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500-jähRIGER INSPIRATOR DES LEISTLOGOS Auf der sonnseitigen Gassenflucht der oberen Münstergasse fällt die Fas- sade der Nr. 62 seit 1515 mit dem wunderbaren Erker auf. Unser Berner Maler Traffelet und viele andere Künstler haben diesen Aus- schnitt der Gasse Richtung Münster ge- malt, gefilmt oder fotografiert. In der vorreformatorischen Zeit wurden die zwei un- gleich breiten Wohnhäuser erbaut, die später vom neuen Besitzer mit Brandmauerdurchbrüchen ver- bunden wurden. Der Sohn des Besitzers, der Diplo- mat Bartholomäus May, gestaltete die Fassade des Berner Bürgerhauses um und errichtete den Steiner- ker an der Nahtstelle der beiden Hausteile. Der Voll- endungstag des Erkerträgers wurde eingemeisselt: «m:cccc:xv im erst tag ogst» und ist heute noch lesbar. In seiner 500-jährigen Geschichte präsentierte sich der Erker mal zwei-, mal dreigeschossig und mal mit und mal ohne Spitzhelm. Gehalten wird der Erker von der Halbfigur eines bär- tigen Atlanten im Narrenkleid, mit einer Kappe mit Eselsohren und seitlich erhobenen Armen. Darüber ist ein faltiges Schriftband mit unleserlicher Inschrift. Interessant, dass die Figur mit einem Kropf darge- stellt ist. Der Kropf war, als Folge einer Schilddrüsen- erkrankung, vor 500 Jahren noch weit verbreitet, was auch den zwerghaften Wuchs vieler Narren er- klären könnte. Die heutige Figur ist eine 1895 durch die Münsterbauhütte angefertigte Kopie. 1993, zum 125-jährigen Bestehen des ältesten Alt- stadtleistes, hat sich die Kesslergass-Gesellschaft ent- schlossen, den Erkerträger als Leist-Logo zu ver- wenden. Das im Original unleserliche Schriftband haben wir in unserem Logo schwungvoll mit Kess- lergass Gesellschaft beschriftet und auch unser Grün- dungsjahr 1868 fehlt nicht. Wir sind sehr stolz, auf ein solch schönes Bauwerk in unserem attraktiven Leistgebiet aufmerksam ma- chen zu dürfen. Alex Hadorn Präsident der Kesslergass-Gesellschaft Bern Herausgegeben von den Vereinigten Altstadtleisten Bern 31. Jahrgang | 3 / 2015 QUARTIER-ORGANISATIONEN IN BERN: SUBVENTIONIERT = ANERKANNT? Sind die Leiste überhaupt berechtigt, die Interessen der Unteren Altstadt zu vertreten? Müssten sie dafür – analog zu den Quartierkommissionen – nicht politisch organisiert sein? In letzter Zeit ist der Druck der Stadt auf die Leiste gestiegen, sich politisch aufzustellen. Ein Anlass für uns zu erläutern, warum diese Forderung viel Zündstoff birgt. Bevölkerungsstatistik Bern 2014 Editorial Doch beginnen wir am Anfang und definieren erst einmal Sinn, Zweck und Funktionieren der Leiste. Die Leiste der Unteren Altstadt wurden zwischen 1868 und 1883 gegründet. Zweck der Leiste war von Anbeginn, die Anliegen der Bevölkerung (An- wohner, Gewerbetreibende, Hauseigentümer) ge- genüber der Verwaltung zu vertreten. Die Leiste sind als gemeinnützige Vereine organisiert und politisch und konfessionell neutral. Die Leiste finanzieren sich über die Mitgliederbei- träge selbst. Neben den genannten Aufgaben als Quartiervertretung finanzieren und organisieren die Leiste die Weihnachtsbeleuchtung und die Beflag- gung in der Unteren Altstadt und bilden die Träger- schaft der Spysi und der BrunneZytig. Die fünf Unterstadtleiste sind in der Dachorganisation Verei- nigte Altstadt-Leiste (VAL) organisiert. Dieses Gre- mium trifft sich monatlich zum Austausch und koordiniert die Interessenvertretung gegenüber den Behörden der Stadt Bern. Der Unterschied zwischen Leisten und Quartierkommissionen Während die Leiste also politischer Neutralität ver- pflichtet sind, sieht dies bei den Quartierorganisa- tionen anders aus: Die Quartierkommissionen sind als politische Organe konzipiert. In ihren Vorständen nehmen Vertreter der Stadtratsparteien und Dele- gierte der Vereine Einsitz. Einzelmitgliedschaften gibt es gar nicht. Dies bedeutet, dass die politische Ein- flussnahme der Mehrheit (!) der Stadtratsparteien gewährleistet ist und über die sachpolitisch neutrale Interessenvertretung der Quartierbevölkerung, Ge- werbetreibenden und Hausbesitzer gestellt wird. Anders als die Leiste werden die Quartierorganisa- Fortsetzung Seite 2 STREITPUNKT BUSINESSAPARTMENTS: Warum sie der Altstadt schaden. Ein Gespräch mit VAL-Präsidentin Stefanie Anliker. Seite 11. DAS EINMANNFRIEDENSKOMMANDO: Wie Max Daetwyler im Rathauskeller auf die Idee kam, ganz alleine mit einer weissen Fahne bei den Mächtigen der Welt für Frieden zu werben. Seite 4. EIN SCHNAPSZAHLJUBILÄUM: Wie die Rathaus-Apotheke seit 444 Jahren am selben Standort überdauert hat. Seite 12. EIN ABSCHIED MIT ANSAGE: Wann im Puppen Theater Bern der letzte Vorhang fällt. Seite 18. DIE GROPPE: Was es mit diesem einst so beliebten Speise- fisch auf sich hat, lesen Sie in unserer Serie «Natur in der Unteren Altstadt». Seite 3. AUS DEM INHALT INFO Stadtteile Anerkannte Quartierorganisationen 1 Innere Stadt 2 Länggasse - Felsenau QLä Quartierkommission Länggasse-Felsenau 3 Mattenhof - Weissenbühl QM3 Quartiermitwirkung Stadtteil 3 4 Kirchenfeld - Schosshalde QUAV 4 Quartiervertretung IV 5 Breitenrain - Lorraine DIALOG Nordquartier 6 Bümpliz - Oberbottigen QBB Quartierkommission Bümpliz-Bethlehem Stadt Bern Total: 139’089

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500-jähRIGER INSpIRATORDES LEISTLOGOS

Auf der sonnseitigen Gassenflucht deroberen Münstergasse fällt die Fas-sade der Nr. 62 seit 1515 mit demwunderbaren Erker auf. UnserBerner Maler Traffelet und viele

andere Künstler haben diesen Aus-schnitt der Gasse Richtung Münster ge-

malt, gefilmt oder fotografiert.In der vorreformatorischen Zeit wurden die zwei un-gleich breiten Wohnhäuser erbaut, die später vomneuen Besitzer mit Brandmauerdurchbrüchen ver-bunden wurden. Der Sohn des Besitzers, der Diplo-mat Bartholomäus May, gestaltete die Fassade desBerner Bürgerhauses um und errichtete den Steiner-ker an der Nahtstelle der beiden Hausteile. Der Voll-endungstag des Erkerträgers wurde eingemeisselt:«m:cccc:xv im erst tag ogst» und ist heute noch lesbar.In seiner 500-jährigen Geschichte präsentierte sichder Erker mal zwei-, mal dreigeschossig und mal mitund mal ohne Spitzhelm. Gehalten wird der Erker von der Halbfigur eines bär-tigen Atlanten im Narrenkleid, mit einer Kappe mitEselsohren und seitlich erhobenen Armen. Darüberist ein faltiges Schriftband mit unleserlicher Inschrift.Interessant, dass die Figur mit einem Kropf darge-stellt ist. Der Kropf war, als Folge einer Schilddrüsen-erkrankung, vor 500 Jahren noch weit verbreitet,was auch den zwerghaften Wuchs vieler Narren er-klären könnte. Die heutige Figur ist eine 1895 durchdie Münsterbauhütte angefertigte Kopie.1993, zum 125-jährigen Bestehen des ältesten Alt-stadtleistes, hat sich die Kesslergass-Gesellschaft ent-schlossen, den Erkerträger als Leist-Logo zu ver-wenden. Das im Original unleserliche Schriftbandhaben wir in unserem Logo schwungvoll mit Kess-lergass Gesellschaft beschriftet und auch unser Grün-dungsjahr 1868 fehlt nicht. Wir sind sehr stolz, auf ein solch schönes Bauwerkin unserem attraktiven Leistgebiet aufmerksam ma-chen zu dürfen. Alex Hadorn

Präsident der Kesslergass-Gesellschaft Bern

Herausgegeben von den Vereinigten Altstadtleisten Bern 31. Jahrgang | 3 / 2015

QUARTIER-ORGANISATIONEN IN BERN:SUBVENTIONIERT = ANERKANNT? Sind die Leiste überhaupt berechtigt, die Interessen der Unteren Altstadt zu vertreten? Müsstensie dafür – analog zu den Quartierkommissionen – nicht politisch organisiert sein? In letzter Zeitist der Druck der Stadt auf die Leiste gestiegen, sich politisch aufzustellen. Ein Anlass für unszu erläutern, warum diese Forderung viel Zündstoff birgt.

Bevölkerungsstatistik Bern 2014

Editorial

Doch beginnen wir am Anfang und definieren ersteinmal Sinn, Zweck und Funktionieren der Leiste.Die Leiste der Unteren Altstadt wurden zwischen1868 und 1883 gegründet. Zweck der Leiste warvon Anbeginn, die Anliegen der Bevölkerung (An-wohner, Gewerbetreibende, Hauseigentümer) ge-genüber der Verwaltung zu vertreten. Die Leiste sindals gemeinnützige Vereine organisiert und politischund konfessionell neutral.

Die Leiste finanzieren sich über die Mitgliederbei-träge selbst. Neben den genannten Aufgaben alsQuartiervertretung finanzieren und organisieren dieLeiste die Weihnachtsbeleuchtung und die Beflag-gung in der Unteren Altstadt und bilden die Träger-schaft der Spysi und der BrunneZytig. Die fünfUnterstadtleiste sind in der Dachorganisation Verei-nigte Altstadt-Leiste (VAL) organisiert. Dieses Gre-mium trifft sich monatlich zum Austausch undkoordiniert die Interessenvertretung gegenüber denBehörden der Stadt Bern.

Der Unterschied zwischen Leisten und Quartierkommissionen Während die Leiste also politischer Neutralität ver-pflichtet sind, sieht dies bei den Quartierorganisa-tionen anders aus: Die Quartierkommissionen sindals politische Organe konzipiert. In ihren Vorständennehmen Vertreter der Stadtratsparteien und Dele-

gierte der Vereine Einsitz. Einzelmitgliedschaften gibtes gar nicht. Dies bedeutet, dass die politische Ein-flussnahme der Mehrheit (!) der Stadtratsparteiengewährleistet ist und über die sachpolitisch neutraleInteressenvertretung der Quartierbevölkerung, Ge-werbetreibenden und Hausbesitzer gestellt wird.Anders als die Leiste werden die Quartierorganisa-

Fortsetzung Seite 2

STREITPUNKT BUSINESS-APARTMENTS:

Warum sie der Altstadt schaden. Ein Gesprächmit VAL-Präsidentin Stefanie Anliker. Seite 11.

DAS EIN-MANN-FRIEDENSKOMMANDO: Wie Max Daetwylerim Rathauskeller auf die Idee kam, ganz alleine mit einerweissen Fahne bei den Mächtigen der Welt für Frieden zuwerben. Seite 4.

EIN SCHNAPSZAHL-JUBILÄUM: Wie die Rathaus-Apothekeseit 444 Jahren am selben Standort überdauert hat. Seite 12.

EIN ABSCHIED MIT ANSAGE: Wann im Puppen Theater Bernder letzte Vorhang fällt. Seite 18.

DIE GROPPE: Was es mit diesem einst so beliebten Speise-fisch auf sich hat, lesen Sie in unserer Serie «Natur in derUnteren Altstadt». Seite 3.

AUS DEM INHALTINFO

Stadtteile Anerkannte Quartierorganisationen1 Innere Stadt 2 Länggasse - Felsenau QLä Quartierkommission Länggasse-Felsenau3 Mattenhof - Weissenbühl QM3 Quartiermitwirkung Stadtteil 34 Kirchenfeld - Schosshalde QUAV 4 Quartiervertretung IV5 Breitenrain - Lorraine DIALOG Nordquartier6 Bümpliz - Oberbottigen QBB Quartierkommission Bümpliz-Bethlehem

Stadt Bern Total: 139’089

2 BrunneZytig11. September 2015 Titelgeschichte

tionen gemäss Gemeindeordnung (GO 101.1, Art.32) und des Reglements über die politische Rechte(RPR 141.1, Art. 87 ff.) von der Stadt mit über300‘000 Franken subventioniert (Erhöhung derSubventionen z.Z. im Stadtrat in Diskussion, eine In-fragestellung ebenso, wie «Der Bund» und die «BZ»am 26./27.8.15 berichteten).

Wie repräsentativ sind die Leiste?Die Anwohnenden, die Kleingewerbler/Dienstleister,die Hauseigentümer – sie alle prägen die Untere Alt-stadt und machen unser Quartier zu einem (zumin-dest vorläufig noch) sozial einigermassen gutdurchmischten Stadtteil. Jeder und jede Anwoh-ner/in kann Mitglied im Leist werden, jedes Geschäftund jeder Hausbesitzende. Und erhält damit auch einpassives Wahlrecht. Viele Anwohner und Geschäfts-leute nehmen diese Möglichkeit wahr und werdenvon ihren jeweiligen Leisten und der VAL gemässStatuten vertreten. Das heisst: Die Leiste können fürsich in Anspruch nehmen, einen grossen Teil derMenschen, die im Quartier leben und/oder arbeiten,zu repräsentieren.

Wie repräsentativ sind die «Altstadtsitze» imStadtrat?Bei den Stadtratswahlen indes ist nur ein Teil derAnwohnerschaft stimm- und wahlberechtigt, näm-lich jene, die Schweizer Bürger sind und in BernHauptwohnsitz haben. Dies trifft wohl auf maximaldie Hälfte der Wohnungsnutzenden in der Altstadtzu. Derselbe Grundsatz gilt auch für Geschäftsinha-ber und Hauseigentümer, obwohl sie unser Quartiermassiv mitgestalten und auch (zum Teil erhebliche)Steuern an die Stadt abliefern.

Wenn nun gesagt wird, dass eine politische Organi-sation der Leiste, aufgeschlüsselt nach der Verteilungder Stadtratssitze, ein besseres Abbild der Quar-tiermeinung ergebe als die bestehende Vereins-struktur, dann kann dies, wie obige Fakten zeigen,nicht zutreffen. Die Mitgliederzusammensetzung derLeiste der Unteren Altstadt ist repräsentativer.

Basisdemokratie bei den LeistenDie Leistvorstände und die Präsidentinnen oder Prä-sidenten werden durch die Mitglieder an den Haupt-

versammlungen gewählt und sind damit auch legiti-miert. Sämtliche interessierten Mitglieder könnensich zur Wahl stellen. Die Strukturen sind also allenoffen. Gemäss Statuten ist jeder Gassenleist durchdie Präsidentin oder den Präsidenten in den VALvertreten. Diese Aufgabe ist nicht an persönlicheKriterien (wie z. B. Parteizugehörigkeit, Pass, Wohn-sitz oder Ähnliches) gebunden. Jede Person, diediese Aufgabe wahrnehmen möchte, kann sich fürdas Amt zur Verfügung stellen.

Bündelung der unterschiedlichen InteressenDie VAL wurden gegründet, um die heterogenen In-teressen aus der Altstadt zu koordinieren und ge-genüber den Behörden und weiteren Ansprechs-partnern differenziert und einheitlich zu vertreten.Wenn irgendwo der Schuh drückt, können dieseüber kurze Informationswege die zuständigen Per-sonen kontaktieren und gemeinsame Lösungen er-arbeiten. Dieses System hat sich sehr bewährt. DieVAL treffen sich zudem mehrmals jährlich mit Ver-tretern verschiedener Direktionen, u.a. mit Gemein-derätin Ursula Wyss und Gemeinderat Reto Nause.Neu sind die VAL auch an den 2 x im Jahr stattfin-denden Sitzungen der Quartierkommissionen mitden Vertretern der Verwaltung vertreten.

Bevorzugung der QuartierorganisationenDennoch gilt: Die Leiste werden im Austausch mitden Behörden weniger wahrgenommen als dieQuartierorganisationen. Diese sind von der Stadtsubventioniert und fallen allein schon deshalb mehrauf. Schliesslich befindet der Stadtrat in den Budget-verhandlungen über diese Gelder. Als jüngstes Bei-spiel sei genannt, dass die VAL in der Vernehmlas-sung zum Stadtentwicklungskonzept erst auf eigeneInitiative zu den Gesprächen zugelassen wurden.

Die finanzielle Lage der Leiste ist aufgrund der stei-genden Ausgaben für die Öffentlichkeit (Weih-nachtsbeleuchtung, Beflaggung) angespannt. Anfra-gen um diesbezügliche Unterstützung wurden bisanhin seitens der Behörden abgewiesen mit der Be-gründung, dass die Leiste, weil nicht politisch orga-nisiert, als Quartiersvertretungen nicht anerkanntwerden könnten.

Auch Bern Tourismus, ebenfalls mit öffentlichenGeldern ausgestattet, sieht keinen Grund, die Leistein ihrem Aufwand für die Öffentlichkeit zu unter-stützen. Einzig die Burgergemeinde Bern anerkanntediese Tätigkeit dankenswerterweise und hilft miteinem namhaften Beitrag, die Weihnachtsbeleuch-tung zu finanzieren.

Die politik will sich durchsetzen... Die Untere Altstadt steht also vor dem Problem, dasswichtige Entscheide, welche die Weiterentwicklungunseres Quartiers nachhaltig beeinflussen, politisch«von oben» aufgedrückt werden. Die gut funktionie-rende Begegnungszone – Basis für das Überlebender kleinstrukturierten Geschäfte – gerät politischimmer wieder unter Druck, auch die Linienführungdes ÖV durch die Hauptgassen scheint ein Thema zusein. Dafür soll der Gruppentourismus (welcher sichdurch die Linienbusse gestört sieht) weiter mit öf-fentlichen Geldern sowie durch eine Tourismusför-derabgabe (finanziert von den Geschäften imTourismus-Perimeter) beworben und gefördertwerden.

...die VAL halten dagegen Dies sind nur zwei Beispiele, welche die Problematikaufzeigen, in welcher Richtung die politische Reisegehen soll. Die VAL haben trotzdem beschlossen,ihre politische Neutralität zu bewahren. Die Dach-organisation der Altstadtleiste ist überzeugt, dass nurohne politische Einflussnahme eine pragmatischeund sachorientierte Arbeit zu Gunsten der UnterenAltstadt weiterhin möglich sein wird.

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GEMEINDEORDNUNG DER STADT BERN (GO)

Art. 32  Mitwirkung der Bevölkerung1. In Belangen, die ein Quartier besonders betreffen, kann die dortige Bevölkerung an der Entscheidfindung mitwirken.2. Quartierorganisationen können mitwirken, sofern ihre Zusammensetzung die Vielfalt des Quartiers angemessen

widerspiegelt.3. Die Stadt kann solche Organisationen mit Beiträgen unterstützen.4. Der Stadtrat erlässt ein Reglement.

Reglement über die politischen Rechte (RPR)Der Abdruck dieses Reglements übersteigt die Platzverhält-nisse in der BrunneZytig. Interessierte finden den vollenWortlaut unter (Art. 87 bis 94): http://www.bern.ch/leben_in_bern/stadt/recht/dateien/141.1/Word141.1.pdf

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3BrunneZytig11. September 2015BrunneZytig intern

GESChäTZTE LESERINNEN UND LESERStadtpräsident Tschäppät versprach erst unlängst wieder öffentlich, sich für mehr Wohnraumin der Unteren Altstadt einzusetzen. Das ist löblich, auch wenn er, was die Umsetzung diesesVersprechens angeht, leider im Vagen blieb. Doch die Zeit drängt und es besteht handlungs-bedarf.

Die Motion, die (nach Redaktionsschluss) von links-grüner Seite im Stadtrat eingebracht wurde, böteden Parteien zumindest die Chance, sich vertieft mitder Wohnsituation und dem Strukturwandel in derUnteren Altstadt auseinanderzusetzen. Es ist zu hof-fen, dass die Stadtratsmitglieder diese Gelegenheitnutzen. Auch wenn die Motion selbst mit ihrer For-derung nach einem generellen Zweitwohnungsver-bot wohl für viele weit über das Ziel hinausschiesst,wie erste Reaktionen zeigen. Auch die Präsidentinder Vereinigten Altstadtleiste, Stefanie Anliker, istdieser Meinung. Warum sie die Motion dennochnicht rundweg ablehnt – auch das lesen Sie auf Seite11.

Doch natürlich geht es auch in dieser dritten Aus-gabe der BrunneZytig nicht nur um Politik. Die Re-daktion ist über den Sommer auf der Suche nach

Geschichten wieder durch die Untere Altstadt ge-streift - und hat reichlich Ausbeute zurückgebracht.So erfahren Sie zu Beispiel viel Wissenswertes überdie Stadttauben, deren Zählung im September wie-der ansteht (Seite 15). Wir werfen einen Blick in dieneue Buchhandlung in der Postgasse (Seite 31) undauf die Kramgasse, morgens um 6 Uhr (Seite 26).Wir stellen ihnen die neuen Geschäftsführerinnenim Rahmengeschäft Rudolf Berger vor (Seite 30)und den eigenwilligen Inhaber der Kellerbrocanteam Münsterplatz (Seite 25).

