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Einführung in die Mathematik (Vorkurs1)

Wintersemester 2008/09

Dr. J. Jordan

Institut für MathematikUniversität Würzburg

Germany

1Modulbezeichnung 10-M-VKM

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Inhaltsverzeichnis

1 Aussagen und Beweise 3

1.1 Aussagenlogik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.2 Beweistechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61.3 Quantoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71.4 Aufgabentypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

2 Mengen und Abbildungen 11

2.1 Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.2 Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

3 Vollständige Induktion 22

3.1 Natürliche Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223.2 Das Prinzip der vollständigen Induktion . . . . . . . . . . . . . 23

4 Zahlenbereiche 27

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1 Aussagen und Beweise

1.1 Aussagenlogik

Die formale Logik stellt die Regeln bereit, nach denen mathematische Aussagenschlüssig und eindeutig formuliert und begründet (�bewiesen�) werden können.

Aussagen

Mathematische Aussagen sind immer genau eines von beiden, wahr oder falsch.Jede mathematische Aussage hat also einen eindeutig bestimmten Wahrheits-wert, w (für wahr) oder f (für falsch)1.Aussagen werden oft auch mit Groÿbuchstaben A, B, C . . . bezeichnet. Um

ein paar Beispiele diskutieren zu können, benutzen wir jetzt schon ein paar Be-gri�e � nämlich natürliche Zahlen, gerade Zahlen und Primzahlen2 � die aus derSchule bekannt sein sollten, aber später nochmal exakt mathematisch eingeführtwerden.

Beispiel 1.1 Hier nun ein paar Beispiele zu Aussagen:

A: �9 ist eine Primzahl�

B: �Jede Primzahl ist ungerade�

C: �2 ist eine Primzahl�

D: �Es gibt unendlich viele Primzahlzwillinge�

Aussage A ist o�enbar falsch (denn 3·3 = 9). In der Tat ist 2 eine Primzahl. Alsoist Aussage B falsch und Aussage C richtig. Ein Primzahlzwilling ist ein Paaraus Primzahlen p, q, so dass p−q = 2 ist. Ob es unendlich viele Primzahlzwillingegibt oder eben nur endlich viele ist unbekannt3. Trotzdem, D ist entweder wahroder falsch und damit eine Aussage. Der Satz �Wie ist das Wetter heute� ist keinemathematische Aussage, weil sein Wahrheitsgehalt weder richtig noch falsch ist.1Die Logik der Mathematik ist somit zweiwertig. Es gibt auch mehrwertige oder sogar un-

scharfe (Fuzzy-)Logik, die in der Technik eine gewisse Rolle spielt (Fuzzy-Regelung . . . );diese ist aber zur Grundlegung der Mathematik eher ungeeignet (. . . obwohl es inzwischenschon Gebiete wie Fuzzy-Topologie, Fuzzy-Analysis, Fuzzy-Wahrscheinlichkeitstheorieusw. gibt!).

2Der Vollständihgkeit halber: Gerade Zahlen de�nieren wir als die natürlichen Zahlen, welchedurch zwei Teilbar sind. Primzahlen de�nieren wir als diejenigen natürlichen Zahlen welcheungleich eins sind und nur durch 1 und durch sich selbst teilbar sind.

3das ist übrigens ein seit langem ungelöstes Problem

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1 Aussagen und Beweise

Operationen mit Aussagen

Aus einfachen Aussagen gewinnt man durch logische Verknüpfungen komplizier-tere Aussagen4.

(a) Konjunktion (�und�). Wir schreiben A ∧ B.

Beispiel: Seien A und C die Aussagen aus Beispiel 1.1. Dann bedeutetdie Aussage A ∧ C :

�9 ist eine Primzahl und 2 ist eine Primzahl�

Das ist eine neue Aussage (und zwar eine falsche). Der Wahrheitswertder neuen Aussage A ∧ B ist durch folgende Tabelle (eine sogenannteWahrheitstafel) de�niert:

A B A ∧ B

w w w

w f f

f w f

f f f

Durch die folgende Wahrheitstafel werden weitere logische Verknüpfungende�niert.

A B ¬A A ∧ B A ∨ B A ⇒ B A ⇔ B

w w f w w w w

w f f f w f f

f w w f w w f

f f w f f w w

(b) Disjunktion A ∨ B (�oder�)Bemerkung: Das logische �oder�, ∨, ist nicht, wie meist in der Umgangs-sprache, als �entweder-oder� gemeint 5, sondern als einschlieÿendes Oder.

