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JEFF COHEN Eine Leiche auf Abwegen

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JEFF COHEN

Eine Leiche auf Abwegen

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Buch

Eine neue Kundin, Sheila McInerney, betritt das Büro von Samuel Hoenig. Die junge Frau beauftragt ihn mit der Beantwortung folgen-der Frage: »Wer ist der Mann, der behauptet, mein Ehemann zu sein?« Mit diesem Auftrag findet sich Samuel auf völlig unbekanntem Terrain wieder – der Ehe. Und so setzt er alle Hebel in Bewegung, um seine Assistentin Janet Washburn zurückzuholen, die sich auf diesem Gebiet deutlich besser auskennt. Als Sheila panisch bei Samuel anruft, weil ihr vermeintlicher Ehemann sie bedroht, ahnt Samuel, dass es hier um

weit mehr als die Beantwortung einer simplen Frage geht …

Au tor

Jeff Cohen, aufgewachsen in New Jersey, ist ein schriftstellerischer Tausendsassa. Als Reporter schrieb er u. a. für die New York Times, Entertainment Weekly und USA Today, er arbeitete als Lehrer, Redak-teur und Drehbuchautor und veröffentlichte zwei Sachbücher über das Asperger-Syndrom. In seinen Kriminalromanen, die sich in den USA bereits über 100 000-mal verkauften, bringt Jeff Cohen seine Leser gern zum Lachen, während er ihnen reihenweise Verdächtige präsen-

tiert und sie auf falsche Fährten lockt.

Jeff Cohen bei Blanvalet

Eine Leiche riskiert Kopf und Kragen (Samuel Hoenig 1)

Mehr Informationen zum Autor finden Sie hier: http://www.jeffcohenbooks.com

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Jeff Cohen

Eine Leiche auf Abwegen

Roman

Aus dem Amerikanischen von Bernd Stratthaus

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Eine Leiche auf Abwegen

Roman

Aus dem Amerikanischen von Bernd Stratthaus

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Die Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel »The Question of the Unfamiliar Husband

(An Asperger’s Mystery)« bei Midnight Ink, Woodbury.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand

zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Verlagsgruppe Random House FSC® N001967

1. AuflageCopyright © 2015 by Jeff Cohen

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2018 by Blanvalet Verlag, in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 MünchenUmschlaggestaltung: © Johannes Wiebel/punchdesign, unter Verwendung von Motiven von Shutterstock.com

(© Colorcocktail, © Panptys, © jorgen mcleman)Redaktion: Angela Küpper

JB · Herstellung: samSatz: Buch-Werk statt GmbH, Bad Aib ling

Druck und Bin dung: GGP Me dia GmbH, Pöß neckPrin ted in Germ any

ISBN: 978-3-7341-0350-6

www.blanvalet.de

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Für Seym our M. Co hen,By ron T. Cop per man und

Jes sica Op pen heim

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Die Ein gangs tür ging auf, und eine Frau trat ein.Ich hat te an mei nem Mac Pro ge ar bei tet und ver sucht,

die Ant wort auf die Fra ge ei nes Kun den zu fin den. Den Auf trag hat te ich in der ver gan ge nen Wo che an ge nom-men. Da rin ging es um ei nen Ra pfen, ein Sprung brett und eine be stimm te Men ge Bour bon, aber die Fra ge war nicht be mer kens wert ge nug, um sie hier nä her aus zu füh-ren. Al ler dings hat te ich zu ge stimmt, sie zu be ant wor ten, denn ich hat te seit sechs Ta gen nicht mehr ge ar bei tet und brauch te die geis ti ge Übung. Auch das Ho no rar hat te eine Rol le ge spielt.

Vor sechs Mo na ten hat te ich Fra gen Be ant wor ten ge-grün det. Ich hat te das La den ge schäft in der Stel ton Road 735 in Pi scat away, New Jer sey, ge mie tet, weil es in der Nähe des Hau ses liegt, in dem mei ne Mut ter und ich ge-mein sam le ben. Es ge nüg te mei nen mi ni ma len An sprü-chen, und ich konn te es mir leis ten. Seit her hat te ich hier und da eine An zei ge ge schal tet. Da durch und durch ein biss chen Mund pro pa gan da – ein Aus druck, der für mein Emp fin den nur we nig Sinn er gibt, da Wör ter auf Pa pier oder als Pixel eben so wirk sam sind – war es mir ge lun-gen, die meis te Zeit über mit Auf trä gen ein ge deckt zu sein.

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Die Frau, sie war etwa sie ben und zwan zig Jah re alt, ei-nen Me ter sieb zig groß, hat te brau ne Au gen und Haa re, sah sich ner vös im Raum um – bei Men schen, die mein Ge schäft be tre ten, kei ne un ge wöhn li che Re ak ti on.

Vor Fra gen Be ant wor ten hat te sich in die sem Ge bäu de eine Piz ze ria na mens San Remo be fun den. Die Öfen, die zur Her stel lung des haupt säch li chen Pro dukts die ses Ein-zel han dels un ter neh mens ver wen det wor den wa ren, stan-den noch im mer in mei nen Räum lich kei ten, doch ich hat-te nie mals ei nen von ih nen ein ge schal tet. Al ler dings muss ich zu ge ben, dass ich bis wei len ver sucht war, es aus Neu-gier aus zu pro bie ren.

In der Mit te des gro ßen Rau mes – grö ßer als ei gent lich not wen dig, je doch mei nen Be dürf nis sen an ge passt und ge eig net, da rin auch bis wei len ein Ex pe ri ment durch zu-füh ren – stan den ein Schreib tisch, an dem ich ar bei te-te, da ne ben ein Lehn stuhl, in dem mei ne Mut ter oft saß, wenn sie mich im Büro be such te, und au ßer dem gab es noch zwei tra gen de Säu len. Der Groß teil des Rau mes war leer, aber sau ber. Man hat te mir schon ge sagt, dass die Wän de ei nen neu en An strich ver tra gen könn ten, doch ich hat te kei nen Nut zen da rin ge se hen, da es mei nes Wis sens kei ne Er kennt nis se da rü ber gibt, dass Men schen in te res-san te re Fra gen stel len, wenn sie sich in ei ner frisch ge stri-che nen Um ge bung auf hal ten.

»Darf ich Ih nen hel fen?«, frag te ich die Frau. Ich hat te mir an trai niert, die se Fra ge zu stel len. Mein na tür li cher Im puls war ei gent lich he raus zu fin den, was ein mög li cher Kun de wis sen woll te, doch Mut ter be haup tet, dass die Leu te so viel Di rekt heit ver stö rend fin den. Zu dem fra-ge ich nie: »Kann ich Ih nen hel fen?« Wenn mir ir gend-je mand in ei nem Ge schäft die se Fra ge stellt, ver wirrt es

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mich je des Mal, denn ich habe ja kei ne Ah nung, ob die be treff en de Per son das kann, be vor er oder sie weiß, was ich von ihr will. Zwar bin ich mir si cher, dass ich den meis ten Men schen hel fen kann, die in mein Büro kom-men und mir eine Fra ge stel len, aber sta tis tisch ge se hen ist es eine Tat sa che, dass ich nicht jede ein zel ne Fra ge be-ant wor ten kann. Man hat mir bis her noch kei ne Fra ge ge stellt, auf die ich kei ne Ant wort fin de, doch the o re tisch ist das eben mög lich.

»Ich … ich bin mir nicht si cher«, ent geg ne te die Frau. »Ist das hier so et was wie ein De tek tiv bü ro?«

So. Die se Un ter hal tung ab zu kür zen wäre ein Leich-tes, denn mein Un ter neh men hat mit ei nem De tek tiv bü-ro nichts zu tun. »Nein«, ant wor te te ich folg lich. »Sie sind bei Fra gen Be ant wor ten.« Ich mach te eine Ges te in Rich tung des Schil des im Schau fens ter, auf das ich den Na men des Un ter neh mens deut lich mit was ser fes tem Stift ge schrie ben habe. Mut ter fin det, ich soll te in ein pro fes si-o nel ler aus se hen des Schild in ves tie ren, und wahr schein-lich soll te ich das wirk lich, denn üb li cher wei se hat sie in sol chen Din gen recht.

