Ein Tag im Leben von Ahmet Ismail...Das Magazin Der LebenshiLfe aachen Werkstätten & service gMbh...

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DAS MAGAZIN DER LEBENSHILFE AACHEN WERKSTäTTEN & SERVICE GMBH FüR FREUNDE, FöRDERER UND KUNDEN AUSGABE 39, NOVEMBER 2010 Ein Tag im Leben von Ahmet Ismail S. 6 Städteregionsrat Etschenberg im Interview S. 8 Die Metallwerkstatt: „Wir sind ein Team“ S. 12 Sommerfest: Die schönsten Fotos S. 22

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Das Magazin Der LebenshiLfe aachen Werkstätten & service gMbhfür freunDe, förDerer unD kunDen ausgabe 39, noveMber 2010

Ein Tag im Leben von

Ahmet Ismail s. 6

Städteregionsrat Etschenberg im Interview s. 8

Die Metallwerkstatt: „Wir sind ein Team“ s. 12

Sommerfest: Die schönsten Fotos s. 22

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Nach fast drei Jahrzehnten in der Werkstatt geht Betriebsstättenleiter Paul Keyzers in den Ruhe­stand. Eine Annäherung an einen besonderen Menschen.

Seite 10: Abschied

eDitoriaL s. 3

aktueLL

kurznachrichten Neuer Kunde: Hufer Holztechnik „willsosein“ stellte aus s. 4Gartengruppe ist erfolgreichFan-Projekt fördert Integration s. 5

Menschen

rePortage s. 6Im Verpackungsbereich Neuenhofstraße ist Ahmet Ismail überall einsetzbar. Wir haben ihn einen Tag begleitet.

intervieW s. 8Vor einem Jahr wählten ihn die Menschen in der Städteregion Aachen zum ersten Bürger und Verwaltungschef. Mit der Lebenshilfe verbindet Helmut Etschenberg auch eine persönliche Beziehung.

Porträt s. 9Helmut Gartzen ist neuer Leiter für Produktion und Vertrieb. Wir stellen das Mitglied der Geschäftsleitung vor.

bericht s. 10Eigentlich wollte Paul Keyzers Lehrer werden. Beim Sommerfest wurde unser Betriebsstättenleiter jetzt offiziell in den Ruhestand verabschiedet.

Werkstatt

MetaLLWerkstatt s. 12Sechzehn Menschen mit Behinderung arbeiten in unserer Metallwerkstatt am Standort Haaren. Die Auftragslage ist gut.

kunDenPorträt s. 15Seit über 20 Jahren pflegen wir gute geschäftliche Beziehungen zu NMC. Wir stellen das Unternehmen aus dem belgischen Eynatten vor.

inkLusion s. 16Beim Weltkongress „Inclusion International“ im Juni in Berlin war die Lebenshilfe mit einer 18-köpfigen Gruppe vertreten.

arbeit & Mehr

kurznachrichten Berufsbildung: Neues FachkonzeptAachener Drachen im Fühlinger See s. 18Medaillensegen in BremenSoroptimistinnen im Café Life s. 19

fotoaLbuM Betriebsausflug: Kölsch und Kultur s. 20Sommerfest: Stimmung trotz Regen s. 22

Liebe Leserinnen und Leser,

„Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!“ So wurde unser Besuch in der Bundeshauptstadt anlässlich des Weltkongresses zum Thema „INCLUSION“ in der letzten Ausgabe unserer Werkstattzeitung angekün­digt und wir sind immer noch voller Eindrücke und Ideen, das Thema Inklusion zum Leitgedanken unse­rer täglichen Arbeit werden zu lassen.Sehr nachdenklich hat mich ein Vortrag von Franz Wolfmayr, dem Präsidenten der EASPD, eines euro­päischen Verbands von sozialen Dienstleistern mit über 8.000 Mitgliedsorganisationen, gestimmt. Er forderte insbesondere die Abschaffung von Einrichtungen und Institutionen, um dem Gedanken der personenzentrierten Hilfen für Menschen mit Behinderung zu entsprechen. Seine Ausführungen gin­gen sogar so weit, dass Werkstätten für behinderte Menschen als Einrichtung nicht weiter bestehen bleiben sollten.Bei allem Verständnis für die begrüßenswerte gesellschaftliche Weiterentwicklung darf es nicht darum gehen, bestehende Strukturen und Errungenschaften der letzten 40 Jahre zu zerschlagen, um Menschen mit Behinderung eine gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen. Im gesamten Bun­desgebiet wurde ein gut funktionierendes Netz mit einer bedarfsgerechten Versorgung an Werkstatt­plätzen aufgebaut. In mehr als 700 Werkstätten arbeiten nahezu 300.000 Menschen mit Behinderung und erhalten hier eine wirkliche und echte Chance auf Teilhabe am Arbeitsleben. Und wenn man genau in die Landschaft der Werkstätten schaut, dann ist sehr viel an innovativer Veränderung feststellbar. Es gibt noch einige Werkstätten, die in alten Strukturen verharren und sich nicht weiterentwickeln. Schau­en wir jedoch lieber auf die vielen positiven Beispiele in unserer blühenden Werkstattlandschaft an­statt auf das, was (noch) nicht so positiv verläuft. Gerade im Rheinland zeigt die jüngste Entwicklung, wie in kooperativer Zusammenarbeit zwischen Leistungsträger und den Werkstätten durch gemeinsam getroffene Zielvereinbarungen die gewünschte gesellschaftliche Entwicklung weiter gefördert werden kann. Sehr erfreulich ist dabei, dass in diesen Vereinbarungen auch ein klares Bekenntnis zum Personen­kreis der Menschen mit schweren Mehrfachbehinderungen zu finden ist, was unsere rheinländische Besonderheit in der gesamten Werkstattlandschaft ausmacht.Liebe Leserinnen und liebe Leser, ich lade Sie ein, unsere aktuelle Ausgabe der WiB zu durchstöbern und den Inklusionsgedanken einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung zu spüren.

Ihr

Norbert Zimmermann, Geschäftsführer

Unsere Zuverlässigkeit schätzt NMC besonders. Wer NMC ist und was wir für die weltweit aktive Unternehmensgruppe aus Eynatten tun, lesen Sie in diesem Beitrag.

Seite 15: Montage

eDitoriaL

iMPressuM

Herausgeber: Lebenshilfe Aachen Werkstätten & Service GmbH, Neuenhofstr. 170, 52078 Aachen, Tel. 0241 928110V.i.S.d.P.: Norbert Zimmermann, GeschäftsführerKonzeption, Text, Redaktion: Siegbert Gossen, www.gossen­kommunikation.de Gestaltung: Maren Winter, www.miu­design.de Fotos: Werkstätten & Service GmbH, Siegbert Gossen,Stefan Keller, Heike Lachmann, Hufer, AWO AachenDruck: Rurtalwerkstätten, Lebenshilfe Düren gemeinnützige GmbH Auflage: 2.000

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Expander für Hufer „willsosein“ stellte aus „Wir haben viel geschafft“ Mit dem Fanprojekt zu Auswärtsspielen

Die Ludwigsburger Firma Hufer Holztechnik ist im Bereich der Wärmedämmung tätig. Für den Fachhandel und Handwerker pro­duziert Hufer Unterkonstruktionen aus Holz, die Zwischenraum für Dämmstoffe schaffen. Zentrales Element der Unterkonstruktion sind die sogenannten Expander. Diese T­Träger aus Holz werden nun auch in unserer Holzwerkstatt produziert. Für die Kunden sind die Expander von Hufer deutlich kostengünstiger als die meisten auf dem Markt befindlichen Lösungen. Ihre einfache Handhabung und das geringe Gewicht ermöglichen eine schnelle Ein­Mann­Montage. Das spart Zeit und reduziert Material­ und Lohnkosten. Bemerkenswert an Hufer ist neben der innovativen Technik, dass das Unternehmen ausschließlich in anerkannten Behindertenwerkstätten produzieren lässt. Inhaber Peter Hufer: „Wir kommen damit unserem Anspruch an eine sozial verträgliche Produktion nach.“ Schon heute produzieren zehn Werkstätten für Hufer, etwa die Lebenshilfe­Werke in Trier oder das Haus Lindenhof in Schwäbisch Gmünd. Die Vorteile für Hufer: Modern eingerichtete Werkstätten wie die Aachener Werkstatt können hochwertige Bauprodukte zu attraktiven Preisen liefern. Außerdem hat die Nähe zum Handel den Vorteil kurzer Transportwege. Weitere Informationen zum Unternehmen: www.dämm-räume.de

