Ein Leben in Bildern. Lotte Funke zum 75. Geburtstag€¦ · Lotte Funke zum 75. Geburtstag 26....

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1 Eröffnungsrede Thomas Engelhardt zur Ausstellung Ein Leben in Bildern. Lotte Funke zum 75. Geburtstag 26. Januar - 18. Mai 2014 Sehr geehrte Frau Dr. Preuß, meine Damen und Herren, liebe Frau Funke, seien Sie auch im Namen des Stadtmuseums herzlich willkommen. Ich freue mich, dass wir die Ausstellung zum 75. Geburtstag von Lotte Funke heute - wenn auch etwas verspätet - hier im Museum eröffnen können. Der heutige Tag ist auch für uns etwas Besonderes, denn es ist das erste Mal, dass wir einen Künstler oder eine Künstlerin aus der Region zu einem runden Ge- burtstag mit einer Ausstellung würdigen. Wer das Stadtmuseum kennt, weiß, dass es dafür einen besonderen Grund gibt - nämlich die Marianne-Seltner-Stiftung. Diese Stiftung geht auf die Berufsschullehrerin Marianne Seltner zu- rück, die in ihrer Freizeit viel malte und sich als naive Künstlerin verstand. Da sie keine Angehö- rigen hatte, vermachte sie ihr kleines Vermögen der Stadt mit der Auflage, naive Kunst zu för- dern. Unterstützt durch die Seltner-Stiftung, konnte das Museum inzwischen vier große Ausstellungen zur Naiven Kunst zeigen, an denen international bedeutenden Sammlungen beteiligt waren. Der Auftakt der Reihe war 1998/99 die Ausstellung "Naive Kunst. Das Museum Charlotte Zander, Schloß Bönnigheim, zu Gast in Erlangen", 2004 folgte die Ausstellung "Einfache Welten? Naive Kunst aus dem Clemens-Sels-Museum Neuss." Zu diesen beiden ersten Ausstellungen gab es eigene Präsentationen zur "Naiven Malerei in der Region", in denen Lotte Funke vertreten war. Erinnern möchte ich außerdem an die Einzelausstellung "Die Stadt im Blick" 2006. Sie brachte hier im Museumsfoyer eine nahezu vollständige Zusammenschau der Erlanger Stadtansichten, die Lotte Funke bis dahin gemalt hatte, darunter auch die über 8 Meter lange Ansicht der Goe- thestraße. Frau Funke hat diese Straßenansicht, die mit ihren elf Bildtafeln einen eigenen Werk- komplex darstellt, inzwischen dem Museum als Schenkung überlassen. Für dieses wunderbare Geschenk möchte Ihnen, liebe Frau Funke, an dieser Stelle noch einmal herzlich danken. Die heutige Ausstellung ist demnach unsere zweite Einzelausstellung mit Lotte Funke. Dem An- lass entsprechend gibt sie am Beispiel von 23 Bildern einen exemplarischen Überblick über das Werk der Künstlerin. Die ausgewählten Gemälde repräsentieren alle Schaffensperioden bzw. Lebensstationen der Malerin und stammen überwiegend aus deren Besitz. Zur Einführung habe ich sechs Bilder herausgriffen, die ich Ihnen vorstellen möchte, um die Bandbreite dieses Werks zu zeigen. Die Reihenfolge ist chronologisch, so dass auch die künst- lerische Entwicklung deutlich wird.

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Eröffnungsrede Thomas Engelhardt zur Ausstellung

