Alternative Mai 2016

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Herausgegeben von ai Einzelheft: ,5 Euro, Abonnement: 7 Euro P.b.b., Verlagspostamt 4 Z 3 4 , Kd.-Nr: 558 5 Arbeitslosigkeit: Was tun? Abkommen: CETA stoppen ÜBerstunden sind unfAir Illustration: Lucia Schwarz Unabhängige GewerkschaerInnen im ÖGB

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Monatszeitschrift der Unabhängigen GewerkschafterInnen

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AUTOriNNENDIESEr AUSGABE

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Seite 4

KLAUDIA

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Seite 10

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Seite 21

SONJA

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Seite 18

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Seite 14

THOMAS

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Seite 16

STEFAN

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Seite 11

Performance

Phase3: frühling 2016 – in der fabrik ist es still gewordenDienstag, 10.Mai, 19:30 UhrNach Texten aus der Marienthalstudie und Margit Hahns neuem Stück „Fair undnachhaltig kündigen“. Im Anschluss Publikumsdiskussion.Bezirksmuseum Brigittenau, Dresdner Straße 79, 1200Wien

Konzerte

es brennt a WeltDienstag, 10.Mai, 19Uhr, Hauptbücherei, Urban Loritz-Platz 2A, 1070WienMittwoch, 18.Mai, 19:30Uhr, Werk X, Oswaldgasse 35A, 1120WienDienstag, 7. Juni, 19:30Uhr, Werk X, Oswaldgasse 35, 1120WienMontag 20. Juni, 19:30Uhr, brut, Karlsplatz 5, 1010WienInformationen und Kartenreservierung: www.gegenstimmen.org

Vortrag

Vom Weggehen und ankommenDonnerstag, 12.Mai, 19UhrMigration und Emigration aus historischer Sicht. Von Martin Pollack.Ort: Literaturhaus Wien, Zieglergasse26A, 1070 Wien

Workshop

strategien gegen alltagssexismus in der arbeitsweltSamstag, 14.Mai, 10 bis 18UhrOrt: Grüne Bildungswerkstatt Wien, Esterházygasse 21, 1060WienDer Workshop richtet sich vornehmlich an Frauen.Anmeldung: [email protected]

Seminar

nachhaltige Lebensstile und unser umgang mit inneren KonfliktenDonnerstag, 19.Mai, 18:30 bis zirka 22UhrMit Volkswirtin Ines OmanOrt: Grüne Bildungswerkstatt Wien, Esterházygasse 21, 1060WienAnmeldung: [email protected]

Gewerkschaften, (migrantische) Landarbeit und Organisierung

Willkommen bei der erdbeerernte! ihr Mindestlohn beträgt ...Diskussionsveranstaltung: Freitag, 20.Mai, 18Uhr, AK-Wien, Theresianumgasse 16–18, 1040WienWorkshoptag: Samstag, 21.Mai, 9:30 bis 17:30Uhr, ÖGB, Johann-Böhm-Platz 1, 1020WienInfo und Anmeldung: www.sezonieri.at

Präsentation

WWWforeuropeMittwoch, 29. Juni, 18:30UhrEine neue Strategie für Europa: Dynamik durch soziale und ökologische InnovationOrt: Grüne Bildungswerkstatt Wien, Esterházygasse21, 1060Wien

AUGE/UG

GrundschulungFreitag, 21.Oktober, 16 bis 19UhrSamstag, 22.Oktober, 10 bis 17UhrOrt: AUGE/UG-Büro, Belvederegasse10/1, 1040Wien.Anmeldung bitte unter [email protected].

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Editorialvon renate Vodnek

Impressum medieninhaber, Verleger: Alternative und Grüne Gewerk schafter -Innen (AUGE/UG) Herausgeberin: Unabhängige Gewerkschafter Innen im ÖGB(UG/ÖGB) redaktion: renate Vodnek. Layout: Franz Wohl könig. Alle: 1040 Wien, Belvederegasse 10/1, Telefon: (01) 505 19 52-0, Fax: (01) 505 19 52-22,E-Mail für Abonnement: [email protected], redaktion: [email protected],Internet: www.ug-oegb.at, Bankverbindung: (14000) Kto.-Nr. 00 110 228 775,BIc: BAWAATWW, IBAN: AT301400000110228775.Dass namentlich gezeichnete Beiträge nicht unbedingt der Meinung der redaktionoder des Herausgebers entsprechen müssen, versteht sich von selbst. Titel undZwischentitel fallen in die Verantwortung der redaktion, cartoons in die Freiheit derKunst. Text nach druck mit Quellenangabe gestattet, das copyright der Much-cartoonsliegt beim Künstler.

DVr 05 57 021. ISSN 1023-2702

Thema Arbeitslosigkeit

Und raus bist du?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 4

Und, was tun?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 7

Gewerkschaft & Betrieb

Arbeitszeiten: Weniger / �ehr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 10

OGH-Urteil: Arbeitsleistung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 11

Überstunden: Unfair . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 14

Frauentag: Bis zum nächsten �al . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 16

Arbeiten für das Sozialministerium. . . . . . . . . . . . . . . . Seite 17

Magazin

„Flüchtlingskrise“ oder soziale Krise . . . . . . . . . . . . . . . Seite 18

Notstands-Rhetorik und -Gesetzgebung . . . . . . . . . . . Seite 19

CETA stoppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 21

Leipziger Buchmesse: Event . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 22

Alternative Buchmesse: KriLit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 24

Much

Cartoon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 12

Arbeitslosigkeit bekämpfenund nicht Arbeitslose!

die Arbeitslosenzahlen erreichenmonat für monat neue rekordwerte.eine entspannung ist nicht in sicht.der kampf gegen Arbeitslosigkeit mussdaher an oberster stelle stehen. Zumbeispiel durch eine Arbeitszeitverkür-zung bei lohn- und personalausgleich.dazu braucht es aber einen grund -legenden politischen kurswechsel.Wie das gehen kann, was es brauchtund was das ganze mit den europa -weiten Austeritätspolitik zu tun hat,erklärt markus koza in dieser Ausgabe.

die forderung nach einer Arbeitszeit-verkürzung knüpft aber auch unmittel-bar an realen Wünschen der Arbeitneh-merinnen an: Vollzeit-beschäftigtemöchten gern weniger stunden arbei-ten und teilzeit-beschäftigte länger.das zeigt eine studie der Arbeiter -kammer – näheres im blattinneren.

leider nach wie vor aktuell ist derbeschämende umgang der regierungmit dem Asylrecht: klaudia paiha undsonja müllner zeigen auf, dass mit dernotstands-rhetorik und der geplantennotstands-gesetzgebung nicht nur diede-facto-Abschaffung des Asylrechtsdroht, sondern die bundesregierungauch noch das miese geschäft derautoritären rechten betreibt.

Abschließend eine Vorankündigung:Von 10. bis 12. Juni finden in Wienwieder die kritischen literaturtagestatt. die unabhängigen gewerkschaf-terinnen werden wie immer mit eineminfotisch vertreten sein. Wir freuen unsauf dich / euch!

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Thema

4�8.�54 – ��.��5 – 9,4 – �: Was es mit diesen Zahlen auf sich hat? Es sind die aktuellen Arbeitslosenzahlen für Österreich im März ����.

Der „Tag der Arbeitslosen“ findet dieses Jahr vor dem Hintergrund eines neuen, traurigen Arbeitslosenrekords statt. Von markus koza.

UNDrAUS

BISTdU?

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Wir lösen auf: 438.654 Menschen waren im März 2016 inÖsterreich arbeitslos gemeldet oder befanden sich in Schu-lungen. Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von10.135 Personen. Das entspricht einer Arbeitslosenrate von9,4 Prozent (nationale Berechnung) beziehungsweise sechsProzent (Eurostat-Berechnung).

Waren österreichische Bundesregierungen dermaleinststolz darauf, mit die niedrigsten Arbeitslosenraten inEuropa zu haben, ist es damit vorerst einmal vorbei. Heuteliegt Österreich an siebt-letzter Stelle, Länder wie Deutsch-land, Dänemark, ja selbst Ungarn weisen niedrigereArbeitslosenraten aus.

Österreich ist auch einer von drei EU-Mitgliedsstaaten,in denen die Arbeitslosigkeit zuletzt gestiegen ist – näm-lich von 5,4 (2014) auf sechs Prozent (Feber 2016). EU-weitlag die Arbeitslosenrate im Feber 2016 (saisonbereinigt) bei8,9Prozent, in der Eurozone bei 10,3Prozent. Die „nied-rigste Arbeitslosenquote“ in der Eurozone (EU-19) seitAugust2011, in der gesamten EU seit 2009, wie der Presse-mieilung von Eurostat zu entnehmen ist. Allerdings liegtdie Arbeitslosigkeit in der EU nach wie vor über dem Vor-krisenniveau. Und: Die veröffentlichten Arbeitslosenzahlenhaben auch nur eine geringe Aussagekra hinsichtlich deralität der Beschäigung.

Wie Arbeitslosenquoten berechnet werdenund was sie (nicht) aussagen

Warum liegen die Arbeitslosenquoten je nach Berech-nung so weit auseinander? Das liegt daran, dass den ver -öffentlichten Arbeitslosenraten unterschiedliche Berech-nungsarten zugrunde liegen:

Die „internationale“ Methode, die auch Eurostat•anwendet, zieht zur Berechnung Umfragedaten ausdem Mikrozensus (Arbeitskräeerhebung) heran.Arbeitslos ist demnach, wer während einer bestimm-ten Bezugswoche nicht erwerbstätig ist, aktiv einenArbeitsplatz sucht und sofort (innerhalb von zweiWochen) verfügbar ist. Dabei gilt bereits als erwerbs-tätig, wer in der Bezugswoche zumindest eineStunde (!) gearbeitet hat, egal ob selbständig oderunselbständig. Die Anzahl der Erwerbstätigen wirddann allen (potentiellen) Erwerbspersonen (Selbst -ständige, Unselbständige, Arbeitslose) gegenüberge-stellt, woraus sich zwingend eine geringere Arbeits -losenquote ergibt, als bei der nationalen Berech-nungsmethode. Hinsichtlich alität und charakterder Beschäigung liefert die internationale Methodekeinerlei wirklich brauchbare Information – außerdass jede Beschäigung zählt, was allerdings aucheiniges über die „alität“ aussagt ….In der nationalen Berechnung werden die Arbeits -•losen dem Arbeitskräepotential – das sind die sozial-versicherungspflichtigen ArbeitnehmerInnen (alsoohne geringfügig Beschäigte) und die Arbeitslosen –gegenübergestellt. Die nationale Berechnungsme-thode hat dabei – nicht zuletzt weil „prekär“ und aty-pisch Beschäigte wie „neue“ Selbständige herausge-rechnet sind – hinsichtlich der alität der Beschäi-

gungsverhältnisse (Arbeitszeit, Einkommen etc.) einehöhere Aussagekra als die internationale Methode.Entsprechend mit Vorsicht sind Jubelmeldungen über

sinkende Arbeitslosenraten in Europa zu „genießen“. ImZuge der Krise wurden europaweit – insbesondere in denKrisenländern – Arbeitsrechte massiv abgebaut, Kollektiv-verträge ausgehebelt, Löhne gekürzt, Arbeitsverhältnisseflexibilisiert, vielfach neue, atypische und prekäre Beschäf-tigungstypen – insbesondere für Jugendliche – geschaffen.Atypische Beschäigung, schlecht bezahlt, instabil undsozialrechtlich nur unzureichend abgesichert, hat europa-weit – auch in Österreich – weiter zugenommen. Derrückgang der Arbeitslosigkeit in der EU wird daher zueinem wesentlichen Teil auf Beschäigungszuwächse indiesem Segment zurückzuführen sein. Gerade bei Beschäf-tigungsverhältnissen mit geringem Stundenumfang han-delt es sich dabei zusätzlich vielfach um eine Form „ver-steckter“ Arbeitslosigkeit – würden doch viele Betroffenegerne mehr Stunden arbeiten (und so mehr verdienen),allerdings fehlen die entsprechenden Vollzeit- und qualita-tiven Teilzeitarbeitsplätze.