Panta rhei, alles fließt – unter diesem Motto fanden im Sommer die ersten öffentlichen Ausstellungen der Gruppe willsosein statt. Seit zwei Jahren gibt es die Künstlergruppe, in der sich neun Mitarbeiter Tag für Tag mit Form, Farbe und Gestaltung beschäf­tigen. Nun konnten die Künstler endlich ihre zahlreichen Werke präsentieren: im Ballsaal des Alten Kurhauses Aachen und in der Abtei Rolduc in Kerkrade. Die Ausstellung im prächtigen Ambiente des Alten Kurhauses fand in Kooperation mit der Stiftung EURIADE zum Auftakt des Kammermusikfestivals „AmadèO“ statt. Vor zahl­reichen Gästen würdigten Europa­Abgeordnete Sabine Verheyen und Bürgermeisterin Dr. Margarethe Schmeer das Projekt und die Kreativität der Künstler. Prof. Dr. Dr. Werner Jansen von der Stiftung EURIADE und Norbert Zimmermann, Geschäftsführer der Werkstatt, hoben in ihrer Rede die Inklusion, die Teilhabe aller Menschen, hervor und dass sich dieser Gedanke in der Arbeit und der Ausstellung widerspiegelt. Gezeigt wurden unter anderem eine vielarmige Körperstudie von Gertrud Grotenklas, eine skurrile Damen­Big­Band von Sürejja Durovska, detailreiche, filigrane Zeichnungen von Lars Otten und wunderschöne flächige Farbkompositionen von Jürgen Kirsch­baum. Anlässlich der Ausstellungen ist ein Kunstband erschienen, der auch Gedichte der Gruppe sowie von Heinz Hof und Herman van Veen enthält. Er ist in der Werkstatt und im Buchhandel er­hältlich.

Vor einem Jahr hat die Werkstatt ein neues Dienstleistungs­angebot geschaffen: die Garten­ und Landschaftspflege. Seitdem hat sich viel getan. Dank zuverlässiger und professioneller Arbeit hat sich unser „Green­Team“ erfolgreich etabliert. Zehn beschäf­tigte Mitarbeiter, angeleitet durch Thomas Mamet und Nicolai Ziegler, überzeugen die Kunden durch engagierte Arbeit. „Die beiden Werkstätten und die Wohnstätten der Lebenshilfe waren unsere ersten Auftraggeber“, sagt Bereichsleiter Lothar Heuser. „Bald kamen die ersten Privat­ und Industriekunden hinzu. Wir konnten sie alle von unserer Arbeit überzeugen. Heute sind wir mit Terminen fast ausgebucht, sogar bis ins nächste Jahr.“ Doch nicht nur die Kunden sind zufrieden, vor allem die Mit­arbeiter freuen sich über das neue Arbeitsangebot. „Schlechtes Wetter kennen wir nicht! Wenn es mal regnet, ziehen wir unsere regendichte Kleidung an und arbeiten durch. Am schönsten ist es aber doch natürlich bei trockenem oder sonnigem Wetter“, berichtet Mitarbeiter Oliver Wahlen. Durch zahlreiche neue Investitionen kann das „Green­Team“ zusätzliche und auch umfangreichere Aufträge annehmen. Vielleicht auch bald bei Ihnen? Bereichsleiter Lothar Heuser berät und informiert Sie gern unter telefon 0241 9677270.

Kristina Walther (Foto), Leiterin des Fanprojekts Aachen, und Petra Aretz, Behindertenbeauftragte von Alemannia Aachen, haben ein gemeinsames Anliegen: Viele Menschen mit Behinderung sind große Fans der Alemannia, den allermeisten war es bisher jedoch kaum möglich, ihre Lieblinge auch bei Auswärtsspielen anzufeu­ern. Das soll sich nun ändern. Im Rahmen der Sozialpartnerschaft von Alemannia und Lebenshilfe bieten Kristina Walther und Petra Aretz behinderten und nichtbehinderten Jugendlichen ihre Un­terstützung bei der Organisation von Hin­ und Rückfahrt an: „Wir möchten für kleines Geld Fahrten zu drei bis vier Auswärtsspielen pro Saison anbieten, so dass sich jeder diese Reise leisten kann.“ Im Beitrag von 10 bis 20 Euro sind Hin­ und Rückfahrt sowie Ein­trittskarte enthalten. Besucht werden nur Spielorte, die man bequem in höchstens vier Stunden erreichen kann, so dass die Fans am gleichen Tag wieder nach Hause kommen. Das Fanprojekt Aachen wurde 2008 unter der Trägerschaft der Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Aachen­Stadt gegründet. Es versteht sich als Ansprechpartner aller Fans und arbeitet unabhängig vom TSV Alemannia Aachen. Wer Interesse hat, in dieser Saison gemeinsam andere Stadien zu „entern“, kann sich direkt an Kristina Walther wenden: telefon 0241 46599600, e-Mail: [email protected]

neukunDe kunstWerkstatt gartengruPPe aLeMannia aachen

aktueLL kurznachrichten aktueLL kurznachrichten

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6.00 Uhr: Einen Wecker will Ahmet nicht. Es ist wohl die inne­re Uhr, die ihn sein morgendliches Ritual pünktlich beginnen lässt: Nach Waschen und Frühstück, berichtet sein Stiefvater, zieht er sich wieder auf sein Zimmer zurück, um zu zeichnen. Türklinken, seiten­weise Türklinken. Sein Block ist voll von kleinen bunten Filzstift­Tür­klinken. Das mache er schon immer, es sei seine Art, Erlebnisse und Eindrücke zu verarbeiten, sagt Detlev Beuven. Auch fotografiere Ahmet am liebsten – Türklinken.

7.10 Uhr: Nach einer kurzen Verabschiedung, den Rucksack mit Pausenbrot und Schwimmzeug gepackt, Pocketkamera am Gürtel, schließt Ahmet die Wohnungstür hinter uns. Wir fahren mit dem Linienbus zur Arbeit, aber er nimmt nicht einfach die Haltestelle auf der anderen Straßenseite. Ahmet geht, nein, er marschiert durch die halbe Stadt. Mühsam das Tempo haltend, lerne ich an diesem schönen Spätsommermorgen sein zweites Markenzeichen kennen: Ahmet braucht Bewegung, er liebt Bewegung. Und wenn es regnet? „Regenjacke mit“, sagt er. Er fragt noch einmal, wie ich heiße, und wiederholt dann meinen Namen mehrfach. Ich frage, ob ich fotogra­fieren darf. Ich darf. Und seine Kamera? „Morgens nicht.“

7.55 Uhr: Den Bus verlässt Ahmet eine Haltestelle vor der Werk­statt. Alle anderen Kollegen, die vor und nach ihm zugestiegen sind, fahren weiter. Ahmet legt die restlichen 300 Meter lieber zu Fuß zurück. Während des großen „Hallo“ im Eingangsbereich steht Ahmet am Rand und wartet auf den Gong, das Zeichen zum Arbeits­beginn. Im Treppenhaus, auf dem Weg hoch zur Halle 8, beobachte ich, wie Ahmet mit der Hand über eine Türklinke streift.

9.45 Uhr: Bertram Küsgens, Leiter von Ahmets Gruppe im Ver­packungsbereich – es ist eine Doppelgruppe mit 34 Mitarbeitern – erklärt, dass er überall einsetzbar und einer der Zuverlässigsten ist: „Ahmet kontrolliert an der Waage, ob die konfektionierte Ware das richtige Gewicht hat. Er wickelt Folie um die fertige Palette, bestückt sie mit den Frachtpapieren und überprüft, ob meine Unterschrift drauf ist.“ Heute werden Schokoladenprodukte verpackt, gerade wird die zweite Palette fertig. Ahmet bringt sie mit dem Hubwagen ins Kühllager. Willkommene Bewegung.

12.55 Uhr: Die Gruppe unterbricht die Arbeit und wartet auf den Gong: Mittagessen im Schichtbetrieb. Es gibt Fisch, Kartoffeln und Gurkensalat. Ahmets Stammplatz ist am Tischende. Er hat gute Lau­ne, holt sich eine zweite Portion. Heute Nachmittag will er seine Freundin besuchen.

14.15 Uhr: „Das mit der Freundin ist nicht ganz einfach“, sagt Gruppenleiter Küsgens. „Einige hänseln ihn, weil sie erst 16 ist. Ahmet kann damit schlecht umgehen.“ Hinzu komme, dass eine an­dere junge Frau aus der Werkstatt Interesse an ihm zeige. Manchmal weine er dann: „Was will die von mir?“ Beziehungen zu gestalten ist für Ahmet schwierig. Er kann richtig ausrasten. Doch jetzt ist er bei der Arbeit. Ahmet bringt die fünfte Palette weg.

