Eine Stadt rettet sich selbst - Schneverdingen · 2014-07-01 · die durch Frostrisse oder durch...

1
Eine Stadt rettet sich selbst Öffentliche Mittel plus ehrenamtliches Engagement: Privatleute schieben in Schneverdingen Kino und Bürgerbus an org Schneverdingen. Lila ist das Logo des Vereins, und lila sind sämtliche Infoblätter und Broschüren über sein Pro- gramm. Keine Frage, wir befin- den uns in der Lüneburger Hei- de. Schneverdingen hat zwar nicht einmal 20 000 Einwohner, seit vergangenem Sonnabend aber ein Kino. Ab Winter wird ein Bürgerbus durch die Stadt und umliegenden Dörfer rollen. Privatleute haben die Projekte angeschoben, sie haben ein Vo- lumen von 330 000 Euro. Angefangen hat es mit Blu- men, bunten Bänken und Schirmen in der Stadt. Mit Kulturstadtplan, Radwegefüh- rer, Neugeborenenpaket, ver- kaufsoffenen Sonntagen und wöchentlichen Open-Air-Kon- zerten im Sommer. Das übliche Programm von Marketingmen- schen, die eine Stadt bewerben wollen. Doch in Schneverdingen läuft etwas entscheidend anders als in anderen Kommunen. Und das Ergebnis ist entscheidend beeindruckender als in anderen Kommunen. Nicht nur, dass das Digital-Kino „LichtSpiel“ mit einem Volumen von 250 000 Euro jetzt Premiere feiert. Ab dem Winterfahrplan wird ein Linienbus drei Ringlinien an sechs Tagen in der Woche ver- binden – Kostenpunkt: 80 000 Euro. Zwar hat es Schneverdingen mit seinem seit Jahren ausge- glichenen Haushalt einfacher als andere Gemeinden, ange- nehme Projekte umzusetzen. Das ist es aber nicht allein. Der größte Unterschied liegt in den Akteuren: Denn die sitzen nicht an Schreibtischen in der Verwaltung, wenn sie über die Entwicklung des Ortes nach- denken, sondern auf dem Sofa zu Hause. Mehr als Tausend Frauen und Männer sind Mit- glieder in den Trägervereinen der Projekte, hunderte von ih- nen arbeiten selbst mit – ob am Steuer des Busses oder am Tre- sen des Kinos. „Die Schneverdinger haben gemerkt: Wenn wir etwas ge- meinsam anpacken, wirkt das nicht nur auf den Ort selbst, sondern auch nach außen“, sagt der Einzelhändler Roland Schmid (62), der vor neun Jah- ren die erste Zukunftskonferenz angestoßen hat. „Verwaltung, Politik und Wirtschaft reden miteinander, anstatt gegenein- ander zu arbeiten.“ Zwar ist die Kleinstadt am Rande des Naturparks Lüne- burger Heide die einzige, de- ren Einwohnerzahl nicht sinkt, sondern jährlich um etwa 50 steigt. Die als südlichster Zip- fel im Hamburger Speckgürtel stetig Baugebiete ausweist. Die null Geschäftsleerstand meldet. Doch wenn die Infrastruktur nicht stimmt, wird das nicht ewig so bleiben. Und das ist den Aktiven klar. Fünf Arbeitskreise entwi- ckeln Ideen, umgesetzt werden sie nach demokratischer Ent- scheidung. „Voraussetzungen sind eine hohe Priorität und eine gute Chance auf schnelle Realisierbarkeit“, sagt Bürger- meisterin Meike Moodg-Stef- fens. Mittel kommen von Stadt und Landkreis, Land, Stiftun- gen, Förderanstalten und Pri- vatleuten. Schon jetzt rufen Makler und Familien in Schneverdingen an und wollen wissen, wo genau der Bürgerbus denn letztlich fahren wird. Der von der Lan- desnahverkehrsgesellschaft ge- nehmigte Linienverkehr kann ein Entscheidungskriterium pro oder contra Grundstückskauf werden. Im neuen Kino: Initiator Roland Schmid (r.) mit seinen Mitstreiter bei Kino und Bür- gerbus, vorne (v.l.): Verena Albiez, Hein- rich Mahnken, Wolfgang Schubert, Dorothee Schröder und Dr. Carsten Bargmann. Foto: org

Transcript of Eine Stadt rettet sich selbst - Schneverdingen · 2014-07-01 · die durch Frostrisse oder durch...