Wir sprechen mit dem Jazzgitarristen Nick Perrinund der in der Unteren Altstadt bestens bekanntenKonzertflötistin Regula Küffer über ihre Leidenschaftzum Flamenco (Seite 8) – und mit dem nicht minderbekannten Künstler Luciano Andreani über seine«Frechen Fratzen» (Seite 14). Ausserdem erfahren

Sie, welche Fortschritte das «Projekt Stiftsgarten» ge-macht hat, das sich der Permakultur verschriebenhat. Was darunter zu verstehen ist, lesen Sie aufSeite 6.Zum Schluss noch ein Wort in eigener Sache: Vondieser Ausgabe an haben Sie, liebe Leserinnen undLeser, einen direkten Draht zur Redaktion der Brun-neZytig. Denn Ihre Meinung und Ihre Anregungensind uns wichtig. Vielleicht haben sie auch Hinweiseauf Geschichten, denen wir dann nachgehen kön-nen. Auch wenn Sie ein neues Geschäft eröffnethaben: Melden Sie sich! Die Mailadresse lautet: [email protected]

Und noch ein Hinweis: Dieser Ausgabe beigelegt istein Spendenaufruf mit Einzahlungsschein für unsereZeitung. Bitte werfen Sie ihn nicht weg, sondernlesen Sie ihn durch. Wir sind für jede Spende dank-bar!

Im Namen der Redaktion wünsche ich Ihnen jetzteine angeregte Lektüre der BrunneZytig – und einensonnigen Herbst!

Barbara Büttner, Chefredaktorin

NATUR IN DER BERNER ALTSTADT: EIN GUT GETARNTER BODENhOCKER Der Mattebach ist seit jeher ein beliebter Spielplatz für Kinder. Das Gewässer bietet nicht nurwillkommene Abkühlung nach Schulschluss, sondern lockt auch mit der Aussicht, einmal einekleine, glatte und etwas schleimige Groppe zu erwischen. Der ehemals beliebte Bratfisch landetheute aber kaum noch in unserer pfanne.

Die Groppe (Cottus gobio) misst zwischen 8-15 cm.Sie hat einen überdimensionierten, abgeflachtenKopf und eine breite Maulöffnung. Durch den bulli-gen Kopf ergibt sich insgesamt eine keulenförmigeGestalt. Auf Englisch heisst die Groppe denn auchBullhead – Bullenkopf.

Die Brustflossen sind breit und fächerförmig. DerFisch hat dadurch etwas Urzeitliches an sich und er-innert etwas an einen Drachen. Die grossen Augensitzen auf dem Oberkopf. Dies erlaubt der Groppe,Beute wahrzunehmen, die über ihr schwimmt. Dasist nicht nur praktisch, sondern geradezu unver-zichtbar – die Groppe würde sonst verhungern, dennsie bleibt am liebsten am Boden, weil sie eine völligunbegabte Schwimmerin ist. Der Grund dafür liegtin der fehlenden Schwimmblase. Diese ist Voraus-setzung dafür, elegant im Wasser zu schweben, wiedas andere Fische tun. Als Trost verfügt der Boden-hocker dank einer individuellen braunen bis grauenFärbung und dunkler Maserung über eine ausge-zeichnete Tarnkleidung.

Das Männchen übernimmt die BrutpflegeDie Groppe ist seit jeher in der Schweiz weit verbrei-tet. Ihr bevorzugter Wohnort sind kleinere und raschfliessende Bäche. Sie kommt aber auch in Flüssenund Seen vor. Groppen brauchen kaltes, sauerstoff-

reiches Wasser, das auch im Sommer möglichst nichtüber 20 Grad warm werden soll. Besonders wichtigsind Kies, Schotter und Steine, welche den Boden gutstrukturieren und genügend Versteckmöglichkeitenbieten. Das Vorkommen von grösseren Steinen istauch wichtig für die Fortpflanzung. Im Schutz vonSteinen gräbt das Männchen im Bodenmaterial einekleine Mulde, in die das Weibchen mehrere klebrigeEierklumpen ablegt. Das Männchen bewacht undverteidigt den Laich vor Räubern. Er fächert ihmzudem mit den Brustflossen frisches, sauerstoffrei-ches Wasser zu und verhindert damit einen Pilzbefalldes Laichs. Die kleinen Groppen schlüpfen je nachWassertemperatur nach drei bis sechs Wochen.

jagd im MorgengrauenDie Groppe versteckt sich tagsüber unter Steinenund im Wurzelwerk von Pflanzen. In der Dämme-rung, hauptsächlich am Morgen, lauert sie ihrerBeute auf. Im Sommer ernährt sie sich vor allem vonInsektenlarven, im Winter von Kleinkrebsen undAsseln. Der grosse Mund ermöglicht dabei das Ver-schlingen grösserer Beutetiere. Die Groppe selbersteht aber auch auf dem Speiseplan, dies vor allembei Fischen und Vögeln. Auch einige Fischer habendie Groppe im Visier, heute allerdings nur noch alsKöderfisch und kaum noch für den eigenen Verzehr.

BR

Unter der Nydeggbrücke erinnert heute noch einBrunnen an die Zeit, als der «Gröppu» als wichtiger undschmackhafter Speisefisch galt. BR

Es herbstet in feurigen Farben,die Herbstmilde heilt Hitzenarben,es stehen die Bäumein rotgoldner Bräune,ein Heer voller leuchtender Barden.

Hans Häusler

ES HERBSTETLIMERICK

4 BrunneZytig11. September 2015 Läbigi Altstadt

EIN LEBEN FÜR DEN FRIEDEN ODER: DER «NARR» MIT DER WEISSEN FLAGGE Am 15. januar 1962 marschiert die Schweizer Friedensarmee in Moskau ein – ein Mann stark,schmächtig, hager, mit langem biblisch weissen Bart, schlicht in Schwarz gekleidet, die Fahnehoch im Wind. Weisse Flagge auf dem Roten platz, um den Kreml fürs Abrüsten einzunehmen.Das Saatkorn dieser Idee spross in der Berner Altstadt, Gerechtigkeitsgasse 81 genaugenommen...

Bern, Anfang August 1914: Max Daetwyler ausArbon am Bodensee, noch nicht mal ganz 28-jährig,fungiert als Geschäftsführer des Speiserestaurantsseines Bruders, dem Berner Ratskeller. Natürlich be-merkt auch er die Gewitterwolken eines möglichenKrieges, die sich am Horizont drohend zusammen-ballen. Hatte sich doch gerade vorgestern ein höhe-rer deutscher Offizier aus Berlin, der im Ratskellertafelte, während im hinteren Teil des Lokals einefeucht-fröhliche Hochzeitsgesellschaft ausgelassenzechte, bass erstaunt, beinahe aufgebracht geäussert:«Menschenskind, ihr feiert Feste und der Krieg istvor der Tür!»

Eindrücklicher Akt von Zivilcourage Erregt klappert der junge Daetwyler mit Tellern,Gläsern, Besteck. Soeben hat ihn der Aufruf desSchweizer Bundesrats zur Mobilmachung erreicht –

zwecks bewaffneten Schutzes der Neutralität. Ab-surde Logik aus seiner Sicht. Wie nur soll sich mitWaffengewalt je etwas anderes erreichen lassen, alsTrümmer, Tod und Leid? Lange ringt er mit sich sel-ber: Soll er Folge leisten oder nicht? Als «guter»Schweizer rückt Füsilier Daetwyler schliesslich danndoch ein nach Frauenfeld. Denn ein Feigling ist ernicht. Doch die helle Kriegsbegeisterung der Truppeekelt ihn ab dem ersten Augenblick unsäglich an.Und als es dann auf dem Waffenplatz zur feierlichenZeremonie des Fahneneids kommt, tritt er vors ver-sammelte Bataillon und erklärt: «Füsilier DaetwylerMax, vierte Kompagnie. Ich demonstriere für denFrieden und kann den Eid nicht leisten...»

Lieber die Narrenkappe als den Stahlhelm Allgemeine Perplexität im weiten Rund, ein paar zö-gerliche Pfiffe, dann wird er abgeführt, zum «Psy-chopathischen Fall» erklärt und landet im Irrenhaus.Fünf Jahre später, nach der einstweiligen Entlassung,meint Max Daetwyler hierzu: «Ich hatte eigentlichdamit gerechnet, vor ein Standgericht gestellt zuwerden, ergo zog ich es vor, als Kriegsgegner insNarrenkleid zu schlüpfen.» Schreibt es und gründetdie «Schweizer Friedensarmee». Die Narrenrolle in-dessen bleibt ihm ein Leben lang...

Für die bürgerliche Moral nicht tragbar Von seinem Bruder Alfred hat Max Daetwyler in-zwischen erfahren, dass einige Nationalräte unterden Stammkunden des Ratskellers wie die HerrenVon Arx, Rothenberger, Weber und Ursprung esganz und gar nicht goutieren würden, wenn er nachBern zurückkäme. Auch fürs Personal gilt er mitt-lerweile längst als Geisteskranker. Eine neue Anstel-lung findet er nicht mehr. Wohl aber einen neuenWohnsitz in Zumikon ob Zürich. Doch die Idee einer

Die «BrunneZytig» wird von den Altstadt -leis ten gemeinsam gestaltet. Unter den Leist -

rubriken finden Sie auch leistinterne Informationen.

VERANTWORTLICH FÜR DIE HERAUSGABE: Vereinigte Altstadtleiste Bern; Chefredaktion: Barbara Bü[email protected]

REDAKTION LEIST DER UNTERN STADT: Iris Gerber (ig), Zahai Bürgi (ZB)

REDAKTION KESSLERGASS-GESELLSCHAFT: Beat Schwaller (sw)

REDAKTION RATHAUSGASS-BRUNNGASS-LEIST: Edi Franz (ef), Stefan Theiler (drs)

REDAKTION KRAMGASSLEIST: Barbara Büttner (babü), Evelyn Kobelt (koe),Regula Leuenberger (rlu)

REDAKTION MATTE-LEIST: Brigitte Holzer (BR)

KOORDINATION, INSERATEANNAHME, PRODUKTION: Druckerei Weiss GmbH, Claudia Weiss undPascale Thomann-Weiss, Kalchackerstrasse 7, 3047 Bremgarten/BE, Tel. 031 301 22 79, [email protected], www.altstadtleiste.ch

JAHRES-ABONNEMENTS-BESTELLUNGPreis: Fr. 20.–. Bestellung bei Druckerei Weiss GmbH,[email protected], Tel. 031 301 22 79

LEIST-ADRESSENVereinigte Altstadtleiste: Sekretariat VAL, Postfach, 3000 Bern 8, [email protected], www.altstadtleiste.ch

Kramgassleist: Postfach 852, 3000 Bern 8, Kontakt: [email protected], Web: www.kramgasse.ch

Matte-Leist: Postfach 29, 3000 Bern 13, www.matte-leist.ch, [email protected]

Rathausgass-Brunngass-Leist: Kontakt: Edi Franz, Postfach 405, 3000 Bern 7, [email protected]

Leist der Untern Stadt: Postfach 570, 3000 Bern 8, [email protected]

Kesslergass-Gesellschaft: Kontakt: Alexander Hadorn,Postfach 614, 3000 Bern 8

Die nächste Ausgabe der BrunneZytig erscheint am 20. November 2015

Redaktionsschluss: 30. Oktober 2015

IMPRESSUMINFO

Auf dem Weg zur Freiheitsstatue (Foto: Kurt Wyss)

Öffnungszeiten: Mittwoch bis Freitag 13.30 – 18.00 UhrSamstag 10.00 – 15.00 Uhr

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5BrunneZytig11. September 2015Läbigi Altstadt

Friedensbewegung verfolgt ihn unablässig weiter.Und so verschiebt sich sein Aktionskreis primär indie Strassen der Limmatstadt – unterbrochen vonregelmässigen Besuchen des Berner Bundesplatzes.

Mahatma Gandhi wird zum Motivator Unermüdlich läuft Max Daetwyler durch die Stras-sen, marschiert mit Plakaten sowie Transparentenan Umzügen und Demonstrationen mit, wendet sichauf öffentlichen Plätzen ans breite Volk, verteilt Frie-densabzeichen und Pamphlete. Seine Ansprachensind nicht unbeliebt, zieht er doch meist mit rechtsaftigen Sprüchen über Staat und Kirche her. 1932begegnet er in Zürich seinem grossen Idol: MahatmaGandhi. Max Daetwyler ist höchst beeindruckt undverstärkt in der Folge seine eigenen Bemühungen.Zu Hause in Zumikon türmen sich all die Bussenwegen «unbewilligten Manifestationen» auf den öf-fentlichen Plätzen Zürichs. Mit dem Verkauf vonSalat und Gemüse aus dem eigenen Garten und derHerausgabe einer Friedenszeitung versucht er, sichfinanziell über Wasser zu halten. Doch bald schondroht wieder Ungemach...

Weisse Ölfarbe gegen die Scheinmoral Im Dezember verhaftet ihn die Zürcher Polizei,steckt ihn in Untersuchungshaft. Max Daetwylerhatte auf dem grossen Wandgemälde in der St. An-tonius-Kirche am Kreuzplatz den dargestellten Krie-ger mit weisser Farbe übertüncht. «Meine Ideendecken sich mit jenen von Jesus, Tolstoi und Gandhi»,rechtfertigt er die Tat. Der herbeigezogene psychi-atrische Gutachter, Dr. Hans W. Maier, Direktor derKlinik Burghölzli, diagnostiziert «Paranoia auf schi-zophrener Basis». «Jesus ist seinerzeit gekreuzigtworden, heute würde er durch Psychiatrie beseitigt»,wettert Max Daetwyler. Die Zürcher Justiz be-schliesst, ihn zu entmündigen. Doch, oh Wunder, dieWohngemeinde Zumikon weigert sich beharrlich,dieses Urteil zu vollziehen. Begründung: «Über HerrDaetwyler kann unsererseits in keiner Weise etwasNachteiliges gesagt werden.»

Weltreisender in Sachen Friedensbotschaft 1933/34: Der Horizont des Weltgeschehens verdüs-tert sich erneut. Daetwyler beschliesst, seine Akti-vitäten auf die internationale Bühne auszuweiten. Erreist nach Deutschland, um Adolf Hitler ins Gewis-sen zu reden. Doch der empfängt ihn nicht. Genausowenig wie 1951 Fidel Castro in Havanna auf Kuba,dem er eine Demokratie nach Schweizer Vorbildschmackhaft machen möchte, 1962 NikitaChruschtschow in Moskau, John F. Kennedy in Wa-

shington, oder Walter Ulbricht, dem er die unsägli-che Mauer abzukaufen gedenkt... Der Zürcher Kult-Maler Willy Guggenheim, alias «Varlin», hält ihn füreinen der wohl populärsten Schweizer, bestätigt MaxDaetwyler aber beim Porträtieren einen «äusserstschwierigen Kopf».

Das Guerilla-Marketing erfunden Seine Statur wird zunehmend hagerer, der Bart län-ger, weisser und die Fahne grösser. Immer mehr ver-dichtet sich die Erscheinung zu jenem Bild, an das sichdie Älteren von uns noch erinnern mögen. «Friedens-apostel», so nennen ihn die einen, oft mit einem hä-mischen Zucken der Mundwinkel. Für viele anderegilt er schlichtweg als Spinner. Max Daetwiler lässtsich davon nicht bremsen in seinem Elan. Mit GottliebDuttweiler, Gründer der Migros, gewinnt er einenSympathisanten, der ihn ab und zu mit Nahrungsmit-teln unterstützt. Und Franz Carl Weber sponsert mitt-lerweile das weisse Tuch der Friedensflaggen.

Max Daetwyler stirbt am 26. Januar 1976 und ruhtseither – hoffentlich – in Frieden. Wenngleich esheutzutage von der Ukraine über Syrien bis Afrikaund Asien noch unzählige weisse Flaggen bräuchte...

Zugegeben, Max Daetwyler vermochte weder übersWasser zu laufen, noch erreichte er je die Ausstrah-lung eines Mahatma Gandhi oder Nelson Mandela.Er blieb ein Prophet von schweizerischen Dimensio-nen (woran auch wir und unser Land nicht ganz un-schuldig sind). Dennoch: Dem kleinen grossen Manngebührt Achtung und Erinnerung, der Sache, die ervertrat, erst recht. Eine Gedenktafel dort, wo dasGanze seinen Anfang nahm, im Berner Ratskeller,wäre meiner Ansicht nach ein Minimum. Gewiss, dieStadt Bern hat sich 2008 teilrehabilitiert und denPlatz beim neuen Bahnhof Wankdorf draussen nachihm benannt. Was aber leider einmal mehr illus-triert, wohin noch heute unbequeme Persönlichkei-ten und Andersdenkende nach öffentlicher Meinunghingehören – an die Peripherie.

Hans-Rudolf Matscher

EIN «VERWINKELTERBLICK» INS LEEREIm Märzheft von 2013 hat die BrunneZytig inihrer Rubrik «Verwinkelte Blicke» die Leser aufeinen kleinen Sandsteinwürfel am Laubenpfei-ler direkt hinter dem Billettautomaten derBushaltestelle «Rathaus» stadtaufwärts auf-merksam gemacht. Nun ist er weg und hat dasGeheimnis seiner Existenz mit sich fortge-nommen…

Er befand sich etwa auf Kopfhöhe, war nur wenigeZentimeter gross und blieb von den meisten Passan-ten unbeachtet. Doch eine unserer Leserinnen ausdem Spitalacker hat sein Verschwinden bemerkt undder BrunneZytig gemeldet: «…er ist weg, und ich findedas sehr schade. Er wurde wahrscheinlich währenddem Busker-Fest abgerissen, in zerstörerischemÜbermut. Traurig!» Da sind wir ganz Ihrer Meinung!Hoffen wir einfach, dass das Malheur ein zufälligesMissgeschick und keine gewollte Vandale war. We-niger schade, ja erfreulich finden wir hingegen, dasswir so aufmerksame und interessierte Leser haben.Herzlichen Dank!

Und falls inzwischen jemand auch etwas über dieHerkunft des Würfels in Erfahrung bringen konnte,so wären wir trotz seines Verschwindens nochimmer «an sachdienlichen Hinweisen» sehr interes-siert… ZB/ig

Herzliche Friedensgrüsse aus Übersee (Postkarte)

Das kleine Dreieck im oberen Teil des Laubenstütz-pfeilers zeigt noch die Stelle, wo der Sandsteinwürfeleinmal war

Daetwyler und Varlin vor dem Porträt des «schwieri-gen Kopfes» (Foto: Bündner Kunstmuseum)

SANIEREN – pFLANZEN – ERNTEN: EINE VISIONÜBER 22 AAREN BRAChLAND NIMMT FORMEN ANVersteckt in der Badgassen-Stützmauer zwischen Senkeltram und Fricktreppenaufgang führteine schmale steile Treppe direkt in den Schuppen des Stiftgartens. Seit Angela Losert das Ge-lände des Kantons bewirtschaftet, befinden sich dort am Eingang zwei Schiefertafeln. heuteinformieren sie die Anwohner über eine fachgerechte Kompostanlieferung. Schon bald wird hierauch die neue hausnummer des Stiftgartens stehen: Badgasse 40.

«Seit Beginn der Pachtübernahme im Herbst 2013habe ich mit mehr als 30 freiwilligen Helfern über1300 Arbeitsstunden investiert. Da ist meine Büro-und Sitzungsarbeit, die noch immer die Hälfte mei-nes Engagements ausmacht, noch gar nicht dazuge-rechnet», beginnt die Geographin und BiologinAngela Losert ihre Rückschau. Seit meinem letztenStiftgartenbesuch im tiefen Winter ist über ein hal-bes Jahr vergangen. Und offensichtlich geht es nunSchritt für Schritt vorwärts. «Gärtnern geschieht imEinklang mit der Natur, entschleunigt und meditativ.Die Pflanzen brauchen eine Versuchsphase, um sichdem Gelände, dem Boden, dem Mikroklima anpas-sen zu können. Zurzeit ist hier noch alles im Fluss,Pflanzengemeinschaften müssen geschaffen und dieStandorte einzelner Kulturen eventuell gewechseltwerden. Zudem ist der Boden erst an wenigen Ortenvon seinen Altlasten soweit befreit, dass naturnahesGärtnern oder gar «Permakultur» funktionierenwürden».

pflanzengemeinschaften und KreisläufeDer Begriff «Permakultur» bezeichnet ein möglichstnaturnahes Landwirtschaftskonzept, das von zweiAustraliern in den 70er Jahren erarbeitet und mitdem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet wurde.Es ist die bewusste Gestaltung und Bewirtschaftungeines Ökosystems nach den Regeln der Natur in

ihren umfassenden Funktionen von der Energiever-sorgung bis hin zum Ertrag. Man beobachtet dasWachstum und die Entwicklung der in einer vielfäl-tigen Zusammensetzung gesäten Pflanzengemein-schaften und greift nur ein, wenn es nötig wird.Biodiversität anstelle von Monokulturen auf kleins-tem Raum. «Das sieht halt nicht so geordnet aus wieman sich einen Schreber-Gemüsegarten vorstellt»,erläutert Angela, «im Gegenteil, gejätet wird nurnoch sehr selektiv. Und nach dem Ernten werden diePflanzen nicht entsorgt, sie werden gemäss dem na-türlichen Kreislauf zu ihrem eigenen Dünger».

Das Wiesenbödeli, seine Obstplantage undseine heckeOb die geheimnisvollen Heuringe um die sechs «ProSpecie Rara»-Obstbäumchen – übrigens ein Ge-schenk der Eltern Losert – die in einer Reihe mittenim Wiesenbödeli stehen, auch etwas mit dieser «Per-makultur» zu tun haben? «Ja, genau! Innerhalb desKreises dieser Baumscheiben haben wir verschie-dene Stauden gepflanzt wie Lupinen, Beinwell undfür Steinobst auch Meerrettich. Sie tun den Bäum-chen gut, halten Schädlinge ab, lockern den Bodenund anderes mehr. Nur ausserhalb davon mähe ichmit der Sense die Wiese, die gemäss Permakultur-Denkweise ihre schliessliche Zusammensetzungebenfalls erst noch finden muss. Einerseits müssen

wir immer wieder die Neophyten, wie der Japan-knöterich, und die anderen hartnäckigsten Verdrän-gerpflanzen, wie die Winden, von Hand ausreissen.Andererseits säen wir Gräser auf dem von Altlastenmühsam gereinigten Boden und lassen erwünschteKräuter, wie Schafgarbe, Wiesensalbei oder Spitz-wegerich, die von alleine in den Garten eingewan-dert sind, absamen, um so die gewünschteWiesenvielfalt zu erhalten. Du siehst also, hier isteine Rasen-Vorstadt-Idylle in weiter Ferne!», lachtAngela Losert. Der Einsatz von Dünger und Pestizi-den kann durch Permakultur möglichst vermiedenwerden, solange die Natur im Gleichgewicht bleibt.