21,6�illionen:Rückläufige Arbeitslosigkeit in der EU ...

Als arbeitslos – im Sinne der internationalen Definition– gelten in der EU insgesamt rund 21,7Millionen Men-schen, in der Eurozone 16,634Millionen Personen. Im Ver-gleich zum Vorjahr ist die Arbeitslosigkeit um 1,97 Millio-nen (EU) beziehungsweise 1,3Millionen (Eurozone)zurückgegangen. Ebenfalls leicht gesunken, aber nach wievor auf hohem Niveau, ist die Jugendarbeitslosigkeit. Dieselag in der EU bei 4,381Millionen Unter-25jährigen(19,4Prozent), in der Eurozone bei 3,01 Millionen Betroffe-nen (21,6). Besonders hoch ist die Jugendarbeitslosigkeitdabei in Griechenland (48,9), in Spanien (45,3) und Kroatien (40,3). Vergleichsweise niedrig ist sie in Öster-reich (12,6), den Niederlanden (11,3) und Dänemark (10,2).Die geringste Jugendarbeitslosigkeit herrscht in Deutschland (6,9).

… steigende Arbeitslosenzahlen in Österreich

Im Vergleich zur europäischen Entwicklung ist, wiebereits erwähnt, die Arbeitslosigkeit in Österreich im letzten Jahr einmal mehr gestiegen.

Von März 2015 auf März 2016 ist die Arbeitslosigkeit•(ohne SchulungsteilnehmerInnen) um 7634Personenauf 367.576 Betroffene angewachsen. Die Arbeits -losenquote hat (nationale Berechnung) von 9,3 auf9,4Prozent geringfügig zugelegt.Der leichte Anstieg im Vergleich zum Vorjahr ist auf•die deutlich stärker steigende Frauenarbeitslosigkeitzurückzuführen.Nach Altersgruppen aufgeschlüsselt ist insbesondere•die Arbeitslosigkeit bei den über-50jährigen deutlichangestiegen. Während bei den Jugendlichen die ▶▶

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Arbeitslosenzahlen sinken (–3,5Prozent oder1642Personen), steigt sie im Haupterwerbsalter (25bis 49 Jahre) um 1,4Prozent (+3085Arbeitssuchende),bei den älteren ArbeitnehmerInnen allerdings gleichum 6,1Prozent oder 5921 Personen.

Arbeitslosigkeit nach Bildungsabschluss

Auch wenn eine gute Ausbildung beziehungsweise„höhere“ Bildung schon länger keine Garanten mehr für„gute“ Jobs ist – ein niedriger Bildungsabschluss ist es nochviel weniger, wie die entsprechenden Zahlen zeigen. überdas gesamte Jahr 2015 gerechnet haen als höchsten Bildungsabschluss:

46,4Prozent aller arbeitslos gemeldeten Personen•maximal einen Pflichtschulabschluss32,6Prozent eine abgeschlossene Lehre•5Prozent einen mileren Schulabschluss (BMS)•3,6Prozent eine AHS-Matura•3,6Prozent eine BHS-Matura•2,3Prozent einen sonstigen höheren Schulabschluss•6,1Prozent einen Fachhochschul-, Akademie- oder•UniabschlussInteressant ist in diesem Zusammenhang allerdings die

Entwicklung: Während die Zahl der Arbeitslosen mitmaximal Pflichtschulabschluss nämlich leicht rückläufig ist(–0,7Prozent) ist sie bei den AkademikerInnen (+13,2Pro-zent) und MaturantInnen (+10,5Prozent) stark gestiegen.In absoluten Zahlen ausgedrückt beträgt die Zahl derArbeitslosen mit maximal Pflichtschule mit 168.563 aller-dings ein Vielfaches jener der arbeitslosen Akademiker -Innen (22.650).

„Frauenbranchen“ zuletzt vom Anstieg derArbeitslosigkeit stärker betroffen

Stieg mit Ausbruch der Finanz- und Wirtschaskrise vorallem die Arbeitslosigkeit in der männerdominiertenIndustrie, ist spätestens seit 2012 ein deutlicher Anstiegauch in „frauendominierten“ Branchen zu verzeichnen.2012 wurde mit dem „Fiskalpakt“ die bereits EU-weit prak-tizierte Sparpolitik bei öffentlichen Ausgaben in nationaleGesetzesform gegossen und verstetigt.

Gespart wurde dabei unter anderem im öffentlichenDienst, bei Sozialleistungen, bei öffentlichen Investitionen.Von diesen Ausgabenkürzungen waren Frauen gleichzweifach betroffen:

Einerseits als unmielbar Beschäigte in überwie-•gend öffentlich finanzierten Bereichen wie Pflege,Betreuung, Gesundheit und Bildung,andererseits als Arbeitnehmerinnen mit Kindern•beziehungsweise pflegebedürigen Angehörigen, dieauf entsprechende öffentliche Einrichtungen angewie-sen sind, um einer Erwerbstätigkeit nachgehen zukönnen. Mit der in Folge rückläufiger öffentlicher Investitions -

tätigkeit steigenden Arbeitslosigkeit und ökonomischen

Unsicherheit, ging auch der private Konsum zurück, waswieder den – ebenfalls frauendominierten – Handel traf.Und tri. Die Zahlen des Arbeitsmarktservice belegen das:Von 2014 auf 2015 stieg die Arbeitslosigkeit im Handel umzehn Prozent, im Gesundheits- und Sozialwesen – trotzPflegenotstands – um 11,8Prozent. Nur die – männlichdominierte – und besonders krisenanfällige Arbeitskräe-überlassung, sprich „Leiharbeit“, war mit einem Anstiegvon 10,6Prozent ähnlich stark betroffen.

Auch der Vergleich der aktuellen März-Zahlen belegteinen überproportionalen Anstieg in den „typischen“ Frau-enbranchen: Im Vergleich zum Vorjahr ist im März 2016die Arbeitslosigkeit im Handel um 4,2Prozent oder2164Personen gestiegen, im Gesundheits- und Sozialwesenum 7,1Prozent beziehungsweise 612 Personen. In der män-nerdominierten Warenproduktion sank im gleichen Zeit-raum die Arbeitslosigkeit dagegen um 0,7Prozent(–239Arbeitslose), in der Baubranche – dank günstigenKlimas – gleich um 3148 Personen oder sieben Prozent.

Dramatische Zuwächse beiLangzeitarbeitslosen

Mehr als eine Verdoppelung hat es bei den Langzeit -arbeitslosen gegeben: Die Zahl jener Arbeitssuchenden,die über einen Zeitraum von mehr als zwölf Monatearbeitslos gemeldet waren, ist von März 2015 aufMärz 2016 um 30.601Personen (+126,8Prozent) auf54.736Personen gestiegen.

Die Zahl der Langzeitbeschäigungslosen insgesamt(das sind unter anderem Personen, die zum Stichtag

über 365Tage arbeitslos gemeldet, •in Schulung, •auf Lehrstellensuche, •BezieherInnen eines Fachkräestipendiums oder• Ähnlichem waren) ist innerhalb des letzten Jahres um 14,3Prozent (+15.284)

auf 122.540Betroffenen angewachsen.Dieser kurze überblick über die aktuelle Arbeitsmarkt -

situation im März 2016 zeigt jedenfalls eines deutlich: Esbesteht dringender Handlungsbedarf. Es braucht schon einganzes Bündel an Maßnahmen,

von Arbeitszeitverkürzung •und öffentlichen Investitionen •hin zu einer stärkeren Ausrichtung der Arbeitsmarkt-•politik auf nachhaltig wirkende alifikation undIntegration,um einen weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit und

damit verbunden steigende Armutsgefährdung, sozialeAusgrenzung und Perspektivenlosigkeit wirkungsvoll verhindern zu können und die hohen Arbeitslosenzahlenwieder zurückzuführen.

Denn die Melange aus Perspektivenlosigkeit, Armut undsozialer Ausgrenzung ist nicht nur eine soziale Katastro-phe, sondern nicht zuletzt auch brandgefährlich für diedemokratische Verfassung unserer Gesellscha. Und umdie ist es derzeit ohnehin nicht besonders gut bestellt. ◀

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Thema

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D ie hohe Arbeitslosigkeit ru wieder PopulistInnenaller couleurs auf den Plan: Die einen wollen Mindestsicherung und Arbeitslosengeld kürzen.„Zu hoch,“ rufen sie. Da zahle es sich ja gar nichtaus, eine Arbeit zu suchen. Man müsse Arbeits -

losengeld und Mindestsicherung nur kürzen, dann würdedie Arbeitslosigkeit auch wieder sinken.

Das ist natürlich kompleer Unsinn, weil einerseits, wer Arbeitslosengeld und Mindestsiche-•rung bekommt, ohnehin eine angebotene Arbeit nichtso einfach ablehnen kann, andererseits, weil es schlichtweg gar nicht genug•Jobs gibt. Es gehört schon eine gehörige Portion Zynismus und

Bösartigkeit dazu, mien in der Wirtschaskrise ausge-rechnet jene Menschen, die Opfer der Krise – und arbeits-los – geworden sind, für ihr Schicksal verantwortlich zumachen und sie dafür auch noch abstrafen zu wollen. Undes ist nicht nur bösartig, sondern zeugt auch von nurbegrenztem ökonomischen Verstand: Denn die Ursachenfür Arbeitslosigkeit sind meistens gar nicht am Arbeits-markt selber entstanden, sondern o genug Folge einerverfehlten Wirtschaspolitik. Um das gesellschalicheProblem Arbeitslosigkeit bewältigen zu können, braucht eseine Wirtschaspolitik, die insbesondere zum Ziel hat,nachhaltig Beschäigung zu schaffen.