Page 1: Eine Stadt rettet sich selbst - Schneverdingen · 2014-07-01 · die durch Frostrisse oder durch Blitzschlag entstanden sind. Das Weibchen gräbt sich nach der Begattung 30 bis 50

°Lokales° 15Sonnabend, 28. Juni 2014 · Nr. 148

Eine Stadt rettet sich selbstÖffentliche Mittel plus ehrenamtliches Engagement: Privatleute schieben in Schneverdingen Kino und Bürgerbus an

org Schneverdingen. Lila ist das Logo des Vereins, und lila sind sämtliche Infoblätter und Broschüren über sein Pro-gramm. Keine Frage, wir befin-den uns in der Lüneburger Hei-de. Schneverdingen hat zwar nicht einmal 20 000 Einwohner, seit vergangenem Sonnabend aber ein Kino. Ab Winter wird ein Bürgerbus durch die Stadt und umliegenden Dörfer rollen. Privatleute haben die Projekte angeschoben, sie haben ein Vo-lumen von 330 000 Euro.

Angefangen hat es mit Blu-men, bunten Bänken und Schirmen in der Stadt. Mit Kulturstadtplan, Radwegefüh-rer, Neugeborenenpaket, ver-kaufsoffenen Sonntagen und wöchentlichen Open-Air-Kon-zerten im Sommer. Das übliche Programm von Marketingmen-schen, die eine Stadt bewerben wollen.

Doch in Schneverdingen läuft etwas entscheidend anders als in anderen Kommunen. Und das Ergebnis ist entscheidend beeindruckender als in anderen Kommunen. Nicht nur, dass das

Digital-Kino „LichtSpiel“ mit einem Volumen von 250 000 Euro jetzt Premiere feiert. Ab dem Winterfahrplan wird ein Linienbus drei Ringlinien an sechs Tagen in der Woche ver-binden – Kostenpunkt: 80 000 Euro.

Zwar hat es Schneverdingen mit seinem seit Jahren ausge-glichenen Haushalt einfacher als andere Gemeinden, ange-nehme Projekte umzusetzen. Das ist es aber nicht allein. Der größte Unterschied liegt in den Akteuren: Denn die sitzen nicht an Schreibtischen in der Verwaltung, wenn sie über die Entwicklung des Ortes nach-denken, sondern auf dem Sofa zu Hause. Mehr als Tausend Frauen und Männer sind Mit-glieder in den Trägervereinen der Projekte, hunderte von ih-nen arbeiten selbst mit – ob am Steuer des Busses oder am Tre-sen des Kinos.

„Die Schneverdinger haben gemerkt: Wenn wir etwas ge-meinsam anpacken, wirkt das nicht nur auf den Ort selbst, sondern auch nach außen“,

sagt der Einzelhändler Roland Schmid (62), der vor neun Jah-ren die erste Zukunftskonferenz angestoßen hat. „Verwaltung, Politik und Wirtschaft reden miteinander, anstatt gegenein-ander zu arbeiten.“

Zwar ist die Kleinstadt am Rande des Naturparks Lüne-burger Heide die einzige, de-ren Einwohnerzahl nicht sinkt, sondern jährlich um etwa 50 steigt. Die als südlichster Zip-fel im Hamburger Speckgürtel

stetig Baugebiete ausweist. Die null Geschäftsleerstand meldet. Doch wenn die Infrastruktur nicht stimmt, wird das nicht ewig so bleiben. Und das ist den Aktiven klar.

Fünf Arbeitskreise entwi-ckeln Ideen, umgesetzt werden sie nach demokratischer Ent-scheidung. „Voraussetzungen sind eine hohe Priorität und eine gute Chance auf schnelle Realisierbarkeit“, sagt Bürger-meisterin Meike Moodg-Stef-

fens. Mittel kommen von Stadt und Landkreis, Land, Stiftun-gen, Förderanstalten und Pri-vatleuten.

