Ein tierisches Vergnügen Fabeln in verschiedenen Ländern ... · porcus / porc / porco / puerco...

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Lateintag 2012 Martin Müller 1 Ein tierisches Vergnügen Fabeln in verschiedenen Ländern und Zeiten Tiersymbolik: Physiologus Affe Adler Elefant Schlange Keuschheit Laster Liebe Gottes Sünde Tiersymbolik: Bestiario des Leonardo da Vinci Ameise Schwalbe Pfau Hase Krokodilstränen Unbeständigkeit Heuchelei Ruhmsucht Feigheit Vorsicht Mehrsprachige Redensarten: Span.: Al más ruin ________________, la mejor bellota. - Das mieseste ? findet die beste Eichel. Ital.: Meglio un anno come un leone, da cento anni come una ______________ . - Lieber ein Jahr wie ein Löwe, als hundert Jahre wie ein ?. Ital./Span.: Aunque la ___________________ se vista de seda, ________________ se queda. = La _________________ è sempre __________________ , anche vestita di seta. - ? bleibt immer ? , auch in Seide gekleidet. Franz.: Avoir faim comme ___________________ – einen ?-hunger haben. Franz.: ___________________ qui aboie ne mord pas. – ?, der bellt, beisst nicht. Franz.: Une ____________________ ne fait pas le printemps. - ? macht noch keinen Frühling. Span.: No es tan fiero el _______________ como lo pintan. - ? ist nicht so wild, wie man ihn malt. Ital.: Due __________________ non tengono compagnia. – Zwei ? können nicht zusammen leben. Ital.: A lavare la testa dell‘ ________________ si spreca tempo e sapone. Wenn man ? den Kopf wäscht, vergeudet man Zeit und Seife. Franz.: On n’attrape pas les __________________ avec du vinaigre. Man fängt ? nicht mit Essig.

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Martin  Müller     1  

Ein tierisches Vergnügen Fabeln in verschiedenen Ländern und Zeiten Tiersymbolik: Physiologus

¨ Affe ¨ Adler ¨ Elefant ¨ Schlange

¨ Keuschheit ¨ Laster ¨ Liebe Gottes ¨ Sünde

Tiersymbolik: Bestiario des Leonardo da Vinci

¨ Ameise ¨ Schwalbe ¨ Pfau ¨ Hase ¨ Krokodilstränen

¨ Unbeständigkeit ¨ Heuchelei ¨ Ruhmsucht ¨ Feigheit ¨ Vorsicht

Mehrsprachige Redensarten:

Span.: Al más ruin ________________, la mejor bellota. - Das mieseste ? findet die

beste Eichel.

Ital.: Meglio un anno come un leone, da cento anni come una ______________ . -

Lieber ein Jahr wie ein Löwe, als hundert Jahre wie ein ?.

Ital./Span.: Aunque la ___________________ se vista de seda, ________________ se

queda. = La _________________ è sempre __________________ , anche vestita di

seta. - ? bleibt immer ? , auch in Seide gekleidet.

Franz.: Avoir faim comme ___________________ – einen ?-hunger haben.

Franz.: ___________________ qui aboie ne mord pas. – ?, der bellt, beisst nicht.

Franz.: Une ____________________ ne fait pas le printemps. - ? macht noch keinen

Frühling.

Span.: No es tan fiero el _______________ como lo pintan. - ? ist nicht so wild, wie

man ihn malt.

Ital.: Due __________________ non tengono compagnia. – Zwei ? können nicht

zusammen leben.

Ital.: A lavare la testa dell‘ ________________ si spreca tempo e sapone. – Wenn

man ? den Kopf wäscht, vergeudet man Zeit und Seife.

Franz.: On n’attrape pas les __________________ avec du vinaigre. Man fängt ?

nicht mit Essig.

