Eine schöne neue Servicewelt — dank Wolken

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4 HMD 275 Oliver Lindner Eine schöne neue Servicewelt – dank Wolken Und nun die Wetteraussichten: Nach dem sonnigen Wetter der vergange- nen Jahre im Bereich der Bits und Bytes, was auch die Laune der Menschen in eben dieser Welt widerspiegelt, wird sich vermutlich einiges drastisch ändern. Zumindest ist das zu vermu- ten, denn ein Wetterumschwung steht bevor. Dort, wo in den letzten Jahren mal eben mit sonnigem Gemüt ITIL, ISO 20000, SOA, PRINCE2, CMMI und andere mystisch anmuten- de Methoden ohne viel Aufsehens und mit ge- ringem Aufwand erfolgreich etabliert wurden, ziehen Wolken auf. Der Himmel verdunkelt sich und die Weitsicht wird begrenzt. Denn Wolken, »Clouds«, wie der Engländer sagen würde, sind am Himmel zu sehen und stimmen sich mit ei- nem Abendrot für einen nächsten Morgen ein. Und wie sagt schon eine alte Bauernregel? »Abendrot – schlecht Wetter droht!« Gibt es in der IT eigentlich so etwas wie »IT- Stratuskumulus« oder »CIO-Kumulus«? »Die Wol- ke Nr. 7«, auf der IT-Entscheider schweben? »IT- Wetterlagen« mit dem dazugehörigen IT-Meteo- rologen (CIO), um Voraussagen treffen zu können? Nachdem es der IT endlich gelungen ist, ihre Bedeutung durch Industrialisierung und Auto- matisierung sowie Business Alignment (Wert- schöpfung durch IT) nachzuweisen, konzent- riert sie sich jetzt auf den Bereich der Kyber- netik. Steuern von Komplexität ist angesagt, um die Kosten weiter zu senken, die Agilität und Fle- xibilität zu erhöhen und eine »atmende«, sich dem Bedarf anpassende IT zu realisieren. Um ehrlich zu sein, die Komplexität will die IT nicht steuern, sondern in der Wolke verste- cken wie Legosteine in der Schublade, die man dann schließen kann. Ein Abstraktions-Layer wird gesucht, um Ordnung zu schaffen. Die Funktionalität des ganzen IT-Pakets (ein Service- erbringungssystem) will sie dann auf Abruf, ohne Fixkosten, durch externe Dienstleister zu- verlässig erbracht, in definierter Qualität liefern – wie Strom. Wer die bekannte Werbung eines Strom- anbieters kennt, versteht: »Jetzt zahl ich. Jetzt zahl ich nicht. Jetzt zahl ich ...« Soweit die Herleitung zu Cloud Computing: virtualisierte IT-Infrastrukturen und -Services. Nur dass sich Strom nicht so häufig ändern muss wie IT-Business-Services, die ja bekannt- lich Kunden bzw. Business-Bedarfe abbilden und sich den ändernden Anforderungen eben dieser anpassen müssen. Das heißt, der Job ist anspruchsvoller als gedacht und darf nicht un- terschätzt werden. Sind die CIOs kriegsmüde mit ihren Legio- nen und Ressourcen sowie ihren AGABUs (»Alles ganz anders bei uns«) und suchen stattdessen nach Alternativen, um Aktivitäten vorzutäu- schen und mit Absicht die Verantwortung auf die externen Lieferanten abzuwälzen? Ist das Ganze lediglich die Flucht der Mana- ger vor unbequemen Entscheidungen im Be- reich von Organisation und Personal? Denn hier liegt doch das größte Potenzial vergraben. Ob- wohl das mit dem Personal Ansichtssache ist. Die einen reden von »Talenten, die für die Zu- kunft unabdingbar sind«, und andere behaup- ten, das sind Kostenfaktoren, die am besten off- shore (best cost) zu arbeiten haben. Die Strategen, CIOs, COOs und CTOs, haben feuchte Hände ob dieser neuen Chancen und Möglichkeiten mit dem Cloud Computing. Es geht um nichts weniger als um die weitere Per- fektionierung der noch von Menschenhand ge- steuerten IT. Auch wenn Teile davon bereits au- tomatisiert und »outgesourct« sind.