Auch die unscheinbare und noch lückenhaft wir-kende Hecke am Bödelirand zur Badgasse hin wurdenach dem Prinzip der Permakultur angelegt. «MitHilfe von sechs Mitarbeitern und einer grosszügigenSpende der Basler Firma Fossil haben wir an einemeinzigen Tag 100 Wildstauden unter die Hecken-sträucher gepflanzt. Viele der etwa zwölf Strauch-sorten sind essbar, so die Schlehe oder die Apfel-beere, die gedörrt wunderbar schmeckt. Nun wartenwir darauf, dass die Hecke wächst und sich jährlichverdichtet», meint Angela hoffnungsvoll.

Alte Bäume haben überlebtJetzt steigen wir in die Steintreppe, die den ganzenHang in zwei Hälften teilt. Entlang ihrer linken Seitewachsen uralte Beerenbäume, ein schwarzer Holun-der und eine ungewöhnlich grosse, von den Bernernliebevoll «Tierliboum» genannte Kornelkirsche. Zur-zeit schüttet sie ihren reichen Ertrag über die ganzeTreppe und einen Teil der terrassierten Beete aus.Angela Losert holt ein Becken und liest die leuchtendroten Beeren zusammen, während sie mir die Be-pflanzung des terrassierten Westhangs erklärt. «Ichwerde aus den Kornelkirschen Confi machen, das istallerdings etwas mühsam, da die Kerne sich nurschwer vom Fruchtfleisch lösen.»

Noch immer ist unklar, ob der würdevolle Ahorn amoberen Absatz der Treppe überlebt. Seine Fäulnishat ganze Äste erreicht, und Holz-Brösel liegen aufdem mit Steinplatten belegten Sitzplatz unter ihm,den ein paar Freiwillige erst kürzlich gesäuberthaben. Von hier hat man einen wundervollen Aus-blick. Und von der Kirchenfeldbrücke aus gesehendominiert der stolze Ahorn noch immer den Garten– vorerst...

6 BrunneZytig11. September 2015 Läbigi Altstadt

Obstbäumchen mit seinem geheimnisvollen Heu-Ring

Das gewollte Gemüse-Durcheinander der «Perma-kultur»

Terrassenbeete für Beeren und GemüseDirekt entlang der Westseite der Mitteltreppe gedei-hen Gemüsebeeren wie Kürbisse, Gurken und Zuc-chini ganz prächtig. Der untere Teil derTerrassenbeete ist für die Beerenstauden reserviert:Da reihen sich schön geordnet von unten nach obenBlaubeeren, Cassis, rote, rosa und weisse Johannis-beeren und «Chrosle», Stachelbeeren. «Hier herrschtausnahmsweise ‘Kultur’ im Gegensatz zum Gemüse-teil, der auf den höherliegenden Terrassen an-schliesst», präzisiert Angela Losert. Hier sind bereitsauch die ersten Terrassen-Arbeitswege totalsaniert,das erleichtert das Ablesen. «Wir haben bereits eineganze Menge Blaubeeren und müssen sie mit Netzenvor den Vögeln schützen.»

Oben in den Gemüsebeeten sieht es für ungeübteAugen teilweise sehr wild aus. Da gedeihen Salat,Lauch und Zucchetti durcheinander, und hie und dahaben sich anderes Grünzeug und ein paar Blumendazugesellt. Andere Nutzpflanzen reihen sich aberauch hier oben brav aneinander, so eine Terrassemit Tomatenarten und den kuriosesten Namen. ImBeet daneben begleitet eine Linie Erdbeeren eineReihe verschiedenster Gemüsepflanzen. «Bei solchenvereinzelten Arten beobachten wir noch das Wohl-befinden und den Ertrag. Sie dienen dieses Jahr vor-

erst der Degustation und dem Eigenbedarf», erklärtAngela und erntet ein paar farbenfroh-reife Zuc-chetti und Tomaten. «Jede Ernte, und sei sie noch soklein, wird in mein Büchlein eingetragen, mit Na-men, Gewicht und Datum. Und wenn ich etwas ver-kaufe, wird auch das genaustens verbucht», sagt’sund verkauft mir eine grüngesprenkelte Zucchetti,die mich grad angelacht hat, für nur zwei Franken.«Wir sind hier klar bio – aber nicht BIO-zertifiziert– deshalb halte ich mich trotzdem an die Preise derCoop-Naturaplan-Produkte.»

Neues Dickicht an der Nordmauer und imOsthangUnd dann gibt es da all die Pläne und Visionen fürdie Dinge, die man noch nicht sehen kann, die inden nächsten Jahren aber verwirklicht werden sol-len. Die Idee mit dem kleinen Rebberg im Osthangzum Beispiel. Nach der grossen Rodung von 2013entdeckte man jedoch, dass hier die gemauerteStützwand, welche die Fläche für die ehemaligenTreibhäuser entlang der Nordmauer gegen die Ter-rassen hin sicherte, zu Geröll zerbröselt war. Und derBoden ist noch voller Scherben und Müll. «Der Kan-ton wird auch diese Altlasten sanieren, dann werdeich entlang der Nordwand im Westen ein Spalier mitPfirsichen und Aprikosen anlegen, und auf der Flä-che der ehemaligen Treibhäuser im Osten wiederGebäude erstellen. Aber schau, in diesem einzigenJahr hat sich unter der Nordmauer und über denOsthang wieder ein Unkraut-Urwald breit – undhoch – gemacht: Königskerzen, Disteln, Brennnes-seln, Nachtkerzen... Vorerst profitieren die Insektendavon, aber da ist viel zukünftige Arbeit in Sicht!»

Bewässerung – Verarbeitung – Lagerung Falls Angela Losert die Finanzierung sicherstellenkann – dafür ist ein Sponsoring- und Spenden-Netzwerk im Aufbau – soll der Garten eine minimaleaber funktionstüchtige Infrastruktur erhalten. Dazugehört in erster Linie eine gute Bewässerungsmög-lichkeit. Heute existieren gerade mal zwei An-schlüsse von der Wasserleitung, die freiliegendentlang der Nordmauer verläuft. «Während der Hit-zewochen dieses Sommers haben wir zwei- bis drei-mal pro Woche während je drei Stunden mitSchläuchen bewässert», erklärt Angela Losert. Esbraucht dringend ein Wassersystem, welches dasArbeiten erleichtert. Zudem braucht es ein WC undeine Abwasserleitung. Die Verarbeitung und Konser-vierung der Ernte soll in einem neuen Gewächshauszusammen mit freiwilligen Helfern stattfinden. Dortkönnten auch Kurse durchgeführt werden. Für diebenötigten Lagerräumlichkeiten, auch Kühlzellenund ein Eisfach, bietet sich der bestehende Schopfan. Man ahnt, nein befürchtet, wie viel Zeit und

7BrunneZytig11. September 2015Läbigi Altstadt

Angela Losert wägt und registriert die Tagesernte

Energie man aufwenden muss, um ein solches Pro-jekt Schritt für Schritt anzugehen. Und es sind nachwie vor dringendst Mittel dafür nötig...

Ein Schaugarten entsteht Zum Schluss zeigt mir Angela noch zwei Dinge: Ganzoben am Hang, am Fuss der Plattformmauer und in-mitten der neuen Wildnis, steckt ein kleiner Feigen-baum seine Nase in den Berner Wind. «Den habendrei freiwillige Helfer an einem Nachmittag ge-pflanzt. Dafür mussten sie während zwei Stunden2x2 Meter Boden tief umgraben und säubern.» Derkleine Baum sieht mir noch leicht verschüchtertaus... Wieder unten bei den Obstbäumchen ange-kommen, holt Angela ein paar beschriftete Metall-plättchen aus dem Schopf und schiebt sie auf Stiele,die sie dann unter die jeweiligen Bäumchen steckt.Ich lese darauf Wissenswertes über die Zwetschge,Mirabelle, Berner Rose, Gute Luise, Quitte und «Bü-schel Birne». Angela freut sich: «Das sind die erstenTäfelchen für meinen Schaugarten, für den ich mitder Stiftung «Pro Specie Rara» einen Vertrag ge-macht habe. Im nächsten Jahr werden sich hier dieinteressierten Gartenbesucher bei einer Begehungselber schlau machen können.» Zurzeit ist der Blickvon der Plattform in den Garten mit einer Bauplaneversperrt, aber ich denke, das Projekt von AngelaLosert hat trotzdem gute Aussichten. Bis zum nächs-ten Jahr also... ZB

Netze schützen die Blaubeeren vor ungewollten Nutz-niessern

Schrifttafeln informieren im zukünftigen Schaugartenüber die «Pro Specie Rara»-Pflanzen

Bernd Schildger, ein Macher mit Pfiff,umschifft keck so mancherlei Riffzum Wohle der Artenin Tierpark Berns Garten,fürs Jungvolk ist Bernd ein Begriff!

Hans Häusler

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8 BrunneZytig11. September 2015 Läbigi Altstadt

WENN KLASSIK UND jAZZ SICh MIT FLAMENCO MISChENSeit fast zwei jahren spielen sie zusammen Flamenco: Die in der Unteren Altstadt lebende Flö-tistin Regula Küffer und der Berner Gitarrist Nick perrin. Anfang September tauften sie im BernerKonservatorium ihre erste gemeinsame CD: Nuevo Amanecer – Morgendämmerung heisst sieund ist die Live-Aufnahme einer Konzert-Session in der Berner Friedenskirche. Die Begegnungim Café Alpin mit den beiden Vollblutmusikern zeigt: Der Name ist durchaus programm.

Unter dem tiefblauen Sonnenschirm des Cafésscheint der rote Haarschopf von Regula Küffer andiesem sonnenheissen Julitag noch intensiver alssonst zu leuchten. In der ihr eigenen lebhaften Herz-lichkeit macht sie sich sogleich daran, ihr Gegenübervorzustellen: Nick Perrin, ihr Duo-Partner – ein ju-gendlich wirkender Mann, die modische Schirm-mütze lässig aus der Stirn geschoben und tiefgebräunt von der andalusischen Sonne, unter der ergerade seine Ferien verbracht hat.

Beide stehen seit vielen Jahren auf der Konzert-bühne, er als Jazz-Gitarrist, sie als klassische Kon-zertflötistin ohne Berührungsängste zu anderenMusikstilen. Beide unterrichten seit Jahren den mu-sikalischen Nachwuchs, Perrin an der Swiss Jazz-schule in Bern, Küffer am Berner Konservatorium.Musikalisch zusammengefunden hatten sich die bei-den jedoch in all den Jahren nie.

Ein schnelles ja zum ZusammenspielDafür bedurfte es der Intervention des Berner Jazz-musikers und Saxofonisten Matthias Wenger. «Derhat uns bei einem zufälligen Zusammentreffen ge-fragt, wann wir beide endlich mal zusammenspielen– und uns gleich den Konzerttermin bei ihm imBandraum im Progr aufgeschrieben». Küffer lachtschallend. Am 27. Oktober 2013 sei das gewesen.Beide sagten sofort zu, obwohl ihnen nur kurze Zeitzum Proben blieb.

In jener Zeit war Nick Perrin schon tief in die Fla-menco-Musik eingetaucht. 2006 hatte er den Fla-menco für sich entdeckt, war fasziniert vom Klangund den Ausdrucksmöglichkeiten der Flamenco-Gi-tarre. Um sein Spiel zu vervollkommnen, reist erimmer wieder in die Flamenco-Hochburgen in Spa-nien, Madrid, Barcelona, Sevilla, Cordoba, Jerez. FürRegula Küffer hingegen war der Flamenco trotz ihresungemein vielseitigen und unorthodoxen musikali-schen Repertoires Neuland. Dass dies für die quirligeMusikerin kein Hindernis war, sondern reizvolle He-rausforderung, ist wenig überraschend für jene, diesie kennen – und das sind viele, auch in der UnterenAltstadt, in der die gebürtige Langenthalerin aushochmusikalischer Familie seit vielen Jahren zu-hause ist.

Mit den Ohren lernen Die erste gemeinsame Probe sei denn auch ziemlichspeziell gewesen, erinnert sich Perrin lächelnd. Erhabe ihr seine Kompositionen gegeben, «eigentlichnur eine Art Notizen». Daraus habe Regula dann sel-ber etwas machen müssen. «Sie ist in ihren Probe-keller verschwunden, hat geübt und hat etwasdaraus gemacht.» Aus seinen Worten spricht Hoch-achtung für die Duo-Partnerin, die sich sichtlichüber seine Anerkennung freut und ihrerseits davonerzählt, wie die Musik ihr gleich bei der ersten Probe«den Ärmel inegnoh» habe. Sie hält kurz im Erzäh-len inne, schmunzelt. Sie habe sich, sagt sie dann,zurückgesetzt gefühlt in die Zeit der Kindheit, als ihrder Grossvater, der in Rinderbach im Emmental Di-rigent eines Blasorchesters gewesen sei, den Zugangzur Musik geöffnet habe. «Er hat vorgesungen, ichhabe nachgesungen, er gab den Rhythmus vor, ichmusste ihn klopfen.» Learning by doing sei das ge-wesen, ein «Lernen mit den Ohren».

Deshalb empfindet sie die Flamenco-Proben auchals eine spannende Rückkehr zu ihren Wurzeln. «BeiNick muss ich wieder die Öhrli spitzen, muss zuhö-ren und mir dann meinen Part selbst erarbeiten».Die Flöte sei ja nicht einfach nur ein Soloinstrument,sondern könne auch die Gitarre begleiten, denRhythmus vorgeben, könne Soundgeber sein. «DieFlöte hat viele Facetten», sagt sie mit Nachdruck und

würde wohl am liebsten auf der Stelle ihr Instru-ment auspacken und den Tatbeweis antreten.

Die grosse Improvisationsfreiheit Es ist die Expressivität, die Dynamik, der Rhythmus,die Emotionalität des Flamencos, die den Gitarristenwie die Flötistin gleichermassen begeistern und fas-zinieren. Gerade das «Urchige» des Flamencos, wiees Perrin ausdrückt, das Bodenständige und derRespekt vor der musikalischen Tradition lasse die«moderne Vermischung mit anderer Musik» zu. MitJazz zum Beispiel. Denn in jeder Flamenco-Kompo-sition sei viel Raum für Interpretationen und Impro-visationen. Diesen Freiraum nutzen die beiden nachKräften. «Unser Repertoire entwickelt sich beimSpiel weiter, weil die Frische immer da ist, der In-terpretations- und Improvisationsgeist. Man kannSachen immer wieder ausprobieren – es ist niegleich», begeistert sich Perrin. «Die Stücke verändernsich von Mal zu Mal.»

Küffers Handy klingelt. Der deutsche Produzent ruftan, um zu sagen, dass die CD fertig und unterwegssei. Die Musikerin strahlt wie ein Honigkuchenpferd.«Toll!», ruft sie ins Telefon. «So schön!» Sie mag es

Versunken in der Musik: Nick Perrin auf der BühneFoto: Christian Henking

Entspannt geniessen Regula Küffer und Nick Perrinvor ihrem New York-Trip den Sommerabend in derAltstadt.

Regula Küffer (Querflöte), Nick Perrin (Fla-mencogitarre), Andi Pupato (Perkussion)

Dienstag, 15. September, 20 UhrONO Bern, Kramgasse 6

KIMERA: Nick Perrin/Antonio Flores (Gitarre), Regula Küffer (Querflöte), Rocío Flores (Palmas/Tanz), Germán «Papū» Gigena (Perkussion)Samstag, 19. September, 20 UhrGaskessel Bern

Nuevo Amanecer, die CD von Regula Küffer und Nick Per-rin, kann per Internet direkt bestellt werden unterww.nickperrin.ch oder [email protected] sowie [email protected]. Die CD kostet 30 Franken(inkl Porto).

KONZERT-DATEN INFO

Was der Kopf so gut kann: Abschweifen, absichtslosanderswo sein. Eben dort. Vielleicht ists ein Duftoder ein Blick, ein Geräusch oder ein gewöhnlichesNichts, und das Hirn beginnt zu kombinieren.Selbsttätig schiebts ein Bild von irgendwo vors in-nere Auge, kann sein von der Dorotheergasse inWien. Die Dorotheergasse ist weder besonders schönnoch im Vergleich zu andern sehr bedeutsam. DasDorotheeum ist dort, das berühmte Café Havelka,dann wie überall ein Coiffeur, wie schon seltenereine Musikalienhandlung und eine Piano Bar, undwie nirgends sonst eine Gedenktafel zur Erinnerungan Peter Altenberg, Max Brod und Franz Kafka, diehier im Hotel Graben logierten. Postgasse abwärts, unmittelbar nach der Schule fürden Detailhandel, dort am innenseitigen Laubenbo-gen, ist auf Augenhöhe das Ticket für meine WienerKopfreise: Ein hellglänzender Metallstreifen. Längsgefurcht, geschürft, gekratzt, voller Dellen, Kerben,Schrunden. Wahrscheinlich von schrammenden Ab-fallcontainern, die zur Entleerung da durchgescho-ben werden. Muss sein, dass diese schwer steuerbarund annähernd so breit wie die Öffnung des Lau-benbogens sind. Womit sonst würde so kraftvoll undunsorgfältig, eigentlich schon gewalttätig umgegan-gen, dass solche Spuren entstehen. Erstaunlich indieser Höhe, Schleifspuren sind ansonsten amBoden. Wie ein Abdruck eines Autoreifens für ge-wöhnlich auch am Boden ist. Aber in Wiens Dorot-heergasse ist er an der Wand, eingegossen in einemmatten Metallstreifen, auf Augenhöhe an der Aus-senwand einer Kunstgalerie. Da ists Kunst, hier istsVerschleiss. Mein Kopf legt sichs übereinander, lässtmich an Berns Postgasse in Wiens – nein nicht anWiens Postgasse, die gibts nämlich auch – lässt michan Wiens Dorotheergasse auftauchen und mir dabeikurzfristig meine Anwesenheit im «Hier sein unddort sein können» verwischen. Wie von selbst dreht

kaum noch erwarten, die CD in Händen zu halten.In ihre ungeduldige Vorfreude mischt sich auch Er-leichterung. Sie weiss jetzt, dass sie einen Teil derCDs mit nach New York nehmen kann, wohin dasDuo wenige Tage nach unserem Gespräch aufbre-chen will. Dort sind fünf Auftritte geplant, an denensie Kompositionen aus der CD spielen wollen – so-zusagen ein Aufwärmprogramm für die nach derRückkehr anstehenden Konzerte in Bern.

Die bunte Dalmatinerin Nach der Plattentaufe im Konsi werden Regula Küfferund Nick Perrin auf der Bühne im ONO stehen. Dochdie Musikstücke, die sie spielen werden, werden an-ders tönen als auf der CD. Denn als Gast mit von derPartie wird der Perkussionist Andi Pupato sein. An-schliessend werden beide im Gaskessel mit der Fla-menco-Gruppe «Kimera» auftreten, die Perrinzusammen mit dem Spanier Antonio Flores gegrün-det hat. Auch «Kimera» wird bei diesem Konzert miteinem Gast auftreten, dem argentinischen Perkus-sionisten Papu Gigena. Das Konzert ist gleichzeitigPlattentaufe der ersten CD der Gruppe, die zum Teilin Bern, zum Teil in Cordoba aufgenommen wurde.

Der Flamenco – für Nick Perrin war er zunächst einHobby, das inzwischen zur Berufung geworden ist.Bei Regula Küfer, die von sich sagt, sie sei ein «bunterDalmatiner mit vielen Tüpfchen, der schon viel, vielMusik gemacht hat», füllt er eine Lücke in ihremumfangreichen musikalischen Schaffen. Man könnteauch sagen: Die Dalmatinerin ist noch bunter gewor-den. babü

9BrunneZytig11. September 2015Läbigi Altstadt

Hochkonzentriert beim Spiel, extravagant gewandetin einem Umhang von Marianne Milani: Regula Küf-fer beim Konzertauftritt. Foto: Christian Henking

hIER SEIN hEISST DORT SEIN KÖNNEN *sich die Situation, und die Schrammen hier werdenein Stück künstlerischen Ausdrucks, die Reifenspurdort eines des urbanen Alltags.

*Carlo E. Lischetti hats vor langem gedacht und dann aufSchilder schreiben lassen, die er an Stangen montiert amAnfang und Ende des kurzen Wegstücks am Aare-Bordaufstellte (Bericht und Fotos davon in der BrunneZytig vomJuni 2011). Ein etwa zwanzig Meter langer Naturweg wardamit gekennzeichnet, zum Spazieren unergiebig, zum Sin-nieren aber nachhaltig.

Iris Gerber (die in Bern und Wien gleichermassen zuhause ist.)

In Metall gegossene Reifenspur an einer Hauswand an Wiens Dorotheergasse, Kunstobjekt von Hans Kuppelwieser

Schleifspuren an der Berner Postgasse

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10 BrunneZytig11. September 2015 Angebote

DIE BUSINESS-ApARTMENTS IN DER UNTEREN ALTSTADT SORGEN FÜR pOLITISChEN WIRBEL In der Unteren Altstadt gibt es mehr und mehr häuser, die möblierte Kleinwohnungen anGeschäftsleute und Touristen vermieten, die sich nur ein paar Tage, Wochen oder Monate in derStadt aufhalten. Mitte August hatte die Berner Tageszeitung DER BUND aufgezeigt, welch lu-kratives Geschäftsfeld das für hausbesitzer und Investoren ist. Die Vereinigten Altstadtleisteerfüllt dieser Trend mit Sorge. jetzt ist auch die politik auf den plan getreten.

Luzius Theiler von der Grünen Partei Bern-Demo-kratische Alternative reichte aufgrund dieses BUND-Artikels im Namen seiner Fraktion im Stadtrat einedringliche Motion «gegen die Zweckentfremdung vonWohnraum in der Altstadt» ein. «Gutgemeint, aberein Schnellschuss, der über das Ziel hinausschiesst»,urteilt die Präsidentin der VAL, Stefanie Anliker, imGespräch mit der BrunneZytig über diese Motion.