4Die Aussagenlogik ist kein reines Konstrukt der Mathematik; sie �existiert� in der Natur! Inder Schaltungstechnik werden logische Operationen durch geeignete Schaltkreise realisiert.Dabei bedeutet �A wahr� bzw. �A falsch�:

�A wahr�: Der A-Schalter ist geschlossen, d.h. Strom kann �ieÿen.�A falsch�: Der A-Schalter ist o�en, d.h. Strom kann nicht �ieÿen.

Durch eine Reihenschaltung von mehreren Schaltern lassen sich damit Und-Verknüpfungenrealisieren, durch eine Parallelschaltung Oder-Verknüpfungen. Die Und, Oder und Nicht-Elemente können mittels Halbleitertechnik realisiert werden; damit können binäre logischeAussagen im Prinzip auch experimentell überprüft (besser: �erfahren�) werden.

5Ein �ausschlieÿendes Oder� (entweder oder) kann durch

A∆B := (A ∧ ¬B) ∨ (¬A ∧ B).

de�nieren.

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1 Aussagen und Beweise

Beispiel: Betrachte die Aussagen C1 : �Die Zahl 2 ist gerade� und dieAussage C2 : �Die Zahl 2 ist eine Primzahl�. Die Aussage C1 ∨ C2 : �DieZahl 2 ist gerade oder eine Primzahl� ist auch wahr, da mindestens eineder beiden Aussagen C1, C2 wahr ist. Tatsächlich ist sowohl C1 wie C2

wahr.

(c) Negation (�nicht A�): ¬A.Beispiel:Die Negation von C ist ¬C : �2 ist keine Primzahl�. Die Negationvon �Alle Studenten wissen das es unendliche Primzahlen gibt� ist �Es gibtmindestens einen Studenten, welcher nicht weiÿ, das es unendlich vielePrimzahlen gibt�. Die Aussage ¬B ist �Nicht jede Primzahl ist ungerade�.Achtung: ein typischer Anfängerfehler wäre ¬B mit �Jede Primzahl istgerade� gleichzusetzen. Das kann schon deshalb nicht richtig sein, da jaentweder B oder ¬B richtig sein muss.

(d) Implikation (�A impliziert B�, aus A, folgt B): A ⇒ B

Bemerkung: Eine Implikation A ⇒ B ist stets wahr, wenn A falsch ist!Aus einer falschen Aussage kann man alles folgern!

Beispiel: Die verknüpfte Aussage A ⇒ D : �Ist 9 eine Primzahl danngibt es unendlich viele Primzahlzwillinge� ist also wahr, obwohl wir nichtwissen, ob die Aussage D wahr ist.

(e) Äquivalenz (�A ist äquivalent zu B�, A genau dann, wenn B): A ⇔ B

Beispiel: Sei q eine natürliche Zahl. Die Aussage �q ist eine gerade Prim-zahl� und die Aussage �q ist 2� sind äquivalent. Sie sind entweder beidewahr (nämlich wenn q tatsächlich 2 ist) oder beide falsch.

Mit Hilfe der Wahrheitstafel kann man nun Regeln veri�zieren. Z.B. stelltman fast, dass die Aussage A ∧ B genau dann wahr ist, wenn B ∧ A wahr ist.Die sogenannte Kommutativität von ∧ ist also durch die Tabelle

A B A ∧ B B ∧ A

w w w w

w f f f

f w f f

f f f f

gezeigt. Analog geht man bei der Veri�kation weiterer Regeln vor.

Regel 1.2 (a) Kommutativität:

A ∧ B ⇔ B ∧ A

A ∨ B ⇔ B ∨ A.

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1 Aussagen und Beweise

(b) Assoziativität:A ∧ (B ∧ C) ⇔ (A ∧ B) ∧ C

A ∨ (B ∨ C) ⇔ (A ∨ B) ∨ C.

(c) Distributivität:

A ∧ (B ∨ C) ⇔ (A ∧ B) ∨ (A ∧ C)

A ∨ (B ∧ C) ⇔ (A ∨ B) ∧ (A ∨ C).

(d) Doppelte Negation:¬(¬A) ⇔ A.

(e) de Morgansche Regeln:

¬(A ∧ B) ⇔ ¬A ∨ ¬B

¬(A ∨ B) ⇔ ¬A ∧ ¬B.

(f) Kontraposition:(A ⇒ B) ⇔ (¬B ⇒ ¬A).

(g) Syllogismus:((A ⇒ B) ∧ (B ⇒ C)) ⇒ (A ⇒ C).

1.2 Beweistechniken

Gegeben seien zwei Aussagen A und B. Man will nun beweisen, dass aus derAussage A die Aussage B folgt. Wir müssen also zeigen, dass die Aussage B

wahr ist falls A wahr ist.

