Alternative September

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Herausgegeben von September 2011 Einzelheft: 1,50 Euro, Abonnement: 15 Euro P.b.b., Verlagspostamt 1040 02Z031242 M, Kd.-Nr: 0021012558 Unabhängige GewerkschafterInnen im ÖGB 9 VERTEILUNGSBILANZ UND VERTEILUNGSSPIELRÄUME URTEIL: MEINUNGSFREIHEIT IM BETRIEB • GESUNDHEITSWESEN DROHT DER KOLLAPS

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Monatszeitschrift der Unabhängigen Gewerkschafter_innen im ÖGB

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Page 1: Alternative September

Herausgegeben von

September 2011

Einzelheft: 1,50 Euro, Abonnement: 15 Euro

P.b.b., Verlagspostamt 1040

02Z031242 M, Kd.-Nr: 0021012558

UnabhängigeGewerkschafterInnenim ÖGB

9

VERTEILUNGSBILANZ UNDVERTEILUNGSSPIELRÄUME

URTEIL: MEINUNGSFREIHEIT IMBETRIEB • GESUNDHEITSWESENDROHT DER KOLLAPS

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Liebe Leute von derALTERNATIVE!

Ich habe mich sehr gefreut, wie ich sah,dass im jüngsten Heft mein Artikel zurBetriebsratsarbeit in der Nationalbankerschienen ist.Allerdings wurde meine Freude ein weniggetrübt, da der Name des Unternehmens,für das ich arbeite, konsequent falschgeschrieben wurde – und zwar unter Miss-achtung des von mir eingereichten Textes.Eine kurze Recherche hätte gezeigt, dass estatsächlich „Oesterreichische National-bank“, Abkürzung: OeNB heißt. „ÖNB“steht hingegen für die ÖsterreichischeNationalbibliothek.Normalerweise passiert so etwas nur mitKollegInnen aus dem Ausland, die das„Oe“ in „Ö“ ausbessern, sozusagen um zuzeigen: „Wir haben das entsprechende Son-derzeichen gefunden!“. Ihr hättet durchausdarauf vertrauen können, dass ich weiß,wie man den Unternehmensnamen korrektschreibt.Beste Grüße und nix für ungut!Alfred Stiglbauer

Kritische Literaturtage 2011

Auch dieses Jahr findet mit den „KritischenLiteraturtagen im ÖGB“ (KriLit’11) die Lite-raturmesse jenseits des kommerziellenMainstreams statt. „Ziel ist es, Verlage mitalternativen, gesellschafts- und sozialkriti-schen Büchern sowie unabhängige undkleine Verlagen aus Österreich und demdeutschsprachigen Raum zu unterstützen“,so Ulrike Fuchs, eine der OrganisatorInnender KriLit. Zusätzlich wird an einem attrak-tiven Rahmenprogramm aus Buchpräsenta-tionen, Lesungen, Workshops und ähnli-chem gearbeitet. Wann: Freitag, 5., bis Samstag, 6.November 2011 Wo: ÖGB, 1020 Wien, Johann Böhm Platz 1,(U2, Station „Donaumarina“).Web: www.krilit.atBisher haben sich bereits etwa dreißigVerlage und Initiativen angemeldet. Auchdie UG ist wieder mit einem Info-Tischvertreten und freut sich auf zahlreicheBesucherInnen.

11. Gebot: Du sollst Dich nichttäuschen (lassen)

Als ich 14 Jahre alt war, war der Großteilder österreichischen Bevölkerung von gro-ßer Not und Arbeitslosigkeit betroffen. Daversprach die National Sozialistische Deut-sche Arbeiterpartei – die ähnlich zur Sozia-len Heimatpartei ist unverkennbar – dasBlaue vom Himmel und Arbeit und Brot.Mein späterer Stiefschwiegervater bekamsofort nach dem „Anschluß“ im März 1938Arbeit bei Gräf und Stift im 19. Bezirk. Ermußte jedoch schon im Herbst des selbenJahres seinen Arbeitsanzug gegen denWaffenrock der deutschen Wehrmacht ein-tauschen. Jörg Haider nannte das „Ordent-liche Beschäftigungspolitik“. Mein Stief-schwiegervater hatte Glück. Er kehrte 1946unversehrt aus der Kriegsgefangenschaftnach Wien zurück. Zehntausende seines-gleichen verloren ihr Leben oder ihre Glied-maßen. Die Täuschung im Jahre 1938hatte verheerende Folgen. 1955 beschlossder österreichische Nationalrat mit großerMehrheit – die sozialistische Heimatpartei,die sich heute als Verteidigerin der Neutra-lität aufspielt, stimmte dagegen – dasGesetz der immer währenden Neutralität.Diese angeblich EU-kritische Partei drängtein die europäische Gemeinschaft, als Öster-reich noch Mitglied der EFTA war.Ein außenpolitisches Beispiel: Um Zivilistenzu schützen, bombardierte die NATO –angeblich im Auftrag der UNO – Tripolisund Umgebung. Wie viele Zivilisten dabeiums Leben gekommen sind, verschweigtdie Berichterstattung. Dort herrscht Bürger-krieg – Bandenkrieg wäre wohl der richti-gere Ausdruck. Gadaffi ist sicher kein Herr-scher, der vom Volk gewählt wurde. Aberwer hat die Machthaber von Bengasigewählt? Wer hat unseren gewählten Ver-tretern die Vollmacht gegeben, die Macht-haber in Bengasi als rechtmäßige VertreterLybiens anzuerkennen? Woher die Recht-mäßigkeit? Etwa weil dort der ehemaligeJustizminister eine Rolle spielt? Oder weildort die Flagge des ehemaligen KönigsIdriss gehisst wird? Unterliegt man einerTäuschung oder spielen wirtschaftliche Ver-hältnisse eine Rolle?Wenn man die vielen Interventionen derreichsten Staaten in Afrika incl. Waffenlie-ferungen und Wahlfälschungen beobach-tet, dann gewinnt man den Eindruck, dassdiese Staaten ihre wirtschaftlichen Pro-bleme auf Kosten des an Bodenschätzenreichen Afrika in einer Form der Rekoloni-sierung lösen wollen. Walter Stern

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daten & taten

Wir trauern um Kollegen Alfred Ströer

Mit Kollegen Ströer ist ein sozialistischer Gewerkschafter von uns gegangen ,der unseren Respekt und unsere Anerkennung verdient hat. Er war einer jenerFunktionäre, für die Antifaschismus, Solidarität und Akzeptanz anderer Meinun-gen wesentlicher Bestandteil seiner politischen Arbeit war. So war es auch für ihn selbstverständlich, daß er 1971 mitgeholfen hat, unsereVorgängerfraktion Arbeitsgemeinschaft für Gewerkschaftliche Einheit, als Teildes ÖGB anzuerkennen. Wir waren oft unterschiedlicher Meinung, aber KollegeStröer hat die Notwendigkeit eines einheitlichen ÖGB in all seiner Vielfalt fürunverzichtbar gehalten. So werden wir ihn auch in Erinnerung behalten.

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Lohnentwicklung in Europa

Verteilungsspielraum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 4Verteilungsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 6

Gewerkschaft & Betrieb

Antrag zum „European Stability Mechanism“ . . . . . . Seite 9Urteil: Meinungsfreiheit im Betrieb . . . . . . . . . . . Seite 10Kindergärten: Tertiäre Ausbildung muss warten . . . . . Seite 11Arbeitszeit: Traurige „EU-Spitze“ . . . . . . . . . . . . . Seite 12Krankenpflege: Wunder möglich? . . . . . . . . . . . . Seite 16

Magazin

Private Gläubigerbeteiligung: Der große Bluff . . . . . . Seite 17Plattform: „Stoppt die Rechten“ . . . . . . . . . . . . . Seite 20Bildung: Zwischen Humboldt und Bologna . . . . . . . Seite 22Interview: Der neue Weg der Universitäten? . . . . . . . Seite 24Gut gelaunt gegen den Kapitalismus . . . . . . . . . . Seite 26

. . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 14

IM SEPTEMBER

KOZA SEI DANK!

Der August in Wien war ungewöhn-lich heiß und drückend. Auch diealternative-Schreiberlinge bliebendavon nicht verschont. Die Folge:Weitverbreitete temperaturbedingtSchreibhemmung gepaart mit Urlau-ben aller Art.

Dass trotzdem zeitgerecht eineNummer der Zeitung erscheinenkonnte, verdanken wir einem Mann:Markus Koza. Nicht weniger als vierBeiträge hat er beigesteuert.

Gerade rechtzeitig vor den herbstli-chen Lohnverhandlungen beschäftigter sich mit den Rahmenbedingungender Lohnpolitik. Die Krisenkosten wer-den quer durch Europa den Beschäf-tigten aufgebürdet, Lohnkürzungenals vermeintliche Krisenlösungsstrate-gien propagiert. Lohnpolitik ist nachwie vor weit davon entfernt, einen Bei-trag zur Überwindung strukturellerökonomischer Ungleichgewichte inEuropa zu leisten.

Im nächsten Beitrag geht es konse-quenterweise um das Thema „Vertei-lungsbilanz“. Sie war ganz eindeutignegativ. Durch eine deutlich expansi-vere Lohnentwicklung könnte dieseFehlentwicklung zumindest ein Stückweit korrigiert werden,

Koza III stellt fest, dass ÖsterreichsArbeitnehmerInnen auch in Zeiten derKrise traurige EU-Spitze sind, was dieLänge der Arbeitszeiten betrifft..

Schließlich beschäftigt sich MarkusKoza unter dem Titel „Der große Bluff“mit der privaten Gläubigerbeteiligungaus Anlass des „Griechenlandpakets“.

EDITORIAL von Alfred Bastecky

IMPRESSUM Medieninhaber, Verleger: Alternative und Grüne GewerkschafterInnen(AUGE/UG) Herausgeber: Unabhängige GewerkschafterInnen im ÖGB (UG/ÖGB)Redaktion, Satz & Layout: Alfred Bastecky (Koordination), Lisa Langbein, Franz Wohl-könig (Layout) Alle: 1040 Wien, Belvederegasse 10/1, Telefon: (01) 505 19 52-0, Fax: -22,E-Mail: [email protected] (Abonnement), [email protected] (Redaktion), internet:www.ug-oegb.at, Bankverbindung: BAWAG Kto. Nr. 00110228775 Dass namentlich gezeichnete Beiträge nicht unbedingt der Meinung der Redaktion oderdes Herausgebers entsprechen müssen, versteht sich von selbst. Titel und Zwischentitelfallen in die Verantwortung der Redaktion, Cartoons in die Freiheit der Kunst. Textnach-druck mit Quellenangabe gestattet, das Copyright der Much-Cartoons liegt beim Künstler.DVR 05 57 021. ISSN 1023-2702.

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Die Wirtschaftliche Rahmenbedingung der Lohnpolitik. Von Markus Koza.

VERTEILUNGS-SPIELRAUM

IN

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Lohnentwicklung in Europa (I)

den „WSI-Mitteilungen 7/2011“ findetsich der Europäische Tarifbericht desWirtschafts- und Sozialwissenschaftli-chen Instituts 2010/2011. Einmalmehr analysiert der Autor ThorstenSchulte, Experte für europäischeArbeits- und Tarifpolitik der gewerk-schaftsnahen bundesdeutschen Hans-Böckler-Stiftung, die Lohnentwicklungin Europa über die letzten beiden Jahrehinweg. Wie sich also Löhne in derKrise entwickelten. Und wie sich Löhne„nach“ der Krise entwickeln.

Vorneweg das unerfreuliche, aber lei-der nicht allzu überraschende Ergebnisdes Berichts: EU-weit stagnieren dieReallöhne. Die Krisenkosten werdenquer über Europa den Beschäftigtenaufgebürdet, Lohnkürzungen als ver-meintliche Krisenlösungsstrategienpropagiert. Und: Die Lohnpolitik seinach wir vor weit davon entfernt, einenBeitrag zu Überwindung struktureller,ökonomischer Ungleichgewichte inEuropa zu leisten.

ÖKONOMISCHERAHMENBEDINGUNGENDie Konjunktur in Europa hat sich –

zumindest vorerst einmal – erholt.

Brach das Bruttoinlandsprodukt (BIP)in der Europäischen Union im Krisen-jahr 2009 noch um fast 4,2 Prozentein, ist es 2010 schon wieder umimmerhin 1,8 Prozent gestiegen. Aller-dings: die konjunkturelle Entwicklungin Europa ist keineswegs einheitlich,sondern erfolgt dreigeteilt.1. Eine stark exportorientierte Länder-gruppe, die unter anderem Deutsch-land, Finnland, Schweden und die Slo-wakei umfasst, weist Wachstumsratenvon 3 bis 5,5 Prozent aus. Das eben-falls stark exportorientierte Österreichwuchs um zwei Prozent und liegt damitim „guten“ Mittelfeld.2. Die besonders krisengebeuteltenStaaten Südeuropas – Portugal, Spa-nien und Griechenland, einige osteuro-päische Länder, wie Bulgarien, Lettlandund Rumänien, aber auch Irland –kämpfen dagegen nach wie vor mitnegativen „Wachstumsraten“, besten-falls mit Stagnation. Wobei Grie-chenland mit –4,5 Prozent an BIP-„Schrumpfung“ besonders negativhervorsticht.3. Schließlich gibt es eine dritte Grup-pe von Staaten – zu ihnen gehörenunter anderem Frankreich, Großbritan-nien – die sich in einer leichten Erho-lungsphase mit Wachstumsraten zwi-schen ein und zwei Prozent befinden.

Auch für 2011 wird für den EU-Raumein Wachstum von 1,8 Prozent prog-nostiziert, wobei eine konjunkturelleErholung der südeuropäischen Länderweiterhin auf sich warten lässt. Aller-dings ist diese Wachstumsprognose –angesichts der anhaltenden Euro- undSchuldenkrise und nach wie vor weit-hin unregulierter und krisenanfälligerFinanzmärkte – mit hohen Unsicherhei-

ten behaftet. Die Lage am Arbeits-markt bleibt jedenfalls angespannt:Die für die EU 2010 errechneteArbeitslosenrate von 9,6 Prozent (mehrals 23 Millionen Menschen) wird auchfür 2011 angenommen. Während deut-liche Rückgänge der Arbeitslosenzah-len in den einzelnen EU-Staaten – Aus-nahme vielleicht Deutschland – kaumzu verzeichnen sind, ist im Gegensatzdazu in den Krisenländern – Portugal,Griechenland, Spanien, Irland – dieArbeitslosigkeit auch 2010 noch ein-mal deutlich gestiegen, was wohl nichtzuletzt auf die harten Konsolidierungs-maßnahmen zum Schulden- und Defi-zitabbau zurückzuführen ist.

In Irland ist die Arbeitslosenrateetwa von 11,9 (2009) auf 13,7 Prozent(2010) gestiegen, in Spanien hat sichdie Arbeitslosigkeit gegenüber 2008(11,3) im Jahr 2010 mit 20,1 Prozentbeinahe verdoppelt. Griechenland, das2009 mit 9,5 Prozent noch im EU-Durchschnitt lag, verzeichnete 2010schon 12,6 Prozent Arbeitslose. Für2011 wird eine Arbeitslosenrate von15,2 Prozent erwartet. Konstant hochblieb 2010 die Arbeitslosigkeit auch inden baltischen Staaten, die teilweisegeradezu brutale, vom „InternationalenWährungsfonds“ (IWF) und von der EUaufgezwungene, „Anpassungspro-gramme“ umzusetzen hatten: In Est-land belief sich 2010 die Arbeitslosen-rate auf 16,9, in Lettland auf 18,7, inLitauen auf 17,8 Prozent. Insgesamt lagdie Arbeitslosenrate in zehn von 27EU-Staaten über zehn Prozent, in wei-teren vierzehn EU-Staaten zwischensechs und zehn Prozent. Schulten:„Angesichts der anhaltend hohenArbeitslosigkeit bleibt die Verhand-

Markus Kozaist UG-Vertreter imÖGB-Bundesvorstandund Mitarbeiter derAUGE/UG in Wien.

