Eine Sensengewerken-Grabstätte in St. Oswald bei Möderbrugg...Müller das Möderbrugger...

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76 Blätter für Heimatkunde 58 (1984) Eine Sensengewerken-Grabstätte in St. Oswald bei Möderbrugg Von Hans Jörg Köstler Zu den von der montan- und kulturgeschichtlichen Forschung bisher wenig beachteten Quellen gehören Inschriften bei Gewerkengräbern, die in der oberösterreichisch-niederöslerrcichischen Eisenwurzen und in der Obersteier- mark häufig anzutreffen sind. Als Beispiele seien die Grabinschriften auf dem Friedhof bzw. an der Pfarrkirche in Hollenstein a. d. Ybbs (NO), Leonstein (00) sowie in Obdach 1 und in St. Peter ob Judenburg herausgegriffen. Solche Schrifttafeln und Grabsteine halten neben genealogischen Angaben nicht selten auch Zusammenhängc und bildliche Darstellungen sogar metallurgischer Art 2 - fest, für die es sonst keine oder nur unzureichende Belege gibt. Außerdem gewähren sie Einblick in Leben und Wirken des Gewerken, seiner Ehefrau oder anderer Verwandter, wobei die Diktion - zumindest für heutige Begriffe — einer gewissen Übertreibung nicht entbehrt. Eine bemerkenswerte Grabstätte der Sensengcwerkenfamilien Weinmeister und Hierzenberger (Abb. 1) befindet sich an der Pfarrkirche in St. Oswald, 3 in dessen Pfarrsprengel u. a. der Ort Möderbrugg liegt. Hier gab es früher neben dem Stahlwerk der Gewerken V. Herzog 4 und H. Mitseh 5 sowie dem zu einer Autoreparaturwerkstätte umgestalteten Hammerwerk Wiegieser (später Hörn) noch eine Sensenschmiede, welche im 18. Jahrhundert an die Familie Weinmeister gelangt war und erst 1969 endgültig stillgelegt worden ist. 1 Hans Jörg Köstler, Die Grabmale der Sensen- und Hammergewerken in der Pfarrkirche zu Obdach. In: Der Anschnitt 24/1972, Nr. 1. S. 9—13. 2 Z. B. die für das alpenländische Eisenwesen sehr frühe Erwähnung von verzinntem Blech (Weißblech) auf einem Epitaph in der Pfarrkirche in Ternberg, Oberösterreich (Zyn und Plöchwerkstatt) sowie auf einer wahrscheinlich aus Ternberg stammenden Schrifttafel im Heimathaus Steyr (Ibcrzinle Plerhwcrkstatt). Vgl. Hans Jörg Köstler, Aus dem Eisenwesen an der unteren Enns. In: Der Anschnitt 26/1974, Nr. 4, S. 3—15. Weiters die Darstellung einer Slahlgarbe auf dem Grabdenkmal für Anna Sabathy in der Obdacher Pfarrkirche (Köstler, Grabmale, wie Anm. 1). - - Die aus Stahlstäben zusammengesetzte Garbe bildete das Ausgangsprodukt für den Cärbstahl, der für Sensen und andere hochbeanspruchte Werkzeuge verwendet wurde. Vgl. Hans Jörg Köstler, Die Herstellung von Cärbstahl in den ehemaligen Innerberger Hammerwerken. In: Radex-Rundschau 1976, S. 814—827. :> Zur Kirche vgl. Dehio-Handbuch, Die Kunstdenkmäler Österreichs — Steiermark. Wien 1982. S. 474. 4 An Vinzenz Herzog und seine Gattin Cäcilia erinnern die Initialen \ CH und die Jahreszahl 1842 in einer Türoberlichte des ehemaligen Herrenhauses. 5 Heinrich Mitseh (gest. 1903) und seine Gattin Karoline (gest. 1881) besaßen weiters das Radwerk XI in Vordcrnberg sowie ein Stahl- und Walzwerk in Gradenberg. 77

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Blätter für Heimatkunde 58 (1984)

