Ein Vorschlag Zur Durchführung Eines Physiologischen Fusstrainings

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EIN VORSCHLAQ ZUR DURCHFUHRUNG ElNES PHYSIOLOGISCHEN FUSSTRAININGS DR. LEO BLUMENTHAL Facharzr f. Kinderkrankheiten. VON \Venn inan in der Sprechstnnde voii Muttern vor die Frage gestellt wircl, was sie fur clie E’usse der Kinder prophylaktisch tun konneii oder was therapeutisch gegen einen eben festgestell- ten leichten Haltuiigsverfall des Fusses EU imternelimen ist, so wird iiian Rich voii deli ublichen Empfehlungen, wie Gangubun- gen uiid Massageii, iiiclit allzimiel versprecheii durfen. >>Es liegt im Wesen der iiienschliclieii Natiir, alle diese auf lange Frist hinausgeheiidea Obnngeii frulier oder spater einschlafen zii lassen. - Es ge1ior.t schoii riii gaiiz hestiiiiiiiter Menschentypus dam, derartige Ubuiigen dimh .Talire hiiiilurch >>imentwegtct fortzusetzen<< (Spitay). Solche Massnahnieii, die eine Koiicen- tration roil Reiten cles Pflegepersonals wie der Kinder bean- ~pi~nclieii, scheiteim in cler Begel an iiiangeliider Ausdauer. Prak- tisch hat es daniin weiiig nert, sie mi einpfehlen. Wir habeii noch eiiie andere, altbekaiiiite uiid neuerdiiigs mieder nachdruck- licli propagierte Methode, elen Fuss eu alitivieren : das Barfuss- laufen in1 Freien. Es ist clie >>natui*lichect Methocle, die ausserclern den Vorzug hat, class der Fuss zuia Arbeit gez~\--ungen mird, ohne dass sich das Kind daraixf zii koiiceiitriereii bmucht. Aber aiich hier ergebeii sich fur (lie Durchfuhrung wesentliehe Schwierig- keiten. hi€ Clem Lande h i i n man die Kinder barfuss laiifen lassen, in den grossen Stadten bietet sich aber kaum Gelegen- heit dazu. Eine aeitere Einschrankung bedeuten die Witterungs- verhaltnisse. Wenn Ullrnann neuerdings meinte, dass die Emp- fehluiig des Barfusslaufens fur das Kleinkind allein im Hin- Acta Orthop Downloaded from informahealthcare.com by UB Kiel on 10/28/14 For personal use only.

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EIN VORSCHLAQ ZUR DURCHFUHRUNG ElNES PHYSIOLOGISCHEN FUSSTRAININGS

DR. LEO BLUMENTHAL Facharzr f. Kinderkrankheiten.

VON

\Venn inan in der Sprechstnnde voii Muttern vor die Frage gestellt wircl, was sie fur clie E’usse der Kinder prophylaktisch tun konneii oder was therapeutisch gegen einen eben festgestell- ten leichten Haltuiigsverfall des Fusses EU imternelimen ist, so wird iiian Rich voii deli ublichen Empfehlungen, wie Gangubun- gen uiid Massageii, iiiclit allzimiel versprecheii durfen. >>Es liegt im Wesen der iiienschliclieii Natiir, alle diese auf lange Fris t hinausgeheiidea Obnngeii frulier oder spater einschlafen zii lassen. - Es ge1ior.t schoii riii gaiiz hestiiiiiiiter Menschentypus dam, derartige Ubuiigen d i m h .Talire hiiiilurch >>imentwegtct fortzusetzen<< (Spi tay) . Solche Massnahnieii, die eine Koiicen- tration roil Reiten cles Pflegepersonals wie der Kinder bean- ~pi~nclieii, scheiteim in cler Begel an iiiangeliider Ausdauer. Prak- tisch hat es daniin weiiig ner t , sie mi einpfehlen. Wir habeii noch eiiie andere, altbekaiiiite uiid neuerdiiigs mieder nachdruck- licli propagierte Methode, elen Fuss eu alitivieren : das Barfuss- laufen in1 Freien. Es ist clie >>natui*lichect Methocle, die ausserclern den Vorzug hat, class der Fuss zuia Arbeit gez~\--ungen mird, ohne dass sich das Kind daraixf zii koiiceiitriereii bmucht. Aber aiich hier ergebeii sich f u r (lie Durchfuhrung wesentliehe Schwierig- keiten. h i € Clem Lande h i i n man die Kinder barfuss laiifen lassen, in den grossen Stadten bietet sich aber kaum Gelegen- heit dazu. Eine aeitere Einschrankung bedeuten die Witterungs- verhaltnisse. Wenn Ullrnann neuerdings meinte, dass die Emp- fehluiig des Barfusslaufens fur das Kleinkind allein im Hin-

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blick auf die Temperaturverhaltnisse micht wortlich zu neh- mencc sei, so ist damit nicht zu vie1 gesagt. Die klimatischen und 6rtlichen Bedingungen verwehren es den meisten Kindern, dieses im Plan der Natur vorgesehene Training zu betreiben.