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canis / chien / cane / perro aquila / aigle / aquila / águila

pecus / agneau / pecora / oveja asinus / âne / asino (ital) / asno

columba / pigeon (colombe) / colomba / paloma lupus / loup / lupo / lobo

simia / singe / scimmia / mona leo / lion / leone / león

porcus / porc / porco / puerco musca / mouche / mosca / mosca

hirundo / hirondelle / rondine / golondrina

Eine Trinlingue: "Sich wie die ? im Speck fühlen

= Estar como ? en flor

= Vivre comme un ? en pâte

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Die nackte Wahrheit ertragen wir nur schwer ...

Magnus Gottfried Lichtwer 1719-1783

Die beraubte Fabel Es zog die Göttin aller Dichter, Die Fabel, in ein fremdes Land, Wo eine Rotte Bösewichter Sie einsam auf der Straße fand. Ihr Beutel, den sie liefern müssen, Befand sich leer; sie soll die Schuld Mit dem Verlust der Kleider büßen, Die Göttin litt es mit Geduld. Hier wies sich eine Fürstenbeute Ein Kleid umschloß das andre Kleid; Man fand verschiedner Tiere Häute, Bald die, bald jene Kostbarkeit. Hilf Himmel, Kleider und keine Ende! Ihr Götter schrien sie, habet Dank Ihr gebt ein Weib in unsre Hände, Die mehr trägt als ein Kleiderschrank. Sie fuhren fort, noch mancher Plunder Ward preis; doch eh´man sich´s versah, Da sie noch schrien, so stund, o Wunder! Die helle Wahrheit nackend da. Die Räuberschar sah vor sich nieder Und sprach: Geschehen ist geschehn, Man gibt ihr ihre Kleider wieder, Wer kann die Wahrheit nackend sehn?

Botticelli Die Verleumdung des Apelles (1494-1495, Uffizien, Florenz). Die nackte Wahrheit ganz links.

http://de.wikipedia.org

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Alciatus 1492 - 1550: Emblematum Libellus

Cocncordia Cornicum mira inter se concordia vitae est, Mutua statque illis intemerata fides. Hinc volucres haec sceptra gerunt, quod scilicet omnes consensu populi stantque caduntque duces: Quem si de medio tollas, discordia praeceps advolat, et secum regia fata trahit

Eintracht Die Eintracht der Krähen unter sich ist wunderbar, Ihre gegenseitige Treue bleibt unverrückt bestehen. Daher tragen diese Vögel das Szepter, weil alle Könige durch die Zustimmung des Volkes walten und stürzen. Wenn du sie entfernst, stürzt sofort Zwietracht herbei und reisst das Schicksal der Könige mit sich.

Fabeln: Aufbau – Phaedrus 20/15 v.C. – 50/60 n.C. I.5 vacca et capella, ovis et leo Numquam est fidelis cum potente societas. Testatur haec fabella propositum meum. Vacca et capella et patiens ovis iniuriae socii fuere cum leone in saltibus. Hi cum cepissent cervum vasti corporis, sic est locutus partibus factis leo:

Aufrichtig ist ein Bündnis mit dem Mächtgern nie. Für meinen Satz ist diese Fabel ein Beweis: Kuh, Zieg' und ein geduldges Schaf gesellten sich zum Löwen, Jagd zu treiben in dem Waldrevier. Da sie zusammen einen mächtgen Hirsch erlegt und ihn geteilt,

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'Ego primam tollo nomine hoc quia rex cluo; secundam, quia sum consors, tribuetis mihi; tum, quia plus valeo, me sequetur tertia; malo adficietur si quis quartam tetigerit'. Sic totam praedam sola improbitas abstulit.

fing also an der Leu und sprach: Ich nehme, weil ich Löwe bin, den ersten Teil; den zweiten müsst ihr lassen mir als meinen Teil; der dritte soll mir werden wegen meiner Kraft. Doch wer den vierten an anrührt dem soll's übel gehn! So nahm für sich die Beute ganz der Frevler hin. Übersetzung: H.J. Kerler