Eine Sensengewerken-Grabstätte in St. Oswald bei Möderbrugg

Von Hans Jörg Köstler

Zu den von der montan- und kulturgeschichtlichen Forschung bisher wenig beachteten Quellen gehören Inschriften bei Gewerkengräbern, die in der oberösterreichisch-niederöslerrcichischen Eisenwurzen und in der Obersteier-mark häufig anzutreffen sind. Als Beispiele seien die Grabinschriften auf dem Friedhof bzw. an der Pfarrkirche in Hollenstein a. d. Ybbs (NO), Leonstein ( 0 0 ) sowie in Obdach1 und in St. Peter ob Judenburg herausgegriffen. Solche Schrifttafeln und Grabsteine halten neben genealogischen Angaben nicht selten auch Zusammenhängc und bildliche Darstellungen sogar

metallurgischer Art2 - fest, für die es sonst keine oder nur unzureichende Belege gibt. Außerdem gewähren sie Einblick in Leben und Wirken des Gewerken, seiner Ehefrau oder anderer Verwandter, wobei die Diktion -zumindest für heutige Begriffe — einer gewissen Übertreibung nicht entbehrt .

Eine bemerkenswerte Grabstätte der Sensengcwerkenfamilien Weinmeister und Hierzenberger (Abb. 1) befindet sich an der Pfarrkirche in St. Oswald,3 in dessen Pfarrsprengel u. a. der Ort Möderbrugg liegt. Hier gab es früher neben dem Stahlwerk der Gewerken V. Herzog4 und H. Mitseh5 sowie dem zu einer Autoreparaturwerkstät te umgestalteten Hammerwerk Wiegieser (später Hörn) noch eine Sensenschmiede, welche im 18. J ahrhunder t an die Familie Weinmeister gelangt war und erst 1969 endgültig stillgelegt worden ist.

1 Hans J ö rg Kös t l e r , Die Grabmale der Sensen- und Hammergewerken in der Pfarrkirche zu Obdach. In: Der Anschnitt 24/1972, Nr. 1. S. 9—13.

2 Z. B. die für das alpenländische Eisenwesen sehr frühe Erwähnung von verzinntem Blech (Weißblech) auf einem Epitaph in der Pfarrkirche in Ternberg, Oberösterreich (Zyn und Plöchwerkstatt) sowie auf einer wahrscheinlich aus Ternberg stammenden Schrifttafel im Heimathaus Steyr (Ibcrzinle Plerhwcrkstatt). Vgl. Hans Jö rg Kös t le r , Aus dem Eisenwesen an der unteren Enns. In: Der Anschnitt 26/1974, Nr. 4, S. 3—15. Weiters die Darstellung einer Slahlgarbe auf dem Grabdenkmal für Anna Sabathy in der Obdacher Pfarrkirche (Kös t l e r , Grabmale, wie Anm. 1). - - Die aus Stahlstäben zusammengesetzte Garbe bildete das Ausgangsprodukt für den Cärbstahl, der für Sensen und andere hochbeanspruchte Werkzeuge verwendet wurde. Vgl. Hans Jö rg Kös t le r , Die Herstellung von Cärbstahl in den ehemaligen Innerberger Hammerwerken. In: Radex-Rundschau 1976, S. 814—827.

:> Zur Kirche vgl. Dehio-Handbuch, Die Kunstdenkmäler Österreichs — Steiermark. Wien 1982. S. 474.

4 An Vinzenz Herzog und seine Gattin Cäcilia erinnern die Initialen \ CH und die Jahreszahl 1842 in einer Türoberlichte des ehemaligen Herrenhauses.

5 Heinrich Mitseh (gest. 1903) und seine Gattin Karoline (gest. 1881) besaßen weiters das Radwerk XI in Vordcrnberg sowie ein Stahl- und Walzwerk in Gradenberg.

