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42 Plastverarbeiter März 2006 ROHSTOFFE EINE PASSENDE ALTERNATIVE VIELSEITIGE KUNSTSTOFFE IM AUTOMOBIL Ob unter der Motorhaube, an der Karosserie, im Innenraum oder im Tank – Kunststoffe sind im Automobil fast überall präsent. Intensive Pro- dukt-, Verfahrens- und Anwendungsentwicklungen lassen das Material auch in Zukunft als Alternative zu herkömmlichen Werkstoffen erscheinen. L anxess Deutschland GmbH, Lever- kusen, hält in ihrem Sortiment ther- moplastische Kunststoffe für die Au- tomobilindustrie bereit. So deckt im Au- toinnenraum die Novodur/Lustran-ABS- Werkstoffpalette in compoundierten Far- ben die unterschiedlichen Anforderun- gen an Wärmeformbeständigkeit, Zähig- keit, Emissionsverhalten, wirtschaftliche Verarbeitung und Oberflächenqualität ab. Aufgrund der matten Oberflächen bieten sich Varianten von Triax (ABS- und PA-Blend) für unlackierte Bauteile an. Sie erweisen sich als technische und wirtschaftliche Alternative zu lackierten Kunststoffsystemen aus PC/ABS-Blends. Die neuen ABS/PC-Blends Lustran Ultra 4105 und 4115 eignen sich eben- falls für Innenraumkomponenten. Zu den Eigenschaften von Ultra 4105 gehö- ren hohe Wärmeformbeständigkeit und hohe Zähigkeit auch bei eisigen Tempera- turen. Das Material wird deshalb für crashrelevante Bauteile eingesetzt, die nicht brechen oder splittern dürfen. Lus- tran Ultra 4115 ist schlagzäh und sehr wärmeformbeständig. Es bietet sich für Komponenten an, die sich etwa durch Sonneneinstrahlung stark aufheizen. Im 3er BMW Kombi kommt es in der Heck- klappenverkleidung zum Einsatz. Lus- tran Ultra 4 000 PG (ABS) ist ein neues maßgeschneidertes Produkt für die Gal- vanisierung. Produziert werden aus ihm beispielsweise Zierleisten und Schriftzü- ge oder Kühlergrills und Lufteinlassgitter. Im Markt lackierbarer Karosseriekunst- stoffe ist Triax DP 3157 eine neue Spezia- lität mit Wachstumspotenzial. Karosse- rieteile aus diesem online lackierbaren Typ können die hohen Temperaturen von bis zu 200 °C überstehen, die wäh- rend der kathodischen Tauchlackierung (KTL) herrschen. Dieses Material ist steif und wärmeformbeständig, besitzt eine reduzierte Wasseraufnahme und zeich- net sich durch geringe Wärmeausdeh- nung in dem für den Fahrbetrieb charak- teristischen Temperaturbereich aus. Semikristalline Thermoplaste Bei Frontscheinwerfern sind teilkristalli- ne Thermoplaste eine kostengünstige Al- ternative zu Hochtemperatur-Thermo- plasten. Pocan-PBT und Durethan-PA kommen hier für innenliegende Blenden vermehrt zum Einsatz. Die beiden Werk- Autor Ralf Zimnol, Leiter Anwendungsentwicklung Transportation Semi-Crystalline Products, [email protected], Ludger Meinerding, Leiter KA Automotive Sty- renic Resins, [email protected], Harry Staratschek, Leiter Market Services Sty- renic Resins, [email protected] Die Lenksäulenabdeckung des Rover 75 besteht aus unverstärkten Varianten aus ABS- und PA-Blend. Das Material zeichnet sich besonders durch seine gute Fließfähigkeit aus. KOSTENEFFIZIENZ Wirtschaftlich wenn‘s heiß wird Mit der Umstellung auf bleifreie Lote erhöhen sich die Prozess-Temperatu- ren der Kunststoffe beim Lötprozess elektronischer Baugruppen. Spezielle Typen aus PET/PBT erreichen eine Wär- meformbeständigkeit bis 250 °C. Sie eignen sich für das Reflow- bezie- hungsweise das Dampfphasenlöten. Im Vergleich zu Hochtemperaturkunst- stoffen sind sie wirtschaftlicher.

