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V oltaire war ein Intimfeind von Jean-Jacques Rousseau und trotzdem ein kluger Mann. Klug und weise wäre es sicher auch, wenn wir, die Redaktion der einblicke, die Zeichen an der Wand nicht nur als Symbole der Zerstörung unseres Zauberschlosses, sondern auch als Signale möglicher Hoffnungen, als Lebenszeichen wahrnehmen könnten. »Was wird ...!?« – unter die- sem Motto werden die ersten Kapitel (und auch die Berichte des 5. Kapitels) die tief greifenden Veränderungen des zurückliegenden Jahres, die vor allem im Zusammenhang mit dem Wechsel vom Wissenschafts- zum Schulmini- sterium stehen, zuerst beschreiben, dokumentieren und kommentieren, um dann die denkbaren und wahrschein- lichen Perspektiven dieser Umgestaltung durch Stimmen (kritischer) Freunde aufzuzeigen. Schließlich kommen Initiativen und Stimmen aus dem Kollegium zu Wort, die beides, die Bilanz und die Perspektiven, aus ihrer Sicht mit Ausrufe- oder Fragezeichen versehen. Dass die Kollegiatinnen und Kollegiaten nicht nur passive und duldsame Zeugen der dramatischen Verände- rungen sind, zeigte die »Malaktion« Mitte Februar 2007, als die Wände des OS über Nacht von Unbekannt mit Sätzen und Zeichnungen versehen worden sind. Unter dem Titel »Von der Aktion zur Diskussion« schildern wir diese Aktion und zeigen einen kleinen Ausschnitt aus den darauf folgenden kontroversen Auseinandersetzungen um die »Zeichen an der Wand«. Weitere Zeichen dafür, dass das OS trotz aller Strei- tigkeiten und Bedrohungen weiter lebt und dass wir für die große Mehrzahl der Lernenden, Forschenden und Editorial Lehrenden noch immer einen guten Lern- und Arbeitsplatz bieten, sind die vielfältigen erfolgreichen Forschungs- und Unterrichtsprojekte sowie die durchgeführten Tagungen. Sie sind ein Beleg dafür, dass wir uns in der schulpädagogischen For- schung, der Lehrerfortbildung und der Bildungspolitik und auch in der Kooperation mit anderen Schulen immer bes- ser vernetzen und zunehmend Anerkennung finden. Für Letzteres steht insbesondere das Projekt EuRoPa, ein kulturvolles Zeichen der Verstän- digung und Gemeinsamkeit mit der Jugend aus Schulen anderer europäischer Länder. Auch diesmal haben wir den vielen Autorinnen und Autoren dieses Heftes zu danken und auch diesmal müssen wir um Verständnis bitten, wenn wir Beiträge gekürzt oder geändert haben, ohne dass wir immer genügend Rückspra- che halten konnten. Schließlich: Der Umbau des OS (zu einem neuen Zauberschloss oder zu einer Reformruine?) will weiterhin beschrieben, beklagt, bejubelt werden. Die einblicke werden auch in Zukunft vermitteln, was aus dem »Was wird ...!?« geworden ist. Es grüßen aus der Redaktion: Jupp Asdonk, Margit Dietz, Hans Frieder Dietz, Ramona Lau »Schade, dass man einen Teil seines Lebens damit zubringen muss, alte Zauberschlösser zu zerstören.« François-Marie Arouet (genannt Voltaire)

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Voltaire war ein Intimfeind von Jean-Jacques Rousseau und trotzdem ein kluger Mann. Klug und weise wäre

es sicher auch, wenn wir, die Redaktion der einblicke, die Zeichen an der Wand nicht nur als Symbole der Zerstörung unseres Zauberschlosses, sondern auch als Signale möglicher Hoffnungen, als Lebenszeichen wahrnehmen könnten.

»Was wird ...!?« – unter die-sem Motto werden die ersten Kapitel (und auch die Berichte des 5. Kapitels) die tief greifenden Veränderungen des zurückliegenden Jahres, die vor allem im Zusammenhang mit dem Wechsel vom Wissenschafts- zum Schulmini-sterium stehen, zuerst beschreiben, dokumentieren und kommentieren, um dann die denkbaren und wahrschein-lichen Perspektiven dieser Umgestaltung durch Stimmen (kritischer) Freunde aufzuzeigen. Schließlich kommen Initiativen und Stimmen aus dem Kollegium zu Wort, die beides, die Bilanz und die Perspektiven, aus ihrer Sicht mit Ausrufe- oder Fragezeichen versehen.

Dass die Kollegiatinnen und Kollegiaten nicht nur passive und duldsame Zeugen der dramatischen Verände-rungen sind, zeigte die »Malaktion« Mitte Februar 2007, als die Wände des OS über Nacht von Unbekannt mit Sätzen und Zeichnungen versehen worden sind. Unter dem Titel »Von der Aktion zur Diskussion« schildern wir diese Aktion und zeigen einen kleinen Ausschnitt aus den darauf folgenden kontroversen Auseinandersetzungen um die »Zeichen an der Wand«.

Weitere Zeichen dafür, dass das OS trotz aller Strei-tigkeiten und Bedrohungen weiter lebt und dass wir für die große Mehrzahl der Lernenden, Forschenden und

Editorial

Lehrenden noch immer einen guten Lern- und Arbeitsplatz bieten, sind die vielfältigen erfolgreichen Forschungs- und Unterrichtsprojekte sowie die durchgeführten Tagungen. Sie sind ein Beleg dafür, dass wir uns

in der schulpädagogischen For-schung, der Lehrerfortbildung und der Bildungspolitik und auch in der Kooperation mit anderen Schulen immer bes-ser vernetzen und zunehmend

Anerkennung finden. Für Letzteres steht insbesondere das Projekt EuRoPa, ein kulturvolles Zeichen der Verstän-digung und Gemeinsamkeit mit der Jugend aus Schulen anderer europäischer Länder.

Auch diesmal haben wir den vielen Autorinnen und Autoren dieses Heftes zu danken und auch diesmal müssen wir um Verständnis bitten, wenn wir Beiträge gekürzt oder geändert haben, ohne dass wir immer genügend Rückspra-che halten konnten.

Schließlich: Der Umbau des OS (zu einem neuen Zauberschloss oder zu einer Reformruine?) will weiterhin beschrieben, beklagt, bejubelt werden. Die einblicke werden auch in Zukunft vermitteln, was aus dem »Was wird ...!?« geworden ist.

Es grüßen aus der Redaktion: Jupp Asdonk, Margit Dietz, Hans Frieder Dietz, Ramona Lau

»Schade, dass man einen Teil seines Lebens damit zubringen muss, alte

Zauberschlösser zu zerstören.«François-Marie Arouet (genannt Voltaire)

Lehrenden noch immer einen guten Lern- und Arbeitsplatz bieten, sind die vielfältigen erfolgreichen Forschungs- und Unterrichtsprojekte sowie die durchgeführten Tagungen. Sie sind ein Beleg dafür, dass wir uns

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Jupp Asdonk

Ulrich Thünken

Sigrid Beer

Ludwig Huber

Angela Kemper

Karin Lenk

Hans Kroeger

Christian Schweihofen

Hans Frieder Dietz

Gerlinde Günther-Boemke

Redaktion

Manuel Schiefer

Hans Frieder Dietz

Josef Keuffer,

Maria Kublitz-Kramer

Die Forschungsprojekte

des Oberstufen-Kollegs

Maria Kublitz-Kramer

Ramona Lau

Gabriele Glässing,

Ida Hackenbroch-Krafft

Sebastian Boller

editorial 1

»Was wird ...!?« – ein Rückblick

Quo vadis – wohin gehst Du,

Oberstufen-Kolleg? 5

»Was wird ...!?« – Perspektiven

der Umgestaltung

Versuchsschule zwischen Ökonomie

und bildungspolitischer Relevanz 11

Quo vadis Oberstufenkolleg 12

Ein Wort zu Situation und Perspektiven

des OS 1�

»Was wird ...!?« – Schulentwicklung,

Initiativen und Meinungen des

Kollegiums

Betrifft Schulentwicklung 15

Ein Brief an den Schulausschuss

des Landtags 17

Zur Zukunft des Oberstufen-Kollegs 20

Das Oberstufenkolleg – eine

Organisation in und zwischen

Erziehung und Wissenschaft 21

Eine zentrale Alternative 22

»Das Land ist der Dienstherr

geblieben ...« 24

Von der Aktion zur Diskussion

»Du sollst denken lernen, nicht Gedach­

tes« – Die Zeichen an der Wand 27

Handlungsbedarf: Malaktion im OS 28

»Im Sande verlaufen?« �1

Forschung und Entwicklung

Trennung von Wissenschaftlicher

Einrichtung und Versuchsschule ��

Der FEP 2006-2008 �5

Einführung eines Projektmanagements

für die Forschung Erfahrungen zweier

Projektleiterinnen �6

Von Bielefeld nach Viña del Mar:

Vortragsreihen, Tagungen und

ein DAAD-Projekt �8

Nicht PISA, aber LAU – Sprach-

kompetenzen im Vergleich 40

Alltagswelten – Forschungswelten:

Forschung mit und über

Kollegiat/innen 42

Kathrin Helsper,

Hans Hermsen,

Claudia Schuler

Gisela Feurle

Projektgruppe Europa

Holger Wiewel

Mattes Schmidt,

Dominik Chemielecki

und Maren Oldenburg

Nicola Schultz

Donata Lippert

Matthias Riedinger

Manuel Schiefer

Lara Pütz

Malte Fiedler

Hansi Riecke

Hans Kroeger

Gerlinde Volland

Christina Thomas

Drinnen und Draußen

Projekte im Studienjahr 2006/2007 46

»Das stelle ich mir

wie eine Lampe vor« 48

»It was a good experience to learn about

the German life« 50

Das Kulturfestival Europa: Heimat

und Fremde – Junge Europäer

gestalten ihr Europa 51

Was tun gegen Rechts? – Die kleine

Geschichte der Ausstellung

»RechtsRock – Hass und Rassismus

auf ’s Ohr« 55

Vereintes Europa – Chancen und

Risiken; Deutsch-polnische

Jugendbegegnung in Rzeszów,

13.–20. Januar 2007 56

Leben in der Schule

In jedem Jahr: der Welt-Aids-Tag am

1. Dezember im Oberstufen-Kolleg 58

»OS für Einsteiger« – Erste Erfahrungen

als Anerkennungsjahrpraktikantin

in der Schulsozialarbeit 59

Jungen Menschen nützliche Zeit

zur »Bewährung« geben – Eine

Begegnung mit unserm Schulgründer

Hartmut von Hentig 60

Schulsanitätsdienst am

Oberstufen-Kolleg 61

Kollegiatinnen und Kollegiaten:

unser Oberstufen-Kolleg

Abitur 2007 62

Meine Zeit am Oberstufen­Kolleg:

Mein Bildungsgang: Im Großen und

Ganzen zufrieden 64

Neues lernen und ein

gutes Abitur machen 65

Aus dem Krat 67

Gedichte in spanisch 68

Menschen am Oberstufen-Kolleg

Abschied, Beginn, Bewegungen 70

Was macht eigentlich ...?

... Helga Franzen? 7�

... Nil Alam? 74

... Horst Rühaak? 75

Publikationen

Neue Publikationen am OS 76

Inhalt

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5

Die Fragen des Sommers 2006 haben inzwischen Ant-worten gefunden: Es sind im vergangenen Jahr Ent-

scheidungen getroffen, neue Strukturen geschaffen, Ziele und Aufgaben in Erlassen und Ordnungen formuliert wor-den. Aber dennoch sind die künftigen Entwicklungsschwer-punkte der Versuchsschule, ihr Experimentalspielraum, die Rahmenbedingungen für Ausbildung und Prüfung der Kollegiat/innen und die Erfolgschancen des veränderten Lehrer-Forscher-Konzeptes immer noch ungewiss.

Die Aktionen und Reaktionen von Kollegiat/innen, Lehrenden und den Mitarbeiter/innen in Sekretariaten, Werkstätten und Verwaltung zeigen, wie paradox diese Entwicklung ist : Entscheidungen, die Klarheit bringen und einen neuen Rahmen sicher stellen sollten, verursachen (neue) Unsicherheit und stellen Motivation und Engage-ment in Frage.

Ein kurzer Abriss der wichtigsten Ereignisse des ver-gangenen Jahres (siehe dazu auch den Bericht von Maria Kublitz-Kramer und Josef Keuffer – Seite 33 ff) kann viel-leicht deutlicher machen, warum die getroffenen bildungs-politischen Entscheidungen und deren Umsetzung von vielen mit Skepsis gesehen werden – zumindest im Ober-stufen-Kolleg.

Sommer 2006: Ein Brief des WBR

Ende Juni 2006 tagt der Wissenschaftliche Beirat (WBR) des Oberstufen-Kollegs, informiert sich über den Stand der Verhandlungen mit den beiden zuständigen Ministerien, dem MIWFT und dem MSW1 und beschließt – »besorgt über den Stand der Beratungen zur Zukunft des Oberstufen-Kollegs« – sich in einem Brief an die Schulministerin Barba-ra Sommer zu wenden.

In diesem Schreiben vom 31. Juli 2006 verweist der Vor-sitzende des WBR, Dr. Lange, auf die positiven Ergebnisse

der Evaluation der Einrichtung und den Peer-Bericht in den Jahren 2004/5 und bewertet daran anschließende Erarbei-tung eines Schulentwicklungsplans für die Jahre 2006–2012 und des Forschungsplans 2006–2008 als erfolgreich und ambitioniert. In der beabsichtigten Teilung der Einrichtung sieht er »neben Risiken auch Chancen ... zu einer stärkeren Akzentuierung des Versuchsschulauftrags« und betont:

»Aus der Sicht des Beirats ist es dabei wichtig, dass die Versuchsschule einen angemessenen Rahmen für Experimente und somit weitgehende didaktische und curriculare Freiheiten behält, [....] einen ausreichenden Freiraum des Experimen-tierens, in dessen Rahmen sie das heute Undenkbare denken kann«.

Angesichts des zögerlichen Agierens der Ministerien und der seit Monaten andauernden Ungewissheit, ob das Ober-stufen-Kolleg nicht (wie schon das Landesinstitut in Soest) doch noch geschlossen werde, ist die Sorge des WBR um den Erhalt der Einrichtung nur zu berechtigt. Der Brief schließt mit dem Wunsch:

»Im Namen der Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats möchte ich Sie deshalb darin bestärken, den eingeschlagenen Weg für das Oberstufen-Kolleg fortzusetzen. Ich hoffe, dass Nordrhein-Westfalen die Besonderheit einer Reformschule der Sekundarstufe II als Herausforderung und als besondere Einrichtung anerkennt«.

Herbst 2006: »... das Oberstufen-Kolleg fortführen ...«

Der angekündigte Beschluss des Kabinetts verzögerte sich von Woche zu Woche – mit wachsender Unruhe im Hause und mit immer stärker in Zweifel gezogenen Begründungen für die wiederholte Vertagung. Erst Ende Oktober trifft die Landesregierung endlich die Entscheidung: »... das Oberstu-fen-Kolleg an der Universität Bielefeld als staatliche Versuchs-schule und Einrichtung des Landes ... fortzuführen ... .«

»Was wird ...!?« – ein Rückblick

Quo vadis – wohin gehst Du, Oberstufen-Kolleg?

Jupp Asdonk

1 MIWFT: Ministerium für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie; MSW: Ministerium für Schule und Weiterbildung

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Zugleich trennt der Erlass mit Wirkung zum 1.1.2007 das Oberstufen-Kolleg in zwei von einander unabhängige Tei-leinrichtungen und ordnet die Versuchsschule dem Mini-sterium für Schule und Weiterbildung, die Wissenschaft-liche Einrichtung der Fakultät für Pädagogik zu.

Neben der erwarteten Teilung des Oberstufen-Kollegs sind die einschneidendsten Aussagen des Erlasses: • Der Abbau von weiteren 9 Lehrerstellen in der Versuchs-

schule – über den im Jahre 2001 erlassenen Abbau von 21 Lehrerstellen, der erst Anfang 2009 abgeschlossen werden sollte, hinaus. Dies bedeutet, dass voraussichtlich bis 2010 keine Stelle neu besetzt werden kann.

• Die Schließung der Werkstätten, die gerade für den Pro-jektunterricht wichtig waren, und der Schreibsekretariate, Abbau weiterer Stellen in der Verwaltung.

• Die Erhöhung der wöchentlichen Unterrichtsdeputate auf den an Kollegs üblichen Umfang von 22 h/Woche.

• Ein Versuchsschulzuschlag von sechs Stellen, um in Zukunft Lehrende, die in einem Forschungsprojekt mit-arbeiten, auf Antrag von einem Teil ihrer Unterrichtsver-pflichtungen entlasten zu können.

Im Gegensatz zur Versuchsschule kann die Wissenschaft-liche Einrichtung ihre Stellen und Sachmittel behalten

und wird ihre Forschungs- und Entwicklungsarbeit – in thematischer Zuordnung zu den Arbeitsfeldern der Ver-suchsschule – nun unter dem Dach der Fakultät für Päda-gogik fortsetzen.

Protest und Gegenwehr löst der Erlass vor allem dort aus, wo er Stellenabbau verlangt bzw. die Rechte und Verpflichtungen der Lehrenden betrifft. Die Unterrichts-deputate heraufzusetzen, bedeutet faktisch, die bisher in allen Arbeitsverträgen (und den Einweisungsverfügungen der Beamte/innen) vorgesehene Unterrichtsentlastung für parallele Aufgaben in Forschung und Entwicklung zu strei-chen und reduziert die Möglichkeit, kontinuierlich in For-schungsprojekten mitzuarbeiten. Ebenso einschneidend ist es, dass diese Regelung und die Umsetzung der Stellen in den Geschäftsbereich des Schulministeriums auch den Sta-tus der Betroffenen ändert: Aus wissenschaftlichen Mitarbei-ter/innen der Universität sollen nun Lehrer/innen werden. Noch gravierender ist aber für die Mehrzahl der Lehrenden der manifeste Widerspruch zwischen einem im Jahre 2002 mit der Landesregierung vereinbarten außergerichtlichen Vergleich zur Unterrichtsverpflichtung und diesem Erlass: Der Vergleich sieht - nach einer Phase zunehmenden Depu-tats - ab 2008 eine wöchentliche Verpflichtung im Umfang von 18 h vor, der Erlass fordert nun 22 h/Woche.

Es kann nicht verwundern, wenn Betroffene zu dieser Frage eine gerichtliche Klärung suchen. Ministerium und Schulaufsicht wären allerdings gut beraten, wenn sie den Vergleich als eine Regelung für den Übergang akzeptierten und die Umgestaltung von Versuchsschule und Wissen-

schaftlicher Einrichtungen, die auch so schon mit gro-ßen Belastungen verbunden ist, nicht noch schwieriger zu machen. Denn – dies kann nur erneut betont werden – die beiden Einrichtungen werden nur dann erfolgreich arbeiten können, wenn sie kompetente und engagierte Mitarbeiter/innen behalten und gewinnen.

Dezember 2006–Januar 2007: Abschied und Neuanfang

In einer Personalversammlung am 6.12.2006 erläutern Rektor und Kanzler der Universität, Dieter Timmermann und Hans-Jürgen Simm, ihren bisherigen Mitarbeiter/innen, welche rechtlichen und organisatorischen Wirkungen der Erlass ab dem 1.1.2007 für sie haben wird, es gilt, wie es der Rektor den Lehrenden schon vorab schriftlich mitgeteilt hatte: »Mit der Verlagerung der Dienstaufsicht über die Versuchsschule Oberstufen-Kolleg sind Sie ab dem 1.1.2007 keine Mitarbeiterin/kein Mitarbeiter der Universität Biele-feld mehr«. Ich bedauere dies und möchte mich bereits an dieser Stelle für die langjährige Mitarbeit am Oberstufen-kolleg als Einrichtung der Universität Bielefeld bedanken.«.

Ein interessantes Detail: Zu den wiederholten Fragen, ob denn die im Erlass getroffenen personenbezogenen Rege-lungen rechtens seien, antwortet der Kanzler sinngemäß, dass er nachvollziehen könne, wenn Betroffene eine gericht-liche Klärung anstrebten – eine diplomatische Formulie-rung für ein offensichtliches rechtliches Problem.

Mit Beginn des Jahres 2007 geht also eine Epoche zu Ende: Das Oberstufen-Kolleg als Versuchsschule, die

»Was wird ...!?« – ein Rückblick »Was wird ...!?« – ein Rückblick

zugleich Zentrale Wissenschaftliche Einrichtung der Universität Bielefeld ist und deren Lehrende ausnahmslos wissenschaftliche Mitarbeiter/innen sind, wird mit dem 1. Januar überführt in die Versuchsschule des Landesregierung und in die Wissenschaftliche Einrichtung der Fakultät für Pädagogik.

Wie jede Geburt ist auch dieser Akt von Ängsten und Hoffnungen begleitet. Die Hoffnungen sind nicht zuletzt in den Erfahrungen der Laborschule begründet, die mit der gleichen organisatorischen Konstruktion, die nun auch für das Oberstufen-Kolleg gilt, seit Anfang der 1990er Jahre arbeitet und – nach innen und nach außen – erfolgreich ist.

Frühjahr 2007: Grundordnung und Verwaltungsordnung

In Orientierung an der Laborschule verläuft auch der Schritt, die bisher gültigen Ordnungen, die Grundordnung (GO) der Versuchsschule (VS OS) und die Verwaltungs- und Benutzungsordnung (VBO) der Wissenschaftlichen Einrichtung (WE OS) umzuschreiben und der neuen Situ-ation anzupassen. Die neuen Ordnungen sollen, das ist die gemeinsame Ausgangsposition aller Beteiligten, auch für die Zusammenarbeit der beiden Einrichtungen eine rechtliche Form finden, die es jeweils ermöglicht, die Arbeits- und Ent-wicklungsschwerpunkte von VS und WE als gemeinsames Anliegen zu diskutieren und zu entscheiden.

Auf dieser Basis findet auf der einen Seite ein Abstim-mungsprozess mit dem Vertreter des MSW, Herrn Thün-ken, statt, der dezidierte Vorstellungen zur »Novellierung«

der GO hat: Sie soll erheblich kürzer werden und nur wenige Ausnahmen von dem 2006 verabschiedeten neuen Schulgesetz vorsehen. (Hier muss man aller-dings konstatieren, dass das Schulgesetz eine Reihe von Regelungen vorsieht, z.B. die Schulleitung auf Zeit, die Wahl der Schulleitung durch die Schulkonferenz, den Aufgabenkatalog der Schulkonferenz oder die Möglichkeiten einer selbstständigen Bewirtschaftung von Personal- und Sachmitteln, die in den 1980er Jahren, als die alte OS-Grundordnung entstand, noch rosarote Zukunft waren.) Von besonderer Bedeutung sind die Aussagen über die Aufgaben der Lehrerinnen und Lehrer. In einem umgestalteten Lehrer-Forscher-Modell haben sie zunächst ihre unterrichtlichen Ver-pflichtungen »auf der Grundlage der Rahmenvorgaben und der unterrichtsorganisatorischen Strukturkonzepte für die Versuchsschule«. Darüber hinaus können sie

»im Rahmen des im Haushalt bereitgestellten Ver-suchszuschlags für eine festen Zeitraum mit einem bestimmten Anteil ihrer wöchentlichen Arbeitszeit bestimmte Aufgaben in der WE OS übernehmen. Die Aufgaben werden schulintern ausgeschrieben.«

Nicht gelöst sind in dem Grundordnungsentwurf Probleme von Lehrenden, die kein zweites Staatsexa-men besitzen, u.a. hinsichtlich einer Beförderung

oder einer Kandidatur für eine Leitungsfunktion. Auch zu der Frage, in welchem Umfang das OS tatsächlich selbst-ständig wirtschaften kann, macht der Entwurf, der nun dem Hauptpersonalrat beim MSW zur Stellungnahme vorliegt, keine explizite Aussage.

Die Verwaltungsordnung (VBO) der Wissenschaftlichen Einrichtung, die parallel beraten wird, regelt die Aufgaben der Einrichtung, die Zuständigkeiten und Aufgaben von Vorstand und Wissenschaftlicher Leitung sowie die Mitbe-stimmungsrechte der Mitglieder der Einrichtung.

Gemeinsam ist beiden Ordnung zunächst eine wort-gleiche Präambel. Dort heißt es: »Das Oberstufen-Kol-

leg und die Wissenschaftliche Einrichtung Oberstufen-Kolleg haben den Auftrag, Grundfragen des Bildungswesens systema-tisch zu untersuchen, Reformmodelle im wechselseitigen Bezug von Theorie und Praxis zu erproben und ihre Übertragbarkeit auf die bestehenden Bildungseinrichtungen zu prüfen. Im Zentrum stehen hierbei die Entwicklung, unterrichtsprak-tische Erprobung und Evaluation von Bildungsstrukturen und curricularen Konzepten, die auf der Basis individueller Schwerpunktsetzung und vertiefter allgemeiner Bildung zur allgemeinen Studierfähigkeit führen und auf die Berufs- und Arbeitswelt vorbereiten.

Die Mitglieder beider Einrichtungen nehmen alle Aufga-ben, die die Wechselwirkung von Unterricht, Forschung und Entwicklung betreffen, in einer sich gegenseitig bedingenden Verantwortung wahr. Für die gemeinsam zu erfüllenden Auf-gaben wird eine Gemeinsame Leitung eingerichtet.«

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Oberstufen-Kolleg

Entscheidung der Landesregierung vom 31.10.2006

– Az.: 224 - 1.08.03.03

Die Landesregierung hat in ihrer Sitzung am 31. Oktober 2006

beschlossen, das Oberstufen-Kolleg an der Universität Bielefeld als

staatliche Versuchsschule und Einrichtung des Landes gemäß § 14

LOG fortzuführen mit der Maßgabe, dass

1. die Dienstaufsicht über die Versuchsschule ab dem 01.01.2007

dem Ministerium für Schule und Weiterbildung obliegt, das diese

gemäß § 14 LOG auf die Bezirksregierung Detmold überträgt,

2. 72 Planstellen (davon 7 mit kw-Vermerk) für Lehrerinnen und

Lehrer und 8 BAT-Stellen für Verwaltungspersonal in den Einzel-

plan 05 umgesetzt werden,

�. die Universität Bielefeld mit Wirkung vom 01.01.2007 eine

neue Wissenschaftliche Einrichtung Oberstufen-Kolleg der Fakultät

für Pädagogik der Universität Bielefeld errichtet, die in der Aufga-

benerfüllung auf die Versuchsschule bezogen ist,

4. das wissenschaftlich tätige Personal (7 Planstellen/Stellen) in

der korrespondierenden Wissenschaftlichen Einrichtung Oberstu-

fen-Kolleg verbleibt,

5. die restlichen 15 Stellen, an denen insgesamt 5 kw-Vermerke

ausgebracht sind (4 allgemeine kw-Vermerke, 1 kw-Vermerk

für eine Ersatzstelle gem. § 42 LPVG) in den Hochschulbereich

(Universität Bielefeld und/oder Fachhochschule Bielefeld bzw.

Hochschulen in Ostwestfalen) überführt werden und die mit dem

Zukunftspakt vom 18.08.2006 vereinbarte Übernahmeverpflich-

tung zur Realisierung von kw-Vermerken außerhalb der Hochschu-

len berücksichtigt wird,

6. die Versuchsschule nach Ablauf des Schuljahres 2009/10 evalu-

iert und danach über ihren Fortbestand entschieden wird,

7. die Wahrnehmung der Aufgaben des Schulträgers des Ober-

stufen-Kollegs Bielefeld und der staatlichen Versuchsschule Labor-

schule an der Universität Bielefeld der Bezirksregierung Detmold

übertragen wird und diese den Kanzler der Universität Bielefeld im

Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung mit den Aufga-

ben des Gebäudemanagements für die Schulräume einschließlich

der Freiflächen beider staatlichen Schulen im Bereich der Universi-

tät Bielefeld beauftragt,

8. die Zahl der wöchentlichen Pflichtstunden der im Oberstu-

fen-Kolleg tätigen Lehrerinnen und Lehrer ab dem 01.08.2007

entsprechend der Regelung für das Kolleg (Institut zur Erlangung

der Hochschulreife) gem. § 2 Abs. 1VO zu § 93 Abs. 2 SchulG 22

beträgt und die Stellen des Versuchszuschlags nicht mehr für eine

pauschale Entlastung aller Lehrkräfte, sondern zeitlich befristet,

gebündelt und zweckgebunden verwendet werden,

9. die Bediensteten des Oberstufen-Kollegs entsprechend der

haushaltsmäßigen Aufteilung der Planstellen und Stellen im Ent-

wurf des Haushalts 2007 an der Versuchsschule oder an der neu

zu errichtenden Wissenschaftlichen Einrichtung im Übrigen in

dem beamten- und besoldungs- bzw. dem arbeits- und vergü-

tungsrechtlichen Status verbleiben, den sie aufgrund ihrer Ernen-

nungsurkunde bzw. ihres Arbeitsvertrages am Stichtag 31.12.2006

besitzen,

10. die Versuchsschule hinsichtlich ihrer Personalausstattung wie

ein Kolleg (Institut zur Erlangung der Hochschulreife) gem. § 23

Abs. 1 SchulG behandelt und zusätzlich ein Versuchszuschlag in

Höhe von 12 % auf die Grundstellenzahl gewährt wird,

11. das lehrende Personal der Versuchsschule durch Rechts-

ordnung gemäß § 95 LPVG dem Personalrat für Lehrkräfte an

Gymnasien und Weiterbildungskollegs bei der Bezirksregierung

Detmold zugeordnet wird und die personalvertretungsrechtliche

Zuordnung des Schulträgerpersonals sich nach den Vorschriften

des LPVG richtet.

Diese Organisationsänderung der Landesregierung hat zur Folge,

dass das Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes

Nordrhein-Westfalen mit Wirkung vom 1. Januar 2007 für das leh-

rende Personal sowie für das weiterhin mit den Schulträgeraufga-

ben betraute Verwaltungspersonal die oberste Landesbehörde ist.

Dienstvorgesetzter für das Personal ist die oberste Landesbehörde,

vertreten durch die Bezirksregierung Detmold.

Ich bitte, die infrage kommenden Bediensteten hierüber in Kennt-

nis zu setzen. Gleichfalls bitte ich Sie, das an der Universität

Bielefeld verbleibende wissenschaftliche Personal sowie die Bedien-

steten des Oberstufen-Kollegs, die künftig mit anderen Aufgaben

der Hochschulverwaltung beauftragt werden sollen, über die ggf.

eintretenden Änderungen zu informieren und das Notwendige zu

veranlassen.

»Was wird ...!?« – ein Rückblick »Was wird ...!?« – ein Rückblick

Im Zentrum beider Ordnungen stehen die Regelungen zu dem neuen Koordinations- und Beschlussgremium, der »Gemeinsamen Leitung« (GL). Als Aufgaben der GL werden genannt:

»Die Gemeinsame Leitung berät und entscheidet insbe-sondere über:• die langfristigen Arbeits- und Entwicklungsschwerpunkte

des Oberstufen-Kollegs und der Wissenschaftlichen Einrich-tung Oberstufen-Kolleg,

• den in der Regel alle zwei Jahre von der wissenschaftlichen Leiterin oder dem wissenschaftlichen Leiter vorzulegenden Forschungs- und Entwicklungsplan,

• die Grundsätze der Sachmittel- und Stellenplanung des Oberstufen-Kollegs und der Wissenschaftlichen Einrichtung Oberstufen-Kolleg,

• die Verteilung der im Rahmen des Haushalts bereitgestellten Stellenanteile für den Versuchszuschlag für Projekte im Rah-men des Forschungs- und Entwicklungsplans.«

Beide Ordnung sollen in den nächsten Wochen – vom Schulministerium bzw. der Fakultät für Pädagogik – verab-schiedet werden und in Kraft treten.

Sommer 2007: Ausblick

Viele Antworten und dennoch: viele offene Fragen und immer noch Unsicherheit: Was wird aus den Möglichkeiten der besonderen Einrichtungen, was geschieht mit dem Kapital vieler herausragend qualifizierter Lehrenden, welche

Entwicklungschancen können wir den Kollegiatinnen und Kollegiaten künftig anbieten, wie können detaillierte und sehr anerkannte Pläne für Schulentwicklung, Evaluation und Forschung umgesetzt werden?

Im Mai 2007 haben Mitglieder des Schulausschusses des Landtags das Oberstufen-Kolleg besucht, nur ein Tag später die Regierungspräsidentin Frau Thomann-Stahl - werden aus den Kontakten unterstützende Beziehungen? Wird das Schulministerium der Versuchsschule den Raum für Expe-rimente lassen, den Raum zu denken und zu erproben, was bisher noch nicht gedacht wurde?

Das Oberstufen-Kolleg jedenfalls will darüber nach-denken, wie seine Zukunft aussehen, wie und womit es zur Entwicklung von Schule und Bildung beitragen kann: Es hat vor einigen Wochen eine »Denkgruppe« gebildet, in der Kol-legiat/innen, Lehrende und Leitungen an einer »zukunfts-fähigen« Konzeption arbeiten. Die »einblicke 2007/08« werden dazu mehr sagen können.

Mitglieder des Schulausschusses zu Besuch im OS: Sigrid Beer (GRÜNE), Klaus Kaiser (CDU), Hans Kroeger,

Wolfgang Große Brömer (SPD), Vorsitzender des Schulausschusses (von links)

Der Weiterführungserlass – im Wortlaut

8. die Zahl der wöchentlichen Pflichtstunden der im Oberstu-

fen-Kolleg tätigen Lehrerinnen und Lehrer ab dem 01.08.2007

»Was wird ...!?« – ein Rückblick

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10

Die Wissenschaftliche Einrichtung

11

Herr Thünken geht in seinem Bericht auf verfahrensbe-zogene und inhaltliche Aspekte der Umstrukturierung

der VS OS ein. Auf struktureller Ebene sei zunächst positiv hervorzuheben, dass das nordrhein-westfälische Schulgesetz Versuchsschulen und Schulversuche grundsätzlich zulasse. Aufgrund der günstigen Gesetzeslage sei die Arbeit der Ein-richtung als Versuchsschule somit gesetzlich gesichert. Dem gemäß betrachtet er den Kabinettsbeschluss als gute Grund-lage für die künftige pädagogisch-inhaltliche Arbeit und den damit verbundenen Versuchsauftrag der Einrichtung. Bei der Umsetzung des Kabinettsbeschlusses orientiere sich das Mini-sterium an den Empfehlungen des Peer Review-Gutachtens. Gemäß dieser Empfehlungen sei es u. a. Ziel der Umstellung, Strukturen (z. B. Gremien) der VS OS zu vereinfachen. Für die Umsetzung des Versuchsauftrags könne die Einrichtung zwar auf der inhaltlichpädagogischen Ebene von den admi-nistrativen Rahmenbedingungen begründet abweichen; in struktureller Hinsicht sei dies jedoch nur bedingt möglich und wünschenswert. Grundgedanke der Neukonzipierung der VS OS solle das im Schulgesetz formulierte Prinzip der individuellen Förderung sein. Demgemäss müsse es Ziel der Arbeit sein, möglichst alle Schüler/innen unabhängig von ihrer Herkunft optimal zu fördern - eine Aufgabe, die der Philosophie der VS OS entspreche. Grundlage der Arbeit der Einrichtung sei somit die Erfüllung eines weitreichenden und bildungspolitisch relevanten Versuchsauftrags.

