Eine Runde zum Frühstück - WordPress.com€¦ · rican Journal of Physiology, Endocri-nology and...

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2 ES HEISST JA, SPORTLER sollten beson- ders auf eine gesunde und ausgegliche - ne Ernährung achten. Aber was die Frage betrifft, ob man vor dem morgend - lichen Laufen frühstücken sollte oder lieber nicht, scheiden sich seit vielen Jahren die Geister. Auch mir geht es so, dass ich in dieser Frage unsicher bin. Kürzlich geriet ich darüber mit einem Freund aneinander. Axel ist eiserner Verfechter der Theorie, dass es besser sei, nüchtern joggen zu gehen. „Durch die Anstren- gung greift der Körper dann die Fett- reserven an.“ „Das mag ja sein“, hielt ich dagegen. „Aber wenn ich mit leerem Magen laufe, dann bin ich schon nach einem Kilometer platt und habe keine Kraft mehr in den Beinen.“ Auch nach einer längeren Diskus- sion wurden wir uns nicht einig, im Gegenteil. Ich möge mich nicht so an- stellen und das flaue Gefühl ignorieren, gab er mir schließlich kühl mit auf den Weg. „Lauf einfach drüber weg.“ Eine kleine Studie der britischen Universität Bath gibt ihm nun recht – zumindest auf den ersten Blick. Sie wurde gerade im Magazin „The Ame- rican Journal of Physiology, Endocri- nology and Metabolism“ veröffentlicht. Der Zeitpunkt des Frühstücks beein- flusst die sportliche Leistung – das ist in der Wissenschaft lange bekannt. Nimmt man vor dem Training eine Mahlzeit zu sich, steigt der Blutzucker- spiegel an. Die arbeitenden Muskeln nutzen dann den leicht verfügbaren Zucker als Antrieb und verbrauchen erst mal diese Kalorien. Hat man da- gegen vor dem Sport nichts gegessen, muss der Organismus schneller auf die Fettspeicher des Körpers zurückgreifen, um seinen Kalorienbedarf zu decken. Das Problem: Diese Art der Energiever - sorgung erfordert aufwendigere Stoff- wechselvorgänge. Das ist der Grund, warum ich beim Laufen im nüchternen Zustand immer schwächle. DIE BRITISCHEN FORSCHER nahmen nun Blutproben von zehn übergewichtigen Männern, die mal mit und mal ohne Frühstück trainiert hatten, und machten eine interessante Entdeckung: Der Ver - zicht aufs Frühstück wirkt sich auf die inneren Abläufe in den Zellen des Fett- gewebes aus. Gene, welche die Produk - tion von Proteinen zum Abbau des Blut - zucker- und Insulinspiegels regulieren, ändern ihre Funktionsweise. Bei Athle - ten mit leerem Magen waren sie aktiver. Die Forscher schließen daraus, dass die positiven körperlichen Effekte des Sports im nüchternen Zustand ausge- prägter ausfallen. „Unsere Vorfahren verbrauchten einen Großteil ihrer Ener - gie durch Körpereinsatz, beim Jagen und Sammeln von Nahrung“, sagt Dylan Thompson, einer der Mitautoren. „Es erscheint nur logisch, dass erst die Be- wegung kommt und dann das Früh- stück.“ Die Wissenschaft ist also anschei- nend auf der Seite meines Lauffreundes Axel. Aber Daten und Zahlen sind zum Glück nicht die einzige Wahrheit. Sport muss Spaß machen, wir müssen uns wohlfühlen dabei, sonst hören wir bald wieder damit auf. Und jeder Körper ist anders und reagiert auf seine Weise. So wie meiner, dessen Muskeln ohne mor - gendlichen Treibstoff einfach nicht funktionieren wollen. Da kann ich mich noch so sehr anstrengen! Und Unlust und Schmerzen einfach ignorieren, wie Axel empfiehlt, das will ich nicht. Dafür fehlt mir die nötige Härte. Schlimm? Nein. Ich sehe es mit Gelassenheit. Egal, ob mit oder ohne Frühstück – der Unterschied bei den positiven Effekten des Sports ist mini - mal und für Hobbyläufer wie mich kaum relevant. Am Ende steht immer noch: Laufen ist gesund. Mir ist wichtig, dass ich mich wohlfühle. Nur dann bleibe ich dabei. KOLUMNE Ist es besser, mit leerem Magen zu joggen? Die Meinungen gehen auseinander. Unsere Autorin zieht es vor, auf ihren Körper zu hören und nicht auf die Wissenschaft Eine Runde zum Frühstück stern-Redakteurin Alexandra Kraft lebt in New York und joggt gern mal um den Block ILLUSTRATION: ELISABETH MOCH; FOTO: RODERICK AICHINGER 100 4|2017

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ES HEISST JA, SPORTLER sollten beson-ders auf eine gesunde und ausgegliche -ne Ernährung achten. Aber was die Frage betrifft, ob man vor dem morgend -lichen Laufen frühstücken sollte oder lieber nicht, scheiden sich seit vielen Jahren die Geister. Auch mir geht es so, dass ich in dieser Frage unsicher bin. Kürzlich geriet ich darüber mit einem Freund aneinander.