15.20 Uhr: Für heute ist die letzte Packung verpackt. Norma­lerweise ist um 16 Uhr Feierabend. Doch die Werkstatt feiert mor­gen ihr traditionelles Sommerfest, das jede Gruppe mit einem gemüt lichen Frühstück beginnen wird. Daher heißt es schon jetzt: Aufräumen und Tisch decken. Ahmet steht am Fenster und wirft einen Blick ins Grüne. Wir sprechen über seine Freizeitaktivitäten: Sonntags macht er Kampfkunst in einer Turnhalle in Burtscheid, mittwochs geht er zum Fußball in der Montessori­Gesamtschule, donnerstags steht Schwimmen in Brand auf dem Programm. Für alle Verbindungen hat er die Fahrtzeiten der Busse im Kopf. Dann die Programmänderung: „Ich gehe spazieren. Nach Eilendorf.“ Der Besuch bei der Freundin ist wohl auf morgen verschoben.

18.45 Uhr: Am Eingang zur Schwimmhalle Brand treffen wir uns wieder. Ahmet kommt zu Fuß, über zwei Stunden muss er unter­wegs gewesen sein. Er scheint sich zu freuen, wir klatschen uns ab. Nach und nach trudeln seine Schwimmfreunde ein. Ich berichte, warum ich Ahmet begleite, zeige die Fotos, beantworte Ahmets Fragen, ob meine Töchter einen Freund haben, und erfahre von anderen aus der Gruppe, dass sie Single sind. Schließlich trifft Uschi Bänsch, die Trainerin, ein.

20.30 Uhr: Ahmet kommt nach Hause. Die Mutter einer Schwimm freundin hat ihn diesmal im Auto mitgenommen. Ein Gewitter war aufgezogen. „Es scheint Regen zu geben“, hatte Ahmet noch in der Schwimmhalle gemeint. Durch die dunkle Scheibe konnte ich jedenfalls nichts dergleichen erkennen. Schon seit sechs Jahren trainiert Uschi Bänsch die Gruppe. „Sieben“, berichtigt Ahmet, als er auf dem Weg zum nächsten Sprung an uns vorbei­kommt. Wie auch immer, jedenfalls mit schönen Erfolgen. Ahmet hat einige Meisterschaften gewonnen. Am Abend, berichtet seine Mutter Dilek, hat er dann viel erzählt. Und gefragt: „Das war aber nur heute oder kommt der Herr Gossen morgen wieder?“ Auch für ihn war es wohl kein Tag wie jeder andere.

ahmet ismail ist ein gut aussehender junger Mann. sportlicher typ, markantes gesicht, ein Mädchen-schwarm. nur der unruhige, ausweichende blick lässt ahnen, dass der 24-Jährige autist ist. er lebt bei den eltern, seine freizeit gestaltet er sehr selbständig. bei der arbeit ist er jedoch auf den orientieren-den rahmen der Werkstatt angewiesen. Wib-reporter siegbert gossen (text und fotos) durfte ihn einen tag begleiten.

Ein Tag im Leben von Ahmet Ismail

Eine starke Familie

Ahmet Ismail wird 1986 in Aachen geboren. Seine bei den Großeltern in der Türkei aufgewachsene Mutter Dilek und der leibliche Vater trennen sich noch vor seiner Geburt. Als Ahmet vier Jahre alt ist, heiratet die Mutter Detlev Beuven. 1996 kommt Ahmets Halbbruder Marc zur Welt. Marc besucht heute das Couven­Gymnasium. Detlev Beuven arbeitet als Zerspanungs­mechaniker in einem Eschweiler Unternehmen. Dilek Beuven hat zunächst Näherin gelernt, schult dann auf Altenpflege um und ist seit fünf Jahren in einem privaten Altersheim in Eschweiler tätig. Die Diagnose frühkindlicher Autismus wird bei einer Mutter­Kind­Therapie gestellt. Da besucht Ahmet bereits die Heil­pädagogische Kindertagesstätte der Lebenshilfe. Dass er stark entwicklungsverzögert ist, war Kinderärzten und Erzieherinnen aufgefallen. Doch erst jetzt hat die Familie Gewissheit und kann mit speziellen Therapien beginnen. „Am schlimmsten“, sagt

Was ist Autismus?

Menschen mit Autismus haben Schwierigkeiten, mit anderen Menschen zu sprechen, Gesagtes richtig zu interpretieren, Mimik und Körpersprache einzusetzen und zu verstehen. Die indivi­duellen Ausprägungen sind vielfältig, sie können von leichten Verhaltensproblemen bis zur schweren geistigen Behinderung reichen. Viele Ärzte, Forscher, Angehörige und Betroffene selbst beschreiben Autismus als Störung der Wahrnehmung und der Informations verarbeitung des Gehirns. Andere sehen darin eine abweichende Form der Informationsverarbeitung. Sie betonen, dass den Schwächen in sozialer Interaktion und Kommunikation auch besondere Stärken gegenüberstehen. So besitzen manche Autisten auf „ihrem“ Gebiet außergewöhnliche Fähigkeiten, zum Beispiel im Kopfrechnen, Zeichnen, in der Musik oder in der Merk­fähigkeit.

Dilek Beuven, „war die Zeit bis zur Pubertät.“ Ahmet schrie, wenn es um ihn herum zu laut, zu kalt, zu unruhig war. „Man musste eigentlich immer raten, was ihn stört.“ Nach dem Kindergarten geht Ahmet zur Schule für Erziehungs­hilfe, anschließend auf die Schule für Körper­ und Mehrfach­behinderte. Nur hier sieht Dilek Beuven damals gewährleistet, dass Ahmet gezielt gefördert wird. „Die richtige Schulform für Autisten gibt es eigentlich nicht.“ All die Jahre sind geprägt von unzähligen Therapiestunden. Seine Eltern lernen, mit den Gege­benheiten zu leben: „Es ist, wie es ist, und wir machen das Beste daraus.“ Mit 18 kommt Ahmet in die Werkstatt der Lebenshilfe. Hier arbeitet er unter anderem in der Metallwerkstatt am Stand­ort Haaren, bevor er im Sommer 2009 zum Verpackungsbereich in die Neuenhofstraße wechselt. Für die Zukunft wünscht er sich einen Platz im Betreuten Wohnen, am liebsten in einer WG mit seiner Freundin.

Menschen rePortage Menschen rePortage

an der kontrollwaage ist er sehr genau. auch das ist ahmets Job: Die Palette muss direkt ins kühllager.

Das aufwärmtraining leitet ahmet an. und er ist der Letzte, der aus dem Wasser geht.

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Herr Etschenberg, Sie haben unser Magazin „Werkstatt im Blick-punkt“ kürzlich gelobt. Daher zunächst eine Frage in eigener Sache: Was gefällt Ihnen an der WiB?Ich finde es wichtig, dass es dieses Magazin gibt. Es lädt in an­spruchsvoller Weise ein, sich über die Menschen, um die es in der Werkstatt geht, zu informieren. Die WiB ist ein Beispiel für eine frische, bunte und zeitgemäße Öffentlichkeitsarbeit, die dazu beiträgt, das Bild von Menschen mit Behinderungen in der öffent­lichen Wahrnehmung zu ändern. Sie informieren sich aber sicherlich noch auf anderen Wegen über die Arbeit der Werkstatt?Ja, natürlich. Dazu müssen Sie wissen, dass ich bereits vor vielen Jahren die gesetzliche Betreuung meines Schwagers übernommen habe, der das Down­Syndrom hat. Er lebt seit zehn Jahren in einem Wohnheim der Lebenshilfe Aachen und hat bis zum Frühjahr auch in der Lebenshilfe­Werkstatt gearbeitet. Daher habe ich einen ganz guten Einblick in die Tätigkeiten und Aufgaben der Werkstatt.

Und wie sieht es mit beruflichen Kontakten aus?In offizieller Funktion war ich zuletzt im Wahlkampf 2009 dort. Ich habe an einer Diskussionsrunde mit Menschen mit Behinderung teilgenommen und die Kunstwerkstatt besucht. Dabei hat mich vor allem die Kreativität der Künstler überrascht, das hatte ich wirklich nicht erwartet.