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ROHSTOFFE

EINE PASSENDE ALTERNATIVE VIELSEITIGE KUNSTSTOFFE IM AUTOMOBIL Ob unter der Motorhaube, an der Karosserie, im Innenraum oder im Tank – Kunststoffe sind im Automobil fast überall präsent. Intensive Pro-dukt-, Verfahrens- und Anwendungsentwicklungen lassen das Material auch in Zukunft als Alternative zu herkömmlichen Werkstoffen erscheinen.

L anxess Deutschland GmbH, Lever-kusen, hält in ihrem Sortiment ther-moplastische Kunststoffe für die Au-

tomobilindustrie bereit. So deckt im Au-toinnenraum die Novodur/Lustran-ABS-Werkstoffpalette in compoundierten Far-ben die unterschiedlichen Anforderun-gen an Wärmeformbeständigkeit, Zähig-keit, Emissionsverhalten, wirtschaftliche Verarbeitung und Oberflächenqualität ab. Aufgrund der matten Oberflächen

bieten sich Varianten von Triax (ABS- und PA-Blend) für unlackierte Bauteile an. Sie erweisen sich als technische und wirtschaftliche Alternative zu lackierten Kunststoffsystemen aus PC/ABS-Blends.

Die neuen ABS/PC-Blends Lustran Ultra 4105 und 4115 eignen sich eben-falls für Innenraumkomponenten. Zu den Eigenschaften von Ultra 4105 gehö-ren hohe Wärmeformbeständigkeit und hohe Zähigkeit auch bei eisigen Tempera-turen. Das Material wird deshalb für crashrelevante Bauteile eingesetzt, die nicht brechen oder splittern dürfen. Lus-tran Ultra 4115 ist schlagzäh und sehr wärmeformbeständig. Es bietet sich für Komponenten an, die sich etwa durch Sonneneinstrahlung stark aufheizen. Im 3er BMW Kombi kommt es in der Heck-klappenverkleidung zum Einsatz. Lus-tran Ultra 4 000 PG (ABS) ist ein neues maßgeschneidertes Produkt für die Gal-vanisierung. Produziert werden aus ihm

beispielsweise Zierleisten und Schriftzü-ge oder Kühlergrills und Lufteinlassgitter. Im Markt lackierbarer Karosseriekunst-stoffe ist Triax DP 3157 eine neue Spezia-lität mit Wachstumspotenzial. Karosse-rieteile aus diesem online lackierbaren Typ können die hohen Temperaturen von bis zu 200 °C überstehen, die wäh-rend der kathodischen Tauchlackierung (KTL) herrschen. Dieses Material ist steif und wärmeformbeständig, besitzt eine reduzierte Wasseraufnahme und zeich-net sich durch geringe Wärmeausdeh-nung in dem für den Fahrbetrieb charak-teristischen Temperaturbereich aus.

Semikristalline Thermoplaste Bei Frontscheinwerfern sind teilkristalli-ne Thermoplaste eine kostengünstige Al-ternative zu Hochtemperatur-Thermo-plasten. Pocan-PBT und Durethan-PA kommen hier für innenliegende Blenden vermehrt zum Einsatz. Die beiden Werk-

Autor Ralf Zimnol, Leiter Anwendungsentwicklung Transportation Semi-Crystalline Products, [email protected], Ludger Meinerding, Leiter KA Automotive Sty-renic Resins, [email protected], Harry Staratschek, Leiter Market Services Sty-renic Resins, [email protected]

Die Lenksäulenabdeckung des Rover 75 besteht aus unverstärkten Varianten aus ABS- und PA-Blend. Das Material zeichnet sich besonders durch seine gute Fließfähigkeit aus.

KOSTENEFFIZIENZ Wirtschaftlich wenn‘s heiß wird Mit der Umstellung auf bleifreie Lote erhöhen sich die Prozess-Temperatu-ren der Kunststoffe beim Lötprozess elektronischer Baugruppen. Spezielle Typen aus PET/PBT erreichen eine Wär-meformbeständigkeit bis 250 °C. Sie eignen sich für das Reflow- bezie-hungsweise das Dampfphasenlöten. Im Vergleich zu Hochtemperaturkunst-stoffen sind sie wirtschaftlicher.

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stoffklassen sind für Dauergebrauchs-temperaturen um 160 °C geeignet. Die Blenden der meisten Scheinwerfer sind metallisiert. Dabei gilt es, die hohen An-forderungen an die Oberflächengüte und das Langzeitverhalten bei hohen Tem-peraturen zu erfüllen. Pocan KU2–7003 und Pocan TP 006–004 entsprechen die-sen Anforderungen und zeigen ein gerin-ges Ausgasungsverhalten bei guter Ver-arbeitbarkeit.