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Oliver Lindner

Eine schöne neue Servicewelt – dank Wolken

Und nun die Wetteraussichten:Nach dem sonnigen Wetter der vergange-

nen Jahre im Bereich der Bits und Bytes, wasauch die Laune der Menschen in eben dieserWelt widerspiegelt, wird sich vermutlich einigesdrastisch ändern. Zumindest ist das zu vermu-ten, denn ein Wetterumschwung steht bevor.Dort, wo in den letzten Jahren mal eben mitsonnigem Gemüt ITIL, ISO 20000, SOA,PRINCE2, CMMI und andere mystisch anmuten-de Methoden ohne viel Aufsehens und mit ge-ringem Aufwand erfolgreich etabliert wurden,ziehen Wolken auf. Der Himmel verdunkelt sichund die Weitsicht wird begrenzt. Denn Wolken,»Clouds«, wie der Engländer sagen würde, sindam Himmel zu sehen und stimmen sich mit ei-nem Abendrot für einen nächsten Morgen ein.Und wie sagt schon eine alte Bauernregel?»Abendrot – schlecht Wetter droht!«

Gibt es in der IT eigentlich so etwas wie »IT-Stratuskumulus« oder »CIO-Kumulus«? »Die Wol-ke Nr. 7«, auf der IT-Entscheider schweben? »IT-Wetterlagen« mit dem dazugehörigen IT-Meteo-rologen (CIO), um Voraussagen treffen zu können?

Nachdem es der IT endlich gelungen ist, ihreBedeutung durch Industrialisierung und Auto-matisierung sowie Business Alignment (Wert-schöpfung durch IT) nachzuweisen, konzent-riert sie sich jetzt auf den Bereich der Kyber-netik. Steuern von Komplexität ist angesagt, umdie Kosten weiter zu senken, die Agilität und Fle-xibilität zu erhöhen und eine »atmende«, sichdem Bedarf anpassende IT zu realisieren.

Um ehrlich zu sein, die Komplexität will dieIT nicht steuern, sondern in der Wolke verste-cken wie Legosteine in der Schublade, die mandann schließen kann. Ein Abstraktions-Layerwird gesucht, um Ordnung zu schaffen. DieFunktionalität des ganzen IT-Pakets (ein Service-

erbringungssystem) will sie dann auf Abruf,ohne Fixkosten, durch externe Dienstleister zu-verlässig erbracht, in definierter Qualität liefern– wie Strom.

Wer die bekannte Werbung eines Strom-anbieters kennt, versteht:

»Jetzt zahl ich. Jetzt zahl ich nicht. Jetzt zahlich ...«

Soweit die Herleitung zu Cloud Computing:virtualisierte IT-Infrastrukturen und -Services.

Nur dass sich Strom nicht so häufig ändernmuss wie IT-Business-Services, die ja bekannt-lich Kunden bzw. Business-Bedarfe abbildenund sich den ändernden Anforderungen ebendieser anpassen müssen. Das heißt, der Job istanspruchsvoller als gedacht und darf nicht un-terschätzt werden.

Sind die CIOs kriegsmüde mit ihren Legio-nen und Ressourcen sowie ihren AGABUs (»Allesganz anders bei uns«) und suchen stattdessennach Alternativen, um Aktivitäten vorzutäu-schen und mit Absicht die Verantwortung aufdie externen Lieferanten abzuwälzen?

Ist das Ganze lediglich die Flucht der Mana-ger vor unbequemen Entscheidungen im Be-reich von Organisation und Personal? Denn hierliegt doch das größte Potenzial vergraben. Ob-wohl das mit dem Personal Ansichtssache ist.Die einen reden von »Talenten, die für die Zu-kunft unabdingbar sind«, und andere behaup-ten, das sind Kostenfaktoren, die am besten off-shore (best cost) zu arbeiten haben.