Perspektivisch schlägt er die Konzipierung einer neuen Ausbil-dungs- und Prüfungsordnung für die VS OS vor, die den Übergang zwischen dem Status Quo und der neuen gymnasialen Oberstufe ermöglichen solle. Dabei müsse man sich an den Vorgaben der Leitgremien (v.a. Kultusministerkonferenz) orientieren, d.h. es müsse – auch für Versuchseinrichtungen wie die VS OS – verbind-liche Vorgaben und Orientierungspunkte geben. Zielperspektive sei ein vergleichbares Niveau in den Abschlüssen.

Abschließend skizziert er die Handlungslogik politischer Akteure: Versuchsschulen bewegten sich stets im Spannungs-feld zwischen Ökonomie und bildungspolitischer Relevanz. Vor diesem Hintergrund müsse sich das OS als Versuchsschu-le dynamisch an die Veränderungen der externen Rahmenbe-dingungen anpassen und die eigene Arbeit kontinuierlich neu justieren. Herr Thünken freut sich darauf, diesen spannungs-reichen Weg mit der VS OS gemeinsam zu beschreiten.

Er weist auf die Bedeutung der Wahrnehmung des OS von außen hin. Wichtig seien Veröffentlichungen, Besuche anderer Lehrkräfte im OS und die Wahrnehmung seitens der Hochschulen. Eine Aufgabe des OS könne es sein, zu analy-sieren, welche Anforderungen in den Kernfächern wirklich studienrelevant seien. Darüber hinaus ergebe sich die Frage nach einer besseren Vermittlung relevanter Inhalte. Dafür sei das OS durch die Kontakte zur Wissenschaft gut geeignet. Diese Problematik sei unabhängig davon, ob Prüfungen zen-tral oder dezentral gestellt würden.«

»Was wird ...!?« – Perspektiven der Umgestaltung

»Was wird ...!?« – Perspektiven der Umgestaltung

Im Januar 2007 hat sich der Wissenschaftliche Beirat des Oberstufen-Kollegs mit dem »Weiterführungserlass« des MSW aus-einandergesetzt. In diesem Zusammenhang hat Ministerialrat Ulrich Thünken, der das MSW im Beirat vertritt, die Einschät-zungen der Landesregierung dargestellt. Unter dem Motto »Was wird? – Perspektiven der Umgestaltung« geben wir Auszüge aus seinem Beitrag wieder. Weiterhin haben wir Sigrid Beer, Mitglied des Landtags in NRW, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion B90/Die Grünen im Landtag und Mitglied des Wiss. Beirats des OS, und Ludwig Huber, Wissenschaftlicher Leiter des OS in den Jahren 1989 bis 2002, um Stellungnahmen zu den »Perspektiven der Umgestaltung« gebeten.

Versuchsschule zwischen Ökonomie und bildungspolitischer Relevanz

Ulrich Thünken

(Auszug aus dem Protokoll der WBR-Sitzung vom 27./28.1.2007)

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»Was wird ...!?« – Perspektiven der Umgestaltung

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Individuelle Förderung, Durchlässigkeit und die Eigen-verantwortlichkeit der Schule, diese Begriffe gehören zur

Programmatik des am 1.8.2006 in Kraft getretenen Schulge-setzes. Der Umgang mit dem Oberstufenkolleg ist ein Indi-kator für die Glaubwürdigkeit dieser Postulate. Die Lande-regierung sollte die Chance nutzen, das Oberstufenkolleg in diesem Sinne für sich zu entdecken und die Optionen einer »Versuchsschule« des Landes mutig ausschöpfen.

Nordrhein-Westfalen kann es sich nicht erlauben, auf eine Schule zu verzichten, der es gelingt, junge Menschen ohne die gängige formale Zertifizierung durch das Schulsy-stem erfolgreich zum Abitur zu begleiten. Das Oberstufen-kolleg setzt das um, was als neues Mantra der Bildungspoli-tik Eingang in fast jede Rede gefunden hat, »das Erschließen von Bildungspotenzialen«.

Damit verbunden ist eine weitere Funktion des Ober-stufenkollegs, die für das System insgesamt Entwicklungs-perspektiven offen hält. Die Bildungsbiografien der Kolle-giatinnen und Kollegiaten erfordern es, Lernprozesse und Kompetenzentwicklungen nicht nur in einem engen kano-nisierten Inhaltskorridor anzulegen. Das Oberstufenkolleg muss sich einerseits der Herausforderung stellen, vielfältige, soziokulturell differente Lernzugänge zu Inhalten und The-men zu öffnen und hat anderseits so die Chance, aus der Heterogenität der individuellen Lernausgangslagen eine beeindruckende Bildungsvielfalt zu gewinnen. Gemeinsam mit der Bildungsadministration müssen die Kompetenzen beschrieben werden, die den Referenzrahmen für das Errei-chen des Abiturs abstecken und damit auch die Gleich-wertigkeit der Leistungen im Vergleich mit Abschlüssen an gymnasialen Oberstufen verdeutlichen und sichern.

Damit kann das Oberstufenkolleg einen unverzicht-baren Beitrag leisten in der Debatte um die Ausgestaltung zentraler Prüfungselemente im System, die in der Gefahr stehen, mehr zu Gleichartigkeit der Aufgaben, Reduktion der Vielfalt von Lernprozessen und zu Rückbezügen auf Wissensabfragen zu führen, anstatt Gleichwertigkeit unter-schiedlicher Leistungs-«Performance« verbunden mit kon-sequenter Kompetenzorientierung herauszuarbeiten.

Den PISA-Studien liegt ein funktionalistisches Bildungs-konzept mit Sicherung der Basiskompetenzen zugrunde. Auch das Oberstufenkolleg legt nach diesem Verständnis auf die Sicherung der Basiskompetenzen großen Wert. Komple-

mentär dazu ist und bleibt ein unverzichtbares Element der Arbeit das Überwinden der traditionellen fächergebundenen Sichtweise im Sinne der Bildungskonzepte z. B. Klafkis oder von Hentigs, um die Bedeutsamkeit, Interesse und Ernsthaf-tigkeit des Lernens an individuellen und gesellschaftlichen Schlüsselfragen zu entwickeln.

Das DESECO-Projekt der OECD (www.deseco.admin.ch) beschreibt Schlüsselkompetenzen, die für die indivi-duelle und eine soziale Entwicklung im gesellschaftlichen Kontext Orientierung bieten und Handlungsfähigkeit vermitteln. Hier bietet sich ein interessanter Ansatz zur weiteren Verzahnung zwischen den oft konträr disku-tierten Bildungskonzepten.

Die bildungspolitische Formel in Bezug auf das »OS« kann nur lauten: Das Oberstufen-

kolleg muss von der singulären Versuchsschule zum Modellfall für NRW werden.

1. Warum sollte das Oberstufenkolleg die einzige Ober-stufe in NRW bleiben, die Schülerinnen und Schülern ohne der den formalen Q-Vermerk den Weg zum Abitur öffnet? Schritte zur Übertragung und systemischen Verankerung müssen definiert werden.

2. Eine konsequente Kompetenzorientierung soll die Gleichwertigkeit des Abiturs sichern, aber keine bildungsverarmende Gleichartigkeit produzieren. Das Oberstufenkolleg kann bei der entsprechenden Formulierung der Kompetenzen einen wesentlichen Beitrag leisten.

3. Das Oberstufenkolleg darf nicht in ein enges Fächerkorsett gezwungen werden, fächerüberwindendes Arbeiten muss weiter ermöglicht werden.

4. Die Anschlussfähigkeit des funktionalistischen Pisa-Konzeptes an bedeutsame und prägende Bildungstheorien kann am Oberstufenkolleg besonders nachvollzogen wer-den. Mit einer Verzahnung mit dem DESECO-Projekt am Oberstufenkolleg würde sich sogar eine konsequente kon-zeptionelle Weiterung ergeben, die für die Schulen in NRW zur Adaption vorbereitet werden könnte.

Sigrid Beer

Quo vadis Oberstufenkolleg

»Was wird ...!?« – Perspektiven der Umgestaltung

Wie siehst Du die aktuelle Situation und die Umge-staltung des Oberstufen-Kollegs, welche Themen

bzw. Fragen sollte es aufgreifen, welche Entwicklungs-schwerpunkte setzen?« Kann ich auf diese mir gestellte Frage überhaupt eine Antwort geben, habe ich, zumal für die »Einblicke«, noch genügend Einblick in die Situation?

Wie schnell verliert sich doch, selbst nach so langer Zuge-

hörigkeit, das Wissen darüber, was innen drin im Ober-

stufen-Kolleg wirk-lich vor sich geht!

Wie nehmen die KollegiatInnen die ihnen hier gebote-nen Bildungsmög-lichkeiten, Lernum-gebungen und wei-

teren Aus-sichten

wahr? Offenbar als gut,

wenigstens insofern als sie sich in hinreichender Zahl um die Aufnahme bewerben. Wie verarbeiten die alten und die neuen Mitglieder des Kollegiums, je aus ihrer Sicht, die immer neuen Veränderungen, zumeist Rückschnitte und Rückschritte der einst das OS konstituierenden und der auch noch für das NEOS maßgeblichen Strukturen? Offen-bar gebührt ihnen große Anerkennung, weil sie sich tapfer den jeweils neuen Aufgaben stellen. Aber wie viel Kraft mag das kosten?

Zur Einschätzung der Situation in diesen Hinsichten also fehlen mir eigentlich die Grundlagen. Was ich vor mir liegen habe, sind die Überlegungen und Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats vom 26./27. Januar 2007, die

auch schon die Evaluation in 2009 oder 2010 antizipieren. Den Leitmotiven darin kann ich nur zustimmen, sie gehö-ren ja zu denen, die uns auch schon bei der Neugestaltung des OS in den Jahren 1997-2002 leiteten: Produktiver Umgang mit Heterogenität, Eintreten für Chancengleichheit gerade im Hochschulzugang, »individuelle Förderung« (à propos: meint es die Landesregierung mit dieser ihrer For-mel wirklich ernst?), jedenfalls Förderungsangebote in den basalen Fächern, so dass sie weiteres Lernen eröffnen und nicht zum Mittel der Selektion oder gar des Ausschlusses davon werden, und auf dies alles bezogene Begleitforschung und Transferbemühungen – das bildete und bildet zu Recht eine der Hauptsäulen des OS.

Schwächer erscheint, jedenfalls nach dem Protokoll jener Beiratssitzung, die andere, genau so wichtige Säule der Wis-senschaftspropädeutik. Das entspricht zwar nur allzu sehr dem Gesamtbild, das sich in der ohnehin geschrumpften Diskussion »draußen«, einschließlich der neuen Oberstu-fen-Vereinbarung der KMK vom Juni 2006 darstellt, aus dem die Wissenschaftspropädeutik fast ganz verschwunden ist, ist aber m.E. für die Entwicklung der Oberstufe fatal. Die Aufgabe der wissenschaftsdidaktischen Entwicklung des Lehrens und Lernens auch in den Fächern, gerade nicht nur in den drei basalen Fertigkeiten, die jetzt von Hilfsdiszipli-nen zu Hauptfächern stilisiert werden, sondern auch in den anderen - auch in bisher nicht zum klassischen gymnasialen Kanon gehörigen - besteht in der Sache fort, ebenso wie die Entwicklung der verschiedenen Varianten des fächerüber-greifenden Arbeitens, die in besagtem Protokoll ein wenig an den Rand gedrängt erscheint. Aus der ebenso verdienst-vollen wie ergiebigen Tagung zum Übergang Schule-Hoch-schule im März ließ sich die Erkenntnis gewinnen, dass aus der bildungspolitisch allseits akzeptierten oder doch wenigstens nachgesprochenen »Kompetenzorientierung« aller Bildungsstufen eine Orientierung auch für diese Arbeit ableiten (oder besser: erneut formulieren) lässt: in Richtung auf eine Kultivierung vor allem der Lernformen auch auf der Oberstufe, so dass in ihnen die Kompetenzen wissen-schaftlichen Arbeitens gebraucht und daher geübt werden können, die später auch im Studium gefordert werden.

Die größere Sorge macht mir in dieser Hinsicht nicht das OS, sondern das Umfeld, in dem es doch wirken soll, die gymnasiale Oberstufe. Wenn man auf die staat-

Ludwig Huber

Ein Wort zu Situation und Perspektiven des OS

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Das DESECO-Projekt der OECD (www.deseco.admin. beschreibt Schlüsselkompetenzen, die für die indivi-

duelle und eine soziale Entwicklung im gesellschaftlichen Kontext Orientierung bieten und Handlungsfähigkeit vermitteln. Hier bietet sich ein interessanter Ansatz zur weiteren Verzahnung zwischen den oft konträr disku-

1. Warum sollte das Oberstufenkolleg die einzige Ober-stufe in NRW bleiben, die Schülerinnen und Schülern ohne der den formalen Q-Vermerk den Weg zum Abitur öffnet? Schritte zur Übertragung und systemischen Verankerung

3. Das Oberstufenkolleg darf nicht in ein enges Fächerkorsett gezwungen werden, fächerüberwindendes

die »Einblicke«, noch genügend Einblick in die Situation? Wie schnell verliert sich doch,

selbst nach so langer Zuge-

hörigkeit, das Wissen darüber, was innen drin im Ober-

stufen-Kolleg wirk-lich vor sich geht!

Wie nehmen die KollegiatInnen die ihnen hier gebote-nen Bildungsmög-lichkeiten, Lernum-gebungen und wei-

teren Aus-sichten

wahr? Offenbar als gut,

wenigstens insofern als sie sich in hinreichender Zahl um

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lichen Regulierungen schaut – Verkürzung der Schulzeit bei gleichem Stoffpensum, Nivellierung der Differenz von Leistungs- und Grundkursen, faktische Wiedereinführung von Hauptfächern und Beschränkung des Fächerkanons im übrigen, zentrale Abiturarbeiten – , dann sieht es darin nach kreativer Entwicklung der Schulen, nach inhaltlicher und methodischer Vielfalt des Curriculums, nach Ermöglichung, gar Förderung individuellen Interesses und wirklich selbst-ständigen Lernens überhaupt nicht aus. Mehr davon kann man bisher vielleicht noch in einzelnen Schulen entdecken, die dergleichen trotzdem machen.

Es ist mir darum bewusst, dass das OS Anerkennung von und Wirkung nach »draußen« in diesem Feld nur wird finden können, wenn es gelingt, ein Bündnis mit reformen-gagierten Schulen ringsum im Lande zu schließen und sich mit ihnen gegen die o.g. Form der Standardisierung zu weh-ren. Und wenn, vielleicht auch zusammen mit diesen, neue Leistungsnachweisformen für alle anderen Lerngebiete und -formen, z.B. den fächerübergreifenden Unterricht, entwi-ckelt werden, die den zentral geprüften auch mit öffentlicher Anerkennung entgegengestellt werden können. Gewichtige Aufgaben – viel Glück dabei!

Ludwig Huber ist im am 24. April dieses Jahres 70 Jahre alt geworden.

Lieber Ludwig! Wir gratulieren Dir herzlich zum 70.Geburtstag und wünschen dir alles Gute. Wir hoffen, dass Du auch in Zukunft mit engagierten Beiträgen in die bildungs- und schulpolitischen Diskussionen – auch um die Perspektiven des Oberstufen-Kollegs – eingreifen wirst.

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Ludwig Huber ist im am 24. April dieses Jahres

»Was wird ...!?« – Perspektiven der Umgestaltung

Ein schwieriger Start: Nach der Verabschiedung unseres ambitionierten SE-Plans im Frühjahr 2006 ist Vieles passiert, das uns nicht gleich frohen Mutes die Ärmel hochkrempeln ließ. Unter wiederholten – mehr oder weniger offenen – Drohungen einer Schließung des Oberstufen-Kollegs stan-den uns die Trennung von der Universität Bielefeld und der Übergang zum Schulministerium mit allen seinen Unwäg-barkeiten bevor. Je nach Status der Beschäftigten verursachte diese unklare Situation unterschiedliche Existenzängste, die sich zu Recht in den Vordergrund drängten.

Eine gemeinsame Plattform: Am 30. 8 2006 gab es eine nach Einschätzung vieler Beteiligten gelungene Gesamtkonferenz. KollegInnen, die auf eine ähnliche Art von den aktuellen Entwicklungen betroffen waren (z.B. TAMs, langjährige KollegInnen, junge KollegInnen mit befristetem Arbeits-vertrag, BeamtInnen, Angestellte etc.), hatten sich in vier verschiedenen Diskussionsgruppen zusammengefunden und die Gelegenheit genutzt, sich über die momentane Situation auszutauschen. Auf dem abschließenden Plenum entstand die Idee, eine Plattform der gemeinsamen Arbeit zu formulieren, d.h. Essentials für die internen und externen Diskussionen zu entwickeln.

Verständigung über Zielvorstellungen: Ein SE-Tag am 27. September zum Thema »Zielbestimmung und Ver-suchsauftrag« führte diese Diskussion weiter. Er sollte einer gemeinsamen Verständigung über die Zielbestimmung des Oberstufen-Kollegs angesichts der dramatisch veränderten und sich verändernden Rahmenbedingungen dienen und auf die Formulierung einer gemeinsamen Plattform hinar-beiten. Es ging um folgende Fragen: Wo ist unter den verän-derten Rahmenbedingungen unsere zukünftige Nische bzw. unsere Existenzberechtigung? Wo können und wollen wir

uns einbringen? Was finden wir wichtig und erhaltenswert? Was sind die wichtigsten nächsten Schritte, die wir gehen wollen? Was aus unserem Schulentwicklungsplan müssen wir jetzt stark machen, was ist eher nachrangig?

Die geplante Reform der Oberstufe: Ein »Meteorit«, der auf uns zukommt? Verunsicherung bezüglich der Zukunft des Oberstufen-Kollegs lieferten und liefern bis heute die Pläne der Landesregierung, die Oberstufe ab 2010 erheb-lich umzustrukturieren. Der Besuch von Frau Schreven, Ministerialrätin im MSW, im Herbst schuf zwar ein wenig Klarheit darüber, wie die neue Struktur in etwa aussehen wird, beruhigte aber nicht die Gemüter. Im Gegenteil: Die Marginalisierung des fächerübergreifenden Unterrichts, die Abschaffung der Differenzierung in Leistungs- und Grund-kurse sowie die Rückkehr zur alten Hierarchie von Haupt- und Nebenfächern stellte für viele KollegInnen ihre bishe-rige Arbeit am Oberstufenkolleg in Frage. Am 22. Oktober riefen wir, die Koordinierungsgruppe der Schulentwicklung, im OS-Info auf:

Trotz alledem – wer hat noch Power oder genügend Wider-standspotential? – und arbeitet mit an der weiteren Formu-lierung von Essentials und Verhandlungspositionen bezüglich unseres zukünftigen Versuchsauftrags?

Essentials, Strukturfragen, Personalentwicklung: Zwischen-zeitlich engagierten sich Kolleginnen in drei Arbeitsgrup-pen zu den Themen: Essentials (Plattform), Strukturfragen (Grundordnung) und Personalentwicklung (Deputate). Die ersten beiden Gruppen haben ihre Arbeit beendet, dafür gibt es seit dem Frühjahr 2007 einen neuen, größeren Dis-kussions- und Arbeitszusammenhang in der Schulentwick-lung: Als eine Ideenschmiede für die Konzeptentwicklung eines zukünftigen Oberstufenkollegs ab 2010 hat die Haupt-

»Was wird ...!?« – Schulentwicklung, Initiativen

und Meinungen des Kollegiums

Betrifft Schulentwicklung

Angela Kemper

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»Was wird ...!?« – Schulentwicklung, Initiativen und Meinungen des Kollegiums

konferenz im März eine Denkgruppe eingerichtet, in der 11 KollegInnen, der Kollegleiter und der wissenschaftliche Leiter sowie zwei KollegiatInnen in den nächsten Monaten zusammen nach einem zukunftsweisenden Profil suchen wollen: Eine gute Schule denken mit bildungspolitischer Relevanz, anknüpfend an unsere langjährigen Erfahrungen und unseren Bildungsbegriff, eine Versuchsschule mit trans-ferierbaren Ergebnissen, dies unter den gültigen Rahmenbe-dingungen: Keine einfache Aufgabe!

Unser Schwerpunkt: Der fächerübergreifende Unterricht: Danach, im November, waren, so scheint mir, doch viele froh, sich in Ruhe wieder mit dem Alltagsgeschäft befassen zu können und sich nicht mit den Bedrohungen von außen beschäftigen zu müssen.

Unter dem Titel: »Unser Profil stark machen – der fächerübergreifende Unterricht am OS«, stellte die For-schungsgruppe »Evaluation fächerübergreifender Grundkurse in der Hauptphase« auf dem SE-Tag am 27. November ein von ihr entwickeltes Kompetenz-Modell vor. Dazu hatten wir als Perspektive formuliert:

»Nicht ein kleines Treibhausgewächs, sondern eine starke Pflanze für den Transfer ins raue bildungspolitische Klima soll der fächerübergreifende Unterricht am OS sein. Jedoch nur ein gemeinsames und tragfähiges Konzept für alle fächerübergrei-fenden Kurse in den drei Aufgabenfeldern und verschiedenen Themenschwerpunkten kann unser Profil in diesem Bereich stärken.«

In Workshops wurde das Modell diskutiert, auf seine Tragfähigkeit in der Praxis hin überprüft. und durchaus unterschiedlich bewertet. Eine schriftliche Befragung zur Anwendung des Kompetenzmodells wird zur Zeit ausgewer-tet. Die Entwicklung von Modulen aus den Kursen für den Transfer in andere Schulen geht jedenfalls auch im Schul-jahr 2007/2008 weiter. Außerdem wird es im Sommer eine TRIOS-Veröffentlichung zu diesem Thema geben und zum Herbst soll eine Handreichung zum Konzept des fächerü-bergreifenden Unterrichts fertiggestellt werden, die neuen KollegInnen und solchen, die noch nie einen Grundkurs ist der Hauptphase unterrichtet haben, als Orientierung dienen kann. Welche Rolle der fächerübergreifende Unterricht am Oberstufen-Kolleg bei einem neuen Versuchsauftrag ab 2010 noch spielen wird, ist jedoch völlig unklar.

Was sonst noch geschehen ist: Das große Schulentwick-lungsprojekt zum fächerübergreifenden Unterricht war nicht unsere einzige Aktivität in diesen Schuljahr. Die Zusammenarbeit mit den Schulen des Regelsystems hat sich weiter entwickelt und zu einer Reihe von regelmäßigen Kontakten, Austauschen und Kooperationen geführt. Zum Beispiel werden inzwischen regelmäßig und in größerem Umfang StudienreferendarInnen am OS ausgebildet, teils in der üblichen Form des Referendariats, teils dadurch, dass am OS eingestellte Lehrende ihr 2. Staatsexamen berufs-

begleitend absolvieren. Kontakte bestehen vor allem zum Studienseminar Bielefeld, aber auch zu denen in Detmold, Minden, Paderborn und Hamm.

Das OS beteiligt sich in den letzten Jahren regelmäßig an den Aktivitäten des Schulverbundes »Blick über den Zaun«. Mehrere KollegInnen und Leitungsmitglieder haben an den beiden Grundsatz-Tagungen in Hofgeißmar teilgenommen und im Rahmen einer Arbeitsgruppe andere Schulen mehr-tägig besucht; das OS wurde Anfang des Jahres 2005 besucht. Die Leitungsmitglieder des Oberstufen-Kollegs sind in viel-facher Weise an Kooperationen mit anderen Schulen betei-ligt, z.B. Beteiligung an Prüfungen des II. Staatsexamens, Dienstbesprechungen im Rahmen der Schulaufsicht mit den Schulleitern der Bielefelder Gymnasien, etc. Auch die Koo-peration mit der Laborschule ist ausgebaut worden, nicht zuletzt deshalb, weil in den letzten Jahren SchülerInnen der Laborschule wieder in sehr viel größerem Umfang auf das OS übergehen.

Forschung und Schulentwicklung: Insgesamt zeigte sich in diesem Jahr, dass die strukturell neue Vernetzung von For-schung und Schulentwicklung nicht einfach umzusetzen ist. Das Problem ist vor allem die Ressourcenfrage: Arbeitskraft, die in den Forschungsgruppen gebunden ist, kann nicht gleichzeitig auch in die Schulentwicklung gehen und umge-kehrt. Ein Lösungsvorschlag ist, in Zukunft im Forschungs- und Entwicklungsplan zu differenzieren zwischen Entwick-lungsgruppen einerseits und Forschungsgruppen andererseits. Erstere sind enger verzahnt mit der Schulentwicklung oder arbeiten dieser direkt zu, letztere dagegen verfolgen unab-hängigere Ziele. Jedoch auch mit dieser Differenzierung bleibt das Problem bestehen, dass man »jedes Stück Kuchen nur einmal essen kann.«

Ausblick auf das nächste Schuljahr: Im kommenden Schul-jahr wird das Thema »Innere Differenzierung« das über-greifende Schulentwicklungsprojekt sein, das die For-schungs- und Entwicklungsgruppe schon seit dem Herbst vorbereitet. Es beginnt am 22. August mit einem Schulent-wicklungstag, der Impulse zur konkreten Unterrichtsent-wicklung geben will.

Das nächste Schuljahr wird hoffentlich weniger von Existenzängsten geprägt sein, sondern mehr Zeit für ruhige, gute Arbeit und kreative Schulentwicklung bieten. Nicht nur die Mitglieder der Denkgruppe, sondern alle werden Inspira-tion, Mut und Ausdauer brauchen.

»Was wird ...!?« – Schulentwicklung, Initiativen und Meinungen des Kollegiums

Kurz nach seinem Amtsantritt Ende des Jahres 2005 beschloss der Innovationsminister des Landes NRW,

Herr Pinkwart, dass das Betreiben einer Versuchsschule mit integrierter Wissenschaftlicher Einrichtung (WE) nicht zu den Aufgaben seines Ministeriums gehöre. Das OS solle also den Geschäftsbereich seines Ministeriums möglichst schnell verlassen, gerne in Richtung Schulministerium.

In der zweiten Jahreshälfte 2006 zeichneten sich die Pläne der Düsseldorfer Ministerien für die Zukunft des OS deut-licher ab. Klar war, dass das OS einen neuen Auftrag erhal-ten sollte. Bildungsferne Schichten zum Abitur zu führen und eine heterogene SchülerInnenschaft auszubilden, sollte dabei offenbar weiterhin zentrale Aufgabe sein. Unter wel-chen Rahmenbedingungen das geschehen sollte – Stichwort »DeutschMatheEnglisch-Abi laut neuem Schulgesetz« versus »Versuchsspielraum für alternative Wege zum Abitur« – und wie die Versuchsschule mit drastisch reduzierten Ressourcen überhaupt funktionieren kann, war aber unklar.

In dieser Situation bildete sich im Dezember 2006 eine Initia-tive innerhalb des Kollegiums mit dem Ziel, die eigene bildungs-politische Position darzustellen und öffentlich zu machen.

Dabei gab es durchaus unterschiedliche Einschätzungen, ob ein solches Vorgehen politisch sinnvoll sei. Der Idee, über die Herstellung von Öffentlichkeit die eigene Verhandlungsposition zu verbessern, stand die Befürchtung gegenüber, das Ministeri-um unkalkulierbar zu verärgern. Der dann letztlich vorgelegte Text bezog sich auf erklärte bildungspolitische Ziele der Landes-regierung und bot damit nach Einschätzung der Unterzeichne-rInnen keinerlei Anlass zu polarisierenden Reaktionen.

Da die Veränderung des OS bis zu diesem Zeitpunkt ohne parlamentarische Befassung – nur auf Regierungs- bzw. Ministerienebene – abgelaufen war, schien es uns wichtig, den zuständigen Ausschuss des Landtags auf den Vorgang aufmerksam zu machen und um Stellungnahme und Unterstützung zu bitten. Um darauf hinzuweisen, dass es ein breites Interesse am OS gibt, haben wir nicht nur innerhalb des OS um Unterstützung geworben, sondern auch Externe angesprochen, bei denen wir von einem Inte-resse an Reformpädagogik und einer Unterstützung fürs OS ausgehen konnten. So kamen innerhalb weniger Wochen in der Vorweihnachtszeit gut 300 Unterschriften zusammen - darunter auch solche von ehemaligen KollegiatInnen, die sich spontan und sehr eindrücklich für das OS einsetzen. Der

Brief nebst Unterschriften wurde Anfang Januar 2007 an den Landtag – und an Frau Sommer zur Kenntnis – geschickt.

Der Ausschuss und Frau Sommer haben reagiert. Frau Sommer antwortete leider nur auf einer überwiegend for-malen Ebene. Sie ließ mitteilen, dass sie »nicht ganz nachvoll-ziehen« könne, warum wir uns überhaupt an den Ausschuss gewendet haben, da die »Entscheidungen über alle relevanten Fragen ... durch das Ministerium ... getroffen werden.« Über die Sachfragen, die in dem Schreiben angesprochen wurden, wolle sie nicht mit der Initiative sprechen. Besonders Letz-teres ist natürlich sehr schade.

Der Ausschuss für Schule und Weiterbildung und sein Vorsitzender Herr Große Brömer bekundeten trotz der begrenzten parlamentarischen Einflussmöglichkeiten Inte-resse an einem Besuch des Oberstufen-Kollegs.

Am 2.Mai 2007 besuchten drei Ausschussmitglieder das OS (Herr Große Brömer, Vorsitzender/SPD, Herr Kaiser, Sprecher/CDU, Frau Beer, Sprecherin/Grüne) – es war wohl doch schwieriger zu bewerkstelligen als ursprünglich ange-nommen, den gesamten Ausschuss auf eine Exkursion nach Bielefeld zu schicken. Im Rahmen des leider recht knappen Zeitbudgets des Besuchsprogramms, fand ein ca. halbstün-diges Gespräch mit KollegInnen statt. Dabei hielten die Polit-kerInnen sich mit konkreten Stellungnahmen zu unserem im Brief skizzierten Konzept eines alternativen Wegs zum Abi-tur zurück. Freundlich bekundeten sie eine eher allgemein Gesprächsbereitschaft, Interesse und Unterstützung.

Quasi nebenher, aber dennoch unüberhörbar, gab es Ratschläge und Warnungen, die sich auf die nächste bereits ministeriell erlassene Evaluation im Jahr 2009/2010 bezo-gen. Dies wurde - unter parteiübergreifendem Kopfnicken - so eingeschätzt, dass dann durchaus wieder der Fortbestand des OS auf dem Prüfstand stehen könne.

Fortsetzung folgt also. Man darf gespannt und beunruhi-gt sein. Das Oberstufen-Kolleg braucht weiterhin eine breite öffentliche Unterstützung für sein reformpädagogisches Profil. Dass wir diese mit den zahlreichen Unterschriften aus unterschiedlichen Kontexten so deutlich erhalten haben, ist sehr erfreulich und macht Mut in schwierigen Zeiten. Wir bedanken uns – und müssen wahrscheinlich noch einmal mal darauf zurückkommen.

Karin Lenk

Ein Brief an den Schulausschuss des Landtags

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Initiative Oberstufen-Kolleg Bielefeld

c/o Karin Lenk

Oberstufen-Kolleg Bielefeld

An den

Ausschuss für Schule und Weiterbildung

im Landtag des Landes Nordrhein-Westfalen

Zu Händen Herrn Vorsitzenden Wolfgang Große Brömer

Sehr geehrter Herr Große Brömer, sehr geehrte Damen und Herren,

wir wenden uns heute wegen der derzeit laufenden Umstrukturierung des Oberstufen-Kollegs an Sie.

Bei einem Besuch von Frau Ministerin Sommer am Oberstufen-Kolleg am 8. Mai 2006 stellte sie fest, dass

das Oberstufen-Kolleg eine lebendige Versuchsschule des Landes Nordrhein-Westfalen ist, die von enga-

gierten KollegiatInnen und Kolleg Innen besucht bzw. getragen wird.

Ihr positiver Gesamteindruck mündete in den Kabinettsbeschluss vom 31.10.06 (gefolgt von einem Erlass

im November 06), der vorsieht, das Oberstufen-Kolleg auch zukünftig als Versuchsschule des Landes Nor-

drhein-Westfalen zu erhalten.

Wir begrüßen diese Entscheidung, sehen aber dringenden Gesprächsbedarf in Bezug auf die Modalitäten

der konkreten Umsetzung.

[...]

Ohne Zweifel ist das Oberstufen-Kolleg die richtige Einrichtung, um mit der weiteren Erprobung neuer

Wege zum Abitur für diese Problemlage und diese Klientel beauftragt zu werden. Es kann auf langjährige

Erfahrungen zurückgreifen, die in erprobten Förderkonzepten gesammelt und in praxis naher Lehrerfor-

schung evaluiert und dokumentiert sind.

Die bisher erzielten Erfolge bei der Förderung einer heterogenen KollegiatInnenschaft, die am Oberstufen-

Kolleg zu ca. 50% aus Jugendlichen ohne Qualifikationsvermerk und zu ca. 20% aus Jugendlichen mit

Migrationshintergrund besteht, basieren auf drei Säulen:

1. Eine Ausbildungsstruktur, die mit einer Kombination von Defizitausgleich in den Kernfächern Deutsch,

Mathematik, Englisch (in der Eingangsphase) und Spezialisierung in zwei weitgehend frei wählbaren Lei­

stungskursen auf die individuellen Schwächen und Stärken der KollegiatInnen abgestellt ist.

2. Eine Ergänzung der Ausbildung in den spezialisierten Leistungskursen durch am Oberstufen­Kolleg

entwickelte thematisch orientierte Angebote in fächerübergreifenden Kursen und im Projektunterricht.

Dabei decken diese Kurse zugleich den Erwerb inhaltlicher und methodischer Kompetenzen in Pflichtbe­

reichen ab.

3. Ein zeitintensives Beratungssystem, bei dem eine aufwändige persönliche Betreuung durch ein Tuto­

rInnensystem, Erprobung alternativer Möglichkeiten der Leistungsbewertung und Rückmeldung in den

Kursen, durch die Laufbahnberatung, individualisierte Konferenzen sowie professionelle Schulsozialarbeit

ineinander greifen.