Im April hat Helmut Gartzen den Dienst in der Werkstatt aufge­nommen. In den ersten Monaten hat der Freizeitfußballer und vormals leidenschaftliche Tischtennisspieler bereits ein enormes Tempo vorgelegt. Er hat an Pforten angeklopft, Firmen angerufen, alte Kontakte geknüpft. Sein vorrangiges Ziel ist, dass die Mitar­beiter jeden Tag genug zu tun haben. „Übers Jahr sind wir nicht in allen Bereichen gleichmäßig ausgelastet. Diese Lücke will ich schließen.“ In den ersten Monaten hat Helmut Gartzen bereits in viele Produktionsbereiche hineingeschaut und viele Menschen, die in den Gruppen arbeiten, kennengelernt. „Dennoch schüttle ich jeden Tag Hände von Mitarbeitern, deren Namen ich nicht kenne.“ Man glaubt ihm aufs Wort, dass er das bald ändern will.Sehr unterschiedliche berufliche Stationen führten den 45­Jährigen zu uns. Gartzen ist unter anderem Werbegestalter, Technischer Assistent für Holz­ und Metalltechnik, Betriebswirt sowie Berufs­ und Arbeitstherapeut. Er hat Projekte für Menschen mit Handicap geleitet, er weiß mit Metallfräse und Tischlersäge umzugehen und als Kundenmanager eines mittelständischen Unternehmens hat er die oft harten Bandagen im Wettbewerb um Aufträge kennen­gelernt. Die vielfältigen Kenntnisse und Erfahrungen kommen ihm nun zugute, die Stelle scheint wie für ihn geschaffen.Zu seinen Stärken zählt Gartzen, dass er immer positiv denkt und die Kompetenzen und Möglichkeiten der Mitarbeiter mit den wirtschaftlichen Interessen und hohen Anforderungen der Kunden zu verbinden weiß. Voraussetzung dafür ist, so Gartzen, dass die Qualität unserer Produkte stimmt und wir unser Ver­sprechen gegenüber dem Kunden einhalten. „Dabei ist es not­wendig, Menschen mit ins Boot zu nehmen und ihre Stärken und Schwächen zu erkennen.“ Lob sei sehr wichtig: „Ich weiß, dass Anerkennung Menschen enorm motiviert.“ Und seine Schwächen? „Manche Dinge will ich wohl zu schnell auf den Weg bringen.“

Berufliche StationenAn der Gewerblichen Schule II absolviert der gebürtige Aachener die Höhere Berufsfachschule zum gestaltungstechnischen Assis­tenten für Holz­ und Metalltechnik. „Die haben uns handwerklich sensationelle Dinge beigebracht. Es war aber auch eine knallharte Geschichte“, sagt Gartzen rückblickend. Auf 20 Plätze bewarben sich 120 Leute, die Abschlussprüfung bestanden nur sechs. Nach der Ausbildung kommt er zum Rheinischen Verein für Katholische Arbeiterkolonien. 1989 übernimmt Helmut Gartzen die Werkstatt­leitung und baut die Soerser Werkstatt (heute: Spectrum) auf, ein Beschäftigungs­ und Qualifizierungsprojekt für Menschen in besonderen Lebenssituationen. Die Werkstatt expandierte, neben Holz, Metall und Garten kamen die Bereiche Malern, Objekt­reinigung und Catering hinzu. Gartzen koordiniert die Produktions­

Der soziale Bereich war lange Zeit Ihr berufliches Hauptarbeitsfeld. Worauf kommt es Ihnen hier am meisten an?In der Tat, das soziale Arbeitsfeld begleitet mich schon sehr lange. Mit 27 Jahren wurde ich Leiter des Sozialamtes im Kreis Aachen. Später, als Stadtdirektor der Stadt Monschau, hatte ich in der Ver­waltung ebenfalls die Zuständigkeit für Soziales. Mein wichtigstes Anliegen war und ist der soziale Ausgleich zwischen unterschied­lichen gesellschaftlichen Gruppen. Dafür bin ich gemeinsam mit Vereinen, Trägern und Querdenkern an meiner Seite häufig auch unkonventionelle Wege gegangen.

Seit Inkrafttreten der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist der Begriff Inklusion in aller Munde. Was ver-stehen Sie unter Inklusion? Dass es der Gesellschaft gelingen sollte, zwischen Menschen keinen spezifischen Unterschied mehr zu machen, etwa: der ist Ausländer, der Katholik, und der behindert. Ich wünsche mir, dass jeder so angenommen wird, wie er ist.

Wie kommt die Gesellschaft dahin?Ich weiß natürlich, dass es Grenzen gibt. Ob in integrativen Kitas und Schulen oder in Werkstätten – für die individuelle Unterstüt­zung von Menschen mit besonderem Förderbedarf braucht man mehr Personal. Das kostet Geld. Es ist eine Herkulesaufgabe für die ganze Gesellschaft, wir werden dafür Jahrzehnte brauchen.

Was kann denn die Städteregion konkret dazu beitragen, Menschen mit einem Handicap stärker ins Arbeitsleben einzubeziehen?Das ist ein weites Feld, es reicht von öffentlichen Ausschreibungen bis zur aktiven Arbeitsmarktpolitik. Letztere hat der Kreis Aachen in den neunziger Jahren unter anderem mit der Initiierung von Beschäftigungsprojekten aktiv betrieben. Seit „Hartz IV“ geht das nicht mehr. Zurzeit entwickeln wir jedoch neue Ideen und An­satzpunkte, die wir der Öffentlichkeit hoffentlich bald vorstellen können.

Und bei Ausschreibungen?Bei Ausschreibungen haben wir ebenfalls kaum rechtliche Spiel­räume. Dass ein Anbieter Menschen mit Behinderung beschäftigt, kann die öffentliche Hand derzeit nicht als Pluspunkt werten. Den­noch, es gibt Träger, die in unserem Auftrag zum Beispiel Grünan­lagen unserer Berufsbildenden Schulen oder Kitas pflegen.

Die Lebenserwartung von Menschen mit Behinderung steigt ja er-freulicherweise. Was muss getan werden, um den Älteren weiterhin die gesellschaftliche Teilhabe zu gewährleisten?Eine schwierige Frage. Ich denke, da kommen ganz neue Aufgaben auf uns zu. Im Bereich Arbeit hilft behinderten Menschen die ak­tuell diskutierte Verlängerung der Lebensarbeitszeit sicher nicht weiter. Für diese Rentner müssen vor allem tagesstrukturierende Angebote in den Einrichtungen geschaffen werden. Aber was pas­siert, wenn Menschen mit Behinderung pflegebedürftig werden? Brauchen wir spezielle Pflegeheime oder neue Angebote in Regel­altersheimen? Auch da sind wir wieder beim Thema Inklusion.

bereiche, doch als der Vorstand einen Projektleiter von außen holt, kündigt er: „Nach 15 Jahren ein schwerer Entschluss.“2004 geht Helmut Gartzen in die gewerbliche Wirtschaft. Er wird Verwaltungs­ und Montageleiter in der Würselener Niederlassung eines großen deutschen Küchenvermarkters. Verantwortlich für Qualität in der Montage, im Kundendienst/Disposition, Lager/ Logistik und als stellvertretender Vertriebsleiter steigt er schließ­lich ins Kundenmanagement des Gesamtunternehmens auf und ist deutschlandweit unterwegs. Dann folgt erneut ein harter Schlag: Das Unternehmen meldet Insolvenz an.Daraufhin beschließt der zweifache Familienvater, wieder in den sozialen Bereich zurückzukehren, und qualifiziert sich zunächst zum Fachmann für Projektmanagement und zum Qualitäts­managementbeauftragten. Im November 2008 erhält Gartzen dann einen Anruf von der Agentur für Arbeit, die ihm eine Aufgabe als Fall manager anbietet. Diese Aufgabe nimmt er bis zu seinem Wechsel zur Werkstatt wahr.

„Inklusion ist eine Herkulesaufgabe“ „Ich denke positiv“

er leitet die verwaltung der städteregion aachen. er ist chef von rund 1.500 Mitarbeitern. und er kennt die Werkstatt seit vielen Jahren aus persönlicher erfahrung. ein gespräch mit städteregionsrat helmut etschenberg über inklusion, sozialen ausgleich und die handlungsspielräume von ver-waltungsmenschen.

Die wirtschaftliche auslastung aller produktiven bereiche gewährleisten, zusätzliche geschäftsfelder erschließen und neue kunden gewinnen: auf helmut gartzen warten eine Menge aufgaben. „Werkstatt im blickpunkt“ stellt das neue Mitglied der geschäftsleitung und den Leiter für Produktion und vertrieb vor.

Mitglied der Geschäftsleitung

Helmut Gartzen ist Mitglied der Geschäftsleitung und nimmt an der kürzlich eingeführten Geschäftsleiterkonferenz teil. Das neue Führungsgremium wurde nach dem Konzept der „Balanced Scorecard“ geschaffen. Seine Aufgabe ist, Strategi­en zu entwickeln, die die Zukunft der Werkstatt als flexibles und innovatives Dienstleistungsunternehmen sichern. Neben Norbert Zimmermann (Geschäftsführung) und Helmut Gart­zen (Produktion und Vertrieb) gehören der Geschäftsleiter­konferenz außerdem Mariele Storms (Soziales, Bildung und Mitarbeiterentwicklung), Hans­Dieter Kratz (Qualitätsma­nagement) sowie Anni Lürkens (Finanzen) an.

Menschen PorträtMenschen intervieW

„aktion blickwechsel“ zur kommunalwahl 2009: helmut etschenberg stellt sich den fragen unserer Mitarbeiter.

verantwortlich für Produktion und vertrieb: helmut gartzen, 45

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„Was ich erreicht habe, habe ich für die Menschen mit

Behinderung erreicht.“Das sagt der Mann, der nun die Werkstatt nach 28 Jahren

verlässt, um den ruhestand mit seiner familie zu genießen: Paul keyzers. eine annäherung an einen großen Menschenfreund.