Ein Leben in Bildern. Lotte Funke zum 75. Geburtstag

26. Januar - 18. Mai 2014 Sehr geehrte Frau Dr. Preuß, meine Damen und Herren, liebe Frau Funke, seien Sie auch im Namen des Stadtmuseums herzlich willkommen. Ich freue mich, dass wir die Ausstellung zum 75. Geburtstag von Lotte Funke heute - wenn auch etwas verspätet - hier im Museum eröffnen können. Der heutige Tag ist auch für uns etwas Besonderes, denn es ist das erste Mal, dass wir einen Künstler oder eine Künstlerin aus der Region zu einem runden Ge-burtstag mit einer Ausstellung würdigen. Wer das Stadtmuseum kennt, weiß, dass es dafür einen besonderen Grund gibt - nämlich die Marianne-Seltner-Stiftung. Diese Stiftung geht auf die Berufsschullehrerin Marianne Seltner zu-rück, die in ihrer Freizeit viel malte und sich als naive Künstlerin verstand. Da sie keine Angehö-rigen hatte, vermachte sie ihr kleines Vermögen der Stadt mit der Auflage, naive Kunst zu för-dern. Unterstützt durch die Seltner-Stiftung, konnte das Museum inzwischen vier große Ausstellungen zur Naiven Kunst zeigen, an denen international bedeutenden Sammlungen beteiligt waren. Der Auftakt der Reihe war 1998/99 die Ausstellung "Naive Kunst. Das Museum Charlotte Zander, Schloß Bönnigheim, zu Gast in Erlangen", 2004 folgte die Ausstellung "Einfache Welten? Naive Kunst aus dem Clemens-Sels-Museum Neuss." Zu diesen beiden ersten Ausstellungen gab es eigene Präsentationen zur "Naiven Malerei in der Region", in denen Lotte Funke vertreten war. Erinnern möchte ich außerdem an die Einzelausstellung "Die Stadt im Blick" 2006. Sie brachte hier im Museumsfoyer eine nahezu vollständige Zusammenschau der Erlanger Stadtansichten, die Lotte Funke bis dahin gemalt hatte, darunter auch die über 8 Meter lange Ansicht der Goe-thestraße. Frau Funke hat diese Straßenansicht, die mit ihren elf Bildtafeln einen eigenen Werk-komplex darstellt, inzwischen dem Museum als Schenkung überlassen. Für dieses wunderbare Geschenk möchte Ihnen, liebe Frau Funke, an dieser Stelle noch einmal herzlich danken. Die heutige Ausstellung ist demnach unsere zweite Einzelausstellung mit Lotte Funke. Dem An-lass entsprechend gibt sie am Beispiel von 23 Bildern einen exemplarischen Überblick über das Werk der Künstlerin. Die ausgewählten Gemälde repräsentieren alle Schaffensperioden bzw. Lebensstationen der Malerin und stammen überwiegend aus deren Besitz. Zur Einführung habe ich sechs Bilder herausgriffen, die ich Ihnen vorstellen möchte, um die Bandbreite dieses Werks zu zeigen. Die Reihenfolge ist chronologisch, so dass auch die künst-lerische Entwicklung deutlich wird.

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1. Fischverkäuferin, 1968 Öl auf Baumwollgewebe, 79,5 x 92 cm Wie Frau Dr. Preuß bereits erwähnt hat, ist Lotte Funke als autodidaktische Quereinsteigerin zur Kunst gekommen. Ihre ersten Bilder entstanden während des Auslandaufenthalts in Bangkok von 1966 - 1969 und verarbeiten Eindrücke dieser exotisch wirkenden Welt. In der Ausstellung ist dieses Frühwerk mit zwei Gemälden vertreten, - eines davon ist dieses Bild einer Fischverkäuferin in einem Markt in Bangkok. Die Verkäuferin sitzt mit einem angewin-kelten Bein am Boden, umgeben von verschiedensten Meerestieren. Im Hintergrund hängen in wohlgeordneten Reihen Fische und davor getrocknete Tintenfische, sodass sich ein regelmäßi-ges Muster ergibt. Links liegen lebende Riesengarnelen oder Langusten zum Verkauf bereit; am Boden erkennt man Krebse, die ebenfalls noch leben und vorwurfsvoll nach oben blicken. Man hat sie zusammengebunden, damit sie nicht weglaufen können. Stilistisch unterscheidet sich das Bild deutlich von den späteren Werken. Der Farbauftrag ist gröber, die Konturen sind weicher und die räumliche Tiefe fehlt. Irgendwie fühlt man sich an Gaugins Tahiti-Bilder erinnert, doch ist die Bildintention eine ganz andere. Von Gaugins Sehn-sucht nach dem Paradies ist nichts zu spüren. Andererseits finden sich in diesem frühen Bild bereits viele stilistische Merkmale, die auch für das spätere Werk charakteristisch sind: so etwa die Vorliebe für ornamental wirkende Reihun-gen, der symmetrische Bildaufbau, die Akzentuierung der Bildmitte und die starke Betonung der Horizontalen und der Vertikalen.

