Ein visueller Hochge- nuss: Musealer Dia- log der ... · Katalog Zur Kölner Sonderschau ist ein...

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1 Zwei der drei attraktiven Ausstellungsplakate, hier mit Moti- ven bzw. Ausschnitten aus je einem van Gogh- und einem Gauguin-Werk, die beide in der Schau zu bewundern sind. © Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln Ein visueller Hochge- nuss: Musealer Dia- log der Sammlungen Bührle und Wallraf ermöglicht einzigarti- gen Rundgang durch die Kunstgeschichte Das Wallraf-Richartz-Museum in Köln zeigt die Sonderschau „Von Dürer bis van Gogh Sammlung Bührle trifft Wallraf“/ Großartiges Grundkonzept der dialogischen Gegenüberstellung in 8 Kapiteln/ 64 Exponate, je 32 aus beiden Sammlungen, auf rund 700 Qua- dratmetern Fläche/ sehr empfeh- lens- und lohnenswerter Katalog Das Wallraf-Richartz-Museum & Fonda- tion Corboud in Köln präsentiert in en- ger Kooperation mit der Stiftung Sammlung E.G. Bührle, Zürich vom 23. September 2016 bis zum 12. Februar 2017 (verlängert) die epochenübergreifend angelegte Son- derschau „Von Dürer bis van Gogh Sammlung Bührle trifft Wallraf“. „Monets Zauber hat mich nie losgelassen, Cézanne, Degas, Manet, Renoir wollte ich in meinem Umkreis an meinen Wänden haben“, so blickte Emil Bührle kurz vor sei - nem plötzlichen Tod im November 1956 auf den Beginn seiner Sammelleidenschaft zurück. In nur wenigen Jahren war es ihm gelungen, eine erstaunliche Vielzahl von herausragenden Kunstwerken aus den bedeutendsten Epochen von der Gotik bis Kubismus zusammenzutragen. Seine große Liebe aber galt immer den Impressionis- ten und hier trafen und treffen sich seine Interessen und die des Wallraf-Richartz-Mu- seums. Noch in den 1950er Jahren konkurrierten beide Parteien auf dem Kunstmarkt um die besten Bilder und heute, sechzig Jahre nach Bührles Tod, lässt das Kölner Museum eine exquisite Auswahl an Meisterwerken aus beiden Sammlungen in einen einzigartigen Dialog treten. In der Exposition kommen neben den bereits genannten französischen Impressionisten auch Meister wie Dürer, Cuyp, Canaletto, Delacroix, Courbet, Sisley, Pissarro, Gauguin, van Gogh, Picasso und Braque zusammen. Die Ausstellung wird ausschließlich in Köln zu sehen sein. Der ehemalige Wallraf-Direktor und Freund des Sammlers, Leopold Reidemeister, charakterisierte den in Zürich lebenden Industriellen Emil Bührle mit folgenden Wor- ten: „Er hatte die schöne Muße und Gel assenheit, eine halbe Stunde vor einem Mo- net zu verbringen, wobei man nicht zu hören bekam, daß er vielleicht bedeutendere Bilder dieses Künstlers besaß.“ Bührles Kollektion europäischer Malerei galt schon damals als eine der wichtigsten privaten Sammlungen überhaupt. Im Jahre 1960 brachte seine Familie eine repräsentative Auswahl von rund 200 Gemälden und Skulpturen in eine Stiftung ein, die bis Mai 2015 in der Züricher Villa neben Bührles

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Zwei der drei attraktiven Ausstellungsplakate, hier mit Moti-

ven bzw. Ausschnitten aus je einem van Gogh- und einem

Gauguin-Werk, die beide in der Schau zu bewundern sind.

© Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln

Ein visueller Hochge-nuss: Musealer Dia-log der Sammlungen Bührle und Wallraf ermöglicht einzigarti-gen Rundgang durch die Kunstgeschichte Das Wallraf-Richartz-Museum in Köln zeigt die Sonderschau „Von Dürer bis van Gogh – Sammlung Bührle trifft Wallraf“/ Großartiges Grundkonzept der dialogischen Gegenüberstellung in 8 Kapiteln/ 64 Exponate, je 32 aus beiden Sammlungen, auf rund 700 Qua-dratmetern Fläche/ sehr empfeh-lens- und lohnenswerter Katalog Das Wallraf-Richartz-Museum & Fonda-tion Corboud in Köln präsentiert in en-