Die Strategen, CIOs, COOs und CTOs, habenfeuchte Hände ob dieser neuen Chancen undMöglichkeiten mit dem Cloud Computing. Esgeht um nichts weniger als um die weitere Per-fektionierung der noch von Menschenhand ge-steuerten IT. Auch wenn Teile davon bereits au-tomatisiert und »outgesourct« sind.

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Die IT-Maschine wird weiter innoviert undoptimiert. Denn IT schläft nie! Sie ist nach allden Jahren und Anfangsproblemen jetzt fastperfekt, es fehlt nur noch der letzte Schliff mitCloud Computing und SaaS (Software as aService). Das Ganze scheint wie ein Bit-Turbo-lader, der einfach auf den vorhandenen altenMotor aufgesetzt wird. Und schon hat man diezukunftsweisende IT-Maschine.

Gut, die Menschen in diesen Maschinen(Zahnräder?) stellen sich dann und wann nochein wenig quer. Aber das wird sich schon nochgeben mit der Zeit wie in dem Film »ModerneZeiten« mit Charly Chaplin.

In ITIL heißt es im Kapitel Change Manage-ment: »Jede Verbesserung ist eine Veränderung.Aber nicht jede Veränderung ist eine Verbesse-rung!«

Wird das alles wirklich so reibungslos funk-tionieren?

Es stellt sich darüber hinaus die Frage, obdie verbleibende IT in der Lage ist, solche virtu-ellen Konstrukte dann auch zu steuern. So man-cher kommt mit einem einfachen, sprich singu-lären, transparenten Outsourcing schon schnellan seine Grenzen. Wie mag es da sein, wenn dasGanze auch noch mit mehreren Serviceprovi-dern in Clouds verschwindet. Kann man da nochden Überblick behalten?

Es wird nicht so viele geben in der IT, die soetwas noch verstehen, geschweige denn steu-ern können, denn Trivialität sieht anders aus.Außer die IT hat in weiser Voraussicht geplant,vorgebaut und die Leute bzw. die Organisationdarauf vorbereitet mit Know-how-Aufbau, Ein-kaufen teurer Experten mit Erfahrung sowieden richtigen Tools, die einen bei der Arbeit un-terstützen (Gibt es die schon?). Aber um ehrlichzu sein, das wäre was ganz Neues und würdemich sehr überraschen. IT ist immer reaktiv?!

Eine alte Sourcing-Regel lautet: »Gib nichtsnach draußen, was du nicht selber gut be-herrschst!«

Aber Regeln sind ja da, um gebrochen zuwerden. Und Regeln in der IT zu etablieren, isteine ganz besondere, oft masochistische Aufga-be. Haben Sie schon mal Prozessmanagementauf Basis von ITIL eingeführt? Dann wissen Sie,was Schmerz bedeutet.

Und immer gilt: »Ignoranz schlägt Wissen«und »1000 Fliegen können nicht irren«.

Aber nach all den genannten Bedenken seiauch Positives erwähnt. Neben den uns allenbekannten IT-Methoden sind Cloud Computing& SaaS durchaus mit großen Potenzialen verse-hen, die die Zukunft positiv prägen können imKampf gegen Kosten und Komplexität. Auch dervorhandene Druck, der auf die IT ausgeübt wird(schneller, besser, preiswerter, flexibler, agileru.v.m.), ist Grund genug, sich dieser möglichenZukunft mit ihrem Potenzial zuzuwenden oderzumindest darüber nachzudenken. Ich denke,das sind doch wirklich sonnige Aussichten!

Macht es nicht gerade mutige Menschen(Mitunternehmer) in innovativen Unternehmenaus, sich neuen Themen und Chancen zu wid-men, um aktiv die Zukunft mitzugestalten, stattsich von der Zeit einholen zu lassen?

Denn wir alle wissen: Wer zu spät kommt, den bestraft die Zukunft.

Oliver LindnerSiemens VDO Automotive AGSiemensstr. 1293055 [email protected]