Statt ent mu tigt zu wir ken, mach te die Frau je doch wei-te re fünf Schrit te auf mich zu. Ich er hob mich, denn Dr. Manc uso hat te mir ge sagt, dass es als un höfl ich wahr ge-nom men wür de sit zen zu blei ben, wäh rend die Per son, mit der man spricht, vor ei nem steht. Wie ich es ge übt hat te, streck te ich die Hand aus. »Darf ich mich vor stel-len, mein Name ist Sa mu el Hoe nig. Mir ge hört Fra gen Be ant wor ten.«

»Ähm, ich habe eine Fra ge, die ein paar Er mitt lun gen er for dert. Das ge hört doch zu Ih ren Leis tun gen?« Streng ge nom men war das kei ne Fra ge, aber ihr Ton fall, der am

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Ende des Sat zes um eine Terz an stieg, zeig te mir an, dass sie es für eine hielt.

Also ant wor te te ich ihr, als wäre ich der Mei nung, sie hät te mich et was ge fragt. »Es hängt von der Fra ge ab. Die meis ten Fra gen er for dern ei ni ge Nach for schun gen, doch nicht alle be dür fen Er mitt lun gen au ßer halb die ser vier Wän de.«

»Sie ha ben schon frü her in ei nem Kri mi nal fall er mit-telt«, er in ner te sie mich. »Da von habe ich im Star-Led-ger ge le sen.«

Ich biss mir auf die Lip pe. Es stimm te. Vor drei Mo na-ten hat te ich eine Fra ge zu ei nem Mord fall be ant wor tet, al ler dings nur weil sie mit ei ner an de ren Fra ge in Ver bin-dung stand, die ich eben falls zu be ant wor ten ver such te – und weil Mut ter mir, was eher un fair war, eine Fra ge zu dem Mord ge stellt und mir dann für die Be ant wor tung ei nen Dol lar ge zahlt hat te.

»Ha ben wir«, räum te ich ein. »Das ist je doch nicht un-ser vor dring li ches Be tä ti gungs feld. Wenn Sie je man den be nö ti gen, der für Sie eine Straf tat un ter sucht, dann rate ich Ih nen, sich an ei nen Pri vat de tek tiv oder an die Po li-zei zu wen den.« Ich er wog, mich wie der hin zu set zen, als Zei chen da für, dass das Ge spräch be en det war, doch das stand im Kon flikt mit der Mög lich keit, dann als un höf-lich wahr ge nom men zu wer den. Es war eine schwie ri ge Ent schei dung, also blieb ich erst ein mal ste hen.

»Ich bin nicht si cher, ob ich je man den brau che, der eine Straf tat un ter sucht«, ent geg ne te die Frau. »Ich bin nicht mal si cher, ob über haupt eine Straf tat vor liegt.« Sie sah sich noch ein mal rasch um. Ihr Blick blieb an Mut ters Lehn stuhl hän gen. »Darf ich mich set zen?«

Da mei ne Mut ter nicht an we send war und ich sie dem-

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nächst auch nicht er war te te, nick te ich. Wenn die Frau sich setz te, wür de mir das im mer hin er lau ben, mich eben-falls wie der an mei nem Schreib tisch nie der zu las sen. Ohne die Fuß stüt ze aus zu klap pen, setz te sie sich also in den Lehn stuhl. Auch ich nahm mei nen ur sprüng li chen Platz wie der ein und kam zur Sa che: »Wie lau tet Ihre Fra ge?« Er neut war ich un si cher, ob die se di rek te Nach fra ge an-ge mes sen war, doch mei nes Er ach tens war es not wen-dig, mit der Un ter hal tung vo ran zu kom men, da mit ich mich wie der der An ge le gen heit mit dem Ra pfen wid men konn te.

»Mein Name ist Sheila McInerney«, stell te die Frau sich vor. Zwar hat te ich sie nicht nach ih rem Na men ge-fragt, aber sie fuhr fort, ge nau wie ich es er war tet hat te. »Ich ar bei te als Gra fi ke rin bei ei ner Wer be agen tur in der Stadt.« Wenn Leu te aus dem nörd li chen New Jer sey von »der Stadt« spre chen, mei nen sie New York City, ge nau er ge sagt Man hat tan. Wenn Leu te aus dem süd li chen New Jer sey von »der Stadt« spre chen, mei nen sie Phi la del phia. Ms. McInerney mein te Man hat tan.

Da sie bis her nichts ge sagt hat te, was auf eine Fra ge hin wies, mit de ren Be ant wor tung sie mich hät te be auf-tra gen kön nen, schwieg ich.

»Ich habe stets gern ge ar bei tet, doch ich möch te auch ein Zu hau se, eine Fa mi lie und all das ha ben«, fuhr Ms. McInerney fort und sag te da mit im mer noch nichts, was be son ders auf schluss reich ge we sen wäre. »Ich habe die üb-li chen Dates hin ter mich ge bracht, habe mich so gar auf ei-ner die ser In ter net platt for men an ge mel det, aber ich habe den Rich ti gen für mich off en bar noch nicht ge fun den.«

Mir schien, es wäre nun an der Zeit, et was zu er wi-dern, ob wohl es schwie rig wür de, da bei we der un ge dul-

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dig noch un höfl ich zu klin gen. Also über leg te ich sorg fäl-tig. »Wie so hat die se Su che Sie hier her ge führt?« Es kam mir un wahr schein lich vor, dass Ms. McInerney durch ir-gend ei nen Com pu ter al go rith mus den Schluss ge zo gen ha-ben könn te, dass ich ihr Traum mann war, doch falls sie wirk lich zu die sem Er geb nis ge kom men sein soll te, wäre es wohl not wen dig, sie von die ser Vor stel lung wie der ab-zu brin gen.

Trotz mei nes Ver suchs, takt voll zu sein, wirk te sie über-rascht. »Nun, dazu äu ße re ich mich gleich. Ich woll te nur klar stel len, dass ich kei ne bin, die – Sie wis sen schon – sich ein fach dem Erst bes ten an den Hals wirft. Ich su che ei nen Mann, der mein Freund und Part ner, nicht nur mein Lieb ha ber sein kann.«

Das Ge spräch führ te in zwi schen un zwei fel haft in eine Rich tung, die mir Un be ha gen be rei te te. Ich er wog, Ms. McInerney ge gen über zu be haup ten, in ei ner Be zie hung zu sein, doch das wäre eine Lüge ge we sen, und Mut ter sagt im mer, dass Lü gen un ter kei nen Um stän den hilf reich sind. The o re tisch könn te ich das an zwei feln, aber prak-tisch bin ich ein sehr schlech ter Lüg ner, also neh me ich die sen Rat von ihr grund sätz lich erst ein mal an.

Glück li cher wei se hat te Ms. McInerney ein fach nur Luft ge holt und er war te te nicht, dass ich et was er wi der-te. »Was ich, glau be ich, zum Aus druck brin gen will, ist, dass ich nicht die Art Frau bin, die mit je dem Ty pen gleich ins Bett steigt.«

Es hat te Jah re ge braucht, bis ich bei Ge sprä chen mei-nem Ge gen über in die Au gen se hen konn te, doch wenn das The ma mir un an ge nehm ist, be rei tet es mir auch heu-te noch ei ni ge Schwie rig kei ten. Nun starr te ich auf den Bild schirm mei nes Mac Books, auf dem eine Sei te auf-

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ge ru fen war, die sich mit den un ter schied li chen Sor ten von Bour bon be schäf tig te. Al ler dings ver such te ich nicht wirk lich, sie zu le sen. »Ver ste he«, sag te ich. Streng ge-nom men war das die Wahr heit – ich ver stand, wel che Bot schaft sie mir zu ver mit teln ver such te. Wa rum sie je-doch die se In for ma ti on mit mir tei len woll te, war mir im Mo ment noch voll kom men schlei er haft.

»Gut«, sag te Ms. McInerney, als wäre nun ir gend et was ge klärt. »Wir ha ben uns also über die Grund la ge ver stän-digt, auf der Sie mein Pro blem ver ste hen kön nen.«

Man che Schlüs sel wor te lö sen in mir fast re flex haf te Re ak ti o nen aus. Wenn ich höre, dass je mand von ei nem »Pro blem« spricht, er folgt eine ra sche Ant wort mei ner-seits. »Ich löse hier kei ne Prob le me. Mein Un ter neh men heißt Fra gen Be ant wor ten. Ich be ant wor te Fra gen.«

Ge ra de woll te ich ei ni ge Vor schlä ge ma chen, wie Ms. McInerney ihr wie auch im mer ge ar te tes Pro blem statt-des sen lö sen könn te, da er griff sie er neut das Wort.