Aus dem Polyamid Durethan besteht auch eine Kunststoffölwanne. Nachdem zuerst die Getriebeölwanne in die Groß-serie überführt wurde, erarbeitet der Chemiekonzern nun Konzepte für die Motorölwanne. Auf Basis von Polyamid 6 (PA 6) bieten die Chemiker heute spe-zielle Produkte an. Das modifizierte Du-rethan hat bei Raumtemperatur einen doppelten E-Modul im Vergleich zu in Serie befindlichen Standardprodukten. Damit ist ein zusätzliches Potenzial an Steifigkeit gegeben, das zur Effizienzstei-gerung und für neue Konzepte für die Motorölwanne genutzt werden kann. Freiheitsgrade im Design lassen eine öko-nomische Ausnutzung des Bauraumes zu und erhöhen das Ölvolumen gegenüber heutigen Metalllösungen.

Bei im Spritzgießen hergestellten Hy-brid-Bauteilen mit mehreren Blecheinle-gern kommt es auf eine gute Verbundfes-tigkeit an. Entsprechend komplexe Strukturen werden heute schon bei

Um die Anzahl der Bauteile zu verringern, steht das Bestreben nach Funktionsintegration im Mittelpunkt: Spritzgegossene Schaltungsträger bieten Lösungs-ansätze. (Bilder: Lanxess)

Komponenten den hohen Temperaturen im Motorraum gewachsen sind. Der Werkstoff bildet zudem gleichmäßige und glatte Rohrinnenflächen aus.

Elektrik und Elektronik Im Automobil nimmt die Zahl der elek-tronisch gesteuerten Funktionen zu, dies führt zu einem gesteigerten Einsatz von technischen Kunststoffen, vor allem PA und PBT. Der Trend zu dezentralisierten Funktionen und elektronischen Modu-len mit Aktuatorik- und Sensorik-Funk-tionen ist unverkennbar. Bei den Neu-entwicklungen stehen aber nicht nur neue Funktionen im Mittelpunkt, son-dern auch das Bestreben nach Funk-tionsintegration, um die Anzahl der Bau-teile zu verringern. Spritzgegossene Schaltungsträger – Moulded Intercon-nect Devices (MID) – bieten hier Lö-sungsansätze. Sie ermöglichen die Um-setzung von elektrischen und mecha-nischen Funktionen in einem Kunststoff-teil. Für MID-Anwendungen stehen eine Reihe von Thermoplasten bereit. So kommen für den einfachen und daher ökonomischen Heißprägeprozess Duret-han- und Pocan-Typen in Frage, die hin-sichtlich Prägewulst und Haftfestigkeit der Metallfolien optimiert worden sind.

Frontmodulträgern im Kfz verwendet, sollen aber auch ihren Einsatz im Body-in-White – in der Rohkarosseriefertigung – finden. Neben dem statischen Festig-keitsnachweis müssen auch für dyna-mische Belastungen (Crash) und Dauer-belastungen im Fahrbetrieb wichtige Kenngrößen ermittelt werden. Daher hat das Chemieunternehmen einen Pro-bekörper hergestellt, der aus zwei Blech-streifen besteht, die an der Verbindungs-stelle ineinander verschachtelt und über-spritzt sind. Entsprechende Prüfreihen an diesem Körper haben gezeigt, dass sich ein Lastniveau vergleichbar mit dem des beim Punktschweißen konventionellen Schweißpunktes erreichen lässt, und bei Dauerlast sogar günstigere Werte zu er-warten sind.

Für die Wasserinjektionstechnik (WIT) ist ein glasfaserverstärktes, hydro-lysestabilisiertes Polyamid 66 (PA 66) auf dem Markt. WIT mit PA 66 eignet sich laut Experten vor allem als Ersatz von Gummischläuchen und Metall-Leitun-gen unter der Motorhaube. So können entsprechende Bauteile kostengünstiger und mit geringerem Gewicht gefertigt werden. Außerdem lassen sich Funktio-nen wie etwa Verzweigungen oder An-schlüsse leichter integrieren. Diese Mate-rialvariante ist beständig gegen handels-übliche Motorkühlmittel, biegefest und schlagzäh. Die Wärmeformbeständigkeit von mehr als 230 °C stellt sicher, dass die

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