Andere wieder wollen die Grenzen dicht machen. FürFlüchtlinge, aber auch für EU-BürgerInnen, etwa aus Ost-europa. Zweiteres ist schlichtweg billiger Populismus undwird so einfach nicht gehen. Die Personenfreizügigkeit isteine der Grundfreiheiten der EU, auch zahlreiche Österrei-cherInnen profitieren davon und arbeiten im benachbartenEU-Ausland. Die zunehmende Arbeitsmigration aus denosteuropäischen EU-Ländern ist auch hier vielfach eineFolge der Krise und der Krisenpolitik, die auch dort ganzim Zeichen von Lohndruck, Abbau von Arbeitsrechten,Schwächung der Gewerkschaen und massiven Sparmaß-nahmen bei Bildung, Gesundheit, sozialer Sicherheit undbei den öffentlich Bediensteten steht. Die Grenzen dicht zumachen, häe eine Keenreaktion zur Folge, die den dro-henden Zerfallsprozess der EU noch beschleunigen würde.Selbstverständlich muss aktiv gegen Sozial- und Lohndum-ping vorgegangen werden, muss sichergestellt sein, dassgrenzüberschreitende Dienstleistungen zu Bedingungen

erbracht werden, wie sie auch jeder inländische Betrieberfüllen muss. Mit rein populistischen „Lösungsansätzen“ist allerdings niemandem geholfen – die sind maximal einTurbo für rechtsaußenparteien.

Besonders beliebt derzeit auch die Scharfmacherei gegenFlüchtlinge. Sie sind besonders im Fokus der Mindestsiche-rungskürzer in blau und schwarz, hier feiert eine Neid -debae – in Wirklichkeit eine „Tri nach unten“-Kampa-gne – fröhlicher Urständ. „Grenzen dicht!“ ist bereits weit-gehend vollzogen, das Menschenrecht auf Asyl wird inbedrohlichem Ausmaß ausgehebelt. Auch im Zusammen-hang mit steigender Arbeitslosigkeit und Verdrängungs -effekten werden immer wieder Schreckensszenarien an dieWand gemalt. Dazu besteht allerdings nur wenig Grund:Erstens, weil es Flüchtlinge am Arbeitsmarkt ohnehin allesandere als leicht haben, vielfach überhaupt erst entspre-chende alifikationen und Bildungsmaßnahmen nach -holen und Sprachkurse absolvieren müssen, um überhauptchancen auf einen Job zu haben. Andererseits, weil aus -gerechnet die „Flüchtlingskrise“ des Vorjahres und die Fol-gewirkungen einen nicht unwesentlichen Beitrag zuWachstum und Beschäigung leisten. Die Konjunktur -impulse, die von der Grundversorgung der Flüchtlinge, derErrichtung beziehungsweise Instandsetzung von Wohn-raum, von der Betreuung etc. ausgehen, entsprechen jenemder fünf Milliarden Euro-schweren Steuerreform – und dasbei einem Bruchteil der Kosten!

Um Arbeitslosigkeit wirkungsvoll bekämpfen zu können,braucht es ein Bündel an Maßnahmen – Populismus, Hetzeund Sozialabbau gehören allerdings nicht dazu. Was es tat-sächlich braucht, ist eine Wirtschaspolitik, die auf Inves-titionen sta Sparen setzt, die Leistungen aus der Arbeits-losenversicherung „armutsfest“ macht und eine Arbeits-marktpolitik, die nachhaltig ausbildet, qualifiziert, unter-stützt und hil. Und: Es braucht endlich eine umfassende,allgemeine Arbeitszeitverkürzung, um Arbeit und damitEinkommen und chancen gerechter zu verteilen.

Unsere Forderungen für eine solidarischeBeschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik:

Arbeitszeitverkürzung: Es braucht rasch Schrie in rich-tung einer Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnaus-

Keine Frage: Die Arbeitsmarktsituation ist schwierig. Sie ist aber bewältigbar.Solidarisch bewältigbar. Ganz ohne Hetze, populistische rülpser

und eine aufgewärmte „Sozialschmarotzer“-Debatte. Von markus koza.

UND, WAS TUN?

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gleich für untere und milere Einkommensgruppen undeinem entsprechenden Personalausgleich.

In einem ersten Schri gilt es über- und Mehrstunden zureduzieren und diese deutlich zu verteuern und gesetzlicheSchrie für eine allgemeinen Arbeitszeitverkürzung inrichtung 30-Stunden-Woche und 6-Stunden-Arbeitstag alsneuen Normalarbeitszeitstandard zu setzen.

Eine Verkürzung auf eine 35-Stunden-Woche häe einenBeschäigungseffekt (je nach Ausgestaltung) von 84.000bis 113.000 Jobs. Markus Marterbauer, Wirtschasexperteder Arbeiterkammer, geht gar von einem Beschäigungs-effekt von +130.000 Jobs aus. Eine Halbierung der jährlichgeleisteten rund 270 Millionen überstunden würde jeden-falls über dreißigtausend zusätzliche Vollzeitjobs schaffen.

Öffentliche Investitionen –Schluss mit der ruinösen Sparpolitik

Arbeitsmarktprobleme sind o Folge wirtschaspoliti-scher Maßnahmen. In Europa und vor allem auch in Öster-reich sind die Gründe für die steigende Arbeitslosigkeitvor allem in der „Austeritätspolitik“ – also bei öffentlichenAusgabenkürzungen beziehungsweise der Sparpolitik deröffentlichen Hand – zu suchen. Werden öffentliche Investi-tionen zurückgefahren, Anstellungsverhältnisse im öffent-lichen Dienst gestoppt, Ausgaben für soziale Leistungengekürzt, führt das zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit.Öffentliche Investitionen haben dabei – etwa im Vergleichzu Steuersenkungen – einen deutlich höheren Beschäi-gungsmultiplikator, weil sie unmielbar wirken undBeschäigung schaffen.

Es braucht daher unbedingt wieder eine verstärkte•öffentliche Investitionstätigkeit. Anbieten würdensich Bereiche, die sozial wie ökologisch einen erhöh-ten gesellschalichen Mehrwert bringen und gleich-zeitig beschäigungsintensiv sind. Bereiche wie Bil-dung, sozial-ökologische Innovationen, öffentlicheMobilität, soziale Dienstleistungen, umweltfreund -liche Technologien etc. Dazu braucht es eine deutlicheLockerung der Sparvorgaben – etwa über eine „gol-dene Investitionsregel“, die sozial-ökologische Infra-struktur-Investitionen von denen auch noch künigeGenerationen profitieren, aus den öffentlichen Schul-denständen herausrechnet.Und es braucht Vermögenssteuern, um wieder finan-•zielle Handlungsspielräume zurückzugewinnen und

eine sozial-ökologische Steuerreform, die Arbeit ent-lastet und über die höhere Besteuerung von Umwelt-und ressourcenverbrauch Anreize für einen schonen-den Umgang mit nicht erneuerbaren ressourcen undfür den sozial-ökologischen Umbau unseres Wirt-schassystems setzt.Die Beschäigungseffekte aus öffentlichen Investitionen

sind hoch: Eine Milliarde Euro in Pflege investiert, brächtebis zu 25.000 Jobs zusätzlich. Eine Milliarde Euro in öffent-liche Verkehrsinfrastruktur investiert scha zwischen16.000 und 17.000 Jobs. 2,2Milliarden Euro für thermischeSanierung sichern und bringen rund dreißigtausendzusätzliche Beschäigungsverhältnisse.

Leistungen aus der Arbeitslosenversicherungarmutsfest machen

Mit Arbeitslosigkeit steigt das Armutsgefährdungsrisiko.Ist auch kein Wunder, liegt doch das durchschnilicheArbeitslosengeld, Notstandshilfe und die Mindestsicherungunterhalb der Armutsgefährdungsschwelle (für 2014, Ein-personenhaushalt: 1160Euro/Monat). Insbesondere fürFrauen zusätzlich verschärfend kommt im Falle der Not-standshilfe die Anrechnung des PartnerInnen-Einkom-mens hinzu: Verdient eine PartnerIn zu viel – und zu vielkann schon 1200Euro bruo/Monat sein – besteht keinAnspruch auf Notstandshilfe. Das geht natürlich zu Lastender finanziellen Eigenständigkeit und der Existenzsiche-rung der betroffenen Person.

Wir fordern daher die Anhebung der Neoersatzrate•beim Arbeitslosengeld auf achtzig Prozent (bislang:55Prozent) des zuletzt bezogenen Einkommens bezie-hungsweise der Berechnungsgrundlage und eine län-gere Auszahlung sowie eine Anhebung der Mindest -sicherung auf die Armutsgefährdungsschwelle (etwadurch eine 14malige Auszahlung).Die Anrechnung des PartnerInnen-Einkommens bei•der Notstandshilfe ist abzuschaffen.Transferzahlungen wie Arbeitslosengeld, Mindestsiche-

rung und Notstandshilfe nach unten abzusichern ist dabeinicht nur aus sozialen Gründen und zur Absicherunggegen Armut notwendig. Gerade in Krisenzeiten stellenArbeitslosengeld und Mindestsicherung sogenannte „auto-matische Stabilisatoren“ dar. Sie garantieren, dass auch inKrisenzeiten trotz steigender Arbeitslosigkeit und damitverbundenem Einkommensverlust die Massenkaura

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nicht ins Bodenlose fällt – weil eben zum Beispiel dasArbeitslosengeld als Ersatzeinkommensleistung zum Tragen kommt. Damit werden die gesamtgesellschalicheNachfrage und die Wirtscha stabilisiert.

Neuorientierung der Arbeitsmarktpolitik

Die über viele Jahre in Österreich geübte Praxis, Arbeits-lose möglichst schnell wieder in Beschäigung zu bringen– egal wie schlecht bezahlt oder unsicher diese auch ist –ist gescheitert.