Dabei ist die VAL-Präsidentin alles andere als glück-lich über diese Business-Apartments. «Wenn dieganze Altstadt ein Hotelbetrieb ist, geht der Quar-tiercharakter verloren.» Dieses aber scheine denZürcher Investor, der auf der Suche nach weiterenLiegenschaften in der Altstadt ist, nicht zu beküm-mern. «Da müssen die Altstadtleiste über die Kon-sequenzen aufklären», sagt sie energisch. Etwa dassdiese Apartmenthäuser den ohnehin knapper ge-wordenen «klassischen Wohnraum» in der UnterenAltstadt weiter verdrängen. Diese Verknappungführe im aktuellen Immobilienboom zu weiter stei-

genden Mietpreisen – und dies bei Mieten, die ohne-hin teilweise schon sehr hoch seien.

Im Moment könnten sich immer weniger Leute inder Unteren Altstadt eine Wohnung leisten, fasst siedie Entwicklung zusammen. Gerade auch für Fami-lien mit mehreren Kindern, die eine grössere Woh-nung bräuchten, seien die Mieten nicht mehrtragbar. Welche Familie könne schon einen Mietszinsvon über 6 500 Franken im Monat zahlen, wie ihnzum Beispiel die Kirchgemeinde für ihre 7-Zimmer-Pfarrwohnung verlangt habe. Stefanie Anlikerspricht aus Erfahrung. Auch sie, die in der Altstadtaufwuchs, ist kürzlich weggezogen, weil sie keinebezahlbare Familienwohnung fand. Und sie ist damitin ihrem Freundes- und Bekanntenkreis beileibenicht die Einzige.

Die Business-Apartments dürften im Mietpreisge-füge der Unteren Altstadt wohl neue Massstäbe set-zen. Laut BUND-Bericht kostet im neuen Appar-

tementhaus an der Rathausgasse 57 eine «nicht spe-ziell geräumige Dreizimmer-Wohnung» 4650 Fran-ken im Monat. Darin inbegriffen sind laut Berichtein Putzservice und das Wechseln von Bett- undFrottierwäsche einmal pro Woche. Stefanie Anlikermacht sich denn auch keine Illusionen, dass alleHausbesitzer im Leistgebiet der Versuchung vonglänzenden Renditen widerstehen können.

Kein generelles Zweitwohnungsverbot für dieUntere AltstadtWarum steht sie dann der Motion von Luzius Theilerso skeptisch gegenüber? Anliker überlegt einen Mo-ment. Die Stossrichtung sei sicher richtig, meint siedann. Aber die vorgelegte Formulierung gehe viel zuweit, denn sie verlange faktisch ein Verbot vonZweitwohnungen. Man könne schon über einenZweitwohnungsschutz diskutieren, darüber wie vieleFlächen in einem Haus als Zweitwohnungen genutztwerden können. Einige Tourismus-Orte hätten ent-sprechende Reglemente erlassen, die sich bewährthätten. Aber ein generelles Verbot? Sie schüttelt mitNachdruck den Kopf. Ausserdem verlange die Mo-tion auch noch, dass jeglicher Wohnraum dem Miet-recht unterstehen soll. Faktisch bedeute dies, dassjemand, der ein Haus kaufe, dort nicht mehr einzie-hen könne. «Das kann ja nicht der Sinn des Artikelssein». Sie schüttelt wieder den Kopf. «Man muss mitFormulierungen immer sehr aufpassen», mahnt sie,die mit dem Spezialgebiet Bauplanungsrecht ver-traute Fürsprecherin. «Lieber kein Gesetz als einschlechtes Gesetz», sagt sie dann mit Nachdruck, umnach einer kurzen Pause noch anzufügen: «Alles istimmer eine Frage des Masses.»

Die Suche nach LösungenBei der Beratung dieser Motion wollen die Altstadt-leiste aber gehört werden – diese Forderung ist fürdie VAL-Präsidentin selbstverständlich. Denn für sieist es eine der grossen Herausforderungen für dieVAL, dazu beizutragen, das Wohnraum-Problem inder Unteren Altstadt zu entschärfen. Auch deshalbmisst sie der Studie «Projekt Kramgasse 2020»(BrunneZytig 2/15) grosse Bedeutung bei. Eine derdarin vorgestellten Handlungsoptionen stösst bei ihrauf besonders grosse Sympathie. Ein runder Tischmit allen Betroffenen: Stadt, Kanton, Burgerge-meinde, Zünfte, Vertreter der privaten Eigentümerund Leiste, mit dem Ziel, freiwillige Leitlinien zurWohnungsnutzung in der Unteren Altstadt zu erar-beiten.

Doch noch haben die VAL darüber nicht abschlies-send beraten. Und auch bei einzelnen Vertretern derStadt muss – siehe Seite 1 – offensichtlich nochÜberzeugungsarbeit geleistet werden, die Leiste alsAnsprechpartner zu akzeptieren, selbst wenn diesich partout nicht politisch organisieren wollen. DasInteresse der Leistmitglieder an einer Diskussionüber die künftige Entwicklung der Unteren Altstadtjedenfalls ist gross. Auch das stärkt Stefanie Anlikerden Rücken.

babü

11BrunneZytig11. September 2015Läbigi Altstadt

VAL-Präsidentin Stefanie Anliker kämpft auch für weiterhin bezahlbaren Wohnraum in der Unteren Altstadt

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12 BrunneZytig11. September 2015 Läbigi Altstadt

IN 444 jAhREN VON DER ZENTRAL- ZUR QUARTIER-ApOThEKE Schön und praktisch geht nicht immer hand in hand. Dr. Stefan Fritz in der Rathaus Apothekeweiss denn auch, was «Kompromisse machen» heisst. Das holzmobiliar ist zwar nicht wie dieApotheke 444 jahre alt, aber stammt doch aus einer andern Zeit.

Wer nur selten in die Berner Altstadt kommt, stauntheute, wie schnell Läden und Angebot Standortewechseln und Namen kommen und gehen. Aber indieser sich rasch wandelnden Landschaft gibt esAusnahmen und Adressen, die über Jahrzehnte be-ständig und fast unverändert sind. Den Rekord derLanglebigkeit hält zweifellos die Rathaus Apotheke,die in diesem Jahr ihr 444-jähriges Bestehen feiert.Sie ist damit die älteste Apotheke in der Stadt. Von«verstaubt» kann aber keine Rede sein – zumindestwenn man vom Kellergewölbe absieht, in dem dieZeugen vergangener Zeiten wie Schätze gehütet undgehegt werden. Davon aber später...

Dr. Stefan Fritz, der im letzten Jahr sein 20-jährigesJubiläum als Leiter der Rathaus Apotheke feiernkonnte, hat im Vergleich zu seinen zahlreichen Vor-gängern zweifellos die grössten Veränderungen an-gestossen und durchgeführt. Zwar glauben wohlnoch viele Kunden, ein Teil der Medikamente werdein den kleinen Holzschubladen verstaut, die in gros-ser Zahl den traditionellen Verkaufsraum prägen.Aber in Tat und Wahrheit bewirtschaftet im Hinter-grund diskret und effizient ein Roboter das Waren-lager. Er trägt dem Personal nicht nur diegewünschte Packung zu, er sorgt auch dafür, dassimmer rechtzeitig Nachschub angefordert wird. «WirApotheker verfügen so wieder über mehr Zeit fürKundenberatungen», meint Stefan Fritz. Währendder Wandel vom Hersteller zum Logistiker noch vorseiner aktiven Zeit erfolgte, erlebte er jenen vom Lo-gistiker zum Gesundheitsdienstleister sehr direktund wusste ihn zu nutzen.

Arbeitszeiten hinaus älteren und kranken Personenhilft.

Zweck-Gemeinschaft der UnabhängigenTrotz grösserem Personalaufwand seien die Margen,so Dr. Fritz, in der Apotheke aber vergleichbar mitjenen der Grossverteiler. Um dem Druck besserstandzuhalten, hat er sich vor einigen Jahren derGruppierung unabhängiger Apotheken TopPharmangeschlossen. Sie ist heute die grösste derartige Or-ganisation in der deutschen Schweiz und unterstütztihre Mitglieder bei der fachlichen Aus- und Weiter-bildung, bei der Durchführung von Gesundheits-kampagnen und beim Bereitstellen von Infor-mationsmaterial. Da die Banken heute das Medika-mentenbusiness als risikoreich einstufen und immerwieder Finanzierungen ablehnen, gewährt Top-Pharm auch Bürgschaften. «Für jüngere Apotheke-rinnen und Apotheker wäre es sonst oft nichtmöglich, ein Geschäft zu übernehmen oder aufzu-bauen», erklärt Stefan Fritz.

Auch wenn seine Nachfolge noch nicht aktuell ist,so möchte der Leiter der Rathaus Apotheke doch ir-gendwann dafür sorgen, dass die Rathaus Apotheke

Immer wieder in der Diskussion: Die «Apothe-kerpreise» Längst schon beschränkt sich die Beratertätigkeitvon Dr. Fritz nicht mehr allein auf Medikamente undnatürliche Heilmittel, das Messen des Blutdrucks undder Blutzuckerwerte. In einem Obergeschoss derKramgasse 2 klärt der Apotheker auch Hörproblemeab, macht Ernährungsberatung und wirkt als erfah-rener Spezialist für die Fettreduktion mittels Kälte-einwirkung, die Kryolipolyse. Schon früh hat er ausder Einsicht heraus, dass die Bewirtschaftung einerApotheke allein nicht ohne Risiko ist, diversifiziert.

Immerhin sind in den letzten Jahrzehnten mehrereApotheken in der Stadt Bern geschlossen worden,weil die Rentabilität nicht mehr ausreichend war:Der wirtschaftliche Druck sei gewachsen und dieMargen gesunken, stellt Stefan Fritz fest. Die «Apo-thekerpreise» würden von den Kunden zwar immerwieder bemängelt, aber einerseits herrschten fürMedikamente sehr strenge Produktionsvorschriftenund Standards, was die Produkte nicht günstigermache, und dann seien die administrativen Aufga-ben zwar erleichtert worden, aber das Betreibeneiner Apotheke bleibe insbesondere wegen der Be-ratung personalintensiv. In der Rathaus Apothekesind zwei Apotheker tätig, mehrere Pharma-Assis-tentinnen teilen sich 150 Stellenprozente und eswerden zwei Lernende ausgebildet. Dann muss nochdie Buchhaltung erledigt werden und die RathausApotheke beschäftigt sehr lange schon einen Maga-ziner und Ausläufer, Franco di Muro, der vielen Alt-stadtbewohnern bekannt ist, weil er über die

Die kleinen Maschinen von Charles Martin werden sorgsam gehütet. Im «Museum» im Keller der Rathaus Apothekewerden immer wieder andere Modelle ausgestellt.

Sein strahlendes Lächeln lässt kleine Schmerzen raschschwinden: Stefan Fritz, Rathaus Apotheker seit über20 Jahren.

Im Apotheker-Museum im Untergeschossder Rathaus Apotheke stehen einige der be-

wegten Objekte von Charles Martin, die während Jahrenregelmässig und jetzt noch gelegentlich eines oder mehrereSchaufenster der Rathaus Apotheke beleben. Die Maschi-nen und Figuren aus Blechresten, Bierdeckeln, Drähten,Schlüsseln, Fundgegenständen und auch Apothekerfläsch-chen ziehen dann immer ein zahlreiches Publikum an. Die«Martin-Mobile» faszinieren Kinder wie Erwachsene – unddas seit Jahren.

Ab 1965 stellte der Drogist Charles Martin seine Metall-plastiken in der Rebleuten-Apotheke in der Gerechtigkeits-gasse aus. Als diese Apotheke geschlossen wurde,übernahm Hans-Ueli Neuenschwander in der RathausApotheke mehrere Objekte und stellte sie aus. Stefan Fritzhat diese Tradition weitergeführt. Solange Charles Martinlebte, sorgte er auch für den Unterhalt an seinen bewegtenObjekten. Diese sind inzwischen etwas in die Jahre gekom-men und benötigen mehr «Service». Dr. Fritz hat aber nochimmer Leute gefunden, die die Skulpturen «renovieren»können, so dass sie mobil bleiben. koe

DIE «MARTIN-MOBILE»INFO

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noch viele weitere Jubiläen feiern kann. Deshalbliegt ihm viel daran jemanden zu finden, der die Tra-dition ebenso hoch hält wie er und nicht zulässt, dassdas bald einmal 200-jährige Mobiliar im heimeligenund Gemütlichkeit verströmenden Verkaufsraum imEckhaus Kramgasse/Kreuzgasse funktionellen Ge-stellen weichen muss. Dabei steht er Neuerungensehr offen gegenüber und hat das auch mit demUmbau der Drogerieabteilung bewiesen, die sich klarvon den geschichtsträchtigen Schubladen und Rega-len abhebt. Aber eine 444-jährige Vergangenheit, diewischt man nicht mit einem Handstreich weg.

prestigeträchtiger StandortEröffnet wurde die «Deutsche Apotheke» 1571schräg vis-à-vis von der bereits bestehenden «Wel-schen Apotheke». Im damaligen Zentrum der Stadt,zwischen dem Rathaus und dem Münster, die dieweltliche und die geistliche Welt verkörperten undan der wichtigsten Längsachse gelegen waren, zweiApotheken offensichtlich nicht zu viel. An denMarkttagen trafen hier Stadt- und Landbevölkerungaufeinander und während des Landtags stand aufder Kreuzung vor der Rathaus Apotheke auch derRichterstuhl. Damals konnte man die neue Apothekesomit als zentrale Anlaufstelle für die Bevölkerungbezeichnen. Auch als um 1700 das Eckhaus neu ge-baut wurde, sah niemand einen Grund, nicht wei-terhin eine Apotheke an diesem zentralen Standortunterzubringen.

Rund 125 Jahre später wurde dann die bis anhin auszwei Häusern bestehende Liegenschaft umgebautund vereint. Aus dieser Zeit stammen die Holzver-zierungen in der Kramgasse, das Palladiomotiv gegendie Kreuzgasse und das Holzmobiliar im Verkaufs-raum. Letztmals wechselte die Liegenschaft dann im1953 den Besitzer und bis heute ist sie Eigentum derGesellschaft zu Zimmerleuten. Die Apotheke gingzum gleichen Zeitpunkt an Hans-Ueli Neuenschwan-der über, der 1986 Stefan Fritz zum Verwaltermachte und ihm acht Jahre später die Apotheke ab-trat.

Die Schätze des ApothekersStefan Fritz ignorierte als neuer Herr im Haus nicht,dass in den Kellerräumlichkeiten der Rathaus Apo-theke zahlreiche Schätze aus vergangenen Zeiten derDinge harrten. Gläser und Standgefässe in unter-schiedlichen Formen und Farben, aber auch alte Re-zepturen, Waagen, Verdampfer und andereGerätschaften von seinen Vorgängern setzten Stauban. Des Werts dieser Zeitzeugen bewusst beschlosser, sie einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zumachen und richtete ein kleines, aber feines Apo-thekermuseum ein, das erahnen lässt, wie die Pro-

duktion von Heil- und Wundermitteln in den letztenJahrhunderten vor sich ging.

Medikamente werden im Labor im Erdgeschoss derKramgasse 2 auch heute noch produziert, aber invergleichsweise geringem Umfang. Es handelt sichdabei vor allem um Hausspezialitäten und einzelneProdukte, die nicht mehr industriell hergestellt, abervon den Kunden regelmässig nachgefragt werden.Nicht zuletzt wird dieses Angebot aufrechterhalten,damit auch junge Leute in Ausbildung praktische Er-fahrungen sammeln können.

Obschon die Rathaus Apotheke heute ein breitesAngebot an Medikamenten und Dienstleistungen be-reithält, ist sie nicht mehr die zentrale Apotheke, diesie bei der Gründung gewesen war. Heute ist sie inBern eine Quartierapotheke für die Bewohnerinnenund Bewohner zwischen Nydegg und Zytglogge unddie Leute, die in dieser Zone arbeiten. Sie kennt zwareine treue Stammkundschaft, profitiert aber wenig

von der Laufkundschaft in Kram- und Gerechtig-keitsgasse. Dennoch: Seit 444 Jahren konnte sich dieRathaus Apotheke behaupten und hat die Geschäfts-Vielfalt und den Mix in der Unteren Altstadt berei-chert. Auf viele weitere Jahre also! koe

VON ORGEL ZU ORGEL MIT FRANZ hOhLERFünf Stadtberner Kirchen und rund ein Dutzend Organistinnen und Organisten luden am 15. Au-gust zum 12. Orgelspaziergang. Mit Worten begleitete sie dieses jahr der Schriftsteller und Ka-barettist Franz hohler.

Als passionierter Wanderer und Bergsteiger kenntFranz Hohler viele Höhen und Tiefen und zögert des-halb auch keinen Augenblick, als im Münster die Mi-krofonanlage streikt, direkt und wie er meint «injahrhundertealter Tradition unverstärkt von der

Kanzel zu reden». Die Zuhörer sind nicht nur vonden leisen besinnlichen bis berauschend mächtigenOrgeltönen – von der Hirtenidylle bis zum Gewitter-orkan – sondern auch von der akribischen Beobach-tungsgabe Hohlers hingerissen. Die Schilderungenscheinbar unscheinbarer Begegnungen und Entde-ckungen entlang seiner Wanderwege lassen Seelen-verwandtschaft erahnen, und man fühlt sich aufhumorvolle und tiefgründige Art ertappt und ver-standen. Und dann diese Orgelmusik! Man mussnicht gläubig sein, diese Klänge treffen auch so dasInnerste, wo Religiosität gemeinhin sitzt. Viele derMelodien, auch wenn ihre Namen und Herkunftnicht erinnert werden können – zum Beispiel Griegs«Morgenstimmung» oder Lieder von «Grosser Gottwir loben Dich» bis «Luegid vo Bärge und Tal» – sindlängst im kollektiven Gedächtnis verankert. Und mitHans Peter Grafs grossartigem «Schlussmenü in achtGängen», bei dem traditionellerweise in der Heilig-geistkirche dann die Künstler «tutti» zusammenspie-len, kamen auch musikalischer Humor undWortspiele nicht zu kurz: Eingang, Sonnengang,Mondgang, Wolfgang, Strassengang, Krebsgang undWeltuntergang. Ich war in diesem Jahr zum erstenMal dabei, aber es gibt zu hundert Prozent ein dacapo!!

ZB

Franz Hohler spricht «unplugged» von der Kanzel des Münsters und lässt die Zuhörer unter anderemmittels «geistigem GA» durch seine persönliche alphabethisch geordnete Weltbibliothek reisen.

Im Keller hängt auch «Der Alchimist», den David Te-nier d. J. um 1644 anschaulich malte. Das Originalhängt allerdings im Museum im deutschen Braun-schweig.

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VON WASSERSpEIERN, pYROTEChNISChEN hOSENLUpFEN UND FREChEN FRATZEN Er ist einer der seltener gewordenen Künstler, die noch heute in der Unteren Altstadt leben undarbeiten: Luciano Andreani. Ab 16. Oktober zeigt er im «Schneller Wohnkunstraum» an der Müns-tergasse 4 neue Arbeiten: Masken, gestaltet aus Abfallmaterialien. «Freche Fratzen» nennt ersie. Aus Anlass dieser Ausstellung hat die BrunneZytig mit ihm über sein vielseitiges Schaffengesprochen.

Wir treffen uns, nein, nicht im «Treff» unten an derGerechtigkeitsgasse, das ist seinem morgendlichenKaffee mit Zeitungslektüre vorbehalten, sondernzwei Häuser weiter vor dem «Belle-Epoque». Höflichsteht Luciano Andreani zur Begrüssung auf. Vonmächtiger Gestalt muss er sich auf dem leicht ab-schüssigen Boden etwas hinunterbeugen, um meineHand zu ergreifen. Sein Händedruck ist kraftvoll,verrät, dass er gewohnt ist zuzupacken.

Er hat sich in Bern einen Namen als Künstler ge-macht. Als Plastiker und Objektkünstler. Als Thea-termensch. Eine künstlerische Ausbildung aber hater nicht. Er hat sich alles selbst beigebracht – unddarauf ist er durchaus stolz. Gelernt hat er, der alsKind italienischer Einwanderer aus Como in Bernaufwuchs, Maschinenzeichner. Doch lange hielt er esim Beruf nicht aus. Nach einem halben Jahr schonmachte er sich selbständig. «Mich hat das Selberbe-schaffen von Aufträgen mehr interessiert», sagt ertrocken. «Das Handwerk und das Umsetzen. Dassichtbare Resultat.»

Andreani erzählt, dass er als Schaufensterdekora-teur gearbeitet habe, als Grafiker und als Bühnen-bildner; dass er «ohne konkreten äusseren Auslöser»allmählich mehr und mehr ins Künstlerische gedrif-tet sei und dass er «selbstverständlich» viel Lehrgeldbezahlt habe, bis er sich die technischen Fertigkeitenfür seine künstlerische Arbeit angeeignet habe.«Ausprobiert, geübt, über die Schultern geguckt,wieder probiert, gefragt, wieder geübt», fasst er sei-nen Lernprozess kurz und knapp zusammen.

Der weite Weg von der Idee zur Realisierung Er ist ein Tüftler, einer der ganz genau die Beschaf-fenheit der Materialen kennt, mit denen er arbeitet,der weiss, wie sie reagieren, wenn er sie in seinemAtelier «fürs Grobe» in Bottigen bei Bümpliz bear-beitet, wenn er schweisst, fräst und sägt. Doch bis essoweit kommt, hat er schon viel Vorarbeit geleistet,hat Dutzende von Skizzen gezeichnet und zum Teilauch Karton-Modelle angefertigt. Das Entscheidendesei doch, wie «du eine Idee aufgrund von ein paarPapierskizzen so umsetzen kannst, dass es vomHandwerklichen, vom Statischen und vom Ästheti-

schen so ist, wie du es gerne möchtest». Von der Ideebis zur Realisierung sei es halt ein weiter Weg, meinter lakonisch und veranschaulicht diesen Weg in Zah-len: «Die Idee macht ein Prozent aus, die Ausführung99 Prozent.»