Axel ist eiserner Verfechter der Theorie, dass es besser sei, nüchtern joggen zu gehen. „Durch die Anstren-gung greift der Körper dann die Fett-reserven an.“ „Das mag ja sein“, hielt ich dagegen. „Aber wenn ich mit leerem Magen laufe, dann bin ich schon nach einem Kilometer platt und habe keine Kraft mehr in den Beinen.“

Auch nach einer längeren Diskus-sion wurden wir uns nicht einig, im Gegenteil. Ich möge mich nicht so an-stellen und das flaue Gefühl ignorieren, gab er mir schließlich kühl mit auf den Weg. „Lauf einfach drüber weg.“

Eine kleine Studie der britischen Universität Bath gibt ihm nun recht – zumindest auf den ersten Blick. Sie wurde gerade im Magazin „The Ame-rican Journal of Physiology, Endocri-nology and Metabolism“ veröffentlicht. Der Zeitpunkt des Frühstücks beein-flusst die sportliche Leistung – das ist in der Wissenschaft lange bekannt. Nimmt man vor dem Training eine Mahlzeit zu sich, steigt der Blutzucker-spiegel an. Die arbeitenden Muskeln nutzen dann den leicht verfügbaren

Zucker als Antrieb und verbrauchen erst mal diese Kalorien. Hat man da-gegen vor dem Sport nichts gegessen, muss der Organismus schneller auf die Fettspeicher des Körpers zurückgreifen, um seinen Kalorienbedarf zu decken. Das Problem: Diese Art der Energiever -sorgung erfordert aufwendigere Stoff-wechselvorgänge. Das ist der Grund, warum ich beim Laufen im nüchternen Zustand immer schwächle.

DIE BRITISCHEN FORSCHER nahmen nun Blutproben von zehn übergewichtigen Männern, die mal mit und mal ohne Frühstück trainiert hatten, und machten eine interessante Entdeckung: Der Ver -zicht aufs Frühstück wirkt sich auf die inneren Abläufe in den Zellen des Fett-gewebes aus. Gene, welche die Produk -tion von Proteinen zum Abbau des Blut -

zucker- und Insulinspiegels regulieren, ändern ihre Funktionsweise. Bei Athle -ten mit leerem Magen waren sie aktiver. Die Forscher schließen daraus, dass die positiven körperlichen Effekte des Sports im nüchternen Zustand ausge-prägter ausfallen. „Unsere Vorfahren verbrauchten einen Großteil ihrer Ener -gie durch Körpereinsatz, beim Jagen und Sammeln von Nahrung“, sagt Dylan Thompson, einer der Mitautoren. „Es erscheint nur logisch, dass erst die Be-wegung kommt und dann das Früh-stück.“

Die Wissenschaft ist also anschei-nend auf der Seite meines Lauffreundes Axel. Aber Daten und Zahlen sind zum Glück nicht die einzige Wahrheit. Sport muss Spaß machen, wir müssen uns wohlfühlen dabei, sonst hören wir bald wieder damit auf. Und jeder Körper ist anders und reagiert auf seine Weise. So wie meiner, dessen Muskeln ohne mor -gendlichen Treibstoff einfach nicht funktionieren wollen. Da kann ich mich noch so sehr anstrengen! Und Unlust und Schmerzen einfach ignorieren, wie Axel empfiehlt, das will ich nicht. Dafür fehlt mir die nötige Härte.

Schlimm? Nein. Ich sehe es mit Gelassenheit. Egal, ob mit oder ohne Frühstück – der Unterschied bei den positiven Effekten des Sports ist mini -mal und für Hobbyläufer wie mich kaum relevant. Am Ende steht immer noch: Laufen ist gesund. Mir ist wichtig, dass ich mich wohlfühle. Nur dann bleibe ich dabei.

KOLUMNE

Ist es besser, mit leerem Magen zu joggen? Die Meinungen gehen auseinander. Unsere Autorin zieht es vor, auf ihren Körper zu

hören und nicht auf die Wissenschaft

Eine Runde zum Frühstück

stern-Redakteurin Alexandra Kraft lebt in New York

und joggt gern mal um den Block

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