Fabeln: Aufbau - La Fontaine 1621-1695 I.3 la grenouille qui se veut faire aussi grosse que le boeuf

Une Grenouille vit un Boeuf Qui lui sembla de belle taille. Elle, qui n'était pas grosse en tout comme un oeuf, Envieuse, s'étend, et s'enfle, et se travaille, Pour égaler l'animal en grosseur, Disant : "Regardez bien, ma soeur ; Est-ce assez ? dites-moi ; n'y suis-je point encore ? - Nenni. - M'y voici donc ? - Point du tout. - M'y voilà ? - Vous n'en approchez point.". La chétive pécore S'enfla si bien qu'elle creva. Le monde est plein de gens qui ne sont pas plus sages : Tout bourgeois veut bâtir comme les grands seigneurs, Tout petit prince a des ambassadeurs, Tout marquis veut avoir des pages.

Ein Frosch sah einen Ochsen gehen. Wie stattlich war der anzusehen! Er, der nicht größer als ein Ei, war neidisch drauf, Er spreizt sich, bläht mit Macht sich auf, Um gleich zu sein dem großen Tier, Und rief: »Ihr Brüder achtet und vergleicht! Wie, bin ich nun so weit? Ach, sagt es mir!« – »Nein!« – »Aber jetzt?« – »Was denkst du dir!« – »Und jetzt?« – »Noch lange nicht erreicht!« – Das Fröschlein hat sich furchtbar aufgeblasen, Es platzte und verschied im grünen Rasen. Die Welt bevölkern viele solcher dummen Leute: Jedweder Bürger möchte baun wie große Herrn, Der kleine Fürst – er hält Gesandte heute, Das kleinste Gräflein prunkt mit Pagen gern. La Fontaine, Jean de: Fabeln. Berlin 1923, S. 6-7

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http://verheugen.chez-alice.fr

Neue Fabeln: Leonardo da Vinci 1452-1519

La noce e il campanile Trovandosi la noce essere dalla cornacchia portata sopra un alto campanile, e per una fessura, dove cadde, fu liberata dal mortale suo becco, pregò esso muro, per quella grazia che Dio li aveva dato dell’essere tanto eminente e magno e ricco di sì belle campane e di tanto onorevole suono, che la dovessi soccorrere; perché, poi che le non era potuta cadere sotto i verdi rami del suo vecchio padre, e essere nella grassa terra, ricoperta dalle sue cadenti foglie, che non la volessi lui abbandonare: imperò ch’ella trovandosi nel fiero becco della cornacchia, ch’ella si botò, che, scampando da essa, voleva finire la vita sua

Die Nuss und der Kirchturm Eine Krähe pickte eine Nuss auf und trug sie auf die Höhe eines Kirchturms. Die Frucht zwischen den Krallen, versuchte sie mit Schnabelhieben die Nuss zu öffnen; aber unversehens entrollte sie ihr und verschwand in einem Spalt des Mauerwerks. "Mauer, gute Mauer!" flehte die Nuss, die glücklich war, aus dem tödlichen Schnabel der Krähe befreit zu sein. "Im Namen Gottes, der zu dir so gut gewesen ist, indem er dich so hoch und fest geschaffen hat und reich an schönen Glocken, die so herrlich tönen, hilf mir, habe Mitleid mit mir! Ich war ausersehen, unter die Zweige meines alten Vaters zu fallen, um mich auszuruhen in der fetten Erde, von gelben Blättern zugedeckt. Verlass mich nicht, ich bitte dich. Als ich im rohen Schnabel der Krähe war, habe ich ein Gelübde getan: Wenn Gott mich daraus entrinnen lässt, verspreche ich, den

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’n un picciolo buso. Alle quali parole, il muro, mosso a compassione, fu contento rigettarla nel loco ov’era caduta. E infra poco tempo, la noce cominciò aprirsi, e mettere le radici infra le fessure delle pietre, e quelle allargare, e gittare i rami fuori della sua caverna; e quegli in brieve levati sopra lo edifizio e ingrossate le ritorte radici, cominciò aprire i muri e cacciare le antiche pietre de’ loro vecchi lochi. Allora il muro tardi e indarno pianse la cagione del suo danno, e, in brieve aperto, rovinò gran parte delle sua membra.