Vor allem an Wilfried A. erinnert sich Paul Keyzers gut. Mitte der achtziger Jahre gehörte der junge, großgewachsene Autist zu seiner Gruppe im Verpackungsbereich. Kaum jemand kam mit Wilfried so recht klar. Es war schwierig, ihn in die Gruppe zu in­tegrieren, einen Zugang zu ihm zu finden. „Mir ist es trotzdem irgendwie gelungen. Wir hatten wohl die gleiche Wellenlänge,“ sagt Keyzers nachdenklich. Nach einigen Jahren, Wilfried A. war längst zu einer Werkstatt in Düren gewechselt, sah er ihn zufällig wieder. Im Fernsehen. In dem Bericht ging es um einen merkwür­digen Mann, der Bäume in einem Park mit allerlei Kram behängte. „Ich erkannte ihn direkt wieder, obwohl er mittlerweile einen Bart trug. Wie ich.“ Den spontanen Wunsch, Wilfried A. besuchen zu fahren, habe er dann doch fallen gelassen. Vielleicht, um beiden eine Enttäuschung zu ersparen. Warum er sich nach so langer Zeit gern daran erinnert? Paul Keyzers rückt den Stuhl näher. „Sein Weggang war wie ein Verlust für mich. Ich war kurz vorher Bereichsleiter geworden und in der Gruppe, in der ich ihn zurück­ließ, konnte sich Wilfried nicht mehr einfügen.“

Der persönliche Draht, das Vertrauen, die Sympathie für andere, die es im Leben nicht so gut angetroffen haben – das zeichnet den Menschen Paul Keyzers wohl am meisten aus. Wenn ein neuer Mitarbeiter anfängt, interessiert er sich zuerst für den Menschen und studiert erst dann die Akte auf medizinische Besonderheiten hin. Wenn er mit Kunden über Preise verhandelt, geht es ihm um ein Plus für die Mitarbeiter und nicht um die sprichwörtliche dritte Yacht für den Geschäftsführer. Wenn er morgens zur Ar­beit kommt, macht er zuerst seine Begrüßungsrunde durch alle Hallen. Die Werkstatt: Genau der richtige Ort für einen Mann

wie Paul Keyzers. „Meine Philosophie ist immer gewesen: Unsere Mitarbeiter sind behindert, aber nicht dumm.“ Darin sieht er auch seinen größten Erfolg: Dass er nicht wenig dazu beitragen konnte, dass Menschen mit Behinderung heute mehr Selbstbewusstsein zeigen und eigenständiger leben können als vor zwanzig, dreißig Jahren. Heute könnten sie sagen: „Wir gehören dazu, wir haben eine eigene Meinung.“

Und wie geht es ohne ihn weiter? Die Werkstatt sei im Umbruch, stellt Keyzers nüchtern fest. Sie werde sich weiter öffnen und neue Arbeitsfelder erschließen müssen. Die jüngeren Kollegen würden ihren Weg schon gehen. Auch das klingt nach Vertrau­en. Nach 28 Jahren in den Diensten der Werkstatt, nach so viel gemeinsamer Arbeit, unzähligen Gesprächen und einem Enga­gement, das meist weit über das Geforderte hinausging – nach dieser Zeit hinterlässt ein Mann wie Paul Keyzers Spuren. Für viele Mitarbeiter ist er eine Vaterfigur, nicht selten auch Beichtvater. „Ich darf es ja eigentlich keinem erzählen“, hätten manche zu ihm gesagt. „Aber dir kann ich es sagen, du bist ja der Paul.“

Dass er nun geht, fällt auch ihm nicht leicht. Die Altersteilzeit sei gut, um sich langsam verabschieden zu können. Wichtige Kunden, zu denen er als Betriebsstättenleiter gute, oft auch persönlich enge Beziehungen aufgebaut hat, hat er in den letzten Monaten zu einem Abschiedsessen ins Café Life eingeladen. Und seine Mitarbeiter? „Noch bin ich ja da, sage ich immer, wenn jemand traurig mein Büro betritt. Lass uns lachen, weinen können wir immer noch.“

offen und zugewandt: Paul keyzers in den achtziger Jahren im gespräch mit einem Mitarbeiter

beim sommerfest 2005

Familie und AusbildungPaul Keyzers, 1947 in Kleve geboren, lernt zunächst Fahrzeug­bau und kommt über den zweiten Bildungsweg zur RWTH Aachen. Hier legt er das erste Staatsexamen für das Lehramt an Berufsbildenden Schulen ab. Er ist verheiratet und Vater von drei Söhnen. Seine erste Maßnahme als Ruheständler: eine Donaukreuzfahrt.

Stationen in der WerkstattEin befreundeter Psychologe rät ihm nach dem Studium, in die Erwachsenbildung zu gehen. 1982 kommt er als Gruppenleiter zur damaligen „Werkstatt für Behinderte“ in der Grachtstraße. Sechs Jahre später übernimmt er als Bereichsleiter Verpackung in der neu errichteten Betriebsstätte Neuenhofstraße die Ver­antwortung für 190 Mitarbeiter. 2003 wird er Betriebsstätten­leiter. Seine Aufgaben: Steuerung aller betrieblichen Abläufe, von der Haustechnik bis zur Mitarbeiterschulung, sowie die Kundenbetreuung.

AltersteilzeitSeit Mai 2009 bereitet sich Paul Keyzers nach dem Modell der Altersteilzeit auf den Ruhestand vor. Die erste, sogenannte Arbeitsphase dauert bis November 2010. In der passiven Phase bis Mai 2012 ist er von der Arbeitsleistung freigestellt. Von seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verabschiedete sich Paul Keyzers offiziell beim Sommerfest der Werkstatt am 24. September (s. seite 22).

Menschen bericht Menschen bericht

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Halle 4 liegt ganz am Ende eines langen Flurs. Er verbindet die Produktionshallen der Werkstatt am Standort Hergelsmühlenweg. Täglich geht Frank Velten die rund 200 Meter zu seinem Büro ungezählte Male hin und her. Hier hat der Bereichsleiter Ruhe vor dem Maschinenlärm. Seit vielen Jahren macht Velten diesen Job. Und so kann er dem Besucher anschaulich erklären, wie normal es ist, dass Menschen mit Behinderung an hochmodernen Maschinen arbeiten. Sechzehn Menschen mit Behinderung („Wir sind ein Team“) arbeiten hier bei Vollauslastung an sechzehn Maschinen. Die Auftragslage ist gut. Die Fluktuation ist gering. Mitarbeiter Walter Best hält den Rekord, seit 34 Jahren gehört er zum Metaller­Team. Alle seien stolz, hier zu arbeiten. „Ja, auch zwei Frauen, Nadine Dubois und Bianca Gülicher, gibt es bei uns“, sagt Velten. Sie behaupten sich in der Männerdomäne, nur gelegentlich sei die Arbeit körperlich schwer. Jeder neue Mitarbeiter und jede neue

Für Laien

Was sind CNC-Maschinen?Für die Metallbearbeitung setzt die Werkstatt moderne CNC­Fräs­ und Drehmaschinen ein. CNC ist die Abkürzung für Computerized Numerical Control, übersetzt „compute­risierte numerische Steuerung“. Der Computer, in den das Arbeitsprogramm eingegeben wurde, steuert die Motoren der Maschinen mit Hilfe von Positions­, Drehwinkel­ und Zustands­Sensoren. Mehrere gleichzeitig gesteuerte Achsen ermöglichen zudem die Bearbeitung des Werkstücks von allen Seiten, ohne dass man es jedes Mal aus­ und wieder einspannen muss. Dadurch kann ein Werkstück erheblich schneller und präziser bearbeitet werden als mit konventio­nellen Maschinen. Was heißt Fräsen und Drehen?Fräsen und Drehen sind unterschiedliche Verfahren bei der Holz­, Kunststoff­ oder Metallbearbeitung. Bei beiden Verfahren wird überflüssiges Material in Form von Spänen abgetragen, bis das Werkstück die gewünschte Form hat. Beim Fräsen ist das Werkstück im Maschinentisch fest ein­gespannt, beim Drehen – hauptsächlich von runden Teilen – dreht sich das Werkstück. CNC­Drehmaschinen können auch Werkstücke fertigen, die früher nur auf einer Fräsmaschine zu produzieren waren.