»In Ord nung«, sag te sie. »Ich habe eine Fra ge an Sie, Mr. Hoe nig: Wer ist der Mann in mei nem Bett, der von sich selbst be haup tet, mein Ehe mann zu sein?«

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Die ses Mal stell te ich si cher, dass ich Ms. McInerney in die Au gen sah. »Glau ben Sie, dass ein Hoch stap ler vor-gibt, Ihr Ehe mann zu sein?«, frag te ich. »Sind Sie mit je-mand an de rem ver hei ra tet?« Sie schien zu vor das Ge gen-teil be haup tet zu ha ben, also be trach te te ich ihr Ge sicht sehr auf merk sam. Es gab kein An zei chen ei nes Zö gerns, kein Zu cken. Sie hat te mit die ser Re ak ti on ge rech net und hat te ihre Fra ge tat säch lich ge nau so for mu liert, dass sie den größ ten Eff ekt er ziel te. Das hat te sehr gut ge klappt.

Mein In te res se war ge weckt.»Nein, ich glau be, dass ich gar nicht ver hei ra tet bin.

Ich den ke, dass der Mann, der jetzt in mei ner Woh nung lebt und in mei nem Bett schläft, ein Be trü ger ist.«

Ich sah auf ihre lin ke Hand, an der Frau en oft ei nen Ver lo bungs- oder Ehe ring oder bei des tra gen. An ih rer gab es nur ei nen ein fa chen gol de nen Ring, sonst nichts. An kei ner Hand trug sie ei nen Di a man ten oder an de ren Schmuck.

»Wie ist das mög lich?«, frag te ich sie. »Sie wür den es doch si cher wis sen, wenn Sie je man den ge hei ra tet hät-ten.«

»Das ist komp li ziert«, ent geg ne te sie, und mir fiel auf, dass sie dies mal den Blick kon takt ab brach. Das gilt bei

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den meis ten Men schen, die als »neuro ty pisch« gel ten, als ein ver rä te ri sches Zei chen.

»Das kann ich mir vor stel len. Wel cher Art ist die Komp li ka ti on ge nau?«

Ms. McInerney saug te an ih ren un te ren Schnei de zäh-nen, als wol le sie ei nen un an ge neh men Ge schmack los-wer den. »Ich möch te nicht, dass Sie den ken, mir pas siert das häu fig.«

Mei ne Mei nung über ihr Ver hal ten schien ihr wich tig zu sein, und da sie eine mög li che Kun din war (ge nau er ge sagt, da ich mich für die Fra ge in te res sier te), war es von Be deu tung, ihre Be den ken zu zer streu en. »Ich kann mir nicht vor stel len, dass Sie mehr als ei nen Ih nen un be kann-ten Ehe mann ha ben.«

»Das ist nicht lus tig, Mr. Hoe nig.«»Ich woll te kei nen Witz ma chen«, er wi der te ich. »Bit-

te. Er zäh len Sie, was pas siert ist.«Sie nick te und at me te ein mal tief durch; ich war mir

nicht si cher, ob das spon tan oder mei net we gen ge schah. Plötz lich wünsch te ich mir, dass Mut ter hier wäre, da sie mir oft Ges ten oder Zei chen er klä ren kann, die ich als sol che nicht er ken ne.

»Es war auf ei ner Par ty, vor et was über ei nem Mo nat«, be gann Ms. McInerney.

»Wer hat die Par ty ge ge ben?«, frag te ich nach.Ms. McInerney blin zel te und öff ne te die Au gen ein

biss chen wei ter. Sie war ent we der über rascht oder ver är-gert über die Un ter bre chung. »Eine mei ner Freun din nen von der Ar beit, Jen ny LeB lanc. Es war eine Mot to par ty, was ich nor ma ler wei se nicht mag. Aber die se war lus tig. Wir soll ten als un se re liebs te Film fi gur kom men.«

Es dau er te ei nen Au gen blick, bis ich be griff, dass Ms.

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McInerney mit ih rem »wir« nicht sa gen woll te, ich hät te eben falls kos tü miert zu die ser Par ty kom men sol len. »Wel che Fi gur ha ben Sie ge wählt?«, frag te ich, weil ich an nahm, dass sie die se Fra ge von mir er war te te.

»Har po Marx. Wis sen Sie, wer das ist?«War das eine Fang fra ge? Ich hat te alle drei zehn Fil-

me der Marx Brot hers ge se hen, und auch wenn man che der Wit ze für mich schwer zu ver ste hen wa ren, war ich mit Har po Marx ver traut. Was mich al ler dings ver wirr-te, war, dass sich Ms. McInerney als die se Film fi gur ver-klei det hat te.

»Har po Marx war ein Mann«, stell te ich fest. »Und Sie ha ben glat tes Haar. Seins war sehr lo ckig und zer zaust. Er ist seit über sech zig Jah ren tot. Wie konn ten Sie hoff en, dass man Sie für Har po Marx hal ten wür de?«

Sie starr te mich nicht wirk lich an, hielt aber für ei nen lan gen Mo ment Blick kon takt, als su che sie in mei nen Au-gen nach et was, was dort nicht zu fin den war. »Ich habe nicht ge hofft, dass die an de ren glau ben wür den, ich wäre wirk lich Har po Marx«, er klär te sie. »Ich habe mich nur für die Par ty ver klei det. An de re Gäs te hat ten sich als Spi-der man und als Ron Burg undy ver klei det. Eine Frau kam als die Prin zes sin aus der Eis kö ni gin. Es war eine Par ty.«

Ich zwang mich, nicht wei ter über den Sinn von Ver-klei dun gen nach zu den ken, und kon zent rier te mich statt-des sen auf die Fra ge. »Was hat das mit dem Ehe mann zu tun, den Sie für ei nen Be trü ger hal ten?«

Ms. McInerney nick te und kehr te zum ei gent li chen The ma zu rück. Im Stil len nahm ich mir vor, kei ne wei-te ren un pro duk ti ven Ab schwei fun gen des Ge sprächs zu-zu las sen. »Ich habe auf der Par ty ei nen Mann ken nen-ge lernt, an so viel er in ne re ich mich. Er war als Zor ro

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ver klei det und trug eine Mas ke, die den Groß teil sei nes Ge sichts ver deck te.«

Ob wohl ich noch nie ei nen Film über den fik ti ona len Zor ro ge se hen hat te, kann te ich Fo tos von Schau spie lern in die ser Rol le, also konn te ich mir vor stel len, wie die Fi-gur un ge fähr aus ge se hen ha ben muss te: ein breit krem-pi ger Hut und eine Mas ke vor den Au gen, we gen der man nicht viel vom Ge sicht er ken nen konn te. »War er der Mann, mit dem Sie nun ver hei ra tet sind?«

Ihre Arme schlen ker ten ein we nig an ih ren Sei ten, aber nur einmal. Man che Men schen, die Ver hal tens wei sen des Au tis mus spekt rums auf wei sen, schlen kern manch mal vor Auf re gung oder aus Frust ra ti on mit den Ar men, doch die-se Ges te war we ni ger aus ge prägt – eher wie ein Schul ter-zu cken, das an zei gen soll te, dass sie nicht in der Lage war, da rauf eine ab schlie ßen de Ant wort zu ge ben.

»Er be haup tet es«, führ te sie aus. »Ich weiß, dass ich mit ihm zwei Glä ser Rot wein auf der Ve ran da hin ter dem Haus ge trun ken habe. Und dann sind mei ne Er in ne run-gen für drei Tage weg. Er be haup tet, wir hät ten am zwei-ten Abend ge hei ra tet, weil wir so ver liebt in ei nan der wa-ren, dass wir nicht län ger hat ten war ten wol len. An nichts da von er in ne re ich mich, aber es gibt eine Hei rats ur kun de und Bil der, die sein bes ter Freund Ro ger bei der Hoch-zeit ge schos sen hat. Da rauf läch le ich, ob wohl mir nicht klar ist, wa rum.«

»Wo hat die Hoch zeit statt ge fun den?«, frag te ich. »In New Jer sey hät ten Sie so schnell kein Auf ge bot be stel len kön nen.«

»Off en bar sind wir nach Da ri en in Con nec ti cut ge fah-ren. Es gibt dort kei ne War te zeit, so lan ge man ei nen Aus-weis bei sich hat.«

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»Ich hät te auf De la wa re ge tippt, doch wenn die Per son, die hei ra ten möch te, nicht aus die sem Staat stammt, gibt es dort eine vier tä gi ge War te zeit«, be merk te ich. Tat säch-lich hat te ich mich noch nie di rekt um War te zei ten vor Hoch zei ten ge küm mert, aber ein mal war mir eine Fra ge ge stellt wor den, die sich aus drück lich auf die je ni gen in De la wa re be zog. Ein Mann hat te he raus fin den wol len, ob die Hoch zeit sei ner El tern wirk lich gül tig war. Sie war es.