Andreani reicht mir einen kleinen Katalog mit Ab-bildungen einiger seiner Arbeiten. Darin ist natür-lich sein in Bern wohl bekanntestes Werkaufgeführt, «Der Kopflose», jenes verschlungeneBeinpaar aus Bronze auf dem Casino-Platz, das trotzseiner 400 Kilogramm den Anschein erweckt, amliebsten einfach loslaufen zu wollen. Zu sehen sindaber auch eine ganze Anzahlt seiner kinetischenKunstobjekte, die mit hintergründigem Witz von sei-ner Faszination am Spiel mit Wasser zeugen: Brun-nen etwa, wie jenes verspielte «Chateau de Plätsch»,das er 2002 im Park der «Auberge aux 4 Vents»nahe Fribourg errichtete. Und natürlich Wasser-speier: Aufeinander getürmte Bistrostühle, aus

denen Wasser schiesst, ein Velo, das Wasser in alleHimmelsrichtungen verspritzt, der Dachspeier vonder Münstergasse.

Der «platzhirsch» von der postgasseZu ihnen gehört auch ein Werk von 2012, das in derunteren Postgasse, ein bisschen verborgen in einemüppigen Garten gleich neben Andreanis Atelier «fürdie feineren Arbeiten» in der Alten Mühle steht: Eingoldglänzender «Platzhirsch», aus dessen Geweihen-den in feinem Strahl Wasser strömt. Der schmaleHirschkörper gleicht einem geflochtenen Zopf. DochAndreani schüttelt belustigt den Kopf. Da sei nichtsgeflochten, der Körper sei aus Einzelteilen zusam-mengesetzt, genauer aus Viertelkreisen von Hei-zungsrohren. Er greift nach meinem Kugelschreiber,zeichnet rasch einige Viertelkreise aufs Papier. «Dasist ein Strang, dann kommt der zweite hier hinein,dann ein dritter so und vierter wieder so... Es istrecht tricky», lacht er. Der Hirsch sei eine «Kunst-schlosserarbeit, geschweisst und gelötet, patiniertund vergoldet.»

Vor der tiefgrünen Baumkulisse wirkt der goldeneHirsch mit seinem elegant geschwungenen langenHals wie eine Inszenierung. Andreani nickt. SeineBildende Kunst, seine Objekte und Zeichnungen,hätten alle einen «theatralischen Ansatz», erläuterter. Auch seine Theaterproduktionen, etwa imSchlachthaus, seien stets stark visuell ausgerichtetgewesen. «Wir haben damals Objekttheater gemacht,haben die Geschichten mit dem Bild und den Objek-ten erzählt, die darin vorkamen. Das Wort war eherein Zusatz.»

Andreani spielt noch immer Theater, mit demSchauspieler Markus Schrag ist er unterwegs als«Duo Hell und Schnell», zwei Abwarte, die, wederhell noch schnell, seit 13 Jahren den Widrigkeitender Arbeit wie des Lebens mit äusserst unkonven-tionellen technischen Mitteln zu Leibe rücken. Unddie auch den «pyro-patriotischen Hosenlupf» nichtscheuen. Mit dem gleichnamigen pyrotechnischenObjekt, einer Bockleiter, aus der Kuhglocken undeine Schweizerfahne wachsen, an der sich allesdreht, bewegt, lärmt, rotiert und natürlich «feuer-werkt», war das Duo am ersten August zu Gast ineiner kleinen Gemeinde im Baselbiet.

Der beiläufige Charme der Frechen FratzenDoch im Moment kommt Andreani ganz ohne Feuerund Wasser aus. Denn jetzt fordern die Frechen Frat-zen seine ganze Aufmerksamkeit. Rund 30 hat er inseinem Atelier in Brüssel aus sogenannt «armemMaterial» bereits angefertigt: Aus Gummischläuchen,Fensterleder, Haushaltshandschuhen, Ventilen und

Luciano Andreani vor seinem goldenen «Platzhirsch»im Garten neben seinem Atelier in der Postgasse.

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Versatzstücken aus Meccano-Baukästen. Andreanilegt einige Fotoabzüge auf den Tisch und trotz ihrerKleinheit kann ich erkennen, dass jede Maske wie-der anders ist, mal frech, mal drohend, mal nied-lich-naiv, mal geheimnisvoll, mal finster. Wie es sichfür «armes Material» gehört, sind die Masken auchnicht edel verarbeitet, sondern «nur» genagelt undgetackert. Doch gerade dass die Masken so beiläufigentstehen, macht für ihn «den Charme des Ganzen»aus. Wir brechen auf. Adreani eilt in sein Atelier. Erwill noch ein paar neue Masken machen. Für dieAusstellung.

babü

Ein wenig finster sieht diese Maske aus, mit ihrengrünen Augen und der frech herausgestreckten rosaZunge, die einmal der Finger eines Haushaltshand-schuhs war.

DIE «TAUBENMUTTER» MERKT’S, WENN TAUBENhEIMLICh FREMDGEhENBei der morgendlichen Lektüre fällt mir eine kleine Zeitungsnotiz auf: Die «Taubenmutter» suchtFreiwillige fürs Taubenzählen am 12. September in der Berner Altstadt. Ich versuche mir vorzu-stellen, wie genau man diese flatterhaften Tiere wohl zählen kann – und wozu man dies tun will?Kurzentschlossen wähle ich die angegebene Telefonnummer und verabrede mich mit CarinaTobler im Dählhölzli, um Näheres darüber zu erfahren.

Als der letzte Artikel über die Stadttauben in der Ju-niausgabe der BrunneZytig von 2013 herauskam,war das Berner Taubenkonzept gerade zwei Jahrealt. Seitdem waren nicht mehr Denkmalpflege undWildhut für die Tauben zuständig, sondern das Dähl-hölzli. Seine neue Art der Bestandnivellierung, diemit einem kleinen operativen Eingriff durchgeführteSterilisierung der Männchen, ersetzte die bisherigeDezimierung durch Verhütungs-Fütterung und Ab-schuss. Das hat sich gut bewährt. Durch das neueKonzept wurden die Stadttauben zu offiziell «akkre-ditierten Mitgliedern» und Bewohnern des 11. Re-viers des Tierparks. Dieses umfasst zurzeit die 5stadtinternen Taubenschläge und fünf Wildpopula-tionen in den Quartieren.

Revierchefin ist die Tierpflegerin Carina Tobler, dieBerner «Taubenmutter», die ich im Tierparkrestau-rant zum Kafi getroffen habe: «Obschon ich Revier-chefin der Tauben bin, übrigens eine 40%-Stelle, istmeine Tätigkeit nicht auf die Taubenpflege be-schränkt», berichtigt sie gleich zu Beginn. «Der Ar-beitsplan im Dählhölzli sieht nämlich vor, dass jederTierpfleger in verschiedenen Bereichen Dienst tunkann. Obschon ich in der Hauptverantwortung Che-fin der Tauben bin, arbeite ich in drei weiteren Re-vieren mit, bei den Raubtieren, im Kinderzoo undunten am Aarehang beim Steinwild und den Wild-säuen. Und morgen reise ich nach Vallorbe in diederzeitige Ferienstation des Bärenparks, und besu-

che dort Finn, Björk und Ursina. Eine tolle Ab-wechslung!»

Tauben-plage und Taubenpest Carina Tobler erklärt mir, wie es zum Beruf der«Taubenmutter» gekommen ist. In den 90er Jahrengab es in Bern eine regelrechte Taubenplage. Rund10‘000 dieser Vögel beherrschten den Luftraum, dieTrottoirs, die Simse und Balkone. Es gab etliche un-kontrollierte Taubenschläge im Gebiet, und unbe-lehrbare Zufütterer, die verhinderten, dass die Tiereihre Nahrung selbst suchen mussten. So hatten dieTauben zusätzlich Kapazität für die Brutpflege undvermehrten sich rasant. Auch ihre natürlichen ur-banen Feinde, Katzen, Marder, Füchse und der Stras-senverkehr, blieben da chancenlos.

Prinzipiell brüten Tauben – mit drei bis fünf Gelegenzu je zwei Eiern – das ganze Jahr über, wobei bei denwilden Schwärmen etwa die Hälfte der Jungen über-lebt. Es existiert allerdings, wahrscheinlich auch alsFolge der Überpopulation, eine periodische Dezimie-rung der natürlichen Art – die Taubenpest, einehochansteckende tödliche Viruserkrankung, dienach einiger Zeit von selbst wieder abklingt. Dieletzte Welle grassierte von November 2014 bis Feb-ruar 2015 und reduzierte die Tauben in den Schlä-gen auf die Hälfte. Eine Ansteckung anderer Vögeloder gar des Menschen ist bisher nicht bekannt, miteiner Ausnahme: Das Virus kann sich auf Greifvögel

Luciano Andreani – Neue Arbeiten im Schneller Wohnkunstraum Münstergasse 4, Bern

Vernissage: Freitag, 16. Oktober, 18h Ausstellung: Samstag, 17. Okt. bis Sonntag, 1. Nov. Geöffnet: Freitag 18h – 21h, Sa/So 11h-16h

Sonntagsmatinee: 18. Okt. / 25. Okt. / 1. Nov. jeweils 11h Luciano Andreani liest eigene Kurzgeschichten: «Aus feuchter Waschküche und dunklem Wald» Kontakt: [email protected]

FRECHE FRATZEN INFO

Ein etwas nüchterner Anblick: Das Innere des Taubenschlags im Tierpark Dählhölzli (zvg)

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übertragen, sobald diese infizierte Tauben fressen.Das Versorgen kranker und verletzter Tiere sowiedas Entsorgen toter Tauben ist übrigens noch immerAufgabe des Wildhüters.

Flurpolizisten als Taubenkümmerer Da die unzähligen Vögel vor allem an den Gebäudenviel Schaden durch Kot und Nestgelege anrichteten,übernahm die Denkmalpflege in Zusammenarbeitmit der Flurpolizei das Taubenmanagement derStadt. Als Anlaufstelle für alle Taubenprobleme undverantwortlich für Verbauungen, Ausmerzaktionenetc., waren sie rund 600 Stunden jährlich im Ein-satz. Bei der Kantonalisierung der Stadtpolizei wurdedie Flurpolizei aufgelöst und der kantonale Wildhüterübernahm mittels Ressourcenvertrag die Verant-wortung für die Taubenkontrolle. Damals begannauch der erste Taubenvater, Peter von Allmen, aufFreiwilligenbasis seine jahrelange Arbeit. Als über

80-Jähriger übergab er diese Aufgabe nach Einfüh-rung des neuen Taubenkonzeptes am 1. Juni 2011an Carina Tobler. Sie hatte eine kaufmännische Aus-bildung und war im Dählhölzli auf dem zweiten Bil-dungsweg zur Tierpflegerin ausgebildet worden. Nungalt es erneut, sich weiteres Fachwissen anzueignen.Ihren «Tauben-Lehrer» fand sie in Hansueli Tschan-nen im Sand bei Schönbühl, wo sich nach der Ab-schaffung der Brieftaubentruppe eine privateStiftung den aus finanziellen Gründen ausrangiertenMilitärtauben angenommen hatte. «Die «Brieftübe-ler» sind ein ganz eigenes Völkchen, die ihr Hobbymit Leidenschaft ausüben und jährlich Schönheits-und Flugwettbewerbe austragen», erinnert sie sich.«Ihre speziellen Vögel gehören aber nicht in meinenZuständigkeitsbereich.»

Mit dem «Taubenmutter»-Mobil zur Gesund-heitskontrolle Seither also kann man dem «Taubenmutter»-Mobilin der Stadt begegnen, zum Beispiel, wenn CarinaTobler ein bis zweimal pro Woche die derzeit fünfoffiziellen Stadttaubenschläge in Tierpark, Münster,Zytglogge, in der Heiliggeistkirche und im Wysslochder Schosshalde inspiziert. Die Tauben benutzenihren Schlag als Futter-, Schlaf- und Nistplatz. DieHauptaufgabe der Taubenmutter besteht in der be-obachtenden Gesundheitskontrolle, der Zufütterungmit Spezialnahrung und in der Geburtenregelungdurch Reduzierung der Gelege. Dabei werden dieEier durch Attrappen ersetzt, um das natürlicheBrutverhalten nicht zu stören.

Eine ebenso einfache Nest-Kontrolle ist im Bereichder fünf grossen wild brütenden Schwärme – imRinggenbergpark vis-à-vis des Stadttheaters, imHirschengraben, auf der kleinen Schanze und amEiger- und Breitenrainplatz – jedoch nicht möglich,da ihre Nester oft ziemlich versteckt und verstreutvoneinander liegen. Auch hat sich in den Wildpopu-lationen die alte Methode der Verhütung durch prä-parierte Futterabgabe als nicht sehr effizienterwiesen. Das Fressverhalten der Tauben war zuwenig genau vorherzusehen.

Im neuen und inzwischen bewährten Projekt wer-den jährlich Tauben eingefangen und im Dählhölzligegen Parasiten behandelt. Alle erhalten einen Mi-krochip und einen Fussring, und die Männchen wer-den von einem Tierarzt endoskopisch sterilisiert.Carina Tobler schätzt die Zahl der inzwischen so be-handelten Vögel auf mindestens tausend. «Zur Kon-trolle des Sterilisierungserfolges entnehmen wir denGelegen dann Eier.» Sie lacht und meint: «Obschondie Tauben ja strikt monogam und die Pärchen einLeben lang zusammen sind, haben wir beim routi-nemässigen Entfernen unbefruchteter Eier entdeckt,dass die Gelege von Partnerinnen steriler Männchenhie und da doch befruchtet sind. Sogar Taubengehen also manchmal heimlich fremd.»

Die Tücken beim jährlichen Taubenzählen Seit Inkrafttreten des neuen Taubenkonzepts derStadt wird eine jährliche Taubenzählung durchge-führt. Während diese Bestandaufnahme im Umkreisder Schläge relativ einfach ist, lassen sich die wildenQuartierschwärme schwieriger kontrollieren. Siebesitzen keine eigentlichen Schlafbäume wie dieKrähen und verteilen sich nachts oder während derBrutzeit auf kleine Gruppen oder sogar nur paar-weise auf unterschiedlichste Schlaf- und Nistplätzeund sind so nur schwer aufzustöbern. Dies muss beider für Schlag- und Wildpopulationen auf vergleich-bare Weise durchgeführten Zählmethode berück-sichtigt werden. Also wird die Zählung tagsüberdurchgeführt und zwar am sinnvollsten im Herbst,wenn die meisten Tauben unterwegs sind, d.h. wenndie Mütter weder am Brüten sind noch die Jungenunflügge im Nest hocken. Da auch wilde Schwärmeziemlich standorttreu sind, halten sich die Tiereeiner Population tagsüber gemeinsam in einem re-lativ kleinen räumlichen Radius auf, wo sie recht gutbeobachtet und registriert werden können. Vor dergrossen Taubenpest im Winter 2014/15 gab es ge-mäss der letzten Zählung noch zwischen 1300 bismaximal 1500 Tauben in Bern. Inzwischen dürftenes bedeutend weniger sein.

Noch plätze frei für die nächste Taubenzählung «Der Aufruf zur Taubenzählung in der Berner Alt-stadt dient nicht in erster Linie der Wissenschaft»,erklärt Carina Tobler «dafür ist sie mit nur einemDrittel Genauigkeit viel zu ungenau. Das Taubenzäh-len soll der Berner Bevölkerung jedoch eine zusätz-liche Gelegenheit bieten, sich mit den Aufgaben desTierparks aktiv vertraut zu machen. Leider hattensich 2014 nur knapp zwanzig Personen dafür inte-ressiert, obschon verschiedene Informationsplattfor-men zugänglich waren und sind (Tierpark-Homepage, Facebook, Inschriftentafel im Tierpark,Artikel in der Tierparkzeitschrift «UHU» und einespezielle Medieninfo).» Und jetzt, am Schluss des In-terviews, komme ich endlich zu meiner Hauptfrage:«Wie zählt man als Beobachter denn nun die von Ortzu Ort flatternden Vögel überhaupt?» «Kommen Siemit am 12. September», fordert mich die Tauben-mutter auf, «und erleben Sie es persönlich!» Ich sagezu mit der Absicht, Ihnen, liebe Leserinnen undLeser, im nächsten Heft diese Frage zu beantworten.

ZB

Im Labor des Tierparks wird eine Taube endoskopiert.Rechts im Bild die Tierärztin Lisa Heidenrich, links imBild assistiert ihr Carina Tobler, die Berner «Tauben-mutter» zvg

Mitte August und alles zurzeit taubengrau – der Asphalt, das Wetter, das Tischtuch und das Taubenpärchen aufdem Bärenplatz

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QUELLE hISTOIRE: DAS BERNER pUppEN ThEATERIST BALD GESChIChTEDie Magie beim illustren Gipfeltreff mit der versammelten puppenschar am verträumten Egelseebei Monika Demenga, hans Wirth und köstlichem, marokkanischem Münzentee... Ein Gesprächvor der unwiderruflich letzten Saison einer Berner Institution: Dem puppen Theater an der Ge-rechtigkeitsgasse 31.

Wir blättern zurück und öffnen neugierig einen derschweren Deckel der altehrwürdigen holzverstärk-ten Überseekoffer. Verblüfft erspähen wir obenaufliegend eine leicht vergilbte Ausgabe der BrunneZy-tig vom 24. November 2004, worin einem sofort derTitel: «Der Dieb, der Puppen liebt» ins Auge springt.Beileibe nicht etwa eine Inszenierung der Puppen-bühne, sondern vielmehr der Bericht vom «klaffen-den, schwarzen Loch in der Vitrine» an derGerechtigkeitsgasse 31 ist es, was unsere Aufmerk-samkeit in Beschlag nimmt. Wie alle ihre Figuren,hatte Monika Demenga auch die beiden edlen, soschnöde entwendeten Tischmarionetten eigenhändigangefertigt.

Grosses Welttheater auf kleiner Bühne darf alsPrädikat angesichts des reichen Gesamtkunstwerksder Puppenbühne Monika Demenga und Hans Wirthgetrost angewendet werden. Es beginnt dort, wo dasMenschentheater an seine Grenzen stösst. Ihrekünstlerischen und schauspielerischen Ambitionenverschmelzen mit Können, Erspüren der besonderenAusstrahlung der Puppe im Zusammenspiel vonKopf, Herz, Hand und dem Publikum. Eigens kreierteFiguren versinnbildlichen in Spiel und taktilem Ge-schick das Lieben, Leiden wie auch die massloshochfliegende Selbstverherrlichung bis hin zur tiefs-ten Melancholie.

Die Puppenbühne Monika Demenga und HansWirth wurde im Jahr 1968 von Monika Demengagegründet und war während der ersten Jahre mitwechselnden Spielern unterwegs – bis dann 1977Hans Wirth als Partner der Bühne beitrat. Zudemwirkten in enger und regelmässiger Zusammenar-

beit Fachleute aus den Bereichen Regie, Musik, Büh-nenbild und Schauspiel mit. Wahrhaft ausserge-wöhnliche Momente in ihrer Spieltätigkeit erlebtendie beiden bei der Aufführung der «Histoire du Sol-dat/Die Geschichte vom Soldaten», die C.F. Ramuzzur Musik von Igor Strawinsky geschrieben hatte.Die Puppenbühne spielte sie auch in der deutschenÜbersetzung von Mani Matter.

Lebensgrosse Figurenpuppen, sogenannte Humanet-ten, die von Demenga, Wirth und Gérard Widmergeführt wurden, ein Erzähler, ein Kammerorchester,Techniker – eine riesige Kiste sei das damals gewe-sen, erinnert sich Hans Wirth schmunzelnd. UndMonika Demenga schwärmt von dem ganz eigenenZauber, den sie beim Spiel empfand, «diese lebens-grossen Puppen und hinter ihnen die Menschen alsManipulatoren», die die Puppen führten und bespiel-ten, und die schwarz gewandet schattengleich mitdem schwarzen Bühnenhintergrund verschmolzen.*

Der Werdegang. Monika Demengas Weg zum Pup-penspiel war ein gradliniger: Schauspielschule,Kunstgewerbeschule, Kurse am Institut für Puppen-spiel in Bochum. Seit einer ersten Inszenierung imJahre 1968 mit einer eigenen Wanderbühne unter-wegs. Gelegentlich Lehrtätigkeit an der Schule fürGestaltung in Bern. Verschiedene Ausstellungen.Verschlungener schon war der Weg von Hans Wirth:Mehrere Versuche, in einem Beruf sesshaft zu wer-den; unter anderem als Glaser, Korrektor, Anschlä-ger, Fischer auf den Lofoten, Büroangestellter,Skilehrer in Afghanistan, seit 1977 endlich Puppen-spieler.

1987 eröffneten die beiden das THEATER vis-à-vis. Es liegt – wie der Name es trefflich belegt – demBerner Puppen Theater über die Gerechtigkeitsgassehinweg Aug in Auge; die Dépendance eben. Seit Juli2014 ist dessen Führung in neue Hände übergebenworden. Heute heisst es kultur visavis und will u.a.jungen Menschen «Kultur im künstlerischen Umfeldund ausserhalb der Schule» anbieten und ihnen er-möglichen, «Kulturprojekte für sich und die Öffent-lichkeit» zu entwickeln, wie es im Prospekt heisst.

Wir blättern durch das jetzt und fragen gleich unserGegenüber Monika Demenga: «Wie erleben Sie dieheutigen Kinder?» Sie strahlt und äussert sich dazuganz erfreut: «Sie sind nicht anders als früher,immer wieder wunderbare Zuschauer und ganz auf-merksame, detailbesessene Zuschauende. Sie sendenuns oft auch Zeichnungen mit unglaublich vielen De-tails. «Die Kinder sind an TV, Filme und Computergewöhnt, aber die sind flächig, haben nur zwei Di-mensionen. Das Puppentheater beinhaltet drei Di-mensionen, und das isch grad e Zacke meh.., dasisch voll Magie!» so Monika Demenga. Die Kinderseien voll eingestiegen. Für sie sei es ein traumnahesErlebnis. «Ein Kind stellte kürzlich verwundert fest,dass man in einem so dunklen Keller so schönesPuppentheater machen könne...»