Rest meiner Tage in einem kleinen Loch zu verbringen." Die Glocken warnten mit leichtem Murmeln die Mauer des Kirchturms, Acht zu geben, weil die Nuss gefährlich werden könnte; aber die Mauer, von Mitleid bewegt, beschloss, sie zu beherbergen, und erlaubte ihr, in dem Spalt zu bleiben, in den sie gefallen war. In kurzer Zeit nun begann die Nuss sich zu öffnen und ihre Wurzeln zwischen den Steinen zu entfalten, und die Wurzeln machten sich breit, indes die Zweige aus dem Spalt sprossen. Und die Zweige wuchsen, wurden stärker, sie erhoben sich hoch bis zur Turmspitze, und die Wurzeln, anwachsend und sich wölbend, begannen, das Mauerwerk zu sprengen und die Steine beiseite zu stoßen. Zu spät begriff die Mauer, dass die Bescheidenheit der Nuss und ihr Gelöbnis, im Spalt verborgen zu bleiben, nicht aufrichtig waren, und sie bereute, den Glocken kein Gehör geschenkt zu haben. Die Nuss wuchs weiter, herausfordernd und ungerührt, und die Mauer, die arme Mauer, fuhr fort, abzubröckeln und einzustürzen. Übersetzung: Isolde Rieger Epimythion?

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Fabeln: Variationen Phaedrus I.1 Lupus et agnus Ad rivum eundem lupus et agnus venerant

siti compulsi; superior stabat lupus

longeque inferior agnus. Tunc fauce improba

latro incitatus iurgii causam intulit:

«Cur» inquit «turbulentam fecisti

mihi aquam bibenti?» Laniger contra timens:

«Qui possum, quaeso, facere, quod quereris,

lupe? A te decurrit ad meos haustus liquor.»

Repulsus ille veritatis viribus:

«Ante hos sex menses male » ait «dixisti mihi.»

Respondit agnus: «Equidem natus non eram.»

«Pater hercle tuus » ille inquit «male dixit mihi.»

Atque ita correptum lacerat iniusta nece.

Haec propter illos scripta est homines fabula, qui

fictis causis innocentes opprimunt.  

An einem Bach erschienen Wolf und Lamm zugleich, Vom Durst getrieben: weiter oben stand der Wolf, Das Lamm fern unten. Siehe, da erfand des Streites Ursache gleich der Räuber, von Mordlust gereizt. "Was", sprach er, "hast du trübe mir den Bach gemacht, Da ich hier trinke?" Zitternd sprach darauf das Lamm: "Was du mich, Wolf, beschuldigst, wie ist's möglich mir? Fließt doch von dir zu meinem Trinken her der Quell." Doch jener, abgewiesen durch der Wahrheit Kraft, Begann: "Du hast gescholten vor sechs Monden mich." Darauf das Lamm: "Geboren war ich da noch nicht." "Dein Vater", sprach er, "aber schimpfte mich fürwahr!" Und also griff und würgte er es grausam hin. Die Fabel ist auf solche Menschen abgefasst, Die einen Frommen drängen mit Betrug und List.

Übersetzung H.J.Kerler

Gotthold E. Lessing 1729 - 1781 Der Wolf und das Schaf Der Durst trieb ein Schaf an den Fluss, eine gleiche Ursache führte auf der anderen Seite einen Wolf herzu. Durch die Trennung des Wassers gesichert und durch die Sicherheit höhnisch gemacht, rief das Schaf dem Räuber hinüber: "Ich mache dir doch das Wasser nicht trübe, Herr Wolf? Sieh mich recht an, habe ich dir nicht etwa vor sechs Wochen nachgeschimpft? Wenigstens wird es mein Vater gewesen sein." Der Wolf verstand die Spötterei; er betrachtete die Breite des Flusses und knirschte mit den Zähnen. "Es ist dein Glück," antwortete er, "dass wir Wölfe gewohnt sind, mit euch Schafen Geduld zu haben", und ging mit stolzen Schritten weiter.