ger Kooperation mit der Stiftung Sammlung E.G. Bührle, Zürich vom 23. September 2016 bis zum 12. Februar 2017 (verlängert) die epochenübergreifend angelegte Son-derschau „Von Dürer bis van Gogh – Sammlung Bührle trifft Wallraf“. „Monets Zauber hat mich nie losgelassen, Cézanne, Degas, Manet, Renoir wollte ich in meinem Umkreis an meinen Wänden haben“, so blickte Emil Bührle kurz vor sei-nem plötzlichen Tod im November 1956 auf den Beginn seiner Sammelleidenschaft zurück. In nur wenigen Jahren war es ihm gelungen, eine erstaunliche Vielzahl von herausragenden Kunstwerken aus den bedeutendsten Epochen von der Gotik bis Kubismus zusammenzutragen. Seine große Liebe aber galt immer den Impressionis-ten und hier trafen und treffen sich seine Interessen und die des Wallraf-Richartz-Mu-seums. Noch in den 1950er Jahren konkurrierten beide Parteien auf dem Kunstmarkt um die besten Bilder und heute, sechzig Jahre nach Bührles Tod, lässt das Kölner Museum eine exquisite Auswahl an Meisterwerken aus beiden Sammlungen in einen einzigartigen Dialog treten. In der Exposition kommen neben den bereits genannten französischen Impressionisten auch Meister wie Dürer, Cuyp, Canaletto, Delacroix, Courbet, Sisley, Pissarro, Gauguin, van Gogh, Picasso und Braque zusammen. Die Ausstellung wird ausschließlich in Köln zu sehen sein. Der ehemalige Wallraf-Direktor und Freund des Sammlers, Leopold Reidemeister, charakterisierte den in Zürich lebenden Industriellen Emil Bührle mit folgenden Wor-ten: „Er hatte die schöne Muße und Gelassenheit, eine halbe Stunde vor einem Mo-net zu verbringen, wobei man nicht zu hören bekam, daß er vielleicht bedeutendere Bilder dieses Künstlers besaß.“ Bührles Kollektion europäischer Malerei galt schon damals als eine der wichtigsten privaten Sammlungen überhaupt. Im Jahre 1960 brachte seine Familie eine repräsentative Auswahl von rund 200 Gemälden und Skulpturen in eine Stiftung ein, die bis Mai 2015 in der Züricher Villa neben Bührles

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Paul Cézanne, Der Knabe mit der roten Weste, um

1888/90, Öl auf Leinwand © Stiftung Sammlung

E.G. Bührle, Zürich, Foto: SIK-ISEA, J. P. Kuhn

Österreichischer oder Bayerischer Meister, Kreuzigung Christi, ca.

1340, Buchenholz © Stiftung Sammlung E.G. Bührle, Zürich, Foto:

historischeausstellungen.de

Wohnhaus zu sehen war. Ab 2020 wird die Sammlung in einem Erweiterungsbau des Kunsthauses Zürich wieder für die Öffentlichkeit zu sehen sein. Ausstellungsdaten, Konzept und Kuratoren Die in über zwei Jahren Vorbereitungszeit erarbeitete Kölner Ausnahmeschau präsentiert auf einer Fläche von rund 700 Quadratmetern eine exquisite epochen-übergreifende Auswahl an Kunstwerken, die den Bo-gen von der Gotik bis zum Kubismus spannt. Insge-samt sind 64 Meisterwerke, je 32 aus beiden Samm-lungen zu bewundern. Dem Grundkonzept der Exposi-tion folgend, werden grundsätzlich jeweils zwei, ver-einzelt auch drei Meisterwerke der Sammlungen des Wallraf-Richartz-Museums und der Stiftung Sammlung E.G. Bührle gegenübergestellt. Dieser einmalige Dia-log einer der bedeutendsten privaten Sammlungen und einer der wichtigsten öffentlichen Kunstsammlungen arbeitet nicht nur die in vielen Aspekten auffällige Ver-gleichbarkeit der Bestände heraus, sondern damit zu-gleich den Weitblick und die hohe Kunstkenntnis des Sammlers E.G. Bührle und des ihm freundschaftlich verbundenen Prof. Dr. Leopold Reidemeister, Direktor des Wall-raf-Richartz-Museums in eben dieser Zeit. Sie waren aber nicht nur Freunde und Gleichgesinnte in ihrem Kunstgeschmack, in ihren Präferenzen der Kunstauswahl, sondern quasi durch ihre ähnlich ausgerichteten Sammelvorlieben beinahe natur-gemäß auch Konkurrenten um die auf dem freien Markt verfügbaren Meisterwerke. Insbesondere diese Gleichartigkeit der Kunstpräferenzen lässt sich in einzigartiger Weise in der Ausstellung nachvollziehen. Die im Untergeschoss untergebrachte Aus-nahmeschau, deren Hauptaugenmerk eindeutig auf Gemälden liegt, aber auch wichtige Beispiele der Skulpturenkunst feil bietet, ist nur in Köln zu sehen ist. Die Exposition ist chronologisch geordnet, beginnt, einmal abgesehen von den als Aus-gangspunkt der Exposition dienenden beiden, als Pendant geschaffenen und mit die-ser Ausstellung erstmals wieder zusammengeführten, zu Beginn präsentierten, re-staurierten Gemälden Aelbert Cuyps, also mit den Tafelgemälden des 14. Jahrhun-derts und Skulpturen des 15. Jahrhunderts und endet im Rundgang mit Werken Vin-cent van Goghs. Der Fokus der Darbietung liegt, dem zentralen Sammelschwerpunkt