»Kei ne Ah nung«, fuhr Ms. McInerney fort. »Ich kann mich nicht er in nern, je mals in Da ri en ge we sen zu sein. Ich er in ne re mich nicht ein mal da ran, die Par ty ver las sen zu ha ben. Man muss mir wohl et was ein ge flößt ha ben, Mr. Hoe nig.«

»Mir ist kein Be täu bungs mit tel be kannt, das drei Tage der ei ge nen Er in ne rung aus löscht, Ms. McInerney, aber ich muss mich da rü ber kun dig ma chen. Wo ran er in nern Sie sich denn im An schluss an die Par ty, auf der Sie als Har po Marx auf ge tre ten sind?«

Ihr Ge sichts aus druck ver düs ter te sich, als zwin ge man sie dazu, sich ei nem trau ma ti schen Er leb nis zu stel len. Die sen Blick ken ne ich von Men schen, de ren Haus tier ge ra de ge stor ben ist oder de ren Lieb lings mann schaft ihr wich tigs tes Spiel ver lo ren hat.

»Ich ent sin ne mich, dass ich wie im mer in mei ner Woh-nung auf ge wacht bin«, er klär te Ms. McInerney. »Und als ich Ol lie sah – so heißt er, Ol lie Le wis –, wie er im Bett ne ben mir lag, be kam ich bei na he ei nen Herz in farkt.« In die sem Punkt über trieb sie off en bar, denn Herz krank hei-ten wer den durch ver stopf te Ar te ri en oder an de re or ga ni-sche Stö run gen aus ge löst und nie mals von ei nem Ge fühl der Über ra schung. Das ig no rier te ich ein fach. »Zu erst dach te ich, es wäre das Un über leg tes te und Dümms te ge-

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we sen, was ich je mals ge tan habe, und ich be hielt recht, doch ich wuss te nicht, wie sehr ich recht be hielt, be vor er auf ge wacht ist und mich als sei ne Frau be zeich net hat.«

»Sie kann ten Mr. Le wis vor her nicht?«Sie schüt tel te den Kopf. »Nein. Nie mand hat te je auch

nur sei nen Na men er wähnt.«Ich hat te mir kei ne No ti zen ge macht, und die wa ren

auch nicht nö tig; an die ses Ge spräch wür de ich mich in al len Ein zel hei ten er in nern. »In wel cher Be zie hung stand er denn zu Ih rer Freun din Ms. LeB lanc? Wa rum war Oli-ver Le wis auf ih rer Par ty?«

Ihre Stim me klang weh mü tig und vol ler Reue. »Er war der Freund ei nes Freun des. Ter ry Lamb roux soll ihn mit-ge bracht ha ben.«

»Ter ry« ist ein Name, der Per so nen bei der lei Ge-schlechts be zeich nen kann. »Ist Ter ry ein Mann oder eine Frau?«, hak te ich da her nach.

»Das ist eine gute Fra ge«, ent geg ne te Ms. McInerney. »Ich wünsch te, ich könn te sie Ih nen be ant wor ten, doch ich ken ne nur den Na men. Die da zu ge hö ri ge Per son habe ich nie ge troff en. Die ein zi ge an de re Per son, der ich auf der Par ty be geg net bin, ist Ol lies Freund Ro ger Si plo-witz.«

»Die Par ty und die Hoch zeit – falls es tat säch lich eine ge ge ben hat – ha ben schon vor Wo chen statt ge fun den«, sag te ich, um mit der Un ter hal tung vo ran zu kom men. »Was ha ben Sie in zwi schen un ter nom men? Ha ben Sie die Po li zei ver stän digt?«

»Was hät te ich de nen denn sa gen sol len? Dass mich ein Mann ge gen mei nen Wil len ge hei ra tet hat? Das er gibt doch gar kei nen Sinn, Mr. Hoe nig. Geld habe ich kei nes, ich lebe von der Hand in den Mund. Ol lie kann also nicht

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vor ge ben, mein Ehe mann zu sein, um da durch Zu griff auf ein rie si ges Ver mö gen zu er lan gen. Es gibt näm lich keins, und auch bei mei ner Fa mi lie ist nichts zu ho len.«

»Viel leicht woll te er nur Sex mit Ih nen ha ben«, ver mu-te te ich. Sex ist für Men schen – vor al lem für Män ner – oft ein star kes Mo tiv.

»Und des halb hat er mich ge hei ra tet? Wenn Ol lie mir K.-o.-Trop fen in den Drink ge schüt tet hat, um mich nach un se rem Date zu ver ge wal ti gen, hät te er das ge tan und sich dann aus dem Staub ge macht. Da von hört man ja an dau ernd.« Sie stand auf und dreh te sich um. Die Ges-te äh nel te der in ei nem al ten Film noir, nur dass Ms. Mc-Inerney kei nen Trench coat trug und auch kei ne Zi ga ret te in der Hand hielt.

Recht hat te sie al ler dings da mit, auf die man geln de Lo gik mei nes Vor schlags hin zu wei sen. »Ha ben Sie die Hei rats ur kun de ge se hen, de ren Exis tenz Mr. Le wis be-haup tet?«, frag te ich. »Ha ben Sie viel leicht eine Ko pie bei sich?«

Die Fra ge schien Ms. Mc Inerney zu über ra schen. Sie blin zel te zweimal und biss sich dann wie der auf die Un-ter lip pe. »Nein, habe ich nicht. Aber ich habe sie ge se hen. Sie wirk te of zi ell.«

Ich fuhr mir mit der Zun ge über die obe ren Schnei-de zäh ne. Das ge schieht bei mir ganz un will kür lich beim Nach den ken. Da ich in der The ra pie über ein Jahr da für ge braucht habe, mir eine viel auff äl li ge re Ges te (mit den Fin gern zu wa ckeln) ab zu ge wöh nen, schien dies das klei-ne re Übel zu sein. »Es ist nicht wei ter schwer, ein echt wir ken des Do ku ment zu er stel len. Ich wer de ein paar Nach for schun gen in den Ver wal tungs ak ten des Fair field County an stel len müs sen.« Was ich sag te, war mehr an

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mich selbst ge rich tet als an Ms. Mc Inerney, de ren Ge-sichts aus druck ich schwer deu ten konn te – Ver är ge rung? Ver wir rung? Das hät te ich nicht sa gen kön nen.

»Also über neh men Sie den Fall?«, frag te sie.»Ich über neh me kei ne Fäl le«, er klär te ich ihr er neut.

»Ich be ant wor te Fra gen.«»Wer den Sie dann mei ne Fra ge be ant wor ten, Mr. Hoe-

nig?«»Zu erst muss ich wis sen, was Ihr liebs ter Bea tles-Song

ist.«Ms. Mc Inerney kniff die Au gen zu sam men, als ver-

su che sie mich bes ser zu se hen. Die se Re ak ti on ist mir schon öf ter auf ge fal len – doch es ist eine Fra ge, die mir da bei hilft, die Per sön lich keit ei nes Men schen bes ser ein-zu schät zen. Sie frag te mich al ler dings nicht, wa rum mich das in te res sier te. Für ei nen Au gen blick schürz te sie ganz leicht die Lip pen.

»›Yes ter day‹«, ant wor te te sie dann.Kon ven ti o nell. Mög li cher wei se be dau ert sie et was in

ih rem Le ben.»Mehr woll te ich gar nicht wis sen«, sag te ich.»Also wer den Sie tat säch lich mei ne Fra ge be ant wor-

ten?«»Ja, auch die über Ih ren an geb li chen Ehe mann.«Sie be dank te sich, wir ei nig ten uns auf ein Ho no rar,

und sie gab mir die Hälf te da von als An zah lung, so hal te ich es mit sämt li chen neu en Kli en ten. Sie brauch te neun Mi nu ten, um mein Neu kun den for mu lar aus zu fül len, dann ging sie und ver si cher te vor her noch, wie glück lich sie über mei ne Hil fe sei. Ich woll te schon ent geg nen, dass ich nicht zu ge stimmt hat te, ihr zu hel fen – wenn sie tat-säch lich mit ei nem Mann ver hei ra tet war, den sie kaum

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kann te, konn te ich sie aus die ser miss li chen Lage nicht be frei en, da für be nö tig te sie ei nen Schei dungs an walt –, ent schied aber, dass die Be kräf ti gung, ihre Fra ge be ant-wor ten zu wol len, wohl ge nüg te.