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2. Sonntag in Schevenigen, 1981 Öl auf Leinwand, 80 x 120 cm Nun der "Sonntag in Scheveningen". In dem 1981 entstandenen Bild hat die Malerin ihre Ein-drücke vom Strandleben in Schevenigen festgehalten, wo die Familie Funke während ihres Hol-landaufenthalts gewohnt hat. Ein älteres Fischerpaar sitzt ruhig auf einer Bank an der Strandpromenade. Beide haben offen-bar gerade die Sonntagsmesse besucht, denn sie tragen die traditionelle Kirchgangskleidung, und neben dem Pfeife rauchenden Fischer liegt noch das Gebetbuch. Im Hintergrund: der Nord-seestrand mit badenden Touristen und Spaziergängern, auf dem Meer viele Segelboote, dahin-ter der türkisblaue Himmel. Das Ganze wirkt zunächst wie eine folkloristische Idylle. Aber wenn man sich das Bild näher ansieht, wird deutlich, dass es hier um eine Geschichte geht, die von den Kehrseiten des Fort-schritts erzählt. Scheveningen war ursprünglich ein Fischerdorf. Heute gehört es zu Den Haag und ist ein international bekannter Ferienort mit 20 großen Hotels, Kurhaus, Casino und Strand-promenade. Der Massentourismus hat den Ort völlig in Besitz genommen, so dass die Dorfbe-wohner in ihrer eigenen Heimat beinahe zu Fremden geworden sind - sie erscheinen wie Relikte aus einer vergangenen Zeit. Diese Geschichte enthüllt sich allerdings erst beim zweiten Blick. Man muss die Details studie-ren, wie etwa die Fahnen an der Strandpromenade oder die achtlos weggeworfenen Pommes, die Zigarettenkippen und die zerknautschten Cola-Dose neben der Bank. Der Abfall ist aller-dings auf die dunkle Unratszone im Vordergrund beschränkt, so dass es der Malerin gelingt, selbst im Chaos Ordnung zu schaffen.

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3. Wächter und Bewachte, 1994 Öl auf Hartfaser, 58,5 x 48 cm Das dritte Gemälde gehört zur Gruppe der literarisch inspirierten Werke. Wir blicken von einem leicht erhöhten Standpunkt in ein eigenartiges Gebäude, das aus einem Rundbau mit Zellen und einem Wachturm in der Mitte besteht. Es handelt sich um die Funk-esche Version eines panoptischen Gefängnisses, das man im 19. Jahrhundert erfunden hatte, um Wachpersonal zu sparen. Die Idee zu dem Bild gab aber Angela Carters Buch “Nächte im Zirkus”. Das Buch gilt als erster feministischer Schelmenroman und handelt von einem Zirkus, der 1899 durch Russland zieht. Nach vielen gefährlichen Abenteuern trifft die stark dezimierte Truppe irgendwo in den Wäldern Sibiriens auf dieses eigentümliche Gefängnis, das von der Gräfin P. bewacht wird. Die Gräfin hat ungestraft ihren Gatten mit Arsen vergiftet und sich aus russischen Gefängnissen Frauen zusammengesucht, die ebenfalls ihre Männer ermordet haben. Mit Erlaubnis der Regierung er-richtet sie in der sibirischen Taiga eine Besserungsanstalt für weibliche Kriminelle. Ein Ring von Zellen umgibt das Wachhaus, so dass sich Wächterin und Bewachte den ganzen Tag gegensei-tig anstarren. Doch statt bußfertig und reumütig zu werden, erkennen die Frauen in der Einsam-

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keit immer deutlicher, das es richtig war, ihren Gatten zu ermorden. So planen sie schließlich den Ausbruch, der dann auch gelingt. Nur die Gräfin bleibt einsam zurück. Lotte Funke hat das Motiv aufgegriffen, aber ins Allgemeine gewendet: Die eigentliche Aussage besteht darin, dass der Wächter selbst zum Bewachten wird. Das ist wohl auch der Grund, wes-halb im Wachturm ein Mann erscheint.