Bielefeld, im Dezember 2006

Nur mit dieser Lernkonfiguration in ihrer Gesamtheit ist es bisher schon in erheblichem Umfang gelungen,

KollegiatInnen so zu fördern, dass sie sich trotz ihrer schwierigen Voraussetzungen als lern- und leistungs-

fähig erfahren und ihnen dadurch eine Chance auf einen höheren Bildungsabschluss eröffnet wird.

Förderung verstanden als reiner Defizitausgleich und vor allem quantitativ umgesetzt in Zusatzkursen bei

sonst weitgehend gleichem Ausbildungsdesign wie an anderen Oberstufen wird unserer Erfahrung nach

kaum zum gewünschten Ergebnis führen können.

Damit wir im Interesse des Landes Nordrhein-Westfalen und der jungen Menschen, die am Oberstufen-

Kolleg ihre Bildungschance wahrnehmen wollen, unseren Versuchsauftrag umsetzen können, brauchen wir

Bedingungen, die ein erfolgreiches Arbeiten ermöglichen.

Die im Folgenden genannten Punkte weichen zum Teil von den bisherigen Vorgaben der Landesregierung

ab. Wir möchten uns dennoch für ein Ausbildungskonzept des Oberstufen-Kollegs einsetzen, das Schwer-

punkte legt auf:

• die Förderung von Stärken; im Besonderen durch ein breites Angebot weitgehend frei kombinierbarer

5–6-stündiger Kurse

• ein Fördersystem zur Bearbeitung der individuellen Schwächen und zur Entwicklung von Kompetenzen

vor allem in den Fächern Deutsch, Mathematik, erste und zweite Fremdsprache, v.a. in der Eingangs-

phase

• die Weiterentwicklung fächerübergreifender Kurse (3–4-stündig) und Projekte als zweite tragende Säule

des Gesamt-Curriculums

• die Entwicklung, Durchführung und Evaluation kompetenzorientierter Konzepte

• Zeit und Raum für eine individuelle Strukturierung der Ausbildung der KollegiatInnen; Unterrichtsver-

pflichtung von (mindestens) 28 h pro Woche in der Qualifikationsphase

• die Weiterentwicklung eines qualifizierten Beratungssystems

• die Erarbeitung von Curricula, die sowohl innerhalb als auch außerhalb des Oberstufen-Kollegs neue

Wege zum Abitur aufzeigen können. Dies schließt die Notwendigkeit ein, in ausgewählten Bereichen,

etwa im fächerübergreifenden Unterricht, mit dezentralen Abschlussprüfungen zu arbeiten.

[...]

Eine Versuchsschule braucht Raum für ein offenes Lehr- und Lernangebot mit Möglichkeiten zu persön-

lichen Schwerpunkten und individueller Förderung und eine angemessene Ausstattung mit Ressourcen, um

Neues ausprobieren zu können, das dann wiederum für die Regelschulen nutzbringend sein kann.

Ein unter diesen Voraussetzungen erfolgreich verlaufender Versuch könnte über das Land Nordrhein-West-

falen hinaus einen Anstoß zur Lösung der drängenden Probleme der Oberstufen bieten.

Wir hoffen, dass Sie sich unserer bildungspolitischen Position anschließen können und bitten Sie, sich in

der parlamentarischen Beratung für das hier skizzierte Versuchsdesign einzusetzen.

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»Was wird ...!?« – Schulentwicklung, Initiativen und Meinungen des Kollegiums»Was wird ...!?« – Schulentwicklung, Initiativen und Meinungen des Kollegiums

Seit Januar 2007 gehört das Oberstufen-Kolleg als Ver-suchsschule zum Geschäftsbereich des Ministeriums

für Schule und Weiterbildung in NRW; Schulträger ist die Bezirksregierung in Detmold. In z.T. äußerst schwierigen Verhandlungen konnte im Jahr 2006 – vor allem auch durch den Besuch der Schulministerin Frau Sommer – erreicht wer-den, dass das Land Nordrhein-Westfalen die Versuchsschule erhalten und für die Schulentwicklung nutzen möchte.

Die Weiterführung ist in vielen Bereichen mit erheb-lichen Abstrichen und Einschränkungen verbunden, mit denen die Kollegleitung gerade in der laufenden Über-gangsphase viel zu tun hat. Die Rahmenvorgaben für die neue gymnasiale Oberstufe und das Abitur in NRW, die ab 2010 gelten sollen, machen zudem deutlich, dass das OS als Projekt der KMK-Oberstufen-Reform von 1972ff strukturell eher ein Überbleibsel vergangener Diskussionen und Reformabsichten zu werden droht. Wenn ein Kolleg-leiter »trotz allem« von einer lebendigen und anregenden Versuchsschule träumen und in der dafür eingerichteten Denkgruppe mitwirken darf, dann leiten ihn insbesondere die folgenden Ideen:

• Gerade in einer Oberstufe sollten jungen Erwachsenen möglichst viele Gelegenheiten geboten werden, ihr Ler-nen individuell zu bestimmen und zu gestalten. Nicht Vorgaben, sondern offene Lernräume sollten das Lernen in der Oberstufe prägen; darunter vor allem Projekte, Teamarbeit, selbständiges Lernen in Lernbüros etc.

• Die durch das Zentralabitur angestrebte Standardisierung sollte allen Schulen, insbesondere aber einer Versuchs-schule die Freiheit geben, in verantwortlicher Selbstän-digkeit Wege zum Erreichen der Standards zu entwickeln und zu erproben; statt Input-Orientierung also Output-Orientierung. Dafür sollte eine neue Ausbildungs- und Prüfungsordnung des OS möglichst viele Freiräume enthalten.

• Insbesondere für die künftig in der gymnasialen Ober-stufe vorgesehenen Kernfächer Deutsch, Fremdsprache, Mathematik wird es – hoffentlich – spannend sein, das Verhältnis von klassischer gymnasialer Fachausrich-tung einerseits und der vom OS in den letzten Jahren erprobten und begründeten Förderung der entspre-chenden basalen Kompetenzen andererseits genauer zu

bestimmen und verstärkt in die Diskussion einzubringen. Gerade die in der Kritik des Abiturs vielzitierten Abneh-mer fordern bekanntlich seit Jahren die Verbesserung der basalen Fähigkeiten in Deutsch, Mathematik und Fremd-sprache.

• Eine – auch vom Schulministerium in Düsseldorf unter-stützte – Herausforderung wird es sein, weiterhin einen großen Anteil von KollegiatInnen ohne den Qualifikati-onsvermerk für die gymnasiale Oberstufe aufzunehmen und erfolgreich auf die zentralen Aufgabenstellungen vorzubereiten. Angesichts der eher zunehmenden sozi-alen Selektivität des deutschen Schulsystems kann das OS hier einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Chancen-gleichheit leisten.

• Vor allem wünsche ich mir aber, dass das für jedes Ler-nen und Zusammenleben in der Schule notwendige gute Klima zwischen KollegiatInnen und Lehrenden erhalten und weiter entwickelt wird. Vertrauen, Offenheit und Gesprächsbereitschaft können nicht durch Regelungen erzwungen, aber durch entsprechende Rahmenbedin-gungen ermöglicht und gefördert werden.

Hans Kroeger

Zur Zukunft des Oberstufen-Kollegs

Seinem Auftrag gemäß will das OS künftig in einer sich entwickelnden (und lernenden?) Organisationsform

unter pädagogischen Leitideen wie z.B. »Basiskompetenzen« oder »Heterogenität« Ziel-, Organisations- und Unter-richtskonzepte für die Arbeit in der gymnasialen Oberstufe (weiter-)entwickeln, um sie dann dem Regelschulsystem zugänglich zu machen. Bei dieser Entwicklung können Probleme auftreten, die ich im folgenden herausarbeiten möchte. Dabei kann es helfen, sich der Begriffe Funktion und Leistung zu bedienen:

Funktion: Das Oberstufen Kolleg hat für sich traditionell die besondere Schnittstelle zwischen Erziehungssystem und Wissenschaftssystem reklamiert. Es möchte seine Klienten besonders gut darauf vorbereiten, ein Studium erfolgreich aufzunehmen. Dazu erschien es ihm z.B. auf der Ebene der Operationen (Unterrichtprozesse und -organisation) nötig, Strukturen wissenschaftlicher Tätigkeiten in der Schule zu imitieren und zu thematisieren sowie punktuelle Teilnahmen am Universitätsbetrieb in die Ausbildung zu integrieren.

Leistung: Das Oberstufen Kolleg deutet damit als Schule eine besondere Leistung an, nämlich die Orientierung auf Studienfachentscheidungen und eine gezielte Unterstützung des Übergangs zur Hochschule. Gleichzeitig ist das Oberstu-fenkolleg aber auch Teil des Wissenschaftssystems und bietet im Sinne einer Leistung an:• dem politischen System Entscheidungsgrundlagen und

-optionen,• dem Erziehungssystem Fortbildungs- und Materialange-

bote und • dem Wissenschaftssystem Ergebnisse empirischer Schul-

forschung.

Das Arbeiten unter diesen beiden Blickwinkeln ist nicht immer bruchfrei möglich und es erwachsen Identitätspro-bleme, die sich permanent aus der eigentümlichen Art der Konstruktion unserer Organisation als Chimäre aus Erzie-hung und Wissenschaft speisen. Wir haben unterschiedliche Funktions- und Leistungsbereiche zu bedienen und können nicht beides mit der selben Operationsweise. Strukturell schlägt sich dies einerseits in der Differenzierung zwischen Kollegleitung und wissenschaftlicher Leitung mit jeweils eigenen Aufgaben nieder. Andererseits, und hier scheint es besondere Identitätsprobleme und Rollenkonflikte zu geben, sprechen wir vom Lehrer-Forscher-Modell, wenn wir bezeichnen wollen, dass sich diese Differenzierung auch in unserer Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiter und Lehrkräfte wiederfindet. Zu allem Überfluss ist es unter dem permanenten Bestandsdruck des Hauses unfunktional, offen von Misserfolgen oder fehlgeschlagenen Konzepten zu berichten, wie es ein der Wahrheit verpflichtetes Forschen erfordert.

Suche nach einer neuen Identität? Die Bildungs-landschaft hat sich seit der Gründung des Oberstufen Kollegs schon stark verändert und steht erneut drastischen und schwer prognostizierbaren Änderungen gegenüber. Das macht sich an Begriffen wie Qualitätsmanagement, Kern-fächer, Bildungsstandards, Zentralabitur, Schulinspektion, Verkürzung der Schulzeit oder Vergleichsarbeiten fest, ohne dass damit jeweils Bewertungen verknüpft sind.

Dies mündet am Oberstufenkolleg nach innen gerichtet in die Frage, welche Veränderungen (im Sinne von Auf-lagen) wann und wie für uns gelten werden, und welche

Christian Schweihofen

Das Oberstufenkolleg – eine Organisation in und zwischen Erziehung und Wissenschaft

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22 2�

Veränderungen wir aktiv übernehmen sollten, damit unser Leistungsangebote für verschiedene Teilsysteme, die diesen Veränderungen z.T. selbst unterliegen, nutzbar bleiben.

Einiges in der Organisation und in unserer Umwelt scheint für unser Ringen um Identität in der kommen-

den Zeit problematisch, vielleicht unüberwindbar zu sein:1. Man gewinnt den Eindruck, dass nur wenige poli-

tische Entscheidungen einer an pädagogischen Kriterien und Forschungen orientierten Diskussion entstammen, geschweige denn schulische Rahmenbedingungen und Ent-wicklungsmöglichkeiten hinreichend berücksichtigen. Inso-fern scheint unsere potentiell wissenschaftliche Leistung für das politische System, immerhin unser Auftraggeber, überhaupt nicht gefragt zu sein.

2. Intern verursacht die derzeit unklare Situation der Weiterentwicklung unseres Auftrages und unserer Arbeitsbe-dingungen und unserer Umwelt sehr starke Irritationen, die (noch?) nicht für eine prospektiv-orientierende Leitidee mit Integrationskraft für das Kollegium genutzt werden kann. Wir können also nicht einmal Reformreflexion betreiben.

3. Ob wir mit unserer Personalstruktur (Personen und Persönlichkeiten) und unserer Kultur, kollektiv bindende Entscheidungen zu treffen und durchzusetzen, in der Lage sein werden, einen neuen, reformerisch anspruchsvollen und hinreichend utopischen Ansatz für eine Oberstufe zu entwerfen, unter den wir jeweils unser individuelles Han-deln unterordnen wollen, scheint mir fraglich.

4. Eher abseits liegt die Frage, ob eine Reformschule dauerhaft ohne einen charismatischen, reputationsstarken Reformpädagogen mit unhinterfragbaren Erziehungsi-dealen und einem entsprechenden Führungswillen und -anspruch überhaupt in der Lage bleibt, sich selbst hin-reichend gegen Eingriffe von außen zu immunisieren und intern zu stabilisieren. Dies schien unter H.v.Hentig noch zu gelingen, wobei aber der Legitimationsdruck und die Evaluation schulischer Arbeit zu der Zeit ebenso wenig mit den heutigen Maßstäben zu vergleichen gewesen sein dürfte wie der Tiefgang bildungstheoretischer Diskussionen, auf den sich die Politik eingelassen hat.

»Was wird ...!?« – Schulentwicklung, Initiativen und Meinungen des Kollegiums

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

am Mittwoch waren drei Vertreter des Schulausschusses des Landtags im Haus. Ich bin eher zufällig in die Besprechung im Hk-Raum geraten, die vor allem dank der Initiative von Karin Lenk mit ihrem von vielen Kolleginnen, Kollegen und anderen »Sympathisanten« des OS unterstützten offenen Brief an den Schulausschuss vom letzten Jahr zustande gekommen war.

Für mich fokussiert sich die Entwicklungsperspektive des OS immer mehr in einer zentralen Alternative – und dieser Fokus verstärkte sich bei dieser Besprechung durch die Beiträge einiger KollegInnen, vor allem aber auch durch die weitgehend ausweichenden Antworten der drei Land-tagsabgeordneten. Sie ließen, bezogen auf eine mögliche Profilierung eines zukünftigen OS, die blanke Absichtslo-sigkeit erkennen, kombiniert mit dem Eingeständnis der faktischen Machtlosigkeit bezogen auf denkbare, das OS betreffende Entscheidungen.

Ich habe diese Alternative bereits in etwas anderer Formu-lierung nach dem Vortrag von Frau Schreven vom Schulmi-nisterium auf einer Gesamtkonferenz im letzten Jahr gestellt und möchte sie hier nochmals präzisieren: • Sollen wir die derzeitige Politik des Ministeriums akzeptie-

ren, die mit großer Wahrscheinlichkeit dazu führen wird, dass wir nach der erneuten Evaluation von 2010 endgültig den Weg zu einer ganz normalen gymnasialen Oberstufe mit unwesentlichen Sonderbedingungen gehen werden

• oder setzen wir uns mit all unserer ganzen Kraft dafür ein, die strukturelle Differenz zur gymnasialen Oberstufe im Kern beizubehalten, wie sie sich vor allem in unserer besonderen Konfiguration der Unterrichtsarten, dem Beratungssystem unter anderem niederschlägt – und wie sie in der Aupo ihren materiell-juristischen Ausdruck gefunden hat?

Hans Frieder Dietz

Eine zentrale Alternative

Direkt nach dem Besuch der Landtagsabgeordneten hat Hans-Frieder Dietz seine Eindrücke und Schluss-folgerungen aufgeschrieben und über die mailing-Liste »os-intern« an das Kollegium gesandt. Wir drucken den überarbeiteten Text hier ab

Diese Grundsatzentscheidung hat Konsequenzen vor allem für zwei zentrale Bereiche: Könnten wir, bei der sich abzeichnenden (wenn wir uns dem »Lauf der Dinge« über-lassen) weitgehenden Angleichung an die Regel-Oberstufe

1. unsere spezifische pädagogische Kultur beibehalten und, was notwendig wäre, diese weiterentwickeln, oder bedürfte eine solche Weiterentwicklung der Fortschreibung der bestehenden Strukturen des NeOS zumindest in ihrem Kernbestand?

2. unser wichtiges »Alleinstellungsmerkmal« Versuchs-schule so beibehalten und weiterentwickeln, dass am OS auch in Zukunft relevante und neue Fragestellungen für die schulpädagogische Debatte und die Bildungspolitik unter-sucht werden können - und wir damit unsere Nützlichkeit über die eigenen vier Wände hinaus dokumentieren und realiseren können, wie sie u.a. in den zuletzt vom OS veran-stalteten erfolgreichen Tagungen deutlich geworden ist?

Das Ministerium erwartet, zu Recht, bestimmte Leistungen von uns, die auch dem allgemeinen Schul-

system und insbesondere der Weiterentwicklung der gym-nasialen Oberstufe zugute kommen. Solche Beiträge (u.a. Heterogenität/individuelle Förderung) sind bereits markiert und werden teilweise schon erbracht. Es müsste doch mög-lich sein, dem Ministerium deutlich zu machen, dass die besondere Leistungsfähigkeit in diesen Fragen an unsere besonderen, von der Regelschule abweichenden Strukturen gekoppelt sind und dass es, auch im Interesse der Schulpo-litik der derzeitigen Landesregierung, eines ausdrücklichen politischen Willens darf, diese Differenz zu bewahren und zu verstetigen. Damit würde die Landesregierung sogar ein Versäumnis früherer Regierungen kompensieren können.

Meine persönliche Antwort auf diese Grundsatzent-scheidung (die ihr euch denken könnt) muss nicht die einzige sein; vielleicht gibt es auch für die Angleichung Argumente, an die ich nicht gedacht habe. Ich meine aber, dass sich die neu installierte Denkgruppe, aber auch das Kollegium und die Kollegiatenschaft, Eltern und andere Betroffene / am OS Interessierte in ihrer Gesamtheit mit dieser Grundsatzentscheidung und der Antwort auf diese beiden Fragen auseinandersetzen sollten, bevor wir uns, was leicht geschehen könnte, in den Details aller möglichen Konzepte und Meinungen verlieren, während die relevanten Entscheidungen derweil an anderer Stelle getroffen werden. Niemand soll später sagen können, dass er nicht gewusst hätte, dass diese Alternative so deutlich im Raum steht.

Mit guten Wünschen Hans Frieder

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»Was wird ...!?« – Schulentwicklung, Initiativen und Meinungen des Kollegiums

umverteilt bzw. neu organisiert werden, oder sie entfal-len ganz. Hierunter fallen auch die Aufgaben, die aus der Lehrer-Forschung resultierten, wie z.B. die Transkription von Audiotexten, die digitale Aufnahme von Texten für Analyseprogramme oder von statistischen Daten. Auch die druckfertige Erstellung von Manuskripten, Fragebögen und Werbematerial oder die Vervielfältigung von Materialien wird entweder entfallen oder muss durch die Lehrenden selbst erledigt werden. Langfristig muss die Mediothek neu (über Lehrende?) organisiert werden, die OS-Bibliothek wird ganz eingestellt werden. Die bisherige Unterstützung von Unterrichtsprojekten durch die Werkstätten entfällt, da es in Zukunft weder Werkmeister noch Werkstätten geben wird. Fraglich ist, ob es weiterhin Geld für Projekte und Exkursionen geben wird (Reisekosten für KollegiatInnen, Verbrauchsmaterial), und ob Lehrende nicht für Sponsoren sorgen müssen, wie Lehrer und Lehrerinnen dies auch an Regelschulen praktizieren.

2. die Arbeitsbelastungen steigen durch den Abbau der Lehrenden-Stellen und dem damit verbundenen höheren Deputat von 22 Stunden. Noch sind die Forschungsaufga-ben nicht so verteilt, dass sich Lehrende nur gegen einen schon im Voraus zusätzlich zum Unterricht erarbeiteten Projektantrag für die Anrechnung von Deputatsstunden für For-schungsarbeit bewerben können. Aber mit dem Schuljahr 08/09 wird ein neuer 2-Jahres-Forschungsplan erstellt, der für viele bedeutet, mehr Unterricht zu geben und zusätzlich Aufgaben in Forschung und Entwicklung zu übernehmen. Völlig unklar bleibt, wie Aufgaben, die bisher über Regelforschung abgerechnet wurden (wie z.B. die Entwicklung und Evaluation von Defizit-Ausgleichskursen, Angebote zur individuellen Förderung, Kooperationspro-jekte mit Unesco-Projektschulen oder anderen Kooperati-onspartnern), zukünftig erfüllt werden können bzw. ob sie weiterhin erfüllt werden sollen. Eine Demotivierung, die eigene Arbeit als Lehrer-Forscher fortzuführen, kann als Konsequenz der – durch einen Federstrich erfolgten – Aber-kennung des korporativen Status des/der wissenschaft-lichen Mitarbeiterin/des Mitarbeiters drohen.

3. Verbunden mit der Zuordnung zum Ministerium für Schule und Weiterbildung ist, dass das Gremien-Wahl-recht und die Personal- und Mitarbeitervertretung für die Universität entfallen. Die Mitbestimmungsrechte in der

Einrichtung Oberstufen-Kolleg werden neu geordnet, das Schulgesetz ist hier der Maßstab. Es bleibt zu hoffen, dass bei der Gestaltung der neuen Grundordnung Rücksicht auf spe-zifische Versuchsbedingungen der Einrichtung – wie z.B. die Arbeit mit in der Mehrheit jungen Erwachsenen – genom-men wird und Mitbestimmungsrechte erhalten bleiben. Die Personalvertretung durch den Personalrat für Gymnasien und Kollegschulen ist nicht mehr vor Ort erreichbar. Bis zur nächsten Personalratswahl im Mai 2008 werden alle Lehrenden durch einen Personalrat vertreten, den sie nicht gewählt haben bzw. wählen konnten. Ob eine Interessenver-tretung sinnvoll erfolgen kann, bleibt abzuwarten. Schon jetzt ist erfahrbar, dass die bisherige relative Selbstständig-keit in der Regelung von Personalangelegenheiten (Beför-derungen, Ausschreibung von Stellen, Einstellungen), nicht mehr gegeben ist. Gravierend ist, dass die bei der Gründung des OS gewollten unterschiedlichen Personalkategorien von Studienräten und akademischen Räten, die in der bisherigen Praxis des OS gleichwertig waren, sich nun zum Nachteil der akademischen Räte auswirken, und zwar unabhängig vom Beamten- oder Angestelltenverhältnis. Denn sie sollen keine Leitungsfunktionen übernehmen können und werden damit auch nicht für Beförderungsämter in Frage kommen.

4. Es bleibt zu hoffen, dass die Anpassung an schulische Regeln (z.B. auch die Vergabe sog. »Kopfnoten«), an weniger Personal und Geld, mehr Unterricht und weniger Rechte allmählich vor sich geht, und dass nach einer Zeit Normali-tät einkehrt und weitere produktive Arbeit möglich macht. Gesamtgesellschaftlich betrachtet ist das OS damit endlich in der Realität angekommen.

... aber die Zuordnung der Dienstaufsicht zum Ministerium für Schule und Weiterbildung hat Folgen«, so unsere Sicht als Personalvertretung der wiss. Beschäftigten der Universität Bielefeld.

Was wird sich faktisch für die wissenschaftlichen Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter verändern, nachdem

das OS nicht mehr zur Universität gehört? Gravierende strukturelle Einschnitte betreffen die Finanzen und Stellen, die Organisation und Mitbestimmung, sowie die Korpora-tion der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, insbesondere ab 01.08.07, wenn die verwaltungsmäßige Normalität Einzug hält und die Übergangszeit beendet wird:• Der Energiehaushalt und die Gebäudebewirtschaftung

obliegt noch der Universität, die Kosten, die hieraus resultieren, sind noch nicht absehbar,

• Der Sachhaushalt fällt nicht mehr unter die Haushaltsau-tonomie,

• Der Stellenhaushalt ist radikal »abgespeckt« worden,• Die schulische und die wissenschaftliche Organisation

sind getrennt worden,• Die schulische Mitbestimmung richtet sich nach dem

Schulgesetz, • Die Dienstaufsicht und die Fachaufsicht liegt bei der

Bezirksregierung in Detmold,• Die arbeits- und beamtenrechtliche Regelung von Depu-

tat und Aufgaben gleicht sich perspektivisch der Regel-schule an,

• Das Korporationsrecht als wiss. Mitarbeiterin / Mitarbei-ter ist durch Erlass »abhanden« gekommen,

• Der Status als wiss. Mitarbeiterin/wiss. Mitarbeiter soll gleichzeitig per Erlass »unberührt« bleiben,

• Die Personalvertretung erfolgt nicht mehr durch den wis-senschaftlichen Personalrat, sondern durch den Personal-rat für Gymnasien und Kollegschulen.

Folgen aufgrund dieser Maßnahmen sind absehbar: 1. die Arbeitsbelastungen steigen durch die Einspar-

maßnahmen für Sach- und Personalmittel. Der vermin-derte Sachhaushalt beschneidet u.a. die Möglichkeit der Lernmittelbestellung oder der Verbrauchsmaterialien. Arbeitsaufgaben, die bisher von technisch-administrativen MitarbeiterInnen übernommen worden waren, müssen

Gerlinde Günther-Boemke

»Das Land ist der Dienstherr geblieben ...

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Die Zeichen an der Wand:

WARUM REDEST IM UNTERRICHT IMMER NUR, WENN DU DAZU AUFGEFORDERT WIRST?

REGELSCHULE IST KEINE ALTERNATIVE

DAS SCHIENENSYSTEM NIMMT UNS UNSERE WAHLMÖGLICHKEITEN

DU SOLLST DENKEN LERNEN, NICHTS GEDACHTES

ICH NEHME DICH NICHT ERNST

… TAGE BIS ZUR RENTE

HAST DU DEINE HAUSAUFGABEN GEMACHT?

MACH MAL WEITER SO

ELLENBOGEN VOM TISCH

HÖRT AUF ZU LÜGEN

WIR SIND EINE ALTERNATIVSCHULE

GEH AN DIE TAFEL

MELDE DICH GEFÄLLIGST

DAS WIRD KONSEQUENZEN HABEN

SITZ GERADE

WO IST UNSER VERSUCHSCHARAKTER?

GUCK NICHT SO

ZURÜCK ZU DEN ALTEN WERTEN?

NICHTS SEHEN, NICHTS HÖREN, NICHTS SAGEN

NICHT WEIL ES SCHWER IST WAGEN WIR ES NICHT,

SONDERN WEIL WIR ES NICHT WAGEN IST ES SCHWER (SENECA)

DAS VERSTEHST DU NOCH NICHT

Von der Aktion zur Diskussion

»DU SOLLST DENKEN LERNEN, NICHT GEDACHTES« – so konnten es alle OSler lesen, als sie am »Veilchendienstag« (20.02.07) das OS betraten. Zahlreiche Wände an der Schulstraße, den Zwischenfluren und den Feldern waren mit Hilfe vorge-fertigter Schablonen mit ganz unterschiedlichen Sprüchen und Zeichnungen bedeckt, in der Zusammenschau transportierten die Sätze und Karikaturen eine gemeinsame Botschaft: Unzufriedenheit mit dem Zustand und den Perspektiven des OS. Dass dabei das alte OS ein wichtiger Maßstab für die »Rückkehr zu den alten Werten« ist, zeigte auch eine weitere Aktion, in der die far-bigen Fotografien vom Alltag des neuen OS durch Schwarz-Weiß-Fotos vom alten OS ersetzt worden waren.Es entfachte sich zunächst ein Streit, der eher die ordnungspolitische Antwort der Kollegleitung (eine Anzeige wegen Sachbe-schädigung und die Einschaltung der Polizei), deren Rücknahme oder konsequente Verschärfung zum Gegenstand hatte als die Auseinandersetzung mit den inhaltlichen Botschaften der »Aktivisten«. Die »inhaltliche« Auseinandersetzung fand zunächst eher über oft anonym verfasste Botschaften statt, es gab Kritik und Protest an der alltäglichen Praxis des OS, seiner Entwick-lung zu einer normalen Regelschule und daran, dass sich weder die Lehrenden noch die KollegatInnen gegen diese Entwicklung stemmen würden. Zur weiterführenden Diskussion gab es in den Kursen Gelegenheit und am 8. März eine Vollversammlung auf Feld II (siehe dazu Manuel Schiefer) mit beeindruckender Beteiligung der Kollegiatenschaft, aber auch einer Reihe Lehrender. Die Versamm-lung gründete Arbeitsgruppen, deren Themen sich zum großen Teil ganz praktisch auf aktuelle Verbesserungen z.B. des Stun-denplans richteten, sie befassten sich aber auch mit der Zukunft des OS und mit der Analyse der in vielen Texten und Zeich-nungen als verbesserungsbedürftig eingeschätzten Schulatmosphäre.

Wir gehen davon aus, dass diese Aktion trotz problematischer Mittel Ausdruck eines nachvollziehbaren Unbehagens über das allmähliche Verschwinden des alten und neuen OS im Regelschulwesen dar-

stellt. Ein Denk-Mal also, das wir dokumentieren und kommentieren – mit einer Sammlung der Sätze und Zeichen an den Wänden, einem Kommentar von Manuel Schiefer (Mitglied des Kollegiaten-Rats) und der Auswertung eines Fragebogens, den ca. 20 KollegiatInnen aus einer Kursgruppe Mitte Mai beantwortet haben. – Die Redaktion

Die Zeichen an der Wand:

WARUM REDEST IM UNTERRICHT IMMER NUR, WENN DU DAZU AUFGEFORDERT WIRST?

REGELSCHULE IST KEINE ALTERNATIVE

DAS SCHIENENSYSTEM NIMMT UNS UNSERE WAHLMÖGLICHKEITEN

DU SOLLST DENKEN LERNEN, NICHTS GEDACHTES

ICH NEHME DICH NICHT ERNST

… TAGE BIS ZUR RENTE

DAS WIRD KONSEQUENZEN HABEN

SITZ GERADE

WO IST UNSER VERSUCHSCHARAKTER?

GUCK NICHT SO

ZURÜCK ZU DEN ALTEN WERTEN?

NICHTS SEHEN, NICHTS HÖREN, NICHTS SAGEN

NICHT WEIL ES SCHWER IST WAGEN WIR ES NICHT,

SONDERN WEIL WIR ES NICHT WAGEN IST ES SCHWER (SENECA)

DAS VERSTEHST DU NOCH NICHT

Wir gehen davon aus, dass diese Aktion trotz problematischer Mittel Ausdruck eines nachvollziehbaren Unbehagens über das allmähliche Verschwinden des alten und neuen OS im Regelschulwesen dar-

stellt. Ein Denk-Mal also, das wir dokumentieren und kommentieren – mit einer Sammlung der Sätze und Zeichen an den Wänden, einem Kommentar von Manuel Schiefer (Mitglied des Kollegiaten-Rats) und der Auswertung eines Fragebogens, den ca. 20 KollegiatInnen aus einer Kursgruppe Mitte Mai beantwortet haben.

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Von der Aktion zur DiskussionVon der Aktion zur Diskussion

A m 21. Februar fand auf Feld II eine Vollversammlung statt, die von der Kollegleitung einberufen worden war.

Das Feld war gefüllt mit Menschen, auch auf den Wichen saßen und standen Leute.

Grund war ein Ereignis, das sich nachts zwischen dem 19. und dem 20. Februar 2007 ereignet hatte. Personen hat-ten an Wände und Türen Sprüche gesprüht, u.a. auf Feld II: »Zurück zu den alten Werten« – neben dem Schriftzug war ein Schüler in gebückter Haltung zu sehen, begleitet von einem Lehrer mit erhobenem Rohrstock. Ein anderer Spruch lautete: »Komm an die Tafel«. Neben diversen ande-ren Sprüchen waren die neuen Fotos, die im Verwaltungsflur hingen, abgenommen und durch alte ersetzt worden. Im Bereich der Computerräume war mit weißer Farbe großflä-chig »Ja, ja, ja, nee, nee, nee« gemalt worden. Damit sollte u.a. an die Klanginstallation des Künstlers Joseph Beuys erinnert werden.

All dies hatte zu der Einberufung der Vollversammlung geführt. Die erhebliche Sachbeschädigung sei der Grund dafür gewesen, dass die KL Strafanzeige gegen Unbekannt bei der Polizei gestellt hätte, wie der Kollegleiter Hans Krö-ger allen Anwesenden erläuterte.

Der Staatsschutz und die Polizei seien schon in der Schule gewesen, hätten dies eher als »Schülerstreich« und »schulinterne Angelegenheit« gewertet, so Kröger.

Ich schildere meine Eindrücke, die ich seit dieser ersten Vollversammlung gewonnen habe, aus Gesprächen mit

Mitkollis und Lehrenden, sowie mit Menschen außerhalb des OS.

Ich will diese »Form der Artikulation«, diese »Schmiere-reien« und diese »Sachbeschädigung« genauer beleuchten, und aus einem innerschulischen – und schulpolitisch – sozi-alem Kontext betrachten.

Wie die KL auf der Versammlung deutlich machte, handelte es sich bei Malereien um eine Sachbeschädigung, deren Beseitigung teuer wäre und somit zum Nachteil aller am OS sei.

Kröger gab zu bedenken, dass vielleicht weniger kopiert werden könne, wegen der entstandenen Kosten. Nicht erst während der Versammlung kam mir der Gedanke, welche Beschädigung denn schwerer wiegen würde: die durch das Aufbringen von Farbe entstandene oder die der normalen Ordnung? Die Kollegleitung ging auf der VV davon aus, dass die Verursacher unter der Kollegiatenschaft zu suchen seien. Daher wurde das Angebot gemacht, sich freiwillig zu bekennen und den Schaden zu beseitigen. Dann wäre die KL bereit gewesen, die Strafanzeige zurück zu ziehen. Es gab keine Interessenten für einen solchen Deal. Es bekannte sich niemand. Dafür meldeten sich mehrere Kollis und Lehrende zu Wort.

Nach der Aktion war die Stimmung erhitzt und ange-spannt gewesen. Die Positionen, auch unter den Kollis, schwankten zwischen Zustimmung und Ablehnung. Dazwi-schen gab es mehrere Grauabstufungen, auch Gleichgültig-

Manuel Schiefer (Mitglied des Kollegiatenrats, KRat)

Handlungsbedarf: Malaktion im OS

keit. In einigen Kursen kam es zu regen Diskussionen. Man-che Kollis forderten, dass der normale Unterrichtsbetrieb wieder aufgenommen werden sollte. Es folgte ein Austausch, in Form eines offenen Briefes von Lehrenden an die KL, in dem diese forderten, die Strafanzeige aufrechtzuerhalten und im Rahmen einer Schulordnungskonferenz entspre-chende Maßnahmen zu verhängen und ggf. Schulverweise anzudrohen. Dieser Forderung schlossen sich auch einige Kollis an.