Bührles und eben auch Reidemeisters entsprechend, auf der Zeit des Impressionismus. Als Kuratorin der Sonderschau zeichnet Barbara Schaefer M.A. verant-wortlich, unterstützt von Anita Hachmann. Katalog Zur Kölner Sonderschau ist ein 220-seitiger Katalog im Belser Verlag erschienen, der im Museum zum Preis von 29,95 Euro, im Buchhandel für 39,95 Euro erhältlich ist. Die Publikation bietet zunächst eine Einführung der Kuratorin und einen sehr dankenswerten Beitrag zur vergleichenden Provenienzforschung der beiden Samm-lungen, wobei sowohl die heute medial im Vordergrund stehende Provenienz hinsichtlich möglicher NS-Raub-kunst diesbezüglich kurz erläutert wird, als auch die ei-gentlich oder ursprünglich mit dem Begriff verbundene allgemeine Provenienz, also die als Ergänzung zur spe-zifischen Geschichte der Kunst und ihrer Schöpfer

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Aelbert Cuyp, Fischerboote im Mondschein, um 1645, Öl auf

Eichenholz, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln,

Foto: © Rheinisches Bildarchiv, Köln

Aelbert Cuyp, Gewitter über Dordrecht, um 1645,

Öl auf Eichenholz, Stiftung Sammlung E.G.

Bührle, Zürich, Foto: SIK-ISEA, J. P. Kuhn

wichtige Rezeptionsgeschichte. Darunter zu verstehen, ist wiederum nicht allein die nachvollziehbare Besitzfolge der Werke, sondern insgesamt, wie es Dr. Lukas Gloor, Direktor der Sammlung E.G. Bürhle im Katalogbeitrag ausdrückt, „die Frage nach den ‚Konsumenten‘, die sich mit Kunst befassen, sei es professionell als Händler, Kritiker, Sammler, Kuratoren oder Universitätslehrer, sei es als Liebhaber in der meist schweigenden genießenden Menge, die Ausstellungsräume besucht oder sich lesend und betrachtend in Kunstzeitschriften, Kataloge und Monografien versenkt, aber auch hier und da zornige Parteinahme gegen Unliebsames bekundet.“ (Kat., S. 16) Nach dieser sehr gelungenen Einführung folgt ein vortrefflicher, in seiner Anlage überaus lobenswerter Katalog der Objekte, der dem Konzept der Ausstellung folgend die Exponate im Dialog vorstellt, also die jeweils als Pendants der Sammlungen prä-sentierten Exponate in vergleichender Weise gemeinsam kommentiert und in ihrer Korrelation erläutert. Man sollte es nicht versäumen, diesen ohne Einschränkungen höchst empfehlenswerten Katalog zu erwerben. Ein Blick in die Ausstellung Am Beginn des Rundgangs stehen außerhalb des ansonsten chronologischen Auf-baus zunächst zwei Werke rechts vom Haupteingang etwas separat bzw. der ei-gentlichen später links von diesem Eingangsbereich beginnenden Darbietung, die als Ausgangspunkt der Ausstellung dienen: die zwei als Pendants geschaffenen Ge-mälde „Fischerboote im Mondschein“ und „Gewitter über Dordrecht“ von Aelbert Cuyp (1620-1691), einem der großen niederländi-schen Landschaftsmaler. Cuyp, der heute zu Unrecht kaum noch und viel zu selten ge-würdigt wird, jedoch noch mindestens bis ins 19. Jahrhundert eine große Zahl an Bewun-derern hatte, zu denen auch die herausra-genden englischen Landschaftsmaler Wil-liam Turner (1775-1851) und John Constab-le (1776-1837) zählten, schuf diese Meister-werke bereits im Alter von nur 24 bzw. 25 Jahren. Dieses vor allem durch seine einma-ligen Lichteffekte überaus eindrucksvolle Gemäldepaar, das erst 1802 bei einer Auk-tion in London getrennt wurde, ist „fraglos ein grandioser Höhepunkt in der an qualitätvol-len Landschaften gewiss nicht armen nieder-ländischen Malkunst des 17. Jahrhunderts.“ (Katalog, S. 33) Nach über 200 Jahren kann man nun die beiden Meisterwerke, die ihren Weg in die Sammlungen Bührle