4. Knoblauchsland, 2009 Öl auf Leinwand, 80 x 100 cm Abgesehen von den poetisch-literarischen Werken greift die Künstlerin vor allem Themen aus ihrer unmittelbaren Umwelt auf. Ein bevorzugtes Sujet sind dabei Erlanger Stadtansichten und Landschaftsbilder aus der näheren Umgebung. Das wohl ungewöhnlichste Landschaftsbild ist diese Darstellung des Knoblauchslands, die man in Anlehnung an Dürers "großes Rasenstück" auch als "großes Gemüsestück" bezeichnen könnte. In langen, wohlgeordneten Reihen erstrecken sich die Salatköpfe und Rüben bis zum hochgezogenen Horizont, wo sich ein Dorf, das nur aus Schloss und Kirche besteht. Die beiden Gebäude genügen, um zu zeigen, dass es sich um Großgründlach handelt. Die eigentliche Aufmerksamkeit gilt den verschiedenen Salat- und Gemüsesorten, die mit großer Detailgenauigkeit in wochenlanger Fleißarbeit gemalt wurden: vor allem grüner italienischer Sa-lat und Lollo Rosso, daneben Mohrrüben, Kohlrabi und Petersilie sowie werdendes Weißkraut. Farben und Formen sind sorgfältig aufeinander abgestimmt, sodass die Gemüseparade auch ein Augenschmaus für Kunstliebhaber ist. Wenn man den Horizont ausblendet, wirkt das Ganze beinahe wie ein abstraktes Gemälde.

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Für ein ganz ähnliches Bild hat die Künstlerin 2009 einen Kunstpreis der Nürnberger Nachrich-ten erhalten. Ich zitiere aus der Laudatio: "Sie ist die Altmeisterin der naiven Malerei in unserer Region. Der heitere Charme, die Poesie der Bilder Lotte Funkes besticht immer wieder aufs Neue. Und auch im "Knoblauchsland" liegt der Reiz im liebevollen Detail."

5. Kommunikation, 2012 Öl auf Leinwand; 60 x 80 cm, Stadtmuseum Erlangen Zu den neuesten, erst 2012 entstandenen Werken zählt diese Straßenszene, die alle Erlanger sofort lokalisieren können. Wir blicken auf den Fußgängerbereich an der Güterhallenstraße. Das Backsteingebäude im Hintergrund rechts ist die Brasserie an der Ecke zur Nürnberger Straße, daneben das Bogart´s, ganz links das Manhattan. Doch geht es hier nicht um das Stadtbild als solches, sondern um die Personen im Vordergrund und das Telefonhäuschen, das ganz bewusst in die Bildmitte gerückt ist. Das Bild heißt "Kommunikation" und illustriert satirisch-zugespitzt die Folgen des Handykults. Für den kleinen Ausstellungskatalog hat die Künstlerin das Bild wunderbar kommentiert: „Man läuft durch die Stadt, denkt, man wird angesprochen, dreht sich um, und dann spricht ir-gendjemand in irgendein Gerät. Leute unterhalten sich nicht mehr, auch wenn sie paarweise unterwegs sind. Jeder hat irgendein Gerät in der Hand, in das er spricht. Das fand ich nicht nur sehr komisch und amüsant, sondern irgendwie auch erschreckend. Ich habe versucht, so alles draufzubringen, was es gibt, also die riesigen Headphones, die wieder

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modern sind; und da hinten bei dem Hotspot der ältere Herr, der ist noch an die Leitung ange-schlossen. Alle anderen sind schnurlos.“

6. Traumzeiten, 2012 Öl auf Leinwand; 60,5 x 80,5 cm Das letzte Bild, das ich Ihnen zeige, ist ebenfalls 2012 gemalt, geht aber - wie der Titel "Traum-zeiten" andeutet - in eine ganz andere Richtung. Wir blicken in einen märchenhaft wirkenden Landschaftspark mit zwei wunderschönen Zirkus-zelten, über denen ein Hochseil gespannt ist. Hier demonstriert eine Seiltänzerin, ganz in Weiß gekleidet und mit weißem Schirm, ihre Balance-Künste. Sie tut das mit anmutiger Leichtigkeit, aber ohne Publikum, denn sie ist die einzige Person an diesem magischen Ort. Zum besseren Verständnis auch hier der Kommentar der Künstlerin, den sie in dem kleinen Ka-talog nachlesen können: „Ich bin durch den Schlossgarten spaziert mit meinem Enkelsohn, da war gerade das Poetenfest, und da standen also diese zwei Zelte. Und da dachte ich: Es ist doch eine tolle Sache, dass Erlangen so ein schönes Fest hat, wo die Leute sich wegtragen lassen von Geschichten und einmal eine Zeit genießen, wo der Alltag von ihnen abfällt. Und um das Ganze noch ein bisschen traumhafter zu machen, habe ich noch eine Seiltänzerin hinzugefügt. Natürlich sieht unser Schlosspark nicht so aus, aber einfach dieser Eindruck: Hier kann der Alltag einmal abfallen.“ Dieser Schritt vom Realen ins Imaginäre erinnert etwas an die Idee der deutschen Romantik, das "Alltäglichen ins Wunderbare" zu verwandeln und die Welt zu poetisieren. Jedenfalls ist es kein Zufall, dass das Poetenfest zum einem romantischen Bild inspiriert hat.