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lungsmacht der Gewerkschaften in denmeisten europäischen Ländern damitweiterhin stark beschränkt, was sichdeutlich dämpfend auf die Lohnent-wicklung auswirkt.“

PREIS- UNDPRODUKTIVITÄTSENTWICKLUNGKollektivvertragsverhandlungen ori-

entieren sich hinsichtlich der Lohnstei-gerung traditionell an der Inflation –also der Preisentwicklung – und derProduktivität. War die Inflationsrateim Krisenjahr mit einem Prozent im EU-

Raum äußerst gering, stieg sie 2010auf 2,1 Prozent und wird für 2011 mitdrei Prozent prognostiziert. Auch hin-sichtlich der Inflation war die Entwick-lung innerhalb der EU keineswegs ein-heitlich. Während Griechenland(4,7 Prozent), Rumänien (6,1 Prozent),Ungarn (6 Prozent) und Großbritannien(3,3 Prozent) Inflationsraten deutlichüber dem EU-Schnitt aufwiesen, warenin Irland (–1,6 Prozent) und Lettland(–1,2 Prozent) sogar deflationäre Ent-wicklungen zu beobachten.

Deutlich zugelegt hat in Europa dieArbeitsproduktivität. Sank diese imJahr 2009 angesichts der Krise nochum 2,3 Prozent, legte sie im Jahr 2010EU-weit wieder um 2,3 Prozent zu. Vorallem in einigen osteuropäischen Staa-ten (Estland +8,3 Prozent, Litauen+6,8 Prozent, Slowakei +5,5 Prozent)aber auch in den exportorientiertenwesteuropäischen und skandinavischenVolkswirtschaften (Deutschland+3,1 Prozent, Finnland +3,5 Prozent,Dänemark +4,2 Prozent, Schweden+4,4 Prozent) waren starke Produktivi-tätszuwächse zu verzeichnen.

Den scheinbar so starken Produktivi-tätszuwächsen in den ehemals „balti-schen Tigern“ gingen allerdings mas-sive Produktivitätseinbrüche im Krisen-jahr 2009 und auch schon im Vorkri-senjahr 2008 voraus: So ging etwa inLettland bereits 2008 die Produktivitätum –5,1 Prozent zurück, 2009 nocheinmal um –5,5 Prozent. Für 2011 wirdschon nur noch eine Produktivitätsstei-gerung von 1,8 Prozent prognostiziert.Ähnlich Estland: hier brach die Produk-tivität 2008 um –5,2 Prozent ein,2009 immer noch um –4,4 Prozent.Prognose für 2011: 0,6 Prozent. In

Litauen kam der Produktivitätseinbruch2009 mit –8,5 Prozent besonders hef-tig. Für 2011 sind Zuwächse von2,8 Prozent prognostiziert.

Während in Österreich die Produkti-vitätszuwächse 2010 mit einem Pro-zent eher verhalten ausfallen, wird für2011 ein Zuwachs von 1,6 Prozenterwartet, er liegt damit über dem EU-Schnitt von 1,4 Prozent und entsprichtziemlich genau jenen in der BRD, Bel-gien und Dänemark.

Einmal mehr eingebrochen ist dieProduktivität dagegen 2010 in Grie-chenland, nämlich um –2,4 Prozent.Auch für 2011 werden neben Griechen-land auch Portugal weitere, wenn auchleichtere, Produktivitätsrückgängeprognostiziert.

EU-VERTEILUNGSSPIELRAUM:VON 3,5 BIS 4 PROZENTWas bedeutet das nun für die Lohn-

politik? Aufgrund der Preis- und Pro-duktivitätsentwicklung ergab sich fürdie EU 2010 ein Verteilungsspielraumvon 4,3 Prozent (Inflation + Produktivi-

tät). Die rechnerisch größten Spiel-räume ergeben sich dabei für einigeosteuropäische Länder, wie etwa Lett-land (11 Prozent), Litauen (8), aberauch Polen (6,1), die Slowakei (6,2)und Rumänien (6,6). Für Deutschlandergibt sich ein Verteilungsspielraumvon 4,2 Prozent, für Finnland von 5,2Prozent, für Schweden sogar von 6,3Prozent. Für Österreich errechnet sichein Spielraum von 2,7 Prozent. Dieniedrigsten Werte wiesen Griechenlandmit 2,3 und Irland mit 1,7 Prozent aus.

Für 2011 wird für den EU-Raum einleicht größerer Verteilungsspielraum

von 4,4 Prozent (Inflation 3 Pro-zent + Arbeitsproduktivität1,4 Prozent) geschätzt, wobeijener in Deutschland mit4,2 Prozent leicht unter EU-Schnitt liegt, jener Österreichsmit 4,4 Prozent genau im EU-Schnitt. Deutlich darüber liegenwieder Finnland aber auch zahl-reiche osteuropäische Länder,die damit – zumindest theore-tisch – wieder die ökonomischenVoraussetzungen geschaffenhätten, „… den lohnpolitischenAufholprozess gegenüber West-europa wieder aufzunehmen, derzuvor durch die Krise unterbro-

chen beziehungsweise teilweise sogarrückgängig gemacht wurde.“

Wird als Bezugsgröße für die Produk-tivitätsentwicklung nicht ein Jahr, son-dern ein mittelfristiger Trend (z.B. dieProduktivitätsentwicklung über dieletzten 10 Jahre) herangezogen, ergibtsich für den EU-Raum ein durchschnitt-licher Verteilungsrahmen von 3,5 bis4 Prozent. Eine derart mittelfristige Ori-entierung würde einen Beitrag zu einer„verstetigten“ Lohnpolitik leisten undso verhindern, dass in Krisenzeiten dieLohnpolitik „pro-zyklisch“ agiert, alsoLöhne gekürzt und so die Krise weiterverschärft wird. Nun stellt sich dieFrage, ob denn der Verteilungsspiel-raum im Rahmen der Lohnpolitik aus-gereizt wurde und wie sich denn dieLöhne tatsächlich entwickelt haben.Die Bilanz ist ernüchternd.

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Die Krisenkostenwerden querüber Europa denBeschäftigtenaufgebürdet,Lohnkürzungenals vermeintlicheKrisenlösungs-strategien propagiert

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IM

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Lohnentwicklung in Europa (II)

ersten Teil dieses Artikels – eine Zusam-menfassung des Europäischen Tarifbe-richts des WSI 2010/2011 (Autor Thors-ten Schulten, Experte für europäischeArbeits- und Tarifpolitik der Hans-Böck-ler-Stiftung) in den aktuellen WSI Mit-teilungen 7/2011 – wurde ein Blickauf die ökonomischen Rahmenbedin-gungen für die Lohnpolitik in Europageworfen. Im zweiten Teil wollen wirnun näher analysieren, wie sich dieLöhne in Europa während und „nach“der Krise entwickelt haben. Ob es z.B.gelungen ist, den Verteilungsspielraumzu nutzen. Ob Kaufkraft erhalten, odergar erhöht wurde. Und welchen Einflussdie restriktiven Vorgaben der EU, aberauch des IWF, auf die Lohnentwicklungin den europäischen „Krisenstaaten“und „Resteuropa“ haben.

ENTWICKLUNG DER TARIF-/KOLLEKTIVVERTRAGSLÖHNEWerfen wir erst einmal einen Blick

auf die Kollektivvertragslöhne: Wäh-rend die nominalen – nicht um dieInflationsrate bereinigten – Kollektiv-vertragslöhne in der Euro-Zone im Kri-senjahr 2009 noch zwischen 2,6 und2,9 Prozent stiegen – in diesem Jahrwurden vielfach KV-Abschlüsse ausden Vorkrisenjahren wirksam – schlugsich die Krise im Jahr 2010 auf dieTarifvertragslöhne nieder. Im Jahr 2010sind daher Kollektivvertrags- bezie-hungsweise Tarifvertragslöhne in derEurozone durchschnittlich um nur noch1,7 Prozent gestiegen (BRD: 1,8 Pro-zent, Finnland: 2,6 Prozent, Belgien:0,7 Prozent, Österreich: 1,6 Prozent).

KOLLEKTIVVERTRÄGE:REALLÖHNE STAGNIERENWie haben sich Kollektivvertrags-,

/Tarif-Löhne und -Gehälter nun „real“– also in Kaufkraft ausgedrückt – ent-wickelt? Schließlich bringen Tariflohn-beziehungsweise Kollektivvertrags-Lohnzuwächse ja nur dann „real“ was,wenn Kaufkraft erhalten und – nochbesser – Kaufkraft gesteigert wird.Anders ausgedrückt: ein vermeintlichhoher „nomineller“ Lohnabschluss vonplus sechs Prozent bringt „real“ Kauf-kraftverluste, wenn die Inflation beiacht Prozent liegt. Der/die Arbeitneh-merIn kann sich also weniger leisten,als das Jahr zuvor.

Liegt die Inflation allerdings bei 0,5Prozent, dann ist selbst ein vermeint-lich bescheidener „nomineller“ KV-Abschluss von 1,6 Prozent deutlichKaufkraft stärkend. Der/die Arbeitneh-merIn kann sich „real“ mehr leisten,kann mehr an Gütern kaufen, als dasJahr zuvor.

Während die realen Tariflohnzu-wächse 2009 noch kräftig stiegen, wassich nicht zuletzt positiv auf diegesamtgesellschaftliche Nachfrageund die Konsumquote auswirkte undso die Wucht der Krise abminderte – inder Euro-Zone belief sich der Reallohn-zuwachs auf 2,3 Prozent – war für dasJahr 2010 so gut wie kein Kaufkraftzu-wachs mehr zu verzeichnen: In derEuro-Zone belief sich der Reallohnzu-wachs gerade einmal auf +0,1 Prozent– also stagnierte. Leicht höhere tarifli-che Reallohnzuwächse erzielte Finn-land, Deutschland, auch Portugal.

Reallohnverluste – wenn auch sehrleichte – setzte es mit – 0,1 Prozent inÖsterreich und mit –1,6 Prozent schondeutlich stärker in Belgien.

REALE TARIFLOHN-ENTWICKLUNG 2000 BIS 2010Betrachtet man die mittelfristige

reale Tariflohnentwicklung – also dieKaufkraftentwicklung über die letzten10 Jahre hinweg – so fällt eine deutli-che Kluft zwischen den skandinavi-schen Ländern und Rest-Europa auf.Während sich etwa in Schweden undFinnland die Tariflöhne von 2000 bis2010 „real“ um 17,1 Prozent bezie-hungsweise 23,4 Prozent erhöhten, fie-len Deutschland beziehungsweiseÖsterreich mit Kaufkraftzuwächsen von5,7 Prozent beziehungsweise 6,4 Pro-zent schon deutlich zurück und lagendamit knapp über beziehungsweiseunter dem Euro-Zonen-Schnitt vonlediglich 6,3 Prozent.

ENTWICKLUNGDER EFFEKTIVLÖHNEIm Unterschied zu den Tarif-/KV-

Löhnen – die auf einer kollektivvertrag-lichen Vereinbarung beruhen – handeltes sich bei den Effektivlöhnen um dietatsächlich ausgezahlten Löhne:Schließlich gibt es ja z.B. etliche Bran-chen, wo über KV bezahlt wird, aberauch Bereiche, die von Tarif- bezie-hungsweise Kollektivverträgen nichterfasst sind. Der Deckungsgrad ist inden europäischen Staaten höchstunterschiedlich: Werden in Österreich

Von der Krise in die Krise. Von Markus Koza.

VERTEILUNGS-BILANZ

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zum Beispiel über neunzig Prozent derArbeitnehmerInnen von Kollektivverträ-gen erfasst, sind das in den baltischenLändern weniger als 20 Prozent.Gleichzeitig sind die Effektivlöhnenatürlich auch vom Ausmaß der geleis-teten Arbeitszeit abhängig – ob alsoTeilzeit gearbeitet wird, ob Kurzarbeitvorliegt, ob Überstunden geleistet wer-den. Die tatsächlich geleisteten Effek-tivlöhne finden sich in der Volkswirt-schaftlichen Gesamtrechnung in derLohnquote wieder.

WIE HABEN SICH NUN DIEEFFEKTIVLÖHNE ENTWICKELT?Die – nicht inflationsbereinigten –

nominalen Effektivlöhne sind 2008 inden EU-27 noch um 3,2 Prozent gestie-gen, 2009 allerdings schon nur nochum 1,6 Prozent, 2010 um 2,1 Prozent.Für 2011 werden 2,3 Prozent prognos-tiziert. Auffallend: Gesunken sind dienominalen Effektivlöhne 2010 in Grie-chenland um –3,5 Prozent und Irlandum –1,9 Prozent. Regelrecht eingebro-chen sind sie in den baltischen Staa-ten. Hier setzte es massive Lohnver-luste – im öffentlichen Dienst in Lett-land im Rahmen der EU- und IWF-Auf-lagen um bis zur Hälfte des Einkom-mens: In Lettland brachen so die Nomi-nallöhne 2009 insgesamt um–12,2 Prozent, 2010 zusätzlich um–6,5 Prozent, in Litauen 2009 um–11,1 Prozent, 2010 noch einmal um–1,3 Prozent ein.

Stagnierend stellen sich die realen –also die um die Inflationsrate bereinig-ten – Effektivlöhne dar. 2008 gab esbereits Reallohnverluste in der EU von–0,5 Prozent. 2009 legten die Real-löhne um 0,6 Prozent zu, um 2010 zustagnieren. In 13 von 27 EU-Staatenkam es in diesem Jahr sogar zu Real-lohnverlusten. Für 2011 werden Real-lohnverluste von –0,8 Prozent erwartet.Von den „alten“ EU-Staaten sind dieGriechen am meisten betroffen: dieKaufkraftverluste der GriechInnenbelaufen sich 2010 auf –8,2 Prozent,2011 noch einmal auf –3,4 Prozent.Wie angesichts dieses massiven Kon-sumeinbruchs – der nicht nur Armutmassiv befördert, steht doch deutlichweniger Geld für den Einkauf vonLebensmittel, für Wohnen, Heizen etc.zur Verfügung – der Weg aus der Krisegeschafft werden soll, bleibt ein Rätsel.Reallohnverluste setzte es 2010 auchfür Österreich, wenn auch deutlichgeringere – nämlich – 0,1 Prozent. Für2011 wird ein Minus von 0,3 Prozentan Kaufkraftverlust prognostiziert.

Massive Reallohnverluste mit „Ver-elendungspotential“ setzte es einmalmehr in den baltischen Staaten, inRumänien und Ungarn: 2009 brachendie Reallöhne in Lettland wie inLitauen um über –15 Prozent ein, 2010in Lettland noch einmal um –5,2 Pro-zent, in Litauen um –2,5 Prozent. Lett-land werden für 2011 weitere Real-lohnverluste von –1,9 Prozent prognos-tiziert. Starke Kaufkraftverluste muss-

ten RumänInnen (2009: –12,2 Prozent,2010: –4,7 Prozent, 2011: –4,5 Pro-zent) und UngarInnen (2009: –6,2 Pro-zent, 2010: –4,9 Prozent, 2011:–1,4 Prozent) hinnehmen.

VERTEILUNGSBILANZ? NEGATIVWährend 2009 die Verteilungsbilanz

für die ArbeitnehmerInnen mit + 2,9Prozent (Inflation: ein Prozent, Arbeits-produktivität: –2,3 Prozent, Nominal-lohnzuwachs: 1,6 Prozent) noch positivausfiel (auch in Österreich entwickeltesich die Lohnquote in diesem Jahr imVerhältnis zu der Gewinnquote positiv,insbesondere weil kurzfristig im Krisen-jahr 2009 sowohl Gewinn- als auchVermögenseinkommen einbrachen),war dieselbe 2010 mit –2,2 Prozentschon wieder im Minusbereich undwird mit –2,2 Prozent auch im Jahr2011 als strikt negativ prognostiziert.

Wie schon die Jahre beziehungs-weise Jahrzehnte vor dem „ausreißen-den“ Krisenjahr 2009 bleibt die Lohn-entwicklung wieder deutlich und stetighinter Produktivität und Inflationzurück: „Nachdem krisenbedingt dieLohnentwicklung im Jahr 2009 kurz-fristig über den (damals negativen)Verteilungsspielraum hinausschoss, istsie bereits 2010 wieder auf einen res-triktiven Kurs zurückgekehrt, der einerneutes Absinken der Lohnquote und

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Ist es gelungen, den

Verteilungsspielraum

zu nutzen, konnte die

Kaufkraft erhalten

oder erhöht werden.