und Wallraf fanden, erstmals wieder, und zwar in frisch restauriertem Zustand, ge-meinsam bewundern. Wer sich näher für die Provenienz, also die Geschichte der Besitz-folge der beiden Bilder interessiert, bis sie und wie sie in die beiden Sammlungen inte-griert waren, sowie nach tiefer gehenden In-formationen sucht, sollte unbedingt den wie erwähnt großartigen Katalog zur Hand neh-men (Kat., S. 20/21u. 33-36). Dies gilt auch für alle anderen in der Ausstellung exempla-risch für die Sammlungen vorgestellten Wer-ke bzw. die Pendants.

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Meister der heiligen Veronika, Kreuzigung

Christi („Der kleine Kalvarienberg“), um

1415-1420, Eichenholz © Wallraf-Richartz-

Museum & Fondation Corboud, Köln, Foto:

© Rheinisches Bildarchiv, Köln

Info-Raum, direkt hinter dem zweiten Themenabschnitt „Ma-

lerei und Skulptur. Bilderwelten im späten Mittelalter“ gele-

gen, zu E. G. Bührle und dem Wallraf-Richartz-Museum &

Fondation Corboud, Foto: historischeausstellungen.de

Niederlande, um 1415, Kreuzigung Christi

(Kalvarienberg), Stiftung Samm-lung E.G.

Bührle, Zürich, Foto: SIK-ISEA, J. P. Kuhn

Noch bevor sich man dann auf den linker Hand vom Eingang begin-nenden chronologischen Rund-gang begibt, bietet die Exposition dem Publikum, in einem separa-ten, hinter dem zweiten Ausstel-lungsabschnitt zur mittelalterlichen Malerei und Skulptur gelegenen Bereich einen Überblick über die Biographie Emil Georg Bührles (1890-1956) und seiner Tätigkeit als einer der bedeutendsten euro-päischen Kunstsammler, gefolgt von einer Einführung in die Provenienzforschung des Wallraf-Richartz-Museums & Fondation Corboud in Köln sowie in die Geschichte desselben. Mit der sich direkt daran anschließenden Besichtigung des erwähnten zweiten Kapi-tels „Malerei und Skulptur. Bilderwelten im späten Mittelalter“ setzt sich dann die ei-gentliche Präsentation fort. In diesem mit frühen Meisterwerken beider Sammlungen nur so gespickten Abschnitt kann man eine exquisite Auswahl an Tafelbildern und Skulpturen altmeisterlicher Kunst des späten Mittelalters bewundern. Insbesondere