Durchschnilich nur 1,6 Jahre braucht es, bis die Betrof-fene wieder beim Arbeitsmarktservice landet, bei schlechtalifizierten braucht es sogar nur sieben Monate. Vielsinnvoller ist es,

in Bildung, alifikation und Integration zu investie-•ren, die Zeit der Arbeitslosigkeit für entsprechendlängerfristig ausgerichtete und nachhaltig wirkendeMaßnahmen (wie etwa im Falle des FacharbeiterIn-nenstipendiums) zu nutzen.Arbeitsmarktservice-Kurse sollen grundsätzlich nach•dem Prinzip der Freiwilligkeit erfolgen, ein rechts -anspruch auf Aus- und Weiterbildung sowie aufUmschulung – insbesondere für Mindestsicherungs-bezieherInnen und bei verunmöglichter Berufsaus-übung – geschaffen werden.Weiters sollen die Paragrafen 10 und 11 des Arbeits -•losenversicherungsgesetzes – diese sehen Sperren beiNichtannahmen eines Jobs oder einer Arbeitsmarkt-service-Maßnahme sowie bei Selbstkündigung vor –gestrichen werden, und die Zumutbarkeitsbestim-mungen zugunsten Arbeitssuchender geändert wer-den. Das Arbeitsmarktservice soll von einer vielfachdisziplinierend und repressiv empfundenen bezie-hungsweise erlebten Institution zu einer Einrichtungwerden, die bestmögliche Bildungs- und alifizie-rungsmöglichkeiten sowie umfassende Hilfe, Bera-tung und Unterstützung bei der Arbeitssuche undOrientierung bietet.Eine neu einzurichtende, unabhängige und weisungs-•ungebundene Arbeitslosenanwaltscha soll Arbeits-suchende bei der Durchsetzung ihrer rechte gegen-über dem Arbeitsmarktservice und Behörden unter-stützen und beraten und ist auch Interessensvertre-tung gegenüber dem Gesetzgeber.

Und: Es braucht natürlich deutlich mehr Miel und•Personal für das Arbeitsmarktservice, um den ent-sprechenden Ansprüchen und Herausforderungengerecht zu werden und Arbeitsbedingungen für dieBeschäigten des Arbeitsmarktservice schaffen, dietatsächlich auch eine bestmögliche Beratung, Hilfeund Unterstützung zulassen.

Neue Wege braucht es auch im Bereich„experimenteller“ Arbeitsmarktpolitik:

Die übernahme von Betrieben durch Belegschaen im•Falle eines Konkurses oder mangels Erben soll offen-siv unterstützt und gefördert werden.über eine Wiederbelebung der alten „Aktion 8000“ als•neue „Aktion 10.000“ sollen Arbeitsmarktservice-geförderte, sozialversicherte Jobs bei Nichtregierungs-organisationen beziehungsweise Non-Profit-Organi-sationen in den Bereichen Bildung, Kultur, Umwelt,Wissenscha etc. geschaffen werden. Sozialökono -mische Projekte müssen längerfristig angelegt undfinanziell abgesichert werden und arbeitsrechtlichenStandards – zum Beispiel hinsichtlich kollektivver-traglicher Bezahlung – entsprechen.Erleichterter Arbeitsmarktzugang für AsylwerberInnen:

Mit Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung muss deruneingeschränkte Zugang zu Arbeitsmarkt einhergehen.Der Bartensteinerlass muss sofort aufgehoben werden,AsylwerberInnen nach spätestens drei Monaten der unein-geschränkte Arbeitsmarktzugang eingeräumt werden.

Denn: Integration erfolgt insbesondere über den Zugangzu Arbeit. AsylwerberInnen und in der Folge Asylberech-tigten sollen so rasch wie möglich ökonomisch auf eigenenBeinen stehen können. Integration muss mit dem erstenTag beginnen, entsprechend sind ausreichend Schulungs-,Bildungsangebote und Sprachkurse bereitzustellen, sowiebundesweit Kompetenzchecks durchzuführen, um vorhan-dene alifikationen bestmöglich nutzen zu können.

Insbesondere braucht es spezifische Bildungs- und Inte-grationsangebote für unbegleitete Minderjährige undJugendliche, insbesondere auch für nicht mehr schulpflich-tige AsylwerberInnen beziehungsweise -berechtigte. ◀

ARBEiTSLOSE!

BEKäMPFEN

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Gewerkschaft & Betrieb

Insgesamt arbeiten österreichische ArbeitnehmerInnenwöchentlich durchschnilich 35 Stunden und48Minuten. Österreich liegt damit unter den zehnEU-Staaten mit den kürzesten Gesamtarbeitszeiten.Also: Eh alles palei? Keineswegs! Die Gründe für

diese verhältnismäßig kurzen Wochenarbeitszeiten sindnämlich weniger in allgemeinen Maßnahmen zu einer solidarischen Verkürzung der Arbeitszeit zu suchen alsvielmehr Ergebnis ausgesprochen ungleich verteilterArbeit und Arbeitszeit zwischen Voll- und Teilzeitbeschäf-tigten, zwischen Männern und Frauen.

Mit 28Prozent Teilzeitbeschäigten hat Österreich nachden Niederlanden die zweithöchste Teilzeitquote in derEuropäischen Union. überwiegend betroffen sind dabeiFrauen: 2014 arbeiteten knapp die Häle aller unselbstän-dig erwerbstätigen Frauen – nämlich 47,6Prozent Teilzeit.

Dagegen ist Teilzeit bei Männern mit 9,1Prozent allermännlichen Beschäigten ein Minderheitenprogramm.Sind die Gründe für weibliche Teilzeit vor allem in Pflegeund Betreuung von Kindern und nahen Angehörigen zusuchen – und damit überwiegend „fremdbestimmt“, stelltsich die Situation für die wenigen Teilzeit arbeitendenMänner grundlegend anders dar. Sie arbeiten Teilzeit weilsie „selbstbestimmt“ Aus- oder Fortbildungsmaßnahmen inAnspruch nehmen.

Wenig verwunderlich daher, dass „Hausarbeit“ zu zweiDrieln von Frauen erledigt wird. Werden Erwerbs- undNichterwerbsarbeit zusammengezählt, arbeiten Frauen ins-gesamt 66Wochenstunden, davon allerdings nur 59Prozentbezahlt. Männer kommen auf 64,3Wochenstunden, wovonallerdings 75Prozent bezahlte Erwerbsarbeit sind.

Vollzeitbeschäigte ÖsterreicherInnen arbeiten durch-schnilich 41,5Wochenstunden. Österreich liegt damit hinter Großbritannien und Portugal auf Platz Drei. Einwesentlicher Grund für diese ausufernden Arbeitszeiten:Die Überstunden. 2014 wurden insgesamt 269Millionenüberstunden geleistet. Umgerechnet in Vollzeitäquivalen-ten entspricht das rund 144.000Vollzeitarbeitsplätzen. EinFünel der überstunden (21Prozent) wurden nicht bezahlt.Siebzig Prozent der überstunden wurden von Männern,dreißig Prozent von Frauen erbracht.

„Gender Time Gap“

Wie es zwischen Männern und Frauen den „Gender PayGap“ gibt, gibt es auch einen „Gender Time Gap“, also denArbeitszeitunterschied zwischen Männern und Frauen.Frauen arbeiten (Erwerbsarbeit) 8Stunden und 36Minutenweniger als Männer. In Prozenten ausgedrückt beträgt derGender Time Gap 21Prozent.

Arbeitszeitwünsche

über alle Beschäigten hinweg betrachtet wollen Voll-zeitbeschäigte durchschnilich um eine Stunde und48Minuten je Woche kürzer, Teilzeitbeschäigte um zweiStunden und 42Minuten länger arbeiten.

Ein ebenso ausgeprägter Wunsch nach Arbeitszeitver-kürzung besteht bei älteren ArbeitnehmerInnen. Je älter,desto stärker ist das Bedürfnis nach kürzeren Arbeitszeiten.Die über-56-jährigen haben im Durchschni den größtenWunsch nach einer Arbeitszeitverkürzung.

In der AK-Studie „Arbeitszeiten in Österreich: Zwischen Wünschen undrealität“ geht der Autor Michael Schwendinger der Frage nach, wie zufrieden denn

österreichische ArbeitnehmerInnen mit ihren Arbeitszeiten sind. Das Ergebnis:Vollzeitbeschäftigte wollen kürzer, Teilzeitbeschäftigte länger arbeiten. Von klaudia paiha.

WENIGER / �EHR

Warum Überstundenunfair sind. Ab seite 14.

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Es gibt allerdings zwei Altersgruppen von Arbeitneh -mer Innen, die mehrheitlich den Wunsch nach längerenArbeitszeiten äußern:

Das ist einerseits die Gruppe der Frauen um die Drei-•ßig. In dieser Altersgruppe nimmt der Gender TimeGap bei bezahlter Arbeit besonders stark zu, in dieserAltersgruppe zeigt sich besonders deutlich, dass derAnteil der unbezahlten Arbeit – in diesem Alter ins-besondere auf die Kinderbetreuung zurückzuführen –zum größten Teil von den Frauen geleistet wird.Andererseits ist das die Gruppe der 20- bis 24-Jähri-•gen. In dieser ArbeitnehmerInnengruppe besteht beiTeilzeitbeschäigten der ausdrückliche Wunsch nachArbeitszeitverlängerung. Auch wenn bei Vollzeit -beschäigten der Wunsch nach Arbeitszeitverkür-zung besteht, bleibt in Summe ein Wunsch nachArbeitszeitverlängerung

Konklusio

Die Forderung nach einer allgemeinen Arbeitszeitver-•kürzung ist eine, die unmielbar an realen Wünschender ArbeitnehmerInnen anknüp. Vollzeitbeschäigtewollen „kürzeren Vollzeitstandard“, Teilzeitbeschäf-tigte „längere Teilzeit“ arbeiten.Unsere Forderung nach einem Einkommensschutz•beziehungsweise Mindestarbeitszeiten bei Teilzeitwürden dem Wunsch nach „längerer Teilzeit“ damitnicht nur entsprechen, sondern diesen legislativ absichern. Die AUGE/UG fordert ja einen Mindest-stundenlohn von 9,80Euro (entspricht 1700Euro beiVollzeit/Monat) und eine Mindestarbeitszeit (zum Bei-spiel 20Wochenstunden, das wäre eine Einkommens-untergrenze bei Teilzeit von 849 Euro/Monat), um Ein-kommen aus Teilzeit nach unten abzusichern.Der Abbau von überstunden ist ein wesentlicher Bei-•trag zu einer Verkürzung der Arbeitszeiten und einergerechteren Verteilung von Arbeit. Dazu braucht eseinerseits eine gesetzliche beziehungsweise kollektiv-vertragliche Einschränkung der Möglichkeiten über-stunden zu leisten, andererseits braucht es eine Ver-teuerung von überstunden, um diese weniger arak-tiv zu machen.Der flächendeckende Ausbau qualitativ hochwertiger•und bedarfsgerechter Kinderbildungs- und -betreu-ungseinrichtungen ist voranzutreiben. Zusätzlichbraucht es umfangreiche Investitionen in sozialeDienste um den vorhandenen Pflege- und Betreuungs-bedarf abdecken zu können. Diese Maßnahmen wür-den insbesondere Frauen zugute kommen – sowohlunmielbar, entstehen doch überwiegend Frauenar-beitsplätze, als auch mielbar – wird doch Frauen, dienach wie vor überwiegend häusliche Betreuungs- undPflegearbeit verrichten müssen dadurch vielfach über-haupt erst ermöglicht, einer Erwerbsarbeit nachgehenzu können beziehungsweise Teilzeitarbeit hinsichtlichden Stundenumfangs aufstocken zu können. ◀

arbeitsleistung

„Im Allgemeinen kann gesagt werden, dass der Arbeit -

nehmer verpflichtet ist, jene Arbeitsintensität an den

Tag zu legen, die er ohne Schädigung seiner Gesundheit

auf die Dauer erbringen kann.“

Von Stefan Taibl

Soweit ExpertInnen des Arbeitsrechtes in einer anerkann-

ten, auch von Gerichten herangezogenen Publikation.