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eine weitere Umverteilung zugunstender Kapitaleinkommen nach sichzieht.“ Fällt der negative Verteilungsbi-lanzsaldo in Österreich etwa mit–1,1 Prozent 2010 und erwarteten–1,9 Prozent 2011 noch unterdurch-schnittlich aus, kann auch von einem„Aufholeffekt“ in den osteuropäischenLändern nicht gesprochen werden.

Im Gegenteil: der negative Vertei-lungssaldo liegt in den baltischen Län-dern im Jahr 2010 entweder knappunter (–9,9 Prozent Lettland, –9,3 Pro-zent Litauen) oder sogar über der 10-Prozent-Marke (Estland: –11,3 Prozent).Negativ war der Verteilungssaldo inLettland mit –9,9 bzw. –6,3 Prozent inLitauen bereits 2009.

Von den neuen EU-Mitgliedsländernin Osteuropa wiesen 2009 zwar Bulga-rien (+9,9 Prozent), die Slowakei(+6,4 Prozent), Slowenien (+7,1 Pro-zent) noch überdurchschnittlich posi-tive Verteilungsbilanzsaldi auf, die2010 allerdings ebenso wie in Rest-europa in die Minuszone rutschen –teilweise durchaus kräftig wie in derSlowakei mit –3,5 Prozent .

In den „alten“ EU-Ländern lagen2009 – abgesehen von Irland, Spa-nien und Schweden – alle Länder am(Frankreich) oder über (z.B. Österreich:+4,2 Prozent, Deutschland: +4,7 Pro-zent) dem positiven EU-Schnitt. Mit2010 und 2011 befanden beziehungs-weise befinden sich auch alle „alten“EU-Mitgliedsstaaten im roten Bereich,wird der verteilungspolitische Spiel-raum nicht ansatzweise ausgereizt.

Überdurchschnittlich negative Vertei-lungsbilanzsaldi schrieben 2010 Grie-chenland mit –5,8 Prozent, Irland mit–3,5 Prozent, Spanien mit –3,6 Prozent,Portugal mit –2,8 Prozent aber auchweniger krisengeschüttelte Staaten wieSchweden (–3,6 Prozent), Luxemburg(–3,1Prozent), Dänemark (–3,7 Pro-zent) und Finnland (–3,2 Prozent).

AUSBLICK: LOHNENTWICKLUNGIN EUROPA BLEIBT SCHWACHStagnierende Reallöhne 2010, ein

prognostizierter deutlicher Reallohn-rückgang 2011. Löhne und Gehälterstehen in Europa massiv unter Druck:„Besonders betroffen … sind die soge-nannten PIGS-Staaten (Portugal,Irland, Griechenland und Spanien), diederzeit im Zentrum der europapoliti-

schen Debatte stehen und von EU-Seite als Hauptschuldige der aktuellen„Euro-Krise“ ausgemacht werden. Eineähnliche Entwicklung findet sich aberauch nach wie vor in zahlreichen ost-europäischen Staaten. Unter massivemDruck des Internationalen Währungs-fonds (IWF) und der EU sind all dieseStaaten dazu übergegangen, die Löhneim öffentlichen Sektor drastisch zu kür-zen und damit zugleich das Signal füreine restriktive Lohnentwicklung in derPrivatwirtschaft vorzugeben.“

In Ländern, in denen der Export wie-der angesprungen ist, fällt die Lohnent-wicklung zwar etwas stärker aus, aller-dings bleibt auch hier der Verteilungs-spielraum bei weitem nicht ausge-schöpft, ist die Verteilungsbilanz nega-tiv. Die Lohnentwicklung in starkexportorientierten Ländern, wie derBRD, ist zusätzlich nicht auf eineexpansive Lohnpolitik zurückzuführen,sondern auf die noch schwächere Lohn-entwicklung in den anderen Ländern.

Schulten kommt jedenfalls zu demSchluss, dass von der Lohnentwicklungkaum positive Impulse ausgehen,„… um die strukturellen ökonomischenProbleme in Europa zu überwindenund ein nachhaltige Wachstumsstrate-gie einzuleiten. In den Krisenländernführt der anhaltende Reallohnverlustim Gegenteil dazu, dass die gesamt-wirtschaftliche Nachfrage immer wei-ter zurückgeht und sich die Krise wei-ter zuspitzt.“

Gleichzeitig ist die Lohnentwicklungin exportorientierten, Leistungsbilanz-überschussländern zu schwach, um …„… damit einen Beitrag zu leisten, dieUngleichgewichte in Europa abzu-bauen. Seit der Einführung der Euro-päischen Währungsunion hat dieunterschiedliche Entwicklung der Lohn-stückkosten wesentlich dazu beigetra-gen, dass sich die preisliche Wettbe-werbsfähigkeit einiger weniger Staatenimmer weiter verbesserte, während siein den meisten anderen Staaten immerschlechter wurde. Allen voran hatDeutschland mit Hilfe seiner lohnpoli-tischen Sonderrolle sein exportgetrie-benes Wachstumsmodell immer weiterausbauen können.“

Und was für Deutschland gilt, giltähnlich auch für Österreich, geringerfür Finnland. Während die BRD ihreWettbewerbsfähigkeit auf Basis derLohnstückkosten seit 1999 um 18 Pro-

zent verbessern konnte, verbessertesich Österreich um 7, 6 Prozent, Finn-land um zwei Prozent. Verschlechterthat sich im gleichen Zeitraum die Posi-tion Frankreichs (–1,2 Prozent), der Nie-derlande (–4,1 Prozent), Italiens(–6,9 Prozent) und der „Krisenstaaten“Irland (–7,3 Prozent), Spanien(–7,4 Prozent), Portugal (–9,1 Prozent)und Griechenland (–13,1 Prozent).

Während allerdings der „deutsche“Weg im Zuge der Krise von führendenEU-PolitikerInnen auch einmal alsnationales Lohndumping und „Bagger-my-Neighbour-Politik“ kritisiert wurde,ist die restriktive Lohnpolitik Deutsch-lands inzwischen – zweifelhaftes – Vor-bild für Europa geworden. Im Rahmendes „Euro-Plus-Pakts“ wird etwa vonden EU-Staaten eine am deutschenVorbild orientierte restriktive Lohnpoli-tik zur Verbesserung der Wettbewerbs-fähigkeit gefordert.

„Die Verallgemeinerung des deut-schen Entwicklungsweges wird jedochendgültig dazu führen, dass europa-weit eine negative Lohnsenkungsspi-rale in Gang gesetzt wird, in derenFolge sich die strukturellen Probleme inEuropa weiter verschärfen werden.“

Eine „reine Verteidigung der nationa-len Lohnpolitik“ greife allerdings auchzu kurz, so Schulten. So hätten dieeuropäischen Gewerkschaften bereitsAnsätze für eine Koordinierung ihrerLohnpolitiken als Alternative zum herr-schenden EU-Kurs entwickelt. „Ausheutiger Sicht“ ginge es dabei „imKern“ um zwei Punkte:•die Verhinderung von weiteren Lohn-kürzungen in den Krisenländern•und eine produktivitätsorientierteReallohnpolitik, um die binnenwirt-schaftliche Stagnation zu überwinden

Zum anderen, schließt Schulten,stünden die Exportländer – darunterDeutschland, aber auch Österreich –vor der Aufgabe „ … durch eine deut-lich expansivere Lohnentwicklung dieFehlentwicklungen zumindest ein Stückweit zu korrigieren und ihre Verantwor-tung für die wirtschaftliche Dynamik inganz Europa wahrzunehmen.“

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Antrag der AUGE/UG – Alternative und Grüne GewerkschafterInnen/Unabhängige GewerkschafterInnen an die55. Vollversammlung der AK-Wien am 11. Mai 2011

EUROPEAN STABILITY MECHANISM – NICHT OHNE BEDINGUNGEN!

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Im Rahmen des Europäischen Rats am 24./25. März2011 wurde eine Ausweitung des „Euro-Rettungsschirms“auf rund 700 Milliarden Euro beschlossen, der im Gegen-satz zum bislang bis 2013 befristeten Mechanismus unterdem Titel „European Stability Menchanism (ESM)“ dauer-haft eingerichtet werden soll. Dieser ESM ist ein Teil der„Umfassenden Reaktion“ („Comprehensive Reaction“),also des wirtschaftspolitischen Maßnahmenpakets aufEU-Ebene, das u.a. auch das Legislativpaket der EU-Kom-mission sowie den Euro-Plus-Pakt umfasst.

Um den ESM einrichten zu können ist eine Vertragsän-derung des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV)erforderlich, welche in Österreich einer Zwei-Drittel-Mehr-heit im Parlament bedarf. Diese Vertragsänderung, bezo-gen auf den Art. 136 lautet:

„Die Mitgliedsstaaten, deren Währung der Euro ist,können einen Stabilitätsmechanismus einrichten, deraktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabili-tät des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. DieGewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmendes Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen.“

Unabhängig von dieser Antragsänderung bedarf es fürdie Einrichtung des ESM einerseits Bareinlagen durch dieMitgliedsstaaten, andererseits Garantieerklärungen. FürÖsterreich betragen die Bareinlagen 2,2 Milliarden Euro,für abzurufendes Kapital und Garantieerklärungen sindim Bedarfsfall bis zu 17,3 Milliarden Euro an öffentlichenMitteln bereit zu stellen.

Gerade aus ArbeitnehmerInnen- und Gewerkschafts-sicht stand der „Euro-Rettungschirm“ nicht zuletzt des-wegen unter Kritik, weil ein Beitrag privater Gläubiger –in erster Linie Finanzmarkinstitutionen – zur Bewältigungder Schuldensituation des betroffenen Landes nicht odernur unzureichend gegeben beziehungsweise vorgesehenwar/ist, während die Hauptlast des Schuldenabbaus derBevölkerung des „geretteten“ Staates aufgebürdetwurde/wird – u.a. über massive Einschnitte in sozialeSicherungssysteme, in öffentliche Beschäftigung, überEingriffe in die nationale Lohnpolitik, sprich massiveLohnkürzungen etwa im Bereich der Mindestlöhne.

Gleichzeitig finanziert die breite Allgemeinheit der „ret-tenden“ Staaten – in der überwiegenden Mehrheit dieArbeitnehmerInnen – mit ihren Steuermitteln sowohl Bar-einlagen als auch allfällig abzurufendes Kapital bezie-

hungsweise Garantien, zur Sicherung der Vermögen vonGläubigerInnen beziehungsweise AnlegerInnen, derenBeitrag zum allgemeinen Steueraufkommen und damitzur Finanzierung der Rettungsaktionen gleichzeitig einverschwindend geringer ist.

Es erscheint daher gerade in diesem Zusammenhangeinmal mehr besonders gerechtfertigt, die Frage, werdenn für die im Zuge der Krise entstandenen Kosten auf-zukommen hat, neu zu stellen. Es ist wohl mehr als ange-bracht, dass jene, deren Vermögen und Besitz in der Ver-gangenheit über Bankenrettungspakete und „Euro-Ret-tungsschirm“ gesichert wurde und künftig über des ESMgesichert wird, nun endlich auch einen entsprechendenfinanziellen Beitrag zur Bewältigung der Krise und Kri-senkosten zu leisten haben.

In diesem Sinne scheint es aus ArbeitnehmerInnensichtmehr als angebracht, eine Zustimmung zum ESM seitensdes Nationalrats an den Einstieg in eine umfassendeBesteuerung von Vermögen, Vermögensübertragungenund Finanztransaktionen als Beitrag zur verursachensge-rechten Finanzierung eines dauerhaften „Euro-Rettungs-schirms“ zu binden.

Die 155. Vollversammlung der AK Wien möge daher beschliessen:

Die 155. Vollversammlung der AK Wien fordert dieAbgeordneten zum Österreichischen Nationalrat auf, derÄnderung des Artikels 136 sowie der erforderlichen Bar-einlagen und Garantieerklärungen – im Sinne einer verur-sachensgerechten Finanzierung der Krisenkosten aufnationaler Ebene, sowie der Finanzierung dauerhafterStabilisierungsmechanismen auf europäischer Ebene –nur unter der Bedingung des Einstiegs in eine umfas-sende Besteuerung von Vermögen, Vermögensübergän-gen sowie Börsengeschäften in Österreich – bis zurUmsetzung einer EU-weiten Finanztransaktionssteuer –zuzustimmen.

Insbesondere gilt es, das in Verfassungsrang stehendePrinzip der „Endbesteuerung“ von Geldvermögen aus sel-bigem zu entheben, um im die Reform einer Besteuerungvon Vermögen und Vermögensübergängen tatsächlichumfassend wirken lassen zu können.Dieser Antrag wurde angenommen.

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gibt ein Recht auf freie Mei-nungsäußerung? Nicht über-

all. In den Betrieben wurde„Meinungsfreiheit“ nämlich bis-

lang vielfach als mangelnde Loyalität,wirtschaftliche Schädigung, Arbeitsver-weigerung, Störung der „betrieblichenOrdnung“ etc. ausgelegt.

Wer nur allzu frei seine Meinung imBetrieb äußerte, war nur allzu schnellvon Kündigung, wenn nicht Entlassungbedroht. Zumindest bislang. Denn eingeradezu sensationelles und richtungs-weisendes Urteil des „EuropäischenGerichtshofs für Menschenrechte“(EGMR) hat nun eines klar gestellt: DasRecht auf freie Meinungsäußerung giltauch in der Arbeitswelt!

Der Hintergrund, ein Fall in der BRD:Eine Altenpflegerin machte ihrenArbeitgeber auf schwerwiegende Miss-stände im Betrieb aufmerksam – vonfehlerhaften Abrechnungen von Leis-tungen hin zu mangelnder Pflege zubetreuender Personen. Der Arbeitgebertat allerdings nichts, um diese Miss-stände zu beheben.

Die Altenpflegerin stellte daraufhinStrafanzeige gegen den Arbeitgeber.Der reagiert prompt mit Entlassung –also fristloser Kündigung wegen feh-lender Loyalität. Die Pflegerin zog vorGericht. In erster Instanz wurde ihrnoch Recht gegeben, die Entlassungals unrechtmäßig erachtet, da es sichim Falle der Klägerin um freie Mei-nungsäusserung handelte. Das Landes-arbeitsgericht erachtete dagegen dieStrafanzeige als Entlassungsgrund.Ebenso das Bundesarbeitsgericht. DasBundesverfassungsgericht lehnte es ab,sich mit dieser Causa zu befassen.

Blieb der Weg zum EGMR – zumEuropäischen Gerichtshof für Men-schenrechte. Und der entschied, dassdie deutschen Gerichte mit ihren Urtei-len gegen den Artikel 10 der Europäi-schen Menschenrechtskonvention ver-stoßen haben, der da u.a. lautet:

„Freiheit der Meinungsäußerung1) Jede Person hat das Recht auf

freie Meinungsäußerung. Dieses Rechtschließt die Meinungsfreiheit und die

Freiheit ein, Informationen und Ideenohne behördliche Eingriffe und ohneRücksicht auf Staatsgrenzen zu emp-fangen und weiterzugeben. Dieser Arti-kel hindert die Staaten nicht, für Hör-funk-, Fernseh- oder Kinounternehmeneine Genehmigung vorzuschreiben.