Beispiel: Sei q eine natürliche Zahl. Die Aussage A sei �q ist eine geradePrimzahl� und B sei �q ist kleiner als 5�. Wir wollen zeigen, dass die AussageA ⇒ B : �Ist q eine gerade Primzahl, so ist sie kleiner als 5� wahr ist.

Man kann nun auf drei Weisen vorgehen:

• Direkter Beweis: Man nehme an dass A wahr ist und folgere durch eineKette logischer Schlüsse, dass B wahr ist.

Beispiel: Aus A folgt zunächst die Aussage C : �q ist 2�, denn 2 ist einePrimzahl und jede andere gerade Zahl ist durch zwei teilbar und daherkeine Primzahl. Aus C widerum folgt B, denn 2 ist kleiner als 5.

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1 Aussagen und Beweise

• Beweis durch Kontraposition: Hier nutzt man, die Kontrapositionsre-gel, d.h. die Tatsache, dass A ⇒ B genau dann wahr ist, wenn ¬B ⇒ ¬A

wahr ist. Wir nehmen also an dass B falsch ist und versuche, wieder durcheine Kette logischer Schlüsse, zu zeigen, dass dann auch A falsch ist.

Beispiel: Ist q gröÿer oder gleich 5 (Es gelte also ¬B), dann ist q auchungleich 2. Da alle Primzahlen auÿer zwei ungerade sind, ist q ungeradeoder keine Primzahl. Es gilt also ¬A.

• Indirekter Beweis: Hier nutzt man, dass A ⇒ B äquivalent zu ¬A ∨ B

ist. Die Negation dazu ist wiederum A ∧ ¬B. Um nun zu zeigen, dassA ⇒ B wahr ist, zeigt man nun, dass A ∧ ¬B falsch ist.

Sei q eine gerade Primzahl gröÿer oder gleich 5. Als gerade Zahl ist q einVielfaches von 2 und damit keine Primzahl. Ein Widerspruch.

Eine weitere wichtige Beweistechnik ist die Vollständige Induktion. Dazukommen wir aber erst in der kommenden Woche.

1.3 Quantoren

Mathematische Aussagen hängen oft von Variablen ab. Zum Beispiel hängt dieAussage

A(n) : �n ist gröÿer als 2n�

von der Variable n ab. Dabei sind die Variablen meist durch Annahme einesgewissen De�nitionsbereiches eingeschränkt. In obigem Beispiel etwa, sei n einebeliebige natürliche Zahl. Wir nehmen hier schon mal die Bezeichnung n ∈ N

für n aus den natürlichen Zahlen vorweg. Wir schreiben

∀n ∈ N : A(n)

statt �Für alle n gilt die Aussage A(n)�. Wir schreiben

∃n ∈ N : A(n)

statt �Es existiert ein n, so dass die Aussage A(n) gilt�. Die Symbole ∀ bzw. ∃ist der sogenannte Allquantor bzw. Existenzquantor.

Beispiel 1.3 Die folgenden Aussagen seien für ganze Zahlen n bzw. m erklärt.

• In obigem Beispiel ist A(n) für alle natürlichen Zahlen n falsch. Wir könn-ten also schreiben

∀n ∈ N : ¬A(n).

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1 Aussagen und Beweise

• Sei nun B(n) die Aussage �n2 > n�. Für gewisse n ist diese Aussage wahr(etwa für n = 3). Wir können also schreiben

∃n ∈ N : B(n).

Beachten Sie, dass bei einer Negation einer Aussage die Quantoren ∀ und ∃

ihre Rollen vertauschen, d.h. es gilt

¬ (∀n ∈ N : A(n)) ⇔ ∃n ∈ N : ¬A(n).

Oder in Worten ausgedrückt: Ist A(n) nicht für alle n richtig, dann gibt esmindestens ein n, so dass A(n) falsch ist. Analog gilt

¬ (∃n ∈ N : A(n)) ⇔ ∀n ∈ N : ¬A(n).

Beispiel 1.4 Die Aussage C(n, m) �n ist gröÿer als m� hängt von den natürli-chen Zahlen n und m ab.Die Aussage D : �Für jede natürliche Zahl m gibt es eine natürliche Zahl n

so dass n > m� kann man abkürzend schreiben

D : ∀m ∈ N ∃n ∈ N : C(m, n).

Wir stellen zunächst fest, dass D etwas völlig anderes ist wie

E : ∃n ∈ N ∀m ∈ N : C(m, n).