PHAEDRUS LESSING Situation: superior - inferior Aktion 1: W: du trübst Wasser Reaktion 1: L: widerlegt W. Aktion 2: W: du hast beleidigt Reaktion 2: L: widerlegt W. Aktion 3: W: dein Vater hat beleidigt

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Reaktion 3: L: - (wird gefressen) Ergebnis: W frisst Lamm Unrecht ist entblösst von falschem Mantel des Rechts (Macht geht vor Recht) Fabeln: Variationen – Thurber 1894 – 1961 The Lion and the Foxes The lion had just explained to the cow, the goat, and the sheep that the stag they had killed belonged to him, when three little foxes appeared on the scene: «I will take a third of the stag as a penalty» said one, «for you have no hunter’s license.» «I will take a third of the stag for your widow», said another, «for that is the law.» «I have no widow.» said the lion. «Let us not split hairs», said the third fox, and he took his share of the stag as a withholding tax (=Einkommenssteuer). «Against a year of famine», he explained. «But I am king of beasts», roared the lion. «Ah, then you will not need the antlers, for you have a crown», said the foxes, and they took the antlers, too. Moral: It is not as easy to get the lion’s share nowadays as it used to be.  

Gerade hatte der Löwe dem Schaf, der Ziege und der Kuh auseinandergesetzt, dass der von ihnen erlegte Hirsch einzig und allein ihm gehöre, als drei Füchse erschienen und vor ihn hintraten. „Ich nehme ein Drittel des Hirsches als Strafgebühr“, sagte der erste Fuchs. „Du hast nämlich keinen Jagdschein.“ „Und ich“, sagte der zweite, „nehme einen Drittel des Hirschen für deine Witwe, denn so steht es im Gesetz.“ „Ich habe gar keine Witwe“, knurrte der Löwe. „Lassen wir doch die Haarspaltereien“, sagte der dritte Fuchs und nahm sich ebenfalls seinen Anteil. „Als Einkommenssteuer“, erklärte er. „Das schützt mich ein Jahr lang vor Hunger und Not.“ „Aber ich bin der König der Tiere“, brüllte der Löwe. „Na, dann hast du ja eine Krone und brauchst das Geweih nicht“, bekam er zur Antwort, und die drei Füchse nahmen auch noch das Hirschgeweih mit. Moral: Heutzutage ist es nicht mehr so leicht wie in früheren Zeiten, sich den Löwenanteil zu sichern.

 fames - bestia - habere - apparere - scaena - leo -

licentia  

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Fabeln ironisch: Augusto Monterosso 1921 – 2003 – La parte del Leòn La Vaca, la Cabra y la paciente Oveja se asociaron un día con el León para gozar alguna vez de una vida tranquila, pues las depredaciones del monstruo (como lo llamaban a sus espaldas) las mantenían en una atmósfera de angustia y zozobra de la que difícilmente podían escapar como no fuera por las buenas. Con la conocida habilidad cinegética de los cuatro, cierta tarde cazaron un ágil Ciervo (cuya carne por supuesto repugnaba a la Vaca, a la Cabra y a la Oveja, acostumbradas como estaban a alimentarse con las hierbas que cogían) y de acuerdo con el convenio dividieron el vasto cuerpo en partes iguales. Aquí, profiriendo al unísono toda clase de quejas y aduciendo su indefensión y extrema debilidad, las tres se pusieron a vociferar acaloradamente, confabuladas de antemano para quedarse también con la parte del León, pues, como enseñaba la Hormiga, querían guardar algo para los días duros del invierno. Pero esta vez el León ni siquiera se tomó el trabajo de enumerar las sabidas razones por las cuales el Ciervo le pertenecía a él solo, sino que se las comió allí mismo de una sentada, en medio de los largos gritos de ellas en que se escuchaban expresiones como Contrato Social, Constitución, Derechos Humanos y otras igualmente fuertes y decisivas.