(2) Die Ausübung dieser Freiheiten istmit Pflichten und Verantwortung ver-bunden; sie kann daher Formvorschrif-ten, Bedingungen, Einschränkungenoder Strafdrohungen unterworfen wer-den, die gesetzlich vorgesehen und ineiner demokratischen Gesellschaft not-wendig sind für die nationale Sicher-heit, die territoriale Unversehrtheit oderdie öffentliche Sicherheit, zur Aufrecht-erhaltung der Ordnung oder zur Verhü-tung von Straftaten, zum Schutz derGesundheit oder der Moral, zum Schutzdes guten Rufes oder der Rechte ande-rer, zur Verhinderung der Verbreitungvertraulicher Informationen oder zurWahrung der Autorität und der Unpar-teilichkeit der Rechtsprechung.“

Der EGMR musste dabei zwischenden Interessen der Klägerin auf Frei-heit der Meinungsäußerung und denwirtschaftlichen Interessen des Arbeit-

gebers abwägen. Dabei kam er zurAuffassung, „… dass in einer demokra-tischen Gesellschaft das öffentlicheInteresse an Informationen über Män-gel in der institutionellen Altenpflegein einem staatlichen Unternehmen sowichtig ist, dass es gegenüber demInteresse dieses Unternehmens amSchutz seines Rufes und seinerGeschäftsinteressen überwiegt.“ (Burk-hard Goßens auf www.anwalt24.de)

Der Europäische Gerichtshof fürMenschenrechte hat die BRD verurteilt,an die Klägerin Schadenersatz in Höhevon 15.000 Euro zu leisten.

So erfreulich und richtungsweisenddas Urteil auch ist: Es zeigt auch auf,dass dringender Handlungsbedarfgegeben ist: Es braucht einen unmiss-verständlichen und umfassendengesetzlichen Schutz von „Whistleblo-wern“ die Missstände, Rechtsverletzun-gen, Korruption, Gefahrenpotentiale fürMensch, Gesundheit und Umwelt anihrem Arbeitsplatz oder in ihrer nähe-ren Arbeitsumgebung an- und aufzei-gen. Solange das Damoklesschwert derEntlassung, oder anderer Sanktionenüber potentiellen Hinweisgebern vonMissständen schwebt, werden sich nurbesonders couragierte ArbeitnehmerIn-nen trauen, diese auch aufzuzeigen.

Und es braucht das klare Bekenntnis,dass das Recht auf freie Meinungsäus-serung – ein Menschenrecht – auch imBetrieb gilt.

Links zum Thema auf: http://diealterna-tive.org/arbeitsklima, gleichlautender Artikel.

„GESCHÄFTSINTERESSEN“

Es gibt einen richtungswei-

senden Spruch des Europä-

ischen Gerichtshofs für

Menschenrechte in Sachen

Meinungsfreiheit im Betrieb.

ES

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ganz Europa erhalten Kinder-gartenpädagogInnen auf der

Universität ihre Ausbildung.Nur in Österreich und Malta wer-

den sie in berufsbildenden Schulen abdem Alter von 14 Jahren ausgebildet.

„Den Anschluss an die internationaleEntwicklung einer Hochschulausbil-dung für KindergartenpädagogInnenhat Österreich seit Jahren verschlafen“.

Die Konsequenz daraus ist das feh-lende Lehrpersonal, um Kindergarten-pädagogInnen künftig wie LehrerInnender Sekundarstufe auf Bachelor- undMasterniveau ausbilden zu können.

Bis auch für KindergartenpädagogIn-nen Bachelor und Master die Regelab-schlüsse für den Berufseinstieg sind,dürfte es trotz der neuen PädagogIn-nenausbildung noch länger dauern.Grund dafür ist, dass es vorerst wederan den Unis noch an den Pädagogi-schen Hochschulen (PH) Personal füreine entsprechende akademische Aus-bildung gibt. Diese Berufsgruppe wirddeshalb noch länger an den Bildungs-anstalten für Kindergartenpädagogik(Bakip) ausgebildet werden. Allerdingssollen die dortigen Lehrenden speziellaus- und fortgebildet werden, so Unter-richtsministerin Claudia Schmied.

Die Bakips seien derzeit „möglicher-weise nicht auf dem letzten Stand voninternationaler Wissenschaft undLehre“, sagt Schmied. Allerdings gebees mit Cornelia Wustmann von der UniGraz in ganz Österreich nur eine Profes-sur für Elementarpädagogik. „Für michist ein erster und wichtiger Schritt, dieLehrenden der Bakip speziell auszubil-den. In diesen Bereich werden wir

investieren.“ Die Bakips sollen auch„im Sinne der Praxis stärker mit den PHverschränkt werden“.

Außerdem soll AbsolventInnenen derBakips künftig der Umstieg in den ter-tiären Bereich erleichtert werden,betonte Andreas Schnider, Leiter derVorbereitungsgruppe für die neuePädagogInnenausbildung. Ihnen sollenin einem ersten Schritt stärker als bis-her die im Rahmen ihrer fünfjährigenAusbildung erworbenen Kompetenzenangerechnet werden.

Gleichzeitig forderte Schnider, dassin einem zweiten Schritt alle Kindergar-tenpädagoInnen einen Bachelor undnach spätestens fünf Jahren einenMaster-Abschluss vorweisen sollen.„Das ist internationaler Standard“,betonte er. Dabei gehe es nicht einfachdarum, „irgendwas zu akademisieren.Wenn wir uns ernst nehmen, müsse esdaher das Ziel sein, Kindergartenpäda-gogInnen eine Ausbildung auf demsel-ben Niveau zu bieten wie den Lehrernder Sekundarstufe zwei.“

Frauenministerin Heinisch-Hosek for-dert: Kostenlose Kindergartenplätze fürzwei Jahre und ganztags. Frauenminis-terin Heinisch-Hosek hat einen Vorstoß

für den Ausbau des Gratis-Kindergar-tenjahrs unternommen. Dieses ist der-zeit für Kinder im letzten Vorschuljahrhalbtägig kostenlos und verpflichtend.Die Ministerin plädierte für eine Aus-weitung auf ganztags und könnte sichauch vorstellen, ein zweites Jahr gratisanzubieten. Dies soll „echte Vereinbar-keit“ bringen.

Finanzieren würde sie dies mit jenemGeld, das liegenbleiben könnte, weildie Absetzbarkeit der Kinderbetreuungnicht im budgetierten Ausmaß geltendgemacht wird, so wie die nicht abge-holte steuerliche Nutzung des Kinder-

freibetrages. Und wir fragen uns: Mitwelchem Personal? Der momentanePersonalmangel im Bereich der päda-gogischen Fachkräfte im Elementarbe-reich, welcher sich durch alle Trägeror-ganisationen zieht, wirft die berech-tigte Frage auf, wer diesen gedankli-chen Vorstoß von unserer Frauenminis-terin qualitätsvoll umsetzen soll.Schließlich und endlich geht es nichtum einfach gestrickte Betreuungsmo-delle sondern um nachhaltige Förde-rung der Jüngsten unserer Gesellschaft.

Alleine bei der Stadt Wien (MA 10 –Wiener Kindergärten) hatten wir überdie Sommermonate einen Minusper-sonalstand von 256 Vollzeitpädagog-Innen. Der Dachverband der Kinder-gartenpädagogInnen spricht vonwienweit bis zu sechshundert fehlen-den PädagogInnen bei unterschiedli-chen Trägern. Ein politischer Spagatalso, der von Kindern, Eltern und Mit-arbeiterInnen der Kindergärtengemeistert werden soll.

„DIE BESTEN KÖPFE ZU DENJÜNGSTEN KINDERN“

Die Tertiäre Ausbildung der

KindergartenpädagogInnen

wird es frühestens in zehn

Jahren geben.

Von Martina Petzl-Bastecky.

IN

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Martina Petzl-Basteckyist KIV-Personal-vertreterin in denWiener Kindergärten.

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Wieviel arbeiteten Österreichs ArbeitnehmerInnen in Zeiten der Krise? Von Markus Koza.

TRAURIGE „EU-SPITZE“

G

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ing die durchschnittlich geleisteteArbeitszeit aufgrund weniger Über-stunden zurück – wie wohl angesichtsder Produktionseinbrüche in der Indus-trie zu erwarten gewesen wäre? Odersind Österreichs ArbeitnehmerInnenselbst in der Krise hinsichtlich derLänge der Arbeitszeiten traurige „EU-Spitze“ geblieben?

Ein Blick in die Arbeitskräfteerhe-bung kann Aufschluss darüber geben.Die Statistik Austria hat einmal mehrdie durchschnittlich in Österreich gear-beitete Arbeitszeit erhoben. Ein Ergeb-nis gleich vorneweg: wer gemeinthätte, dass in Zeiten der Wirtschafts-krise die Zahl erbrachter Über- undMehrstunden deutlich eingebrochenwäre, der/die irrt.

ARBEITSZEITEN IN ÖSTERREICH Die durchschnittliche wöchentliche

Normalarbeitszeit (alle Erwerbstätigen– Selbständige und Unselbständige)in Österreich lag im Jahr 2010 bei37,9 Stunden (Männer: 42,2 Stunden,Frauen: 32,8 Stunden) und damitgeringfügig unter jener des Krisenjah-res 2009 mit 38,2 Stunden (Männer:42,5, Frauen: 33,1).

Verglichen mit dem Jahr 2008 – alsodem letzten Jahr der „Vorkrisen“-Äraging die durchschnittlich gearbeiteteWochenarbeitszeit bis 2010 leicht um0,7 Arbeitsstunden (2008: 38,6Wochenstunden) zurück (Männer2008: 42,8 Wochenstunden, Frauen:33,5 Wochenstunden).

Für GewerkschafterInnen natürlichbesonders interessant: die Arbeitszei-ten der unselbständig Erwerbstätigen,also der ArbeitnehmerInnen:•2008 lag die durchschnittlicheArbeitszeit von ArbeitnehmerInnen bei

37,4 Wochenstunden (Männer: 41,4,Frauen: 32,7)•Das Krisenjahr 2009 brachte durch-schnittliche Arbeitszeiten von 37Wochenstunden (Männer: 41,1, Frauen:32,4). Verglichen mit dem Jahr 2008blieben die Arbeitszeiten – im Verhält-nis zur Schwere der Krise, die massiveEinbrüche in die industrielle Produk-tion und einen Rückgang des BIP imAusmaß von knapp über 3 Prozent mitsich brachte – also doch verhältnismä-ßig konstant.•Im Jahr 2010 – dem Jahr der wirt-schaftlichen Erholung – belief sich diedurchschnittliche Arbeitszeit auf 36,9Wochenstunden (Männer: 40,9,Frauen: 32,2), ging also noch einmalgeringfügig zurück.•Annähernd gleich – und zwar gleichhoch – blieb dagegen die durchschnitt-liche Arbeitszeit bei vollzeit erwerbstä-tigen ArbeitnehmerInnen (ab 36Wochenstunden): Lag die durchschnitt-liche Arbeitszeit 2008 bei 42,5Wochenstunden (Männer: 43,1, Frauen:41,4), sank diese im Krisenjahr 2009nur geringfügig auf 42,3 Stunden(Männer: 42,9, Frauen: 41,3), und blieb2010 ziemlich konstant bei 42,2 Stun-den in der Woche (Männer: 42,7,Frauen: 41,3).

Der leichte Rückgang der durch-schnittlich geleisteten wöchentlichenArbeitszeit ist dabei nicht nur den kri-senbedingten Produktionsrückgängengeschuldet: von 2008 bis 2010 gingenzahlreiche Vollzeitarbeitsplätze verlo-ren, während der Anteil der Teilzeitbe-schäftigten an den ArbeitnehmerInnennoch einmal deutlich stieg:•so nahm im Jahresdurchschnitt 2010bei den Erwerbstätigen insgesamt dieVollzeitbeschäftigung gegenüber 2009um 8.700 Personen ab, während die

Teilzeitbeschäftigung um 27.500 Per-sonen anstieg.•Bei den unselbständig Erwerbstäti-gen nahm die Zahl der Teilzeitbeschäf-tigten von 2008 auf 2009 um 46.900Personen, von 2009 auf 2010 um15.900 Personen zu. Insgesamt stiegder Anteil der Teilzeit-Beschäftigtenvon 23,2 Prozent (2008) auf 25 Pro-zent (2010) aller unselbständigBeschäftigten (882.100 Personen,davon 746.400 Frauen, das sind84,6 Prozent).•In den selben Zeiträumen ging dieZahl der vollzeit beschäftigten Arbei-terInnen und Angestellten von 2008auf 2009 um fast 42.000 Personen,von 2009 auf 2010 noch einmal um15.300 Personen zurück.

ÜBER- UND MEHRSTUNDENBLEIBEN HOCHWurden auch Vollzeitarbeitsplätze im

Zuge der Krise – inwieweit dieserAbbau tatsächlich unmittelbar Folgeder Krise war oder die Krise nicht alswillkommener Anlass herangezogenwurde, um den Beschäftigungsstandentsprechend herunterzufahren, istumstritten – abgebaut, blieb die Zahlder geleisteten Über- und Mehrstun-den selbst in Krisenzeiten verhältnis-mäßig hoch:•Lag die Zahl der regelmäßigÜber(Mehr-)stundenleistenden 2008mit knapp 800.000 ArbeitnehmerIn-nen bei 23,1 Prozent aller Unselbstän-digen, ging diese Zahl 2009 auf731.900 (21,1 Prozent), 2010 nur leichtauf 731.400 (21,1 Prozent) zurück.•Im Krisenjahr 2009 erbrachten dabei254.000 ArbeitnehmerInnen Über-stunden im Ausmaß von über 10 Stun-den/Woche. Interessanterweise ging

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diese Zahl ausgerechnet 2010, im Jahrder wirtschaftlichen „Erholung“ aufknapp 242.000 zurück. •2008 wurden noch von jedem/rArbeitnehmerIn durchschnittlich (unab-hängig davon, ob diese/r tatsächlichÜber(Mehr)stunden erbrachte odernicht) 2 Über(Mehr)stunden wöchent-lich geleistet, 2009 und 2010 dagegen„nur“ noch 1,7 Wochenstunden.

Ziemlich konstant blieb dabei aller-dings die Anzahl durchschnittlicherbrachter Über(Mehr)stunden jenerArbeitnehmerInnen, die tatsächlichÜber(Mehr)stunden leisteten:•Erbrachte diese ArbeitnehmerInnen-gruppe 2008 durchschnittlich 8,5Über(Mehr)stunden/wöchentlich, gingdiese Zahl 2009 nur geringfügig auf8,2 Stunden zurück und blieb mit 8,1Stunden 2010 annähernd stabil.•Interessant die Entwicklung derbezahlten beziehungsweise als Freizeitabgegoltenen Überstunden (vieleÜberstunden werden ja tatsächlichunentgeltlich erbracht!): Diese stiegengeringfügig von 6 Stunden 2008 auf6,2 Stunden 2009 und 2010. Interes-

sant allerdings, dass 2008 ein Viertelaller Über(Mehr)Stunden ohne entspre-chende Bezahlung blieben!

ARBEITSZEITEN: ÖSTERREICHBLEIBT TRAURIGE EU-SPITZE Festgehalten werden kann jedenfalls:

Lagen die Arbeitszeiten österreichi-scher ArbeitnehmerInnen schon vor derKrise im europäischen Spitzenfeld –Österreich belegte regelmäßig hinterGroßbritannien Platz 2, was die Längeder Arbeitszeiten betraf – hat sich dasauch in Zeiten der Krise und danachkaum geändert.•Lagen die durchschnittlichen Arbeits-zeiten vollzeit beschäftigter Arbeitneh-merInnen in der EU-27 im Krisenjahr2009 bei durchschnittlich 40,4Wochenstunden (Männer: 41,2, Frauen39,3) und weichen die von eurostatveröffentlichten Zahlen auch knappvon jenen der Statistik Austria ab:Österreichs ArbeitnehmerInnen arbei-ten deutlich länger als der EU-Schnitt.Nach eurostat arbeiteten Vollzeitbeschäftigte ÖsterreicherInnen 42,1

Wochenstunden, Männer dabei 42,7,Frauen 41 Wochenstunden. Das ist ein-mal mehr Platz 2 hinter Großbritan-nien. (Quelle: eurostat, EuropeanUnion Labour Force Survey – Annualresults 2009)•Und 2010 schaut's auch nichtwesentlich anders aus: EU-27, 40,4Wochenstunden (Männer: 41,1,Frauen: 39,3), Österreich 42 Stun-den/Woche (Männer: 42,5, Frauen40,9). Wiederum: Platz 2 hinter Groß-britannien. (Quelle: eurostat, Euro-pean Union Labour Force Survey –Annual results 2010)

Lange, ausufernde Arbeitszeitengehen auf Kosten von Gesundheit, Frei-zeit, Erholung, soziale Kontakte undBeschäftigung. Lange Arbeitszeitengehen zu Lasten von Lebensqualität,sie „rauben“ regelrecht Leben.