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Résumé Soweit meine Bildbeispiele, und nun zu den Schlussfolgerungen! Ist Lotte Funke tatsächlich eine Vertreterin des "Naiven Realismus", wie so oft behauptet wird? Die Beantwortung der Frage ist nicht ganz einfach und hängt natürlich davon ab, wie man die Begriffe "naiv" und "Realismus" verwendet. Fasst man sie weit genug, hat man keine Probleme, aber auch nur wenig gesagt. Eine sehr elegante Formulierung hat das "Forum Kultur der Metropolregion Nürnberg" gefunden, als es Lotte Funke im April 2013 zur Künstlerin des Monats gekürt hat. Lotte Funke "ist die Meisterin des unwirklichen Realismus. (...) Ihre Landschaften sind keine bloßen Abbilder, sondern Traumbilder, so konkret wie Träume oft sind, so von Emotionen ge-prägt, wie Träume persönlich sind, so vielschichtig wie ihr Blick auf die Welt." In der Malerei von Lotte Funke - so möchte man allgemeiner sagen - geht es immer um eine subjektiv gedeutete Wirklichkeit und deren Übersetzung in eine sorgfältig inszenierte Bildwelt. Oft wirken die Bilder wie Bühnen, auf denen in einer stark stilisierten Sprache teils alltägliche, teils außergewöhnliche Geschichten erzählt werden. Inhaltlich gesehen, besitzt des Werk eine beachtliche Bandbreite, in der sich die vielfältigen so-zialen, kulturellen oder politischen Themen spiegeln, mit denen sich die Künstlerin auseinander-setzt - eine "Naive Kunst jenseits aller Naivität" - wie Stefan Mößler-Rademacher gestern in den Erlanger Nachrichten geschrieben hat. So ist die Malerei für Lotte Funke nicht nur ein wichtiges Instrument der Weltwahrnehmung, sondern auch ein Medium der eigenen Lebensgestaltung. Insofern trifft der Titel der Ausstellung "Ein Leben in Bildern" genau den Kern der Sache. Dank Ich komme zum Schluss und damit zum Dank. Liebe Frau Funke, haben Sie - auch im Namen von Herrn Dr. Heunoske - herzlichen Dank für die anregende Zusammenarbeit. Wenn man dann noch an ihre langjährige Unterstützung unserer Ausstellungen zur Naiven Kunst denkt, hat das, glaube ich, einen Applaus verdient! Mein herzlicher Dank geht auch an Dr. Werner Heunoske, der die Kunstsammlung des Stadt-museums betreut und für die Auswahl und Hängung der Bilder verantwortlich zeichnet. Eine besondere Erwähnung verdient der kleine Katalog, aus dem ich bereits zitiert habe. Er enthält neben kurzen kunsthistorischen Beschreibungen auch die äußerst hilfreichen Bilderläuterungen von Frau Funke, die sehr erfrischend wirken, weil sie während eines Gesprächs aufgezeichnet wurden. Vielen Dank, lieber Herr Dr. Heunoske, - auch für die anregenden Texte, bei denen das Lesen noch Spaß macht. Zu danken habe ich außerdem unserem Ausstellungsarchitekten Claus Theuerkauf, unseren beiden Museumstechnikern Hans-Jürgen Hippe und Marek Zagorski, sowie dem Grafi-ker Peter Hörndl, der Plakat, Faltblatt und Dokumentation gestaltet hat. Schließlich bedanke ich mich bei Stephanie Seubold für die gute Öffentlichkeitsarbeit und bei Christine Brehm für das interessante museumspädagogische Angebot zur Ausstellung. Ich wünsche Ihnen nun allen einen anregenden Ausstellungsbesuch. Doch zuvor spielen noch einmal die Swinging Klez-Men des Christian-Ernst-Gymnasiums, die mit ihrer schwungvoll-melancholischen Klezmer-Musik genau den richtigen Ton für unsere Eröffnung getroffen haben. Thomas Engelhardt 26. Januar 2014