehr wird die neue Er-folgsära von einem Erfolgstrio geprägt, und die meisten Entschei-dungen werden in letzter Konsequenz von Watzke, Trainer Jürgen Klopp und Sportdirektor Michael Zorc entschieden. Die drei Männer sind nicht nur beruflich, sondern auch freundschaftlich miteinander verbunden. Mit einem Augenzwinkern bezeichnen sie sich als „G3“. Der BVB der Neuzeit inszeniert sich als eine Art Gegenentwurf zum großen und übermächtigen FC Bayern München. Jung, dynamisch, sympathisch und mit einer bodenständigen Aufbruchstimmung ge-segnet, die von der ganzen Stadt mitgetragen wird. Sieht man mal von der Verpflichtung von Marco Reus ab, setzt Borussia Dortmund

KLOPP UND DER BVB – DAS PASST WIE ARSCH AUF EIMER.

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Titel verteidigt! Die BVB-Spieler Weidenfeller,

Subotic, Schmelzer und Teamkollegen feiern

am 21. April 2012 vorzeitig den Gewinn der

zweiten Deutschen Meisterschaft in Folge.

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