Arbeitszeitverkürzung erkämpft nichtnur Zeit für „Leben“, Erholung, sozialeKontakte zurück, sonder stellt auch diegerechtere Verteilung von bezahlterund unbezahlter Arbeit, von Einkom-men, Wohlstand, Chancen und gesell-schaftlicher Teilhabe sicher.

In diesem Sinne muss der Kampf umeine umfassende Arbeitszeitverkürzungganz oben auf der politischen Agendader Gewerkschaften bleiben.

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WUNDER MÖGLICH?Auch sehr viele Seiten voll mit Jubelmeldungen können nicht

darüber hinwegtäuschen: im Wiener Gesundheitswesen kracht es im Gebälk.

Von Lisa Langbein.

Die Arbeitsbedingungen werden immer schlechter, gespart wird an allen Ecken, besonders amPersonal. Letztens gabs schon Sparaufträge und munter geht's weiter. Heuer gibt es gar keineRemunerationen, es wird kein Personal aufgenommen und Pensionierungen werden nicht nachbesetzt. Die Schrauben werden angezogen, bis überhaupt niemand mehr Luft bekommt. Undhartnäckig hält sich das Gerücht, der KAV hätte eine Milliarde verzockt.Da wird es offenbar langsam sogar der sonst so ruhigen GdG-KMSfB zu viel. Sie fordert auf, zuprotestieren! An uns solls nicht liegen, wir wünschen uns allen viel Kraft.

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Die GdG-KMSfB im KAV:Wir fordern von der Politik und der Unternehmungsführungdes Wiener KAV den sofortigen STOPP weiterer Einsparungenbeim Personal im Gesundheitsbereich.

Wir brauchen vor allem

… eine Verringerung des Arbeitsdrucks… ausreichend qualifiziertes Personal… eine bessere Organisation der Arbeitsabläufe… verlässlich planbare Freizeit für die Mitarbeiterinnen und

Mitarbeiter… eine professionelle Personalentwicklung… eine umfassende betriebliche Gesundheitsförderung… eine leistungsgerechte Entlohnung der Beschäftigten… alternsgerechte Arbeitsplätze… und den Abbau der „Dokumentationsflut“.

Gemeinsam werden wir jetzt aktiv für bessere Arbeitsbedin-gungen im Gesundheitssystem.Für bessere Patientenversorgung. Für ein gesundes Wien.

Zeit für MenschlichkeitAm 14. September 2011 startet unsere gemeinsame Kampagne.

Treffpunkt

Großer Saal der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten (GdG-KMSfB) Maria-Theresien-Straße 11, 1090 Wien.Uhrzeit:18.30 Uhr.

Am 14. September zeigen wir der Wiener Stadtpolitik:

Wir lassen uns das Kaputtsparen nicht länger gefallen!Wir kämpfen gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen imGesundheitsbereich!Wir werden gemeinsam aktiv! Es ist Zeit für Menschlichkeit.

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Das „Griechenlandpaket“, die private Gläubigerbeteiligung, warum es ohne Vermögenssteuern nicht geht und gerade jetzt Grüne und SPÖ gefordert wären.

Von Markus Koza.

DER GROSSE BLUFF

Rund ein Monat ist es nun her, dass derEuro-Gipfel tagte und ein umfassendesGriechenlandpaket beschlossen wurde.So manch/e optimistische/r, politi-sche/r BeobachterIn sah sogar erste,wenn auch zaghafte Schritte in Rich-tung von Euro-Bonds und eines euro-päischen Währungsfonds gesetzt. Undtatsächlich: die Diskussion rund umniedrig verzinste Europa-Anleihen, wel-che eine besonders wirksame Maß-nahme gegen Spekulationswellengegen verschuldete Mitgliedsstaatendarstellen würden, wird ernsthaft wienie geführt. Euro-Bonds sollen in die-sem Beitrag allerdings nicht dasThema sein.

Gefeiert wurde im Rahmen desEuro-Gipfels nämlich ganz besondersder Durchbruch bei der „privaten Gläu-bigerbeteiligung“. Banken, Versicherun-gen und Fonds – sollen – wenn auchfreiwillig – einen entsprechenden Bei-trag zur „Entschuldung“ Griechenlandsleisten: Auf insgesamt 50 MilliardenEuro – bis zum Jahr 2014 37 Milliar-den Euro – soll sich der Beitrag des pri-vaten Sektors belaufen. Das träfe sie„hart“, die Branche, meinte JosefAckermann, Vorstandschef der Deut-schen Bank und im Rahmen des Euro-Gipfels „Verhandler“ und Chef-Lobbyistdes Bankenverbandes IIF („The Insituteof International Finance“). Auf 21 Pro-zent beläuft sich schließlich derAbschlag auf griechische Staatsanlei-hen, so Ackermann, welche die Finanz-institute zu tragen hätten.

Tatsächlich dürfte sich die „Härte“für die privaten Gläubiger allerdingsdoch deutlich in Grenzen halten. Voneinem „großen Bluff“ spricht garJens Berger, auf den weithin aner-kannten, kritischen NachDenkSeiten:

von einer Beteiligung des privatenSektors, welche diesen Namen auchverdient, könne nämlich „überhauptkeine Rede“ sein .

PRIVATE GLÄUBIGER-BETEILIGUNG À LA EUROGIPFELWarum? In den Bilanzen der Finanz-

institute stünden typischerweise grie-chische Staatsanleihen, ausgegeben2007, mit zehnjähriger Laufzeit undeiner Verzinsung von 4,3 Prozent, soBerger. Vor Beginn des Euro-Gipfelswurden diese Anleihen am Markt für46,10 Euro gehandelt, ihr „Marktwert“belief sich also auf knapp 46 Prozentdes „Nennwertes“. Wer zu diesem Zeit-punkt eine Anleihe erwarb, konnte miteiner Rendite (d.i. der Gesamtertragaus einer Investition, ausgedrückt inProzent) von rund 20 Prozent rechnen,während sich für diejenigen, welchedieses Papier schon länger halten, anderen Rendite faktisch nichts ändert.

Im Rahmen der vereinbarten „priva-ten Gläubigerbeteiligung“ können nunzum Beispiel Banken aus vier Möglich-keiten wählen, um sich von risikobe-hafteten griechischen Staatsanleihenzu trennen:1. Sie können griechische Anleihensofort zum Nennwert 1:1 gegen eineAnleihe des EFSF (also des „Rettungs-schirms“) mit AAA-Rating, einer 30jäh-rigen Laufzeit und einer durchschnittli-chen Verzinsung von 4,5 Prozent tau-schen.2. Sie können den 1:1 Austausch aucherst nach Fälligkeit der Griechenland-Anleihe durchführen, ebenfalls gegeneine EFSF-Anleihe mit 30 Jahren Lauf-zeit, AAA-geratet, verzinst mit durch-schnittlich 4,5 Prozent.

3. Oder durch einen Anleihen-Aus-tausch Griechenland-Anleihe gegenEFSF-Anleihe mit einem Abschlag von20 Prozent vom Barwert der Griechen-land-Anleihe. Laufzeit EFSF-Anleihewie gehabt 30 Jahre, AAA-Rating,allerdings mit einer Verzinsung vondurchschnittlich 6,42 Prozent!4. Und schließlich: Austausch miteinem Abschlag von 20 Prozent in eine15jährige EFSF-Anleihe mit AAA-Rating und einer durchschnittlichenVerzinsung von 5,9 Prozent.

Betrachtet mensch die ersten beidenMöglichkeiten, „fragt man sich unwill-kürlich“, so der Autor „… worin dennnun eigentliche die Beteiligung desprivaten Sektors besteht“. Die Verzin-sung von 4,5 Prozent entsprächeschließlich ziemlich exakt jener dergriechischen Staatsanleihen und lägesogar um Ein- Prozent-Punkt über jenerder ebenfalls AAA-gerateten deut-schen Bundesanleihen.

Bei den Möglichkeiten 3 und 4 fin-det zwar tatsächlich ein Abschlag vonzwanzig Prozent statt, „… dafür erhältder Investor jedoch eine erstklassigeRendite von 5,9 Prozent beziehungs-weise 6,42 Prozent die den Abschlagwieder wettmacht.“ Und: „Natürlichdürfen sich die Banken selbst aussu-chen, welches dieser großzügigenAngebote sie bevorzugen.“

WIE AUS 21 % ABSCHLAG EINGUTES GESCHÄFT WIRDWie kommt Herr Ackermann nun auf

die 21 Prozent Abschreibung, die derFinanzsektor angeblich vornehmenmuss? In den Fällen 1 und 2, weil es

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sich bei der getauschten EFSF-Anleiheum eine sogenannte „Nullkuponan-leihe“ handelt. Soll heißen: Den Nenn-wert der Anleihe (dieser beläuft sich inder Regel auf 100 Euro) bekommt dieBank erst nach 30 Jahren Laufzeit aus-gezahlt. Das heißt: über 30 Jahre hin-weg wird eine Anleihe mit 4,5 Prozentverzinst, verzinseszinst etc. bis ein Wertvon 100 erreicht wird. Die Bank erwirbtdiese Anleihe zum Zeitpunkt des Tau-sches also tatsächlich „abgezinst“. Bei30 Jahren zu 4,5 Prozent entsprichtdieser vom Nennwert 100 „abgezinste“Wert ca. 25 Prozent des Nennwertes.Da der Marktpreis einer typischen Grie-chenlandanleihe derzeit bei knapp 46Euro liegt – also bei 46 Prozent desNennwertes – und der Wert einer EFSF(„Rettungschirm“)-Anleihe bei Zeit-punkt des Tausches bei 25 Euro –beziehungsweise 25 Prozent des Nenn-wertes – ergibt sich mit dem Tauschein Abschlag von 21 Prozent (46 Pro-zent minus 25 Prozent).

Allerdings: nicht nur, dass die Ban-ken dafür zu einem erstklassig verzins-ten, AAA-gerateten, „sicheren“ Papierkommen. Denn während der öffentli-che Sektor die Zinsen für Hilfskrediteauf 3,5 Prozent gesenkt hat, konnteder private Sektor Zinssenkungenerfolgreich abwehren. Zusätzlich gilt:Werden die EFSF-Anleihen über dreißigJahre gehalten, wird der volle Nenn-wert von Hundert abgegolten! Die„private Gläubigerbeteiligung“ in Formvon „Abschlägen“ gibt es also nur zeit-lich befristet. Dazu: Keinerlei Zinsver-luste für den Gläubiger. Kein schlech-tes Geschäft.

Bei den Fällen 3 und 4 stellt es sichvom Prinzip her nur unwesentlichanders dar. In diesen Fällen müssenzwar zwanzig Prozent des Barwertes(der abgezinste Gegenwartswertzukünftiger Zahlungen) abgeschriebenwerden, dafür werden allerdings Zinsenkassiert, die weit über jenen grie-chischer Staatsanleihen, geschweigedenn deutscher Bundesanleihen liegenund die tatsächliche Abwertung schonmittelfristig weit unter 21 Prozent drü-cken! Berger führt ein Beispiel an:

„Die eingangs genannte Anleihe(typisch griechische Staatsanleihe, aus-gegeben 2007, Laufzeit 10 Jahre, 4,3Prozent Zinsen, Anm.) … hat heuteeinen Barwert von 75,86 Euro. Wenneine Bank diese Anleihe mit zwanzig

Prozent Abschlag in eine EFSF-Anleiheumtauschen würde, hätte dieseAnleihe dank der großzügigen Verzin-sung von 6,4 Prozent im Jahr 2017(Laufzeitende und Fälligstellung der2007 ausgegebenen Anleihe, Anm.)einen Barwert von 88,15 Euro.

Bei sehr großzügiger Deutungergäbe sich somit ein Abschlag von11,85 Prozent, der jedoch dadurch aus-geglichen wird, dass diese Anleihenoch bis zum Jahr 2041 (also weitere24 Jahre!, Anm.) mit stolzen 6,42 Pro-zent bedient wird.“

„ETIKETTENSCHWINDEL“ „Ackermanns Deal ist ein Hauptge-

winn für die Banken“ so Berger. Grie-chenland-Anleihen, die am Markt nochmit einem Abschlag von rund 40 Pro-zent gehandelt wurden (der Sachver-ständigenrat der deutschen Bundesre-gierung forderte im Rahmen einer pri-vaten Gläubigerbeteiligung sogareinen Abschlag von 50 Prozent ) wer-den nun lediglich mit einem Abschlagvon 21 Prozent bedacht.

Und: Mögen die 37 Milliarden Euro,welche Banken, Versicherungen u.a. an„privater Gläubigerbeteiligung“ bis2014 in Form von Abschlägen aufbrin-gen sollen, auf dem ersten Blick auchbeeindruckend wirken – der Beitragrelativiert sich hinsichtlich der Höhebei mittel- bis langfristiger Betrach-tung: Die Abschläge dürften Dankgroßzügiger Zinsen – siehe oben –deutlich unter 21 Prozent zu liegenkommen – wenn nicht sogar wettge-macht werden.

Sven Giegold, Finanzexperte der Grü-nen im EU-Parlament spricht entspre-chend von einem „Etikettenschwindel“:Was von den 17 Staats- und Regie-rungschefs als großer Durchbruch beider Beteiligung privater Gläubiger ver-kauft würde, sei für diese tatsächlichein „Risikominimierungs“-Paket. Wäh-rend die Euro-Regierungen die Zinsenfür Hilfskredite an Griechenland u.a.auf – bereits erwähnte – 3,5 Prozentsenkten, liegen jene der Banken undprivaten Gläubiger bei hohen 4,5 bis6,42 Prozent. „Rechnet man die Optio-nen des Weltbankenverbandes durch,“so Giegold, „läuft das Ganze nicht aufeine Beteiligung, sondern sogar nochauf eine zusätzliche Begünstigung desPrivatsektors hinaus.“

Dass die Abschreibungen den Ban-kensektor nicht allzu „hart“ treffendürften, berichtet auch die konserva-tive deutsche FAZ: „Geringe Belastungder deutschen Banken“ ist dieser über-titelt. Tatsächlich belaufen sich – sodie FAZ – die Abschläge von 21 Pro-zent, welche für griechische Staatsan-leihen zu leisten wären, für die deut-sche Bankenlandschaft auf rund eineMilliarden Euro.

Etwas stärker betroffen ist Frank-reich, beziehungsweise die französi-schen Banken mit rund 1,5 Milliarden.Deutlich stärker trifft es griechischeBanken, deren Einbußen belaufen sichauf rund 10 Milliarden Euro. Der Groß-teil griechischer Staatsanleihen befin-det sich ohnehin bereits bei der Euro-päischen Zentralbank – im Ausmaßvon 45 Milliarden Euro. Die FinancalTimes Deutschland titelt jedenfalls ent-sprechend „Banken und Versicherun-gen: Jammern ohne Grund“ und siehtdiese keineswegs bei den Verlierern derGriechenlandeinigung.

Zusammenfassend bewertet Bergerdie Einigung am Eurogipfel jedenfallsnicht als Beteiligung des Privatsektors,sondern als „Bailout“ – also alsSchuldübernahme durch Dritte, in die-sem Fall durch den aus öffentlichenGeldern – also Steuern – gespeistenEurorettungsschirm – „erster Güte“:

„Überflüssig zu erwähnen, dass dieZeche einmal mehr der Steuerzahlerzahlen muss. Im Jahre 2041, wenn dieESFS-Anleihen auslaufen, werden dieVerantwortlichen jedoch bereits imRuhestand sein. Die Rechnung für die‚Beteiligung des Privatsektors’ wird dienächste Generation zu tragen haben.“

„TAX THE RICH“ STATTGLÄUBIGERBETEILIGUNGFür Bruno Rossmann, ehemals Grü-

ner Budgetsprecher im Nationalrat undeiner der BudgetexpertInnen der AK,ist es überhaupt fraglich, ob „aufgrundder freiwilligen Teilnahme … diegenannten Volumina erreicht werdenkönnen.“ Rossmann fordert daher „wei-tere Schritte zur Beteiligung privaterGläubiger“ durch „eine Ausweitung dereuropaweiten Besteuerung von Vermö-gen“, die zusätzlich den positivenEffekt haben würde, dass „das reichlichvorhandene 'Spielkapital ' vom Marktabgezogen“ würde.