Und wie sieht das in unserem Alltag aus? •

Wie ist der Leistungsdruck? •

Was wird gefordert? •

Was verlangen wir von uns selber? •

Tatsache ist, in der heutigen Wirtschaft wird eher eine

Leistung von 120Prozent gefordert. Von jeder Maschine

wissen wir, dass wir sie nicht dauernd überbeanspruchen

dürfen. Aber wie gehen wir mit uns um? Wie lassen wir mit

uns umgehen?

Um deutlicher zu werden, zu welcher Arbeitsleistung ver-

pflichtet uns eigentlich das Arbeitsrecht? In einem OGH-

Urteil wird es klarer: „der Arbeitnehmer hat somit nach einer

individuellen betrachtungsweise (subjektive Arbeitsfähigkeit)

unter berücksichtigung des vorhandenen betrieblichen

umfelds (Arbeitsbedingungen, Abhängigkeit vom Arbeitser-

gebnis anderer Arbeitnehmer u.a.) seine individuelle Arbeits-

kraft in durchschnittlichem Ausmaß bereitzustellen.“ Der

Kommentar dazu: Der Arbeitnehmer ist weder verpflichtet

besonders hohe Arbeitsleistungen zu erbringen noch ist er

berechtigt, zu „largieren“.

Ja, wir ArbeitnehmerInnen müssen und wollen unsere

Arbeitskraft zur Verfügung stellen. Wir wollen und können

Leistung erbringen. Aber wir haben ein Anrecht auf eine

Arbeitserfordernis, die uns nicht kaputt macht. Das scheint

uns ArbeitnehmerInnen nicht mehr bewusst zu sein. Dies

sollten wir, gerade in Zeiten der entfesselten Wirtschaft,

durchaus auch einfordern. ◀

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Gewerkschaft & Betrieb

Überstunden sind fixer Bestandteil der Arbeitsreali-tät in Österreich: Im Jahr 2012 wurden bei uns 5,2Prozentdes gesamten Arbeitsvolumens der unselbstständigBeschäigten durch überstunden erbracht – das sind295,8Millionen geleistete überstunden.

23,1Prozent aller überstunden waren dabei unbezahlt.Am stärksten betroffen war hier die Gruppe der öffentlichBediensteten: An die 10,5Prozent von ihnen leisteten 2012unbezahlte überstunden.

Österreichs ArbeitnehmerInnen leisten im europäischen Vergleichüberdurchschnittlich viele überstunden, auch unbezahlte. Männer leisten zwar insgesamt öfter

überstunden, dennoch sind die überstunden von Frauenöfter unbezahlt als die ihrer männlichen Kollegen. Von lucia schwarz.

UNFAIR

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Die Gründe, warum Mehrdienstleistungen im öffentli-chen Dienst beziehungsweise Mehrarbeit im privatenBereich geleistet werden, sind dabei vielfältig. Bei einerBefragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufs -forschung (Deutschland) gaben die Befragten an, „dass siesich der überstundenarbeit schlecht entziehen könnenund/oder der Arbeitsumfang ohne überstunden nicht zubewältigen sei“. Unbezahlte überstunden werden all -gemein vor allem dort geleistet, wo es ergebnisorientierteArbeitsformen gibt, wo Angst um den Arbeitsplatzherrscht oder um einen Produktionsrückstand gegenüberanderen KollegInnen auszugleichen. Bei der Stadt Wienscheint bei manchen Berufsgruppen die unbezahlte Mehr-dienstleistung als fixer Bestandteil der Arbeit angesehenzu werden. So müssen im Krankenhaus- und Pflegebereichdie wichtigen Dienstübergaben, bei denen wesentlicheInformationen über den Zustand von PatientInnen an dieBelegscha der nächsten Schicht weitergegeben werden,in der Freizeit abgehandelt werden.

Für Arbeit- und DienstgeberInnen bringen überstundenviele Vorteile: überstunden sind ein wesentliches Instru-ment zur Ausweitung der Arbeitskapazität bei steigenderNachfrage und dienen als Kapazitätspuffer, bevor zusätz -liche Arbeitskräe eingestellt werden. Durch unbezahlteüberstunden stellen Beschäigte – wenn auch nicht gesetzeskonform – einem Unternehmen nicht nur Flexibi-lität in der Arbeitsorganisation, sondern auch finanzielleFlexibilität zur Verfügung. Außerdem können durch unbe-zahlte überstunden Arbeitszeitbestimmungen umgangenwerden . Zudem sind überstunden in Österreich starksteuerlich begünstigt.

Doch Unternehmen, vor allem aber öffentliche Dienstge-berInnen wie auch die Stadt Wien sollten von überstundenAbstand halten, denn sowohl unbezahlte als auch bezahlteüberstunden wirken sich weitgreifend aus: Durch unbe-zahlte Mehrdienstleistungen beziehungsweise Mehrarbeitentstehen dem Staat Steuereinbußen, für die Arbeit- undDienstnehmerInnen entsteht dadurch eine Verringerungdes effektiven Stundenlohns. Weiters verstärkt sich durchdie statistische Verteilung von bezahlten und unbezahltenüberstunden der Unpaid Gender Gap: Denn die überstun-den von Frauen sind öer unbezahlt, gleichzeitig leistenaber Männer öer überstunden und sind so allgemein län-ger in der Arbeit – und so weniger für (unbezahlte) Aufga-ben in den Bereichen Haushalt, Kindererziehung, etc. ver-fügbar. Eine Verlängerung der täglichen und wöchentli-chen Arbeitszeit wirkt also einer gerechteren Verteilungbezahlter und unbezahlter Arbeit entgegen und verstärkttraditionelle Geschlechterrollen – negative Frauenförde-rung, sozusagen.

Doch auch bezahlte überstunden haben negative Aus-wirkungen, denn überlanges Arbeiten macht krank, senktdie Produktivität und frisst Arbeitsplätze.

Es ist milerweile gut belegt, dass lange tägliche undwöchentliche Arbeitszeiten das Unfallrisiko erhöhen. Weiters wird es immer deutlicher, „dass lange Arbeitszei-ten die Leistung der Beschäigten verschlechtern und dasrisiko für gesundheitliche Beeinträchtigungen wie Herz -erkrankungen, gastrointestinale sowie muskulo-skelealeBeeinträchtigungen erhöhen können“. Auch die Europäi-

sche Kommission stellt fest, dass „sich die Länge derArbeitszeit in den Mitgliedstaaten offenbar umgekehrt proportional zur durchschnilichen Produktivität proStunde verhält“.

Der Einsatz von überstunden bewirkt also tendenzielleine Verringerung der durchschnilichen Produktivität.Lange Arbeitszeiten können darüber hinaus die alitätder erbrachten Arbeitsleistung beeinträchtigen und durcheine gleichzeitige Erhöhung der Fehlerquote betriebs- undvolkswirtschaliche Kosten nach sich ziehen.

Obwohl sich überstunden hauptsächlich direkt auf diejeweiligen Beschäigten auswirken, sind sie doch vorallem ein Problem der Gesamtgesellscha, denn sie tragenzu einer unfairen Verteilung von Arbeit bei: Während dieEinen in Arbeit ersticken, müssen sich immer mehr Men-schen, vor allem Frauen, mit großteils ungewollten Teil-zeitstellen zufrieden geben oder haben überhaupt keinenArbeitsplatz.

Umgelegt auf eine 40-Stunden-Wocheentsprechen die jährlich in Österreichgeleisteten überstunden der Arbeit vonrund 150.000 Vollzeitbeschäigten. Lauteiner Berechnung der Statistik Aus-tria wäre bei einer klugen Auei-

lung eines Teils der Mehrarbeit undeinem effektivem Abbau der überstunden(bis ein Driel weniger) ein beschäigungswirk -samer Effekt von 40.000 bis 60.000Arbeitsplätzen durch-aus realistisch.

Wie, aber, kann man ArbeitgeberInnen dazu bringen, aufdie regelmäßige und systematische Anordnung von über-stunden zu verzichten? Ein wirksamer Weg wäre dieAbschaffung der steuerlichen Begünstigung und Verteue-rung von überstunden. Der ÖGB fordert eine überstun-denabgabe in Höhe von einem Euro pro Stunde. Die Ein-nahmen sollen je zur Häle an das Arbeitsmarktserviceund ins Gesundheitssystem fließen (ÖGB).

Die Unabhängigen GewerkschaerInnen, denen auch dieKIV/UG angehört, sehen eine Lösung ebenfalls in dieserrichtung: „Von progressiv steigenden Arbeitgeberbeiträ-gen zur Krankenversicherung für jede zusätzlich geleisteteüberstunde, härteren Strafen bei Verletzung des Arbeits-zeitgesetzes, bis hin zum Einstellungszwang von neuenMitarbeiterInnen bei über längere Zeiträume regelmäßiggeleisteten überstunden kann da die Palee reichen“. ◀

Literaturangaben: www.kiv.at/alternative-����-�5-�5

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Gewerkschaft & Betrieb

Gut, wir waren einen Tag lang alle Frauenrechtler,haben Pfeffersprays für die wehrhae, moderneund selbstbestimmte Frau verteilt, schauen drauf,dass kein „Fremder“ sich an ihnen vergrei – dasist nach wie vor das Geburtsrecht des österrei-

chischen Mannes – und verkünden öffentlich, dass wirkeine „Neandertaler“ und „Höhlenmenschen“ wollen,deren Weltbild in den bereits als Pfui Gack identifiziertenislamistischen Schulen (gemeint sind damit wohl ganz nor-male Schulen in den Heimatländern, die halt zufällig mehr-heitlich von Moslems bewohnt werden) geprägt wurde,und nehmen einen – vollkommen inakzeptablen – Vorfallzur Jahreswende als Beispiel für das frauenverachtendeWeltbild von Kriegsflüchtlingen.