Dazu noch eine gefreute Geschichte aus dem Mundeunserer Gastgeber, erst kürzlich passiert: «Da kam

Die Zwei von der Puppenbühne am Berner PuppenTheater: Hans Wirth und Monika Demenga. zvg

Dame Zauberin mit spitzem Müüli sw Zwerg Nase vor seinem Saisonstart auf der Puppenbühne sw

19BrunneZytig11. September 2015Läbigi Altstadt

eines Sonntagvormittags eine ganze Bauernfamiliemit Grossätti, Ätti, Sohn und seinen Kindern, ganzevier Generationen, an die Kasse. Die «Glaskugel» warangesagt. Der junge Vater hatte dieselbe «Glaskugel»als Kind im Berner Puppen Theater gesehen. DerÄtti sei damals auch mit ihnen hingesessen und habedie «Glaskugel» angeschaut, weil er sie selber auchso gerne mochte. Was gibt es Schöneres, was kanneinem Beglückenderes passieren, als wenn einMensch über 20 Jahre ein Kindererlebnis in Erin-nerung behält und nun an gleicher Stätte in wun-derbarer Weise weitergeben will?» Für MonikaDemenga und Hans Wirth ein wahres Geschenk,auch an die Puppenbühne selbst.

Wir blättern von der Finissage bis zum Adieu! ...und fühlen uns sogleich von den uns mit listigenBlicken musternden und leicht bedrohlich drein-schauenden Puppenwesen an Wänden und Deckenverunsichert. Hätten wir wohl mit Finissage und

Adieu zuwarten sollen? Nein, unsere Leserschaft sollvor der letzten Saison des BERNER PUPPEN THEA-TER Bescheid wissen. Auch wenn der Schock herbsein dürfte, herber sicherlich als jener Schock vondamals, als die Coiffeuse von obenan verzweifeltHans Wirth anrief und ihm von der 80köpfigen,umsonst vor der Puppenbühne wartenden, lebhaftenKinderschar berichtete, von der Schülervorstellung,die vergessen gegangen war! Die Puppenbühne er-wies sich beim «Ausbügeln» als sehr grosszügig...

«D’Wiehnachtsgschicht von 2016 chönnt üseSchlusspunkt setze», sinniert Monika Demenga enpassant, als wir die Treppe zum oberen Geschosshochsteigen. Unversehens gleitet die Hand der Pup-penkünstlerin in den Stulpen der Hexe, einer Hand-puppe von Zwerg Nase, fasziniert damit einigeKapriolen vollführend meint sie: «Die Puppe verliertin der heutigen Kultur des Puppentheaters an Prä-senz und Gewicht, gerade so als würde man der

Magie der Puppe nicht mehr trauen.» Dabei habe,sagt sie mit Nachdruck, «eine Puppe, die belebt wird,eine starke Magie und ist sofort ein Magnet. Weil diePuppe keine eigene Persönlichkeit mit einer Ge-schichte hat, keine eigene Biographie also, projizie-ren die Leute spontan dann oft ihre eigeneVorstellung und Phantasie in die Figur.»

Noch leicht benommen vom verdienten Sommer-schlaf döst Zwerg Nase auf dem Estrich am Egelseeder kommenden, Saison 2015/16 entgegen, die amMittwoch, 14. Oktober, um 14.30 Uhr beginnenwird. Verunsichert vom soeben Gehörten macht ersich so seine Gedanken zur eigenen Zukunft. Für dieMitwirkenden der Puppenbühne an der Gerechtig-keitsgasse 31 wird Ende 2016 eine einzigartige undfaszinierende Zeit der Puppenspielkunst zu Endegehen. Und sie werden sich wohl mit einem tränen-den, aber angesichts des fein gewirkten Lebens-werks auch mit einem verschmitzt lachenden Augevon ihrem Publikum verabschieden. Auch das Pu-blikum wird vermutlich nicht nur weinen, bestehtdoch die berechtigte Hoffung, dass uns auch danachdie Puppenbühne mit jährlich zwei bis drei Auffüh-rungen in loser Folge erhalten bleiben wird.

sw

* Hans Wirth, Postfach 657, 3000 Bern 8, Tel. 031 35109 09 verkauft aus dem Fundus seines Verlags (solangeVorrat) die zweisprachige Ausgabe der «Histoire du Soldat»Text: C.F. Ramuz, Musik: Igor Strawinsky, Zeichnungen:Heinz Jost und Übertragung: Mani Matter.

Puppenkonvent BERNER PUPPEN THEATER. Adieu. zvg

Da gab es den Busfahrer Nause,der fuhr von der Strecke nach Hause,man staunte und schrie:«Wo wosch mit is hi?»«Zum Znüni!» – und dann war halt Pause.

Hans Häusler

ZUM ZNÜNILIMERICK

20 BrunneZytig11. September 2015 Vereinigte Altstadtleiste

EIN DEO FÜR ALLE SINNE – EIN RÜCKBLICK Normalerweise verbinden wir mit «DEO» ein olfaktorisches Sinneserlebnis. Seit über zehn jahrenverzaubert unter diesem Kürzel aber ein wunderbarer Anlass alle Sinne: «Das Einmalige Objekt»kurz DEO genannt. Dieses jahr wurde der Anlass in der Untern Altstadt zum ersten Mal im junidurchgeführt – und erstmals in Zusammenarbeit mit BERNcity organisiert. Die präsidentin derVereinigten Altstadtleiste, Stefanie Anliker, zieht eine erste Bilanz.

Bevor ich mit dem Rückblick beginne, möchte ichall jenen danken, welche unseren Aufruf befolgt unduns eine Rückmeldung geschickt haben. Die neueOrganisation wurde nötig, weil die langjährige Prä-sidentin das aufwändige OK-Präsidium aus berufli-chen Gründen weitergeben musste. Glücklicher-weise übernahm BERNcity das OK-Präsidium, dieSekretariatsarbeiten und das gesamte Marketing.Zudem konnte ein Organisationskomitee zusammen-gestellt werden, welches Vertreter sämtlicher betrof-fenen Leiste umfasst. Zum Datumswechsel hat sichdas OK entschieden, weil der Herbstanlass zu naheam Anlass «1. Advent in der Untern Altstadt» lag.

Das diesjährige «DEO» startete mit einem Eröff-nungsanlass im Erlacherhof, bei welchem auch der«Prix Union» vergeben wurde. Ausserdem wurde andiesem Anlass die Gitarre von «Cuco», Marcel Die-trich, versteigert, zugunsten der «Seniorenweih-nacht» des Leists der Untern Stadt Bern in der Spysi(siehe auch Seite 29).

Die Rückmeldungen zum anschliessenden «DEO» las-sen sich wie folgt zusammenfassen: «Es war ein sehrgelungener Anlass, die Stimmung in den Gassen undLäden war – auch wegen dem Wetter – überwälti-gend. Einige Geschäfte haben sich mit ihrem einma-ligen Objekt übertroffen und es gab Wunderbares zuentdecken».

Mehrheitlich begrüsst: Der DatumswechselEs gab aber auch kritische Anmerkungen: «Leidergab es wiederum vereinzelte Geschäfte, die lediglichein Objekt aus dem normalen Ladenbestand ins Zen-trum rückten». Mehrfach als «verbesserungswürdig»wurde das Lichtkonzept bewertet, welches aufgrunddes späten Eindunkelns zu wenig zur Geltung kam.Auch die Lautstärke der Musik wurde teilweise be-anstandet, ebenso die Tatsache, dass die Gästehauptsächlich in den Gassen statt in den Läden fla-nierten. Der Datumswechsel wurde mehrheitlich be-fürwortet, einige waren trotz anfänglicher Skepsisvom Erfolg des neuen Termins überrascht und einigemöchten weiterhin einen (zusätzlichen) Herbstanlass.

Ich habe die schriftlichen und mündlichen Rückmel-dungen dem OK weitergeleitet und nach einer erstenSitzung steht bereits fest: Das Rahmenprogramm imnächsten Jahr wird nicht auf Akustik, sondern aufOptik setzen. Weiter sind die konstruktiven Verbes-serungsvorschläge aus den Rückmeldungen vom Or-ganisationskomitee aufgenommen worden. SolltenSie noch persönliche Inputs ans OK geben wollen,nehmen Sie bitte direkt mit dem OK-PräsidentenSven Gubler, Direktor von BERNcity, Kontakt auf. Erist unter 031 318 01 01 oder [email protected] er-reichbar. Das nächste DEO wird übrigens am 11. &12. Juni 2016 gemeinsam mit dem UNESCO-Welt-erbetag stattfinden. Stefanie Anliker

Sprachloses Staunen und grösstes Entzücken: Das war der Lohn für Marianne Gafner und Beat Bertschy, die mitihrem Team vom «Art Floral» in diesem Jahr ein wahrhaft einzigartiges Objekt kreierten: Über 1000 weisse Lilienfüllten sie in das Becken des Gerechtigkeitsbrunnens. Ein eigens konstruiertes Bewässerungssystem versprühte ingewissen Abständen abermillionen feinste Wassertröpfchen, die sich wie eine Nebelwolke über die weisse Prachtlegten, sie nässte und vor dem Welken bewahrte. Das Einmalige Objekt in höchster Vollendung! (Foto: babü)

ALTSTADTFÜhRER ALTSTADT.BE UND BERNCITYEine Chance für die unabhängigen und inhabergeführten Geschäfte der Unteren Altstadt

VorgeschichteDie meisten werden die erste Auflage des Altstadt-führers bereits in ihren Händen gehabt haben. Mitgrossem persönlichem und zeitlichem Engagementhaben Antony Adams und Markus Cavelti, mit Un-terstützung von Stefan Theiler, einen Stadtführer ge-schaffen, der mit Spaziergängen durch die Seiten-gassen der Unteren Altstadt und der Matte auf diegrosse Vielfalt der unabhängigen, inhabergeführtenGeschäfte aufmerksam macht. Das Ende 2014 er-schienene Büchlein macht Freude und zeigt auf, wiefarbig und aussergewöhnlich der Mix an Geschäftenin unseren Quartieren ist. Ein grosses Dankeschöngehört auch allen, die mit Ihrem Kostenbeitrag denDruck überhaupt erst ermöglicht haben.

Das Bedürfnis, vor allem den Bernern aufzuzeigen,welche Trouvaillen in den Gassen abseits des Filia-len-Mainstreams zu finden sind, dürfte damit erfülltsein. Nur: Es bringt wenig, wenn dieses Büchleinkeine Verbreitung über die Grenzen der Altstadt fin-det.

Weiterentwicklung auf WebseiteDie Barriere beim Zytglogge kann nur überwundenwerden, wenn die Vielfalt der Geschäfte in der Un-teren Altstadt auch nach aussen getragen wird.Immer wieder muss festgestellt werden, dass selbstBerner kaum wissen, welche Vielfalt an Geschäftensich unterhalb des Zytglogge befindet. Und diese po-tentiellen Kunden können nicht erreicht werden,wenn der Stadtführer in den Geschäften aufliegt,welche sie nicht kennen. Also braucht es zwingendeine grössere Verbreitung ausserhalb des PerimetersUntere Altstadt.

Richtigerweise haben die Autoren dieses Problemerkannt und erarbeiten nun, zusammen mit derzweiten Auflage des Büchleins, eine Webseite. DasZiel: Die Verbreitung des Stadtführers über die Ver-linkung mit BERNcity, Bern Tourismus und weiterenPortalen zu steigern. Diese Massnahme kostet Geld.Deshalb haben sich die VAL entschlossen, seitensder Leiste einen Beitrag zu leisten, damit die Grund-gestaltung der Website ermöglicht werden kann.Auch BERNcity ist bereit, sich mit einem namhaftenBetrag zu beteiligen.

Sven Gubler, Direktor von BERNcity, weiss als ehe-maliger Altstädtler, dass aus der Zusammenarbeitmit der Unteren Altstadt für beide Seiten eine Win-

Win-Situation entstehen kann: «Die Attraktivität derOberen Altstadt ist nur zu haben, wenn sich die Un-tere Altstadt auch entwickelt. Gerne sprechen wir indiesem Zusammenhang von Shoppen in der Oberenund Lädele in der Unteren Altstadt. Das Gefühl derLust am Lädele muss an breitere Kreise gelangen,das ist der einzige Weg, um die nachlassenden Fre-quenzen in den Geschäften der Unteren Altstadt zukorrigieren.»

Weitere allfällige Sponsoren werden zur Zeit ange-fragt, um genügend Mittel für die Lancierung derWebsite zu erhalten.

Kombination Altstadtführer und InternetMit dem Eintrag im Altstadtführer können nun Ge-schäfte der Unteren Altstadt – sofern sie die Bedin-gung unabhängig und inhabergeführt erfüllen – füreinen geringen Aufpreis Mitglied von BERNcity wer-den. Für solche, die noch nicht Leist-Mitglied sind,soll das gleichzeitig erfolgen können, zu welchen Be-dingungen ist noch in Abklärung. Mit diesem attrak-tiven Angebot wollen BERNcity und die Leiste dieInteressen der Geschäfte bündeln und so die Markt-chancen für den ganzen Perimeter erhöhen. Es istalso an der Zeit, die immer wieder gehörte Abnei-gung gegen BERNcity abzulegen und dieses Angebotobjektiv zu prüfen. Die Beurteilung der Vergangen-heit sollte einem Blick in die Zukunft weichen, nurgemeinsam kann die Attraktivität der Unteren Alt-stadt nach aussen getragen werden.

Mitmachen ist wichtig für alleEs wäre schön, wenn eine grosse Anzahl von Ge-schäften über ihren Schatten springen und diesemProjekt durch ihr Mitmachen eine Chance gebenkönnten. Klar sind die Beiträge nicht im Portokas-sen-Format, Aber wenn schon jemand den grossenAufwand und das Risiko auf sich nimmt, gehört erunterstützt, das ist die einhellige Meinung der VAL.

Dass nun auch die Geschäfte der Hauptgasse – unterden genannten Voraussetzungen – am Projekt mit-machen können, mag vielleicht den einen oder an-deren in den Seitengassen im ersten Moment stören.Aber denken Sie daran: für die Konsumentinnenund Konsumenten ist es nicht begreifbar, warum dieentsprechenden Geschäfte an der Kram- und Ge-rechtigkeitsgasse in einem solchen Führer nicht auf-geführt sind, diese sehen die Untere Altstadt alsGanzes – und so sollten wir auch auftreten.

Muster-Webseite stehtWie die Webseite künftig aussehen soll, kann bereitseingesehen werden: auf www.altstadt.be steht dasLayout, schauen Sie mal rein und teilen Sie dieFreude über dieses zukunftsgerichtete Projekt. Jemehr mitmachen, desto attraktiver für Alle!

ef

Detailinformationen erhalten Sie bei Antony Adams, CMX,Rathausgasse 46, 3011Bern, www.cmx-switzerland.comoder Tel. 031 311 02 76.

21BrunneZytig11. September 2015Vereinigte Altstadtleiste

Die erste Auflage «Berner Stadtspaziergänge» er-schien Ende 2014

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23BrunneZytig11. September 2015Matte-Leist

SUREShNach 16 jahren im Fischerstübli hat der wohl bekannteste Wirt der Matte die Seite gewechselt– zumindest die Strassenseite. Im ehemaligen Santorini betreibt er seit März 2015 mit seinerpartnerin Nina Bollhalder ein Restaurant, das seinen Namen trägt: Suresh. Wer ist der Selfmade-man aus Sri Lanka? Eine Annäherung.

«Alles bestens.» Ein flüchtiges Lächeln huscht übersein Gesicht. Wir sitzen am runden Tisch im Suresh,seit wenigen Monaten neue kulinarische Adresse imBerner Mattequartier. Das Restaurant heisst so wieer. Suresh. Obwohl das nicht sein ganzer Name ist.Wer wie warum heisst, ist auf dem Inselstaat etwaskomplizierter als in helvetischen Breiten. Doch dasist eine andere Geschichte.

«Alles bestens.» Er sagt es flink. Es sollen keine Zwei-fel aufkommen, keine unnötigen Fragen. Wenn allesbestens ist, geht alles am Ringsten. Grund zum Kla-gen habe er nicht, sagt Suresh. Immerhin ist erheute erfolgreicher Geschäftsmann. Nicht er allein.Wie hinter fast jedem starken Mann steht eine Frau.Bei Suresh heisst sie Nina Bollhalder. Seit über 20Jahren sind sie zusammen. Ihre Söhne heissen Sivanund Navin. Nach 16 Jahren Fischerstübli ist das Su-resh ihr viertes Kind.

Es war nicht immer alles bestens in Sureshs Biogra-phie. Mit 18 Jahren zwangen ihn der Bürgerkrieg inSri Lanka und die Verfolgung tamilischer Volksan-gehöriger zur Flucht. Suresh, heute 45 Jahre alt, ge-langte nach Kuwait, wo er nach drei Jahren mit

Gelegenheitsjobs nach der Invasion Saddam Hus-seins erneut fliehen musste.

Vom Tellerwäscher zum eigenen ChefEs schreibt sich seltsam leicht: Flucht. Doch was daswirklich bedeutet, lässt sich beim Kafi Crème amrunden Tisch im Suresh nicht einmal ansatzweiseerahnen. Irak, Jordanien, Russland, Polen, Deutsch-land, Schweiz.

1991 tauschte er den Sichtbeton der Zivilschutzan-lage in Interlaken mit den hygienepolizeilich korrek-ten Wandkeramikplättchen der Küche im Churrascoin Bern. In sieben Jahren wurde aus dem Tellerwä-scher, dem Casserolier, eine Küchenhilfe, ein Hilfs-koch und schliesslich im 400jährigen Fischerstüblisein eigener Chef. Zum Fischerstübli-Eröffnungs-apéro im Herbst 1999 erschienen zwei Personen.«An diesem Tag» erinnert sich Suresh, «haben wirrealisiert, dass wir einfach besser sein müssen alsdie anderen.» Besser sein hat zu tun mit Gastfreund-schaft, mit Sorgfalt, Toleranz und Grosszügigkeit. Su-resh hat das schnell begriffen und gemerkt, dass ermit Charisma, Atmosphäre und Heiterkeit Qualitätenbieten kann, die andernorts zu oft fehlen.

Im Übrigen, das wird unausgesprochen klar, emp-fiehlt sich für jemanden, der auf Gäste angewiesenist, eine gewisse Zurückhaltung. Zwar ist auch er100% für den Matte-Poller, aber: Politik, das sagtder ehemalige Freiheitskämpfer, interessiere ihnnicht, weder hier in der Schweiz noch in seiner eins-tigen Heimat. Mit Religion habe er ebenfalls nichtsam Hut. Tamilienvereine kennt er nur vom Hören-sagen und Vereinsmeierei ist ihm, abgesehen vonseiner einzigen Mitgliedschaft im benachbartenWöschhüsi, fremd.

Seit 1999 sind für Suresh 16 Jahre Fischerstüblivergangen. An der neuen Adresse ist der Farbgeruchverflogen. Es wird gastlich. Und Suresh darf aufHunderte von treuen Gästen zählen. Diese kommenbei weitem nicht nur aus dem Quartier. Vom Hand-werker bis zu diversen Räten aus dem Bundeshaustrifft man im Suresh ein ausgesprochen durch-mischtes Publikum.

Wohlstand macht müde«Alles bestens.» Suresh lächelt. Für dieses Lächeln ister im Quartier bekannt und beliebt. Auch wenn überdiesem Lächeln eine seltsame Melancholie schwebt.Es ist nicht Heimweh, dafür ist er u.a. über sein ei-genes Hilfsprojekt «Motivation Micro Credit» noch zusehr mit Sri Lanka verbunden. Zudem könnte er sichfür eine Rückkehrt nach Jaffna entscheiden. Dasaber ist gegenwärtig kein Thema. Vielmehr ist esjene Melancholie, die sich immer wieder beobachtenlässt, wenn Menschen aus gänzlich anderen Kulturenbei uns leben. Es ist eine merkwürdige Mischungvon Dankbarkeit für die Aufnahme in unserer Ge-sellschaft und dem Vermissen jener Unbeschwert-heit, welche mit jeder Heimatflucht verlorengeht;eine Mischung von optimistischem Zukunftsglaubenund dem Bewusstsein der Entwurzelung.

«Einmal Ausländer, immer Ausländer.» Suresh, derden Schweizer Pass hat, sagt das ohne Groll. Er sieht,das ist sein Naturell, diesen Umstand denn auch alsChance. Und dass er Chancen zu nutzen versteht,beweist er nicht nur mit dem Suresh.

Suresh heisst übersetzt Geniesser. Um Genuss gehtes in seiner täglichen Arbeit tatsächlich. Es ist sozu-sagen Programm. Zumindest für seine Gäste. Unddass es diesen gut geht, beweisen die vielen zufrie-denen Gesichter, die wiederkommen. Und derenFreude ist nicht nur in materieller Hinsicht SureshsLohn.

Alles bestens? Ja – und doch: Mit Blick auf dieSchweiz und deren Bundesstadt bedauert Suresh:«Wohlstand macht müde». Er wünscht sich in seinerUmgebung manchmal etwas mehr Action, mehr Le-bensfreude, mehr Farbe. Mit einem Wort: Mehrbunte Hemden, Herzen, Seelen. Sagt es und machtsich bereit für den Mittagstisch und den Empfangseiner Gäste, von denen er viele mit Namen kennt.Und wenn der eine oder andere dann fragen wird,wie es geht, wird Suresh ohne Übertreibung sagen:«Alles bestens.»

BR

Suresh im Blüemlihemd

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24 BrunneZytig11. September 2015 Kesslergass-Gesellschaft

RÜCK- UND AUSBLICKE Wissenswertes aus dem Leistgebiet

01. Juli : ALLDAS & ALPAKAS Wechsel vom kleinen ins grössere Ladenlokal. BeideMünstergasse 24.

31. Juli : VERSCHÖNERUNGSKUR FÜR MOSES ab-geschlossen. Der Restaurator Michael Fischer hat diein neuem Glanz erstrahlende Moses-Figur des gleich-namigen Brunnens auf dem Münsterplatz enthüllt.