Für Fachleute

FräsmaschinenDie Werkstatt verfügt über eine Fräsmaschine vom Typ MVC 1016 Quick (Verfahrwege: x 1016, y 610, z 710 mm) und 3 Fräsmaschinen vom Typ DMC 635 V (Verfahrwege: x 635, y 500, z 450 mm). Außerdem gibt es zwei konventionelle Frä­sen (max. x 1100, y 280, z 400 mm) mit Streckensteuerung.DrehmaschinenFür das Drehen kommen eine DMG NEF 400 (12 Werksta­tionen mit 6 angetriebenen Werkzeugen) und eine VDF Boehringer V 180 (ohne angetriebene Werkzeuge) zum Einsatz. Darüber hinaus arbeitet die Werkstatt mit 8 kon­ventionellen Drehmaschinen (max. Spitzenhöhe 120 mm, Spitzenweite 1200 mm) inklusive Kopierdrehen.Bohren und SägenDie Werkstatt verfügt weiterhin über Bohrmaschinen (Boh­ren bis 45 mm , Gewindeschneiden bis M 16) sowie über eine Kasto­Säge, die bis zu 360 mm Durchmesser sägt.

„Wir sind stolz, hier zu arbeiten“

es ist laut, es ist staubig und in der Luft liegt ein metalli-scher geruch. an großen, blau lackierten Maschinen ste-hen Menschen in blaumännern. sie öffnen türen, spannen Metallteile ein, schließen die tür, drücken einen knopf. bei einem besuch in der Metallwerkstatt versteht der Laie zu-nächst nur bahnhof.

Mitarbeiterin werde in kleinen Schritten an die Maschinen heran­geführt, zunächst an Säge oder Bohrmaschine, die Einarbeitung werde genau dokumentiert, unterstreicht Velten.

Überhaupt, auf Genauigkeit und Zuverlässigkeit kommt es an. Für diesen Zweck hat die Werkstatt in den vergangenen drei Jahren mehrere hunderttausend Euro in neue Maschinen inves­tiert. Unter anderem wurden drei baugleiche Fräsmaschinen angeschafft, um Großserienaufträge abwickeln zu können. Vor allem die Automobilindustrie stellt immer höhere Anforderungen. Die Teile werden kleiner, die Maschinen müssen auf tausendstel Millimeter genau arbeiten. Programmiert werden die High­Tech­Geräte von dem jungen Martin Hannott, der sich an der Handwerkskammer Aachen gerade zum Zerspanungs mechaniker­meister ausbilden lässt. Anita Petzold, Spezialistin für Drehma­

Werkstatt MetaLLWerkstatt Werkstatt MetaLLWerkstatt

frank Doppelfeld, Wilhelm Quarten und Walter best vor ihren cnc-fräsmaschinen.

bild rechts: frank Doppelfeld überprüft die cnc-Drehteile.bild unten: auch handmontage ist für die Montagegruppe kein Problem.

sascha beck ist einer von 16 engagierten Mitarbeitern aus dem Metallbereich.

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NMC entwickelt, produziert und vermarktet synthetische Schaum­stoffe, die unter anderem bei der Raum­ und Fassadengestaltung, für Isolierungen und Verpackungen, in der industriellen Anwendung sowie im Sport­ und Freizeitbereich eingesetzt werden.Unsere Werkstatt übernimmt Montage­ und Versandleistungen für NMC. Vor allem fertigen wir Säulendisplays, die NMC zur Prä­sentation seiner Produkte und zur Verkaufsförderung benötigt. Allein im Jahr 2009 haben unsere Mitarbeiter 1.750 Displays konfek­tioniert und direkt an Kunden von NMC, zum Beispiel Innenaus­statter, verschickt. Auch in diesem Jahr fertigte das Team unter Lei­tung von Hans­Peter Johnen bereits eine beachtliche Anzahl dieser Werbe säulen. „Kürzlich haben wir einen neuen Auftrag für fünf ver­schiedene Modelle von insgesamt 8.500 Rahmendisplays erteilt“, sagt NMC­Einkäufer Roland Zinzen. Der Auftrag werde auf Abruf bearbeitet.

„Auf Grund der langjährigen Partnerschaft kann man wohl sagen, dass unsere Zusammenarbeit mit der Lebenshilfe­Werkstatt in­zwischen zur Tradition geworden ist“, betont Bernd Vorhagen, Ge­schäftsführer Benelux. Das Unternehmen schätze die lösungsorientierte Arbeitsweise, die Qualität der Bearbeitung und die termingerechte Auslieferung durch die Werkstatt, ergänzt Projekt­Koordinatorin Isolde Visé. Im Laufe der Zeit habe sich auch ein offener persönlicher Kontakt ent­wickelt. „Das hat schon oft zu kreativen Lösungen bei der Optimie­rung der Konfektion beigetragen“, bestätigt Berthold Baur, Head of Corporate Communication bei NMC. Auf beiden Seiten also beste Voraussetzungen, die Tradition noch viele Jahre erfolgreich fortzu­setzen.

Das UnternehmenGegründet wurde das Unternehmen 1950 als Vertriebsgesellschaft für Schaumstoffschwämme und synthetische Haushaltsprodukte. Schritt für Schritt erschloss sich NMC die wichtigsten Länder Euro­pas als Absatzmärkte. In den 70er Jahren wurde aus der Vertriebs­gesellschaft ein Industriebetrieb. Das Unternehmen begann mit der Herstellung von Rohrisolierungen aus Polyurethan­Schaum und von Zierprofilen aus Polystyrolschaum. Mit der Übernahme einer englischen Firmengruppe weitete NMC sein Angebot auf flexible Kautschukisolierungen aus und verstärk­te seine Position im Bereich der technischen Isolierung. 1997 wurde die Geschäftsführung an ein familienunabhängiges Management übergeben. Heute erzielt die NMC Gruppe einen jährlichen Um­satz von 180 Millionen Euro. Weitere infos: www.nmc.eu

Innovative ProdukteImmer wieder geht NMC völlig neue Wege, zum Beispiel in der Baustofftechnik. Hier bietet das Unternehmen hochwertige Produkte aus hochverdichtetem Polymer­Schaum zur Fassadenge­staltung an. Die neuen Schaumstoffe, die leicht durch den Maler anzubringen sind, bieten eine erschwingliche Lösung zur Renovie­rung alter oder zur architektonischen Gestaltung neuer Fassaden. Darüber hinaus bietet NMC seit 2008 einen neuen Terrassenbelag für den Außenbereich an. Das Hi­Tech­Kunststoffmaterial hat eine hohe Dichte, ist pflegeleicht und erfordert keinen Unterhalt.

Nachhaltigkeit und EngagementEines der erklärten Ziele von NMC ist das soziale, nachhaltige und ökologisch verantwortliche Handeln. Als weltweit erstes Unter­nehmen im Bereich der Schaumextrusion stellte NMC bereits 1988 auf FCKW­freie Produktionsverfahren um. Heute werden nahezu 100 Prozent des produktionsbedingten Rest­ und Ausschussma­terials aus Polyethylen recycelt. Außerdem engagiert sich NMC vielfältig in den Bereichen Sport, Kunst, Kultur und Soziales.

„Die Zusammenarbeit ist inzwischen Tradition“

Die nMc gruppe mit hauptsitz im belgischen eynatten beschäftigt weltweit rund 1.100 Mitar-beiter an 17 standorten. Mit unserer Werkstatt besteht seit über zwanzig Jahren eine intensive Partnerschaft. „Werkstatt im blickpunkt“ stellt das unternehmen vor.

Zuverlässig und wettbewerbsfähig

Die Metallwerkstatt ist für zahlreiche renommierte Unternehmen tätig, oft seit vielen Jahren. Für RWE Power fertigt sie zum Beispiel Bolzen, die im Tagebau eingesetzt werden. In der regionalen „Zerspanungsszene“, sagt Bereichsleiter Frank Velten, hat die Werkstatt einen guten Namen. Neben ihrer Flexibilität und der regelmäßigen Zertifizierung des Qualitätsmanagements habe dazu nicht zuletzt die Modernisierung ihres Maschinenparks und die Kapazität für Serienfertigungen beigetragen.

Zum Kundenstamm der Metallwerkstatt gehören eine Reihe von Instituten an der rWth aachen sowie unter anderem die Aachener Unternehmen fev Motorentechnik gmbh, cleanLaser herzogenrath, gts general technical service gmbh & co kg, hans von Mangoldt gmbh & co. kg, koch Membrane systems und theod. Mahr söhne gmbh, aber auch auswärtige Firmen wie rWe Power oder die Maschinenfabrik bergmann aus Goldenstedt.

schinen, und Ulli Kestermann, Fachmann für Fräsmaschinen, vervollständigen das Team. Für jeden Auftrag stellt einer der CNC­Experten zunächst die Maschine ein. Beispielsweise ist aus einem Aluminiumblock ein Saugkanal zu fräsen. Das entsprechen­de Programm wird am PC im Büro geschrieben, anschließend wird das Steuerungssystem der CNC­Maschine damit „gefüttert“. Im nächsten Schritt werden die Mitarbeiter, die den Auftrag bearbei­ten, angeleitet. Das Einspannen der Werkstücke ist in der Regel ein einfacher Arbeitsschritt. Große Verantwortung tragen die Mit arbeiter jedoch bei der Überwachung der Abläufe. Und damit für die Qualität. „Man kann zum Beispiel hören, wenn die Wende­platten gewechselt werden müssen“, sagt Martin Hannott. Mit­arbeiter für die Geräusche „ihrer“ Maschine zu sensibilisieren, das sei die schwierigste Aufgabe. Auch bei der optischen Kontrolle des bearbeiteten Werkstücks darf kein Fehler passieren.