In Worten: �Es gibt eine natürliche Zahl m so dass für jede natürliche Zahl n

die Ungleichung n > m gilt�. Man kann also Existenzquantor und Allquantornicht einfach vertauschen.Aussage D ist wahr, Aussage E ist falsch. E ist aber auch nicht die Negierung

von D. Die ergibt sich durch

¬D : ∃m ∈ N ∀n ∈ N ¬C(m, n).

In Worten: Es existiert eine natürliche Zahl m so dass für jede natürliche Zahln die Ungleichung n ≤ m gilt.

Warnung: Die Symbole ∧,∨,¬,⇒,⇔,∀ und ∃ sind oft sehr nützlich, et-wa wenn man verschachtelte logische Ausdrücke negieren will. Keinesfalls soll-ten sie aber im Sinne stenographischer Abkürzungen in einem mathematischenText (z.B. bei der Bearbeitung von Übungsblättern, Klausuraufgaben oder Ba-chelorarbeiten) verwendet werden. Ein mathematischer Text sollte immer ausvollständigen Sätzen bestehen.

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1 Aussagen und Beweise

1.4 Aufgabentypen

Fast alle Übungsaufgaben lassen sich mit einer der drei folgenden Fragetypenformulieren.

• Beweisen Sie: aus A folgt B:Dies ist die Standardsitutaion, wie sie in Abschnitt beschrieben ist.

• Beweisen Sie, dass A und B äquivalent sind:Um eine Äquivalenz zu zeigen, muÿ man beide Implikationen A ⇒ B undB ⇒ A zeigen.

Beispiel 1.5 Wir beweisen, dass die Aussagen A:�n ist gerade� und dieAussage B:�n2 ist gerade� äquivalent sind. Zunächst zeigen wir A ⇒ B:Ist n gerade, so gibt es eine natürliche Zahl k so dass n = 2k. Damit istauch n2 = 2 · 2k2 gerade.Nun zeigen wir B ⇒ A. Hier probiern wir einen indirekten Beweis:Wir nehmen an n ist nicht gerade, also ungerade. Dann gibt es eine na-türliche Zahl k so dass n = 2k−1. Dann ist n2 = 4k(k−1)+1 und das istungerade. Eigentlich haben wir also ¬A ⇒ ¬B gezeigt. Wir wissen aberschon, dass das Äquivalent zu B ⇒ A ist (Kontraposition).

Beispiel 1.6 Zeigen Sie, dass die folgenden Aussagen äquivalent sind:

G: �Auÿer der 2 läÿt sich jede gerade natürliche Zahl als die Summezweier Primzahlen schreiben�

H: �Alle natürlichen Zahlen, welche gröÿer als 5 sind, lassen sich alsSumme dreier Primzahlen schreiben�

Bemerkung: Aussage G ist mal wieder eine sehr alte unbewiesene Ver-mutung6. Trotzdem können Sie zeigen, dass Aussage G und Aussage H

äquivalent sind (Versuchen Sie es).

• Beweisen oder Widerlegen Sie Aussage A: in Übungsblättern undKlausuren werden Sie heu�g mit einer Aussage konfrontiert, von der Siezunächst nicht wissen ob sie wahr oder falsch ist7. Zunächst sollten Sieschauen ob Sie die Aussage schnell mit einem einfachen Gegenbeispielwiderlegen können. Falls ja, dann ist die Aufgabe gelöst, denn ein Gegen-beispiel ist ein Beweis, nämlich dafür, dass eine Aussage falsch ist.

Beispiel: Beweisen oder widerlegen Sie die folgende Aussage: �Für jedenatürliche Zahl m gibt es eine natürliche Zahl n so dass n + m = nm�

6Die sogenannte Goldbachsche Vermutung. Seit 1742 haben Mathematiker vergeblich ver-sucht sie zu bewiesen.

7Im Beruf und in der Forschung ist das der Normalfall. Wenn man schon weiÿ ob die Aussagefalsch oder wahr ist, würde man Sie nicht fragen

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1 Aussagen und Beweise

Wer es probiert wird schnell ein Gegenbeispiel �nden. Die richtige Antwortist also: � Die Aussage ist falsch. Z.B. für m = 1 gibt es kein solches n,denn für jede natürliche Zahl n gilt n + 1 > n · 1. �

Achtung: Ein Beispiel ist kein Beweis! Für gewisse natürliche Zahlen m

gibt es ein n so dass n + m = nm. Z.B. für m = 2 wähle man n = 2.Dieses Beispiel liefert aber keinerlei Erkentnis darüber, ob obige Aussagewahr oder falsch ist.

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