Es kam nicht nur zu kontroversen Diskussionen, son-dern auch zu anonymen Briefen und namentlich gekenn-zeichneten Flugblättern, die die Schulpolitik karikierten und kritisierten. Im Internet standen auf mehreren Seiten Kommentare und Beschreibungen zu der Malaktion. Dann entwickelte sich eine Diskussion in geregelten Bahnen.

Es war etwas geschehen, das den gewohnten Rhythmus des Schullebens durcheinander gebracht hatte. Die schu-lische Atmosphäre innerhalb des OS stand im Mittelpunkt der Kritik. Sie wurde als sehr verbesserungswürdig angese-hen. Auch über die Schulpolitik und ihren Einfluss auf die Zukunft des OS wurde diskutiert. Diese ist nicht zum Vorteil für uns Kollis, wie ich finde. Im Gegenteil.

Die Philosophin Hannah Arendt (1968) beschreibt in ihrem Essay »Macht und Gewalt«, dass »Ereignisse dadurch gekennzeichnet seien, dass sie automatische Pro-zesse oder zur Gewohnheit gewordene Verfahrensweisen unterbrächen; nur eine Welt, in der sich nichts ereignete, würde der Grundprämisse der Futurologen entsprechen.«1 Diese Definition lässt sich auch auf die Rhythmusstörung durch die Malaktion unserer Schule anwenden. Hätte sich ein solches Ereignis auch an einer anderen Schule ereignen können? Ich denke nicht, denn keine andere Schule befindet sich in einem so weitreichenden Umstrukturierungs – und Neuordnungsprozess, wie das OS. Vermittelt durch die Vor-gaben des Nordrhein-Westfälischen Schulminsiteriums.

Ob die neu installierte schulinterne Denkgruppe ver-trägliche Lösungen erarbeiten kann? – oder wird ihre Arbeit so nachhaltig und hilfreich sein, wie eine viertel Tablette

Aspirin, bei rasenden Kopfschmerzen? Die Tablette kann das Symptom lindern, nicht aber die Ursache. Ein Han-deln in homöopathischen Dosierungen, das der eigenen Beruhigung dient und Handlungsfähigkeit vorgaukelt. Eine Partizipationsmöglichkeit, die nicht das einhalten kann, was sie verspricht, da das Rahmenprogramm schon geschrieben ist.

Die Konsequenzen der Umsetzung der Vorgaben des Ministeriums sind für alle am OS spürbar. Uns Kollis

werden die Neuerungen als gut verkauft, wir nehmen sie hin und passen uns an, manche, viele, nicht alle. Aus alt mach neu. Manche von uns nehmen die Spannung, die im OS herrscht, vergleichbar mit einem Baumstamm wahr, kurz bevor er zerbricht. Wem ein Korsett aus Rahmenvorgaben aufgezwungen wird, dem fehlt die Luft zum Atmen. In einer solchen Situation entstehen Unsicherheit, Ärger, Wut und Menschen begeben sich auf die Suche nach Erklärungen. Das gilt für große Firmen, aber auch in Schulen, einfach überall, wo Menschen zusammenarbeiten. Was tun in einer solchen Situation, wo nicht alle genau wissen, was als näch-stes kommen wird? Pantoffeln ausziehen, auf den Zehen-spitzen laufen, leise sein und hoffen, dass es nicht noch schlimmer kommt und morgen der Blitz einschlägt.

Sind wir eine Schule, wie jede andere auch!? Ja, immer mehr, sagt das Schulgesetz. Nein, sagten z.B. die Schulberater aus Baden – Württemberg, die unsere Schule besuchten. Sie waren von unseren kommunikativen Fähigkeiten angetan, die sie während Kurssitzungen erlebten, als die Malaktion kurze Zeit zurücklag und dort diskutiert wurde. Einer von ihnen sagte mir in einem Gespräch nach der Kurssitzung, dass eine solche Diskussion mit seinen Schülern nicht möglich gewesen wäre, wir seien kritischer, offener, kom-munikativer. Auf meine Frage, wie er den Unterricht bei uns sähe, entgegnete er, dass er das Gefühl habe, dass wir abbauten, was sie in Baden – Württemberg gerade wieder zurückbauten, z.B. in Bezug auf fachübergreifendes, projek-tartiges Lernen.

1 H. Arendt (1970): Macht und Gewalt, Büchergilde Gutenberg, Frankfurt/Main 2005, S.29

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Von der Aktion zur DiskussionVon der Aktion zur Diskussion

Während der Vollversammlungen war die Schulatmosphäre mehrfach als verbesserungswürdig und die Entwicklung des OS als Rückschritt beschrieben. Daher wurden neun Arbeitsgruppen gebildet, zu allen kleineren und grundsätz-lichen Problemen, die uns auf den Nägeln brennen. Die Arbeitsgruppen bestanden aus Kollis und Lehrenden.

Welches Ergebnis halten wir heute in den Händen!? – Kein nachhaltiges. Wie kann eine Atmosphäre geschaffen werden, in der sich alle OS’ler wohlfühlen?

Am wichtigsten ist Transparenz, in allen Bereichen. Eine Kommunikation, nicht á la Bueb, die am Gefälle einer vertikalen Hierarchie auf Menschen herabprasselt. Ich for-dere eine Schule, die Kollis und Lehrende als gleichwertige Menschen wahrnimmt. Ein Lernen, das selbst gestaltet werden kann und die Individualität jedes Einzelnen von uns berücksichtigt.

Die Schule soll und darf keine Institution der Wissens-eintrichterung sein. Keine Prägeanstalt aus der alle gleich rauskommen, nachdem wir verschieden reingegangen sind. Schule und Lernen müssen gestaltet, nicht verwaltet werden!

Unter einer lernenden Einrichtung verstehe ich einen Ort des gemeinsamen Lernens von Lehrenden und Kollis,

einen Ort, an den täglich alle mit einem guten Gefühl im Bauch kommen können.

Eine solche Schule sollte das OS sein. Ein Klima der Angst, fehlender Transparenz, Einschüchterung und Unsi-cherheit wäre mit dem Geist seiner Gründer keineswegs vereinbar! Welche Schule will das OS sein, wollen wir sein? Vielleicht spüren viele von uns Kollis besser als manche Leh-rende, dass wir an einem Scheideweg stehen. Oder wollen wir eine Schule sein, die sich auf den Weg in eine Zukunft macht, ohne dass viele Beteiligten die Zielkoordinaten nicht kennen?

Welches Instrument spielt das OS im Orchester der Oberstufen NRWs, in dem schon jetzt, spätestens mit dem Zentralabitur, fast alle Instrumente identisch sind und die Musik eintönig zu werden droht?

Dies alles lese ich aus den Sprüchen an den Wänden: Forderungen, Hoffnungen, Handlungsbedarf und offene Fragen. Die gesprühten Buchstaben sehe ich als eine tägliche Erinnerung an, sie fordern mich als Leser auf, kritisch zu sein und zu bleiben, nachzufragen und Verbesserungen zu fordern.

»Non scholae, sed vitae discimus«

• Ja, ich habe auf jeden Fall versucht, mich besser zu informieren. Auf den Versammlungen habe ich viel über das

alte OS mitbekommen. Die Wahlfreiheit und die freiere Art des Lernens sind für mich wichtige Aspekte.

• Ganz ehrlich hab ich die Aktion fast vergessen. Man wurde zwar informiert, aber da ich wenig vom alten OS

wusste, weiß ich auch nicht, wofür ich mich jetzt einsetzen soll.

• Ich habe nachgedacht, wie das OS wohl früher war und wie radikal es sich verändert haben muss, dass sich viele

so sehr darüber aufregen.

• Man weiß nun mehr über die Vergangenheit des OS als vorher.

• … es hat nicht lange gedauert, bis der Alltag einen eingeholt hat und die Proteste verstummten bzw. nur noch im

kleinen Kreis weitergeführt wurden.

• Ich fühlte mich einfach nicht davon betroffen.

• Ja, und zwar Dinge wie … die pädagogischen Grundlagen von Hartmut von Hentig aufrecht zu erhalten.

• Ich habe darüber nachgedacht und mich informiert, inwiefern sich das OS verändert hat und ich denke immer

wieder darüber nach, was mit dem OS in Zukunft sein wird, da es immer mehr eine Normal- oder Regelschule wird.

• Durch die Aktion habe ich schon intensiver darüber nachgedacht, ob es stimmt, was alle sagen, dass das OS näm-

lich immer mehr zur Regelschule wird.

• Ich empfand die Aktion als übertrieben ...

• Ich habe darüber nachgedacht, finde aber, dass man es auf eine andere Art hätte sagen müssen.

• Ja, es hat mich angeregt und zwar darüber nachzudenken, ob das OS wirklich anders ist im Vergleich zu anderen

Schulen.

• Ich habe oft darüber nachgedacht, wie das OS wohl früher war. Ich sorge mich um das OS, dass es bald zur

Regelschule wechselt.

• Ja. Ich denke, dass das OS sich zu einer Regelschule entwickeln wird und nichts Besonderes mehr sein wird.

• Die Zukunft des OS liegt in der Hand aller. Doch ich sehe keine Möglichkeit für mich, Energien und Zeit dort

hinein zu investieren, da es in meinem Leben Dinge gibt, denen ich bereits eine höhere Priorität zugesprochen habe.

Trotzdem bin ich dem OS für alles dankbar, was ich hier mitbekomme.

• Das OS wird immer mehr zur Regelschule und schränkt die Möglichkeiten der Kollis stark ein. Sinnlose Rege-

lungen verhindern die Selbstentwicklung zum großen Teil.

• Nein, ich dachte vorher schon genauso darüber nach.

• Ehrlich gesagt hoffe ich, dass diese Aktion ein Denkanstoß für das OS war.

• Da ich mit der Geschichte und der Entwicklung des OS vertraut bin, kann ich die Aktion nachvollziehen und habe

mir dadurch auch Gedanken um die Zukunft des OS gemacht. Deshalb finde ich, sollten nicht nur Kollegiaten, son-

dern auch die Lehrenden versuchen, gemeinsam eine Lösung zu finden

• Ich habe mich mehr mit der Vergangenheit beschäftigt. Wie es früher war und was jetzt anders ist und warum. Ich

fand es interessant, mich mit dem alten und neuen OS zu beschäftigen und die Unterschiede zu sehen.

Hast du durch die »Malaktion« einen Anstoß bekommen, über die Zukunft des OS gründlicher und kritischer nachzudenken und dich besser zu informieren? An welche Aspekte denkst du dabei besonders?

»Im Sande verlaufen?«

Über die Nachwirkungen der Malaktion bzw. die »Nachhaltigkeit« (siehe Text von Manuel Schiefer) zeigte sich, im Unter-

schied zu ihrer sehr kontroversen Bewertung, ein mich irritierender Konsens, dass die Sache »im Sande verlaufen« und

letztlich nichts gebracht habe.

Deshalb wollte ich die Folgen der Aktion in den Köpfen überprüfen. Ich ließ die KollegiatInnen in meinem Pädagogikkurs

(Jahrgang 2006) einen Fragebogen ausfüllen. Die hier vollständig abgedruckten Antworten der 22 KollegiatInnen auf eine

der vier Fragen zeigen, dass bei vielen von ihnen doch einiges angestoßen worden ist. Hans Frieder Dietz

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Im Studienjahr 2006-07 gab es vordergründig betrachtet einen normalen Betrieb im Schulleben und in der For-

schung. Dieser Zeitraum war zugleich für alle Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter im OS außerordentlich belastend, da große Unsicherheit darüber bestand, welche bildungs-politischen Entscheidungen in Düsseldorf fallen würden. Die Ziele für das Jahr 2006 lauteten deshalb: Erhalt der Ver-suchsschule Oberstufen-Kolleg und Fortführung der Wis-senschaftlichen Einrichtung. Beide Ziele konnten erreicht werden, allerdings nur unter weitgehenden Zugeständ-nissen in Fragen der Ausstattung und der institutionellen Anbindung. Eine aus der Sicht der Wissenschaftlichen Leitung besonders einschneidende Veränderung im Ober-stufen-Kolleg ist die Entscheidung der Landesregierung, die seit 1974 bestehende Zentrale Wissenschaftliche Einrichtung Oberstufen-Kolleg der Universität Bielefeld zum 1. Januar 2007 aufzutrennen in eine

a) Versuchsschule Oberstufen-Kolleg an der Universität Bielefeld einerseits und eine

b) Wissenschaftliche Einrichtung Oberstufen-Kolleg der Fakultät für Pädagogik

andererseits. Damit wurde eine weitreichende Verände-rung vorgenommen, die letztlich in der Veränderung der Zielrichtung des Oberstufen-Kollegs begründet ist. Der Übergang von der »Neuen Tertiärstufe« (v. Hentig) über das »Neue Oberstufen-Kolleg« (NeOS) bis hin zur »expe-rimentellen gymnasialen Oberstufe« hat sich in den Jahren 1999 bis 2006 schrittweise vollzogen, ihm geht eine lange Vorgeschichte voraus.

Neben vielen Veränderungen in der Versuchsschule (z.B. Einführung des Zentralabiturs ab 2008) haben sich in den letzten Jahren insbesondere das Zusammenspiel von Schule und Hochschule, von Entwicklung und Forschung und damit verbunden das Lehrerforschermodell des Oberstufen-

Kollegs deutlich gewandelt. Ihren sichtbaren Ausdruck fin-den diese Veränderung in der neuen Grundordnung für die Versuchsschule Oberstufen-Kolleg und in der ebenfalls neuen Verwaltungs- und Benutzungsordnung für die Wissenschaft-liche Einrichtung Oberstufen-Kolleg. Die institutionellen Veränderungen haben Auswirkungen auf alle Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter im Oberstufen-Kolleg und darüber hinaus auf das Verhältnis von Versuchsschule und Universi-tät. Wir skizzieren im Folgenden direkte Konsequenzen und Nebeneffekte, soweit sie bereits erkennbar sind.

Drei gravierende Einschnitte sind der Wechsel der zuständigen Behörde, der Wechsel der Schulträgerschaft und die angekündigte Erhöhung des Lehrdeputats für die Lehrerinnen und Lehrer am Oberstufen-Kolleg von 18 auf 22 Unterrichtsstunden zum 01.08.2007.

Die Zuständigkeit für die staatliche Versuchsschule Oberstufen-Kolleg ist vom Wissenschaftsministerium auf das Schulministerium übergegangen. Die Lehrenden am Oberstufen-Kolleg sind seit dem 01.01.2007 arbeitsrechtlich nicht mehr Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitar-beiter der Universität Bielefeld, sie sind vielmehr seit diesem Zeitpunkt Lehrerinnen und Lehrer des Oberstufen-Kollegs. Rektor und Kanzler haben Ende des Jahres 2006 in zwei Teilpersonalversammlungen alle Lehrenden am OS und einige Technisch-administrative Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter aus dem Dienst der Universität verabschiedet, sie werden sämtlich in den Dienst des Schulministeriums über-nommen. Niemand wurde in die Arbeitslosigkeit entlassen, dennoch war die Stimmung am Ende des Jahres 2006 eher gedrückt. Jeder musste sich überlegen, wie er mit der neuen Situation umgehen sollte.

Die Landesregierung hat es vermieden, für die bis-lang am Oberstufen-Kolleg Beschäftigten laufbahnrecht-liche Änderungen vorzunehmen, so dass finanzielle oder

Forschung und Entwicklung

Josef Keuffer , Maria Kublitz-Kramer

Trennung von Wissenschaftlicher Einrichtung und Versuchsschule

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Forschung und EntwicklungForschung und Entwicklung

laufbahnbezogene Benachteiligungen nicht absehbar sind. Allerdings wurde bei der Berechnung der Personalmittel für das Schuljahr 2007/08 eine deutliche Kosteneinsparung insofern vorgenommen, als das Lehrdeputat der Lehrenden nicht mehr mit 18 sondern mit 22 Unterrichtsstunden berechnet wird. Darüber hinaus hat das Schulministerium verfügt, dass ab Sommer 2007 nicht mehr die Universität Bielefeld, sondern die Bezirksregierung Detmold die Schul-trägerschaft wahrnimmt. Der Wechsel in der Schulträger-schaft gilt zeitgleich auch für die Laborschule. Sowohl das Oberstufen-Kolleg als auch die Laborschule bleiben jedoch Versuchsschulen des Landes Nordrhein-Westfalen mit einer besonderen Verbundenheit zur Universität Bielefeld.

Die neue »Wissenschaftliche Einrichtung Oberstufen-Kolleg« wird zum Sommer 2007 eingerichtet. Die Lehrenden am Oberstufen-Kolleg gehören ihr dann nur noch als asso-ziierte Mitglieder an. Der Senat der Universität Bielefeld hatte zuvor den Weg dafür frei gemacht, dass die »Zentrale Wissenschaftliche Einrichtung Oberstufen-Kolleg der Uni-versität Bielefeld« in die neue Organisation einer »Wissen-schaftlichen Einrichtung Oberstufen-Kolleg der Fakultät für Pädagogik« überführt werden kann. Die Fakultätskonferenz hat im Frühjahr 2007 einen einstimmigen Beschluss gefasst und die neue Einrichtung an der Fakultät für Pädagogik begrüßt. Die fünf Mitarbeiterstellen der Wissenschaftlichen Einrichtung Oberstufen-Kolleg werden zukünftig an die Fakultät für Pädagogik, Arbeitsgruppe 4 (Didaktik und Cur-riculumentwicklung), angebunden. Der Wissenschaftliche Leiter des Oberstufen-Kollegs ist seit dem Sommersemester 2007 ordentliches (nicht mehr assoziiertes) Mitglied der Fakultät für Pädagogik.

Der institutionelle Veränderungsprozess im Oberstufen-Kolleg vollzieht mit der Trennung von Versuchsschu-

le und Wissenschaftlicher Einrichtung eine Entwicklung nach, die die Laborschule zu Beginn der 90er Jahre bereits vollzogen hat. Auch wenn der Prozess der Umgestaltung in der Laborschule als Vorbild für den Veränderungsprozess hilfreich war, so wollen wir nicht unerwähnt lassen, dass die Umstellung für viele Lehrende am Oberstufen-Kolleg als sehr schmerzlich empfunden wird; denn damit wird ein Schritt vollzogen, der tief in das berufliche Selbstverständ-nis der Lehrenden eingreift. Während früher der Dozent oder die Dozentin an einem College das berufliche Leitbild für Forschung und Lehre am Oberstufen-Kollegs war, so sollen nun Lehrerinnen und Lehrer einer Reformoberstufe den Auftrag des Oberstufen-Kollegs umsetzen. Der Wandel der Rolle vom Dozenten zum Lehrer wird dabei als ein erheblicher beruflicher Einschnitt und als Statusabwertung erfahren. Zwar wird es weiterhin Möglichkeiten und Res-sourcen für Forschungsprojekte geben, allerdings sind diese gegenüber der früheren Ausstattung deutlich reduziert. Für Forschung und Entwicklung stehen zukünftig insgesamt noch 6 Stellen zur Anrechnung von Forschungsleistungen

zur Verfügung. Das Ergebnis der Verhandlungen mit den beiden Ministerien wird deshalb im Oberstufen-Kolleg unterschiedlich interpretiert (vgl. »Was wird ...!?« – Schul-entwicklung, Initiativen und Meinungen des Kollegiums). Die Differenz in der Bewertung des Umstellungsprozesses ist durchaus verständlich, denn es ist ein feiner, aber wirk-samer institutioneller Unterschied, ob es sich bei dem Ober-stufen-Kolleg um eine Zentrale Einrichtung der Universität Bielefeld oder um eine Versuchsschule in der Trägerschaft einer Bezirksregierung handelt.

Während die Auftrennung von Versuchsschule und Wis-senschaftlicher Einrichtung eine große Umstellung bedeu-tet, so gilt der inhaltliche Auftrag für das Oberstufen-Kolleg im Wesentlichen weiter. Frau Ministerin Sommer hat dazu in einem Schreiben an den Vorsitzenden des Wissenschaft-lichen Beirats Stellung genommen. Kern des Auftrags bleibt aus ihrer Sicht, dass das Oberstufen-Kolleg Grundfragen des Bildungswesens systematisch untersucht, Reformmodelle im wechselseitigen Bezug von Theorie und Praxis erprobt und evaluiert. Das Oberstufen-Kolleg ist somit für das Ministeri-um weiterhin staatliche Versuchsschule der Sekundarstufe II mit einem weiten Forschungs- und Entwicklungsauftrag.

Die beiden letzten Sitzungen des Wissenschaftlichen Beirats im Juni 2006 und im Januar 2007 waren geprägt durch den Erlass des Ministeriums für Innovation, Wissen-schaft, Forschung und Technologie vom Dezember 2005. Die im Erlass verordnete Veränderungssperre (z.B. Verbot für Neueinstellungen und Beförderungen) für das Oberstu-fen-Kolleg wurde eingehend beraten. Der Wissenschaftliche Beirat hat in einem Schreiben an Frau Ministerin Sommer seine Position dargelegt. Darin heißt es:

»(…) Die damit gegebenen Rahmenbedingungen für die Versuchsschule versprechen nach Überzeugung des Wis-senschaftlichen Beirats wichtige Erkenntnisse in zentralen Fragen der heutigen schulpolitischen Diskussion, die nicht nur für diese besondere Schülerschaft, sondern auch für das Regelschulwesen von großer Bedeutung sind. (…) Die ver-änderte Anlage der Forschung im Oberstufen-Kolleg, wie sie im neuen Forschungsplan 2006-2008 zum Ausdruck kommt, zeichnet sich sowohl thematisch als auch hinsichtlich des Ressourceneinsatzes durch eine konsequente Konzentration auf Schwerpunkte aus, die aus der Sicht des Beirats schulpo-litisch wie wissenschaftlich gleichermaßen hoch bedeutsam sind. Mit diesem Forschungsplan hat das Oberstufen-Kolleg zugleich den Anschluss an aktuelle Entwicklungen der Bil-dungsforschung gefunden, in denen empirische Methoden eine besondere Bedeutung erlangt haben.

Die Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats sind der Überzeugung, dass die geplante Veränderung der Organisation und die stärkere organisatorische Trennung von Wissenschaft-licher Einrichtung und Versuchsschule unter Verlagerung der letzteren in den Bereich Ihres Ministeriums neben Risiken auch Chancen bietet und zu einer stärkeren Akzentuierung des Versuchsschulauftrags beitragen kann. Aus der Sicht des

Beirats ist es dabei wichtig, dass die Versuchsschule einen ange-messenen Rahmen für Experimente und somit weitgehende didaktische und curriculare Freiheiten behält. (…)

Der Wissenschaftliche Beirat des Oberstufen-Kollegs hält die Sicherung eines solchen Freiraums für »Experimen-talschulen« – die es aus seiner Sicht auch an anderen Stellen geben sollte – für eine wichtige Voraussetzung der weiteren Entwicklung und kontinuierlichen Modernisierung der »Normalschulen«. Experimentalschulen gehen – um an die-ser Stelle auf Immanuel Kant zu verweisen – der Entwick-lung der Normalschulen notwendigerweise voraus.«

Das Schreiben des Wissenschaftlichen Beirats an die Ministerin war eine große Hilfe und Unterstützung in

schwierigen Zeiten. Frau Ministerin Sommer hat daraufhin geantwortet, die Umstellung des Oberstufen-Kollegs begrün-det und den inhaltlichen Auftrag in Umrissen skizziert.

Der Wissenschaftliche Beirat war nicht nur mit Fra-gen des Krisenmanagements befasst, er hat sich ebenso wie der Forschungs- und Entwicklungsausschuss mit den Forschungsanträgen für den Zeitraum 2006-2008 befasst und – nach Beratung und Rücksprachen – (letztmalig) den Forschungs- und Entwicklungsplan mit 15 Projekten genehmigt. Zukünftig wird die Entscheidung über den For-schungs- und Entwicklungsplan von der neu zu gründenden Gemeinsamen Leitung der Versuchsschule Oberstufen-Kol-leg und der Wissenschaftlichen Einrichtung Oberstufen-Kolleg getroffen. Der Forschungs- und Entwicklungsplan 2006–2008 (siehe Kasten) enthält aus der Sicht des Wissen-schaftlichen Beirats eine erste Entfaltung des neuen For-schungsansatzes. Die Forschungsspirale, die Veränderung der Forschungsorganisation und zentrale Themenfelder der Forschung sind inzwischen eingeführt bzw. umgesetzt. Dabei wurde deutlich, dass einige Projekte im Schwerpunkt eher als Entwicklungsprojekte und andere eher als For-schungsprojekte anzusehen sind.

Wir hoffen, dass wir im Studienjahr 2007–2008 den laufenden Forschung- und Entwicklungsplan trotz redu-zierter Mittel fortführen können. Insbesondere hoffen wir, dass das Tempo des Umstellungsprozesses jetzt nachlässt und die Verlangsamung eine Gelegenheit dazu gibt, die Ent-wicklungen im Oberstufen-Kolleg zu reflektieren und die Suche nach neuen Wegen anzuregen. Das Versprechen der Landesregierung zu größerer Selbständigkeit der Schulen möge auch für das Oberstufen-Kolleg eingehalten werden. Wir wünschen uns, dass die Kooperation zwischen Ver-suchsschule und Wissenschaftlicher Einrichtung gelingt. Die Reformansätze für die Schulentwicklung, insbesondere für die Unterrichtsentwicklung sind auf einem guten Weg. Der professionelle Umgang mit Heterogenität ist im Ober-stufen-Kolleg nach wie vor beeindruckend. Die Schulkultur wird auf Seiten der KollegiatInnen, der Lehrenden und der BesucherInnen gleichermaßen als herausragend gewertet. Wir wünschen uns, dass dies auch in Zukunft so bleibt.

Die Forschungsprojekte des Oberstufen-Kollegs:

Der FEP 2006–2008

Qualitätsentwicklung/Qualitätssicherung

• Übergang Schule – Hochschule

• Das Portfolio als Instrument der Steuerung

Heterogenität/Innere Differenzierung

• Heterogenität: Förderung und Beratung

• Methoden innerer Differenzierung

• Individualisierung im Fremdsprachenunterricht

– Beispiel Spanisch

• Learning Diversity

• Learning Tenses with Cindy

Unterrichtsentwicklung

• Projektunterricht u. Projektkultur an Schulen in

ausgewählten Bezirken v. NRW

• Kollegiale Unterrichtsbeobachtung /Hospitation

• Kommunikation im Unterricht

Basale Kompetenzen

• Deutsch (Basis- und Brückenkurse)

a. Basis I – Basis II: Konzepte u. Materialien

b. Lernausgangslagenuntersuchung (LAU)

c. Brückenkurse, Schreibbüro

• Mathematische Sprachkompetenz

• Basiskompetenzen in informatischer Bildung

• Der C-Test

Kompetenzentwicklung Grundkurse

• Kompetenzentwicklung und Kompetenzprofile in den

Grundkursen/Hauptphase

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Forschung und EntwicklungForschung und Entwicklung

Im Rahmen des Schulentwicklungsprozesses wurden für den FEP 2006–2008 nach Beratung im Wissenschaft-

lichen Beirat und Beschluss durch den Wissenschaftlichen Rat erstmalig für alle Forschungsgruppen Projektleitungen eingeführt, eine Art mittlerer Ebene zwischen den einzelnen Projekten und der Wissenschaftlichen Leitung. Sie sollen darauf achten, dass das jeweilige vom Wissenschaftlichen Rat genehmigte Projekt ziel-, kosten- und termingerecht durchgeführt wird und dass ein Zwischenbericht (01.06.07) und ein Abschlussbericht (01.05.08) vorgelegt werden. Die Hauptaufgabe der Projektleitungen besteht darin, das For-schungsprojekt zu organisieren und zu koordinieren. Die Projektleiterinnen und Projektleiter sind verantwortlich für den Arbeitsplan, den Ressourceneinsatz und für die Umset-zung von Entscheidungen in Hinblick auf Forschungsfragen und Forschungsmethoden. Die Projektleitungen wurden in zwei Fortbildungstagen auf ihre Aufgabe vorbereitet. Auf Anregung von Prof. Dr. Hans-Günter Rolff (Emeritus der Universität Dortmund) hat Dr. Elmar Philipp diese Fort-bildung durchgeführt. Um zu erfahren, welche Wirkungen die Einführung der Projektleitungen in der Praxis der For-schungsgruppen hatten, wurden zwei Projektleiterinnen in einem Interview befragt.

Interview mit Ramona Lau und Martina Wäcken am

28.�.2007 zum Thema »Projektleitungen«

Interviewerin: Maria Kublitz-Kramer

MKK: Könnt ihr euch noch erinnern, wie ihr, als ihr zum

ersten Mal von dieser neuen Aufgabe Kenntnis genommen

habt, darauf reagiert habt? Zustimmend, nicht zustimmend,

skeptisch?

Ramona Lau: Da ich am Oberstufen-Kolleg noch nicht sehr viele Erfahrungen mit der Mitarbeit in Forschungs- und Entwicklungsgruppen gemacht hatte, war ich relativ unvor-eingenommen. Ich konnte mir einerseits gut vorstellen, dass die Projektleitung eine sehr sinnvolle Einrichtung ist, weil sie die konkrete Forschungsgruppe von Organisatorischem entlasten kann. Ich konnte mir aber auch andererseits vorstellen, dass es viele Kolleginnen und Kollegen gibt, die damit Probleme haben würden, weil sie das Gefühl haben, in ihrer Arbeit nicht wahrgenommen bzw. reglementiert zu

werden. Da ich allerdings in der Forschungs-AG der Schul-entwicklung mitgearbeitet habe, die diese Idee favorisiert hat, war ich gegenüber Projektleitungen positiv eingestellt.

Martina Wäcken: Soweit ich mich erinnern kann, war mir die Idee auch von vornherein einleuchtend, dass es sinn-voll ist, Kolleginnen und Kollegen die Projekte organisieren oder leiten zu lassen. Ich hätte zu dem Zeitpunkt allerdings nicht gedacht, dass ich eine Projektleitung übernehmen würde.

MKK: Wie hat man denn in eurer Forschungsgruppe die

Projektleitung besetzt?

Martina Wäcken: Es gab in unserer Gruppe eigentlich zunächst einmal niemanden, der die Position übernehmen wollte. Wir sind sieben KollegInnen, die alle durch Unter-richt und andere Verpflichtungen relativ stark ausgelastet sind. Die meisten befinden sich auch auf halber Stelle, haben Kinder und sind dadurch in ihrer Mitarbeit eingeschränkt. Außerdem ist niemand auf die Deputatsreduzierung ange-wiesen. Eigentlich haben wir über die Leitung eher im Ausschlussverfahren entschieden, so sind Ramona und ich übriggeblieben. Man muss aber dazu sagen, dass wir beide von uns wissen, dass wir gut organisieren können. Das hat die Sache vereinfacht.

Ramona Lau: Was Martina gesagt hat, dem stimme ich uneingeschränkt zu, denn prinzipiell war ich auch nicht abgeneigt. Ich weiß, dass mir ein zusätzliches Deputat über-haupt nichts bringt, aber mir fällt wenig dazu ein, wie man die Arbeit der Projektleitungen anders »vergüten« kann. Was die Entscheidungsfindung nicht gerade gefördert hat, war, dass wir uns lange nicht darüber im Klaren waren, was die Projektleitung tatsächlich zu tun hat, obwohl es immer wieder einen Gedankenaustausch zwischen der Wissen-schaftlicher Leitung und den Projektleitungen gegeben hat, aber der Klärungsbedarf war da: Müssen z.B. die Berichte von der Projektleitung verfasst werden, und: Wer trägt die Verantwortung dafür?

Martina Wäcken: Ich habe mich letztlich dazu entschie-den, die Projektleitung zu übernehmen, nachdem ich noch mal deutlich von der Wissenschaftlichen Leitung gehört habe, dass es in erster Linie um die Organisation der Arbeit geht. Und da ich in Gruppen, in denen ich mitarbeite, diese

Maria Kublitz-Kramer

Einführung eines Projektmanagements für die Forschung Erfahrungen zweier Projektleiterinnen

Funktionen ohnehin oft übernehme, freue ich mich, dass diese Arbeit – ich nenne sie gern »Hausfrauenarbeit«, weil sie wichtig, aber in der Regel nicht bezahlt und wenig wert-geschätzt wird, in diesem Fall auch mal »vergütet« wird.

Ramona Lau: In diesem Zusammenhang ist es vielleicht interessant zu erwähnen, dass wir uns die Projektleitung teilen. Das bringt für uns beide große Vorteile, weil Martina und ich gut miteinander arbeiten können. Ob das allerdings immer die richtige Lösung ist, muss von Gruppe zu Gruppe entschieden werden.

MKK: Als nächstes kommen wir zur Bilanzierung. Ihr habt

euch ungefähr seit einem dreiviertel Jahr mit der Rolle der

Projektleitungen vertraut gemacht. Daher würde ich gern

fragen: Was hat sich eurer Meinung nach durch die Einfüh-

rung der Projektleitungen in der FEP-Arbeit verändert, auch

im Vergleich zur früheren Arbeit in Forschungsgruppen?

Martina Wäcken: Der Vergleich ist für mich nicht ganz einfach, aber ich glaube schon, dass die Einführung der Projektleitungen der Forschungsarbeit zugute kommt. Wir fühlen uns verantwortlich und sind eben auch in der Rolle, verantwortlich zu sein. Das klappt gut, weil wir, Ramona und ich, uns sehr gut ergänzen. Ich finde eigentlich die Doppel-Projektleitung eine ziemlich optimale Lösung für die Forschungsprojekte.

MKK: Wir haben uns ja u.a. die Einrichtung der Projekt-

leitungen ‚einfallen’ lassen, weil die Kommunikation zwi-

schen den Projektleitungen und der Wissenschaftlichen Lei-

tung fast unmöglich war aufgrund der vielen Projekte. Wir

haben die Projekte jetzt zwar auf 15 zu reduzieren versucht,

aber trotzdem kann man kaum mit 15 Projekten neben der

anderen Arbeit so befriedigend kommunizieren, dass alle

möglichen Fragen, die entstehen, auch gleich angegangen

werden können. Könnt ihr heute sagen, dass ihr diese Art

»Zwischenleitung« für ein gelungenes Signal zur Weiter-

entwicklung der Forschung am OS betrachtet?

Ramona Lau: Ich halte die Einführung der Projektlei-tung in unserer Gruppe, und nur für die kann ich sprechen, für sehr sinnvoll. Ich glaube, dass wir mit Hilfe der Projekt-leitung die Arbeit tatsächlich sehr effektiv gestalten können. Es ist immer jemand für die gesamte Arbeit verantwortlich, und ich glaube, dass die Gruppe davon profitiert, dass wir

darauf achten, dass der Weg, den man sich gemeinsam über-legt hat, auch beschritten wird. Zur konkreten Frage von dir, Maria: Ich persönlich sehe auch in der Zusammenarbeit mit der Wissenschaftlichen Leitung die Projektleitung als eine sehr gute Einrichtung an, da es uns darauf ankommt, die in unserem Projekt aufkommenden Fragen möglichst direkt zu klären. Dies führt schließlich zu einer Effektivierung der Arbeit.