dieser Abschnitt belegt eindrucksvoll, dass den in ihrem Fokus auf den Impressionismus vor allem zielgerichteten Kunstsammlungen aus Köln und Zürich, grundsätzlich eben doch eine allumfassende, enzyklopädisch angelegte Sam-melintention innewohnt. Um die hier präsentierten Exponate zu verstehen, muss man allerdings voraussetzen, dass die Werke in ihrer Zeit nicht als Kunstobjekte geschaffen wurden, sondern, wie es in dem hier beigefügten Wandtext erläutert wird, als „Bilder zum Verständnis der christlichen Heilsbotschaft“ (Ausstel-lungstext), mit denen Gläubige damals wie heute die Hoffnung auf Erlösung und damit auf das ewige Leben ver-binden. Die dargebotenen Werke wa-ren entweder im öffentlichen Kirchen-raum zu sehen oder gezielt für die pri-vate Andacht geschaffen worden. Zu sehen ist eine repräsentative Auswahl mit den bevorzugten, gängigsten Kult-bildern des Spätmittelalters in Malerei und Skulptur. Da die mittelalterlichen Werke in ihrer künstlerischen Ausprä-gung vor allem durch kirchliche Vor-gaben, wie etwa gottesdienstliche

Zwecke und den Rhythmus des Kirchenjahres sowie regional bestimmte Heiligenverehrungen, und insgesamt durch ihre funktionale Bestimmung eher eingeschränkt oder reglemen-tiert waren, ist die hier in bemerkenswerter Weise offen zu Tage tretende Ähnlichkeit der gesammelten Werke bei Bührle und dem Wallraf-Ri-chartz-Museum im Vergleich zur später doch facettenreicheren eigenständigeren säkularen Form der Kunst vielleicht nicht derart verblüffend, aber dennoch kenn-zeichnend.

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Paul Gauguin, Die Opfergabe, 1902, Öl auf Leinwand,

Stiftung Sammlung E.G. Bührle, Zürich, Foto: SIK-

ISEA, J. P. Kuhn

Meister des Bartholomäus-Altars, Mut-tergottes mit der Nuss, um 1485/90,

Eichenholz, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln, Foto:

© Rheinisches Bildarchiv, Köln

Meister des Marienlebens und/oder Meister der

Lyversberg-Passion, Christus am Kreuz mit

Maria, Johannes und Maria Magdalena, um

1465/70, Wallraf-Richartz-Museum & Fonda-

tion Corboud, Köln, Foto: © Rheinisches Bild-

archiv, Köln

Odilon Redon, Der Kalvarienberg, um 1895,

Pastellkreide und Bleistift auf Karton, Stiftung

Sammlung E.G. Bührle, Zürich, Foto: SIK-

ISEA, J. P. Kuhn

Pablo Picasso, Blumenstillleben mit Zitronen,

1941, Öl auf Leinwand, Stiftung Sammlung E.G.

Bührle, Zürich, © 2016 Succession Picasso/VG

Bild-Kunst Bonn,

Foto: SIK-ISEA, J. P. Kuhn

Willem Claesz. Heda, Stillleben mit Römer und

Zitrone, 1632, Öl auf Eichenholz, Wallraf-

Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln,

Foto: © Rheinisches Bildarchiv, Köln

Dass die zuvor erwähnte enzyklopädi-sche Sammelintention natürlich auch einen darüberhinausgehenden epo-chensynkritischen Zweck vereint, also in sich eine die Zeitalter der Kunst übergreifend verbindende Vergleichs-funktion bedient, kann man dann di-rekt im Anschluss anhand gleich meh-rerer hochkarätiger Beispiele erfahren. Gerade diese vergleichende Darstel-lung lässt die Besucher, trotz aller Ver-änderungen und Entwicklungen in der Kunst in materieller Weise und hin-sichtlich der Kunstauffassung über rund 600 Jahre hinweg, so man-ches Mal erkennen, dass sich einige Aspekte der Kunst, wenn auch teils in anderer Form und Intention, durchaus wiederholen oder doch zumindest zu ursprünglichen Formen und Motiven zurückkehren. Die

in diesem zweiten Abschnitt „Male-rei im Dialog über die Jahrhunderte“ zu bewundernden Pendants beein-drucken dann auch den Betrachter durch ihren Kontrast von altmeister-licher Malerei und moderner Kunst in ganz besonderer Weise. Paul Gauguins „Die Opfergabe“ (1904) umrahmt von der „Muttergottes mit der Nuss“ (1485/90) des Meisters des Bartholomäus-Altars und der „Maria mit dem Kinde und der heili-ge Bernhard“ (1485) vom Meister des Marienlebens oder die neben-einander präsentierten Kalvarien-bergbilder des Meisters des Marien-lebens und Odilo Redons lassen die Besucher ebenso wie das „Stillleben mit Römer und Zitrone“ (1632) von Willem Claesz. Heda und Pablo Pi-cassos „Blumenstillleben mit Zitro-