Der Gedanke liegt nahe, diese Hindernisse dadurch gegen- standslos zu machen, dass man die Terrainverhaltnisse im Freien fur das Zimmer nachbildet. Das ist in einfacher Weise eu erreichen, indem man dem Zimmerboden eine flache Matratze auflegt, deren abgesteppte Unterteilungen lose mit grobstuk- kigen Fiillkorpern beschickt sind. Der Bunphysiologischc mono- tone, ebene und unnachgiebige Zimmerboden wird dadurch zu einer rauhen, irregular-hilgeligen und modellierbaren Laufflache umgestaltet, die dem Fuss die Anreize des kiesbestreuten Erd- bodens vermittelt, welcher als orthopadisch wirksame Boden- formation allgemein empfohlen wird. Ich habe Kinder der ver- schiedenen Lebensalter und auch Erwachsene auf dieser Lauf- matratze trainieren lassen, auch Kinder ihre ersten Gehversuche darauf anstellen lassen. Was der Fuss an Mehrarbeit auf dieser Laufflache leistet, kann man sich leicht durch Vergleiche deut- lich machen: beim Gang auf dem einformigen Fussboden oder auf Teppichen gleicht ein Schritt weitgehend dem andern, wah- rend der Fuss auf die bei jedem Schritt variierenden Reize mit wechselvollem Spiele reagiert. Dabei kommt es bald zu einer lebhaften Rotung der Sohle infolge der Massage durch die sich verschiebenden grobstiickigen Fiillteile. Bei jungen Kindern, die den Fuss noch nicht abrollen ( H . o. M e p w ) , imponiert besonders das kraftige Einkrallen der Zehen in den mobilen Laufgrund, ehe sich die Ferse hebt. Das Barfussgehen auf dem Kiesboden ist bekanntlich auch eine vorziigliche Ubung der Supinatoren. Lamge meint, dass die Kinder auf grobem Kies den Fuss in Varusstellung aufsetzen, Bweil sie angstlich vermeiden, mit der zarten Haut des Fussgewolbes aufzutretenc Das mag anfanglich mitsprechen. Die Kinder gewohnen sich aber sehr rasch an die- sen Laufgrund und der orthopadische Effekt bleibt bestehen, auch wenn die hgstlichkeit als psychischer Faktor zuriicktritt. Wenn man als Erwachsener die recht empfindlichen Reize auf den eigenen Fuss einwirken lasst, so wundert man sich sogar,

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wie wenig Beschwerde sie dem ICinde zu machen scheiaen. Hier spricht aber offensichtlich eine physiologische Regelung mit : je junger das Kind ist, mit desto geringerem Gewicht belastet es die Laufflache, wodurch sich ihre Reizstarke entsprechend abstuft.

,Der Plattfuss ist eine Folge der Civilisation<< ( M . Lunge). Der Asphalt der Strasse und der raumbeengende >passendec< Schuh sind zwar nicht aus der Civilisation hinwegzudenken, man sol1 aber die Schaden, die dem Fuss daraus entstehen, nach Mog- lichkeit durch fruhzeitiges und ausgiebiges Training zu para- lysieren suchen, indem man dafur sorgt, dass speziell die Kin- der in den Jahren der Entwicklung ,natiirlichx stehen und gehen lernen. Praktisch ist das in der angegebenen WeirJe durch- fuhrbar.

LITERATUR Lunge, Fritz: Lehrbuch d. Orthopadie (1928). Lunge, Max: Munch. med. Wschr., 1875 u. 1912 (1935 11). Jfeyer, H. a: cit. Hohmann, Fuss und Bein, ihre Erkrankung und deren

Behandlung, Lehrbuch (1934). R’pitxy : Orthopidische Therapie i. d. dllgetneinpraxis (1932). Ullmann: Kinderarztl. Prax. 69 (1936).

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