Die Kuh, die Ziege und das geduldige Schaf verbündeten sich eines Tages mit dem Löwen, um endlich in den Genuss eines ruhigen Lebens zu kommen, wurden die drei doch von den Anmassungen des Monstrums (wie sie ihn hinter seinem Rücken nannten) in einem Zustand von Angst und Schrecken gehalten., dem schwerlich anders als im Guten zu entkommen war. Mit Hilfe ihrer bekannten Weidmannskunst konnten die vier eines Abends einen flinken Hirsch reissen (dessen Fleisch Kuh, Ziege und Schaf, an die Halme gewöhnt, die sie sonst assen, selbstverständlich abstiess), und sie zerlegten den üppigen Kadaver, wie ihre Absprache es vorsah, in gleiche Teile. Hier nun erhoben die drei zu einem hitzigen Gezeter an, brachten wie aus einem Munde alle erdenklichen Klagen vor und führten, wie vorher verabredet, ihre Wehrlosigkeit und grossse Schwäche ins Feld, um auch den Löwenanteil für sich einzustreichen und – die Ameise lehrte sie das – etwas für die harten Wintertage zurückzulegen. Aber diesmal machte sich der Löwe gar nicht erst die Mühe, die geläufigen Gründe aufzuzählen, wonach der Hirsch ihm ganz alleine zustand, sondern schlang die drei an Ort und Stelle hinunter, noch während ihres Gezeters, in dem Ausdrücke zu vernehmen waren wie Gesellschaftsvertrag, Verfassung, Menschenrechte. Übersetzung: Swenja Becker

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Fabeln zum Nachdenken: Augusto Monterosso 1921 – 2003 La Fe Spanisch Deutsch Al principio la Fe movía montañas sólo cuando era absolutamente necesario, con lo que el paisaje permanecía igual a sí mismo durante milenios. Pero cuando la Fe comenzó a propagarse y a la gente le pareció divertida la idea de mover montañas, éstas no hacían sino cambiar de sitio, y cada vez era más difícil encontrarlas en el lugar en que uno las había dejado la noche anterior; cosa que por supuesto creaba más dificultades que las que resolvía. La buena gente prefirió entonces abandonar la Fe y ahora las montañas permanecen por lo general en su sitio. Cuando en la carretera se produce un derrumbe bajo el cual mueren varios viajeros, es que alguien, muy lejano o inmediato, tuvo un ligerísimo atisbo de fe.

Am Anfang versetzte der Glaube nur Berge, wenn es unbedingt sein musste, weshalb die Landschaft über Jahrtausende dieselbe blieb. Als der Glaube jedoch um sich griff und die Leute es spassig fanden, Berge zu versetzen, veränderten diese dauernd ihren Standort, und es wurde immer schwieriger, sie anzutreffen, wo man sie am Abend zuvor gelassen hatte. Was natürlich mehr Unannehmlichkeiten verursachte als ausräumte. Deshalb fielen die guten Leute lieber vom Glauben ab, und heute bleiben die Berge üblicherweise, wo sie sind. Wenn s auf der Überlandstrasse zu einem Erdrutsch kommt und etliche Reisende den Tod finden, dann weil irgendjemand sehr fern oder nah einen leichten Anflug von Glauben verspürte. Übersetzung: Swenja Becker

Literatur: Coenen H. G. (2000): Die Gattung Fabel, Göttingen, UTB Vandenhoeck&Rupprecht

Dithmar R. (1988): Die Fabel, Paderborn, UTB Schöningh

Monterosso A. (2011): Das schwarze Schaf und andere Fabeln, Berlin, Insel Verlag

Röhrich L. (1991): Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, Freiburg/Basel/Wien, Herder

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