Nicht, dass es das schon früher gegeben häe, das Män-ner Frauen belästigt, bedrängt und missbraucht häen,nein das gibt es erst seit gut einem Jahr – eben seit die als

„Wirtschasflüchtlinge“, „Islamisten“ und noch weitSchlimmeres bezeichneten Menschen aus dem NahenOsten – bei uns im reichen Europa (das die Waffen für dieKriege in ihren regionen liefert) angekommen sind.

Wie wir ja alle wissen, haben Frauen bei unsalle Rechte.

Vor allem aber das recht, die Schnauze zu halten, wennes darum geht, in Männerdomänen einzudringen. Wie Jobund Karriere. Frauen haben andere Aufgaben. Das beginntbei der Erziehung der Kinder – eh klar, Frauensache (siewerfen sie ja auch), geht über das Schupfen des Haushalts– das können Frauen genetisch bedingt natürlich besser –bis hin zur Pflege kranker Verwandter (zartere Hände unddas Empathiegen machens möglich). Frauen können sowashalt einfach besser, weil sie ja multitaskingfähig sind.Daran erinnern sie uns ja auch ständig, nicht? Bei Män-nern ist das schwieriger, außer sie halten Bierglas undZigaree in einer Hand, da funktioniert‘s schon. Das istdem Manne eben – wie das Amen im Gebet – in die Wiegegelegt worden. Schließlich sind wir ja alle Flaschenkinder.Manche ein ganzes Leben lang.

Das kristallisiert sich dann auch bei jenen Institutionen,die sich die Gleichstellung der Frau auf ihre Fahnengeschrieben haben, gut heraus. Bei den Gewerkschaen

Der internationale Frauentag ist für dieses Jahr nun auch wieder vorbei, wirhaben alle gefeiert, uns auf die Schulter geklopft, wie emanzipiert und gleichgestellt die Frauen

in der Gesellschaft nicht sind, und gehen mit einem gutenGewissen daran, genau diese rechte wieder zu beschneiden. Von thomas Zarka.

B is Z umNäCHSTEN mAL

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zum Beispiel. Kennt ihr eine weibliche Vorsitzende einerTeilgewerkscha? Also ich nicht.

Weil weder christian Meidlinger (younion), WolfgangKatzian (GPA-djp), Fritz Neugebauer (GÖD), GofriedWinkler (VIDA), rainer Wimmer (Pro-GE) noch JosefMuchitsch (Bau-Holz) Frauen sind. Dafür hat jede Teil -gewerkscha ein eigenes Frauenreferat. Und auch im ÖGBgibt es eine Frauenvorsitzende, renate Anderl. Zum Ausgleich ist der ÖGB-chef (wie der chef der Arbeiter-kammer oder anderer Sozialpartner) wiederum ein Mann.Perfekte otenregelung.

Schulterklopfen

Und damit – so klopfen wir Männer uns gegenseitig aufdie Schulter – haben wir ja schon alles (Männer)Möglichegemacht, um den Frauen die Gleichstellung zu garantieren.Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, gleiche Aufstiegschancenund damit ein Vordringen in die Entscheidungsgremiensind damit quasi in Stein gemeißelt.

Keine rede davon, dass Armut weiblich ist, viele Frauenin mies bezahlten Jobs ums finanzielle überleben rudern,mit Kindererziehung, Pflege Angehöriger und anderenKinkerlitzchen – wir erinnern uns: Frauen sind multi -taskingfähig – ihr Leben verbringen müssen, wer sich demSystem anpasst (das männlich ist) der hat auch gleichechancen. Wird halt allgemein behauptet.

Alles andere sind nur bösartige Gerüchte, gestreut vondiesen – wie heißen sie noch gleich? Suffrageen, neu-sprech auch als Feministinnen bezeichnet. Das sind – sounsere männliche Logik, frustrierte, hässliche, alte Weiberdie keinen Mann abbekommen. Oder wie ein Bekannter sienennt: Patschulistinkende, Jesusschlapfen tragende Ökotussis. Er meint es zwar ironisch, tri damit aber desPudels Kern. Wobei dieser Pudel ja wiederum ein Mann ist.Der Pudel!

Was ich damit (überspitzt?) sagen will ist, dass dieGleichstellung von Mann und Frau (oder umgekehrt,schließlich gibt es mehr Frauen als Männer) nur in derPhantasie derer abspielt, die in Wirklichkeit gar kein Inte-resse an einer solchen haben, dass wir, also die (männ -liche) Gesellscha, geistig nicht so weit von den amAnfang erwähnten sogenannten „islamistischen Wirt-schasflüchtlingen“ entfernt sind wie wir es uns so gerneeinreden. Und die Verteidigung der Frauenrechte durchkonservativ-rechte Kreise nichts anderes ist, als ein revierabstecken. Was wiederum typisch männlich ist.

Bis zum nächsten Frauentag

häe die Männerwelt die chance, in sich zu gehen undihr Sozialverhalten gegenüber den Frauen zu überdenkenund genügend Zeit, sich klarzumachen, dass unser rollenverständnis gegenüber der Bevölkerungsmehrheitgrund legend geändert werden muss. Wobei: Warum solange warten? ◀

arbeiten

für

das

sozialministerium:

ArbeitnehmerInnen-Rechte bleiben bei dieser

Förderpraxis auf der Strecke. Seit Jahren zeichnet

sich das Bundessozialamt durch Vertragsbedingun-

gen aus, die besonders arbeitnehmerInnenfeindlich

und betriebsratsarbeitsfeindlich sind.

Von Stefan Taibl.

Etwas, das unter dem ehemaligen Sozialminister

Hundstorfer, der ja auch mal ÖGB-Präsident war und

jetzt Bundespräsidentschaftskandidat ist, besonders

befremdlich ist. Zumal das Bundessozialamt, inzwi-

schen Sozialministeriumsservice genannt, ja von den

Arbeitgebern einen sozialen, arbeitnehmerInnen-

gesundheitsfreundlichen Umgang fordert. Der grüne

Parlamentsklub hat jetzt die Anliegen der Betriebs -

rätInnen und Beschäftigten aufgenommen und eine

parlamentarische Anfrage gestellt.

Auszug aus dem Text: „Unternehmen der Sozial -

wirtschaft werden durch diese restriktive Förderlogik

Hürden in der Gestaltung der alternsgerechten Arbeit

und der betrieblichen Mitbestimmung in den Weg

gelegt. Die regenerations- und Arbeitsfähigkeit der

MitarbeiterInnen werden dadurch gefährdet und aufs

Spiel gesetzt. Leider muss das der Minister Hunds -

torfer nicht mehr beantworten, sein Nachfolger

kommt zum Zug.“

Gesamter Text:

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/

XXV/J/J_08023/index.shtml

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Magazin

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War die Berichterstaung zu Beginnder Migrationsbewegung angesichtsdes großen humanitären Engagementsaus der Zivilgesellscha erstaunlichpositiv, hat sich das milerweilegrundlegend geändert. Berichterstat-tung und Bilder haben einen klarenFokus: Sie sollen Verunsicherung undAngst erzeugen. Journalismus imDienste von Emotionen, wie sie vonrechten Parteien gewünscht undgewollt sind.

Und die reaktion der Politik warvorhersehbar. Ein regelrechter run aufrechte Positionen hat eingesetzt. Dieehemaligen Großparteien überbietensich in Unterwerfungsgesten an diePositionen eines Hc Strache. StaHaltung zu zeigen, suggerieren sie derBevölkerung damit, dass Hc Strache

ohnedies unausweichlich ist und sieausschließlich daran interessiert sind,nach den nächsten Wahlen weiterhinin der regierung zu sein.

Eine „Politik der Gefühle“, wie dasJosef Haslinger bereits in den 1990igerJahren beschrieben hat, bezweckt diewirklichen Probleme, die viele Men-

schen in diesem Land tatsächlichhaben, zuzudecken.

Der Sozialstaat hat in den letztenJahrzehnten weitreichende Wandlun-gen durchgemacht. Aus dem Wohl-fahrtsstaat wurde ein neoliberalerWebewerbsstaat, einhergehend miteiner deutlichen Betonung auf die

„innere Sicherheit“; das Leistungsprin-zip, also ein rechtsanspruch auf Leis-tungen, wurde vom Gewährungsprin-zip abgelöst; aus dem aktiven Sozial-staat wurde der aktivierende Sozial-staat und last but not least ist es zueiner Aufspaltung des Gemeinwesensin einen Wohlfahrtsmarkt für diejeni-gen, die es sich leisten können und ineinen Wohltätigkeitsstaat, der Mini-malleistungen für „Bedürige“ vergibt,gekommen. Die Aufwertung desEhrenamtes auch und gerade in ehe-mals linken Parteien ist vor diesemHintergrund eine logische Konsequenz.

Hintergrund dieser Leistungsreduk-tionen ist der sogenannte Austeritäts-pakt. Er besagt grob skizziert eineErhöhung von Steuern inclusive einerreduktion von Ausgaben um die Neu-verschuldung eines Landes zu senken.Dass eine derartige betriebswirtscha-liche Herangehensweise an einenStaatshaushalt weder ökonomisch,noch politisch funktionieren kann,werden PolitikerInnen früher oderspäter einsehen müssen. Bleibt nur dieFrage offen, wieviel Schmerzensgeldsie und die Menschen, die sie zu ver-treten haben, bis dahin zahlen müssen.

Angesichts der hohen Abgaben, dieBürgerinnen und Bürger diesem Staatjährlich zur Verfügung stellen, ist esunverständlich warum Leistungen dienoch vor Jahrzehnten problemlosmöglich waren, plötzlich als unleistbardargestellt werden. Und das erzeugt inden Menschen jene Angst, die siegeleitet von Medien und Politik, dieseauf Flüchtlinge projizieren lässt. EinePolitik der Sündenböcke soll einfachdas gesamtheitlich falsche Handelnvon Politik überdecken. ◀

„FLÜCHTLINGSKRISE“ODER SOZIALE KRISE

Seit Wochen und �onaten

bewegt uns die sogenannte

Flüchtlingskrise, die, gibt

man der Wahrheit die Ehre,

wohl eher eine Krise im

Umgang mit Flüchtlingen

ist. Von sonja müllner.

Page 19: Alternative Mai 2016

Magazin

Seite �9 • Alternative Mai ����

mit ihrer Notstands-rhetorik und dergeplanten Notstands-Gesetzgebung imAsylbereich droht nicht nur die De-facto-Abschaffung des Asylrechts,sondern betreibt die Bundesregierungauch noch das miese Geschä derextremen und autoritären rechten,einen Tabubruch. Mit dem Herbei -reden eines drohenden Notstands imZusammenhang mit Flüchtlingen,wird es künigen regierungen leich-ter gemacht, geradezu inflationär Not-stände auszurufen, um Gesetze unddemokratische Grundrechte in ihremSinne auszuhebeln.