Selbst verständlich findet auch durch die hauptamtlichen Mitar­beiter eine Endkontrolle statt. Die Überprüfung der Messgeräte ist im Qualitätsprozess festgeschrieben und bestimmte Mess­instrumente werden von Fremdfirmen überprüft und mit einem Zeugnis, dass die Maße den Normen entsprechen, zurückgeschickt.

Auch unter dem Aspekt der Sicherheit haben CNC­Maschinen große Vorteile. Waren Metallteile früher an der frei stehenden Werkbank zu bearbeiten, so bieten die neuen Maschinen dank geschlossenem Arbeitsraum fast hundertprozentigen Schutz. „Das ist natürlich super“, sagt Frank Velten. Doch der Bereichsleiter träumt schon vom nächsten Fortschritt: eine 5­Achsen­Maschine, bei der sich das Werkstück inklusive Arbeitstisch dreht. „Damit könnten wir unseren Kundenkreis noch mehr erweitern.“ Das ver­steht selbst der Laie.

Werkstatt MetaLLWerkstatt Werkstatt kunDenPorträt

Mit viel kühlwasser wird das Material bearbeitet.

Das team von hans-Peter Johnen (rechts) stellt die Werbesäulen für nMc her.

eine unserer cnc Drehmaschinen.

viel kühlen ist wichtig, damit das Werkzeug und das zu bearbeitende Material nicht verbrennt.

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BarrierefreiheitGleiche Rechte für alleSelbstbestimmtes WohnenRecht auf selbstbestimmte ArbeitGleiche Schule für alle (inklusive Bildung)Freie Wahl der PartnerschaftRecht auf GesundheitRecht auf Informationen auch in leichter SpracheMitspracherecht für alle

Am Kongress in Berlin nahmen rund 2.500 Menschen aus 72 Ländern teil. Darunter waren etwa 800 „Selbstvertreter“, also Menschen mit geistiger Behinderung, der Einladung der Bundesver einigung Lebenshilfe sowie des Dachverbandes „Inclusion Europe“ gefolgt. Unter dem Motto „Inklusion: Rechte werden Wirklichkeit“ diskutierten sie vor allem die Möglichkeiten der Selbstbestimmung, Solidarität und Teilhabe in allen gesell­schaftlichen Bereichen, welche die UN­Konvention für behinderte Menschen eröffnet hat. Im März 2009 ist die UN­Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderung in Deutschland ratifiziert worden und regelt das Recht auf Selbstbestimmung, Teilhabe und eine barrierefreie und inklusive Gesellschaft. Die UN­Konvention bietet einen umfassenden Diskriminierungs­schutz und bildet damit eine wichtige Grundlage für die Rechte von etwa acht Millionen behinderten Menschen in Deutschland.

Martin Rosa war begeistert vom Auftakt des Kongresses: „Fahnenträger aus aller Welt vermittelten uns, dass wir alle dazu­gehörten.“ Zur Eröffnung im Estrel Convention Center sprach Bun­dessozialministerin Ursula von der Leyen, Bundeskanzlerin Angela Merkel übermittelte eine Grußbotschaft über Videoleinwand.

Was heißt Inklusion?

„Inklusion bedeutet, dass Menschen in ihrem Leben nicht behin­dert werden. Niemand wird mehr ausgeschlossen. Viele Hindernis­se und Barrieren müssen noch abgebaut werden. In Berlin hatten wir die Möglichkeit, an zahlreichen Diskussionen und Vorträgen teilzunehmen“, so Martin Rosa. Für Caroline Harling heißt Inklusion auch Rücksicht. Bei aller Selbst­bestimmung muss jeder einzelne Mensch mit seinen Stärken und Schwächen gesehen werden. Dazu benötigen viele Menschen Un­terstützer, die ihr volles Vertrauen genießen und den Wunsch der Mitarbeiter umsetzen.

Aufruf an Firmen

Unsere Mitarbeiter waren so begeistert vom Kongress und seinen Inhalten, dass sie im Anschluss an die Fahrt gemeinsam mit dem Bereich Wohnen der Lebenshilfe verschiedene Projekte ins Leben gerufen haben. So soll der Tag der Inklusion am 5. Mai 2011 als ge­meinsames Projekt mit Industrie und Handwerk gestaltet werden. Betriebe und Unternehmen, die dafür zum Beispiel einen Paten oder einen Praktikumsplatz einbringen möchten, können sich an viola Langmann unter der telefonnummer 0241 4134454-320 oder an Mariele storms unter der telefonnummer 0241 92811-117 wenden.

foto links: am kongress nahmen teil (von links nach rechts): elisabeth rueben, erika nagijof, georg krings, Michael bend-ling, caroline harling, andrea evertz, hans günter beissel, Martin rosa, andrea bongard, viola Langmann, claudia sippl, birgit ganser, hubert thouett, oliver fries. nicht im bild: sebastian hinrichs (fotograf) und sonja Mauritz.

foto rechts: im reichstag wurde die gruppe von rudolf henke (links), bundestagsabgeordneter aus aachen, empfangen. er führte durch das gebäude und lud seine gäste zum abend-essen ein.

Inklusion: Rechte werden Wirklichkeit„Diese Auftaktveranstaltung brachte uns alle näher“, erinnert sich Martin Rosa. „Ulla Schmidt hat die Gäste aus Aachen persönlich begrüßt. Sie kam zu uns auf die Tribüne und hieß uns herzlich willkommen.“ Inklusion, Teilhabe und Barrierefreiheit fanden sich sowohl im Programm als auch in den 60 Einzelveranstaltungen wieder. „Die meisten Vorträge wurden in leichter Sprache ge­halten, und wenn nicht, so hatten wir die Möglichkeit, ein kleines rotes Stoppschild in die Luft zu halten“, berichtet Caroline Harling. Schon im Vorfeld der Veranstaltung wurden alle Teilnehmer mit den insgesamt drei Karten ausgestattet: ein rotes Stoppschild bedeutete „Stopp, verwende leichte Sprache“, bei der gelben Karte gab es noch Fragen, während die grünen Schilder darauf hinwiesen, dass die Teilnehmer mit den Inhalten einverstanden waren. Insgesamt war es beeindruckend, wie offen und ehrlich die Teilnehmer aus aller Welt aufeinander zugegangen sind. Trotz aller Sprachschwierigkeiten sind die Probleme benannt worden.

Mitarbeiter und bewohner der Lebenshilfe aachen fuhren vom 16. bis 19. Juni nach berlin, um am Weltkongress von „inclusion international“ teilzunehmen. caroline harling und Martin rosa berichten.

Die UN-Konvention

In der UN­Konvention werden die Rechte von Menschen mit Behinderung benannt. „Diese Rechte gelten für alle Menschen, für Männer und Frauen, Menschen mit dunkler und heller Haut­farbe, Menschen mit und ohne Behinderung“, bekräftigt Caroline Harling.

Werkstatt inkLusion Werkstatt inkLusion

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Neues Fachkonzept Medaillensegen in BremenDrachenreiter im Fühlinger See Neuer Treffpunkt der Soroptimistinnen

Im Juni hat die Bundesagentur für Arbeit ein neues Fachkonzept für den Berufsbildungsbereich veröffentlicht. Es legt vergleichbare Standards für das gesetzlich festgeschriebene Aufnahmeverfah­ren fest, das neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei ihrem Eintritt in die Werkstatt durchlaufen. Im dreimonatigen Eingangs­verfahren wird zunächst festgestellt, ob die Werkstatt die geeigne­te Einrichtung für die Teilhabe am Arbeitsleben ist. Anschließend folgt der Berufsbildungsbereich, der maximal zwei Jahre dauert. Hier geht es darum, verschiedene Fertigkeiten zu vermitteln, das Selbstwertgefühl zu stärken und das Sozial­ und Arbeitsverhalten zu fördern. Einzelheiten regelt jede Werkstatt in einem eigenen Durchführungskonzept. In unserer Werkstatt ist die Berufsbildung ein eigenständiger Bereich. Seit September sind Albert Zander (Foto, rechts) als Bildungsbe­gleiter und Kai Kirch als Fachkraft für Arbeits­ und Berufsförderung für die Umsetzung des Fachkonzeptes verantwortlich. Unter ande­rem schreibt das neue Konzept individuelle Qualifizierungsange­bote vor, zum Beispiel Betriebspraktika oder die Berufsbildung auf einem Außenarbeitsplatz. Weiterhin soll zukünftig der ganzjährige Eintritt mit einer maximalen Wartezeit von vier Wochen möglich sein.