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Die Sensenerzeugung in Möderbrugg6 gewann erheblich an Bedeutung, als Elias Weinmeistcr, Sensensehmiedmeister „An der Zinne"7 in Micheldorf a. d. Krems (OÖ), 1722 durch Heirat in den Besitz dieses 1675 gegründeten Werkes gekommen war. Nach dem Tode seiner Frau vermählte sich Weinmeister 1725 mit Anna Maria Moser, die ebenfalls einer oberösterreichischen Sensen-gewerkenfamilie8 entstammte. Der jüngste Sohn aus dieser Ehe, Simon Wolfgang Weinmeister, heiratete 1786 (in zweiter Ehe) Theresia Hierzenberger aus Spital a. Pyhrn (OÖ), wo ihre Eltern das Sensenwerk ,,Schröckenherberg"9 besaßen. S. W. Weinmeister starb 1816 und seine Witwe mußte gemäß den Innungsvorschriften einen Werkführer aufnehmen — sie wählte ihren Bruder Kaspar (Kasper) Valentin Hierzenberger (1778 bis

1820), Sensensehmiedemeister im elterlichen Betrieb. Die Inschrift bei seinem Grabe in St. Oswald hat folgenden Wortlaut:

Hier unter dieser morschen Erdenhülle modern die abgelebten Gebeine des seeligen

Kasper Valentin Hierzenberger ehleiblichen Sohnes des Adam Georg Hierzenberger

und seiner Gattin Theresia von der Hierzenbcrgeriseben Sensenschmidte in Spital

als Werkführer auf der Sensenschmidte in der Modem Brücke ist er am 28. Juny 1820 in Gott scelig

entschlaffen. er erlebte nur 42 Jahre, sein Nachruhm aber

wird nie verlöschen. Weil seine Geschäftsfähigkeiten schon eine angebohrnc

Leichtigkeit, seine unverbeßliehen Produckten Erzeugniß höchst gesucht, seine Geschäften glück voll

gewesen. Wanderer stehe still und verleiche ihm auch dein

Beileid und der Vergelter alles gutten seye sein Licht

und sein Heil. Auf Hierzenberger folgte Anton Weinmeister10 als Werkführer, der 1822

Anna Maria Hierzenberger, die jüngste Schwester Theresias, heiratete und 1825 das Weinmeister'sche Sensenwerk in Möderbrugg gemeinsam mit seiner Frau übernahm. An Anna Maria Weinmeister (1785—1843) erinnern ein Porträtmedaillon und die Inschrift

Dem Andenken der Erau Anna Maria Weinmeister

Gebome Hierzenberger

6 F r anz Sch röeken fux , Geschichte der österreichischen Senseirwerke und ihrer Besitzer. Hgg. von Franz John. I.inz (Donau) und Aehern (Baden) 1975, S. 527—530.

7 Von diesem Sensenwerk sind das Herrenhaus und einige Nebengebäude mit den charakteristisch geschwungenen Giebeln erhalten geblieben.

8 Die Familie besaß damals das Sensenwerk //) der Kaixen (bei Pießling in der Nähe von Windischgarsten). Das stattliche Herrenhaus und einige Wirtschaftsgebäude bestehen noch, während vom Sensenwerk an der Pießling nur Ruinen vorhanden sind.

9 Heute als ..Hierzenberger-Werk" bekannt; stillgelegt 1961. Eindrucksvolles Herrenhaus. l" A. Weinmeistcr war Sensensehmiedemeister in Singsdorf bei Rottenmann.

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Abb. 1: Grabstätte der SensengeHerkeiifamilien \\ einniei-ter St. Oswald b. Möderbrugg.

nd Hii rzenherger. Pfarrk. Foto: H. J. Kl

nche stier

welche in ihren 58. Lebensjahre am 6. Ma\ 1843 im Herrn entschlief. Gewidmet von ihren trauernden Gatten Anton Weinmeister

Sensen- und Hammers Gewcrk in Möderhrug. Ihres Herzens Güte bewies ihre Nächstenliebe,

Glaubens EüIIe ihre Frömmigkeit.

Ein halbes Jahr nach Anna Maria starb Theresia Weinmeister. Auch ihr wurde eine Gedenktafel an der St. Oswalder Kirche gewidmet:

Grabschrift der Erau Theresia Weinmeister in der

Mödcrbrucker Plärr Oswald am Thauern, gestorben den 30. Oktober 1843, im 78. Lebensjahre.

Gedenket bethend einer Seele, Freunde! Deren Hülle hier begraben liegt.

Welche die ganze Oswalder Gemeinde Als schönste Tugendzierde geliebt.