Als Gewerkschaerin wird manimmer besonders hellhörig, wenn voneinem „Notstand“ die rede ist. Ver-meintliche Staatsnotstände werden inautoritären regimen immer wiedergerne herangezogen, um wichtigeGrund- und auch Gewerkschasrechte– etwa das Streik-, Demonstrations-und Versammlungsrecht – außer Krazu setzen. Wir erinnern uns auch noch,als 2009 freiheitliche Unternehmerver-treter angesichts der Wirtschaskriseden „Notstand“ ausrufen wollten, umBestimmungen des Arbeitsrechts, desArbeitnehmerInnenschutzes, von Kol-lektivverträgen u.ä. als vermeintliche

„Unternehmerkillergesetze“ für ungültigzu erklären. Nicht zuletzt vor diesenHintergründen ist es gerade von einersozialdemokratisch geführten regie-rung unverantwortlich und zynisch,Notstände auszurufen, um umstrieneGesetzesänderungen und Gesetz -gebungsprozesse zu rechtfertigen.

Zu kritisieren ist allerdings nichtnur die Notstandsrhetorik. Die Spra-che wird zunehmend martialischerund trägt mehr zu allgemeiner Panik-mache als zur Beruhigung der Situa-tion bei. In Punkto Verrohung derSprache und Dramatisierung der Lagestehen SPÖ, ÖVP und FPÖ ganz offen-sichtlich in einem Webewerb. SPÖund ÖVP versuchen sich geradezu ineiner „Law and Order“-rhetorik zuübertrumpfen – ein regelrechterTurbo für die Freiheitlichen, die sichgenüsslich die Hände reiben. Sta

Notstände heraufzubeschwören, solltesich die Bundesregierung lieber umtatsächlich bestehende, konkrete Not-lagen kümmern: Wir haben rekord -arbeitslosigkeit und mit ihr eine wach-sende Perspektivenlosigkeit. Bei400.000 Arbeitslosen besteht tatsäch-lich dringender Handlungsbedarf, hierbraucht es energisches Handeln derBundesregierung, öffentliche Investi-tionen, Bildungs- und alifikations-maßnahmen und Vermögenssteuern,sowie eine Beendigung des restrikti-ven Sparkurses, um entsprechendeAusgaben auch finanzieren zu können.Das allgemeine chaos in der EUkönnte ja auch einmal für produktiveAktivitäten genutzt werden. Wenn esum destruktive Aktionen à la Verstim-mung der EU-Nachbarn, Festlegungvon Obergrenzen und Hochziehen vonGrenzzäunen geht, ist die rücksichtauf EU-Vorgaben und Gepflogenheitenja schließlich auch enden wollend.

Die Bundesregierung – hier insbe-sondere die ÖVP – kann auch unmit-telbar eine ganz real drohende Notlageverhindern: Indem sie endlich ihreKampagne gegen Mindestsicherungs-bezieherInnen aufgibt, und von ihrenForderungen nach einer drastischenKürzung Abstand nimmt. DerartigeMaßnahmen würden tatsächlich zehn-tausende in eine Notsituation bringen.Diese Notlage muss nicht herbeigere-det werden – die ist konkret. ◀

NOTSTANDS-RHETORIK UND -GESETZGEBUNG

Leichtfertiger Umgang mit

„Notstands“-Begriff ist

demokratiepolitische

Verantwortungslosigkeit.

Von klaudia paiha.

7,50 Euro pro Tag, die lieben Tierchen und der Boulevard

der neue Populismus von Links?Kann man von 7,50 Euro pro Tag leben? Der Grüne WienerLandessprecher Joachim Kovacs wagte das öffentlichkeits-wirksame Experiment, um auf die prekäre Lebenssituationvon MindestsicherungsbezieherInnen hinzuweisen. Eine„challange“, populistisch reduziert, die jedoch prominent denEinzug in den Boulevard und Social Media schaffte. Kritik vonvielen Seiten, wie zum Beispiel, dass die Aktion Armut auf„Dschungel-camp-Niveau“ verharmlose und karikiere, wurdein Kauf genommen: In den Vordergrund wurde gestellt, dassdem Sozialabbau dringend öffentlichkeitswirksam entgegen-getreten werden muss. Aber: Wie populistisch sollen „linke“Themen transportiert werden? Wie zulässig oder gar notwen-dig sind „Vereinfachungen“ und das Eingehen auf die imagi-nierten „Sorgen und Nöte“ der „kleinen Menschen“ in einerkomplizierten Welt – und wie gefährlich? Lange Zeit Métier der rechten, sehen viele „Linke“ die Zeitdes Populismus auch wieder für sie gekommen. Beispiele gibtes viele: Von den Wahlkämpfen der Grünen in Österreich mitKindern, Tieren und Heimatbegriff. über Podemos in Spanien

und Syriza in Griechenland. Bis hin zu Populismus-Anhänger -Innen des marxistischen Theoretikers Ernesto Laclau. Dergesellschaftliche rechtsruck, rassismus, Sozialabbau und Austeritätspolitik drängen. Dabei werden immer öfter Tabubrüche linker Politik in Kauf genommen – und Kritik alsBallast für „die Bewegung“ oder „den Erfolg“ dargestellt.Zu leichtfertig? Führen wir die Debatte um Populismus vonLinks. Angesichts des Erstarkens der FPÖ halten wir dieseDiskussion in Österreich für besonders aktuell. Die AuGe/uG lädt ein:Zeit: Donnerstag, 19.Mai 2016, 19UhrOrt: Bildungzentrum der AK (BIZ), raum 12A (1. Stock), Theresianumgasse 16–18, 1040 WienPodiumsdiskussion mit:

Bernadette Goldberger, Politikwissenschafterin,•Universität Wien Joachim Kovacs, Wiener Landessprecher der Grünen•Jörg Flecker, Soziologe, Univ.-Prof. und Autor •„Die populistische Lücke“ (angefragt)Alexander Pollack, Sprecher SOS Mitmensch•

Moderation: Flora Eder, AUGE/UG, Wien

Page 20: Alternative Mai 2016

Gewerkscha der Privatangestellten –Druck-Journalismus-Papier, Produktions-Gewerkscha, Arbeiterkammer: Alterna-tive und Grüne GewerkschaerInnen –

AUGE/UG, Belvederegasse 10/1, 1040Wien, Telefon (01)505 1952,

www.auge.or.at, [email protected]

Gewerkscha Öffentlicher Dienst: UGöD, Belvederegasse10/1,

1040Wien, Telefon (01)5051952-22,

www.ugoed.at, [email protected]

Gewerkscha der Post- und Fernmelde -bediensteten: UG-PF, Lassallestraße 9,

1020Wien, Telefon (01)54641285,www.kozi.at/we4you,

[email protected]

Gewerkscha vida (Verkehr, PersönlicheDienste, Private Dienstleistungen): UG-VIDA, Johann-Böhm-Platz1,

1020Wien, Telefon (01)53444-79510,www.ugoed.at,

[email protected]

younion _ Die Daseinsgewerkscha:Konsequente Interessenvertretung –

KIV/UG, Blumauergasse 22/3, 1020Wien, Telefon (01)4000-83867,

www.kiv.at, [email protected]

unabhängige Gewerkschaer Innen im ÖGB

Blumauergasse 22/3 1020 Wien

Telefon (01) 2165272 Web: www.ug-oegb.atE-Mail: [email protected]

Page 21: Alternative Mai 2016

Gewerkschaft & Betrieb

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CeTA enthält ein Investitionsschutz-kapitel, welches den umstrienenInvestor-Staat-Klagemechanismus(ISDS: Investor-State Dispute Sele-ment) vorsieht.

Dies dient nicht etwa der regulie-rung der Geschäspraktiken interna-tionaler Investoren, sondern es legtfest, welche Pflichten sich die Staatenauferlegen und welche (Klage-)rechteden Investoren (Unternehmen) gege-ben werden.

Sprich: Konzerne sollen Staaten vorprivaten Gerichten Klagen können.Dies hat einen Sturm an Protestenausgelöst, an dem sich zahlreicheNichtregierungsorganisationen undGewerkschaerInnen beteiligt haben.

Raider heißt Twix und ISDS heißt ICS

Die EU-Kommission gibt vor, dieKritik ernst zu nehmen und versprichtdie Schaffung eines neuen Investiti-onsgerichts (IcS) anstelle privaterSchiedgerichte. Doch das ist reinesNebel-Werfen, denn fast alle Grund-fehler der Schiedsgerichte bleibenauch im Modell des Investitionsge-richts enthalten. Unter anderembesteht es eben nicht aus unabhängi-gen richtern. Der deutsche richter-bund kommentiert den Vorschlag fol-gendermaßen: „Durch das IcS würdenicht nur die rechtssetzungsbefugnisder Union und der Mitgliedstaateneingeschränkt, auch das etablierteGerichtssystem innerhalb der Mit-gliedstaaten und der EuropäischenUnion würde geändert werden.“

„Weder das vorgesehene Verfahrenzur Ernennung der richter des IcSnoch deren Stellung genügen deninternationalen Anforderungen an dieUnabhängigkeit von Gerichten.“

Auf Basis dieser rechte finden Kla-gen sta wie die von Vaenfall gegenden deutschen Atomausstieg oder dieKlage von Philipp Morris gegen Uruguay wegen Maßnahmen zumNichtraucherschutz.

Sonderklagsrechte für einzelneGruppen, in diesem Fall ausländischeKonzerne, lehnen die AUGE/UG ab.rechtliche Probleme sind zu beheben.Aber unabhängige Gerichte müssendie Instanz sein, die über das Einhal-ten der Gesetze befindet.

Die Zeit drängt: EU-Kommission will imJuni abstimmen

cETA soll vorläufig in Kra treten,ohne dass die nationalen Parlamentezuvor grünes Licht gegeben haben.Dies belegt das Protokoll vom EU-Handelsausschuss vom 16.März 2016.Das für Österreich verhandelnde Wirt-schasministerium will bei dieserUmgehung der nationalen Parlamentezustimmen.„AT gehe davon aus, dass es sich bei

cETA um ein ,gemischtes‘ Abkommenhandle und die von der EK vorzule-genden Entwürfe für die erforderli-chen Beschlüsse diesem Aspekt rech-nung tragen werden. Einer vorläufigenAnwendung entsprechend der Kompe-tenzverteilung könne AT zustimmen“(Protokoll des EU-ratsausschuss Han-delspolitik vom 16.März; Seite4).