MKK: Im Zuge der neuen Deputatsregelungen ist es

umstritten, ob die Projektleitungen weiterhin so viel

Deputat bekommen. Was für eine Meinung habt ihr dazu?

Ramona Lau: Ich glaube, dass die Tatsache, dass der Projektleitung zukünftig 80 Stunden zugesprochen werden sollen, unter der Voraussetzung, dass bei voller Stelle zwei Stunden pro Woche geforscht werden kann, zu Problemen führen wird, und zwar in dem Sinne, dass auf die Projekt-leitung ein hoher Druck entsteht, für diese 80 Stunden auch wirklich hohe Leistungen zu erbringen.

Martina Wäcken: Ich gehe auch davon aus, dass die Projektleitungen in Zukunft weniger Deputat für ihre Tätigkeit bekommen werden. Ich glaube aber, dass wenn man weiterhin so eine klare Struktur in der Forschungsar-beit haben will, weiterhin zusätzliches Deputat ausgebracht werden muss, aber weniger, als es bislang der Fall ist, weil es für alle weniger Deputat gibt. Ich denke, dass es für alle Beteiligten in den FEP-Gruppen sinnvoll und notwenig ist, sich selbst über die geleisteten Arbeitsstunden Rechenschaft abzugeben, also sich zu notieren, wie viel Zeit man investiert hat, um dadurch für sich und die Gruppe Transparenz zu schaffen. Ich habe das seit dem Sommer so gemacht und finde es sehr entlastend.

Ramona Lau: Damit wirklich der Blick auf die Effek-tivierung der Arbeit im FEP-Projekt erhalten bleibt, sollte dafür gesorgt werden, dass die Entlastung für die Projekt-leitung proportional zu dem erfolgt, was die Gruppe pro Person einbringen kann.

MKK: Vielen Dank euch beiden für das Gespräch.

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Forschung und EntwicklungForschung und Entwicklung

Neben der Veränderung der Forschungsorganisation und der laufenden Arbeit in den Forschungsprojekten

haben Vortragsreihen und insbesondere Tagungen die For-schungstätigkeit angeregt.

Das Oberstufen-Kolleg hat im Berichtszeitraum zwei Vortragsreihen mit insgesamt 12 Vorträgen durchgeführt. Die erste Vortragsreihe befasste sich mit dem Thema »Schulent-wicklung und Heterogenität«, die zweite Vortragsreihe galt dem Bereich »Basiskompetenzen, Konzepte zur Messung und Förderung«. Im Herbst 2007 wird eine Vortragsreihe zum Thema »Innere Differenzierung« folgen.

Das Oberstufen-Kolleg, seine Entwicklungsarbeit im Unterricht und die Ergebnisse der Forschungsprojekte nach außen sichtbar zu machen und mit Lehrerinnen und Leh-rern, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu disku-tieren – für diese Ziele stehen u.a. folgende Tagungen des Jahres 2006/07:

• Die Praxistagung »Unterrichtsentwicklung und Unter-

richtsqualität« der DGfE, vom 4.–6. September, gemeinsam durchgeführt mit dem Freiherr-vom-Stein-Gymnasium Bünde, der Städtischen Realschule Enger, der Laborschule Bielefeld und dem Oberstufen-Kolleg. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten an zwei Vormittagen die Gele-genheit, im Unterricht zu hospitieren. Die thematischen Schwerpunkte waren: Selbstständiges Lernen, Lernkompe-tenz, Portfolio- und Jahresarbeiten und Kompetenzerwerb im fächerübergreifenden Unterricht

• Das Forum »Individuelle Förderung an Schulen« – eine Kooperationsveranstaltung der Bezirksregierung Detmold, des Oberstufen-Kollegs Bielefeld und der Stiftung Partner

für Schule NRW – am 9. Februar 2007. Besonders gelobt wurde u.a. die Praxisrelevanz der angebotenen Workshops durch die große Anzahl methodischer Anregungen zur Unterrichtsentwicklung. Viel Beachtung fanden die Themen Pädagogische Diagnostik und Portfolioarbeit. Das Interesse an dem Forum war so groß (über 300 Besucherinnen und Besucher), dass es – in leicht modifizierter Form – am 09. November 2007 im Oberstufen-Kolleg wiederholt wird (weitere Informationen unter http://www.bildungsportal.nrw.de/Chancen/index.html).

• Die Expertentagung »Übergang Schule – Hochschule«, die mit Unterstützung des Stifterverbandes für die Deut-sche Wissenschaft am 15. und 16. März 2007 stattfand. Mehr als 40 Expertinnen und Experten und ca. 100 weitere Teilnehmer/innen aus Wissenschaft, Bildungspolitik und Bildungsverwaltung, aus Schulen sowie aus Studien- und Berufberatung nahmen an dieser Tagung teil. Eine wichtige Erkenntnis war, dass die Fragen des Übergangs nicht länger als ein Randproblem der sekundären und tertiären Bil-dungseinrichtungen betrachtet und marginalisiert werden können, sondern dass Vorbereitung, Begleitung und Unter-stützung der »Subjekte des Übergangs« zu entscheidenden Erfolgsbedingungen für Schule und Hochschule geworden sind (weitere Informationen unter http://www.uni-bielefeld.de/OSK/NEOS_Sonderseiten/Tagung).

Schon im Herbst werden weitere Tagungen dieses Pro-gramm fortsetzen. So wird die 12. Fachtagung des

Nordverbundes Schulbegleitforschung mit dem Thema »Heterogenität und Praxisforschung« am 13. und 14. Sept.

2007 (unter Beteiligung u.a von Prof. Pren-gel, Dr. Wischer und Prof. Altrichter) in der Laborschule und im Oberstufen-Kolleg durchgeführt, im November 2007 wird die Tagung »Projektkultur und Gesellschaft« des Vereins Projektdidaktik stattfinden.

Auch das Internationale Kooperations-projekt zur Förderung der naturwissen-schaftlichen und mathematischen Bildung wurde erfolgreich abgeschlossen. Im Jahre 2003 konnte dieses Projekt mit einer Förde-rung durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) begonnen wer-

Ramona Lau

Von Bielefeld nach Viña del MarVortragsreihen, Tagungen und ein DAAD-Projekt

den. Das Oberstufen-Kolleg kooperierte in diesem Rahmen mit den Universitäten ESPOL in Guayaquil (Ecuador) und Viña del Mar (Chile) bei der Entwicklung neuer Module für die naturwissenschaftliche und mathematische Ausbildung. Diese Zusammenarbeit ist mit der Erstellung der Abschluss-publikation, die in Kürze erscheint, zu Ende gegangen.

Von Bedeutung war auch die Teilnahme des Ober-stufen-Kollegs an der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder im Rahmen eines Antrags der Universitäten Bielefeld und Dortmund. Der Antrag auf Einrichtung einer »Graduate School of Education and Capabilities«, an dem sowohl das Oberstufen-Kolleg als auch die Laborschule beteiligt waren, ist zwar in der dritten und letzten Runde mit einem knappen Votum ausgeschieden, der Antrag war aber als bundesweit einziger aus dem Bereich der Pädagogik von den zuständigen Gremien in die engere Wahl gezogen wor-den. Der Wissenschaftliche Beirat hat die Teilnahme deshalb ebenso wie das Rektorat als besondere Leistung gewürdigt. Der Antrag wird in modifizierter Form von der Universität Bielefeld in Kürze erneut bei der DFG im Rahmen des Nor-malverfahrens (Graduiertenkolleg) eingereicht.

den. Das Oberstufen-Kolleg kooperierte in diesem Rahmen mit den Universitäten ESPOL in Guayaquil (Ecuador) und Viña del Mar (Chile) bei der Entwicklung neuer Module für

Bildlegende

oben:

Forum »Individuelle Förderung«: Begrüßung

durch den Kollegleiter Dr. Hans Kroeger

unten:

Forum »Individuelle Förderung«: Plenum

links unten:

DAAD-Projekt: Arbeitstagung in Bielefeld

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Forschung und EntwicklungForschung und Entwicklung

Die Kollegiatinnen und Kollegiaten am Oberstufen-Kolleg werden über ein aufwändiges Verfahren mit

Bewerbungsgesprächen und Eingangsdiagnosen ausge-wählt. Die gewollt besondere Zusammensetzung der Kol-legiatenschaft ist im bildungspolitischen Auftrag und im Forschungsauftrag des Oberstufen-Kollegs begründet. Dazu gehört, dass auch Jugendliche ohne Qualifikationsvermerk die Chance bekommen, ein Abitur zu erwerben.

Da die Population sich deutlich von Regelschulen unterscheidet, muss ein Vergleich uns interessieren. Des-halb wurde das Angebot des Landesinstituts für Schulent-wicklung und Lehrerbildung in Hamburg angenommen, die Deutschkompetenzen von zwei Kollegiatenjahrgängen (2004 und 2006) zu testen und die Ergebnisse mit denen Hamburger Schüler zu vergleichen. Dort wurde ein Schü-lerjahrgang von der 5. bis zur 13. Klasse begleitet und ins-gesamt wurden mehrere tausend Schülerinnen und Schüler in allen Schularten und -stufen untersucht, so dass man verlässliche Vergleichsdaten hat.

Was wurde getestet? Wir hatten die Möglichkeit, aus dem umfangreichen Testinstrumentarium der Hamburger LAU-Untersuchung (LAU bedeutet Lernausgangslagen-untersuchung) Aufgaben zusammenzustellen, die unserer

Meinung nach als Basiskompetenzen im Deutschen in der Klassenstufe 11 erreicht sein sollten: Aufgaben zum Leseverständnis, ein Test zum Korrekturlesen (Rechtschrei-bung), Fragen zum Vorgehen bei der Texterschließung und schließlich eigene Textproduktion (zwei Briefe). Die Ergebnisse wurden von Mitarbeitern des Hamburger Insti-tuts nach bestimmten expliziten Kriterien ausgewertet und eingestuft.

Bezüglich der Transparenz des Unternehmens konn-ten wir gegenüber anderen großen Tests wie PISA eine Neuerung einführen: Die Kollegiatinnen und Kollegiaten erhielten auf Wunsch (über ein Codewort, das nur sie kennen) eine anonymisierte Rückmeldung. Den Kolle-giatinnen und Kollegiaten wurde mitgeteilt und anhand von Graphiken anschaulich gemacht, wie sie im Vergleich zu ihrem Jahrgang abgeschnitten haben. An die schrift-lichen Rückmeldungen konnten sie ein Beratungsgespräch anschließen. Unterstützt durch einige Lehrende aus den Basiskursen verbrachte die zuständige Projektgruppe in wechselnder Besetzung zwei Tage auf der Schulstraße, um rund 300 Rückmeldungen zu geben. Dreiviertel aller Kolle-giatinnen und Kollegiaten haben sich ihre Rückmeldungs-mappen abgeholt und viele haben ein Gespräch ange-

schlossen. Die Resonanz war durchweg positiv und manche konnten für das bevorstehende Abitur (Jahrgang 2004) oder ihre weitere Laufbahn am Ober-stufen-Kolleg (Jahrgang 2006) Hinwei-se über Stärken oder über Förderbe-darf erhalten.

Und wie stehen wir nun da im Vergleich mit den Hamburger Schü-lerinnen und Schüler? Gar nicht so schlecht, zumindest was die Lesekom-petenz angeht: Hier erreichten beide Jahrgänge recht gute Werte. Bei der Textproduktion, für die wie für das Lesen rund eine Stunde zur Verfügung stand – es ging um das Schreiben eines Beschwerdebriefes und eines Antwort-briefes –, sahen die Ergebnisse weni-ger gut aus: Bei Form und Inhalt der Briefe und beim Wechsel der Perspekti-

Gabriele Glässing, Ida Hackenbroch-Krafft

Nicht PISA, aber LAU – Sprachkompetenzen im Vergleich

ve von einem zum andern Brief gab es Schwierigkeiten. Schreiben, insbe-sondere der argu-mentative Aufbau eines Textes und die angemessene Berücksichtigung der Perspektive, das sind offenbar Dinge, die in den Basiskursen geübt werden sollten.

Der LAU-Test wurde mit dem Jahrgang 2006 noch ein zweites Mal (im Frühjahr 2007) in der Klassenstufe 11 durchgeführt, um den Lerneffekt der Basiskurse zu erfas-sen. Und er wird in der Klassenstufe 12 und 13 nochmals eingesetzt werden, um zu sehen, ob sich in diesen Jahr-gangsstufen – über den Unterricht in den Studienfächern und in fächerübergreifenden Grundkursen, d.h. ohne expliziten Deutschunterricht – die sprachlichen Kom-petenzen verbessern und weiterentwickeln. Da wir im Bereich Deutsch auch eine Eingangsdiagnose und eine Abschlussklausur durchfüh-ren, können wir die Ham-burger Einschätzungen auch mit unseren eigenen Bewer-tungen vergleichen.

Die Testbögen vom Früh-jahr 2007 sind nach Ham-burg verschickt; im Herbst werden wir erfahren, wie sich der Besuch des Basiskurses Deutsch auf die Ergebnisse auswirkt.

Bildlegende

oben:

Gabriele Glässing stellt Ergebnisse vor

unten:

Ida Hackenbroch-Krafft im Beratungsgespräch

linke Seite unten:

Untersuchungsergebnisse Textproduktion

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aber gleichzeitige Offenheit, wenn von meinem ehemaligen Interviewpartner erste Anzeichen eines »Hallo!« zu erken-nen sind. Schließlich möchte ich ihn in etwa zwei Jahren erneut befragen. Doch zu einem Gruß kommt es nicht, da »Julius« viel zu sehr mit seiner Pizza und dem Gespräch mit Gisela beschäftigt ist.

Später im Büro rufe ich mir nochmals die Situation, die ich in gewisser Weise als Dilemma erlebt habe, ins

Gedächtnis. Wie kann ich mir mein vorsichtiges Agieren erklären? Sofort fällt mir das Forschungsmodell am Ober-stufen-Kolleg ein: Ein Team aus Wissenschaftler/innen, das mit einem forschenden und unterrichtenden Kollegium und einer heterogenen Schülerschaft unter einem Dach arbeitet und gleichzeitig an die Universität angebunden ist. Die Einzigartigkeit dieser Konstruktion wird mir umso deutlicher, wenn ich an die Organisation »herkömmlicher« universitärer Forschung denke: Diese zeichnet sich durch ein sehr viel höheres Maß an Distanz zu ihren »Forschungs-objekten« aus, sucht den Kontakt zum »Feld« lediglich zum Zwecke der Datenerhebung. Nachdem diese abgeschlossen ist, ziehen sich die Forscher/innen zurück und dokumen-tieren »den Weg ins Feld« mitsamt seinen Widrigkeiten, was sich mitunter wie ein heldenhafter Abenteuerroman liest. Ein zu langwieriger und zu intensiver Kontakt zum Feld und den »Praxisakteuren« wird für den Erkenntnisprozess eher als Hemmnis denn als Bereicherung betrachtet. Nur selten kommt es danach zu weiteren Kontakten zwischen Forschenden und Beforschten – bestenfalls bei der Rück-meldung von Untersuchungsergebnissen. Im Gegensatz dazu verbleiben die Forschenden am Oberstufen-Kolleg in ihrem Feld und ziehen sich (bewusst) nicht aus ihm zurück: Ihre »Forschungsobjekte« sind eben auch »Forschungssub-jekte«, sie sind zwar auch »Datenlieferant/innen«, können einem jedoch gleichzeitig auch als potenzielle Kooperati-onspartner/innen und Kommunikationspartner/innen in vielfältigen Alltagszusammenhängen gegenübertreten.

Ich erkläre mir das beschriebene »Cafeteria-Phänomen« durch das einzigartige und durchaus komplexe Verhältnis von Nähe und Distanz in Forschungs- und Alltagssituati-onen am Oberstufen-Kolleg: So verlangen beispielsweise Datenerhebung und Datenauswertung ein gewisses Maß reflexiver Distanzierungsleistung, während Alltag und Schul-kultur dem eher entgegenwirken. Vertrauensvoll wende ich mich mit meiner »Arbeitshypothese« an eine Kollegin. Sie bestätigt meine Wahrnehmung: Auch sie habe mit solchen Situationen ihre ambivalenten Erfahrungen und sei, wenn sie z.B. ehemaligen Interviewpartner/innen auf dem Flur begegne, häufig unsicher in Bezug auf die »adäquate Reak-tion«. Als besonders heikel empfinde sie Begegnungen mit Personen aus »schwierigen« Interviews.

Mir wird ein weiteres Mal klar: Das Oberstufen-Kolleg ist ein Unikum, ein Mikrokosmos, der an alle Beteiligten besondere Anforderungen stellt. Für diejenigen Personen,

die im Oberstufen-Kolleg forschen, stellt sich besonders die Aufgabe, das Spannungsfeld zwischen forschungsbezogener und ggf. künstlich erscheinender Distanz (standardisierte Forschungssituation/Forschungswelt) und schulklimatisch geprägter kommunikativer Nähe (hochgradig individuali-sierte Alltagssituation/Alltagswelt) immer wieder aufs Neue auszutarieren. Der authentische und reflexive Umgang mit diesen jeweiligen situationsspezifischen Rahmungen stellt für die Forschenden und die beforschten Kollegiat/innen gleichermaßen eine Herausforderung dar. Auch Kollegiat/innen fällt es folglich schwer, sich aus dem Forschungsfeld zurückziehen; auch sie können »ihren« (Er-) Forschern täglich begegnen und müssen sich in irgendeiner Form zu ihnen verhalten.

Die prinzipielle Unauflösbarkeit des beschriebenen Dilemmas im Blick behaltend werde ich auch künftig den individuellen Eigenarten und Stilen der Kollegiat/innen in der Forschungssituation mit Neugierde, Offenheit und Authentizität bei gleichzeitiger rollenbedingter Distanz begegnen. Ob sich durch meine Alltagsreflexionen mein mittägliches »Grußverhalten« ändern wird, kann ich jedoch noch nicht absehen…

Forschung und EntwicklungForschung und Entwicklung

Forschung mit und über Kollegiat/innen. Ein subjektiver Blick auf das Verhältnis von »Forschenden« und »Beforschten«

Ich bin seit dreieinhalb Jahren als Wissenschaftlicher Mitarbeiter in verschiedenen Forschungs- und Entwick-

lungsprojekten des Oberstufen-Kollegs tätig. Während die-ser Zeit habe ich vielfältige Beziehungen zu meinen Kolleg/innen im Team Wissenschaftliche Leitung, den Lehrenden in ihrer Doppelrolle als »Lehrer-Forscher/innen« und natür-lich auch zu den Kollegiat/innen aufgebaut.

Aus der Perspektive der Wissenschaftlichen Mitarbei-ter/innen aus dem Team WL sind die Kollegiat/innen von besonderer Bedeutung, sie werden – im Sinne unserer Arbeit – weniger als »Forschungsobjekte«, sondern vielmehr als »Forschungssubjekte« betrachtet. Das heißt, wir versuchen ihnen nicht nur Rückmeldung über die sie betreffenden Forschungsergebnisse zu geben, sondern sie auch aktiv in unsere Forschungspraxis einzubeziehen, indem wir uns z.B. bemühen, ihre Wünsche und Interessen (z.B. Verbesse-rung des Unterrichts) bei der Formulierung und Entwick-lung unserer Forschungsfragen zu berücksichtigen. Dieser Anspruch schafft ein interessantes, aber auch komplexes Beziehungssystem, aus dem alltagspraktische Widersprüche resultieren können, die ich im Folgenden exemplarisch beschreiben möchte.

Eine wichtige Etappe des Projekts »Heterogenität in der gymnasialen Oberstufe: Individuelle Förderung auf dem Weg zur Oberstufe« ist geschafft: Die Interviews mit den Kollegi-at/innen sind transkribiert und im Ordner abgeheftet. Nun kann der spannende Auswertungsprozess beginnen. Diesem Schritt war die Stichprobenbildung vorausgegangen, bei der anhand der Kriterien »Geschlecht«, »zuletzt besuchte Schul-form«, »Qualifikationsvermerk«, »Migrationshintergrund« und »Bildungshintergrund der Eltern« 30 Kollegiat/innen des Jahrgangs 2004 als Interviewpartner/innen ausgewählt wurden. Nun blicke ich auf die Interviews im Ordner auf meinem Schreibtisch: So unterschiedlich wie die Bildungs-biographien sind auch die Pseudonyme, die sich die Kolle-giat/innen gegeben haben: Von »Blume« und »Spezi« über »Asrin« bis hin zu »BamBam« ist alles vertreten. Ich gehe die Liste der Transkripte durch und bleibe bei »Julius«1 hängen: »Julius« hat keinen »Migrationshintergrund«, wohl aber einen »Qualifikationsvermerk« und kam von der Gesamt-

schule ans Oberstufen-Kolleg. Sein Vater hat Abitur, seine Mutter die Mittlere Reife. Es war ein interessantes Interview gewesen – der engagiert und selbstbewusst wirkende junge Mann hatte mir ausführlich über seine Erwartungen an die Ausbildung am Oberstufen-Kolleg (»gute Vorbereitung auf das Studium«, »ein besserer persönlicher Umgang [mit den Lehrenden]«), seine beruflichen Pläne (»in die Forschung«) und über für ihn förderliche Lernbedingungen (»ein gutes Klima in den Kursen (...), kompetente Lehrende«) berichtet. Außerdem hatte er mir von seinem familiären Umfeld, das Ausmaß der Unterstützung durch seine Eltern und von seiner Freizeitgestaltung erzählt. Mit unseren Forschungs-fragen und Hypothesen im Hinterkopf mache ich mich nun an eine erste detaillierte Sichtung des Datenmaterials.

Wie es Zufall und Schulalltag wollen, begegne ich »Julius«, unserem »Fall Nr. 4«, am selben Tag beim Mit-tagessen in der Cafeteria des Oberstufen-Kollegs: Sofort schießen mir Assoziationen durch den Kopf: »Ah, da ist ‚Julius’ – wie heißt er noch mal im wahren Leben? Ach egal, spielt ja keine Rolle« und »Immer wieder interessant, welch vielfältige Jugendszenen es am Oberstufen-Kolleg gibt«. Aber auch selbstkritisch gefärbte Erinnerungen an die Interviewsituation drängen sich auf: »Das Interview ist zwar gut verlaufen, aber es gab da ja eine oder zwei knifflige Situationen, in denen ich vielleicht ein wenig zu penetrant nachgefragt habe …«. Als wir uns im Gedränge beinahe gegenseitig die Pizza vom Teller stoßen, frage ich mich dann: »Wie reagieren?« Einerseits steht mir der Sinn danach, authentisch zu sein und ihn mit einem freund-lichen »Hallo!« zu grüßen. Andererseits befürchte ich, ihm gerade durch diese Reaktion zu nahe zu treten und die in der Interviewsituation zugesicherte Anonymität teilweise aufzuheben, d.h. eine Situation zu schaffen, die dem Kollegiaten unangenehm sein könnte. Ich möchte verhindern, dass ein unverfängliches »Hallo!« von meiner Seite sagen könnte: »Ich erinnere mich an dich und weiß jetzt einiges über dein Leben!«. Gleichzeitig frage ich mich, was »Julius« wohl so denkt: »Ist das nicht einer aus diesem wissenschaftlichen Team im Flur bei Rosi?« »Ach ja, das ist doch der Typ, der mich vorletzte Woche wegen eines Inter-viewtermins genervt hat« etc. Für eine Zehntelsekunde in diesen Gedanken gefangen, entscheide ich mich dann für die eher distanzierte und unaufdringliche Art: Diskretion,

Sebastian Boller

Alltagswelten – Forschungswelten

1 Pseudonym wurde geändert.

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Titel des Projekts Produkt

Empirische Untersuchung im Ökosystem Wald Poster u. Dia-Show

Theater: Alice in Bielefeld Inszenierung (multimedial)

Schulklima und Mobbing an Schulen

»Ist diese Schule wirklich anders?« Ausstellung u. Film

Auf den Spuren meiner Familie Familienbäume

Traumhaus – Traumlandschaft Bilderausstellung, Musik+Kulinarisches

Ökologischer Stadtführer Ausstellung, Broschüre

Jugend und Strafe in Bielefeld »Jugendgerichtszeitung«

Sequenzing Music for Europe Europahymne; Choreographie »Africa, America, Euro-

pe in dance«

NPD – Regional in Sachsen und OWL Ausstellung, Filmsequenzen

Vom Nikolaushaus zum Baum des Pythagoras Präsentationen, Poster, »Spiel«-Umgebungen

»Die 8 Frauen« (Schauspiel) Szenische Ausschnitte

Bewerber Video fürs OS Werkshow: Clips fürs Bewerbervideo

Schreibwerkstatt: Schulgeschichten Textsammlung, Lesung

Estländische Kultur und Politik Dokumentation (Life-Bericht aus Estland)

Zukunftsperspektiven in Europa:

Die Rolle Deutschlands und Polens Dia-Show, Projekttagebücher

HIV-Aids: »Betrifft mich doch nicht ...« Film, Visitenkarten, T-Shirts etc.

Backgammon: Spielen – Rechnen – Besser spielen Show-Match, Ausstellung

Exkursion Skisport Video-Photodokum., Info-Stand

Kunst und Philosophie; Phil. Lesekreis Ausstellung

Abenteuerspielplatz: »Ein Fort bauen ...« Ausstellung (Produkt vor Ort in Schildesche)

Künstlerisches Arbeiten in Holz

und Metall zum Thema Natur Ausstellung

Aufnahmegespräche für Jg. 2007 Dokumentation zu Bewerbern

Türkische Küche und Kultur Rezeptheft/Kulinarisches

Vorbereitung für Arbeitseinsatz

in Daular (Kleintiergehege) Ausstellung: Fledermauskästen, Kleintier-gehege

Europa – Vergangenheit und Zukunft Ausstellung, Film

Projekte im Studienjahr 2006/2007Programm des Produkttages

Drinnen und Draußen

Inszenierung (multimedial)

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Drinnen und Draußen Drinnen und Draußen

Wir sehen darin die Geschichte von Buddhas Erleuchtung skizziert sowie ein Modell der Sonnensysteme.

Momente der Ernsthaftigkeit und Nachdenklichkeit werden hier abgelöst von Entspannung und bloßem Dasein, in denen der Abt mitten in der Darstellung einer Theorie über Dämonen und Hungergeister laut loslacht oder einfach schweigt und sich selbst grinsend dabei zusieht, wie er mit den Zehen wackelt.

»Zusammenfassung: Möge ich glücklich sein, mögen alle Lebe-wesen glücklich sein. Ich sende Glück in alle Richtungen um mich herum ohne Grenze ...« Die Freigiebigkeit einer solchen inneren Haltung äußert sich auch darin, dass wir vom Oberstufen-Kolleg eingeladen werden, an der sonntäglichen Versammlung der buddhi-stischen Gemeinde und der Essensspende teilzunehmen Die Mönche essen nur einmal täglich; am Sonntag wird diese Essenspende besonders feierlich zelebriert. Am frühen Mittag füllt sich die Halle mit vorwiegend thailändischen Frauen in bunten Gewändern, deutschen Männern und den exotischen Gerüchen der mit viel Aufwand und Hingabe gekochten Thai-Speisen. Die Bewohner des Ortes tragen ein reichhaltiges Buffet zusammen, von dem sie im Rahmen eines Rituals zuerst den Mönchen anbieten und dann selbst nehmen. Die Speisen werden als besonders köstlich und nährend empfunden, wenn sie zuvor durch die Hände der Mönche gereicht wurden.

»... Glück nach hinten links, ist Glück nach hinten links, nach oben, ist Glück nach oben, nach unten, ist Glück nach unten, wo ich sitze. Das stelle ich mir wie eine Lampe vor. Die Aus-strahlung erfolgt aber ohne hellen Schein, dafür wird Glück ausgestrahlt ...«

In Thailand finden derartige Zusammenkünfte zumeist vor wichtigen Ereignissen statt, wie zum Beginn der Regenzeit. In Langenselbold wird so jeder Sonntag in einem sonst entbehrungsreichen Leben zu einem kleinen Fest, an dem die Begegnung, das Teilen und die Freude am Sein im Vordergrund steht. Das ferne Thailand erscheint plötzlich ganz nah.

Für die BesucherInnen des Klosters endet die Reise hier. Mit einem lebendigen Eindruck vom Leben der Mönche und beeindruckt von ihrer großen Hingabe und Opferbereit-schaft zugunsten der Erforschung von Leben und Univer-sum, begeben wir uns auf den Heimweg. Ein Gefühl innerer Ruhe und neue Ideen über Miteinander und den Sinn des Lebens nehmen wir als Geschenk mit.

»Wenn wir noch weitermachen, kann es sein, dass das Gefühl nicht mehr so klar ist, weil andere Gedanken entstehen und uns ablenken. Dann fangen wir wieder von vorne an: Möge ich glücklich sein, mögen alle Lebewesen glücklich sein ...«

»Wir setzen uns bequem auf den Boden oder auf den Stuhl. Unsere Hände ruhen im Schoß, die rechte Hand ruht in der Linken und unsere Augen sind geschlossen ...«

Phra Ajahn Tiva Abhakaro wackelt noch einmal mit den barfüßigen Zehen, richtet sich kerzengerade auf und

versenkt sich dann in die Metta-Meditation, die den Geist zur Ruhe und die Seele wieder in Einklang und Verbunden-heit mit der Natur bringen soll. Der 72jährige Abt ist in Thailand geboren und seit fast fünfzig Jahren buddhi-stischer Mönch. Vor ihm sitzt ein Dutzend Kollegia-tInnen in der zum Tempel umgebauten Lagerhalle in Langenselbold bei Frank-furt still auf dem Boden, um Glück und liebevolle Güte an alle Lebewesen im Universum zu verteilen.

»Das fängt im Brahmahim-mel an, das ist der Himmel über dem Himmel ...«

Der Studienfachkurs Psychologie hatte eine Reihe von buddhistischen Klostern angeschrieben und war einge-laden worden, Anfang April 2006 ein Wochenende im Wat Puttabenjapon zu verbringen. Das 1991 gegrün-dete Kloster gehört zur Waldtradition des Theravada-Buddhismus. Obwohl die Mönche und ihre Tradition in ihrer Heimat hoch geschätzt und verehrt werden und es ihnen an nichts fehlt, ist das Leben im Kloster geprägt von Einschränkungen in allen Bereichen. Die Mönche wohnen in kleinen Baucontainern hinter dem Versammlungsraum. Gemäß ihrer Selbstverpflichtung leben sie ausschließlich von Spenden. Ihr Dasein ist vollkommen dem Erforschen und Praktizieren der buddhistischen Tradition verschrie-ben. Trotzdem wirkt der Ort nicht karg. Obwohl es erst Anfang April ist, ist der kleine Garten des Klosters erfüllt von buntem Blütenzauber. Ob das vielleicht an der beson-

deren und kraftvollen Energie der Atmosphäre liegt, bleibt für die BesucherInnen ungeklärt.

Die 14 KollegiatInnen des Psychologiekurses und einige andere Interessierte werden in nur mit dem Notwendigsten ausgestatteten Gästehäusern beherbergt und erscheinen nach der ersten Nacht mit Rückenschmerzen zur Morgen-rezitation und anschließenden Meditation.

»Glück von meinem Gesicht aus nach vorne, Glück von meinem Rücken aus nach hinten, nach rechts, ist Glück nach rechts, nach links, ist Glück nach links, nach vorne rechts, ist Glück nach vorne rechts, nach vorne links, ist Glück nach vorne links, nach hin-ten rechts, ist Glück nach hinten rechts, nach hinten links ...«

Neben der Unterweisung in verschiedene Medita-tionstechniken im Sitzen

und Gehen hält der Abt auch Vorträge über die buddhi-stische Lehre und antwortet auf persönliche Fragen. Er spricht in seiner Muttersprache, eine thailändische Frau übersetzt ihrem deutschen Mann leise ins Englische, dieser übersetzt laut ins Deutsche. Vielleicht liegt es an diesem kurvenreichen Übersetzungsweg, dass die Antworten knapp, unumstößlich und zum Teil etwas formelhaft ausfallen. Oder entsprechen die einfachen Aussagen aber auch dem Grundsatz, elementare Einsichten über das Wesentliche eben schnörkellos in den Raum zu stellen?

Der Abt betreibt neben seiner Aufgabe als Botschafter der buddhistischen Lehre auch Forschungen über die Zusam-menhänge von Natur, Leben und Spiritualität. Er verfügt über eine Vielzahl handschriftlicher Studien, sogar einen dokumentarischen Lehrfilm hat er produziert, um seine sowohl spirituellen als auch wissenschaftlichen Erkenntnisse auch Menschen der westlichen Welt zugänglich zu machen:

Kathrin Helsper, Hans Hermsen, Claudia Schuler

»Das stelle ich mir wie eine Lampe vor« – ein Wochenende im Wat Puttabenjapon

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Drinnen und Draußen Drinnen und Draußen

Thulisile Msomi und Simo Mdlalose, eine Schülerin und ein Schüler aus Südafrika – von Inanda Seminary

(Durban) und Mbambangalo School (Pietermaritzburg) – verbrachten im Januar/Februar 2007 vier Wochen am Oberstufen-Kolleg. Sie nahmen am Alltag der Kollegia-tinnen und am Unterricht des OS teil: an den Projekten zu AIDS und Backgammon, an Deutschbasiskursen, an ver-schiedenen Studienfach- und Grundkursen, z.B. am Kurs Afrika: Literatur und Geschichte. Die großzügige Gast-freund-schaft der drei Gastfamilien der Kolle-giatinnen Kirsten Schulze, Johannes Peter und Katrin Kelle hat diesen Besuch möglich gemacht. Dazu kamen noch viele Spenden aus dem Kollegium für die Finanzierung der Fahrtkosten vor Ort, von Mittagessen und Eintritten. Die Flugkosten hatte der hessische Landtag auf Initiative von Frau Gerlind Lyttle (Durban/South Africa) gesponsert. Die beiden wer-den Ende des Jahres ihre Matric (Abitur) ablegen, unter

anderem – und das ist eine Besonderheit an ihren Schulen – auch in Deutsch.