Schon jetzt rufen Makler und Familien in Schneverdingen an und wollen wissen, wo genau der Bürgerbus denn letztlich fahren wird. Der von der Lan-desnahverkehrsgesellschaft ge-nehmigte Linienverkehr kann ein Entscheidungskriterium pro oder contra Grundstückskauf werden.

Die Suche nach den letzten seiner ArtBürger sollen bei der Bestandsaufnahme und der Kartierung von Hirschkäfern helfen

kre Lüneburg/Göhrde. Deich- und Küstenschutz ist gemeinhin ihr Metier – doch jetzt kümmert sich der Nieder-sächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) auch um das Wohl und Wehe eines Käfers. Genauer: Des Hirschkä-fers. „Der Bestand dieses Käfers hat in Mittel- und Südeuropa stark abgenommen, weil für die Tiere immer weniger Lebens-räume vorhanden sind“, weiß Käfer-Experte Roland Heuser vom NLWKN. Doch um den Großkäfer zu schützen, müssen die Naturschützer erst einmal wissen, wo genau der Hirsch-käfer noch vorkommt. Deshalb hat die Behörde jetzt einen Aufruf an die Bevölkerung ge-startet, Käferbeobachtungen zu melden. ,,Nur so können wir eine Grundlage für gezielte Hilfs- und Schutzmaßnahmen bekommen“, erläutert Roland Heuser.

Die LZ hat beim NABU Lü-neburg nachgefragt. „Im Bree-zer Grund wurde der Hirsch-käfer in früheren Zeiten noch gesichtet“, berichtet NABU-Kreisvorsitzender Thomas Mitsch ke. Ob der Käfer in jün-gerer Zeit auch an anderen Stel-len gesichtet wurde, diese Frage kann der Naturschützer nur mit einem ratlosen Achselzucken beantworten. Der drastische Rückgang des schwarz-brau-nen, etwa sieben Zentimeter großen Käfers mit seinem auf-fälligen „Geweih“, hat ihn auf die Rote Liste als „stark ge-fährdet“ gebracht. „Nach der Bundesartenschutzverordnung gilt der Hirschkäfer aber als ,besonders‘ geschützt“, erklärt NLWKN-Experte Roland Heu-ser. Auch in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU sei der Käfer als Art von ,,gemein-schaftlichem Interesse“ aufge-listet, „für dessen Erhaltung die Mitgliedstaaten eine besondere Verantwortung und Verpflich-tung haben“, erinnert Heuser.

In der Göhrde fällt es noch vergleichsweise leicht, den Hirschkäfer in freier Natur zu sehen. Rainer Baumgart, Pres-sesprecher der Niedersächsi-schen Landesforsten wundert

das nicht: „Der Hirschkäfer be-nötigt als Lebensraum alte, tot-holzreiche Eichenwälder. Die findet er in der Göhrde, aber auch im Lüßwald bei Unter-lüß.“ Mit anderen Worten: Das Wohl und Wehe des Hirsch-käfers, der 2012 zum Insekt des Jahres gekürt worden war, hängt im besonderen Maße vom Eichenwald-Bestand ab. ,,Der Hirschkäfer ist Symboltier und Sympathieträger zugleich für die deutsche Eiche“, sagt Baumgart und erklärt, warum das so ist: ,,Der Käfer braucht zum Leben und Überleben den Baumsaft der Eiche.“ Den fin-det er an Wundstellen der Ei-che, wo Äste abgebrochen sind, die durch Frostrisse oder durch Blitzschlag entstanden sind.