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In die gleiche Richtung stößt auchSven Giegold, Grüner Finanzsprecherim EU-Parlament, wenn er die „Forde-rung … nach Gläubigerbeteiligung“zwar als grundsätzlich richtig einstuft,die Tatsache, dass „ … viele Risken derGriechischen Staatsanleihen längstdirekt und indirekt in öffentlicherHand“ seien, allerdings den Schlusszulässt, „… dass eine faire Beteiligungdes Privatsektors durch Gläubigerbetei-ligung allein nicht mehr möglich ist.“Notwendig sei vielmehr „ … ein Lasten-ausgleich durch eine europäisch koor-dinierte Vermögensabgabe.“ Außerdemmüssten „Finanztransaktionen undKapitaleinkommen in Europa durchEU-Steuerkooperation effektiv besteu-ert werden.“

Und auch Markus Marterbauer,WIFO-Ökonom und Konjunkturexpertefordert im STANDARD-Chat , dass „…der Finanzsektor, der die Krise wesent-lich mit verursacht und auch von denöffentlichen Bankenrettungen „in gro-ßem Stil“ profitiert habe, … zur Finan-zierung der Kosten herangezogen wer-den …“ müsse. Dazu schlägt Marter-bauer „ … die Einführung einer EU-Bankenabgabe, eine Finanztransakti-onssteuer oder auch eine EU-weitkoordinierte Anhebung von Vermö-genssteuern vor.“

ZUSTIMMUNG ZUM ESM ANVERMÖGENSSTEUERN KNÜPFENDas Österreichische Parlament und

hier insbesondere die Grünen sowie derlinke SPÖ-Flügel hätten durchaus dieMöglichkeit, zumindest in Österreicheinen Schritt in diese Richtung zu set-zen: Damit der Europäische Stabilitäts-mechanismus – der permanent einge-richtete „Euro-Rettungsschirm“ –umgesetzt werden kann, braucht eseine EU-Vertragsänderung – und dieseeine Zwei-Drittel-Mehrheit im österrei-chischen Parlament. Es wäre nur nahe-liegend, die Zustimmung an eine ver-pflichtende „private Gläubigerbeteili-gung“ – über vermögensbezogeneSteuern – zu binden. Vorerst einmal inÖsterreich, denn hier gibt es seitensder Nationalratsabgeordneten direkte,unmittelbare Möglichkeiten zur Umset-zung und direkter und inhaltlicherBeteiligung auch der grünen Opposi-tion – denn ohne die ist eine Zwei-Drit-tel-Mehrheit nicht möglich. FPÖ und

BZÖ verweigern jegliche Zustimmungund haben sich damit ohnedies ausdem Spiel genommen.

Die Möglichkeit der unmittelbaren,direkten Mitgestaltungsmöglichkeiten,also tatsächlich entscheidender Playerzu sein, macht die Variante eines Junk-tims: Zustimmung zu ESM bei Einfüh-rung von Vermögenssteuern, so attrak-tiv. Was bislang von den Grünen alsBedingung zur Zustimmung gefordertwurde – Euro-Bonds, eine verpflich-tende Gläubigerbeteiligung, einegeordnete Insolvenz für Staaten –macht sie jedenfalls nicht zu Playern,zu Mitgestaltern.

Die Verantwortung, die Umsetzung,wird an Ebenen delegiert, die sie nichtbeeinflussen können, wo sie nichtunmittelbar mitgestalten. Und: Es sindallesamt Forderungen, die schwer kom-munizierbar sind.

Bei Reichensteuern gestaltet sich dieKommunikation dagegen recht ein-fach: Für die Kosten der Krise sollendie aufkommen, welche sie verursachthaben. „Tax the Rich“ – die Reichensollen zahlen.

Bislang wurde diese einmalige Mög-lichkeit, dieses historische Fenster zurDurchsetzung von mehr Steuergerech-tigkeit und des Verursacherprinzips,weder von Grünen noch von SPÖ ent-sprechend erkannt. Ist es Feigheit?Angst vor der eigenen Courage? Igno-ranz? Oder nehmen Grüne wie SPÖselbst nicht ernst, was sie sonst inSonntagsreden so lautstark fordern?

Noch ist es nicht zu spät. DieBeschlussfassung steht erst bevor. Esliegt an Rot. Es liegt an Grün. Es liegtihn ihrer Verantwortung.

Linktipps: www.nachdenkseiten.de. Links zuTextquellen auf: www.diealternative.org/ver-teilungsgerechtigkeit, Beitrag „Private Gläu-bigerbeteiligung“ … Welche „private Gläubi-gerbeteiligung“.

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ug-oegb.at

auge.or.at

kiv.at

ugoed.at

ug-vida.at

we4you-ug.at

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Eine Internetplattform hat sich die Aufgabe gestellt, die rechtsextremen Umtriebe der FPÖaufzudecken. Eine Artikelserie unter der Überschrift „Politik gegen die Menschen“ setzt sich dabei

mit der „Sozialpolitik“ der selbst ernannten „Sozialen Heimatpartei“ auseinander.

„STOPPT DIE RECHTEN“

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ines ist die Sozialpolitik der FPÖ mitSicherheit nicht: sozial. Sie ist vielmehrgegen ArbeitnehmerInnen und ihreRechte, gegen Arbeitslose und Sozial-staatlichkeit gerichtet. Und das nichteinmal versteckt – sondern ganz offen.Beiträge aus „Stoppt die Rechten“ bele-gen das einmal mehr eindrucksvoll.

„GASTARBEITER“ PRÜGELN UNDALLE TREFFEN …*)

Beitrag vom 10. Mai 2011

„Wir müssen umdenken!“, forderteFPÖ-Obmann Strache am 6. Juni 2007.„Die FPÖ sagt, dass der Sozialstaat inerster Linie nur für Staatsbürger da zusein hat - der Sozialstaat ist sonstgefährdet! … Wir wollen eine Gastar-beiter-Sozialversicherung, … eine medi-zinische Grundversorgung …, aber nichtso, … dass jeder Zuwanderer ab demersten Tag ein Recht auf eine Gemein-dewohnung haben soll, auf alle sozia-len Sonderleistungen, und ebenAnspruch auf alles, was eigentlichStaatsbürgern zustehen sollte.“

Am 15. Oktober 2009 legte die FPÖin einer dringlichen Anfrage zumThema „Armut“ wieder einmal nach:„Großzügige Familientransfers, de factobeitragsfreie bzw. hoch subventionierteVersicherung im öffentlichen Gesund-heits- und Pensionssystem, niedrigeoder keine Steuern für geringe Einkom-men und ein dichtes Netz von Sozial-leistungen, … stehen Steuern undAbgaben in unerträglicher Rekordhöhegegenüber. Eine Zuwanderung, dieeinen hohen Anteil an unproduktivenFamilienmitgliedern beinhaltet, istvolkswirtschaftlich von Nachteil undbelastet unsere Sozialsysteme…“

Und FPÖ-Obmann Strache führtedazu aus: „Es kann doch nicht so sein,

… dass soziale Sonderleistungen wiesoziale Wohnungen, Familienbeihilfeoder das Kindergeld von jedem, der zuuns kommt, quasi ab dem ersten Tag inAnspruch genommen werden können.“

Nun,… Die Behauptungen der FPÖsind zuerst einmal falsch: Kein Menschkann nach Österreich kommen undsofort Sozialleistungen, Kinderbeihilfeoder eine Wohnung bekommen. Eroder sie muss zuerst arbeiten und Sozi-alversicherungsbeiträge wie auch Steu-ern zahlen. Und: „AusländerInnen“ zah-len in Österreich weit mehr an Sozial-versicherungsbeiträgen, als sie ausdem System erhalten, wie das Sozialmi-nisterium errechnete. Sie bekommengerade einmal 60% ihrer Beiträge alsLeistungen ausbezahlt.

Warum das ist und auch gar nichtanders sein kann, ist leicht erklärt: Diefür den Sozialstaat „teuersten“ Phasenim Leben eines Menschen sind dieKindheitsjahre sowie das hohe Alter.Zumindest eine dieser Phasen verbringtein großer Teil der „AusländerInnen“aber nicht in Österreich.

Kurz: Die Umsetzung des FPÖ-Plans,eine eigene „Gastarbeitversicherung“zu schaffen, würde alle Menschen inÖsterreich treffen, weil dann eineganze Gruppe von NettozahlerInnennicht mehr ins System einzahlt. Einechter Knieschuss…

Es gäbe aber auch noch weitereAbsurditäten: Im Sozialsystem nachWunsch der FPÖ müssten „Auslände-rInnen“ niedrigere Beiträge zahlen,weil sie für die selben Beiträge ja nichtnur mit einer unzureichenden „Grund-versorgung“ abgespeist werden kön-nen (so ist das halt mit dem „Gleich-heitsgrundsatz“). Folge: Arbeitskräfteohne österreichische Staatsbürger-schaft wären für Betriebe weit billiger

als solche mit österreichischer Staats-bürgerschaft.

Ein Beispiel: Wenn etwa „Ausländer-Innen“ keine Familienbeihilfe etc.bekommen sollen (wie es die FPÖwünscht), dann kann für „AusländerIn-nen“ auch kein Beitrag zum Familien-lastenausgleichsfonds (aus dem Famili-enbeihilfe, Schulbücher oder das Kin-derbetreuungsgeld bezahlt werden)verlangt werden. Sie kämen Betriebenalso um 4,5 % billiger als „österrei-chische“ ArbeitnehmerInnen.

Der Vorschlag der FPÖ hat somit dielogische Konsequenz, dass „Auslände-rInnen“ leichter zu Jobs kämen als„InländerInnen“. Kaum vorstellbar,dass gerade die FPÖ das so will, oder?Oder doch?

Vielleicht ja doch. Denn in der zitier-ten Anfrage macht die FPÖ deutlich,was ihr eigentliches Ziel ist: Den Sozial-staat abzubauen, um die „unerträgli-che Rekordhöhe“ an Steuern undAbgaben zu senken. Und, wie bereitsdargestellt, führt die von der FPÖ vor-geschlagene „Gastarbeitersozialversi-cherung“ dazu, dass weniger Geld für„NichtgastarbeiterInnen“ zur Verfü-gung steht und somit Steuern undAbgaben erhöht werden müssten …oder das Sozialsystem für alle ver-schlechtert werden muss, um Steuernund Abgaben zu senken. Und das gehtnur, wenn Österreich die solidarischeFinanzierung des Sozialsystems auf-gibt: Wenn jeder nur mehr dasbekommt, was er oder sie einbezahlt.Und genau das könnte es sein, was dieFPÖ will (und dazu den Umweg überrassistische Hetze gegen „Gastarbeite-rInnen“ wählt, der noch dazu so wun-derbar ihre WählerInnen mobilisiert).

Das österreichische Sozialsystembaut nämlich im Kern darauf auf, dass

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jeder Mensch nach seinen Möglichkei-ten in das System einbezahlt und dafürbei Bedarf das Notwendige aus demSystem herausbekommt.

Etwas vereinfacht und ungenau for-muliert: Wer heute weniger als das„Median der beitragspflichtigen Ein-kommen“, das waren 2009 1884 Eurobrutto im Monat, verdient, hat mögli-

cherweise weniger ins Sozialsystemeinbezahlt, als er/sie herausbekom-men hat. Wer mehr verdient hat, magmehr ins System einbezahlt als heraus-bekommen haben. Logisch: Versichertezahlen Krankenversicherung, um ärztli-che Leistungen und Medikamente zuerhalten, wenn sie krank sind. Sie zah-len Arbeitslosenversicherungsbeiträge,

damit sie Arbeitslosengeld erhalten,wenn sie den Job verlieren. Wenn sieaber nicht krank oder arbeitslos wer-den, dann zahlen sie für etwas, das sienicht in Anspruch nehmen. Dafürerhalten andere Menschen, dieunglücklicherweise öfter krank sindoder den Job verlieren, das, was siezum Leben brauchen.

Und das will die FPÖ abschaffen:Zuerst für „AusländerInnen“, aber inder Folge zwangsläufig für alle.

Würde jeder Mensch wirklich nurdas herausbekommen, was er odersie einbezahlt hat, dann würdenMenschen mit niedrigen Einkommennicht vom Arzt behandelt werdenoder keine Medikamente bekommen,Krankheiten würden nicht oder nichtausreichend behandelt, unzurei-chende Pensionen zu Altersarmutund Arbeitslosigkeit zu Elend führen.

All das ist die Konsequenz derFPÖ-Forderung nach einer „Gastar-beiter-Sozialversicherung“, die erstkürzlich der FPÖ-Oberburschenschaf-ter der rechtsextremistischen „Olym-pia“ Martin Graf in einem Interviewmit der „Presse“ wiederholt hat (siesoll im Juni 2010 auf einem „Pro-grammparteitag“ ins Parteipro-gramm aufgenommen werden).

Die rassistische Hetze der FPÖgegen „AusländerInnen“, die - fal-sche - Behauptung, dass „Auslände-rInnen das österreichische Sozialsys-tem über Gebühr in Anspruch neh-men und die Forderung der FPÖ,eine „Gastarbeitersozialversiche-rung“ zu schaffen, um Steuern undAbgaben zu senken … diese Hetzefällt allen Menschen in Österreichauf den Kopf. Wer diese FPÖ-Forde-rung unterstützt und nicht zufälligMillionärIn ist, schießt sich inseigene Knie. Ärztlich behandelt wirddas Knie aber dann nicht mehr…

Mehr über die „Sozialpolitik“ derFPÖ unter www.stopptdierechten.atArtikelserie: „FPÖ: Politik gegenMenschen“

*) Kompletter Titel: „Politik gegen dieMenschen III: Die FPÖ im Kampf gegenden Sozialstaat“

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„Da können Königshofers ausgeschlos-sen werden so oft und so viel die Frei-heitlichen wollen: sie sind und bleibenwas sie immer waren: eine Rechtsaußen-partei, autoritär orientiert und schonimmer gegen die freien und unabhängi-gen Interessensvertretungen der Arbeit-nehmerInnen – die Gewerkschaften undihre Einrichtungen – gerichtet. Das warschon zu Haiders Zeiten so, das ist beiStrache und Dörfler nicht viel anders,“so Markus Koza, Vorsitzender der Unab-hängigen GewerkschafterInnen im ÖGBund Mitglied des ÖGB-Bundesvorstan-des zu FP-Dörflers Gewerkschafts-Auflö-sungs-Phantasien und der anschließen-den Aussendung des FP-Generals Kickl.

„Mit der Freiheitlichen Möchtegern-Gewerkschaft FGÖ gründete die FPÖunter Haider dermaleinst eine Gruppie-rung, welche Unternehmer als finan-zielle Förderer anschnorrte und alsGegenleistung wohlwollendes Verhaltenversprach.

Wir erinnern auch gerne an die Forde-rung einer Quasi-Notstandsgesetzge-bung seitens freiheitlicher Arbeitgeber-vertreter, welche die betriebliche Mitbe-stimmung, die Arbeitsverfassung undgrundlegende ArbeitnehmerInnenrechteaushebeln wollten.

Und wir erinnern auch an die ständi-gen Angriffe Freiheitlicher aller Coleurs– ob blau oder orange – auf die Arbei-terkammern. Denen wollten Freiheitli-che schon einmal die Beiträge massivkürzen, die Pflichtmitgliedschaftabschaffen und der AK auf gesetzli-chem Wege so ziemlich alle Kompeten-zen jenseits des Service entziehen, siealso politisch mundtot machen. Nun willder FPK-Landeshauptmann ausgerech-net den Verein ÖGB auflösen und alleKompetenzen quasi in jener AK übertra-gen, der er dann erstbester Möglichkeit

in trauter Gesellschaft mit dem restli-chen blauen Verein dann wohl diefinanzielle und rechtliche Grundlage fürihre politische Arbeit entziehen will. Dasist ArbeitnehmerInnenpolitik a la FPÖ.Die ständigen Angriffe auf freie, demo-kratische GewerkschafterInnen seitensder Rechtsaußenpartie sind nichtirgendwelche Ausrutscher, sondernhaben System, autoritär-rechtes System,das ArbeitnehmerInnen vollkommenentrechten und ‚entmachten' will, „ kri-tisieren die Unabhängigen Gewerk-schafterInnen im ÖGB scharf die Frei-heitlichen.