»Mein Fortschritt in Deutsch ist jetzt bes-ser, ein bisschen. Ich habe gelernt sehr gut am Oberstufen-Kol-leg und habe jetzt viel Vokabular«, schreibt Simo. Aber nicht nur das hat ihm gefallen, es gab noch ganz andere Höhepunkte auf der Bielefelder Alm:

»One of my hight-lights in Germany has been to watch Sibusiso Zuma playing for the first time. And he gave me his T-shirt. For me

that T-shirt is a souvenir, something to remind me where I was. I also got the chance to experience snow – something I have never seen before!« begeistert er sich in einem Brief an die südafrikanische Botschaft.

Am Ende ihres Aufenthalts erzählt Thuli von ihren Beob-achtungen: »What surprised me is how fast people are in Germany. I don’t know if it’s the weather that makes them hurry, but it’s good. Also how the trains operated. The other surprising thing is that people I have met are so interested in South Africa and its history«. Und sie schließt: »I loved my stay in Germany, the beautiful land, the city and the people, from students to teachers and the families. And don’t worry, I will come back after a few years with better German!«

Dieser Besuch der beiden südafrikanischen Jugendlichen hat den Faden des interkulturellen Austausches weiterge-sponnen, denn bei den OS-Exkursionen nach Südafrika 1998 und 2002, die ich mit Uwe Horst und Gruppen von Kollegia-tInnen durchführte, besuchten wir damals die beiden Schu-len Inanda und Mbambangalo und führten dort Projekte durch. Und jetzt überlegen zwei Kollegiatinnen im Herbst eine Zeit an der Internatsschule Inanda Semi-nary zu ver-bringen.

Gisela Feurle

»It was a good experience to learn about the German life«

Mut und einen langen Atem brauchten die Organisato-rInnen des Projektes Europa – Heimat und Fremde

am Oberstufen-Kolleg und der Laborschule. Dieses Pro-jekt brachte Europainteressierte Jugendliche von Schulen aus Estland, Lettland, Litauen, Albanien, Schweden und Deutschland in Bielefeld für fünf Tage zusammen. Gemein-sam wurde die kulturelle Einheit Europas geprobt. Jede Gruppe bereitete im Vorfeld verschiedene Einzelbeiträge vor. Darunter waren selbstgeschriebene Musikstücke, kurze Theaterszenen, Volkstänze und vieles mehr. Das Theater-labor Bielefeld brachte die Einzelbeiträge zusammen und formte daraus eine abendfüllende Gesamtdarbietung – die Kulturcollage meeting points. Eine atemberaubende Veran-staltung, die sich mit Sicherheit nachhaltig in die Gemüter der TeilnehmerInnen, OrganisatorenInnen und Besuche-rInnen einprägte.

Natürlich muss man nicht nur mutig, sondern auch neugierig sein – besonders zu Anfang. Eine Gruppe von KollegiatInnen des Oberstufen-Kollegs wollte die am Kolleg vertretenen Kulturen sichtbar machen. Man wollte wissen, wie viele und vor allem welche Nationen am Oberstufen-Kolleg vertreten sind. Es stellte sich heraus, dass allein am Kolleg über dreißig Nation versammelt sind. Es wurde deut-lich, dass die Dimension der europäischen Einigung – vor allem seit der Erweiterung auf 25 Mitgliedsländer – über das Vorstellungsvermögen vieler SchülerInnen hinaus geht. Ermutigt haben uns die Worte des luxemburgischen Premi-ers Jean-Claude Juncker »Wer über Europa redet, wer die Jugend im Kopf hat, wer die Jugend im Herzen trägt, wer an Zukunft interessiert ist, der muss beides zusammen sehen«. Also entschloss sich eine Gruppe von Lehrenden und Kol-

legiatInnen, Jugend und Europa in einem länger-fristigen Projekt »zusam-men zu denken«.

Anfängliche Probleme

Zur Verwirklichung dieses erfolgreichen Pro-jektes blieben aus einer anfänglich großen Grup-pe nur eine Handvoll SchülerInnen des Kollegs

übrig, die gemeinsam mit der Ex-Kollegiatin Annika Siebert und der Initiatorin des Projektes Christine Rhode-Jüchtern das Unmögliche möglich machten.

Verantwortungsbewusste KollegiatenInnen:

»Ich habe mich sehr intensiv mit dem Projekt beschäftigt. Eingestiegen bin ich in der ersten zweiwöchigen Projektphase, in der es hauptsächlich darum ging, die Idee des Projektes aus-zuarbeiten und zu prüfen, ob es reelle Chancen gibt, diese Idee auch zu realisieren ... In dieser Phase habe ich mich mit einem Mitkollegiat auf die Suche nach möglichen Sponsoren begeben. Ich war hochmotiviert, meine Aufgabe zu erfüllen. Erst einmal bedeutete dies, eine Auswahl von Behörden, Unternehmen und Persönlichkeiten zu treffen, von denen wir glaubten, sie könnten uns finanziell unterstützen. (...) Wir erlebten eine Niederlage, die nicht gerade motivierend war. Doch wir gaben nicht auf und machten weiter. Ich absolvierte ein Telefontrai-ning und versuchte es aufs Neue ...«

Joke

»Ich habe vom Projekt einiges mitgenommen: erstens wie gut die Zusammenarbeit mit anderen ist, die dasselbe Ziel verfol-gen. Ich habe gelernt, dass man über sich selbst hinaus wach-sen kann und alles erreichen kann, wenn man nur will.«

Mario

»Ich habe in dieser Zeit eine ganze Menge über Europa und das Leiten Von einem Projekt gelernt, aber am meisten habe ich über mich selbst gelernt: dass ich mich nicht über irgend-welche Papiere, auf denen Noten stehen, zu definieren brau-che. (…) Wir alle (Schüler, Schauspieler, Lehrende, Förderer) sind dieses Projekt. Nur zusammen konnte es so werden wie es war. Und. trotz all dem Schweiß, der Anstrengung und auch oft Tränen und Verzweiflung ist diese Erfahrung eine, die ich in meinem Leben auf keinen Fall missen möchte.«

Jasmina

Zwei Projekte als Grundstein

In zwei Projektkursen am Oberstufen-Kolleg von jeweils vierzehntägiger Dauer wurden die Kulturtage vorbereitet. Das erste Projekt diente zur Grundsteinlegung. Vier Kleingruppen arbeiteten auf vier projektinternen Baustellen. Es wurde ein Film gedreht, indem KollegiatInnen über ihre persönlichen

Das Kulturfestival EuropaHeimat und Fremde – Junge Europäer gestalten ihr Europa

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Bildlegende

links:

Thulisile Msomi, Simo Mdlalose

und Uwe Horst

oben:

Unsere Gäste in der OS-Cafeteria

Projektgruppe Europa mit der Leiterin Chrtistine

Rhode-Jüchtern (erste Reihe, dritte von rechts)

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Erfahrungen mit dem Kontrast Heimat und Fremde Stellung bezogen. Dieser Film wurde im Wettbewerb »Demokra-tie leben« des NRW-Ministeriums für Integration und der Landeszentrale für politische Bildung ausgezeichnet.

Eine weitere Gruppe setzte sich mit der Darstellung des Projektes durch die neuen Medien auseinander. Es

wurde eine Website erstellt, die im weiteren Verlauf auch zur Kommunikation zwi-schen den Projektteilneh-mern diente.

Unter professioneller Anleitung war eine wei-tere Gruppe damit beauf-tragt finanzielle Mittel zu akquirieren. Es wurden regionale und überregi-onale Stiftungen ange-schrieben. Als Sponsoren gewonnen werden konnte

die DFB-Stiftung und die Allianz-Kulturstiftung. Um das Projekt in der Schulöffentlichkeit publik zu

machen und weitere finanzielle Mittel zu gewinnen, wurde ein »Dinner für Europa«, ein gemeinsames Essen an einer geschmückten Tafel im Kolleg, von einer weiteren Gruppe organisiert.

Beginn des Jahres 2006 standen unsere Partnerschulen fest:

Estland: Schule Theatrum, TallinnLettland: Gymnasium KraslavaLitauen: Verdene-Schule,VisaginasAlbanien: Schule Aleksander Moisice, KavajeDeutschland: Lobdeburgschule, Jena, Werner-Stephan-Oberschule, Berlin

Im zweiten Projekt im Juni 2006 wurde sowohl der kultu-relle Beitrag des Oberstufen-Kollegs vorbereitet als auch

ein Bühnenbild dafür erarbeitet. Petra Rühl, eine erfahrende Tanzpädagogin, entwickelte gemeinsam mit den Kollegia-tInnen eine Choreografie für einen Tanz, der kontrastreiche Aspekte der Projektidee zu Europa – Heimat und Fremde aufgriff. So konnte sowohl die Starrheit als auch die Flexibi-lität des politischen und kulturellen Europas dargestellt und mit tänzerischen, musischen und dramatischen Elementen in Szene gesetzt werden.

Jürgen Heckmanns, freischaffender Künstler aus Her-ford, setzte seine Kreativität ein, um die Grundlage für ein Bühnenbild zu entwickeln, welches von KollegiatInnen umgesetzt worden ist. Es zeigt das geografische Europa. Jedes Land wird durch eine jeweils andere Farbe koloriert gezeigt und dadurch voneinander unterschieden. Das europäisches Zusammenwachsen gleichsam stabilisierend, jedoch auch fragil wird durch feingewebte Leitern dargestellt, welche die einzelnen Länder »europaweit« miteinander verbinden.

Die Kulturtage

Die Kulturtage erstreckten sich über fünf Tage im Herbst 2006 (20.–25. September). Obwohl tagsüber mit allen 120 Gastschülerinnen und -schülern daran gearbeitet wurde, die alle Beiträge verbindende Kulturcollage »mee-ting points« vorzubereiten, haben die OrganisatorInnen viel Wert auf Freiräume zum geselligen Zusammensein gelegt. So war bereits der erste Abend ein gemeinsames Erlebnis: Nachdem die ausländischen Gäste angekom-men waren, wurden die Turnhallen von Laborschule und Oberstufen-Kolleg als Nachtquartier für die nächsten vier Nächte bezogen. Dann kamen alle in der Mensa der Labor-schule zusammen, um miteinander zu essen. An Tischen sitzend konnte man Musik lauschen, sich unterhalten und auf erste Tuchfühlung mit den anderen TeilnehmerInnen gehen.

Begonnen wurde der zweite Tag nach einem Frühstück mit der Vorstellung der Einzelbeiträge. Jede Gruppe konnte nun das erste Mal zeigen, was sie monatelang vorbereitet hatten. In dieser aufgeladenen Situation stellten die jungen Akteure nicht nur ein enormes Maß an Professionalität unter Beweis, sondern führten auch den OrganisatorInnen vor Augen, dass alle Mühen im Vorfeld nicht umsonst waren. Die ersten Freudentränen flossen.

Nach der Vorstellung begann die Verbindung der Einzel-beiträge zu einem gemeinsamen Ganzen durch die kreativen Köpfe des Theaterlabors Bielefeld, welche die nächsten Tage bestimmte. Die Schwierigkeit, die Individualität und die Besonderheiten jedes einzelnen Beitrages in der Zusam-menführung aller Beiträge nicht zu verlieren, sondern vielmehr die Besonderheiten durch die Zusammenführung hervorzuheben, war das Ziel. Die Kommunikation verlief sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch. Die Zusammen-arbeit zwischen Teilnehmenden und dem Theaterlabor war professioneller Art, alle zogen an einem Strang und probten die kulturelle Einigung Europas.

Die arbeitsreichen Tage wurden immer gemeinsam zu einem Ende gebracht. Jeden Abend kam man zusammen, um gemeinsam zu speisen und sich kennen zu lernen. So wurde am zweiten Abend gemeinsam unter freiem Him-mel in angenehmer Lage am Bauernhausmuseum Biele-feld gegessen. Nach einer kleinen Wanderung durch den anliegenden Wald wurde leckeres Gegrilltes verspeist und die ersten Gespräche über die Ländergrenzen hinweg ent-standen. Am dritten Tag wurde ein Diskoabend im »Falken-dom« Bielefeld von der Laborschule veranstaltet, bei dem ausgiebig getanzt wurde. Vereinzelte gemischte Gruppen erkundeten daraufhin das Bielefelder Nachtleben. Andere holten sich ihren verdienten Schlaf.

»Meeting points« – eine Kulturcollage

Der Samstag war von besonderer Bedeutung. Über den Tag probten die jungen Akteure abermals akribisch den genauen Ablauf des Abendprogramms. Die Spannung

wurde über den Tag hin immer größer. Der Abend wurde von Mechthild Rothe, Mitglied des Europäischen Parla-mentes und Schirmherrin des Projektes, eröffnet. Sowohl das Kulturamt Bielefeld als auch das Oberstufen-Kolleg und die Laborschule hielten kurze Grußworte.

Die Gäste wurden auf den kulturellen Teil des Abends mit einer Klang-Geräusch-Musik-Rauminstallation einge-

stimmt: Karl Godejohann und Uwe Niepel, künstlerische Lehrbeauftragte am Kolleg, hatten unter dem Titel »Babylon revisited« rhythmische Worte der jeweiligen Gastländer gesammelt, digital bearbeitet und in einen musikalischen Zusammenhang gebracht. Beide Musiker dirigierten dazu sechzig live gespielte Instrumente und weitere SängerInnen.

Durch diesen musischen Einstieg angeregt gingen die BesucherInnen zum Festmahl über. Sie wurden bei unter-

gehender Sonne an einer festlich geschmückten Tafel unter Platanen sitzend von KollegiatInnen bedient.

Gesättigt konnte man im Anschluss den Höhepunkt des Abends genießen. Die Kulturcollage »meeting points«, in nur drei Tagen vom Theaterlabor Bielefeld inszeniert und mit Massentänzen, Tanz, Satire und Politik auf sechs verschiedenen Bühnen umgesetzt, wurde zum beeindru-ckenden Schlussakt der Tage.

Besonders anrührend war die Verlesung der Geschichten, welche die SchülerInnen im Vorfeld zum Thema »Ich war der Fremde ...!« verfasst hatten. Das sehr frei gestellte Thema ermöglichte den ZuschauerInnen einen ehrlichen Einblick in die persönliche Welt der Teilnehmenden. SchülerInnen der Werner-Stephan-Oberschule in Berlin, unter ihnen kein einziger deutscher Schüler, rührten mit ihrer Präsentation auf Deutsch manche Zuschauer zu Tränen.

»... und auf einmal hatte ich das Gefühl, dass alle Länder doch gar nicht so weit von hier sind (...)«

Meriem

»Ich erstellte das Programmheft. Besonders am Herzen lag mir die Darstellung aller Beteiligten des Projektes. So findet jeder namentlich Erwähnung. Die einzelnen Namen direkt neben-einander ohne Lücken symbolisieren für mich, dass ein solches Projekt von den Menschen lebt, die es für sich eine Zeitlang in den Mittelpunkt ihres Lebens gestellt haben. Ohne Hierarchie und Unterschiede haben sie den Kontrast »Europa – Heimat und Fremde« durch sich selbst zusammen mit ihren Freunden und anderen Menschen ausfüllen wollen – das haben sie geschafft.«

Martin

Erfolg mit Zukunft – Europa wird gemacht

Das Projekt »Europa – Heimat und Fremde« ist rück-blickend ein besonderer Erfolg, obwohl anfangs die Vor-zeichen schlecht, fast aussichtslos standen. So war bis zum Schluss die Finanzierung nicht gesichert, denn trotz guter Bewerbungen bei verschiedensten Stiftungen und privaten Trägern passte die Idee einer kulturellen Zusammenkunft

Drinnen und Draußen Drinnen und Draußen

Bildlegende

oben: „Babylon revisited“

– ein musikalisches Projekt

von Karl Godejohann und

Uwe Niepel

rechtes Bild: Auf der Bühne

Seite 52: Dinner für Europa

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europäischer SchülerInnen nirgendwo richtig ins Konzept. Dazu sprangen auch eigentlich schon für das Projekt gewon-nene Partnerschulen im Vorfeld ab, sodass nicht klar war, wer kommen und was das alles kosten würde.

Dennoch ließen sich die von der Idee begeisterten Orga-nisatorInnen nicht davon abbringen, die Kulturtage am Oberstufen-Kolleg Wirklichkeit werden zu lassen. Unnach-giebig hielt man an der Idee fest und gab ihr immer mehr Form und Farbe. Und die Hilfen durch die Fördervereine von Laborschule und Oberstufen-Kolleg wie der Leitung des OS kamen zur rechten Zeit.

Eine Gruppe von Kollegiaten entwickelte direkt am Sonntag, dem Tag der Abreise der Gastschüler, eine Idee für ein weiteres Projekt. Das Projekt und die Idee der kulturellen Einigung Europas durch die Menschen war und ist keine Eintagsfliege, denn nach dem Projekt ist vor dem Projekt.

Das Estland-Projekt

Durch den persönlichen Kontakt mit den estländischen Besuchern und durch das Bedürfnis, sich mit einem Land näher zu beschäftigen, wurde der Entschluss gefasst, im Januar 2007 nach Estland zu fahren und dort die estlän-dischen Jugendlichen und deren Familien zu besuchen.

In der Winterprojektzeit flogen dann acht KollegiatInnen nach Tallinn, Estlands Hauptstadt, um dort zwei spannende und abwechslungsreiche Wochen mit den EstInnen zu ver-bringen. Gemeinsam wurde die Stadt nach während der Revolution bedeutenden Orten durchforstet, der Alltag der estnischen SchülerInnen miterlebt, Liederabende veranstaltet und Interviews mit ZeitzeugInnen der Revolution auf Englisch, Deutsch oder Russisch geführt. Direkt im Anschluss wurde die Reise auf dem Projekttag mündlich auf der Bühne und bildlich durch viele authentische Fotografien dokumentiert.

»Mir war auf der Hinfahrt schon ein wenig mulmig zumute, was nicht nur vom Fliegen kam, ich kannte die Esten ja prak-tisch gar nicht, doch schon am Tallinner Flughafen erwies sich dieses als vollkommen unbegründet. Die estnischen Schülerinnen und Schüler waren wie wir zwar auch ein bisschen schüchtern, doch die anfängliche Distanz zwischen den Gruppen wurde ganz schnell zu einem freundschaftlichen Miteinander. Auch jetzt nach der Reise denke ich noch oft mit Freuden an die Zeit in Estland und an die Menschen, die ich dort kennen gelernt und die Erfahrungen, die ich dort gemacht habe, zurück.«

Jana

Projekt »Europa wird gemacht – Ein Internet-Dialog wird

zum Lesebuch«

Das Europa-Projekt wird in Jena im September 2007 fortgeführt. Das Thema lautet diesmal »Europa wird gemacht – Ein Kulturworkshop und Internet-Dialog wer-den zum Lesebuch«. Zu den bereits gewonnen Schulen kommt als neue Schule das Gymnasium Constanza, Rumä-nien hinzu. Zwischen den Workshops von 2006 und 2007 ist ein Internet-Dialog zwischen den beteiligten Schulen eingerichtet worden, in dem diese zu Themen des neuen Europa Stellung nehmen. Aus diesem Material wird ein Europa-Lesebuch mit dem Ziel, das Zusammenwachsen Europas aus der Sicht junger Menschen darzustellen, ent-stehen. Das Projekt wird durch den Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft gesponsert und ermöglicht, dass sich alle Schulen wiederum über fünf Tage zu einem Kulturfestival in Jena an der Lobdeburgschule und in der IMAGINATA versammeln können.

»Europa ist nicht tot. Es ist quicklebendig«

Martin

Noch als Kollegiat habe ich an der Vorbereitung und Erarbeitung der Ausstellung RechtsRock – Hass und

Rassismus auf ’s Ohr, die im Februar 2004 im Oberstufen-Kolleg eröffnet wurde, mitgearbeitet. Ich finde das Thema wichtig, also bin ich dabei geblieben, auch wenn ich jetzt Student an der Uni Bielefeld bin. Die Ausstellung wurde zu einer Wanderausstellung, die in den letzten drei Jahren sehr erfolgreich in vielen Schulen, Bibliotheken etc. gezeigt wor-den ist. Geholfen hat uns dabei eine Auszeichnung durch das »Bündnis für Demokratie und Toleranz«, die uns im Jahr 2004 3000 Euro zur Verfügung stellten; wir konnten so die Transporte, Unkosten etc. der Wanderausstellung bezahlen.

Mit einer Gruppe von Ex-Kollis habe ich während der vergangenen drei Jahre die Ausstellung betreut, Tafeln aktu-alisiert, mit Schulen Kontakt aufgenommen, Schäden beho-ben etc. Ein Engagement, das sich gelohnt hat. Wir haben mit der Ausstellung eine Vielzahl von Schulen, Schülern, Lehrern und Institutionen erreicht und freuen uns beson-ders, dass durch die Vermittlung der Landeszentrale für Politische Bildung Dresden das Interesse an der Ausstellung in den neuen Bundesländern sehr groß ist.

Immer wieder wird die Frage nach Unterrichtsmateri-alien gestellt. Deshalb haben wir ein Buch zur Ausstellung erstellt, das – schon vor der Drucklegung - mit einem Preis des Förderprogramms für Jugend und Schule »Demokra-tisch Handeln« ausgezeichnet worden ist.

Im Sommersemester 07 nahmen wir an dem ange-botenen Kurs »Geschichte des Rock« teil und arbeiteten mit den Kollegiaten an einer Erweiterung der Ausstellung. Die 17 neuen Tafeln werden am Ende dieses Semesters im OS vorgestellt. Ein selbstorga-nisiertes Projekt zum glei-chen Thema wird mit unserer Hilfe konkrete Arbeits- und Unter-richtsmaterialien für den Umgang mit rechtsextremi-stischer Gewalt an Schulen erstellen.

Holger Wiewel

Was tun gegen Rechts? Die kleine Geschichte der Ausstellung »RechtsRock – Hass und Rassismus auf’s Ohr«

Stationen der Ausstellung

»RechtsRock – Hass und Rassismus auf’s Ohr«

Stadtbibliothek Gütersloh (Sommer 04)

Westfalen-Kolleg Paderborn (Herbst 04)

Regierungspräsidium Detmold (Winter 04)

Kurt-Tucholsky-Gesamtschule, Minden (Frühjahr 05)

Gesamtschule Werther (Sommer 05)

Gesamtschule Borgholzhausen (Sommer 05)

Hauptschule Coerde, Münster (Herbst 05)

Sophie-Scholl Realschule, Herne (Winter 05)

Universität Bielefeld (Frühjahr 06)

Zellentrakt Herford (Sommer 06)

Landesinstitut für Lehrerfortbildung des Freistaats Sachsen,

Meißen (Herbst 06)

Landeszentrale für politische Bildung, Dresden (Februar 07)

Bernhard von Cotta-Gymnasium, Brand-Erbisdorf (März 07)

Nächste Stationen:

Stadt Leipzig, Fachstelle Extremismus und Gewaltpräven-

tion als Veranstalter (ab April 07):

• Ausstellung innerhalb des Musikfestivals

»Courage zeigen«

• Ausstellung innerhalb einer Podiumsdiskussion,

veranstaltet vom Landesfilmdienst Sachsen

• Ausstellung in weiteren Leipziger Schulen

Lobdeburgschule, Jena

Universität Bielefeld

Westfalen-Kolleg, Bielefeld

Gesamtschule Schildesche

Die Ausstellung wurde an jedem Ort zwischen drei

Wochen und vier Monaten gezeigt. Die Ausstellungsbe­

treuer boten jeweils Führungen für Schüler und interes­

sierte Gruppen an. Ebenfalls wurden von ihnen Seminare

und Lehrerfortbildungen angeboten und durchgeführt. Die

nächste Veranstaltung dieser Art wird in einem Gymnasi­

um in Minden stattfinden.

Drinnen und Draußen Drinnen und Draußen

vorgestellt. Ein selbstorga-nisiertes Projekt zum glei-chen Thema wird mit unserer Hilfe konkrete Arbeits- und Unter-richtsmaterialien für den Umgang mit rechtsextremi-stischer Gewalt an Schulen

botenen Kurs »Geschichte des Rock« teil und arbeiteten mit den Kollegiaten an einer Erweiterung der Ausstellung. Die 17 neuen Tafeln werden am Ende dieses Semesters im OS

Wochen und vier Monaten gezeigt. Die Ausstellungsbe­

treuer boten jeweils Führungen für Schüler und interes­

sierte Gruppen an. Ebenfalls wurden von ihnen Seminare

vorgestellt. Ein selbstorga-nisiertes Projekt zum glei-

mit rechtsextremi-

Bildlegende

oben:

Das Westfalenblatt

berichtet

rechtes Bild:

... und ein verdienter Preis.

Joke Czapla und Daniel

Laker nehmen die

Urkunde in Empfang

Page 29: Editorial - uni-bielefeld.de€¦ · François-Marie Arouet (genannt Voltaire) Jupp Asdonk Ulrich Thünken Sigrid Beer Ein Wort zu Situation und Perspektiven Ludwig Huber Angela Kemper

56 57

Wir, die Praktikanten Mattes, Dominik und Maren, wollen euch unser Projekt »Vereintes Europa –

Chancen und Risiken« vorstellen. Dieses Projekt fand vom 8.1.–22.01.07 zum sechsten Mal statt. Es beinhaltete eine Vorbereitungsphase und anschließend eine Fahrt nach Rzeszów. Das Projekt ist ein Angebot für Kollegiaten als Pro-jekt und Praktikum. Als Praktikum kann es dann absolviert werden, wenn man im Jahr vorher schon einmal in Rzeszów als Projektteilnehmer gewesen ist und nun bei der Aufgabe der Organisation der Fahrt mithilft.

Die Vorbereitungsphase beinhaltete die Auseinander-setzung mit der aktuellen polnischen Politik und mit geschichtlichen Aspekten. Weiterhin beschäftigten wir uns mit dem Katholizismus in Polen und dem möglichen EU-Beitritt der Ukraine. Die Praktikanten stellten kurz die Stadt Rzeszów mit ihren Möglichkeiten vor. Die erarbei-teten Ergebnisse sollten von den Kollegiaten in einer Mappe zusammengestellt werden, die als Endprodukt abzugeben war. Diese sollte zusätzlich noch ein Reisetagebuch von der Exkursion enthalten.

Vom 13.01.–20.01.07 fand unsere Exkursion nach Rzeszów statt. Während dieser Fahrt trafen wir uns mit Studenten der WSZ – einer privaten Uni für Wirtschaft und Journalistik in Rzeszów. Wir unternahmen zwei Ausflüge während der Woche: nach Krakow und Przemysl. In Rzes-zów haben wir verschiedene Unternehmungen gemacht. Wir waren im Stadtarchiv, um uns einen Film über das jüdische Leben in der Stadt vor dem Zweiten Weltkrieg anzusehen, und trafen uns mit dem Vertreter des Bürgermeisters, um die Gastgeschenke zu überreichen und mit ihm über das polnische Bildungswesen zu sprechen. Wir hörten uns einen Vortrag von Professor Hud an, der über die Ukraine und über den möglichen EU-Beitritt sprach. Anschließend gab es Gelegenheit zur Diskussion. Wir haben auch eine Führung durch Rzeszów bekommen, wo wir die wichtigsten histo-rischen Plätze besichtigt haben (Friedhof, Schloss usw.).

An einem Nachmittag fuhr eine Kleingruppe in einen nah gelegenen Wald (Las Bór), um sich eine Erinnerungsstät-te und Massengräber der 1942/43 ermordeten jüdischen Bevölkerung anzusehen. Heute gibt es zwar in der Stadt noch die beiden Gebäude, die früher die Synagogen beher-bergten, aber es gibt keine jüdische Gemeinde mehr.

Jeden Abend trafen wir uns mit den polnischen Stu-denten, um gemeinsam in verschiedene Pubs zu gehen. Nach unserer Meinung war die Begegnung sehr erfolg-reich, die polnischen Studenten waren sehr offen und hilfsbereit und einige sind immer bei unseren Aktivitäten dabei gewesen. Die Verständigung fand auf Englisch statt und war somit kein Problem. An einem Morgen haben wir versucht, polnisch zu lernen, mit Hilfe der Studenten von der WSZ. Wir hatten auch eine Begegnung mit einer Gruppe junger Katholiken, wo wir zusammen gesungen und diskutiert haben.

Insgesamt hat uns die Fahrt gut gefallen und wir haben einige neue Sprachkenntnisse, ein Stück der Kultur und Geschichte Polens kennen gelernt.

Teilnehmer/-innen:

Larissa Bäumer, David Blunk, Eugenia Dudin, Philipp Ebbing,

Maike Fründ, Joél Girona Tinedo, Maximilian Hurlbrink, Roman

Jacobi, Monika Jarocinski, Agnes Matuszak, Jana- Katharina

Neumann, Julia Preu, Vivian Seidel, Daria Szyjkowska, Dominik

Chemielecki, Maren Oldenburg, Mattes Schmidt, Hans-Georg

Pütz, Felix Rengstorf, Florian Beer (Lehramtsstudent Uni Biele-

feld, Münster)

Drinnen und Draußen

Reise-und Praktikumsbericht von Mattes, Dominik und Maren

Vereintes Europa – Chancen und Risiken Deutsch-polnische Jugendbegegnung in Rzeszów, 1�.–20. Januar 2007

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Heute leben mehr als 40 Mio. Menschen mit HIV und Aids – 95 % davon in Entwicklungsländern.

In Deutschland sind ca. 56.000 Menschen mit dem HIV-Virus infiziert, wobei seit dem Jahr 2000 die Zahl der Neuinfektionen leicht ansteigt.

Dies zeigt sehr deutlich, dass das Thema HIV nichts von seiner Bedeutung verlo-ren hat. Die öffentliche Aufmerksamkeit nimmt allerdings ab – es herrscht immer noch die Meinung vor »Aids betrifft mich nicht«. Aber die Aidsprävention ist keinesfalls nur ein Thema für Afrika und Asien. Gerade junge Erwachsene fühlen sich zwar sehr gut informiert, haben aber gleich-zeitig ein sinkendes Gefahrenbe-wusstsein.

»Gemeinsam gegen Aids. Wir übernehmen Verantwortung. Für uns selbst und andere.« So lautete

das Motto des Welt-Aids-Tages am 1. Dezember 2006. Wie schon in den Jahren zuvor, haben wir als Schulsozial-

arbeiterinnen den Aktionstag in Zusammenarbeit mit der Aidshilfe Bielefeld e.V. unterstützt. Der Andrang

an unserem Info-Stand in der Cafete war groß – wir haben viele Materialien und Kondome an

die KollegiatInnen weitergegeben und in per-sönlichen Gesprächen Fragen beantwortet.

Gleichzeitig zeigten wir im Kulturca-fe einen Film, der über die aktuellen

Zahlen, Fakten und Entwicklungen zum Thema HIV informierte. Soli-daritätsschleifen und Armbänder konnten gegen eine kleine Spende

erworben werden. Am Ende kamen so rund 155 Euro Spendengelder für die deutsche Aidshilfe zusammen, für

die sich die Aidshilfe-Mitarbeiterin Julia Schmalz herzlich bei dem

Oberstufen-Kolleg bedankte.

Nicola Schultz

In jedem Jahr: der Welt-Aids-Tag am 1. Dezember im Oberstufen-Kolleg

Leben in der Schule

Donata Lippert

»OS für Einsteiger« – erste Erfahrungen als Anerkennungsjahrpraktikantin in der Schulsozialarbeit

Der erste offizielle Arbeitstag am OS war für mich der 01. März –

die Nacht vorher kaum geschlafen, unheimlich nervös und aufgeregt näherte ich mich dem Haupteingang des orangefarbenen Gebäudes...

Doch nachdem ich freundlich in der Schulsozialarbeit aufgenommen wurde und in einer ersten Runde die wich-tigsten Stationen und Mitarbeiter kennen lernte, legte sich meine anfängliche Nervosität völlig – das OS versprüht eine offene, freundliche und angenehme Atmosphäre und ich fühlte mich auf Anhieb wohl.

Insbesondere die ersten Tage am OS sind von einer Vielzahl an Namen und Gesichtern geprägt, von denen mein Gedächtnis leider nur die allerwenigsten behält – auch heute noch frage ich meine jeweiligen Gegenüber sicherlich zum wiederholten Male nach dem Namen, stelle mich selbst doppelt und dreifach vor und irre durch das Gebäude auf der Suche nach dem richtigen Ansprechpartner oder Raum. Aber es wird von Tag zu Tag besser...

Ich freue mich hier am OS überaus vielseitig arbeiten zu können – zugleich stellen die Koordination und Organisati-on der einzelnen Arbeitsbereiche für mich die derzeit größte Herausforderung dar.

Ich werde hier andere Wege gehen können und eine Vielzahl an neuen Erfahrungen sammeln dürfen – die Erkenntnis, dass dies am OS nicht nur möglich, sondern auch gefördert wird, gefällt mir sehr gut.

eute leben mehr als 40 Mio. Menschen mit HIV und Aids – 95 % davon in Entwicklungsländern.

In Deutschland sind ca. 56.000 Menschen mit dem HIV-Virus infiziert, wobei seit dem Jahr 2000 die Zahl der Neuinfektionen leicht ansteigt.

Dies zeigt sehr deutlich, dass das Thema HIV nichts von seiner Bedeutung verlo-ren hat. Die öffentliche Aufmerksamkeit nimmt allerdings ab – es herrscht immer noch die Meinung vor »Aids betrifft mich nicht«. Aber die Aidsprävention ist keinesfalls nur ein Thema für Afrika und Asien. Gerade junge Erwachsene fühlen sich zwar sehr gut informiert, haben aber gleich-zeitig ein sinkendes Gefahrenbe-

»Gemeinsam gegen Aids. Wir übernehmen Verantwortung. Für uns selbst und andere.«

das Motto des Welt-Aids-Tages am 1. Dezember 2006. Wie schon in den Jahren zuvor, haben wir als Schulsozial-

arbeiterinnen den Aktionstag in Zusammenarbeit mit der Aidshilfe Bielefeld e.V. unterstützt. Der Andrang

an unserem Info-Stand in der Cafete war groß – wir haben viele Materialien und Kondome an

die KollegiatInnen weitergegeben und in per-sönlichen Gesprächen Fragen beantwortet.

Gleichzeitig zeigten wir im Kulturca-fe einen Film, der über die aktuellen

Zahlen, Fakten und Entwicklungen zum Thema HIV informierte. Soli-daritätsschleifen und Armbänder konnten gegen eine kleine Spende

erworben werden. Am Ende kamen so rund 155 Euro Spendengelder für die deutsche Aidshilfe zusammen, für

die sich die Aidshilfe-Mitarbeiterin Julia Schmalz herzlich bei dem

Oberstufen-Kolleg bedankte.

und Aids – 95 % davon in Entwicklungsländern. In Deutschland sind ca. 56.000 Menschen mit dem HIV-Virus infiziert, wobei seit dem Jahr 2000 die Zahl der Neuinfektionen leicht ansteigt.