Das Weibchen gräbt sich nach der Begattung 30 bis 50 Zentimeter tief in die Erde ein, wo es die befruchteten Eier von außen an morsche Eichen-Wurzelstöcke legt. Nach etwa 14 Tagen schlüpfen dann die Larven. ,,Die ernähren sich von morschem, feuchtem und verpilztem Holz, das sie mit der Zeit zu Mulm abbauen“, weiß Förster Baumgart und fügt erklärend hinzu: „Der Be-griff ,Mulm‘ stammt aus dem niederdeutschen und bedeutet verfaultes, getrocknetes und zu Pulver zerfallenes Holz.“

Nach fünf, manchmal auch erst nach sechs oder acht Jah-ren, bauen sich die Larven in 15 bis 20 Zentimeter Tiefe eine Puppenwiege aus Erde und eben aus diesem Mulm. Sechs Wochen nach der Verpuppung schlüpfen die Käfer, bleiben aber den Winter über noch im Boden. Erst im Frühjahr graben sie sich nach oben durch, wo sie nur noch wenige Wochen leben und vor allem nur noch eine Aufgabe haben – für den Nachwuchs zu sorgen.

Der Hirschkäfer ist der größte heimische Käfer. Seinen Namen verdankt er den hirschgeweih-artigen Zangen, die in Wirk-lichkeit ein massiv vergrößerter Oberkiefer sind. Nur die Männ-chen tragen dieses ,,Geweih“, die Weibchen haben einen schmaleren Kopf und normal entwickelte Oberkiefer.

Im neuen Kino: Initiator Roland Schmid (r.) mit seinen Mitstreiter bei Kino und Bür-gerbus, vorne (v.l.): Verena Albiez, Hein-rich Mahnken, Wolfgang Schubert, Dorothee Schröder und Dr. Carsten Bargmann. Foto: org

Einweihung auf Hof Bockum

lz/bau Bockum. Für die SOS-Kinderdorf-Einrichtung Hof Bockum ist es ein beson-deres Datum: Die Bockumer la-den am Sonntag, 29. Juni, ab 14 Uhr zu einem Tag der offenen Tür ein, bei dem auch die neu-en Hausgemeinschaften einge-weiht werden sollen. Rund zwei Millionen Euro hat die Einrich-tung in die zwei neuen, behin-dertengerechten Wohngebäude investiert. Beim Tag der offenen Tür erwartet die Besucher ein buntes Programm „mit Spiel und Spaß für Jung und Alt“.

Interessierte haben die Mög-lichkeit, die einzelnen Arbeits-bereiche in Bockum wie Haus-wirtschaft, Dienstleistung oder Landwirtschaft zu besichtigen. Der Hofladen hat geöffnet. An-geboten werden auch Trecker-Rundfahrten. Für den musika-lischen Rahmen sorgen unter anderem die Band „Salty Dogs“ und der Bockumer Chor. Un-terstützt wird der SOS-Hof Bo-ckum beim Tag der offenen Tür von der Freiwilligen Feuerwehr Rehlingen, den Landfrauen Amelinghausen, von anderen SOS-Kinderdorf-Einrichtungen sowie vom „Ladies‘ Circle“ Lü-neburg und vielen anderen.

Guck mal, ein Hirschkäfer

Hirschkäfer können sich auch in Eichenbäumen innerhalb oder am Rande von Siedlungen entwickeln. Deshalb sind auch Spaziergänger und Gartenbesitzer aufgerufen, die Augen offenzuhalten. Die meisten Hirschkäfer werden eher zufällig entdeckt. Es sei denn, man schaut gezielt in den bevorzugten Le-bensräumen des Käfers nach: Dort, wo alte Eichen mit einem möglichst hohen Anteil von alten und absterbenden Bäumen steht, in alten Parkanlagen, aber auch an Straßen- und Gebäudelampen. Um dem Hirschkäfer helfen zu können, ist eine möglichst

genaue Kenntnis über sein Vorkommen notwen-dig. „Der Fundort sollte in einer möglichst kleinmaßstäblichen Karte oder einem Luft-

bildausdruck eingetragen werden. Den entsprechenden Meldebogen gibt es

unter [email protected].

Nähere Infos bei Roland Heu-ser unter 0511/30 34 32 15.

CHammes
Textfeld
Veröffentlicht in der Landeszeitung für die Lüneburger Heide am 28. Juni 2014