Als Ms. Mc Inerney wie der fort war, mach te sich je doch ein ängst li ches Ge fühl in mei ner Ma gen ge gend breit. Nor-ma ler wei se sind die Fra gen, um die ich mich küm me re, mit ein paar ein fa chen Nach for schun gen zu be ant wor ten. Tat säch lich leh ne ich all zu ein fa che Fra gen oft ab oder be-ant wor te sie dem Kun den auf der Stel le und be rech ne da-für nur ei nen Bruch teil mei nes üb li chen Ho no rars. Vie le Men schen könn ten ganz leicht selbst auf die Ant wor ten kom men, die sie für komp li ziert hal ten. Oft ist ein Be such bei Fra gen Be ant wor ten eher ein Zei chen von Faul heit als für die Schwie rig keit ei ner Fra ge stel lung.

Mit die ser Art von Auf ga be be gab ich mich auf ein Ter rain, das nicht zu mei nen Stär ken zähl te. Tat sa chen sind häu fig leicht zu er mit teln, vor al lem wenn sie mit Ge schich te oder Wis sen schaft zu tun ha ben. He raus zu-fin den, ob die Schlacht von Get tys burg von der Ge sichts-be haa rung ei nes be stimm ten Ge ne rals be ein flusst wor den ist (wie man mich ein mal ge fragt hat), war eine ein fa che An ge le gen heit von Re cher che und Me te o ro lo gie. Den be-haup te ten le gen dä ren Tausch des Schlä gers der Bos ton Red Sox, Ted Will iams, ge gen den Star der New York Yan kees, Joe Di Mag gio, über den man sich an geb lich be-reits han dels ei nig war, be vor er dann doch wie der ab ge-bla sen wur de, konn te ich in we ni ger als drei Stun den be-stä ti gen.

Aber Ms. Mc Inerneys Fra ge be weg te sich auf er heb lich we ni ger ver trau tem Ge biet. Ob eine gül ti ge Ehe schlie-ßung in Da ri en, Con nec ti cut, am er wähn ten Da tum statt-

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ge fun den hat te und ak ten kun dig war, war ziem lich leicht he raus zu fin den. Doch ihre Fra ge war ja tat säch lich kom-ple xer, als nur ih ren Fa mi li en stand zu be stim men.

Ms. Mc Inerneys Fra ge hat te wei te re As pek te: »Wer ist der Mann in mei nem Bett, der von sich selbst be haup tet, mein Ehe mann zu sein?« Um das zu be ant wor ten, wür-de ich mich mit dem Ver hält nis von Mann und Frau be-schäf ti gen müs sen, dem Be reich von Ge füh len und ih rem Aus druck, der wirk lich nicht zu mei nen Spe zi al ge bie ten ge hört. Es war denk bar, dass ich mich be reit er klärt hat-te, ei ner Fra ge nach zu ge hen, für de ren Be ant wor tung ich in ho hem Maße un qua li fi ziert war.

Ich be gann mit ein we nig Pow er wal king in mei nem Büro, wo bei ich die Arme für ei nen zu sätz li chen Fit ness-eff ekt nach oben streck te. Da mein Arzt mir ge ra ten hat-te, nicht län ger als zwan zig Mi nu ten am Stück auf ei nem Bü ro stuhl zu sit zen, ach te te ich sehr da rauf, mei nen Herz-schlag drei Mal pro Stun de auf Tou ren zu brin gen. Ich wür de gern sa gen, dass mir die se Ge wohn heit da bei hilft, tief grei fen der nach zu den ken, aber die trau ri ge Wahr heit ist, dass ich auf ge nau der sel ben Ebe ne nach den ke, da bei nur hef ti ger at men muss und stär ker schwit ze.

Mut ter er schien an der Tür, als ich ge ra de mei ne elf te Run de dreh te. Sie kann te mein kör per li ches Fit ness pro-gramm, doch sie sah auf die Uhr und frag te sich wahr-schein lich, wa rum ich sie ben Mi nu ten spä ter als üb lich im mer noch da mit zu gan ge war.

Ich war ein biss chen au ßer Atem, al ler dings nicht so sehr, dass ich ihr nicht hät te be rich ten kön nen.

»Ich habe mich mit ei ner neu en Kun din ge troff en.« Mut ter weiß, dass ich mein Pro gramm an pas se, wenn eine un be kann te Per son (vor al lem eine, die even tu ell zu

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zah len der Kund schaft wer den könn te) an we send ist. Aus ir gend ei nem Grund be rei tet es man chen Men schen Un-be ha gen, mir da bei zu zu se hen, wie ich schnell durch den Raum gehe und da bei die Arme hebe und wie der sen ke, ob wohl es aus ge sund heit li chen Er wä gun gen he raus über-aus ver nünf tig ist. Mut ter nick te ver ständ nis voll.

So bald ich mei ne Run den be en det hat te, ging ich zu dem Ge trän ke au to ma ten hi nü ber und kauf te mir eine Fla-sche Quell was ser. Ein Mann na mens Les kommt ein mal die Wo che vor bei, um die Ma schi ne auf zu fül len, und gibt mir dann, was er mei nen »An teil« des Gel des nennt, das ich in der ent spre chen den Wo che für Ge trän ke aus ge ge-ben habe. Es er scheint mir kei ne ver nünf ti ge Vor ge hens-wei se zu sein, doch off en bar ist Les zu frie den da mit, und die Kos ten für mei nen Trink was ser ver brauch wer den auf die se Wei se hal biert.

»Was be schäf tigt dich?« Mut ter kann Ge sichts aus drü-cke le sen, vor al lem bei mir. Es ist eine Fer tig keit, an der ich eben falls sehr hart ar bei te, aber sie fliegt mir nicht zu. Be vor ich auch nur ein Wort sa gen konn te, hat te sie be-reits er kannt, dass ich rat los und viel leicht auch ein we-nig be sorgt war. »Hat es et was mit der neu en Kun din zu tun?«

Ich nick te und er klär te ihr mein Di lem ma.»Ich weiß nicht, ob ich die se Fra ge be ant wor ten kann«,

schloss ich, nach dem ich ihr die ge nau en Um stän de be-schrie ben hat te. »Das Ver ständ nis von Be rei chen, in de-nen ich gar nicht be schla gen bin, könn te da für not wen-dig sein.«

Da kam mir ein Ge dan ke, der wie de rum mei nen Ge-sichts aus druck be ein flusst ha ben muss te, denn Mut ter frag te: »Was ist?«

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Es schien die lo gischs te Lö sung der Welt zu sein, also war ich ver blüfft, dass ich nicht vor her da ran ge dacht hat te. »Es gibt nur ei nen Weg für mich, die se Fra ge an zu-ge hen«, teil te ich ihr mit. »Ich muss mich um ge hend mit Janet Wash burn in Ver bin dung set zen.«

Mut ter lä chel te, doch in ih rem Ton fall kam, so weit ich das he raus hö ren konn te, kei ner lei Freu de zum Aus druck. »Oje«, sag te sie.

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»Das hat ten wir doch al les schon ein mal, Sa mu el.«Janet Wash burn saß im Wohn zim mer ih res be schei de-

nen Zu hau ses in der Klein stadt Cran ford, New Jer sey, und sah mich mit ei nem Ge sichts aus druck an, den ich als streng be schrei ben wür de. Mut ter, die mich erst nach ei ni gen Dis kus si o nen zu Ms. Wash burns Haus ge fah ren hat te, trank die Li mo na de, die Ms. Wash burn ihr an ge bo-ten und die ich ab ge lehnt hat te. Li mo na de ist ein fach nur Was ser mit Zit ro nen saft und Zu cker und wirk lich kein sehr ge sun des Ge tränk.

»Das ist ge nau der Grund, wa rum ich Sie bit te, wie-der zu Fra gen Be ant wor ten zu rück zu keh ren«, ent geg ne-te ich. »Sie ver ste hen, wie ich ar bei te, und Sie er gän zen mich sehr gut.«

Ms. Wash burn hat te mir le dig lich bei zwei Fra gen as-sis tiert, die sich bei de um die sel be Sa che ge dreht hat ten. Un se re Ge schäfts be zie hung hat te nur ei nen Teil zwei er au fein and er fol gen der Tage an ge dau ert, den noch war ich be ein druckt von ih rer Fä hig keit ge we sen, mei ne Kon zent-ra ti on zu schär fen und As pek te der Fra ge zu deu ten, die mir von al lein nie mals auf ge fal len wä ren; ver stan den hät-te ich sie erst recht nicht. Ich hat te ihr ei nen fes ten Job bei Fra gen Be ant wor ten an ge bo ten, doch Ms. Wash burns

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Ehe mann war da ge gen ge we sen, wie sie mir er zählt hat te. Er war der An sicht, dass die Ar beit zu ge fähr lich sei.