Dies zeigt sehr deutlich, dass das Thema HIV nichts von seiner Bedeutung verlo-ren hat. Die öffentliche Aufmerksamkeit nimmt allerdings ab – es herrscht immer noch die Meinung vor »Aids betrifft mich nicht«. Aber die Aidsprävention ist keinesfalls nur ein Thema für Afrika und Asien. Gerade junge Erwachsene fühlen sich zwar sehr gut informiert, haben aber gleich-zeitig ein sinkendes Gefahrenbe-

»Gemeinsam gegen Aids. Wir übernehmen Verantwortung. Für uns selbst und andere.« So lautete

Wie schon in den Jahren zuvor, haben wir als Schulsozial-arbeiterinnen den Aktionstag in Zusammenarbeit mit

der Aidshilfe Bielefeld e.V. unterstützt. Der Andrang an unserem Info-Stand in der Cafete war groß

– wir haben viele Materialien und Kondome an die KollegiatInnen weitergegeben und in per-

sönlichen Gesprächen Fragen beantwortet. Gleichzeitig zeigten wir im Kulturca-

fe einen Film, der über die aktuellen Zahlen, Fakten und Entwicklungen zum Thema HIV informierte. Soli-daritätsschleifen und Armbänder konnten gegen eine kleine Spende

erworben werden. Am Ende kamen so rund 155 Euro Spendengelder für die deutsche Aidshilfe zusammen, für

die sich die Aidshilfe-Mitarbeiterin Julia Schmalz herzlich bei dem

Oberstufen-Kolleg bedankte.

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Leben in der Schule Leben in der Schule

A nlässlich einer Podiumsdiskussion mit dem »Alt-OSler« Hartmut von Hentig im Oberstufen- Kolleg auf Ein-

ladung von Klaus Henning, Geschäftsführer des Vereins »Wohngemeinschaften e.V.« und einer kleinen Vorberei-tungsgruppe, der auch ich angehörte, fanden am 22.02.07 rund 350 Besucher ihren Platz auf dem vollbesetzten Wich 2 im OS, um mit unserm Schulgründer über sein neues Buch »Bewährung – Von der nützlichen Erfahrung, nützlich zu sein« (...) zu diskutieren.

Während der Vorbereitungstreffen der Organisations-gruppe für die öffentliche Diskussionsrunde mit Hartmut wurden, unter anderem mit dem ehemaligen wissenschaft-lichen Leiter des Oberstufen-Kollegs Ludwig Huber und den beiden Kollegiatinnen Jana Holz und Mariella Löllmann, nicht nur ein grober Ablaufplan für die Veranstaltung ent-worfen, sondern auch inhaltliche Kritikpunkte an den zwei Konzepten Hartmuts erarbeitet. Diese Vorbereitungsarbeit hat sich meiner Ansicht nach gelohnt, denn eine facetten-reiche kontroverse Diskussion am 22.02 war die Folge.

»Ich wünsche, dass junge Menschen erfahren, was eine Gemeinschaft ist – eine größere als die Familie, in die sie hineingeboren sind, und eine weniger und zufällige als die Schulklasse, in die man sie hineinverwaltet hat.« Dieser Satz ist auf der Titelseite seiner neuen Lektüre zu finden und spiegelt eines der Hauptanliegen des nun schon 81-Jährigen, welches er durch die Publikation seines Buches der Öffentlichkeit präsentieren möchte, ganz gut wieder. Hartmut will den Teufelskreis von Frustration und Gleichgültigkeit, den Jugendliche in einer Gesellschaft, die sich in einem rasanten Strukturwechsel befindet und in der sich eine ganze Generation überflüssig und unbeach-tet zu fühlen scheint, durchbrechen. Er nennt in seinem 108-seitigen gesellschafts- und, wie kann es anders sein, bildungskritischen Manifest zwei wesentliche Konzepte, die Jugendlichen die Erfahrung ermöglichen sollen, sich an konkreten Aufgaben zu bewähren und gebraucht und anerkannt zu werden.

Zum einen schlägt Hartmut vor, dass die 13 bis 15-jäh-rigen Schüler die Institution Schule verlassen sollten, um an anderen Orten Lerngelegenheiten zu finden, die ihrem Alter und ihren Bedürfnissen besser entsprechen als die des theorie-geladenen Unterrichts im Klassenzimmer. Hartmut nennt in seinem Buch dieses Konzept »Entschulung der Mittelstufe«.

Zum anderen erläutert Hartmut in seinem Werk ein wei-teres Hauptkonzept: Ein soziales Pflichtjahr für alle unter 25-jährigen. So würde ein solches soziales Pflichtjahr nicht nur ein Gewinn für die gesamte Gesellschaft darstellen, sondern auch für den einzelnen Absolvierenden. Junge Menschen bekämen die Möglichkeit, vor ihrer persönlichen Berufslaufbahn der Gemeinschaft von Nutzen zu sein und gleichzeitig selbst ein Teil des Kollektivs zu bilden.

In einer Gesellschaft und in einer Zeit, in der man mei-ner Auffassung nach früh von Beginn der Schullaufbahn bis hin zur Berufsausbildung nur schwer der egoistischen Lebenssichtweise entrinnen kann, da der Konkurrenzkampf stetig wächst – in der Schule dank der Notenvergabe und im Berufsleben aufgrund des Ausbildungsstellenmangels – scheinen die zwei Konzepte, die Hartmut in seinem Manifest erläutert, an nötiger Stelle und dringlichster Zeit zu sein, um den Sinn für gesellschaftliche Verantwortung zu stärken.

Hartmut war übrigens über die Anfrage, ob er nach Bielefeld kommen wolle, um mit Jugendlichen, Pädagogen und Eltern über sein neues Buch zu diskutieren, sehr erfreut. Die Freude an der Diskussion über sein Buch konnte man in der Veranstaltung sichtlich erkennen. So hat er es ver-standen, Zuhörer und Mitdiskutierende immer wieder mit amüsanten Wortformulierungen und Beiträgen zum Lachen zu bringen. Ich habe Hartmut jedoch nicht nur als einen humorvollen Menschen erleben dürfen, sondern auch als einen Menschen, der es verstand, beim Mitdiskutierenden das Gefühl zu erzeugen, ernsthaft wahrgenommen zu wer-den. Hartmut beantwortete alle Fragen aus dem Publikum zu seinem Buch mit einer bewundernswerten Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit, stets darauf bedacht, auch harsche Kri-tik entgegen zu nehmen und Widerspruch zu erfahren.

Hartmut teilte in einem Brief an die Organisationsgrup-pe nach der Veranstaltung mit, wie sehr er über die sehr gut besuchte Veranstaltung überrascht und erfreut war. Ein nächstes öffentliches Treffen mit ihm wird überlegt!

Matthias Riedinger (Jg. 05)

Jungen Menschen nützliche Zeit zur »Bewährung« geben – Eine Begegnung mit unserm Schulgründer Hartmut von Hentig

Seit den Herbstferien gibt es am OS einen Schulsanitäts-dienst. Dieser besteht zur Zeit aus 12 KollegiatInnen. Die

Idee zur Gründung eines Schulsanitätsdienstes (SSD) wurde während der letzten Sommerprojektphase 2006 in die Tat umgesetzt. Im Vorfeld fanden mehrere Gespräche mit der Kollegleitung und dem Arbeiter-Samariter-Bund Bielefeld statt. Durch die Unterstützung des OS und der Zusammen-arbeit mit dem ASB konnte das Projekt in Angriff genom-men werden. Als betreuender Lehrer stellte sich Christian Schweihofen zur Verfügung.

Die Ausbildung der Schulsanis fand während der Som-merprojektphase statt und endete mit einer schriftlichen Prüfung, außerdem mussten die Schulsanis ihr erlerntes Wissen bei einem Fallbeispiel anwenden. Wir nutzten die Projektphase auch, um den Sanitätsraum zu streichen und aufzuräumen. In dem Raum ist jetzt das Material des SSD untergebracht, u.a. eine Notfalltasche, eine Trage und son-stiges Verbrauchsmaterial.

Welche Aufgaben hat ein SSD? Im Notfall soll der Schul-sanitätsdienst das therapiefreie Intervall überbrücken und

kann effektive Maßnahmen ergreifen, bevor der Rettungs-dienst eintrifft.

Jeden Tag hat ein Zweier-Team des Schulsanitätsdienstes Dienst und kann von Rosi Zander gerufen werden. Falls das Sekretariat nicht besetzt sein sollte, kann auch unter der aushängenden Handynummer angerufen werden. Schon jetzt kann eine sehr positive Bilanz gezogen werden, da die Schulsanis bereits in mehreren Fällen tätig geworden sind. Bis heute gab es insgesamt 17 Einsätze, darunter Schnittver-letzungen und Kreislaufbeschwerden. In fünf Fällen wurde der Rettungsdienst alarmiert.

Die Versorgten, die Schule und der übernehmende Ret-tungsdienst zeigten sich sehr zufrieden mit der geleisteten Arbeit. Ich danke den Mitkollis für ihr Engagement im Schulsanitätsdienst. Für die Zukunft stellt sich die Frage, wie neue Mitglieder für den SSD gewonnen werden können und wie die Fortbildung der jetzigen SSDler sichergestellt wer-den kann, zusätzlich stehen noch ein paar organisatorische Verbesserungen an.

Manuel Schiefer

Schulsanitätsdienst am Oberstufen-Kolleg

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Adler, Neele; Altekrüger, Sarah; Barkhausen,

Pascal; Bausch, Pina; Becher, Miriam; Becker,

Nina; Bergeler, Alina; Beste, Svenja; Bijlsma,

Aljoscha Christophe; Bock, Mona; Borgmeier,

Torsten; Brosch, Juxhina; Budde, Felix;

Burmeier, Christina Anna Sophia; Candan,

Nurallah; Cankaya, Esin; Celebi, Mehmet Ali;

Ceranic, Ana; Chemielecki, Dominik; Cusic,

Sanja; Deselaers, Florian; Dick, Alexandra;

Dick, Kristina; Dopheide, Lena Marie; Dudin,

Eugenia; Düzél, Volkan; Eckebrecht, Patrik;

Eckert, Erwin; Elbaylar, Erkan; Engel, Susanne;

Everding, Fabian; Falow, Daniel; Feldmann,

Mia-Tessa; Fiedler, Malte; Firlus, Sandro;

Frach, Maike; Freist, Tillmann; Fröse, Pia;

Fussy, Philipp; Gaponenko, Tatjana; Garisch,

David; Gedik, Uygar; Gehrke, Kathrin;

Geissler, Tim; Godzieba, Hannah; Gottfried,

Natalie; Grundmann, Kristian; Grygier, Silke;

Haase, Mattis Zbigniew; Harder, Andreas;

Heine, Sven; Heinrich, Xenia; Heit, Alexander;

Hennig, Annika; Hoffmann, Henrike; Hoppe,

Tamara; Iburg, Christian; Intrup, Isabell;

Jacobsen, Pia Louisa; Jarocinski, Monika;

Javid, Mahtab; Jens, Dorothea; Kachel, Trine;

Kahmen, Fabian; Kara, Jennifer; Karakoc,

Kivanc; Karnacewicz, Martin; Kelle, Katrin;

Kizilarslan, Özcan; Klein, Kamila; Klose,

Corinna; Kohl, Sarah; Kosfeld, Stefan;

Kostik, Helena; Kottwitz, Milena; Koureia,

Lina; Kübeck, Hester; Kuzyna, Mario;

Lange, Sabrina; Laurent, Lea; Lawitzke,

Philip; Leichtling, Tatjana; Lenz, Irit-Marie;

Leszczenko, Nora; Liebert, Susanne; Lindner,

Magnus; Longobardi, Roland; Mantei;

Christian; Martini, Nina; Mejias Sanz, Philipp;

Menke, Markus; Meyer zu Wendischhoff,

Johanna; Michael, Arne; Michalzyk, Marc;

Michels, Eva; Miljevic, Dragana; Milse, Lena-

Christin; Mische, Juliane; Möller, Nadine;

Nalliah, Dilacksi; Nentwig, Amanda; Neuhaus,

Remke; Obrien-Coker, Noelle; Oldemeier,

Lennart; Otting, Till; Pamme, Bastian; Peters,

Anastasia; Piel, Svenja Nicole; Pisternick,

Timo-Frank; Pohlmann, Nicole; Preising,

Hendrik; Prokop, Yvonne; Pütz, Lara; Reetz,

Anna-Lisa; Riedel, Olga; Sälzer, Maximilian;

Scharnetzke, Dennis; Schmelzer, Martin;

Schmerbitz, Jan; Schmidt, Jette; Schmidt,

Mattes; Schmieding, Lara; Schneider, Irina;

Schönwald, Dimitri; Schumacher, Johanna;

Sewing, Julius; Sidorenko, Irina; Siedentopp,

Dennis; Simon, Aileen; Straker, Sina;

Stratmann, Friederike; Suzuki, Julian; Sydow,

Elena; Tews, Eugenia; Thews, Tanja; Tiersch,

David; Tödheide, Anne-Kathrin; Toker, Ilknur;

Treude, Kai; Van der Veen, Michelle; Varal,

Sema Mahiye; Walkusch, Marie-Elisabeth;

Warecha, Juliana; Wehmhöner, Marlene;

Willenberg, Lotte; Wylezalek, Magdalena

Anna; Zedler, Dominika; Zeiser, Katja

Abitur 2007 Wir gratulieren unseren Abiturientinnen und Abiturienten herzlich zum erfolgreichen Abschluss

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Kollegiatinnen und Kollegiaten: Unser Oberstufen-Kolleg

Kollegiatinnen und Kollegiaten: Unser Oberstufen-Kolleg

Meine Zeit am Oberstufen-Kolleg In dem Prüfungskolloquium am Endes des fünften Semesters setzen sich die Kollegiatinnen und Kollegiaten rückblickend mit Fragen zu ihren Ausbildungsschwerpunkte und zu den Erfahrungen auseinander, die sie in zweieinhalb Jahren am Oberstufen-Kolleg gemacht haben. Lara Pütz und Malte Fiedler haben uns ihre Reflexionsberichte zur Verfügung gestellt.

A m Oberstufen-Kolleg Bielefeld (OSK) habe ich mich für die Studienfächer Kunst und Psychologie bewor-

ben und bekam nach dem Aufnahmeverfahren auch die Möglichkeit, sie zu belegen.

Da ich mich für die Berufe der Psychologin und der Kunsttherapeutin interessiere, schien mir diese Fächerkom-bination am ehesten geeignet.

Im Studienfach Künste waren mir besonders die prak-tischen Schwerpunkte wichtig. Dies z.B. bei dem Thema Porträt, wo man u.a. etwas über Bildanalyse und Bildinter-pretation gelernt hat, was mich auch schon auf meiner alten Schule interessiert hat. So konnte ich auch mein Auge und meine Strichführung schulen. Der praktische Schwerpunkt war mir auch bei dem Thema Fotografie wichtig, wo wir sel-ber Fotos machen, entwickeln, ausstellen und so der Öffent-lichkeit preisgeben mussten. Das Thema Architektur fand ich besonders interessant, da man in fast allen Städten Bei-spielsgebäude für die verschiedenen Architekturperioden sehen kann. Seit diesem Semester bin ich noch interessierter an Gebäuden und ich will immer herausfinden, aus welcher Epoche sie stammen.

Im Studienfach Psychologie war mir das Thema Ent-wicklungspsychologie wichtig. Hierbei war besonders schön für mich, dass ich eine Hausarbeit über die Entwicklung von Kinderzeichnungen schreiben konnte, was etwas mit Kunsttherapie zu tun hat, für welche ich mich schon länger interessiere. Sehr interessant fand ich auch die kognitiven Theorien, die Dissonanz- und Attributionstheorie. Im Som-mersemester 06 fand ich es sehr spannend, eine andere Form der Klausur kennen zu lernen, die Tandemklausur.

Bei dem Thema Persönlichkeitspsychologie fand ich es bemerkenswert zu sehen, wie viele verschiedene Sichtweisen es auf ein Thema geben kann. Meine Facharbeit habe ich innerhalb dieses Themenkomplexes geschrieben, über das Thema Eifersucht in Liebesbeziehungen. Hierbei war mir die freie Wahl meines Themas besonders wichtig, da die Facharbeit so eine Arbeit wurde, mit der ich meine eigenen aktuellen Interessen weiter vertiefen konnte.

An den Grundkursen haben mich besonders die beiden Literaturkurse »Das Janusgesicht der Moderne« und »Kunst und Literatur der Romantik« interessiert, denn diese hat-ten beide Bezug zur Kunst und so konnte ich auch mein Wissen, was Kunst anbelangt, erweitern. In dem Litera-turkurs »Das Janusgesicht der Moderne« fand ich zudem besonders den Bezug zur NS-Zeit spannend, denn diese Zeit hat mich schon immer interessiert. Hier fand ich dann besonders gut, die beiden Bücher »Jugend ohne Gott« von Ödem von Horvath und Anna Seghers »Das siebte Kreuz« zu lesen. Meinen Politische Bildung-Kurs »Was essen wir – was is(s)t die Welt?« fand ich besonders interessant, da wir »ungerechte« Situationen von Menschen außerhalb Europas kennen gelernt haben, von denen man sonst nicht ohne weiteres erfahren würde. Interessant war auch, wie ich mein Wissen, das ich in dem Biologiekurs »Goethe und die Naturwissenschaften« erhalten habe, auch in dem Literatur-kurs »Kunst und Literatur der Romantik« anwenden konnte und andersrum.

In meiner gesamten Schulausbildung am OSK habe ich mein Wissen und Können in vielen Bereichen erweitern können. Dies gilt sowohl für die allgemeine Rechtschrei-

Lara Pütz

Mein Bildungsgang: Im Großen und Ganzen zufrieden

bung als auch für Allgemeinwissen in Politik, Biologie, Kunst und Psychologie. Ich habe vieles auf meiner alten Schule, der Laborschule, gelernt, was ich jetzt auf dem OSK vertieft habe, wie zum Beispiel Vorträge halten und Hausar-beiten schreiben und die dazugehörige Zitiertechnik. Eine meiner Stärken ist, dass ich gut in Gruppen arbeiten kann, aber auch alleine. Ich kann mich integrieren, bin offen und recht diszipliniert. Meine Schwäche ist, dass ich Einzelheiten schnell wieder vergesse, schwer fällt es mir auch zum Bei-spiel, in einer Klausur abschließend meine eigene Meinung zu schreiben und kritisch Stellung zu nehmen. Eine weitere Schwäche von mir ist es, Texte kurz und knapp wiederzuge-ben. Lernen möchte ich noch, vor Klausuren und Vorträgen nicht so aufgeregt zu sein und verbessern kann ich mich u.a. noch im Malen und Zeichnen.

Die Einschätzung auf den Bewertungsbögen waren hilfreich, um zu sehen, wo meine Schwächen bei einem bestimmten Leistungsnachweis liegen und wie und wo ich mich verbessern kann. Eine Beurteilung meiner gesamten Person in einem Fach, welche sich sowohl auf schriftliche Arbeiten als auch auf mündliche Mitarbeit bezieht, fände ich jedoch hilfreicher.

Besonders geärgert hat mich am OSK das Notensystem. Dabei stört mich, dass nur ein Leistungsnachweis in einem Fach benotet wird und diese Note dann die Gesamtnote für dieses Fach in dem Semester, in dem man den Leistungs-

nachweis gemacht hat, ist und alleine in die Abiturnote einfließt. Dieses System finde ich nicht gut, da so andere Leistungsnachweise im Prinzip »umsonst« gemacht werden, dies kann dazu führen, dass man sich bei den Leistungsnach-weisen, die man sich nicht benoten lässt, nicht anstrengt. So wird ggf. eine schlechte Klausur benotet, obwohl die anderen Leistungen sehr gut waren, was einem dann aber nichts bringt.

Besonders gefreut hat mich am OSK die Vielfalt an Studienfächern und die freie Kombinationsmöglichkeit der Fächer, denn auf anderen Schulen wäre es für mich nicht möglich gewesen, Kunst und Psychologie zusammen als Studienfächer zu wählen. Gefallen hat mir auch die Vielfalt an Kursthemen und dass man zum Beispiel »Ausdruck und Entspannung« als einen Sportkurs wählen kann. Am OSK gefällt mir auch die gesamte Atmosphäre, welche unter anderem durch das Schüler-Lehrer-Verhältnis, da geduzt wird, und durch die offenen Flächen und »Klassenräume« und die vielen Pflanzen geschaffen wird.

Im Großen und Ganzen bin ich mit meiner Schullauf-bahn auf dem OSK zufrieden.

Schwerpunkte meiner Studienfachwahl: Bei der Wahl der Studienfächer waren mir zwei Kriterien besonders wich-

tig: Zum einen mussten es Fächer sein, die mir Spaß mach-ten bzw. bei denen ich Interesse hatte, Neues zu lernen und zum anderen wollte ich natürlich auch gute Noten bekom-men, um ein gutes Abitur zu machen. Meine Schwerpunkte lagen auf für mich interessanten Themen: In Informatik hat mir zum Beispiel gerade die theoretische Informatik (Auto-maten und reguläre Sprachen), aber auch die Modellierung (UML) viel Spaß gemacht, was sich – denke ich – auch in meinen LNWs widerspiegelt. In Sport hat mich vor allem das psychologische Thema Motivation interessiert, aber auch das Thema Motorisches Lernen hat sich als interes-sant herausgestellt. Meine Facharbeit hätte ich vielleicht in Sport machen sollen, dann hätte ich mich mit Themen auseinandersetzen können, die mich interessieren – wie

z.B. Tauchen, ich habe vor, meine Tauchausbildung als Tauchlehrer abzuschließen, oder Skifahren, ich mache jetzt ein Praktikum als »Skilehrer« an der Martin-Niemöller-GS und fahre dort mit auf Exkursion und werde eine Anfänger-gruppe übernehmen.

Schwerpunkt meiner Grundkurswahl: Da ich mich sehr für Geschichte interessiere und auch zunächst überlegt hatte, Geschichte als eines meiner Studienfächer zu wäh-len, wollte ich eine politische Bildungssequenz mit einem Schwerpunkt auf deutscher Geschichte und französischer Revolution wählen. Allerdings habe ich meinen gewünsch-ten Kurs nicht bekommen und bin in dem Europa-Kurs gelandet. Im Nachhinein bin ich allerdings sehr glücklich mit meiner Wahl, der Kurs wurde zu einem der interes-santesten Kurse, den ich am OS besucht habe. Weitere Schwerpunkte setzte ich in Musik, da ich schon seit langer

Malte Fiedler

Neues lernen und ein gutes Abitur machen

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Zeit verschiedene Instrumente spiele und mich somit auch fast täglich mit Musik auseinandersetze und hier großes Interesse mitbringe.

Mein Individueller Lernfortschritt: Durch das Studienfach Sport weiß ich nun endlich, warum ich so trainiere wie ich es tue. Gerade das psychologische Thema der Motivation lässt sich auf viele alltägliche Dinge anwenden und hat mir auch selbst geholfen, mich besser zu motivieren. Auch gelingt es mir, die Theorie, die wir gelernt haben, mit meinem Sport zu verknüpfen. Informatik hat mir dabei geholfen, logischer zu denken und Aufgaben analytisch anzugehen, außerdem haben wir durch häufige Gruppenarbeit (leider oft nicht so erfolgreich) versucht, unsere Teamfähigkeit zu verbessern. Die Theoretische Informatik macht mir wirklich Spaß, leider ist das Programmieren einfach nichts für mich. Das ist schade, da ich natürlich auch auf mein weiteres Studium blickend die Wahl treffen muss, welches Fach oder welche Fächer ich studieren kann. Der Politikunterricht hat stark dazu beigetragen, meine politische Meinung zu bilden, die ich jetzt vertrete, auch hat sie ein vorher nicht vorhandenes Interesse an der EU geweckt. Durch interessante Themen, die wir auch endlich mal selbst bestimmen konnten, ist Poli-tik zu einem meiner Hobbys geworden. Ich gucke jetzt nicht nur jeden Tag regelmäßig Nachrichten und lese Zeitung, sondern habe auch ein eigenes politisches Diskussionsfo-rum im Internet eröffnet. Der Musikunterricht hat, wenn wir nicht gerade Filme geguckt haben, viel Spaß gemacht, da wir oftmals selbst entscheiden konnten, wo wir unsere Schwerpunkte setzen wollten. Das selbstständige Kompo-nieren und Arrangieren hat meine musikalische Kreativität gefördert und dazu beigetragen, dass ich nun häufiger mit Freunden musiziere und eigene Lieder schreibe. Des Weiteren habe ich mich seit Jahren mal wieder ans Klavier gesetzt um Blues oder Jazz zu spielen, eigentlich hatte ich für mich mit diesem Instrument abgeschlossen.

Auch die Krat-Arbeit, die trotz des großes Zeitaufwandes Spaß gemacht hat, hat mich sehr viel weitergebracht. Das betrifft z.B. das Reden vor einer größeren Menschenmenge oder das Organisieren und Diskutieren ...

Die Einschätzungen auf den Bewertungsbögen sind oft nicht hilfreich, da sie eigentlich zu knapp sind, um wirklich aussagekräftig zu sein. Mir selber fiel es immer schwer, einen Text zu meinem Leistungsnachweis zu schreiben, ein Gespräch mit den Lehrenden ist viel sinnvoller.

Was war gut: Entspannte Atmosphäre, gute Verhält-nisse Schüler – Schüler und Schüler – Lehrer, Archi-

tektur (weshalb ich auch auf dem Ganztagsschulkongress in Berlin einen Vortrag über dieses Thema gehalten habe), Transparenz, Demokratie (zumindest mehr als auf anderen Schulen), KRat, Uni, verhältnismäßig wenige Klausuren, große Fächerauswahl, Kombinierbarkeit (nun leider nicht mehr gegeben) …

Was war weniger gut: chaOS? – Noch nie ist mir ein so großes Organisationschaos begegnet wie auf dieser Schule, auf der einen Seite ist es sicher sympathisch, doch es kann auch sehr verwirrend sein … bis zuletzt kann man sich nicht sicher sein, ob man zum Abi zugelassen wird!

Wahlfreiheit? – Ein Schlagwort, mit dem das OS wirbt, allerdings habe ich von dieser Wahlfreiheit nicht viel mit-bekommen. In Mathe sowie in Philosophie hatte ich über-haupt keine Wahlmöglichkeit, was gerade in Mathe ein Problem war, weil ich in meinem Studienfach Informatik auch über gewisse Mathe-Kenntnisse verfügen muss, die ich so nicht bekommen habe.

Selbstbestimmtes Lernen? – Zumindest auf die Studien-fächer bezogen stellt sich das selbstbestimmte Lernen als regelrechte Lebenslüge heraus. Vielleicht liegt es auch an meiner Auffassung von diesem Wort, aber ich konnte im Studienfach Sport kein mal Selbstbestimmung erkennen. Auch in Informatik war mit Ausnahme des 6. Semesters kein selbstbestimmtes, interessenorientiertes Lernen möglich. Selbst in Bezug auf die Wahl von Referatsthemen musste ich in fast allen Kursen feststellen, dass man, wenn man über-haupt die Wahl hatte, zwischen Themen wählen konnte, die der Lehrende vorschlug.

Ansprüche (Überforderung aber auch Unterforderung) – Gerade in den Studienfächern scheinen mir die Anforde-rungen oft zu hoch. In Informatik haben wir eine sehr hohe Durchfallquote, dies liegt in diesem Fall aber auch sicher an der falschen Einstellung der Kollegiaten. Aber auch in Sport ist der Theorieunterricht in meinen Augen oft eine Überfor-derung. Zu viele schwierige Texte tragen meiner Meinung nach nicht zu Lernfortschritten der Kollegiaten bei. Wenn man nur einen Block Theorie in der Woche hat, muss das Curriculum eben so verändert werden, dass es nicht zu viele Themen gibt. In anderen Kursen war ich allerdings ganz klar unterfordert. So habe ich in Mathematik bis zu 13 Themen behandelt, die ich zuvor schon in der 10. und der 11. Klasse behandelt hatte und habe, um es auf den Punkt zu bringen, nichts hinzugelernt. In Englisch muss ich sogar ein klares Leistungsdefizit bei mir feststellen, nach meinem Auslandsjahr bin ich eher wieder zurückgefallen in ein altes miserables Schulenglisch.

BLNW System und Kursbestehen – Meistens hängt von dem BLNW das Kursbestehen ab, zudem liegen oft die BLNWs am Semesterende, was dazu führt, dass die Beno-tung aller Kurse von den letzten Wochen abhängig ist, es kommt zum Stress für Kollegiaten und Lehrende.

Die Vor-Abitursleistung zählt zu wenig für die Gesamt-note!

Wir schreiben das Jahr 2007. Eine kleine Ansammlung von Kollegiaten steht auf dem Podium und stellt

sich zur wahrscheinlich letzten KRat-Wahl der Geschichte des OS. Zum einen stehen dort alt eingesessene KRatler, die sich wieder aufstellen lassen, weil sie Angst haben, dass das neue Schulgesetz auf das OS und seine Werte wie ein Korsett eindrückt. Zum anderen stehen dort Kollis, die vom OS gehört hatten und aus den unerdenklichsten Teilen der Bundesrepublik nach Bielefeld gekommen sind, um nun im »berühmten« Oberstufen-Kolleg die ebenso »berühmte« Mitbestimmung hautnah kennen lernen zu wollen. So ste-hen sie da oben auf Feld II und erzählen dem Publikum von ihren Motiven und Motivationen.

Zu den Aufgaben der gewählten KRat-Mitglieder gehört die Teilnahme an den Hauptkonferenzen des Sommerse-mesters – es werden die letzten fünf Hauptkonferenzen des KRates als solcher werden, nach dem SoSe 07 wird auch das OS seine Schülervertretung nach dem Schulgesetz einrichten müssen. Die Kollis, die nun schon seit mehreren Monaten den aktuellen KRat bilden, versuchen in der HK ihr bestes, die aus dem Schulgesetz resultierende Umstruk-turierung des OS so erträglich wie möglich zu machen. So manches mal fragen sich nicht nur die Kollis am OS, ob die Auflagen der Bezirks- und Landesregierung nicht irgendwo Schlupflöcher aufweisen, die wir für uns nutzen können. Die Proteste, die im OS durch künstlerische Anbringungen an den Wänden ausgedrückt wurden, könnten ein Aufruf dazu sein, dass Lehrende und Kollegiaten gemeinsam gegen die Freiheitsberaubung der Regierung in Schulen protestie-ren. Diese Meinung ist im KRat konsens. Und obwohl sich der KRat ausdrücklich von den künstlerischen Protesten distanziert hat, sind es doch die Dienstagssitzungen im Krat-Raum, die immer wieder die von den VVs in diesem Zusammenhang gestellten Forderungen thematisieren.

Natürlich thematisieren die KRat-Aktiven nicht nur diese Forderungen, sondern auch andere wichtige Themen. Zur Zeit ist die große Frage, wie der KRat, den die Kollis auch weiterhin so nennen wollen, mit den Vorgaben des Schulgesetzes zukünftig strukturiert werden kann. Denn laut Schul-gesetz müsste es in jeder Stufe je 20 Schüler einen Vertreter geben – bei rund 600 Kollis wären dass +/- 30 Kol-lis. Ein so großer KRat – bedeutet das »Verstopfungsgefahr

oder eine Chance?« – das ist die Frage, mit der sich im KRat z.Zt. beschäftigt wird.

Wer dazu beitragen möchte, der kommt ganz einfach dienstags in der Mittagspause in den KRat-Raum an der Schulstraße (zu der Zeit der vollste Raum im OS). Wir freu-en uns über jeden, der dem KRat dabei hilft, die Fragen, die sich stellen, innovativ und kreativ zu beantworten. Denn in einem Oberstufenkolleg, das sich »Heterogenität: • Vielfalt nutzen • Kompetenzen entwickeln • andere Wege zum Abitur gehen • auf Studium und Beruf vorbereiten« auf das Cover des Schulentwicklungsplanes geschrieben hat, muss von Kollegiatenseite gemeinsam mit Lehrenden an der Verwirklichung dieser Ziele gearbeitet werden. Dazu laden wir ein und rufen wir auf.

Der aktuelle KRat:

Michael Krings, Manuel Schiefer, Jana Holz, Hansi Riecke,

Laura Bruning, Sarah Jauernig

Hansi Riecke

Aus dem KRat

Kollegiatinnen und Kollegiaten: Unser Oberstufen-Kolleg Kollegiatinnen und Kollegiaten: Unser Oberstufen-Kolleg

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Dominika Zedler

Gracias a la vida

Gracias por el oído

oigo la música de la vida

oigo la voz de gente

oigo mi corazón

Gracias por el sonido

el sonido de la naturaleza

el sonido del mar

el sonido del viento

Gracias por mis pies

ando a las montañas

ando en el campo

ando en las ciudades

Gracias por el corazón

con el sentimiento del amor

con el sentimiento de tristeza

con el sentimiento feliz

Gracias por la risa

puedo reír con mi familia

puedo reír con mis amigos

puedo reír conmigo.

Danke an das Leben

Danke für das Gehör

ich höre die Musik des Lebens

ich höre die Stimme der Menschen

ich höre mein Herz

Danke für die Geräusche

der Klang der Natur

der Klang des Meeres

der Klang des Windes

Danke für meine Füße

ich laufe über Berge

ich laufe über das Feld

ich laufe in den Städten

Danke für mein Herz

mit dem Gefühl der Liebe

mit dem Gefühl der Traurigkeit

mit dem glücklichen Gefühl

Danke für das Lachen

ich kann mit meiner Familie lachen

kann mit meinen Freunden lachen

und mit mir selbst

Lissi Walkusch

Gracias a la vida

El país de las posibilidades lejanos

Cada día puedo oir las ambulancias

La gente se queja, se lamenta y sufre

Las palomas en el centro y árboles caídos.

Huelo los escapes y un árbol enfermo

El aroma de las drogas desconectadas

se eleva a mi nariz y baila en mi conciencia.

Voy al bosque y siento la tierra cenagosa

Voy a la ciudad y siento el asfalto frío

Mis pies están cansados de las montañas

Mis zapatos me protegen de sentir demasiado.

Veo la lluvia y las nubes sombrías

A veces veo a gente alegre y sonreída

A veces veo el sol en el cielo

Y a veces veo un sitio que es mi único origen

Danke an das Leben

Das Land mit den entfernten Möglichkeiten

Jeden Tag kann ich den Notarzt hören

Die Menschen beschweren sich, man jammert und leidet.

Die Tauben im Stadtzentrum und die gefallenen Bäume.

Ich rieche die Autoabgase wie ein kranker Baum.

Das Aroma der modernen Drogen

erhebt sich an meine Nase und tanzt in meinem Bewusstsein.

Ich gehe in den Wald und spüre die sumpfige Erde.

Ich gehe in die Stadt und spüre den kalten Asphalt.