08. August: LEFKA EMPORIO GmbHGriechische Spezialitäten. Neu im Keller Münster-gasse 35. Tel. 079 626 40 27

11. August: RESTAURANT HARMONIENach grösserer Innen-Erneuerung (Büffetanlage,Decke, usw.) wieder offen.

11. August: RESTAURANT FALKEN mit neuer Küche und optimierter Lüftung nach er-folgtem Pächterwechsel wieder eröffnet.

27. August: Vernissage und NeueröffnungSEMPERVIVUM Blumenladen Ka Hofer, Münster-gasse 24, Bern. Tel 031 311 58 85

Mitte September: Neueröffnung CHUN HEEGastronomie und koreanischer Take-Away, Müns-tergasse 39. Parterre u. 1. Obergeschoss

24. September: KLANGKELLER BERN«Klanglandschaften» Konzert mit Gästen: WilliGrimm, Junkerngasse 43, Gewölbekeller.

24. Oktober: KONZERT IM MÜNSTER 20 Uhr. Regensburger Domspatzen. Chormusik aufhöchstem Niveau.

sw

GLÖGGLIFROSCh TRIFFT ALpAKADer direkte Weg von den Anden perus bis hin zum Münsterplatz misst exakt 10’571 km. Von häut-ligen zum gleichen Ziel sind es lediglich deren 17.

Wissend um diese Tatsache machten wir uns so-gleich auf den Weg direkt nach jenem geerdetenOrt, wo sich Hasen und Alpakas noch guten Tagsagen. Schlicht in die Anden des Emmentals undzum Anfang unserer Geschichte, mit notabeneeinem dicken roten Faden zu unserer läbigen Alt-stadt. Nach Häutligen kommen Sie übrigens am bes-ten über Beitenwil, Trimstein, Gysenstein und Ursel-len. Dann rechts abbiegen zum Channenbüehl. Voilà!

Dass wir letzte Woche auf dem Weg zu unsererTrouvaille mehr als nur einen Pfadfinder (von einemGPS-Gerät ganz zu schweigen) gebraucht hätten, umdas Tier aus den Anden Perus, unser Alpaka, auf-zuspüren, geben wir unumwunden zu. Dass wir aberdann gleich eine kleine Herde von sage und schreibezehn Exemplaren im idyllischen natürlichen Fleckenbei Karin Stettler und Daniel Wyss ausmachten, warin der Tat die Überraschung!

Die auch Pako genannten, aus den südamerikani-schen Anden stammenden Tiere gehören in dieGruppe einer domestizierten Kamelform und kom-men in der Schweiz eher selten vor. Vor allem inDeutschland werden sie dank ihrer ruhigen, zurück-haltenden Lebensweise in tiergestützten Therapieneingesetzt. Seit gut 6 Jahren leben unsere Gastgeberund ihre Tiere vertraut miteinander, sie haben aufihrem Hof tiergerechte, lichte Stallungen gebaut,grosszügig bemessenes und äusserst ruhig gelegenesWeideland eingegrenzt und für eine ausgewogene

Fütterung samt reichlich Wasser aus eigener Quellegesorgt. Ihr besonderes Augenmerk gilt der Schurder feinen, hochwertigen Rohwolle, mit gezieltemFokus auf deren Veredelung und Konfektionierungund letztlich dem direkten Verkauf im eigenen Fach-geschäft unter dem Label feinster Bettinhalte.

Gleich vier leibhaftige Glögglifrösche (die Geburts-helferkröte; Tier des Jahres 2013) im Teich vor demHaus sind Beweis genug dafür, dass hier die sensi-blen Alpakas in bestmöglicher Umgebung lebendürfen und zudem von einem wahren Profi ver-wöhnt werden. Nebst dem Beruf des Sanitärinstal-lateurs ist Daniel Wyss gelernter und bestensausgebildeter Wild- und Zootierpfleger. Karin Stettleran seiner Seite, die versierte Treuhänderin, enga-giert sich vor allem an Samstagen mit feinem Gespürfür Auslagen, Einkauf, Beratung und Verkauf inihrem gemeinsam geführten Fachgeschäft gegen-über dem Münster.

All das & Alpakas, Münstergasse 24Vor kurzem in die ehemalige Liegenschaft der FirmaSoftwind Instruments eingezogen, sind die neuen,einladenden Verkaufsräumlichkeiten eine Oase des«Gold der Anden», wie die Alpaka-Wolle wegen ihrerFeinheit und Beschaffenheit auch genannt wird. Zufinden sind ausgesuchte Damen- und Herrenmodeaus Alpaka-Faser sowie Duvets und Kissen mitSchurwolle aus eigener Emmentaler Produktion –ein Geschenk der Natur an Siebenschlafende undFeinbesaitete. sw

www.alldasundalpakas.chMode & Accessoires, Boutique, Online ShopMünstergasse 24, 3011 BernKontakte: [email protected]; Mobil: Karin Stettler,079 352 62 88; Daniel Wyss, 079 439 22 57 Wuschelknuddel – ein Porträt von Zart und Edel

Lebenskunst auf der Spur des Alpaka-Fadens: KarinStettler und Daniel Wyss

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25BrunneZytig11. September 2015Kesslergass-Gesellschaft

Schwatz und ein Besuch im Brocante am Münster-platz, sich als wunderbares Seelentröpfli entpuppenkann...

swFRÄNE’s KellerbrocanteFranz Grütter (seit gut 8 Jahren an der)Münstergasse 30, 3011 Bern, Telefon 079 381 18 [email protected]

BROCANTE FRäNE – DER ZEITKRITISChE phILOSOph«ThINKTANK FOR FREE» oder «LETZTE KRITISChE TANKSTELLE vor dem unwirtlichen Trocken-gebiet des Kommerz» – so definiert ein eigenwilliger Vielleser, philosoph und Brocanteur seinunterirdisches Reich. Wir sind hinuntergestiegen.

Gäbe es Grütter’s Fräne nicht, sollte man ihnschnellstmöglich erfinden und einen der bestgelege-nen Altstadtkeller entstauben, für ihn bereitstellenund mit allergattig Ruschtig aus den Puces ausstaf-fieren. Doch wäre das Wasser in die Aare getragen,denn es gibt ihn längst – und das Gewölbe im Lau-benuntergeschoss an der Münstergasse 30, gleichneben dem Münstergässchen, ist über und über vollmit gluschtigen Sächeli und allerhand schrulligenLeckerbissen für Auge, Gemüt und auch das kleinePortemonnaie.

Doch das Gespräch mit dem Herrn der Schätzemusste warten, denn zuerst passierte das mit derKasse. Die altgediente mechanische Registrier-Kassehatte ihren Geist aufgegeben. Präziser ausgedrücktwar sie ausserstande, ihrer ursprünglichen Bestim-mung als ratternde Inkasso-Maschine nachzukom-men (allzu gerne hätte sie wohl wieder Fränkli oderEuros wie ihre modernen Nachkommen in ihrerKassenschublade klimpern hören wollen). Doch dawaren Hopfen und Malz verloren, selbst der ver-sierte Franz Grütter und die Blumenfrau Ka Hofer(SEMPERVIVUM, ex Blumenkeller) wussten keinenRat mehr und steckten enttäuscht die Köpfe zusam-men. Allzu gerne hätte Letztere das Klacken derKnöpfe, die scheppernde Schublade der museum-strächtigen NATIONAL-Kasse in ihrem neuen Blu-menladen an der Münstergasse 24 hören mögen.

Ka Hofer stieg also unverrichteter Dinge ans Tages-licht zurück, wir aber nutzten die Gunst der Stundeinmitten der Kuriositäten und vernahmen voneinem, der stets sein Licht unter den Scheffel stellte,so allerlei aus der Gründerzeit des SchlachthausTheaters Bern, u.a. von Peter J. Betts (Kunstschaf-fender und Journalist; 1978-2003 Kulturbeauftrag-ter der Stadt Bern) oder von den BernerRohrspatzen unter der Regie des überragenden Pia-nisten Harry v. Graffenried im damaligen Kataköm-bli an der Kramgasse.

Die Anekdoten reicherte Fräne mit eigener Theater-erfahrung an, einem Füllhorn gleich voller quirligemLebenselixier, bisweilen halt auch voller Kanten undEcken. Er war stets dabei, sei’s als Theaterschaffen-der, Begleitender und Aktiver vor, auf, neben undhinter der Bühne, half mit als Vorstandsmitglied ITI(Centre Suisse, heute Schweiz. Bühnenverband),setzte Massstäbe und wirkte nachhaltig zum Wohldes Kollektivs.

Fast schien es, als würde auch das keck behütetePuppenpaar der Unterhaltung aufmerksam lauschenund mit leisem Augenzwinkern zu verstehen gebenwollen, dass der Fräne halt ein Spezieller sei. Einer,der am Rande des belebten Münsterplatzes beimLesen über sein Buch blinzelt, Menschen beaugapfelt,einer, der insgeheim am Geschehen teilnimmt, derinterpretiert und überlegt, und sich im Nachhineingeläutert wieder seiner Lektüre hingibt. Doch werweiss schon, was Puppen wirklich sagen wollen...

Wir möchten Ihnen jetzt lieber verraten, was es mitder «letzten kritischen Tankstelle» auf sich hat. ZuFränes Reich gehört im Laubengang auch eine Vi-trine. Dort präsentiert er mit ausgefallenen Stückenaus seinen reichhaltigen Beständen Ideen und Bot-schaften an die Passanten. Zum Zeitpunkt der Ent-stehung dieses Artikels gibt’s in der Vitrine eineMini-Ausstellung zu den bevorstehenden Eidgenös-sischen Wahlen zu sehen. Unter Masken und Larvensind auf kleinen Zetteln besonders träfe Gedankenangeheftet: Philosophisch angehauchte Zeilen sindda auszumachen, man liest, stutzt und merkt es sich,womöglich schmunzelnd oder halt erzürnt, wer po-litisch anders denkt. He nu, getankt ist!

Nach dieser kleinen Hommage an Franz Grütterdürfen Sie versichert sein, dass ein gelegentlicher

Zeitkritisch angehauchte Mitnehmsel zum Auftanken:«Wir sagen immer die Wahrheit und Sie glauben esleider».

Den Seinen bringt’s der Münsterplatz beim Lesen.

Stilleben auf Rädern. Von Puppen und Hüten.

gesundheit durch Vertrauen!Herr a. Chariatte, Frau e. engel und das

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26 BrunneZytig11. September 2015 Kramgassleist

DIE RUhE VOR DEM STURMKurz bevor der Tag anbricht, herrscht in der Kramgasse noch eine gelassene Ruhe: die Stadtschläft noch. Wer nicht muss, ist morgens um sechs kaum unterwegs. Doch auch diese früheZeit hat ihren Charme, und die Gasse zeigt ein ganz anderes Gesicht.

Ruhe, kein Geräusch, bis ein regelmässigesschschsch näher kommt... Die fleissigen Frühaufste-her der Stadtreinigung wischen die Trottoirs und be-reiten die Kramgassse auf den neuen Tag vor. Dererste wischt akribisch die vielen Zigarettenstummelneben dem Abfallkübel bei der Bushaltestelle Zyt-glogge aus den Pflastersteinspalten, bevor dernächste Strassenreiniger die Abfälle mit dem Reini-gungsfahrzeug aufputzt. Während die Strassenreini-gung noch die Hinterlassenschaften vom Vortag undVorabend wegräumt, sind andere schon wiederdabei, Vorbereitungen für den neuen Ansturm zutreffen. Beim LiLa brennt bereist Licht, und die ers-ten Tische stehen schon wieder für die ersten Gästebereit. Die ersten Lieferwagen bringen Käse, Brot,Pralinen und Blumen in die schlafende Stadt.

Am Dienstag sind es nicht nur die «normalen» An-lieferer, welche in die Nachtruhe hineinbrechen. DieFenster sind noch dunkel, alles schläft... Nur vor demCapitol herrscht emsiges Treiben. Ein weisser Lie-ferwagen fährt heran, heraus springen zwei Gestal-ten, für ein kurzes «Guete Morge» zu den an derBushaltestelle Wartenden ist jedoch immer Zeit, undder Gemüsestand steht schon fast, ein paar Beine,Holzlatten, die mit saisonalem Gemüse gefüllten Kis-ten, die extra zugesägten Zusatzgestelle, welche inden Arkaden eingespannt werden können – jederGriff sitzt. Und sogleich wird eine erste Tüte mitFrischware an einen anderen Frühaufsteher auf demWeg zur Arbeit verkauft.

Von der Bushaltestelle aus sieht man auch sonst soeiniges: Da fährt zügig ein Auto vorbei und hält di-rekt vor dem Zytgloggeturm. Vier Gestalten hechtenaus dem parkierten Auto, und das Wahrzeichen vonBern wird mit parkiertem Auto abgelichtet. Einwunderbares Erinnerungsfoto. Und schon sind wie-der alle im Auto und davongebraust. War es nur eineFiktion? Fast so wie die emsigen asiatischen Touris-ten zu noch fast nachtschlafender Stunde. Schon umsechs sind die ersten mit grosser Kamera oder Sel-fiestick unterwegs. Noch ein bisschen Sightseeing,bevor es höchstwahrscheinlich weiter geht im über-vollen Reiseprogramm.

Ein weiteres Mal wird die Ruhe unterbrochen. DerBus naht. Hinter mir lasse ich eine immer nochschlafende Gasse, die aber vorbereitet ist für das täg-liche Treiben, mit Bussen, FussgängerInnen, Zulie-ferern, KäuferInnen und Besucherscharen, die allePlatz neben- und miteinander haben – und ein bun-tes und vor allem auch lebendiges Wimmelbild er-geben. rlu

... aber nicht mehr für lange: Die Mitarbeitenden der Berner Strassenreinigung gehören zu den Frühauf-stehern.

Noch ist die Stadt nicht aufgeräumt…

Jetzt endlich gehts wieder aufs Eis,der Kampf um die Punkte wird heiss,es trutzen die Mutzendem Gegner und putzendenselben vom Eis, wie man weiss!

Hans Häusler

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27BrunneZytig11. September 2015Kramgassleist

Pausenlos und über viele Stunden hinweg kämmten,toupierten, sprayten und türmten die CoiffeusenKinderhaare zu waghalsigen Frisuren und besprüh-ten sie mit Farben aller Arten. Um dann aus den lan-gen Reihen flacher Kästchen die übers Jahr inBrockenhäusern und Secondhand-Läden erworbeneDekoration herauszuklauben, die den Frisuren erstihren dramatischen Abschluss verlieh. Efeu, Farneund Ranken wurden ums Haar geschlungen, Blumenaller Couleur hineingesteckt – und zum Schluss als«i-Tüpfelchen» noch ein Tierchen, sei’s Fisch oderVogel, sei’s Drache oder Stoffkrokodil. Während dieKinder, strahlenden Auges nach dem Blick in denSpiegel, von Eltern, Tanten, Onkeln, selbst Ge-schwistern bewundernd in Empfang genommenwurden, streckten Gabi und Jutta kurz das Kreuz,lockerten die Schultern und riefen das nächste Kindauf. Heldinnen des Buskers eben.

babü

Ausserhalb des Buskers ist Gabi Graser im «Schnittpunkt»an der Lorrainestrasse 21 zu finden, und Jutta Tretow im«Haarscharf» an der Stauffacherstrasse 16.

DIE hELDINNEN UND hELDEN DES BUSKERS 2015 Es war schon ein etwas eigenartiges Gefühl, amdiesjährigen Buskers die Kramgasse hinaufzuschlen-dern. Dort, ungefähr auf Höhe der Hausnummer 52,hatte jahrelang der Stand des Kramgassleists gestan-den, dort hatte der Vorstand zusammen mit vielenfreiwilligen Helfern aus den Reihen des Leists die«Tavola Kramgasse» geführt. Und jetzt war dort –nichts. Nur leere Steinfläche, flimmernd in der Hitze.

Die Hitze – was hatten wir geschwitzt in all den Jah-ren unter dem Zeltdach, vor dem über sieben Stun-den lang heissglühenden Profi-Grill und den vorWärme zischenden Kochplatten, hatten Essen imAkkord ausgegeben und die Bierpatronen im Vier-telstunden-Rhythmus gewechselt, die Füsse vomstundenlangen Stehen geschwollen, das Kreuzkrumm vom Heben und Dauerbücken. Wie es einemhalt so geht, wenn harte körperliche Arbeit im Nor-malleben eher die Ausnahme ist. Und trotzdem hat-ten wir es extrem gut miteinander hinter demTavola-Stand, waren ständig am Lachen und Witzeln.

Gerade wegen dieser Erfahrung wollen wir es nichtversäumen, den Hut vor all den Musikerinnen undMusikern zu ziehen, den Artistinnen und Artistenund jenen, die vor, in, an und hinter den Ständengearbeitet haben, bei Temperaturen, die in diesemJahr auch am späten Abend noch über 30 Gradlagen. Hätte man all ihre Schweisströpfchen aufge-fangen und in die Aare gekippt, wäre daraus wohlein kleineres Hochwasser entstanden...

Stellvertretend für diese Heldinnen und Helden desBuskers sollen Gabi Graser und Jutta Tretow stehen.

Zwei Coiffeusen. Drei Tage lang war ihr mit Unmen-gen von Tüchern bunt dekoriertes Zelt auf derMünsterplattform das Sehnsuchtsziel vieler Mädchenund auch Buben. Denn die beiden Haarkünstlerin-nen, unterstützt von Kolleginnen und Freundinnen,boten das, was Kinder besonders mögen: sich in einePhantasiegestalt verwandeln.

Gabi Graser (links) und Jutta Tretow (rechts) bezau-berten mit ihren phantasievollen Frisuren kleine wieauch grosse Kinder.

Martina Banderet verhilft einer Kundin zu mehr View.

DURChBLICK MIT ChARAKTER VIU wurde 2012 von einem jungen Team gegrün-det, und ist nun seit gut zweieinhalb Monaten miteinem Flagstore an der Kramgasse 41 auch in Bernvertreten. Mit Schweizer Design und fairen Preisenwollen sie mit ihren Brillenmodellen Charakterzügeoptisch unterstreichen. «Framing Characters», so dasMotto, soll ein Rahmen für Charakterköpfe sein, fürwelche eine Brille nicht nur eine Sehhilfe ist, son-dern ein modisches Accessoire. VIU will Brillenträ-gern ermöglichen, mehr als eine Brille zu haben,und entsprechend der Tageslaune und -lust mit denverschiedenen Stilen zu spielen, und je nach demandere Züge hervorzuheben. Ist es an einem Tagmehr die Diva in mir, welche durch meine Brille op-tisch hervorgehoben werden will, ist es am nächstenTag möglicherweise der zurückhaltende Beobachter.

Die günstigen Preise gingen dabei nicht auf Kosteneiner nachhaltigen Produktion und der Qualität.«Unsere Brillen werden in einer kleinen Traditions-manufaktur im Piemont in über 80 Arbeitsschrittenaus Baumwollacetat handgefertigt», so Martina Ban-

deret, die Geschäftsführerin der Berner Filiale. Auchbei den Gläsern werde auf eine hohe Produktequa-lität Wert gelegt, so dass Brillenträger nicht nur gutaussehen, sondern auch den Durchblick haben.

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28 BrunneZytig11. September 2015 Rathausgass-Brunngass-Leist

DAS SpIELUNTERNEhMEN FAMILIE GERBER.Tom Gerbers wichtigstes Arbeitsinstrument sind seine langen und starken Fingernägel. Mit die-sen nämlich öffnet er die Gehäuse der Modelleisenbahnen so schnell und effizient, wie ein Fi-scher eine Auster. Doch Tom hantiert an den Zügen nicht nur en Miniatur. Um 13.32 Uhr fährtnämlich sein Zug nach Bülach, wo er eine Zugkomposition abholt. Eine echte für den SBB-per-sonenverkehr.

Tom ist Lokomotivführer, aber seine Leidenschaftsind Modelleisenbahnen, die er fachgerecht auf Voll-dampf bringt, bei manchen baut er sogar eine Mini-LED-Beleuchtung ein.

Unten Modell-Eisenbahnen, oben andereSpielwarenIm Untergeschoss des Spielwarengeschäfts «SpecialGames» an der Rathausgasse 39 ist er Ingenieur,Elektroniker, Elektriker und Konstrukteur in einem.Hier sind die Leitstelle der technischen Spielwarenund der Arbeitsplatz von Tom. Auf langen Tischenstehen in Reih- und Glied Dutzende von Miniatur-Eisenbahnwagen und Lokomotiven. Einige sind zumsofortigen Verkauf bestimmt. Da findet man zumBeispiel einen Märklin SBB-Passagierwagen aus den80er Jahren für 17 Franken oder eine Lokomotivefür 59 Franken. Andere Wagen stehen zum Einbaueiner Beleuchtung bereit. 

Während meines Besuchs holt ein Kunde geradezwei Passagierwagen der Deutschen Bundesbahn ab,ein Vorortszug nach Hamburg, in die Tom eine Mi-niatur LED-Beleuchtung eingebaut hat. Das Ganze

für sage und schreibe nur Franken 25.00. DerKunde ist begeistert: «Die Beleuchtung sieht nochbesser aus, als ich sie mir zu hoffen wagte.» Er wirddann zuhause die Decke wegnehmen, die Sitze beigebemalen und das Interieur stimmungsvoll mit Pas-sagieren bestücken. Tom erklärt ihm, wie er dieDecke wegnehmen soll und wieder zusammenfügen.Eine bessere Kundenberatung kann man sich kaumvorstellen. 

Wie alte Spielwaren den Gemeinschaftssinnder Kinder fördertenOben ist das Reich von Toms Frau Jacqueline. Hierfindet man allerlei Spielsachen, und hier werdenauch Kindheitserinnerungen wach. Zum Beispieleinem Stocky-Kasten, einem Spielbau-System, daswohl noch viele BrunneZytig-Leser aus ihrer Kind-heit kennen, weil sie mit dem Zusammenbau vonKränen, Baumaschinen, Lagerhallen und Transpor-tern ganze Nachmittage verbracht haben. Oder einModell-Viererbob, so gross wie ein Holzscheit, fürden ich mit meinen Freunden jeweils auf Schnee-bergen richtige vereiste Bobkanäle gebaut hatte, mitsteilen Kurven, die teilweise so spitz waren, dass der

Spielzeug-Bob mitsamt seinen Passagieren aus derBahn geschleudert wurde.