Seufzet, Auf daß Sie bey Gott bald erhilte Ein Muster der Mildthätigkeit.

Daß, wie Sie ja die Armen in der Stille Stets erquickend lind're unsere Zeit.

Erbauend, fromm, einfach, fremd der Macht der Zeit, Und das schönste Muster der Mildthätigkeit

war Sie bis zum Hin tritt in die Ewigkeit.

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Abb. 2: „Muttergottes im Sternenkianze" als Meisterzeichen der Sensensehmiede in Möderbrugg. Ausschnitt aus der Tafel für Theresia Weinmeister. Foto: H. J. Köstler

Die ovale Schrifttafel trägt im unteren Bereich die „Muttergottes im Sternenkranze"11 (Abb. 2), das Meisterzeichen des Möderbrugger Sensen­werkes (Innung Judenburg).

Anton Weinmeister (1800—1848) hatte 1839 den benachbarten Wicgieser Hammer (Huf- und Hackenschmiede) angekauft. Aus heute nicht mehr bekannten Gründen gerieten aber sowohl die Sensenschmiede als auch das Hammerwerk in wirtschaftliche Schwierigkeiten und A. Weinmeister starb ,,. . . verarmt an Gehirnlähmung am 26. März 1818, nachdem er am 15. März 1847 seinen ganzen bedeutenden Besitz an Franz Salcs Müller, Bäckermeister und Hausbesitzer in Judenburg, verkauft hatte.12 Eine Tafel bei der Weinmeister'schen Grabstätte in St. Oswald dürfte dem letzten Eigentümer

11 Bei Josef Ze i t l i nge r , Sensen, Sensenschmiede und ihre Technik. Linz 1944, S. 137, ist dieses Zeichen ohne Sternenkranz abgebildet.

12 Sch i 'öekenfux, Sensenwerke (wie Anm. 6). S. 529. — 1872 erbte Dr. Friedrich Heliodor Müller das Möderbrugger Sensenwerk, das über seine Witwe, den Sensensehmiedemeister Carl Grillmayer, Rudolf Foest und Hans Rainer schließlich 1928 an Heinrich Fränkel gelangte. Ein Jahrzehnt später mußte H. Fränkel, dem das Weinmeister'sche Sensenwerk einen beachtlichen Aufschwung verdankte, Osterreich verlassen. Nach dem Zweiten Weltkrieg kaufte Desiderius Kastner die Sensenwerkstätte und erzeugte hier bis 1969 Sensen; die Anlage ein typisches Sensenwerk der ,.alten Hammerherrlichkeit" — wurde bald darauf geschleift. An die fast drei Jahrhunderte zurückreichende Sensenerzeugung in Möderbrugg erinnern heute nur noch das Herrenhaus und die Grabstätte in St. Oswald.

Die Sensenherstellung konnte allerdings noch dokumentiert werden: E rn s t K . H i nne r . Der Werdegang der Sense im Sensenwerk Desider Kastner, 8763 Möderbrugg, Bez. Judenburg. Leoben 1970.

HO

des Sensenwerkes aus dieser Familie gewidmet worden sein; aber die wahrscheinlich sehr einfach ausgeführte Blechtafel ist bereits slark verrostet und die wenigen, kaum lesbaren Buchstaben erlauben keine Zuordnung.

Als letzter Angehöriger der Gewerkenfamilie Weinmeistcr wirkte Karl (1834 —1875), ein naher Verwandter Antons, in Möderbrugg; er stammte aus St. Peter ob Judenburg und führte unter F. S. Müller bzw. dessen Sohn den Sensenhammer. Sein Grabstein, auf dem seine Tätigkeit als Werkführer eigenartigerweise nicht aufseheint, lehnt heute unbeachtet an der Fried­hofsmauer in St. Oswald.

Im Zuge der Außenrenovierung der Pfarrkirche 1980 wurde die Mauer, welche die Weinmeister-Hierzenberger'schcn Schrifttafcln trägt, nicht saniert, aber eine neue Überdachung angebracht. Trotzdem ist zu befürchten, daß der Verfall weitergehen und bald auf die Tafeln bzw. das Porträtmedaillon übergreifen wird.

MI