Rechte auf Versammlungs-, Organisa-tions- und Vereinsfreiheit sind zentraleBürgerInnenrechte und wesentlicheBestandteile jeder demokratischen Ver-fassung. Wie und ob sich Arbeitnehme-rInnen in freien, vom Staat unabhängi-gen Gewerkschaften organisieren kön-nen ist nicht zuletzt ein wesentlichesMaß beziehungsweise Ausdruck für diedemokratische Verfasstheit einer Gesell-schaft. Nur freie, demokratische und vonStaat und Parteien unabhängigeGewerkschaften stellen sicher, dass dieVertretung der Interessen der Arbeitneh-merInnen nicht von der Willkür irgend-welcher Parteien, und schon gar nichtirgendwelcher sich ‚freiheitlich ' gebär-dender Parteien abhängig sind.

„Aus gutem Grund waren und sindwir Unabhängigen GewerkschafterIn-nen im ÖGB nach wie vor gegen dieAnerkennung der Freiheitlichen Fraktionim ÖGB, weil sie nicht und nicht in derLage ist, sich von den gewerkschafts-und damit arbeitnehmerInnenfeindli-chen Positionen ihrer Mutterpartei FPÖ– die schlichtweg in der FP-Ideologiebegründet sind – klar und deutlich zudistanzieren,“ schließt Koza.

Unabhängige GewerkschafterInnen zu FP und Gewerkschaften:

„Rechtsaußen bleibt Rechtsaußen, autoritär bleibt autoritär, FP bleibt FP!“

Nichts Neues unter der Kärntner Sonne: Freiheitliche Politik warimmer schon gegen Gewerkschaften gerichtet

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Drei Jahrzehnte lang bestimmte das Grundprinzip des freien Hochschulzugangs die österreichische Bildungspolitik.

Von Renate Vodnek.

ZWISCHEN HUMBOLDTUND BOLOGNA

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ennoch war der Zugang zur Bildungunter den gesellschaftlichen Gruppennie gleich verteilt. In den letzten Jah-ren wurde Bildung immer mehr zurGrundlage der Verteilung von Lebens-chancen. Je höher die Bildung, umsogeringer ist das Risiko von Arbeitslosig-keit betroffen zu werden und destohöher ist das Einkommen. Der Zusam-menhang zwischen sozialer Herkunft,Bildungsinformationen, Bildungserfolgund erreichtem Bildungsgrad sindunumstritten.

In einem Interview mit der ZeitschriftKulturrisse erläutert der Bildungssozio-loge Ingolf Erler die Beziehung zwi-schen sozialer Herkunft und Bildungs-chancen: „Wenn in Österreich ein Kindgeboren wird, lassen sich dessen Bil-dungs- und Berufschancen mit einigenParametern gut abschätzen: Beruf, Bil-dung und Einkommen der Eltern,Geschlecht, Wohnort, ethnische bezie-hungsweise religiöse Zugehörigkeit.“ Inseinem Buch „Keine Chance für LisaSimpson?“ spricht er davon, dasssoziale Ungleichheit über das Bildungs-system reproduziert und manchmalsogar verstärkt wird. In der Studie „Bil-dung auf einen Blick“ der OECD zeigtsich, dass der Anteil von Kindern vonAkademikerInnen an den Studierendenauch in Österreich zweieinhalbmal sohoch ist, wie ihr Anteil an der Gesamt-bevölkerung. Damit liegt Österreich,was die sozialen Aufstiegschancen vonKindern betrifft, nach einer Studie derösterreichischen Nationalbank amdrittletzten Platz von 18 europäischen

Ländern und der USA. „Österreichbefindet sich damit unter jenen Län-dern Europas mit den höchsten Ein-kommensunterschieden und dergeringsten sozialen Durchlässigkeit desBildungssystems.“, wie Petra Völkerer,Bildungsökonomin der Wiener Arbei-terkammer, feststellt.

AUF DEM WEG RICHTUNG„WELTKLASSE UNI“?*)

Der Anteil der Studierenden aus bil-dungsfernen und einkommensschwa-chen Haushalten auf den Hochschulenhat sich trotz der Existenz der Fach-hochschulen in den letzten Jahrensogar verringert. Parallel dazu jagt(e)seit Mitte der 1980-er Jahre eine „Bil-dungsreform“ die nächste. Ingolf Erlerkritisiert die letzten Hochschulrefor-men, die Österreich laut Bundesminis-terin Elisabeth Gehrer zu einer „Welt-klasse Uni“ führen sollten: „Witzig amösterreichischen Modell der Umsetzungvon Bologna ist, dass die negativenSeiten von Bologna und die negativenSeiten der Ordinarienuniversität wirk-lich super gekoppelt wurden in einevöllig absurde Uni.“

Regelmäßig stehen Diskussionen umgenerelle Studiengebühren undZugangsbeschränkungen auf derTagesordnung. Aktuell gibt es einenVorstoß des Vizekanzlers Michael Spin-delegger (ÖVP) Richtung variabler Stu-diengebühren: für Studien mit „wahn-sinnig vielen Studierenden“ undschlechten Berufsaussichten höhere

Gebühren als für Studien mit Bedarf anAbsolventInnen. Rückendeckungkommt vom WissenschaftsministerKarlheinz Töchterle und dem von ihmbeauftragten „Uni-ExpertInnenrat“ –500 Euro Studiengebühren pro Semes-ter und Zugangsbeschränkungen beiMaster, Doktorat und überlaufenenBachelor-Studien, so die Empfehlung.Derzeit bestehen an fast der Hälfte derösterreichischen UniversitätenZugangsbeschrän-kungen. Begründetwurde deren Einfüh-rung 2005 miteinem Urteil desEuropäischenGerichtshofs (EuGh),um den „Massenan-sturm“ an deut-schen „NumerusClausus-Flüchtlin-gen“ zu verhindern.Seit Wintersemester2011/12 gibt esauch bei den Studienrichtungen ohneAufnahmeregelungen eine spezielleZugangsphase, die Studieneingangs-und Orientierungsphase (StEOP). Dadie Prüfungen dieser Phase nur einmalwiederholt werden dürfen, steigt derDruck. KritikerInnen äußern, dassdamit bildungsferne Schichten zusätz-lich benachteiligt werden.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die schonvor der Einführung von Zugangsbe-schränkungen niedrige AkademikerIn-nenquote: Laut der Studie „Educationat A Glance 2009“ lag 2007 der

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OECD-Durchschnitt bei 39 Prozent – inÖsterreich gab es nur 22 Prozent.Zusätzlich liegt Österreichs Anteil desHochschulbudgets mit 1,09 Prozent2004 weit unter dem OECD-Durch-schnitt von 2 Prozent des Bruttoin-landsprodukts (BIP).

ALTERNATIVEN?Für Sabine Oberhauser, Vizepräsiden-

tin des ÖGB, ist Bildung ein Grund-recht: „Es müssen jetzt Regelungengeschaffen werden, die allen jungenMenschen den Zugang zu Universitä-ten und Fachhochschulen ermöglichen,ohne finanzielle oder soziale Hürden.“Das beinhaltet die Anhebung desHochschulbudgets auf 2 Prozent, Opti-mierung der Beratungs- und Orientie-rungsangebote und einen chancenglei-cher Zugang ohne Studiengebührenoder Zugangsbeschränkungen. AuchIngolf Erler hat das Idealbild von einerUni, die „für jeden offen steht, der sichweiterbilden will – ohne Zugangsbe-schränkungen“.

*) Weltklasse Uni: den Begriff prägte die Wis-senschaftsministerin Elisabeth Gehrer fürihre Hochschulreform.

Literatur: Die Presse, 23.07.2011,S. 8Der Standard,24.08.2011, S. 1Eckl, Martha (2011).Vom Lehrling zum Mas-ter. In: Arbeit & Wirt-schaft 2/2011, S. 28-29Erler Ingolf (Hg.).(2007). Keine Chancefür Lisa Simpson? Man-delbaum Verlag.Erler, Ingolf (2011).InterviewGrüne Bildungswerk-

statt (Hg.) (1987). Unmut. Der Beginn einerProtestbewegungKulturrisse 2/2011. www.kulturrisse.atOberhauser, Sabine (2011). In://www.oegb.at/servlet/ContentServer?pagename=OEGBZ/Page/OEGBZ_Index&n=OEGBZ_1.a&cid=1309863383625; 30.07.2011OECD (2009). Education at A GlanceÖH (2006) 60 Jahre ÖH. Progress Sonder-nummer 2/2006-AVölkerer, Petra (2008). Reich bleibt meistreich. In: Arbeit & Wirtschaft 6/2008, S. 23www.gras.at/content/2011/03/08/sozial-politische-forderungen-der-gras; 24.07.2011

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Auszug aus den „Bildungsreformen“*)

der letzten 20 Jahre1987 Novellierung des Universitätsorganisationsgesetzes (UOG) – Teilrechtsfähigkeitder Universitäten (Absicherung von Drittmittelfinanzierung)1993 Novelle des Universitätsorganisationsgesetzes (UOG) – Einführung einer star-ken Führungsebene mit Entscheidungsgewalt (Rektor*in, Dekan*in, Instituts-vorstand*vorständin)1996Abschaffung der Freifahrt, Verschärfung der Richtlinien für den Bezug der Fami-lienbeihilfe und der Studienbeihilfe

1997 Universitätsstudiengesetz (UniStG) – Entwicklung neuer Studienpläne1999 Bologna Erklärung – Änderung Studienpläne (Bakkalaureat als Zwischenab-schluss)2001 Einführung von Studiengebühren (2009 durch Ausnahmeregelungen für diemeisten Studierenden ausgesetzt)2002 Novelle Universitätsgesetz (UG) – Abbau von Mitbestimmung der Universitäts-angehörigen, Entdemokratisierung in den inneruniversitären Leitungsorganen 2004 Novelle HochschülerInnenschaftsgesetz (HSG): Wahlrechtsreform – Einschrän-kung der Mitbestimmung von Studierenden durch Abschaffung der direktenWahl der Bundesvertretung und der Fakultätsvertretungen2005 Einführung von Zugangsbeschränkungen 2011 Herabsetzung Alter für Familienbeihilfe, Reduzierung Absetzmöglichkeit, Ein-führung neuer Studieneingangs- und Orientierungsphasen (StEOPs)

Quelle: Grüne Bildungswerkstatt (1987), ÖH (2006), http://www.gras.at/con-tent/2011/03/08/

*) Anmerkungen: Eine Reform wird laut Brockhaus definiert als „eine Umgestaltungoder Veränderung, man verbindet aber damit immer den Begriff dadurch beabsichtig-ter Verbesserungen“. Nachdem umstritten ist, ob die Änderungen im Bildungsbereich inden letzten 20 Jahren zu Verbesserungen geführt haben, ist der Begriff „Reform“ unterAnführungszeichen gesetzt.

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500 Euro im Semester, variabel oder doch lieber mit Zugangsbeschränkungen? Seit Jahrendreht sich die Diskussion um Bildungspolitik im Hochschulsektor im Kreis. Wir sprachen mit dem

Bildungssoziologen Ingolf Erler über die derzeitige Lage an Österreichs Universitäten.

SCHNELLER, BESCHRÄNKTER, ANWENDBARER:

DER NEUE WEG DERUNIVERSITÄTEN?

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Du hast Ende der 90-er Jahre ange-fangen zu studieren – wie habensich die Rahmenbedingungen imLaufe deines Studiums geändert?

Ingolf Erler: Es hat eine Beschleuni-gung, eine Verdichtung und eine Ver-schulung gegeben. Dabei ist immernoch der Glaube da, dass man vonmöglichst vielen Titeln profitierenkönnte.

Und dass man mit dem Studium inmöglichst kurzer Zeit fertig werdenmuss. Bildung soll also in erster Linieals ökonomische Investition gesehenwerden.

Wie stellt sich heute die Beziehungzwischen Hochschulen und Wirt-schaft dar?

Die Wirtschaft hat sich noch vorhundert Jahren nur peripher für dieSchule und die Universität interessiert.Jetzt ist es so, dass sich einerseits Uni-versitäten immer mehr als Wirtschafts-einrichtungen sehen, womit ein ganzanderes Paradigma verbunden ist. EinUnternehmen muss Produkte erzeu-gen, es geht mehr um das Output undweniger um eine Weiterentwicklung.Gleichzeitig werden die Universitätenausgehungert und müssen immermehr Kooperationen mit Unternehmeneingehen.

Andererseits wird versucht, die univer-sitäre Ausbildung stärker an Wirt-schaftserfordernisse anzukoppeln – unddie Wirtschaft versucht immer mehr, anden Universitäten Fuß zu fassen. Esgibt Unternehmen, die gründen ThinkTanks – wie Bertelsmann mit dem Zen-trum für Hochschulentwicklung (CHE*)– die zu einem maßgeblichen Faktor inder Bildungspolitik wurden.

Wie bewertest du die verstärkteAusrichtung auf die Wirtschaft?

Die Wirtschaft möchte natürlich inder ersten Linie Personal, das ganz spe-zifisch auf die unternehmerischenAnforderungen ausgebildet ist. Es istjedoch fraglich, ob es für die Lernendengut ist, wenn sich ihre Ausbildung aufeng gefasste Qualifikationenbeschränkt. Mittlerweile werden sogarLehrberufe von Unternehmen durchge-setzt – wie die Systemgastronomenoder Gartencenterkaufleute. WennUnternehmen bestimmen können, wieLehrpläne ausschauen, stellt sich dieFrage, wie weit Bildung neben reinerQualifikation bestehen kann.

Seit einigen Jahren wiederholensich die Diskussionen um (höhere)Studiengebühren und (neue)Zugangsbeschränkungen – welcheAuswirkungen haben diese?

Studiengebühren wirken sicher sozialabschreckend. Wenn ich in einer Fami-lie aufgewachsen bin, in der es nichtvon vornhinein vorgesehen war, dassich eines Tages studieren werde, dannist jede Art von Hürde oder Barriereeine weitere maßgebliche Barriere.Egal, ob das jetzt Studiengebührensind oder Zugangsbeschränkungenoder alleine der Diskurs, dass zu vieleLeute auf den Universitäten sind undes keinen entsprechenden Arbeitsmarktgäbe. Sinnvoll wäre eine Orientierungs-phase, wo Leute ein Semester allesbesuchen können, was sie interessiertund wo sie Informationen über die Stu-dien bekommen. Es würde auch Sinnmachen, nur wenige Bachelor-Ausbil-dungen anzubieten und erst im Mas-terstudium stärker zu differenzieren.

Wie schaut die ideale Universitätfür dich aus?

Mein Idealbild ist, dass die Universi-täten für jeden offen stehen, der sichweiterbilden will – ohne Zugangsbe-schränkungen. Universitäten müsstenauch der Gesellschaft das zurückge-ben, was sie von ihr bekommen – zumBeispiel durch Wissenstransfer. Beidesscheint unter den jetzigen Bedingun-gen ziemlich illusorisch.

Woher könnten die finanziellenMittel für deine ideale Universitätkommen?

Für öffentliche Finanzierungen wurdedas Steuersystem geschaffen. Der Staatmuss darauf achten, dass er Einkom-men dort generiert, wo viel da ist undes dort hingibt, wo wenig ist. Manmuss sich überlegen, wer diejenigenGruppen sind, die am meisten voneiner höheren Ausbildung profitieren,wie die Wirtschaft, und von diesenauch einen entsprechenden Beitrageinfordern. Es ist absurd, dass immerdie bestraft werden, die in Bildunginvestieren, obwohl das Lebenszeit kos-tet und andere davon profitieren, dasdie Leute gut ausgebildet sind.

*) Link zu CHE: http://de.wikipedia.org/wiki/Centrum_fuer_Hochschulentwicklung.

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„Ene mene muh und raus bist du …?“

Das Endlos-Thema Zugangsbeschränkungen und Studien-gebühren hat eine neue Dimension erhalten.