Aber da gibt’s auch noch Gummitwists für «Modis»und kleine Mädchenversteher der Unterstufe, wieich einer war. Für mich war der Gummitwist meineigener Zugang zur Welt des anderen Geschlechts.Ob es das Medium «Gummitwist» auf den heutigenPausenplätzen immer noch gibt, frage ich mich.Dann finden wir Holzrahmen mit grossflächigenbunten Teilen als Zusammensetzspiel für Kleinkin-der, aus einer Werkstatt für Menschen mit Behinde-rung. Einige Spiele gibt es hier allerdings nurvereinzelt. «Brettspiele, Geschicklichkeitsspiele, Puz-zle und Spiele für draussen sind die Domäne des‘Drache-Näschts’, und das soll auch so bleiben,»meint Jacqueline. 

Gamen statt SpielenIm Geschäft arbeitet fast die ganze Familie: Tom, derLokomotivführer, Jacqueline, mit einer Ausbildungals Spielwarenfachfrau, und ihr gemeinsamer SohnLorenz, der die neue Generation von Jugendlichenverkörpert und lieber mit elektronischen Gerätenspielt. Dennoch ist er mit Engagement und Leiden-schaft bei der Sache. Lorenz ist noch in der Schule.Er sucht zur Zeit eine Lehrstelle. Die Familie hat dasGeschäft Ende Dezember eröffnet und damit dasWeihnachtsgeschäft an der Rathausgasse verpasst –und wartet jetzt auf den Durchbruch an der Rat-hausgasse im Dezember 2015. Denken Sie alsodaran, wenn Sie für Ihre Kleinen etwas schönes zuWeihnachten kaufen möchten. Denken Sie an Tom,den Lokomotivführer, Jaqueline Gerber, die Spielwa-renfachfrau und Lorenz, den angehenden Lehrling.Sie freuen sich auf Ihren Besuch und eröffnen Ihneneine wunderschöne Welt, die uns Erwachsenen nichtmehr so zugänglich ist.  drs

specialgame.chSpielwaren für Gross und KleinReparaturen von elektronischen Gerä[email protected], Tel: 079 954 35 23Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr: 10:00-18:00, Do: 10:00-19:00, Sa: 09:00-16:00

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29BrunneZytig11. September 2015Leist der Untern Stadt

UMBAUpLANUNG NYDEGG – DER LEIST RENNT OFFENE TÜREN EINDer Umbau des ehemaligen Alterszentrums Nydegg kommt in seine erste phase. Die bisherigenZwischennutzer, der Verein Sozialprojekte unter der Leitung von peter Saurer (vorgestellt imMärzheft 2015), werden den Ort Ende 2016 verlassen und den Bauhandwerkern platz machen.

An einer Sitzung im August wurden der Leist derUntern Stadt und die Kirchgemeinde Nydegg durchAndreas Burkhard als Vertreter der BaugesellschaftNydegg AG, welche das Gebäude zusammen mit derStadt zu je 50% besitzt, über den neusten Stand derDinge informiert. Obschon die Planung des Umbausund dessen Nutzung im Detail noch kaum in Start-position steht, ist inzwischen klar, dass die Parterre-räumlichkeiten an eine Institution vermietet werdenund dass in den Häusern 7 und 9 wieder Wohnun-gen entstehen sollen. «Die Baugesellschaft hat schonvor einiger Zeit in der Mattenenge 1-8 und am Ny-deggstalden 1-5 günstige Wohnungen gebaut», erin-nert Andreas Burkhard, «ebenso schöne und ge-scheite Wohnungen wollen wir auch hier realisieren.Man muss wissen, die Lage ist sensationell, denn dasNydegghöfli ist einer der wichtigsten historischenOrte Berns. Von hier aus hat sich die Stadt entwi-ckelt.» Die Befürchtungen der Leiste, die neuen Mie-ten könnten einmal mehr in schwindelnde Höhengeraten und für Normalsterbliche unerschwinglichsein, zerstreut Burkhard klar: «Wir gewährleisten diegewünschte Durchmischung der Wohnsituation imAreal Nydegghöfli gerne und sind auch für Ideenund Vorschläge zum Ausbau offen. Noch ist nichtsfestgelegt.»

Frau Liliane Ter Meer meldet das Interesse derKirchgemeinde an einer Parterre-Miete an, denn sowäre es ihnen möglich, ihre Standorte in der

Schosshalde und in der Matte zugunsten näherlie-gender Räume aufzugeben. Stephan Probst vom Leistder Untern Stadt und Hans Haltmeyer als interes-sierter unmittelbarer Nachbar wünschen sich inmehreren Voten vor allem einen sozialen und alters-gerechten Ausbau, Wohnungen, die nach Bedarfeventuell auch als Alters-Gemeinschaftswohnungengenutzt werden könnten und die auch Bezügern vonErgänzungsleistung offen stehen. Andreas Burkhardnotiert sich sofort den Einbau eines Liftes und er-klärt weiter, dass zuerst auch einige grundlegendeUmbauprobleme, wie zum Beispiel die Dämpfungder Schallimmissionen, in die Planung aufgenom-men werden müssen. Die Terminplanung, soweit zudiesem frühen Zeitpunkt überhaupt möglich, siehtfolgendes vor: Nachdem nun das Architekturbüro saj(Schori-Anliker-Jäggi) den Umbau-Auftrag in Sub-mission erhalten hat, soll sofort mit der Planung be-gonnen werden, so dass im ersten Quartal 2016 dasBaubewilligungsgesuch eingereicht werden kann.Auf Anfang 2017 ist der Baubeginn vorgesehen, sodass der Einzug der neuen Bewohnerinnen und Be-wohner im zweiten Quartal 2017 möglich sein sollte.

«Alles in Allem», schliesst Stephan Probst die Infor-mationssitzung zufrieden, «sind das hoffnungsvolleAussichten. Der Leist möchte den Umbau weiterhinberatend und beobachtend begleiten und wartet ge-spannt auf die ersten konkreten Pläne.» ZB

«CUCOS» GITARREWURDE VERSTEIGERTSue Elsener konnte sich an der Eröffnungsveranstal-tung zum Einmaligen Objekt am 12. Juni diese Gi-tarre sichern. Es ist eine Gitarre mit viel Geschichte,wurde sie doch in vielen Proben und an vielen Kon-zerten der Gruppe «Peter, Sue und Marc» (PeterReber, Sue Schell, Marc Dietrich) gespielt. Marcspielte auf ihr auch bei den mehrmaligen Auftrittendes Trios am «Concours Eurovision de la Chanson».Der Erlös von 1000 Franken geht an den Fond fürdie Seniorenweihnachtsfeier des Leists der UnternStadt, LUS. Diese Weihnachtsfeier wird am Montag,14. Dezember, wiederum in der Spysi durchgeführt.

André Urwyler

Informations-Sitzung im Nydegghöfli: v.l.n.r Peter Saurer, Projektleiter der Zwischennutzung; Liliane Ter Meer vonder Kirchgemeinde Nydegg; Mario Patocchi Verantwortlicher für die Zwischennutzung vor Ort; Architekt HansHaltmeyer; Stephan Probst, Vertreter des Leist der Untern Stadt.

Sue Elsener, die strahlende neue Besitzerin der Gitarre, und «Cuco», der grosszügige Spender.

24. OKTOBER: NEUZUZÜGER-ANLASS MIT STADTFÜHRUNG

Besammlung um 10 Uhr auf dem Rathausplatz, Anmeldeformular online auf www.bern.ch/leben_in_bern/persoenliches/neuzuziehen.bern.ch

29. NOVEMBER: 1. ADVENT: GEÖFFNETE GESCHÄFTE

und diverse Events in der Unteren Altstadt. AnmeldungGeschäfte/Events unter www.erster-advent-bern.ch

14. DEZEMBER: SENIORENWEIHNACHT IN DER SPYSI

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30 BrunneZytig11. September 2015 Leist der Untern Stadt

WO GOLDRAhMEN UND ENTEN SICh ZU hANDWERKSKUNST VERBINDEN Die Türe an der Gerechtigkeitsgasse 47 löst beim Öffnen ein Klingeln in den hinteren Räumenaus, doch vorerst geschieht – nichts. Ich warte, und schaue mich um im hinblick auf mein Ge-spräch mit Rudolf Berger und Simone Felber, dem bisherigen Besitzer und Leiter und der neuenGeschäftsführerin. Dann taucht sie in handwerkerschürze auf: «Entschuldigen sie, ich konntenicht einfach so weg – ich war am Grundieren.»

Gleich wird mit klar: Hier wird nicht nur verkauft,hier wird vor allem auch produziert, und ich freuemich auf das Interview mit noch echten Handwer-kern aus der Unteren Altstadt. Nach Simone Felberstösst jetzt auch Rudolf Berger zu uns und ist bereitfür meine Fragen.

Vater Albert Berger gründete sein Buchbin-derei/Einrahmungs-Geschäft 1946 am Rathausplatzim ersten Stock über dem heutigen Restaurant Vol-ver. Kaum ein Jahr später konnte er an den heutigenStandort in die Gerechtigkeitsgasse 47 umziehen.Sohn Rudolf Berger erinnert sich an die Schilderun-gen seines Vaters: «Am neuen Standort arbeitete undlebte vorher eine Schuhmacher-Familie in einemeinzigen Wohnraum und einer Küche, wobei ihrBébé in einer Seifenkiste schlief… .» Und wie derVater – so der Sohn: Rudolf trat beruflich in dieFussstapfen von Albert, absolvierte von 1964 bis 67in Bern eine Lehre als Vergolder/Einrahmer, erwarbdas eidgenössische Fähigkeitszeugnis und arbeiteteunter anderem eine Zeitlang in London. Da es eineMeisterprüfung für den Beruf des Vergolders bei unsim Land bis heute nicht gibt, fuhr er 1968 nachParis, wo er 1971 seine Meisterprüfung bestand.

Nach seiner Heirat stieg Rudolf Berger 1971 ins Ge-schäft der Eltern ein, in welchem – und er betontdies ausdrücklich – auch die Mutter immer eine tra-gende Rolle gespielt hatte. 1979 übernahm er dasGeschäft. Drei Jahre später richtete er im Höfli einekleine Rahmenwerkstatt mit Vergoldungsatelier ein,im Keller befand sich das Lager. Neben seinen lang-jährigen Tätigkeiten im eigenen Geschäft und alsFachlehrer in der Schule für Gestaltung in Bern ar-

beitete Rudolf Berger später auch fünf Jahre lang ander neuen Bildungsverordnung von 2014 mit. Ne-benher amtete er als Experte bei den Abschlussprü-fungen in seinem Fachbereich. Und immer war undist er gerne bereit, für seine Kundschaft fachkundigeExpertisen zu erstellen.

Rahmen aus allen Epochen für Bilder wie fürSpiegel«Doch», lenke ich nun die Aufmerksamkeit auf dieProdukte, «was ist ein Rahmen ohne Inhalt!? BeimWort Rahmen stelle ich mir spontan Einfassungenfür Kunstwerke vor». «Das ist meist auch der Fall»,meint Rudolf Berger. «Es sind aber nicht die Künstler,die ihre Bilder bei uns rahmen lassen, sondern dieKäufer und Sammler von Kunstwerken.» Obschonauch aus diesem Grund Bergers nie eine Galeriewaren und sein wollten, wurde doch hie und daeinem Künstler im Eingangsbereich des GeschäftsPlatz für eine Ausstellung gewährt. Herr Berger er-läutert weiter: «Eine unserer Spezialitäten sind dieauf Wunsch und Bestellung angefertigten Stilrahmenaller Epochen. Und was den Rahmen-Inhalt anbe-langt, auf den Sie vorhin angespielt haben, so bedie-nen wir nicht nur die Kunst, sondern getreu demDoppelbegriff unserer Tätigkeit – dem Kunst-Hand-werk – auch die Wohnraumgestaltung: Eine weitereSpezialität des Hauses sind nämlich unsere Spiegel.Und wir fertigen nicht nur neue Rahmen nach Mass,wir restaurieren ebenso gerne auch alte Rahmen.»

Als die Liegenschaft, die durch einen Zwischengangüber den Hof mit dem Morlothaus verbunden ist, mitdiesem zusammen vor rund 10 Jahren totalsaniertwurde, musste das Atelier im Höfli dem Umbau wei-chen, konnte jedoch in den ersten Stock umziehen.Wir haben inzwischen dasselbe getan und mir wirdklar, der Raum macht soweit das Auge reicht demBegriff «Kunsthandwerk» alle Ehre. Man wünschtsolchen vor Kreativität sprühenden Werkstätten –mit einem ängstlich-wehmütigen Blick auf den heu-tigen Entwicklungstrend – noch lange eine Bleibe inder Unteren Altstadt!

Die beiden kreativen SchwesternWie es scheint, brauchen wir uns darüber im vor-liegenden Fall keine Sorgen zu machen. In der bis-herigen Mitarbeiterin Simone Felber fand RudolfBerger, der dieses Jahr in Pension geht, eine würdigeNachfolgerin. Ihre Zusammenarbeit begann in den90er-Jahren, als Simone Felber bereits währendihrer dreijährigen Ausbildung zur Vergolderin an derSchule für Gestaltung das inzwischen siebenköpfigeTeam an der Gerechtigkeitsgasse ergänzte. Ihre bisheute anhaltende Treue zum Geschäft macht sichnun bezahlt, obschon sie zuerst geglaubt hatte, fürsie alleine sei die Sache wohl etwas zu gross. Als sie

ihren Befürchtungen beinahe schon nachgegebenhatte, kam die rettende Lösung in Gestalt ihrer ei-genen Schwester. Die Bildhauerin Rahel de Wey warbereit, den neuen Aufgabenbereich mit ihr zu teilen.

Sie repräsentiert genau das, was sich schon seit ei-niger Zeit unter Rudolf Berger als «dritte Dimension»des Geschäftskonzeptes angebahnt hatte, die Objekt-gestaltung. Mit ihr wird das Augenmerk von der di-rekten Fassung eines Werkes auf dessenumgebenden Raum gelenkt und die gestalterischeArbeit räumlich erweitert. Durch Rahel de Wey, ge-lernte Holzbildhauerin und Tierpräparatorin, erhältdas Kunst-Handwerk des Geschäfts nun eine ganzpersönliche Art von Objektbetonung. Neu berei-chern künftig im Geschäft jetzt auch Verfahren wiebeispielsweise die Abgusstechnik die gestalterischeArbeit und ergänzen die altbewährten Rahmenher-stellungs-Techniken, denen sich Simone Felber mitihrem ganzen Erfahrungshintergrund weiterhinwidmen wird.

Beim Verlassen des Geschäfts erblicke ich über deminneren Laubenbogen das alte, durch liebevolle Res-tauration in Ehren gehaltene Berger-Logo, einegrüne Rahmenecke, die ein B wie ein Band umweht,darunter der Schriftzug «Kunsthandlung – Einrah-mungen – Vergoldungen», während sich direkt aufdem Schaufenster neben den Lettern «Berger – Rah-men und Kunst – seit 1946» eine kleine Rahmen-Ansammlung in Gold als neues Logo präsentiert.Etwas darunter wird dem Passanten die Arbeit, diein diesen Räumen stattfindet, nochmals deutlich ge-macht: «einrahmen – vergolden – restaurieren» undzwar «Spiegel – Kunst – Objekte». Alles klar! Und dieEntenschar hinter dem Glas – sie stammt natürlichvon Rahel de Wey – schnattert schon lauthals ange-sichts der neuen Geschäftsleitung der beiden krea-tiven Schwestern... ZB

Ein «Schaufenster-Himmel voller Rahmen» und Enten,die etwas aus dem Rahmen fallen: Die beiden Ar-beitsbereiche der neuen Geschäftsführer-Geschwister

Simone Felber (links) und Rahel de Wey (rechts) füh-ren gemeinsam das Geschäft weiter

Regula + Stephan HofmannPostgasse 48, 3011 Bern, Tel. 031 311 60 44

Dienstag ab 17 Uhr offenMittwoch bis Samstag 10 bis 24 Uhr offen

Restaurant

31BrunneZytig11. September 2015Leist der Untern Stadt

Wie kam es dazu, wie waren die Vorbereitungen?Anna Christen: Eine eigene Buchhandlung warimmer schon mein Traum! Ich bin gelernte Buch-händlerin und habe sechs Jahre in diesem Beruf ge-arbeitet. Irgendwann begann ich, mich nach einemgeeigneten Lokal umzusehen, sah dies und das, aberals ich nach ungefähr einem halben Jahr Suchendieses Lokal hier sah, verliebte ich mich sofort, beimersten Schritt, den ich hier hineinsetzte. Ich habeeinfach Glück gehabt, alles hier stimmt. Die Vorbe-reitungszeit war dann sehr kurz und lief erst nochparallel zu meiner Anstellung am vorherigen Ar-beitsort. Hier eingerichtet habe ich schlussendlichwährend fünf Tagen.

«Klamauk» ist der Name der Buchhandlung. Wassteckt hinter oder in diesem Namen? Oder ist er Pro-gramm? Gibt’s spezielle Schwerpunkte im Angebot?Klamauk bedeutet vom Wort her etwas Aufsehen-erregendes, Schönes, auch etwas Verrücktes. All dassollte hier anzutreffen sein.

Meine drei, eigentlich vier Schwerpunkte sind ers-tens: Fussball. Das ergibt sich einerseits aus meinereigenen Leidenschaft dafür, andererseits ist Fussballein Sachgebiet, das nirgends sonst im Buchhandelangeboten und gepflegt wird. Mein zweiter Schwer-punkt gilt der Prüfungsliteratur und der diesbezüg-lichen Beratung. Da richte ich mich an Schü-lerInnen, Lehrlinge und MaturandInnen. DritterSchwerpunkt ist aktuelle Politik und Geschichte. Zudiesen drei Schwerpunkten kommt natürlich, als ei-gentlicher vierter, das allgemeine, breite Angebot anBelletristik. Hier bei mir in der Buchhandlung kannman jedes lieferbare Buch bestellen, innerhalb von24 Stunden liegt es abholbereit im Laden.

Wer steht hinter der Buchhandlung Klamauk?Nur ich!

Wohl die erste Reaktion bei vielen: mutig, eine privateBuchhandlung zu gründen. Mut oder Vision?Ich will versuchen, meinen Traum zu leben und ihnumzusetzen. Ich will mich nicht von möglichen Ge-fahren und Gegebenheiten abhalten lassen. Lieberrenne ich mir dabei den Kopf ein oder falle auf dieNase, aber in der Zufriedenheit und Gewissheit, dassich es versucht und gewagt habe, den Traum zuleben.

Wenn Sie sich in Prozenten definieren müssten, zuwieviel sind Sie Geschäftsfrau, Leserin, Schreibende?Geschäftsfrau wohl zum kleinsten Teil, das Admi-nistrative freut mich am wenigsten. Als Lesendewürde ich mich mit etwa 75% einschätzen und einenTeil beanspruche ich auch gerne für das Schreiben.

Was wünschen Sie sich neben genügend Kundschaftfür die Zukunft Ihrer Buchhandlung?Ich möchte die Begeisterung für die Literatur, für dieSprache, das Wort weitergeben, die Freude am Buchüberhaupt. Ich liebe Bücher, allein schon ihr Material,ihren Geruch, ich bin gerne von ihnen umgeben.

Vielleicht gibts in Zukunft kleinere Veranstaltungen,Lesungen, aber wichtiger ist mir, dass man hier vor-beischaut, sich kurz trifft, so wie man sich beimGang über den Gemüsemarkt über den Weg läuft.

Für die Gasse ist es eine wunderbare Bereicherung,eine Buchhandlung zu erhalten! Und ich bin begeistert über die Nachbarschaft unddas fast Familiäre hier an der Gasse. ig

Buchhandlung KlamaukInhaberin Anna ChristenPostgasse 38, 3011 Bern, Tel 031 376 12 12www.klamauk.be, [email protected]Öffnungszeiten: Di-Fr 11.30 – 19.00; Sa 11.30 – 16.00

DIE ÜBERRASChUNG: EINE BUChhANDLUNG AN DERpOSTGASSE!Am 15. August eröffnet Anna Christen an der postgasse 38 ihre neue und eigene Buchhandlung!Wo bis vor wenigen Tagen Tattoos gestochen wurden, steht das schmucke Geschäft nun offenfür Bücherliebende. Schon sind die Regale längs den Wänden nach bestückt, Buch an Buch. Fürdie Nachbarschaft entstand die Buchhandlung wie über Nacht. Ein kleines Gespräch mit AnnaChristen.

Mit der Buchhandlung «Klamauk» hat sich AnnaChristen einen Lebenstraum verwirklicht.

… nach der Restaurierung soll das antike Möbel nicht brandneu aussehen, sondern soll vielmehr

seinen Charme, seine Geschichte, sein Alter zeigen können…

Daniel GerberRathausgasse 12 • 3011 BernTel./Fax 031 311 81 22

32 BrunneZytig11. September 2015 Angebote

Murtener Fischsuppe

Vorbereitungszeit: ca. 10 MinutenZubereitung: ca. 30 Minuten

Zutaten1,2 Liter Wasser Gemüsebouillon Salz Pfeffer Safran gemahlen oder Fäden300g verschiedenes Gemüse (je nach Lust und Laune)50-80 g Fisch oder Crevetten und Muscheln (wenn Fischsuppe als Vorspeise)120-150 g Fisch oder Crevetten und Muscheln (wenn Fischsuppe als Hauptgang)

VorbereitungGemüse waschen und fein schneiden.

Zubereitung1. Gemüse im Wasser zusammen mit der Bouillon und dem Safran weichkochen.2. Sobald die Gemüsesuppe fertig ist, den Fisch dazugeben und nicht mehr kochen lassen, sondern nur noch ca. 2-3 Minuten ziehen lassen3. Abschmecken und «E Guete»!

AUS DER WÄBERE-KÜCHE

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