Viermal Gold, dreimal Silber und einmal Bronze – mit diesen her­vorragenden Platzierungen im Ballwurf, beim Kugelstoßen und beim Sprint kehrten Jessica Kulka, Nadine Dubois, Marc Schiffers, Walburga Miseré, Franz­Josef Quarten und Anja Legewie (Foto v. l. n. r.) von den Special Olympics im Juni aus Bremen nach Aachen zurück. Über 4.500 Athleten aus dem gesamten Bundesgebiet hatten in 17 Sportarten an der größten nationalen Wettkampf­veranstaltung für Menschen mit geistiger Behinderung teil­genommen. Das Motto der Spiele „In jedem von uns steckt ein Held“ nahmen unsere Teilnehmer wörtlich: „Sie haben unglaub­lich gekämpft und teilweise Zeiten und Weiten erreicht, die im Vor bereitungstraining noch undenkbar gewesen wären“, so die Sportlehrer Andrea Moritz und Friedhelm Hogen. Die Siegerehrungen machten das Gefühl des Stolzes komplett: „Sie standen auf dem Siegertreppchen und ihr Lachen verriet, dass dieser Moment zu den größten ihres Lebens zählte.“ Zur traditionellen Eröffnungszeremonie mit olympischem Eid und Entzünden des olympischen Feuers kamen 10.000 Menschen. Die Sportler gehen alle zwei Jahre in einer anderen Stadt an den Start: 2012 in München – und ziemlich sicher wieder mit einem Team der Aachener Werkstatt.

Beim zweiten Kölner Drachenboot­Festival im Juni am Fühlinger See war auch unsere Werkstatt vertreten. In Langbooten mit dem charakteristischen Drachenkopf traten insgesamt 77 Teams auf ei­ner 250 Meter langen Strecke gegeneinander an. Nach der Pilotver­anstaltung im vergangenen Jahr hatte Veranstalter Jochen Menzel in Kooperation mit den Gemeinnützigen Werkstätten Köln (GWK) erstmals auch ein integratives Rennen mit 15 Teams angesetzt. „Wir nahmen mit einer Mannschaft aus beiden Häusern teil“, be­richtet Bettina Schreiner. „Bei herrlichem Sonnenschein bekamen wir erst mal eine Einführung und ein erstes Training auf dem See.“ Was so einfach aussah, nämlich das gleichmäßige Paddeln aller 18 Seemänner und ­frauen, war es bei weitem nicht. Es bedurfte einer gewaltigen Stimmkraft der Steuerfrau, um das Team auf ein gleichmäßiges Tempo einzustimmen. Nach dem Training waren jedoch alle guter Dinge und genossen erst mal das Drumherum des Events. Die Mitarbeiter einiger Werkstätten hatten sich toll kostümiert und kamen mit einer Riesentruppe, die mit Trommeln und Fangesängen anfeuerte. Auch untereinander herrschte eine tolle Stimmung, und als uns ein Trommler fehlte, sprang einfach ein Mitarbeiter der WfbM Hemmerden aus Grevenbroich ein. Beim ersten von drei Rennen gab es zwar noch immer Schwierigkeiten mit dem Gleichschlag der Paddel, doch die „Aachener Drachenreiter“ steigerten sich von Rennen zu Rennen, um schließlich im E­Finale als Erster ins Ziel zu kommen.

Der Soroptimist Club Aachen trifft sich zukünftig in unserem Café Life. Noch in diesem Jahr werden die Club­Präsidentin Dr. Annette Fusenig und Geschäftsführer Norbert Zimmermann die neue Partnerschaft mit dem Anbringen einer Plakette offiziell besiegeln. Soroptimist International ist die weltweit größte Service­Organisation berufstätiger Frauen. In Deutschland gibt es derzeit 195 Clubs mit mehr als 5.700 Mit gliedern. Der Club Aachen zählt 28 Mitglieder. Soroptimistinnen (von lateinisch sorores optimae „die besten Schwestern“) engagieren sich bei zahlreichen Hilfsprojekten auf internationaler, nationaler und lokaler Ebene. So unterstützt der Club Aachen die Ausbildungsförderung für Mädchen, Kinder­einrichtungen im Ostviertel und ein Patenkind in Zimbabwe. Im Mittelpunkt der monatlichen Treffen stehen Referate, Berichte und Diskussionen aus der Berufs­ und Lebenswelt der Mitglieder oder auch geladener Gäste. Bei einem ersten Besuch waren die Soroptimistinnen von der besonderen Atmosphäre im Café Life und dem freundlichen Service sehr angetan. Auch die Begeiste­rung für die Kreativität unserer Kunst­ und Schmuckwerkstatt trug letztlich zur Entscheidung der sozial engagierten Frauen für die Zusammenarbeit mit der Werkstatt bei.

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arbeit & Mehr kurznachrichten

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20 21arbeit & Mehr fotoaLbuM arbeit & Mehr fotoaLbuM

Altstadt, Kölsch und mehrim vergangenen Jahr stand der gasometer in oberhausen auf dem Programm, diesmal lautete das reiseziel: die altstadt von köln. anna gasch und claudia sippl wagen einen rückblick auf den betriebsausflug am 7. Mai.

Doppeldeutige kölsche ge-schichten lassen die gesichter strahlen.

Willy Millowitsch freut sich über fröhlichen regenschutz.

köln wie es singt und lacht – auch bei re-gen? trotz des majestätisch einladenden Doms war er diesmal nicht ziel der reise.

stadtführung mit der roten zora, hier bei den köl-schen originalen tünnes & schäl.

ein Prost auf den tag im dritten brauhaus.

staunen und besichtigen, wenn auch nur durch die glasscheibe des römisch- germa-nischen Museums.

Das erste brauhaus des tages lud ein, schnell machte das erste bier die runde. Prost, auf die kollegen!

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Sommerfest mit AbschiedsmelodienDieses sommerfest am 24. september wird lange in erin-nerung bleiben. Denn es war das letzte mit Paul keyzers. unser betriebsstättenleiter neuenhofstraße verabschiedete sich in den ruhestand. zugleich war das fest eine Premiere: zum ersten Mal feierten die belegschaften beider standorte gemeinsam. trotz regen, das zeigen die bilder, war es ein schöner tag.

klaus-Peter ackermann, vorsitzender des aufsichtsrats, und geschäftsführer nor-bert zimmermann (links) verabschieden Paul keyzers.

sie haben vieles gemeinsam ge-staltet: anne van de Meer und Paul keyzers.

Die tanzgruppen von sport-lehrer friedhelm hogen prä-sentierten sich mit mehreren auftritten.

Die Mädchenband unter der Leitung von verena foitzik.

bewegende Worte von „unserem Paul“.

und jetzt alle mitmachen: hans-Peter Jonen sorgt stimmungsvoll für den musi-kalischen rahmen der verab-schiedung.

gute Laune und strahlendes Lachen bei ute simons.

sabrina krings ließ sich als schwan schminken.

Das kuchenbuffet: beim elternbeirat wie immer in guten händen.

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19,90EURO

Der Reinerlös kommt

der Stiftung Lebenshilfe

Aachen e.V. zu.

DEN KALENDERJETZT BESTELLEN

Kalender „Einfach anders sein“Ein neues Jahr steht vor der Tür. Schaufenster und Regale von Buchläden sind gut bestückt mit Jahreskalendern. Dieser ist besonders, und er wird zum ersten Mal von der Lebenshilfe Aachen selbst herausgegeben: der Kalender „Einfach anders sein“. Er stellt Menschen mit Behinderung vor, die Einrichtungen der Lebenshilfe Aachen nutzen.

Unter dem Leitmotiv „Einfach anders sein“ haben zwölf Fotografen ihre indivi-duelle Sicht auf die Menschen mit Behinderung eingefangen. So entstand ein Jahresbegleiter, mit dem Sie Monat für Monat entdecken, was Leben mitten-drin bedeutet. Der Kalender kostet 19,90 Euro. Bei einer Abnahme über 50 Stück gibt es besondere Konditionen. Die Fotografen und die POWER+RADACH werbeagentur, die Layout und Produktion betreut, arbeiten unentgeltlich.

Alle Einnahmen kommen daher direkt der Stiftung Lebenshilfe Aachen zugute. Den Kalender erhalten Sie im Lebenshilfe-Haus (Adenauerallee 38), in den Werkstätten der Lebenshilfe und in ausgewählten Aachener Geschäften. Nähere Informationen unter www.lebenshilfe-aachen.de

Einfach anders sein. Einmal anders gesehen.

KALENDER

2011