nen“ (1941) einen Odem der Kunst über die Jahrhunderte hinweg spüren, der ästhetisch verzückt und kunsthistorisch ein-malig ist. Auch im weiteren Verlauf des Rundgangs bieten sich den Ausstellungsgästen zu-nächst einige weitere derartige Gegenüber-stellungen, dann aber vor allem solche, die speziell impressionistische Pendants der Sammlungen zeigen. Letztere dokumentie-ren quasi durch ihre Ähnlichkeit, aber teil-weise auch durch ihren fast identischen Entstehungszeitpunkt einen beinahe schon unheimlich erscheinenden Gleichschritt der

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Alfred Sisley, Regatta in Hampton Court, 1874, Öl

auf Leinwand, Stiftung Sammlung E.G. Bührle,

Zürich, Vermächtnis Dr. Dieter Bührle, Foto:

Dominic Büttner, ZürichFoto: SIK-ISEA, J. P.

Kuhn

Alfred Sisley, Die Brücke von Hampton Court,

1874, Öl auf Leinwand, Wallraf-Richartz-Museum

& Fondation Corboud, Köln, Foto: © Rheinisches

Bildarchiv, KölnFoto: SIK-ISEA, J. P. Kuhn

Edgar Degas, Tänzerinnen im Foyer, um 1889, Öl auf Lein-

wand, Stiftung Sammlung E.G. Bührle, Zürich, Foto: SIK-

ISEA, J. P. Kuhn

Edgar Degas, Tänzerinnen, um 1905, Pastell auf Papier,

Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln,

Foto: © Rheinisches Bildarchiv, KölnFoto: SIK-ISEA, J. P.

Kuhn

beiden Hauptprotagonisten der Sammlungen in diesem Segment, Emil Georg Bührle und der ehemalige Wallraf-Direktor Prof. Dr. Leopold Reidemeister, in ihrer Sammel-tätigkeit. Was die Besucher also im zweiten Teil des Rundgangs erwartet, erfüllt in vielerlei Hinsicht insbesondere durch die Art der Gegenüberstellung und der dieser wiederum innewohnenden künstlerischen Dichte wahrlich Träume der Liebhaber im-pressionistischer Kunst, die ihre Höhepunkte zweifellos unter anderem in der Darbie-tung gleich mehrerer Werke Claude Monets (1840-1926) finden. Zu sehen sind ge-

rade in dieser Phase des Ausstellungsumlaufs vier Werke, die in zweierlei und damit ganz be-sonderer Weise noch einmal die unfassbare Nähe der beiden zuvor erwähnten Protagonisten der beiden Sammlungen aus Zürich und Köln bele-gen. Zunächst gilt die Aufmerksam-keit dabei den

beiden Versionen der „Tänzerinnen“ von Edgar Degas (1834-1917). Das

von Bührle erworbene Ölgemälde wurde im Jahre

1889 vom Meister angefertigt, während es sich bei der hier direkt daneben zu bewundernden, auf Lein-

wand gezogenen Pas-tellzeichnung auf Papier aus dem Kölner Wallraf-Richartz-Museum um eine rund sechs Jahre später exakt abgepauste Version des Gemäldes handelt. Noch frappierender ist die Paralle-lität der Sammelleidenschaft bei einem kurz davor präsen-tierten Bilderpaar von Alfred Sisley zu beobachten. Die Ölgemälde „Die Brücke von Hampton Court“ und „Regatta in Hampton Court“ wurden beide am selben Tag von Sisley geschaffen. Noch nä-her kann man sich bei der

Auswahl impressionistischer Meisterwerke nun wirklich nicht sein. Am Ende des Rundgangs erwartet die Aus-stellungsgäste mit zwei van Gogh-Meisterwerken wahrlich ein krönender Abschluss dieser einzigartigen Ausstellung. Fazit und Zusammenfassung Das Wallraf-Richartz-Museum in Köln bietet seinem Publikum mit der Sonderaus-stellung „Von Dürer bis van Gogh – Sammlung Bührle trifft Wallraf“ einen unver-gesslichen visuellen und kunsthistorischen Hochgenuss. Es gab schon andere be-deutende Dialoge zweier wichtiger Kunstsammlungen, keiner jedoch kann mit die-sem in vielerlei Beziehung einzigartigen Vergleich mithalten. Dabei ist es nicht nur der beidseitig enzyklopädisch angelegte Ansatz, der die Besucher in der Schau er-staunt und in den Bann zieht, und zweifellos auch nicht allein die große Anzahl an hochkarätigen Werken oder die beidseitige Fokussierung auf den vorzugsweise fran-zösischen Impressionismus. Nein, vor allem ist es der beinahe unheimlich anmu-