Diese Aussage bedeutet, dass Öster-reich beabsichtigt, cETA in der vorlie-genden Form im rat zuzustimmen undauch der vorläufigen Anwendung grü-nes Licht gibt.

Aus einem Gutachten des DeutschenBundestages (Unterabteilung Europa)

geht hervor, dass die vorläufigeAnwendung nicht nur für eine übergangsfrist ein übergehen desWillens der nationalen Parlamentedarstellt. Sie kann eine Aushebelungder Demokratischen Institutionen aufDauer sein.

In dem Dokument heißt es konkret:„Das Unionsrecht sieht jedoch keine

regelung fur eine Auebung desratsbeschlusses nach Art. 218 Abs. 5AEUV im Fall der gescheiterten ratifi-kation eines vorlaufig anwendbarerklarten volkerrechtlichen Vertragesvor. So gibt es keine rechtspflicht, dievorlaufige Anwendung des Abkom-mens im Falle des Scheiterns der rati-fikation zu beenden“.

Mit der Zustimmung zur vorläufigenAnwendung von cETA, soll also das(österreichische) Parlament ausgehe-belt werden. Erst wurde uns in Bezugauf mangelnde Transparenz bei denVerhandlungen zu Freihandelsabkom-men erklärt, wenn fertig verhandeltsei, würde alles offengelegt und derNationalrat habe die Möglichkeit dasErgebnis abzulehnen.

Jetzt stellt sich heraus, dass Mier-lehner und seine KollegInnen die Kri-tikerInnen der Freihandelsabkommeneinfach umschiffen und den rechts-staat aushebeln wollen. Diesenschmutzigen Trick dürfen wir unsnicht gefallen lassen.

Was die AUGE/UG will:

cETA, TTIP und co stoppen –wir brauchen fairen und keinen freienHandel!

ArbeitnehmerInnen-Interessen,KonsumentInnen-Interessen, Umwelt-schutz- und Gesundheitsinteressen,dürfen nicht zu Gunsten von Profit-Interessen geopfert werden

Österreich muss sich klar gegen einevorläufige Anwendung von cETA aus-sprechen. Ein guter Weg wäre, denMinister durch einen Parlaments -beschluss daran zu binden. ◀

Jens Karg ist Betriebsratsvorsitzenderund Referent für Landwirtschaft,Lebensmittelsicherheit und Tierschutzim Grünen Parlamentsklub

CETA STOPPEN

Seit Feber diesen Jahres

liegt der Text des von der

EU-Kommission und der

Kanadischen Regierung

verhandelten Freihandels -

abkommens (CETA) offiziell

auf dem Tisch.

Von Jens karg.

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Magazin

Einen winzigenAusschnitt kann man

wahrnehmen, wenn mannur einen Tag Zeit hat, auf der Leipziger

Buchmesse zu verweilen. Von cornelia stahl.

EVENT

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menschen machen sich auf zu rockkonzerten, umetwas Einzigartiges zu erleben. Mit ähnlichen Erwartun-gen fahren jährlich unzählige Bücherfreunde aus alleneuropäischen Ländern nach Leipzig, um die dortige Buch-messe zu besuchen.

Ob Sachbuch, Krimi, Belletristik oder Fantasy – fastjedes Genre ist auf der Buchmesse vertreten. LeserInnenund VetreterInnen aus der Buchbranche erhalten Gelegen-heit, AutorInnen hautnah bei Lesungen kennen zu lernen.Mit einem Besucherrekord von 260.000Gästen (251.000 imJahr 2015) ging am 20.März 2016 die Leipziger Buchmessezu Ende.

2017 wird Litauen Gastland der Leipziger Buchmessesein. Im darauffolgenden Jahr, 2018, wird rumänien denPlatz Litauens einnehmen und sich als Gastland präsentie-ren. Eigens dafür reiste der rumänische KulturministerVlad Alexandrescu nach Leipzig und unterzeichnete mitdem Buchmessedirektor Oliver Zille den Vertrag für denGastlandauri 2018. Während der Leipziger Buchmessekonnten VerlegerInnen, AutorInnen und Dienstleister aneinem umfangreichen Fachprogramm teilnehmen sowiebegleitende Lesungen mit AutorInnen besuchen, diesowohl auf dem Messegelände selbst, als auch an externenOrten in Leipzig, stafanden. Auf dem ersten internationa-len Book Pitch präsentierten sich AutorInnen aus Georgien,Slowenien, Tschechien, rumänien und Ungarn.

Schreiben allein genügt längst nicht mehr. Denn Verlageachten auch auf die gekonnte Präsentation ihrer Bücher,und ebenso ihrer AutorInnen. Sehen und gesehen werden,lesen und gelesen werden, hören und gehört werden. Zueinem Event hat sich die Leipziger Buchmesse entwickelt.Ein Event, auf dem AutorInnen um die Gunst des Publi-kums buhlen. Sich in Szene setzen können, das kann dieeine mehr, der andere weniger besser. Dies hat bereits derBachmannwebewerb 2015 in Klagenfurt eindrücklichgezeigt. Von der Präsentation der AutorIn hängt schließ-lich der Verkauf des Buches ab. Verlage sind wirtscha -liche Unternehmen und müssen auf Verkaufszahlenschauen, was verständlich ist.

Erstaunlich, dass AutorInnen sich nicht davon abschre-cken lassen und weiterhin ihrer Leidenscha nachgehen:dem Schreiben.

Guntram Vesper legte sein tausend Seiten umfassendesWerk „Frohburg“ vor und erhielt dafür den Preis der Leip-ziger Buchmesse. Darin erzählt er ein Stück deutscherZeitgeschichte, skizziert einen kleinen Ort, Frohburg beiLeipzig und seine wechselvolle Geschichte vom Drienreich bis hin zum sozialistischen SED-Staat. Ein histori-scher „Schinken“, der Zeit braucht, um ihn zu lesen undsich der Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegen-wart bewusst zu werden.

Doch nicht jede AutorIn scha es gleich zu einemrenommierten Verlag wie Schöffling&co., in dem „Froh-burg“ erschien. Glücklicherweise gibt es unter der Flut derjährlichen Neuerscheinungen auch Verlage, die mutiggenug sind, literarische AußenseiterInnen in ihr Verlags-programm aufzunehmen, wie zum Beispiel der ch.LinksVerlag, genauer gesagt, christoph Links Verlag, den dieKurt-Wolff-Stiung heuer für sein unkonventionelles Han-

deln prämierte. christoph Links freute sich über den mit26.000Euro dotierte Preis. 5000Euro Förderpreisgeldkonnte der Verlag Vorwerk8 mit nach Hause nehmen.

Kurz nach meiner Ankun auf der Buchmesse hae ichzunächst Schwierigkeiten, mich im Dschungel der Ange-bote zurechtzufinden. Ich konzentriere mich in meinemkurzen Bericht daher auf die wichtigsten Begegnungen, dienachhaltig in Erinnerung blieben. Das war zum Beispieldas Interview mit der Autorin Verena Zeltner. Wir spra-chen über ihr Buch „Kornblumenkinder“ und ihr Engage-ment im Bereich Alphabetisierung und Grundbildung. Daszweite Interview führte ich mit der JugendbuchautorinAntje Babendererde, die durch ihre emen mit IndigenenVölkern aus der Jugendbuchszene hervorsticht. Ihr neuesBuch „Der Kuss des raben“ spielt diesmal im heimischenüringen und nicht in den USA wie in ihren vorangegan-genen Büchern.

Die Begegnungen und Gespräche mit VerlegerInnen vonkleinen, weniger bekannten Verlagen, wie zum Beispielmit Werner Schmid vom Wiesenburg-Verlag, Schweinfurt,Angelika Bruhn vom BS-Verlag rostock, Tino Hemmannvom Engelsdorfer-Verlag Leipzig und Jörg Becken vomKlak-Verlag Berlin, machten die weite Anreise nach Leip-zig unbedingt lohnenswert. Wer Leipzig wirklich kennen-lernen möchte, dem empfehle ich eine Zeit, die vor odernach der Buchmesse liegt, denn während der Messezeitquillt die Stadt aus allen Nähten, und artiere sind wahn-sinnig überteuert. Trotz des Beigeschmackes kehrte ich mitneuen Ideen, zahlreichen Leseempfehlungen, unzähligenEindrücken und müden Füßen nach Wien zurück. ◀

Ein Artikel zur Leipziger Buchmesse von Cornelia Stahlerscheint auch in der Zeitschrift etcetera, Heft�4/����.

Radiotipp

ich bin fürchterlich ungeduldig, dasist mein stolperstein.

Cecily Corti ist am 24.�ai 2016, von 18 bis18:30Uhr in der Sendung „LiteraturfensterÖsterreich“ zu Gast.

Im Meidlinger Obdachlosenhaus Vinzirast traf ichsie zum Interview. über persönliche Krisen Mitteder 1980er-Jahre spricht sie, über die Begegnungmit dem Zen-Buddhismus und die Sehnsucht, daspersönliche Leben in Bewusstsein zu begleiten. ImMittelpunkt der Sendung steht ihr Buch „Manmuss auf dem Grund gewesen sein“(Wien: Brand-stätter Verlag, 2015), das zusammen mit JaquelineKornmüller entstanden ist.Auf www.094.at, radio Orange

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Magazin

Von renate Vodnek.

Bei der Literaturmesse abseits deskommerziellen Mainstreams präsentie-ren unabhängige und kleine Verlage ausdem deutschsprachigen raum ihrealternativen, gesellschas- und sozial-kritischen Bücher.

Auch wieder mit dabei sind politischeInitiativen, die Zeitschrien und Bro-schüren herausgeben. So wie die Unab-hängigen GewerkschaerInnen, die seitBestehen der Krilit mit einem Infotischvertreten sind.

Das rahmenprogramm mit Buch -präsentationen, Lesungen, Podiums -diskussionen etc. bei freiem Eintristeht bereits größtenteils – auch dieKinderbuchausstellung mit gemütlicher (Vor-)Leseecke ist wieder in Planung.

Ulli Fuchs, Organisatiorin der Kritlit:„Es freut mich, dass die Kritischen Lite-raturtage heuer zum 7. Mal stafindenkönnen. Viele Verlage schätzen die Krilitals Alternative zu den großen Buchmes-sen, weil hier direkter Leser In nen -kontakt in einer wirklich gemütlichenund anregenden Atmosphäre möglichist. Auch dieses Jahr gibt es wieder einsehr araktives rahmenprogramm. EinHighlight für mich ist zum Beispiel diePräsentation des Buchs ,Migrantenstadl‘vom deutschen Unrast-Verlag.“

Wir freuen uns euch bei unserem UG-Infotisch begrüßen zu können! ◀