»Ich mei ne nicht, dass wir schon ein mal zu sam men ge-ar bei tet ha ben«, prä zi sier te Ms. Wash burn. »Ich mei ne, dass wir die ses Ge spräch schon ge führt ha ben. Sie fra gen mich, ob ich zu rück kom men möch te, und ich habe Ih-nen vor dem heu ti gen Tag we nigs tens viermal ab ge sagt.«

Das stimm te. Tat säch lich hat te ich in den letz ten drei Mo na ten fünfmal mein Job an ge bot ge gen über Ms. Wash-burn er neu ert, die mir bei der Be ant wor tung der Fra ge nach dem ver schwun de nen Kopf eine un schätz ba re Hil-fe ge we sen war. Je des Mal hat te sie ab ge lehnt, ob wohl Mut ter mir ge gen über oft den Ein druck ge äu ßert hat te, Ms. Wash burns Ab sa gen sei en zö ger lich er folgt. Sie hat-te das aus Ge sichts re gun gen und der Kör per spra che ge-schlos sen, die ich ent we der gar nicht be merkt oder nicht kor rekt in ter pre tiert hat te.

»Die ses Mal ist es et was an de res«, ar gu men tier te ich. »Ich bit te Sie nur für die se eine Fra ge um Hil fe, weil ich glau be, dass sie mei ne Fä hig kei ten über steigt. Ich brau che Sie, weil Sie so wohl die Dy na mik zwi schen Men schen als auch mei ne ei ge nen Ge dan ken gän ge ver ste hen.«

Ms. Wash burn nick te, sah mir da bei aber nicht in die Au gen, wo hin ge gen ich mich ab sicht lich be müh te, sie di-rekt an zu bli cken.

»Ich weiß, dass Ihr Asper ger-Synd rom man ches für Sie schwie ri ger macht, Sa mu el, aber Sie wis sen sehr gut, dass Sie mit dem rich ti gen Maß an An stren gung und Kon zent-ra ti on auch ohne mich al les gut meis tern kön nen.«

Mut ter, die be gon nen hat te, an ei nem Schal zu stri cken, saß in ih rem Ses sel und sah nicht auf. »Ge nau das habe ich ihm auch ge sagt, lie be Janet«, warf sie ein. »Aber du

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weißt ja, wie er ist, wenn er sich et was in den Kopf ge-setzt hat.«

Um es gleich vor weg zu schi cken: Mut ter hat eine et was an de re Ein schät zung mei ner Be zie hung zu Ms. Wash burn als ich selbst. Sie glaubt, dass ich ir gend wel che ro man ti-schen Ge füh le für Ms. Wash burn hege, und die ser Ge-dan ke ir ri tiert sie, da Ms. Wash burn ja eine ver hei ra te te Frau ist. Sol che Ge füh le habe ich zwar wie der holt und nach drück lich be strit ten, doch Mut ter lässt sich nicht da-von ab brin gen, wenn sie ir gend et was an mir fest ge stellt zu ha ben glaubt.

»Mei ne Über zeu gung ist, dass Sie mir eine gro ße Hil-fe bei ei ner Fra ge sein kön nen, die für mich al lein eine be son de re He raus for de rung dar stellt«, er klär te ich Ms. Wash burn und ver such te auf die se Wei se, Mut ters Kom-men tar aus drück lich nicht zu be stä ti gen. »Sie kön nen sich et was da zu ver die nen, ich den ke, das ist Ih nen recht, und ich be hal te so wohl mei nen Ruf als auch mei ne ma kel lo-se Bi lanz, alle Fra gen be ant wor tet zu ha ben, die man mir je mals ge stellt hat. Für wen soll das ein Nach teil sein?«

Ms. Wash burn at me te lang sam ein und ließ die Luft in der sel ben Ge schwin dig keit wie der aus strö men. Das scheint bei man chen Men schen eine Mög lich keit dar zu-stel len, ent we der die ei ge nen Ge dan ken zu sam meln, be-vor sie ant wor ten, oder Ge füh le zu un ter drü cken, die sie lie ber nicht zum Aus druck brin gen wol len, wie zum Bei-spiel Är ger. Ich frag te Mut ter spä ter, wel che der bei den Deu tun gen in die sem Fall zu traf, und sie ver si cher te mir, es sei ers te re.

»Der Nach teil be steht da rin, dass mein Mann noch im-mer et was da ge gen hat, dass ich mit Ih nen zu sam men ar-bei te«, er wi der te Ms. Wash burn nach ei ner kur zen Pau-

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se. »Er glaubt wei ter hin, dass Ihre Ar beit zu ge fähr lich ist, und nach dem, was letz tes Mal pas siert ist – fast pas-siert ist –, kann ich ihm das auch nicht wirk lich ver den-ken. Es tut mir leid, Sa mu el, aber mei ne Ant wort lau tet im mer noch Nein.«

Mut ter steck te die Strick ar beit in die Ta sche, trank den Rest der Li mo na de mit ei nem zu frie de nen Gluck sen und er hob sich. »Ent schul di ge bit te die Stö rung, Janet. Und vie len Dank für die Li mo na de.«

Es war son der bar, dass Mut ter auf stand und so eine Be-mer kung mach te, wo das Ge spräch doch ein deu tig nicht be en det war, aber ihre Ge dan ken gän ge er schlie ßen sich mir nicht im mer so fort.

»Bei die ser Fra ge droht kei ne Ge fahr«, sag te ich zu Ms. Wash burn. »Wir ver su chen nur, die Iden ti tät des Man nes zu klä ren, der vor gibt, Ms. Mc Inerneys Ehe mann zu sein, so wie die Grün de für sein Ver hal ten he raus zu fin den.«

Ms. Wash burn schau te mich an, sah zu Mut ter, dann wie der zu mir, doch jetzt kniff sie die Au gen zu sam men, als wäre ich sehr weit weg und schwer zu se hen. »Sie er ken nen wirk lich nicht, wo hier eine mög li che Ge fahr liegt?«

Ich ge stand, dass dem tat säch lich so war.»Stel len Sie sich mal vor, dass die ser Le wis eine Art

Hoch stap ler ist und dass wir sei ne Plä ne durch kreu zen, in dem wir ihn ent lar ven«, er klär te Ms. Wash burn. »Stel-len Sie sich vor, dass er böse auf uns ist, weil wir das ge tan ha ben. Glau ben Sie denn, dass ein Mann, der sich ei ner Frau auf drängt, sie ab füllt und dann hei ra tet oder zu min-dest vor gibt, sie zu hei ra ten, dass so ein Mann ein fach auf steht, in die Hän de klatscht und sagt: ›Gut ge macht, da ha ben Sie mich er wischt‹? Glau ben Sie wirk lich, dass

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hie rin nicht die ge rings te Ge fahr liegt? Kom men Sie, Sa-mu el. Sie sind doch ein in tel li gen ter Kerl. Ist die ses Sze-na rio, wie Sie sich aus drü cken wür den, denn auch nur im Ge rings ten wahr schein lich?«

Wenn sie sich tat säch lich nur we gen ei ner Ge fahr für Leib und Le ben Sor gen mach te, konn te ich die se Be den-ken zer streu en. »Mr. Le wis wird nie mals er fah ren, dass Sie bei der Be ant wor tung der Fra ge ge hol fen ha ben, da-rauf wer de ich ach ten. Wenn ir gend je mand fragt, stel le ich Sie als Ms. Baroni vor, eine Dok to ran din in Neuro psy-cho lo gie, die« – und bei dem Fol gen den zuck te ich wahr-schein lich zu sam men – »mich für ihre Ab schluss ar beit be ob ach tet. Ih ren ech ten Na men er wäh nen wir nicht.«

Mut ter wirk te über rascht, hielt inne und leg te die Hand vor den Mund. Sie schien die se Mög lich keit ernst haft in Er wä gung zu zie hen.