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Vincent van Gogh, Die Zugbrücke, 1888, Öl auf Lein-

wand, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Cor-

boud, Köln, Foto: © Rheinisches Bildarchiv, Köln

Vincent van Gogh, Die Seine-Brücken bei Asnières, 1887,

Öl auf Leinwand, Stiftung Sammlung E.G. Bührle, Zürich,

Foto: SIK-ISEA, J. P. Kuhn

tende hohe Grad an Übereinstimmung der Protago-nisten, Emil Georg Bührle und Prof. Dr. Leopold Reidemeister, langjähriger Wallraf-Direktor, in ihrer Sammeltätigkeit. Wie im Gleichschritt scheinen sie beim Erstehen von neuen Werken für ihre jeweilige Sammlung vorgegangen zu sein. Es gibt Beispiele in der Exposition, da muss einem einfach der Atem an-gesichts der Parallelität stocken, sei es bei den „Tän-zerinnen“ von Edgar Degas oder aber bei den gar am selben Tag geschaffenen Werken Alfred Sisleys. Die Ex-position bietet aber noch weit mehr als die-se doch überraschende

Erkenntnis. Sie präsentiert einen fantastischen, einma-ligen Rundgang durch die Kunstgeschichte vom 14. bis ins 20. Jahrhundert hinein. Und sie visualisiert auf he-rausragende Weise, dass der enzyklopädischen Heran-

gehensweise beider Sammlungen eine weitere bedeu-tende Funktion innewohnt, die man nur selten in dieser Klarheit und mit so überzeugenden Beispielen verwirk-licht sieht: einen über den eigentlichen grundsätzlichen Sammelzweck hinausge-henden epochensynkritischen Zweck, also eine in sich die Zeitalter der Kunst über-greifend verbindende Vergleichsfunktion. Einen Besuch dieser in jeder Beziehung höchst empfehlenswerten Ausstellung sollte man keinesfalls verpassen. Zum Ende hin sei hier den Besuchern der Sonderschau noch einmal der Kauf des vortrefflichen, überaus lohnenswerten Katalogs anempfohlen. Die Ausstellung kompakt Titel: Von Dürer bis van Gogh – Sammlung Bührle trifft Wallraf Ort und Dauer: Wallraf-Richartz-Museum, Köln, Obenmarspforten, 50667 Köln 23. September 2016 (bis ursprünglich 29. Januar 2017, verlängert) bis 12. Februar 2017 Veranstalter: Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln, in enger Kooperation mit der Stiftung Sammlung E.G. Bührle, Zürich Ausstellungstyp: Sonderausstellung Vorbereitungszeit: über 2 Jahre Ausstellungskuratorin: Barbara Schaefer, M.A. Exponate: 64 Exponate, je 32 Exponate aus beiden Sammlungen Leihgeber: Eigene Bestände des Wallraf-Richartz-Museums und Leihgaben der Stiftung Sammlung E.G. Bührle, Zürich Ausstellungsfläche: ca. 700 m² Öffnungszeiten: Mi-Mo: 10-18 Uhr, dienstags geschlossen Eintritt: 12 €, ermäßigt: 8 €, Familien: 24 € (2 Erwachsene plus Kind/er) Gruppen: 10 € (ab 10 Personen), Schulklassen: 3 € pro Schüler Publikation: Katalog: 220 Seiten, 144 farbige Abbildungen, 27 x 24 cm: Museumsaus- gabe: 29,90 €, Buchhandelsausgabe: 39,95 €, Belser Verlag (ISBN: 978-3-7630-2763-7) Allgemeine Infos: Tel.: 0221 22121119, Fax: 0221 22122629 Internet: www.wallraf.museum/ausstellungen/vorschau/2015-09-23-buehrle/ eMail: [email protected] (© Dr. Martin Große Burlage, historischeausstellungen.de, www.historischeausstellungen.de, eMail: [email protected], Tel.: 0049 (0)2572 959496)