Der vom Wissenschaftsministerium beauftragten „Uni-Exper-tInnenrat“ empfiehlt den beschränkten Hochschulzugangnoch mehr zu beschränken: 500 Euro Studiengebühren proSemester und Zugangsbeschränkungen bei Master, Doktoratund überlaufenen Bachelor-Studien, so die Empfehlung.Applaus kommt wie üblich von Universitätskonferenz, Wirt-schaftskammer, ÖVP und BZÖ.

Der Rat besteht aus der BWL-Professorin Andrea Schenker-Wicki (Uni Zürich), dem Präsidenten der RektorenkonferenzAntonio Loprieno (Uni Basel) sowie dem Präsidenten derHochschule Ruhr-West, Eberhard Menzel. Der Bericht – vonExpert*innen aus Ländern mit (zumindest teilweisen)Zugangsbeschränkungen und Studiengebühren – ist zufälliggenau auf die Wünsche jener Menschen zugeschnitten, fürdie Bildung ein ökonomisches Gut darstellt. Dazu passt auch,dass die „wenig prüfungsaktiven“ Studierenden, die nureinen Tag in der Woche auf der Uni sind, im Bericht als

„äußerst problematisch“ gesehen werden – „Bummelstudie-rende“ eben. 2/3 aller Studierende müssen neben dem Stu-dium berufstätig sein? Mehr als die Hälfte der Studienabbre-cher*innen mussten das Studium wegen Unvereinbarkeitvon Studium und Beruf abbrechen? Egal!

Für Anhänger*innen eines freien Hochschulzugangs kanndie Ansage des Wissenschaftsministers Töchterle, dass derBericht „wertvolle Impulse für die laufenden Arbeiten amHochschulplan“ liefert, nur eine Drohung bedeuten. Durchdie neuen Vorschläge Richtung Zugangsbeschränkungenkann sich die Akademiker*innenquote nur in eine Richtungbewegen – nach unten. Dafür würde sich durch die Wieder-einführung genereller Studiengebühren und deren Erhöhungwenigstens der Hochschulbudget-Anteil am BIP erhöhen.Dementsprechend empört reagieren AK und ÖH. „Das ist einPlan mit dem uns die ÖVP direkt von einer Wirtschaftskrisein die Bildungskrise führt“, so der ÖH Generalsekretär PeterGrabuschnig.Der Standard, 24.08.2011, S. 1, 7, http://www.unibasel.ch,http://studi.kurier.at/news/2024-das-papier-nicht-wert.php

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Gut gelaunt gegen den Kapitalismus. Von Raul Zelik, Medellín.

SOZIALE REVOLTEN

D

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Magazin

ie gegenwärtigen sozialen Protestedeuten auf das Ende des heutigenKapitalismus hin. Das skandinavischeModell mit hohen Steuerabgaben wäreeine Alternative. Doch das Wachstums-modell als solches ist in der Krise.

Es scheint, als würde das in den Glo-balisierungsdiskursen der neunzigerJahre so häufig beschworene „globaleDorf“ doch noch Wirklichkeit werden.Die Fernsehberichte aus Griechenland,Italien, Ägypten oder Chile sahen sichin den vergangenen Monaten zum Ver-wechseln ähnlich: AufgebrachteJugendliche liefern sich Strassen-schlachten mit der Polizei, die Staats-macht geht mit enthemmter Gewaltgegen eine bislang als unpolitisch gel-tende Generation vor.

Und auch die neuen Aktionsformenweisen über Landesgrenzen hinwegüberraschende Gemeinsamkeiten auf:Nachdem man in Kairo die Diktaturvon Hosni Mubarak unter anderem miteiner Zeltstadt auf dem Tahrirplatz indie Knie gezwungen hatte, wurde auchin Barcelona, Madrid und Tel Aviv dassubversive Potenzial des Campierensim öffentlichen Raum entdeckt. Zehn-tausende kommen zusammen, um kon-zentriert und gut gelaunt über dieKrise des Kapitalismus zu diskutieren.Wer hätte das vor einem Jahr für mög-lich gehalten?

Es ist sicher richtig, dass sich die Pro-teste nicht einfach gleichsetzen lassen.Den Schülern und Studentinnen inChile geht es darum, die Regierung zuhöheren Ausgaben im Bildungswesenzu zwingen. Aufgrund der fast vollstän-digen Privatisierung der Universitäten

ist Jugendlichen aus der Unterschichtder Weg in die Hochschulen faktischverstellt. In Griechenland protes-tierenBeschäftigte, Arbeitslose undRentner-Innen seit mittlerweile übereinem Jahr gegen fallende Löhne, Ent-lassungswellen und die Kürzung vonSozialausgaben. Die spanische Bewe-gung 15-M verlangt eine Redemokrati-sierung der Gesellschaft – eine Forde-rung, die sie allerdings mit sozialenAnliegen verknüpft. In Italien wie-derum hatten Studentenunruhen imDezember vergangenen Jahres miteinem neuen Sparpaket der Berlusconi-Regierung zu tun. Und die Proteste inIsrael schliesslich, die Anfang August250 000 Menschen auf die Strassenbrachten, richten sich gegen die Ver-teuerung von Wohnraum und dieextreme soziale Polarisierung im Land.

KONSERVATIVE BESCHWÖRENLINKE IDEENTrotz aller Differenzen kann man

festhalten, dass es überall um Vertei-lungsfragen geht. Das stimmt auch fürÄgypten, wo die Demokratiebewegungals Sozialrevolte gegen Hungerlöhneund Arbeitslosigkeit entstand – und fürBritannien. Dass die Jugendlichen inLondon und Manchester ihre Energieüberwiegend darauf verwendeten,iPhones und andere Statussymbole desgehobenen Konsums zu erbeuten, undbei ihrem Aneignungsfeldzug vor allemgegen Menschen aus den eigenen Vier-teln vorgingen, mag einen deprimieren.Aber es ändert nichts daran: Auch beidieser Revolte ging es um gesellschaft-liche Teilhabe.

Obwohl die Arbeiterklasse tot ist undvon den Protestierenden in Kairo, Bar-celona, London, Santiago de Chile oderTel Aviv wohl kaum einer sein Handeln

als Ausdruck globaler Klassenkämpfebeschreiben würde, stellen die Protestein gewisser Hinsicht also doch genaudas dar. Der neoliberal artikulierte,finanzmarktgetriebene Kapitalismushat die sozialen Widersprüche in denvergangenen dreissig Jahren radikalverschärft. Das bleibt nicht längerohne Gegenreaktion.

Dass sich die Proteste jetzt häufen,hat natürlich mit der Schuldenkrise zutun. Es wäre zu erwarten gewesen,dass die Verteilungskonflikte – anstattmit den neoliberal umgebauten Staa-ten – direkt mit den Profiteuren, alsoden Vermögensbesitzenden, ausgetra-gen würden. Doch für massive Lohn-oder Mietkämpfe scheinen die Lebens-und Arbeitsverhältnisse zu fragmen-tiert: Outsourcing, Scheinselbstständig-keit und die Internationalisierung vonArbeitsprozessen haben die Konfliktli-nien verschwimmen lassen. So wird derStaat, der seit dem Banken- undFinanzcrash von 2008 mit immer grös-seren Haushaltsdefiziten zu tun hat,zum Adressaten des Protests.

Was werden die neu entstandenen,diffusen Gegenbewegungen in Gangsetzen? Anders als die vom Staats- undRevolutionsmarxismus geprägtenBewegungen des zwanzigsten Jahrhun-derts postulieren sie – jenseits ihrerradikaldemokratischen, solidarischenPraxis – kein Gegenprogramm. EineMachtoption sind sie nicht und wollenes auch nicht werden.

Nichtsdestotrotz ist ihre Wirkungschon jetzt enorm. Selbst überzeugtenKonservativen dämmert, dass die neoli-beralen Strategien zur Krisenbewälti-gung das Gefahrenszenario noch ver-schlimmert haben. In einem viel beach-teten Kommentar beklagte sich derehemalige Chefredaktor des britischen„Daily Telegraph“ Charles Moore – sei-

Raul Zelik ist Professor für Politik an derNationaluniversität Kolumbiens in Medellín.

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nes Zeichens ein treuer Anhänger derehemaligen Premierministerin Marga-ret Thatcher -, Banker und Medienba-rone hätten die westlichen Demokra-tien gekapert. Der Mitherausgeber der„Frankfurter Allgemeinen Zeitung“,Frank Schirrmacher, stiess dieser Tageins gleiche Horn: Man gewinne denEindruck, die existierende Demokratiediene nur noch den Interessen der öko-nomischen Eliten. Der Tenor der Kritiklegt nahe, dass sie eine Stärkung desStaates für vernünftig halten würden,durch die die egoistisch handelndenMacht- und Geldeliten in ihre Schran-ken verwiesen werden könnten.

SKANDINAVISCHESVORBILDFür einen derartigen Poli-

tikwechsel gibt es ein paarziemlich stichhaltige Argu-mente. Der deutsche Wirt-schaftsweise Peter Bofingerhat in einem Beitrag für dasNachrichtenmagazin „Spie-gel“ vorgerechnet, dass dieSchuldenkrisen der USA undJapans mit einer anderen Fis-kalpolitik durchaus bewältigtwerden könnten. Wären die Steuern inden beiden Ländern so hoch wie imEU-Durchschnitt, so Bofinger anhandvon OECD-Zahlen, hätten die USA keinHaushaltsdefizit von 10 Prozent, son-dern ein positives Saldo von 3,5, Japangar von 4,7 Prozent.

Auch in der Europäischen Unionkönnte eine Hochsteuer- und Wohl-fahrtspolitik die Krise abfedern. Inden skandinavischen Ländern, diewegen ihrer hohen Staatsquote langgescholten wurden, ist die sozialeUngleichheit deutlich geringer als imRest Europas (und der Welt), undauch die öffentlichen Haushalte sind– trotz der hohen Sozialausgaben –ausgeglichener. So konnten Däne-mark, Finnland und Schweden im ver-gangenen Jahrzehnt fast durchge-hend Haushaltsüberschüsse verzeich-nen. Erst 2009 rutschten sie insMinus ab – allerdings weit wenigerdramatisch als im Rest Europas.

Die Alternative lautet anscheinendalso nicht „kürzen oder Pleite gehen“,sondern „umverteilen oder Pleitegehen“. Die Krisenberichte sprechenfür sich: In Skandinavien belaufen sich

die Staatseinnahmen auf 55 Prozentdes Bruttoinlandsprodukts, in Deutsch-land, wo die Situation schlechter ist,liegt die Quote nach den massivenSenkungen ab 1998 bei 44, in denUSA bei 30 Prozent. Im Widerspruchzum üblichen Lamento von Unterneh-merInnen hat die skandinavische Steu-erpolitik weder zu Kapitalflucht nochzu wirtschaftlicher Stagnation geführt.Im Gegenteil: Das Wachstum in denskandinavischen Ländern ist stabilgeblieben. Höhere öffentliche Ausga-ben im Bildungs- und Pflegebereichziehen eben nicht nur eine höhereLebensqualität und Zufriedenheit nach

sich, sondern sorgen auch für eine effi-zientere Verteilung der Einkommen.Diese ist in doppelter Hinsicht sinnvoll:Wenn der grosse Vermögensbesitzdurch Steuern reduziert wird, wird ers-tens der Druck aus den Finanz- undSpekulationsblasen genommen, undzweitens steigt die Binnennachfrage,weil niedrige Einkommen prozentualmehr ausgeben als hohe.

Steht der steuerfinanzierte Interven-tionsstaat also vor einer Renaissance?Bislang kam die von Grünen und Links-liberalen geführte Green-New-Deal-Debatte erstaunlich realitätsfremddaher. Man postulierte eine ökologi-sche Innovation des Kapitalismus,ohne zu fragen, wer einen solchenKurswechsel, der ja auch eine massiveUmverteilung implizieren würde,gesellschaftlich durchsetzen, spricherkämpfen sollte. Der historische NewDeal in den dreissiger Jahren des 20.Jahrhunderts, auf den in der Debatterekurriert wird, entsprang ja nicht einerLaune des US-Präsidenten Franklin D.Roosevelt oder dem Gestaltungswillender Demokratischen Partei, sondern

war das Resultat heftiger Arbeits- undGewerkschaftskämpfe in Nordamerika.

DIE GRENZEN DESKAPITALISMUSDie Proteste der vergangenen

Monate verweisen nun darauf, dass dieKräfte für einen Politikwechsel durch-aus vorhanden sind. Doch es ist zubezweifeln, ob eine aktivere Steuerpoli-tik und sozialökologische Transforma-tionen in der aktuellen Krise ausrei-chen würden.

Der Fakt, dass das Kapital Ende dersiebziger Jahre massiv in die Finanz-märkte zu flüchten begann und denStaat zu einer drastischen Senkung derSteuerquote zwang, hatte nicht ein-fach mit der Gier der Akteure zu tun.Es war vielmehr eine Reaktion darauf,dass das keynesianisch-fordistischeModell an seine Grenzen stiess. Kapitalliess sich kaum noch produktiv inves-tieren, die Märkte waren gesättigt, dieWachstumsraten fielen stark ab, dergesellschaftliche Kitt verlor seine Bin-dungskraft.

So ist die heutige Krise nicht aufFehler der Politik oder eine mangelndeRegulation der Finanzmärkte zurückzu-führen. Wir haben es mit vielen, sichüberlagernden Problemen zu tun: Derheutige Kapitalismus ist von zu gros-sen Produktionskapazitäten und einerenormen Überkapitalisierung geprägt.Niemand weiss, wo all das Kapital ver-wertet werden soll. Im Prinzip bedürftees einer gewaltigen Wertvernichtung,die aber Dutzende Millionen Menschenin den Industriestaaten enteignenwürde. Dazu kommt erschwerend, dassdas Wachstumsmodell so nicht mehrtragbar ist. Die stoffliche Expansion,die der Akkumulation von Kapitalzugrunde liegt, stösst an natürlicheund ökologische Grenzen. Und schliess-lich ist auch international nichts mehrim Lot: Die Hegemonialmacht USAbefindet sich im freien Fall, die Wech-selkurssysteme stehen vor dem Kollaps.

Mit einer besseren, sozialeren Steuer-politik allein wird es also nicht getansein. Wir müssen ganz neu überlegen.

Quelle: Wochenzeitung – WOZ, vom18. August 2011.

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Es wäre zu erwarten gewesen,dass die Verteilungskonflikte– anstatt mit den neoliberalumgebauten Staaten – direktmit den Profiteuren, also denVermögensbesitzenden,ausgetragen würden.Prof. Raul Zelik

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Zahlen bitte!Die Kosten der Krise tragen wir alle

Markus Marterbauer

256 Seiten, Deuticke Verlag, 2011ISBN 978-3-552-06173-618,40 Euro

Welche Lehren zieht die Politik aus der Krise? AufBasis neuester Studien zeigt der WirtschaftsforscherMarkus Marterbauer aus Österreich, dass sich dieweltweit zunehmende Ungleichheit in der Vertei-lung von Vermögen und Einkommen, einer derHauptauslöser der Wirtschaftskrise, weiter zu ver-schärfen droht.Er fordert in erster Linie das Primat der Politik ein,um eine nachhaltige Änderung des Systems zuerreichen, und um zu verhindern, dass wir nochlange für die Krise zahlen. In seiner präzisen Anlei-tung zum politischen Handeln setzt sich Marter-bauer für eine aktive Verteilungspolitik, die Verrin-gerung der staatlichen Verschuldung und dasBekenntnis zu einem starken Sozialstaat ein.

In der SchlangeMein Jahr auf Hartz IV

Thomas Mahler

Nach dem Studium fand Thomas Mahler keinen Job und meldetesich arbeitslos. Die Konsequenz: Hartz IV. In seinem Buch erzählt ervon Bewerbungstrainings, von 1-Euro-Jobs, von Vorstellungsgesprä-chen und merkwürdigen Seminaren. Vom leisen Irrsinn hinter büro-kratischen Kulissen, von äusserer Passivität und innerer Aggression.Und davon, wie es sich anfühlt, wenn man auf die Frage „Und wasmachst du so?“ einfach nichts antworten kann.

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