Ms. Wash burn teil te ihre Ein schät zung off en bar nicht. »Nein, Sa mu el«, sag te sie. »Ich wer de Si mon auf kei nen Fall sa gen, dass ich in die ser Sa che ge gen sei nen Wil len hand le. Ich bin mir si cher, dass Sie je mand an de ren fin-den, der Ih nen min des tens so gut wie ich be hilfl ich sein kann.« Sie blick te zu mei ner Mut ter. »Viv ian?«

Das schien mei ne Mut ter auf zu schre cken. »Oh nein, Janet. Das kann ich nicht. Mei ne Knie ma chen das nicht mit. Au ßer dem sieht es doch nicht gut aus, wenn ein er-wach se ner Mann bei der Ar beit sei ne Mut ter im Schlepp-tau hat.« Sie hob die Hän de, als woll te sie alle nur er-denk li chen Wi der wor te von sei ten Ms. Wash burns da ran hin dern, ihr zu nahe zu kom men. »Ich ste he für die sen Job nicht zur Ver fü gung.«

»Ich auch nicht«, be kräf tig te Ms. Wash burn. »Ich füh le mich ge schmei chelt, Sa mu el, ehr lich. Aber ich bin nichts

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Be son de res, und ich bin auch nicht der ein zi ge Mensch auf der Welt, der No ti zen ma chen und Ih nen den Rü-cken freihal ten kann. Wa rum schal ten Sie nicht ein fach eine An zei ge?«

»Ich habe sehr spe zi el le Be dürf nis se«, er wi der te ich, denn ich hat te die se Mög lich keit vor her schon ein mal er-wo gen. »Man fin det so je man den nicht auf ei nem In ter-net por tal. Das scheint mir eher der Ort zu sein, an dem man sei ne über flüs si gen Mö bel oder ge brauch te Bil lard-ti sche los wird.«

Das Pro blem er wies sich als schwer lös bar. Ich brauch-te Ms. Wash burns Hil fe, doch es ge lang mir nicht, sie da-von zu über zeu gen, dass die Si tu a ti on ih ren Bei stand un-um gäng lich mach te. Ohne lang da rü ber nach zu den ken, ent schloss ich mich, eine an de re Tak tik aus zu pro bie ren.

»Ha ben Sie denn kürz lich in Ih rem Be ruf als Fo to gra fin ge ar bei tet?«, frag te ich sie. Ms. Wash burn war als Fo to-gra fin bei ei ner Zei tung an ge stellt ge we sen, aber der Job war weg ra ti o na li siert wor den, kurz be vor wir ei nan der ken nen ge lernt hat ten. Ur sprüng lich hat te ich mich be reit er klärt, ihre Fra ge – sie soll te sich spä ter als ziem lich ein-fach he raus stel len – als Ge gen leis tung für ei ni ge Fo tos zu be ant wor ten, die ich für ei nen Auf trag be nö tig te.

Sie sah weg. Wenn ich das in ei nem Ge spräch tue, ge-schieht es, weil ich an de ren nicht gern ins Ge sicht schaue. Aber ich habe fest ge stellt, und das wird von der Fach li-te ra tur be stä tigt, dass so eine Ges te auch ein Zei chen da-für sein kann, dass ei nem ir gend et was un an ge nehm ist.

Ms. Wash burn in Ver le gen heit zu brin gen war nicht mei ne Ab sicht ge we sen. Viel mehr hat te ich sie dazu über-re den wol len, ei ni ge Fo tos in Zu sam men hang mit der Fra-ge zu ma chen. Sie er rö te te leicht, und ihr Ton fall war ver-

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än dert, als sie mir zur Ant wort gab: »Nein. Nicht, seit wir uns das letz te Mal ge se hen ha ben.«

Das hät te ei gent lich die per fek te Er öff nung für mei nen Schach zug sein kön nen, sie als Fo to gra fin für mei ne Er-mitt lun gen an zu heu ern, doch nun war ich un si cher, wel-chen Eff ekt die Fra ge zu ih rer Ar beit auf Ms. Wash burn ge habt ha ben moch te. Ich zö ger te kurz.

»Nun, ich bin mir si cher, dass Sa mu el ein paar Bil der ge brau chen könn te, wenn er die sen fal schen Ehe mann un-ter die Lupe nimmt«, warf Mut ter ein.

Ihre Wor te schick ten ei nen elekt ri schen Schlag durch den Raum. Mein Kopf dreh te sich schnell in ihre Rich-tung. Ich frag te mich, ob sie mei ne Ab sicht ir gend wie er-ra ten hat te. Ms. Wash burns Re ak ti on war nun so gar noch auff äl li ger. Sie kniff die Au gen zu sam men, und ihr rech ter Zei ge fin ger wan der te zu ih rer Na sen spit ze.

Sie über leg te.»Es wür de mir wirk lich hel fen«, füg te ich schnell noch

hin zu. »Ich glau be, dass ei ni ge Bild be wei se mein Be mü-hen um eine Ant wort un ter strei chen so wie de ren Kor rekt-heit er hö hen wür den.«

Ms. Wash burn dach te noch et was län ger nach. Dies mal kratz te sie sich an der Nase. Man hat mir bei ge bracht, das sei un ter Po ker spie lern eine ver rä te ri sche Ges te da-für, dass der Spie ler sich un wohl fühlt, viel leicht we gen des Blat tes, das er oder sie auf der Hand hat. Sie öff ne te leicht den Mund, at me te noch ein mal ein und hielt inne. Dann wand te sie sich mir zu und lä chel te mich freund lich an, da war ich mir si cher.

Und schließ lich sag te sie: »Nein.«

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Als Mut ter und ich wie der bei Fra gen Be ant wor ten an-ka men, war mei ne Lau ne nicht ge ra de über schäu mend. Ich hat te je des lo gi sche Ar gu ment und so gar eine et was ver schla ge ne re Tak tik aus pro biert, um Ms. Wash burn zu-rück zur Ar beit zu lo cken, aber sie war hart ge blie ben und hat te durch weg die ab leh nen de Hal tung ih res Man nes als zent ra len Punkt für ihre Ent schei dung an ge führt.

»Du musst es mir er klä ren, Mut ter«, sag te ich, wäh-rend ich den An ruf be ant wor ter check te – ich be sit ze kein Mo bil te le fon, weil ich be fürch te, dass ich es ver-lie ren wür de –, doch er zeig te kei ne neu ein ge gan ge nen Nach rich ten an. Das Ge schäft bei Fra gen Be ant wor ten lief grund sätz lich un gleich mä ßig, in den letz ten paar Wo-chen war es al ler dings wirk lich sehr ru hig ge we sen. Die La den mie te für die sen Mo nat zu be zah len wür de mich in eine et was miss li che Lage brin gen, falls ich Ms. Mc-Inerneys Fra ge nicht rasch be ant wor ten konn te. »Wa rum eine in tel li gen te Frau wie Ms. Wash burn ei nem Frem den er laubt, ihr zu dik tie ren, was sie zu tun und zu las sen hat, ver ste he ich nicht.«

Mut ter sah mich mit ei nem Aus druck an, der da rauf schlie ßen ließ, dass ich et was Selt sa mes ge sagt hat te. »Ein Ehe mann ist wohl kaum ein Frem der, Sa mu el. Er ist der

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bes te Freund, den eine Frau ha ben kann, je mand, dem ge-gen ü ber sie sich voll stän dig öff net, vor dem sie ihr gan zes Le ben und ihre Ge füh le aus brei tet. Er ist ein Part ner. Eine Ehe folgt dem Grund satz, das Wohl er ge hen der an de ren Per son über das ei ge ne zu stel len.«

Kurz dach te ich da ran, dass Mut ter Ms. Mc Inerney mal über die Ver bun den heit zwi schen Ehe leu ten be fra gen soll te, doch mir wur de klar, dass die Lage, in der sich mei-ne Kli en tin be fand, nicht den Nor mal fall re prä sen tier te. »Ms. Wash burns Mann scheint aber nicht ihr Wohl er ge-hen im Sinn zu ha ben, sonst wür de er sei ne Ein wän de ge-gen ihre Ar beit bei Fra gen Be ant wor ten zu rück zie hen«, wi der sprach ich.

Um ehr lich zu sein, hat te ich gro ße Lust, die Ehe zwi-schen mei ner Mut ter und mei nem Va ter als Bei spiel für eine sehr ein sei ti ge Be zie hung an zu füh ren, doch ich habe aus leid vol ler Er fah rung ge lernt, dass mein Va ter nicht zu den The men ge hört, über die mei ne Mut ter gern spricht, auch wenn sie ihn im mer ge gen alle Ar gu men te ver tei-digt, die ich bis wei len vor brin ge. Au ßer dem ging es ge ra-de nicht um mei ne El tern.

»Jede Ehe ist ein zig ar tig«, sag te Mut ter in ei nem Ton, der wohl sanft klin gen soll te. Ich habe ge lernt, den Groß-teil ih rer Ton la gen zu er ken nen, wenn gleich die der meis-ten an de ren Men schen eine He raus for de rung für mich blei ben.