Meine Füße sind müde von den Bergen.

Meine Schuhe schützen mich davor, zuviel zu spüren.

Ich sehe den Regen und die schattigen Wolken.

Manchmal sehe ich die Menschen lachen und fröhlich sein.

Manchmal sehe ich die Sonne im Himmel.

Und manchmal sehe ich den Platz, wo ich hingehöre

Milena Kottwitz

Gracias a la vida

Lo que mi jefe me dice a mí

esto es mi ley

Yo llego siempre puntual,

esto es mi religión.

Gracias a la televisión

esto es mi realidad.

Las personas que son mis vecinos

a estos nunca he visto.

La gente con otra piel

estos nunca van a ser mis amigos.

Las calles están llenas de acción,

estas son coches impersonales.

Vete, vete, déjame,

soy un alemán social

Danke an das Leben

Das, was mein Chef mir sagt,

das ist mein Gesetz

Ich komme immer pünktlich,

das ist meine Religion.

Danke an das Fernsehen,

das ist meine Wirklichkeit.

Die Personen, die meine Nachbarn sind,

habe ich noch nie gesehen.

Die Menschen mit anderer Hautfarbe

werden niemals meine Freunde sein.

Die Straßen sind angefüllt mit Hektik

das sind unpersönliche Autos.

Geh weg, geh weg, lass mich allein,

ich bin ein sozialer Deutscher

6969Uygar Gedik

Gracias a la vida

Mi Alemania

Mi Alemania es bonita

El tiempo es raro

En el verano hay nieve

En el invierno hace sol

Hay muchos bosques

Pero no hay ningún lobo

Los humanos son locos

Las ciudades son grandes

Con muchos turcos y

Ellos nunca reciben

El estatuto de los blancos

Siempre hay menos jóvenes

Y más viejos.

Hartz cuatro me quita el pan

Yo soy un buen alemán

Danke an das Leben

Mein Deutschland

Mein Deutschland ist schön

Das Wetter ist seltsam

Im Sommer gibt es Schnee

Im Winter scheint die Sonne.

Es gibt viele Wälder,

aber keine keinen einzigen Wolf.

Die Menschen sind verrückt

Die Städte sind groß

Mit vielen Türken und

sie bekommen niemals

den gleichen Status wie die Weißen

Es gibt immer weniger junge Leute

und mehr alte.

Hartz vier stiehlt mir mein Brot

ich bin ein guter Deutscher

Violeta Parra, Chile

Gracias a la vida

Gracias a la vida, que me ha dado tanto.

Me dio dos luceros, que cuando los abro,

Perfecto distingo lo negro del blanco,

Y en el alto cielo su fondo estrellado,

Y en las multitudes el hombre que yo amo.

Gracias a la vida, que me ha dado tanto.

Me ha dado el oído que, en todo su ancho,

Graba noche y día grillos y canarios

Martillos, turbinas, ladridos, chubascos,

Y la voz tan tierna de mi bien amado.

Gracias a la vida, que me ha dado tanto,

Me ha dado el sonido y el abecedario.

Con él las palabras que pienso y declaro,

„Madre,“, „amigo,“ „hermano,“ y los alumbrando

La ruta del alma del que estoy amando.

Gracias a la vida, que me ha dado tanto.

Me ha dado la marcha de mis pies cansados.

Con ellos anduve ciudades y charcos,

Playas y desiertos, montañas y llanos,

Y la casa tuya, tu calle y tu patio.

Gracias a la vida que me ha dado tanto

Me dio el corazón, que agita su marco.

Cuando miro el fruto del cerebro humano,

Cuando miro al bueno tan lejos del malo.

Cuando miro el fondo de tus ojos claros.

Gracias a la vida que me ha dado tanto.

Me ha dado la risa, y me ha dado el llanto.

Así yo distingo dicha de quebranto,

Los dos materiales que forman mi canto,

Y el canto de ustedes que es el mismo canto.

Y el canto de todos que es mi propio canto.

Gracias a la vida que me ha dado tanto

Kollegiatinnen und Kollegiaten: Unser Oberstufen-Kolleg

Gracias a la vida

In dem Lied »Gracias a la vida« beschreibt Violeta Parra die Bedingungen ihres Lebens, das ihr jeden Tag Leid, aber auch Freu-de vermittelt durch die einfachen Dinge, die sie sehen, fühlen, riechen, hören und erlaufen kann. Es gibt einen tie-fen Eindruck in das Leben der einfachen Menschen in Lateinamerika, stellt die triste Realität neben die kleinen zauberhaften Momente im Leben, für die es sich zu leben lohnt. Es ist ein Lied der Hoffnung in der Reihe der politischen Lieder, weltberühmt und wunder-schön. Violeta Parra dankt dem Leben dafür, dass es so ist wie es ist. Mit ebenso aufmerksamen Augen sollten die Kollegiaten ihr Leben (in Deutschland) betrachten und einen Paralleltext verfassen. Margit Dietz

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Menschen am Oberstufen-Kolleg

Hans Kroeger

Abschied, Beginn, Bewegungen

Auch im Personalbereich war das Oberstufen-Kolleg im Aus-bildungsjahr 2006/07 geprägt von den z.T. außerordentlich schwierigen Verhandlungen um die Weiterfüh-rung und Zukunft der Versuchsschule. Nachdem relativ früh geklärt war, dass die neue Wissenschaftliche Einrichtung an der Fakultät für Pädagogik insgesamt sieben Wissenschaftler-Stellen und zwei Nichtwissenschaftler-Stellen im Haushalt der Universität Bielefeld halten kann, war die Ausstattung der Versuchsschule Oberstufen-Kolleg mit Lehrenden und nichtpädagogischem Personal im neuen Geschäftsbereich des Ministeriums für Schule und Weiterbildung lange Zeit kontrovers. Im Ergebnis musste das Oberstufen-Kolleg eine Kürzung um weitere neun Lehrenden- und sieben TaM-Stellen hinnehmen. Wenn bis zum Jahr 2010 insgesamt 16 kw-Vermerke realisiert, d.h. die entsprechenden Stellen eingespart sind, wird die Versuchsschule noch über 56 Lehrenden-Stellen und 8 TaM-Stellen verfügen, zuzüglich der bei der Universität im Rahmen des von ihr über-nommenen Gebäudemanagements geführten Hausmeister.

Diese Verhandlungsergebnisse und die bis zum Ende des Jahres 2006 geltende Einstellungs- und Beförderungssperre haben dazu geführt, dass für das Ausbildungsjahr 2006/07 fast nur Abschiede berichtet werden können. Dies wird sich aufgrund der zahlreichen kw-Vermerke wohl auch in den kommenden Jahren nur geringfügig ändern.

Abschied vom Oberstufen-Kolleg:

Elke Brinkmann war ein Jahr bis zum 31.1.07 als Diplom-Sozialpädagogin im Berufsanerkennungsjahr beschäftigt und hat mit großem Engagement und viel Kreativität insbesondere das Kulturcafé betreut. Dabei war es ihr ein großes Anliegen, Kollegiatinnen und Kollegiaten aus den unterschiedlichsten Gruppierungen anzusprechen und mit Aktivitäten zusammenzuführen.

Johannes Brünink ist am 19.8.06 nach langer Krankheit im Alter von 63 Jahren gestorben. Er kam 1975 nach Bielefeld ans Oberstufen-Kolleg für das Wahlfach Pädagogik. Zuvor hatte er nach Abschluss der Mittleren Reife im Verwal-tungsdienst der Bundespost gearbeitet und anderthalb Jahre Grundwehrersatzdienst geleistet. Nach bestandener »Eignungsprüfung für Bewerber ohne Reifezeugnis« hat Jo Brünink von 1968 bis 1974 in Osnabrück und Berlin Pädagogik studiert und mit dem Diplom abgeschlossen. In seinen vielseitigen Tätigkeiten am Oberstufen-Kolleg wurde Jo Brünink vor allem für seine klaren theoretischen Analysen und seine Kompetenz zum Verstehen komplexer Zusammenhänge geschätzt. Darüber hinaus fand er immer Gelegenheit, humorvolle oder ironische Geschichten zu erzählen, literarische Anregungen auszutauschen oder über gekonnt formulierte Witze zu lachen. Ab 1984 hat Jo Brü-nink mit einem erheblichen Teil seines Engagements und seiner Arbeitskraft im Personalrat der Wissenschaftlichen MitarbeiterInnen der Universität Bielefeld mitgewirkt und dort – zusammen mit Gerlinde Günther-Boemke – den Vor-sitz wahrgenommen. In dieser Funktion entwickelte er sich zum Experten in allen Fragen des Tarif- und Arbeitsrechts und hat damit auch vielen Beschäftigten der Universität zur Beratung und Wahrung ihrer Interessen ver-holfen.

Volker Theo Eggeling ist im Juli 2006 mit 64 Jahren aus dem Dienst am Oberstufen-Kolleg ausgeschieden, den er 1976 angetreten hatte. Zuvor hatte Volker Eggeling eine Ausbil-dung als Bergmann und Zechenelektriker abgeschlossen. Nach dem Abitur auf dem Zweiten Bil-dungsweg 1967 stu-dierte er Geografie, Geschichte und Soziologie und legte in diesen Fächern 1975 das Zweite Staatsexamen ab, um in den nachfolgenden Jahren an einer hessi-schen Gesamtschule zu unterrichten. Am Oberstufen-Kolleg war Volker Eggeling

engagierter Vertreter für das Wahlfach Geografie, an dessen curricularer Entwicklung und Ausgestaltung er maßgeblich beteiligt war. Darüber hinaus wirkte er jahrzehntelang im Prüfungsrat mit und war fast ebenso lange Experte für alle Übergangsfragen von Kollegiatinnen und Kollegiaten in höhere Fachsemester an den Hochschulen. In den letzten Jah-ren hat sich Volker Eggeling zunehmend im Bereich ‚Training Deutsch‘ an Kursen zum Erstellen einer Facharbeit beteiligt und entsprechende Kurskonzepte entwickelt und veröffentli-cht. Als Mitglied der SPD hat er sich seit Ende der 80er Jahre in erheblichem Umfang kommunalpolitisch betätigt und sowohl im Kreistag des Landkreises Osnabrück, im Rat der Stadt Melle als auch als Ortsbürgermeister von Neuenkirchen politisch gearbeitet. Als bildungspolitischer Sprecher der SPD hat er dabei sicher auch die pädagogischen und bildungspoli-tischen Konzepte des Oberstufen-Kollegs mit eingebracht.

Christian Hahn kam im Februar 1977 als Physiker an das Oberstufen-Kolleg. Nach seinem Abitur hat er an der Tech-nischen Universität Berlin Physik studiert und sein Studium am Institut für Kernphysik mit der Diplomprüfung 1969 abgeschlossen. Als Wissenschaftlicher Mitarbeiter arbeitete er danach am Max-Planck-Institut für Strömungsforschung in Göttingen; seine Promotion schloss er 1972 am Phy-sikalischen Institut der Universität Bonn ab. Nach kurzer Tätigkeit beim Technischen Überwachungsverein Rhein-land wurde Christian Hahn 1973 als Wissenschaftlicher Angestellter an der Fakultät für Physik der neu gegründe-ten Universität Bielefeld eingestellt; hier engagierte er sich u.a. für den Aufbau eines physikalischen Anfänger- und Fortgeschrittenen-Praktikums. Am Oberstufen-Kolleg hat sich Christian Hahn vor allem für die Entwicklung und unterrichtspraktische Umsetzung des Wahlfachcurriculums Physik eingesetzt. Daneben hat er sich in der Mathema-tik-Ausbildung engagiert und verschiedene Konzepte im fächerübergreifenden Unterricht und in der Projektarbeit entwi-ckelt. Darüber hinaus hat Christian Hahn jahrelang die Fotomaterialien und das Fotolabor des Oberstufen-Kol-legs mit betreut. Ende Oktober 2006 ist er in den Ruhestand gegangen.

Am 1. Januar 1974 wurde Hans Joachim Küster zum Akade-mischen Rat am Oberstufen-Kolleg ernannt und bereitete damit noch vor der Eröffnung des Oberstufen-Kollegs die Curri-cula und den Unterricht insbesondere im Fach Tech-nik vor. Nach seinem Abitur in Hamburg hat Hajo Küster an der Technischen Universität Berlin von 1961 bis 1968 Allgemeinen und Theoretischen Maschinenbau studiert und mit der Diplomprüfung abgeschlossen. 1972 legte er seine Doktorarbeit vor mit einem »Integralverfahren zur Berechnung zweidimensionaler kompressibler turbulenter Grenzschichten« und arbeitete bis zum Wechsel nach Biele-feld als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität Berlin. Am Oberstufen-Kolleg war Hajo Küster

neben seinen Tätigkeiten im Fach Technik u.a. als EDV-Beauftragter für die Beschaffung und Einrichtung des ersten Rechnerlabors zuständig, kümmerte sich um den Aufbau des KollegiatInnen-Wohnheims und war von 1975 bis 1977 Lei-ter des CUNA-Projekts »Experimentelles Grundpraktikum Naturwissenschaften«. Von März bis August 1988 nahm Hajo Küster eine Gastdozentur in Shanghai/China wahr. In der Kollegleitung wirkte er von 1992 bis 1996 als Sachbe-reichsleiter Verwaltung und Haushalt mit. Vielen wird Hajo Küster sicher auch in Erinnerung bleiben aufgrund seiner vielfältigen technischen Projekte, die er zusammen mit Kol-legiatinnen und Kollegiaten am Oberstufen-Kolleg durchge-führt hat. Am 31.8.06 ist er in den Ruhestand getreten.

Manfred Müller-Ammel ist am 30.9.06 bei Antritt einer Urlaubsreise im Alter von 67 Jahren überraschend gestorben. Nach seinem Abitur hatte Manfred Müller-Ammel in Frank-furt/M. die Fächer Geografie, Politik und Pädagogik studiert und drei Jahre als Außenhandelskaufmann gearbeitet; fünf Jahre war er nebenberuflich am Institut für Sozialarbeit für lern- und arbeitsgestörte Schüler tätig. Nach Abschluss seines Referendariats in Frankfurt/M. im Juni 1977 wurde er Anfang September 1977 für die Fächer Geografie und ange-wandte Geologie als Studienrat am Oberstufen-Kolleg einge-stellt. In beide Fachkonferenzen hat Manfred Müller-Ammel seine unterrichtlichen und planerischen Kompetenzen ein-gebracht. Im Bereich des fächerübergreifenden Unterrichts hat er den Schwerpunkt »Landeskundliche Studien« entwi-ckelt und mehrere Kurse zum Thema »Japan« konzipiert. Von 1983 bis 1987 nahm er in der Kollegleitung das Amt des Pädagogischen Leiters wahr und hat jahrelang im Prüfungs-rat, aber auch in Arbeitsgruppen zum Ausbau der Medio-thek, zur Sozialarbeit und zur Gestaltung des Wohnheims des Oberstufen-Kollegs mitgewirkt. Zum 31.8.2004 war Manfred Müller-Ammel in den Ruhestand getreten.

Mustapha Riahi war vom April 2005 bis Ende 2006 als Aus-hilfshandwerker im Oberstufen-Kolleg beschäftigt. In der Zeit des Übergangs vom alten Oberstufen-Kolleg zum NeOS war Mustapha eine große Unterstützung bei der Umgestal-tung zahlreicher Räume. Darüber hinaus gab es mehr als dreißig Jahre nach der Eröffnung des Unterrichtsbetriebs am Oberstufen-Kolleg viele Ecken, Keller und Abstellorte, die Mustapha durch Aufräumen und Streichen wieder einer funktionsgerechten Verwendung zuführte. Aufgrund des Wegfalls der Stelle konnte Mustapha leider nicht weiter bzw. nur noch stundenweise beschäftigt werden.

Aufgrund der Stelleneinsparungen im Bereich der tech-nisch-administrativen MitarbeiterInnen werden voraus-sichtlich spätestens zum 01.08.07 Isolde Alexander, Karin

Benn, Siegfried Berger, Lilian o‘Donoghue, Lilian Kordges, Klaus

Kulitza und Wilfried Zimmermann in den Bereich der Univer-sität Bielefeld übernommen.

Menschen am Oberstufen-Kolleg

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Neu im Oberstufen-KollegDie im Dezember 2005 erlassene Einstellungs- und

Beförderungssperre hatte zur Folge, dass im Jahr 2006 keine Stelle neu ausgeschrieben und besetzt werden durfte. Immerhin konnte erreicht werden, dass die ab Herbst 2005 zunächst befristet eingestellten Lehrenden Holger Bekel

(Biologie, Informatik), Karl-Norbert Ihmig (Mathematik, Philosophie), Maria Mateo-Ferrer (Spanisch, Philosophie) und Ian Voß (Informatik, Mathematik) entweder unbe-fristet bzw. – nach Abschluss ihres berufsbegleitenden Referendariats – mit Aussicht auf unbefristete Übernahme weiterbeschäftigt werden.

Als einzige Neueinstellung hat Donata Lippert zum 1.3.07 das einjährige Berufspraktikum im Fach Sozialpädagogik begonnen und damit die Nachfolge von Elke Brinkmann angetreten.

BewegungenFür die letzte Amtsperiode der Hauptkonferenz, bevor

nach dem 1.8.07 nach dem neuen und auch für das Ober-stufen-Kolleg geltenden Schulgesetz NRW eine Schulkon-ferenz gewählt wird, ist Hans Hermsen zum Vorsitzenden gewählt worden.

Stefan Keymer (Deutsch, Philosophie) wurde mit Ablauf der Beförderungssperre im November 2006 zum Oberstu-dienrat befördert und als Koordinationsaufgabe mit der Entwicklung und Durchführung der Deutsch-Diagnosen betraut.

Peter Neumann (Deutsch, Sport) wurde am 25.1.07 zum Stu-dienrat auf Lebenszeit ernannt.

Christian Schweihofen (Biologie, Sport) wurde im August 2006 als Fachleiter für das Fach Sport an das Studienseminar S II in Bielefeld berufen.

Abschied von unseren Werkmeistern

Vor allem die Versetzung unserer Werkmeister und die

faktische Schließung der Holz-, Metall- und Elektronik-

Werkstatt trifft uns sehr, waren doch seit Beginn des

Oberstufen-Kollegs Projekte in den Werkstätten und in

den letzten Jahren die »Werkstattkurse« besondere, ja

herausragende Lerngelegenheiten für Kollegiatinnen und

Kollegiaten.

Und: Die Kooperation mit der ESPOL und dem Colegio

Aleman in Guayaquil (Ecuador) wären ohne die Initiati-

ve und das Engagement von Willi Zimmermann weder

zustande gekommen noch über so viele Jahr erfolgreich

verlaufen.

Lieber Willi, lieber Siegfried, lieber Klaus, herzlichen

Dank für Eure Ideen und die Unterstützung, die Ihr uns

gegeben habt.

Die Redaktion – sicher auch im Namen

vieler Kolleg/innen

Menschen am Oberstufen-Kolleg

Was macht eigentlich ...?

... Helga Franzen?

Helga Franzen ist 49 Jahre alt und war 1980 bis 1984 Kol-legiatin mit den Wahlfächern Pädagogik und Geschich-

te am OS. Nach einem bewegten Leben hat sie nun den vor-läufigen Höhepunkt ihrer Karriere erreicht: Seit Januar 2007 ist sie Geschäftsführerin im Museum MARTa in Herford.

Ehrfürchtig betritt man als Besucherin den imposanten Museumsbau des berühmten Architekten Frank Gehry. Das verwinkelte Gebäude erinnert von außen an Wellen in stürmischer See, besonders aus der Vogel-perspektive. Im Inneren herrscht jedoch eine ruhige Atmosphäre. Will man mit der neuen Geschäftsführerin sprechen, so muss man sich an der Rezeption anmel-den und wird nach einer kurzen Warte-zeit von einer Sekretärin empfangen und zu ihr in den 2. Stock geleitet.

Die selbstbewusste Frau residiert in einem kleinen Büro, durch dessen Fenster man die Rückseite der großen Lettern sieht, die außen am Gebäude angebracht sind: MARTa ist von hier aus in Spie-gelschrift zu lesen. Draußen ist ein sehr warmer Apriltag, hier drinnen ist es angenehm frisch.

Gefragt, wie ihr Leben seit dem Abschluss am OS 1984 verlaufen sei und wie sie sich ihre beeindruckende Karriere erkläre, antwortet sie spontan: »Ich musste schon immer viel kämpfen.« Helgas Leben verlief keineswegs geradlinig. Nachdem sie zunächst ein Studium der Fächer Russisch und Geschichte begonnen hatte, stellte sich heraus, dass sie schwer krank war: Sie wurde dialysepflichtig. Ihre Ehe hielt dieser Prüfung nicht stand, Helgas Mann verließ sie. Das Studium hatte sie schon vorher ohne Abschluss abge-brochen um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Aufgrund ihrer gesundheitlichen Verfassung war Helga zwei Jahre lang erwerbsunfähig. Sie konnte aber in dieser Krise noch drei Semester Psychologie studieren.

Die schwere Zeit endete, als sie die Möglichkeit einer Nie-rentransplantation erhielt. Seitdem ging es aufwärts. Helga nahm zunächst kleine Jobs an als geringfügig Beschäftigte, unter anderem bei »Kurz um«, einem Umzugs- und Hand-werksbetrieb, bei dem sie nach ihrer Transplantation 1993 fest angestellt wurde. Sie baute den Betrieb mit auf und erweiterte ihre Erfahrungen im betriebswirtschaftlichen und im Verwaltungsbereich. (Vor dem OS hatte sie eine

kaufmännische Ausbildung absolviert). Nachdem sie acht Jahre dort tätig gewe-

sen war, wollte Helga mal wieder etwas Anderes machen und bewarb sich an der Kunsthalle Bielefeld. Die neue Stelle dort war eine Herausforderung, weil Helga mit Kunst bis dahin kaum etwas zu tun gehabt hatte. Hier bestand ihre Aufgabe darin, die finanziellen Angelegenheiten mit den künst-lerischen Anliegen kompatibel zu machen, denn sie war, wie auch jetzt im MARTa, für den Haushalt verantwortlich. Qua Position muss sie also die Pragmatikerin sein, die das Geld zusammenhält, das die Kunstwissen-

schaftlerinnen nur zu gerne mit vollen Händen für ihre ehr-geizigen Projekte ausgeben würden. Da sind Konflikte vor-programmiert. Aber nicht aus diesem Grund bewarb Helga sich nach sieben Jahren in Herford beim MARTa, sondern weil sie erneut eine berufliche Veränderung suchte.

Angespornt durch die Tatsache, dass sich in den wenigen Jahren des Bestehens des MARTa (seit 2004) bereits einige der dortigen Geschäftsführer von Helga beraten lassen hat-ten, wenn sie nicht weiter wussten, reichte Helga 2006 ihre Bewerbungsunterlagen ein. Aufgrund ihrer Museumserfah-rung und ihrer Erfolge in der Bielefelder Kunsthalle bekam sie die Stelle. Die neue Position ist wieder eine Herausfor-derung, denn das MARTa gehört zu einer »anderen Liga« im Museumsbetrieb und hat es zugleich schwerer, weil hier

Gerlinde Volland

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die Gegenwartskunst im Mittelpunkt steht und nicht die klassische Moderne, die bei Besuchern und Kulturpolitikern noch eher auf Akzeptanz stößt.

Bemerkenswert ist, dass Helga dies alles geschafft hat, obwohl sie keinen Studienabschluss vorweisen kann. Hat ihr denn der Besuch des Oberstufenkollegs für ihre Kar-riere etwas gebracht? Sie bejaht entschieden: Das OS habe ihr nicht nur zum Abitur verholfen, sondern auch ihren Horizont erheblich erweitert und sie für neue Interessen geöffnet. Besonders positiv hat sie ihre Geschichtslehrer Wolfgang Emer und Uwe Horst in Erinnerung, – und vor allem die Pädagogik-Lehrende Renate Kerbst, die mit den Kollegiatinnen ein überregional wahrgenommenes mul-

timediales Ausstellungsprojekt zum Thema Frauen in der Friedensbewegung realisierte. Ein Erlebnis, das Helga auch besonders im Gedächtnis geblieben ist, war eine Demons-tration von KollegiatInnen gegen das gegen Jupp Asdonk aus politischen Gründen verhängte Berufsverbot.

»Die vier Jahre am OS waren für mein Leben eigentlich die glücklichste Zeit, ich war ja sehr friedensbewegt und politisch aktiv, – ja, diese Zeit war schon sehr prägend für mich«, bilanziert Helga am Ende unseres Gesprächs.

Wir vom OS wünschen Helga weiterhin ein gesundes, glückliches Leben und Erfolg in ihrem nicht ganz einfachen Job. Auf dass sie sich ihr offenes Lachen, aber auch das kri-tische Hinterfragen der Dinge bewahren möge.

... Nil Alam?

Nil Alam ist Mitglied in der Band MANTIS, die im

Juni beim Carnival der Kulturen als Hauptband auf der

Abschlussveranstaltung spielte und im Juli 2006 im Rock-

palast aufgetreten ist. Das war Anlass genug, um Nil per

Mail drei Fragen beantworten zu lassen.

Name: Nil Alam; Alter: 29; OS-Jahrgang: 1995, Fächer: Musik, Psychologie; Studium: Dipl. Päd., 10 Semester an der Uni Bielefeld

Ch: Was bedeutet die Tatsache, dass du beim Rockpalast

auftreten konntest für dich ?

Die Tatsache, dass man sich und seine Musik der allge-meinen Öffentlichkeit präsentiert, ist viel wichtiger als die

Tatsache, dass man an einem TV-Format wie Rockpalast teil-nimmt. Es ist wichtig, dass die Musik letzt-lich für viele Menschen und die Öffentlich-keit zugänglich gemacht wird, wenn man von ihr leben möchte. Die Probleme von Musikern sind

somit offensichtlich. Einerseits ist das Leben als Musiker sehr anstrengend und weniger lukrativ, weil durch die Musik, Organisation, Vorbereitung, Promotion, Label-Arbeit,

Proben etc. sehr viel Zeit verloren geht und man seine Privatsphäre auf ein Minimum herunterschrauben muss. Trotzdem fühlt es sich sehr gut an, wenn man vielen Men-schen einen schönen musikalischen Abend bereitet. Mit das Schönste ist auch, wenn das Publikum, das man noch nie zuvor gesehen hat, die Texte mitsingt und dich den ganzen Abend feiert. Dafür lohnt es sich.

Ch: Was haben deine jetzigen Aktivitäten mit deiner Zeit

am OS zu tun?

Eigentlich ziemlich viel, da das OS mir die Chance und Fähigkeit übermittelt hat, eigenständig zu denken, orga-nisieren, partizipieren und mit verschiedenen Arten und Persönlichkeiten von Menschen umgehen zu können.

Die Tatsache, dass ich auch das Fach Musik im Ober-stufen-Kolleg besucht habe, hat mir natürlich den Weg für meine musikalische Karriere geebnet. Der Fachbereich ist sehr wichtig für die Weiterentwicklung und die Expansion von den künstlerischen Fähigkeiten eines Musikers. Auch der individuelle Instrumentalunterricht hat mir sehr zu meiner jetzigen Berufsausübung geholfen. Ihr könnt euch auch ein eigenes Bild von meiner künstlerischen Arbeit unter www.myspace.com/nilalam machen.

Ch: Was würdest du den heutigen KollegiatInnen auf den

Weg mitgeben wollen?

Nehmt das Projekt OS nicht als Schule war, sondern als eine Einrichtung, die versucht, aus jedem Kolli ein selbstbe-wusstes und eigenständiges Individuum in unserer heutigen Leistungsgesellschaft zu machen. Ihr werdet es erst später bemerken, wie sehr euch das OS auf euren Lebensweg vor-bereitet.

Grüsse an alle Kollis – Nil

Christina Thomas

Horst Rühaak kam 1972 nach Bielefeld und arbeitete am Auf-

bau des Oberstufen-Kollgs, der Organisation des Unterrichts

und der FuE-Aktivitäten und – mit besonderer Aufmerksam-

keit – der Entwicklung seines Fachs Mathematik mit. Schon

in den Anfangsjahren, dann noch einmal von 1994–1998 war

er Organisations- und stellvertretender Kollegleiter. 2005 ist

er nach �� Jahren am Kolleg in den Ruhestand getreten. Hier

berichtet er von einem neuen Engagement:

A nnemarie von der Groeben, ehemalige Kollegin der Laborschule, hat auf einem unserer Ehemaligentref-

fen (d.h. der ehemaligen KollegInnen des OS), auf denen wir uns über die Gestaltung unseres Ruhestandes austau-schen und die wir seit nunmehr zwei Jahren in lockeren, vier- bis fünfwöchigen Abständen im UniMax in unmittel-barer Nähe des OS abhalten, über eine ihrer Vorstellungen berichtet: TABULA, eine Bürgerinitiative, die sich aus Profis unterschiedlicher Bereiche, insbesondere erfahrenen Leh-rerInnen, aber auch aus Auszubildenden und Studierenden zusammensetzt und sich für die Bildung von Kindern und Jugendlichen engagieren soll.

Spontan sind darauf hin viele ehemalige OS-Lehrende auf der nächsten öffentlichen Versammlung am Nikolaustag 2005 erschienen, haben nicht nur Interesse signalisiert, son-dern Mitarbeit angeboten und inzwischen auch geleistet.

.Im Folgenden gebe ich einige Eindrücke wieder: Unsere Startschulen sind die Josefschule (Grundschule) und die Lutherschule (Hauptschule), mit einem sehr hohem Anteil an SchülerInnen mit Migrationshintergrund und beides wohl Brennpunktschulen. Das Erfinden interessanter Pro-jekte fällt uns leicht, die verbindliche, verlässliche Zusam-menstellung der Betreuerteams schon schwerer, erscheint nur möglich durch Doppelt- und Dreifachbesetzung, weil man nach jahrzehntelangen ständigen Anwesenheitsver-pflichtungen im Ruhestand sich den Luxus des Heutemal-nicht gönnen können will. Verpflichtungen einzugehen für Ferienangebote (Sommerschule, Intensivbetreuung in den Ferien) erweist sich schwerer als erwartet, da nun Enkel-kinder Großeltern an die Ferien binden.

Kinder finden fällt nicht schwer, da Kooperation mit Schul-leitungen und Kollegien sichergestellt ist, Elternzustimmung einzuholen dagegen sehr. (Die erste großgeplante Sommerschu-le mit weit über 100 SchülerInnenanmeldungen, aber leider nur 5 elterlichen Bestätigungen fiel weitgehend ins Wasser.)

Mit Drittklässlern (Josefschule) habe ich keine Erfah-rung, was ich höre ist: eifrig, begeistert, aber auch schwierig, weil unkonzentriert und unzuverlässig. Der Trick ist, sie aus der Schule herauszuholen; dann sind sie wie verwan-delt. Durch hohen Einsatz (personell und individuell) ist es gelungen, eine Tierfreundegruppe und eine Bauern-

hofgruppe zu installieren; gute Lernfortschritte und verbessertes Sozialverhalten werden beobach-tet. Fünft- und Sechstklässler sind das eigentliche Problem. Ständiges Sichan- und Niederschreien, das häufig körperliche, wenn auch meist spielerische Auseinander-setzungen nach sich zieht, gilt als einziges Mittel sich durchsetzen; es nerven Unkonzentriertheit und Unzuverlässigkeit. Dennoch: eta-bliert sind nach Schwierigkeiten eine Trickfilmgruppe, eine Spielegruppe, eine Sportgruppe, die andere Nachmittagsan-gebote, auch anderer Anbieter ergänzen.

Der von uns getragene spezielle Förderunterricht Eng-lisch für die 6. Klasse (8 SchülerInnen aus 5 Nationen, die aus unterschiedlichsten Gründen über zu wenig oder keine Kenntnisse verfügen) gestaltet sich teils extrem schwierig, eine Motivation ist kaum zu erkennen. Weit problemloser ist der Förderunterricht Englisch für SchülerInnen aus Jahr-gang 9, die verstanden haben, dass sie ihre unverschuldeten Defizite ausgleichen müssen und können.

Schließlich sind da noch die Neunt- und Zehntklässler-gruppen für Training Deutsch, Mathematik, Englisch. Abge-sehen von Problemen in der Deutschgruppe, der Einsicht für Defizite am schwersten zu vermitteln war – sie sprechen ja –, und sich in Unzuverlässigkeit in Anwesenheit und Mitarbeit zeigte, haben wir hier gute Ergebnisse. Hohe Motivation war gegeben, wenn auch ganz eindeutig von außen gesetzt: Wird es reichen für die zentralen Abschlusstests, die in den nächsten Wochen stattfinden? Bei einigen schon, bei vielen kaum. Was bedeutet das für diese – und für uns?

Zunehmend frage ich mich, ob die gespendete Zeit nicht sinnvoller in Arbeit gegen eine verfehlte, rückwärtsgerichtete Bildungspolitik fließen sollte. Wenn da die Kinder nicht wären!

Ich selbst spende Zeit im TABULA-Vorstand, als Englisch- und Mathematiktrainer. Es ist eine wichtige und willkom-mene Investition für die Gestaltung meines Ruhestandes. Die Vereinsarbeit entwickelt sich zu meiner Zufriedenheit, die Arbeit mit den Sechstklässlern führt mich an meine Grenzen und gleichzeitig zu grenzenloser Hochachtung vor den Kol-legInnen unserer Partnerschulen; die Arbeit mit den Älteren stellt mich sehr zufrieden – hoffentlich lohnt sie sich auch für die Kinder. Vollkommen klar ist mir inzwischen, dass wir langfristig nur erfolgreich sein können, wenn aus Einzelkon-takten zu Eltern Kooperationsbeziehungen werden.

... Horst Rühaak?

Was macht eigentlich ...?Was macht eigentlich ...?

Nil Alam in seiner Band »Mantis«

(hinten zweiter von rechs)

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Sebastian Boller, Elke Rosowski, Thea Stroot (Hrsg.): Hetero-genität in Schule und Unterricht. Handlungsansätze zum pädagogischen Umgang mit Vielfalt.

R. Bähr, J. Bessen, W. Emer, G. Günther-Boemke, H.-H. Schwarz (Hrsg.): Schule auf Reisen. Exkursionen als Möglichkeit vielseitigen Lernens in der Sekundarstufe II – Konzeption und Beispiele

Ida Hackenbroch-Krafft u.a.: Texte überarbeiten ...

Wolfgang Emer u. a.: Zeiten und Menschen – Geschichts-werk für die gymnasiale Oberstufe (Bd. 1)

Hans von Fabeck: Jenseits der Geschichte – Zur Dialektik des Posthistoire. 2007, 207 Seiten, kart., EUR 24.90/CHF 42.70, ISBN: 978-3-7705-4444-8.

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