»In wie fern ist das denn von Be lang?«»Es gibt eine Sa che, die man mit ab so lu ter Si cher-

heit über die Ehe ei ner an de ren Per son weiß, näm lich, dass man über sie gar nichts weiß«, er wi der te Mut ter. Ihre Wor te klan gen wie ein Apho ris mus, aber ich konn-te mich nicht da ran er in nern, sie je mals zu vor ge hört zu

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ha ben. Be vor ich die Ge le gen heit hat te nach zu fra gen, füg te sie hin zu: »Wir wis sen nicht, wel che Ab spra chen Janet und ihr Mann – wie heißt er noch? – mit ei nan-der ha ben. Nach al lem, was uns be kannt ist, ist sie ganz glück lich da mit, ihn die se Art von Ent schei dung für sie treff en zu las sen. Du, Sa mu el, musst Janet ver ges sen – nein, das mei ne ich nicht wört lich. Du musst nur auf-hö ren zu glau ben, dass du sie über zeu gen kannst, wie-der zu kom men und für dich zu ar bei ten. Du musst dich auf die Al ter na ti ven kon zent rie ren. Wel che Al ter na ti ven gibt es denn?«

Es ist für Mut ter nicht un ty pisch, mir eine Fra ge zu stel len, um mich von ei nem The ma ab zu brin gen, von dem sie glaubt, dass es mich zu sehr be schäf tigt. Die se Tak tik geht häu fig auf, und so war es auch in die sem Fall.

»Am off en sicht lichs ten könn te ich ver su chen, die Fra-ge al lein zu be ant wor ten, wie ich es mit all den an de ren ge tan habe, au ßer den bei den, bei de nen mir Ms. Wash-burn ge hol fen hat. Das ist je doch mei ner An sicht nach kein gang ba rer Weg, denn mei ne Fä hig kei ten lie gen auf Ge bie ten, die den für die Be ant wor tung die ser Fra ge er-for der li chen ent ge gen ge setzt sind.«

»Glaubst du das wirk lich, oder hast du dir das nur ein-ge re det, um ei nen Vor wand da für zu ha ben, dich wie der mit Janet in Ver bin dung zu set zen?« Mut ter un ter stellt mir stets mehr Hin ter ge dan ken, als ich tat säch lich habe.

»Da rü ber gibt es zahl lo se Un ter su chun gen«, er wi der te ich. »Zwi schen mensch li che Be zie hun gen sind für Per so-nen mit dem Asper ger-Synd rom au ßer or dent lich schwie-rig. Dyn ami ken auf die sem Ge biet zu ver ste hen ge hört mit Si cher heit zu mei nen ek la tan tes ten Schwä chen. Ich brau che je man den, der mich auf Nu an cen auf merk sam

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macht und auf ihre Be deu tun gen hin weist. Mein Selbst-wert ge fühl ist nicht klein, Mut ter, aber ich ken ne mei ne Stär ken und mei ne Schwä chen.«

»In Ord nung. Gibt es wei te re Mög lich kei ten?« Er neut spiel te sie den Ball in mein Feld zu rück, eine Aus drucks-wei se, die mir Schwie rig kei ten be rei tet, da das Spiel feld bei al len Spie len ein ge mein sa mes ist, das nicht nur ei nem Spie ler ge hört.

Wäh rend ich im Raum auf und ab ging, über leg te ich. »Ich könn te mich nach ei nem dau er haf ten Er satz für Ms. Wash burn um se hen, doch die be treff en de Per son müss te ganz be son de re Fä hig kei ten mit brin gen, und das könn te ei ni ge Zeit in An spruch neh men. Es ist un wahr schein lich, dass ich schnell ge nug eine an de re Mit ar bei te rin oder ei-nen Mit ar bei ter fin den und sie oder ihn aus bil den könn te, um die se Fra ge um ge hend zu be ant wor ten.«

»Janet ist ei nes Ta ges ein fach als Kun din durch die se Tür ge kom men«, rief mir mei ne Mut ter ins Ge dächt nis. »Es war ein Glücks fall. Viel leicht gibt es mehr Men schen, die dir auf die se Wei se hel fen könn ten, als dir be wusst ist.«

Das schloss ich aus. Der glück li che Zu fall, der Ms. Wash burn zu Fra gen Be ant wor ten ge führt hat te, war zwei fel los eine Sel ten heit und konn te nicht nach Be lie-ben re pro du ziert wer den. Ich schüt tel te den Kopf. »Die Zeit drängt zu sehr. Sie ist zu knapp, um auch noch Be-wer bungs ge sprä che zu füh ren.«

»Was bleibt dir also üb rig?«Die Art und Wei se, wie sie mich zur Aus ei nan der set-

zung mit die sem Pro blem zwang, ging mir auf die Ner-ven. Es war frust rie rend und soll te mich dazu nö ti gen, Al ter na ti ven in Be tracht zu zie hen, mit de nen ich mich

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un wohl fühl te. »Ich könn te dich bit ten, aber das möch te ich lie ber nicht.«

Mut ter sah leicht er schro cken aus. »Das wür de ich auch ab leh nen.«

»Wirk lich?«»Ja. Das ist kei ne Ar beit für mich, und ich habe das,

was ich zu Janet ge sagt habe, ernst ge meint. Dei ne Mut-ter soll te dich nicht bei der Ar beit be glei ten.«

Ge ra de woll te ich mit der off en sicht li chen Be ob ach-tung kon tern, dass Mut ters Aus sa ge nur die Not wen dig-keit be stä tig te, Ms. Wash burn dazu zu über re den, wie der zu Fra gen Be ant wor ten zu rück zu keh ren, da öff ne te sich die Tür, und ein Mann be trat das Büro. Er war groß und kräf tig, je doch nicht über ge wich tig, hat te dunk les Haar, das er sich ge ra de nach hin ten ge kämmt hat te. Er wies kei ne sicht ba ren Nar ben im Ge sicht auf. Sei ne Au gen wa-ren groß und dun kel braun, und er leg te eine ir gend wie dro hen de Hal tung an den Tag. So wohl Mut ter als auch ich blick ten ihn nicht wirk lich er schro cken an, aber doch ein we nig ir ri tiert. Es kam schon manch mal Lauf kund-schaft vor bei, nor ma ler wei se aber rief mich die Per son, die eine Fra ge hat te, vor her an, so dass wir ei nen Ter min für ein per sön li ches Ge spräch aus ma chen konn ten.

Men schen mit dem Asper ger-Synd rom mö gen Über ra-schun gen nicht so sehr.

Mein ers ter Im puls war da her, den Mann zu bit ten, wie der zu ge hen – das war mein ers ter Im puls ge gen über na he zu je dem Men schen, dem ich je mals be geg net bin. Also muss te ich ler nen, die se Re gung zu zü geln und je der neu en Be kannt schaft die Mög lich keit zu ge ben, sie ein zeln zu be ur tei len. Das fällt mir nicht leicht, doch mei ne Ar-beit mit Dr. Manc uso hat mir da bei ge hol fen.

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»Darf ich mich vor stel len, mein Name ist Sa mu el Hoe-nig«, sag te ich also zu dem Mann.

Sein Ge sicht zeig te kei ner lei Re gung, die ich ir gend wie hät te zu ord nen kön nen, doch er nick te mir zu. »Ich bin Oli ver Le wis«, er wi der te er. »Mei ne Frau Sheila ist, glau-be ich, hier vor bei ge kom men, um sie zu fra gen, ob ich wirk lich ihr Ehe mann bin.«

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Jeff Cohen

Eine Leiche auf AbwegenKriminalroman

DEUTSCHE ERSTAUSGABE

Taschenbuch, Broschur, 384 Seiten, 11,8 x 18,7 cmISBN: 978-3-7341-0350-6

Blanvalet

Erscheinungstermin: Januar 2018

Wer hat den unbekannten Ehemann ermordet? Samuel Hoenig, ein besonders logisch und rational denkender Mensch, hat seine speziellePersönlichkeit zum Beruf gemacht: Er beantwortet Fragen, und das sehr erfolgreich – bislangist er keinem seiner Kunden eine Antwort schuldig geblieben. Doch als eine Dame ihn damitbeauftragt, die Identität des Mannes herauszufinden, der sich als ihr Ehemann ausgibt,ist Samuel ratlos. Was die Ehe und zwischenmenschliche Beziehungen betrifft, ist er eherunbewandert. Als Samuel den vermeintlichen Gatten jedoch tot in seinem eigenen Büroauffindet, steht er plötzlich vor einer gänzlich anderen Frage: Wer hat den unbekanntenEhemann getötet?