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1 Einführung in die Phonetik und Phonologie Sitzung 6 PhonologischeGrundlagen Zu lesen: Clark & Yallop, Kap. 4, The Phonemic Organization of Speech Version SS 2006

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Einführungin die Phonetik und Phonologie

Sitzung 6PhonologischeGrundlagen

Zu lesen: Clark & Yallop, Kap. 4,The Phonemic Organization of Speech

Version SS 2006

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Aufgabe 1 von Sitzung 5

[o] - Q: Stimmlippenschw.; F: Gesamter Vokaltrakt[x] - Q: Turbulenz an der F: vorderer Mundraum

velaren Verengung;[m]- Q: Stimmlippenschw.; F: Rachenraum und Nasenraum

+ Mundraum als Nebenfilter[z] - Q: Stimmlippenschw.+; F: Mundraum vor der alveolaren

Turbulenz an der Verengungalv. Verengung

[h] - Q: Turbulenz an der F: Gesamter Vokaltraktverengten Glottis

1. Bitte nennen Sie, was gemäß der "Quelle-Filter-Theoriein den folgenden Lautkategorien als Quelle und was alsFilter betrachtet wird:

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Aufgabe 2 von Sitzung 5

a) Welche Unterschiede in den Resonanzen (Formanten) lasseneinen [i]-Vokal von einem [a] einerseits und einem [u] anderer-seits unterscheiden?

[i] hat einen tiefen F1 (ca. 300 Hz) und hohen F2 (ca. 2300 Hz);[u] hat einen tiefen F1 (ca. 300 Hz) und tiefen F2 (ca. 700 Hz);

b) Welche Eigenschaften der Vokaltraktknfiguration sind fürdiese Resonanzunterschiede verantwortlich?

Sowohl [i] als auch [u] sind „geschlossene“Vokale, was sichim tiefen F1 widerspiegelt; [i] ist ein ungerundeter Vorderzungen-vokal, was sich im hohen F2 zeigt, während [u] ein gerundeterHinterzungenvokal ist, was den tiefen F2 zur Folge hat.

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Was ist die Phonologie?

derjenige Teil der Sprachwissenschaft, der die lautlicheStruktur einer Sprache beschreiben will.

..... der aber auch die Funktion dieser Struktur in der Spracheerfassen will. (und erklären?).

..... der auch wenn möglich mit der Beschreibung inverallgemeinernder Weise das Funktionieren der lautlichenMuster erklären will.

Von unserer Betrachtung der phonetischen Klassifizierungsmöglichkeitensprachlicher Laute wissen wir, dass die Sprache als Träger von Informationfunktioniert, weil Muster erkennbar sind.

“Muster”bedeutet eigentlich nichts anderes als eine Anordnung von Elementen,was dasselbe ist wie eine Struktur. D.h., Ohne Struktur kein Muster.

Das (Über)tragen von Information ist natürlich im weitesten Sinne die Funktiondieser Struktur. Aber diese Funktion kann bei Betrachtung der verschiedenenStrukturen differenzierter gesehen werden (s.u.: Wortunterscheidung; Satzmodus-unterscheidung usw.)

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Was meinen wir mit Struktur?

welche Laute es gibt und wie sie zu größeren Einheiten(Silben, Morphemen, Wörtern) zusammengesetzt werden(= segmentale Phonologie).

wie die größeren Strukturen in ihrer Beziehung zueinanderorganisiert sind (= prosodische oder suprasegmentalePhonologie).

Bei der phonetischen Klassifizierung von Lauten haben wir nur Einzellaute(natürlich auch komplexe Einzellaute wir Affrikaten und Diphthonge). Sie unddie Regeln für ihre Zusammensetzung sind ein wichtiger Teil der Phonologieeiner Sprache.

Aber die aus Lauten zusammengesetzten Muster (Silben und Wörter) werdenselbst zu größeren Einheiten zusammengesetzt und diese größeren Einheiten, dietrotz gleicher lautlichen Zusammensetzung durch andere lautliche Mittel(Hervorhebung, Melodieunterschiede) differenziert werden können. DieseEbene der lautlichen Gestaltung bildet die prosodische oder suprasegmentalePhonologie (weil sie natürlich auch bestimmten Regeln folgen).

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Was meinen wir mit Funktion?

In der Regel ist es die Funktion der sprachlichen Informations­differenzierung.D.h., es hat mit der Bedeutungsdifferenzierung einerÄußerung im weitesten Sinn zu tun

Dies kann auf der Ebene der Wortunterscheidung in dersegmentalen Phonologie sein (z.B., leiten vs. leiden)

es kann eine satzmodale Unterscheidung sein, die vonder prosodischen Struktur signalisiert wird:(z.B., Du kommst morgen! vs. Du kommst morgen?)

oder eine informations-strukturelle Unterscheidung(z.B., Du kommst morgen? vs. Du kommst morgen?),die auch in der prosodischen Phonologie zu suchen ist.

Hier beschreiben wir die differenzierteren Funktionen, die die lautlichen Musterauf verschiedenen Beschreibungsebenen haben können.

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Unser Vorgehen

werden wir zunächst die Frage der Wortunterscheidungbehandeln (da diese der Ausgangspunkt für die Entwicklungphonologischer Theorien war).

Später wird die prosodische Phonologie behandelt

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Das Phonem

Definition: Kleinste bedeutungsunterscheidende Einheit

Beweisführung: Durch Minimalpaare nachweisbar.D.h., Wortpaare (isolierbare Äußerungsteile), diesich in nur einem Laut unterscheiden.

Beispiele: mein Hut vs. dein Hut /m/ /d/mein Sack vs. mein Pack /z/ /p/

Notationskonvention: Phoneme werden normalerweise zwischenSchrägstriche gesetzt. Phonetische Angaben werden ineckige Klammern gesetzt ([b], [l], [m])

Die Grundelemente in Wörtern sind die Laute, die sie unterscheiden.

Diese bedeutungsunterschiedende Funktion definiert das Phonem.

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Problem(chen)

Verteilung: Ist eine phonemischer Unterschied immer einphonemischer Unterschied?

Oppositionen sind oft lückenhaft:- //; //; // sind im Deutschen nach Kurzvokalenselten:

Ebbe, dibben, Egge, Widder, ……

Diese „Lücken“in der Verteilung der distinktiven Laute sind auchein Teil der Lautstruktur einer Sprache.

- stimmhafte Obstruenten kommen im Auslaut nichtvor:

Bein //; Diebe //; Sieb /zip/- die Opposition /s/-/z/ kommt nur wortmedial vor:

sein //; reißen-reisen; weiß //

Ein Phonem kann in unterschiedlicher Position phonetisch etwas unterschiedlichsein (e.g., // = [], [], []). Sind sie dasselbe Phonem?

Wenn man einen Unterschied hören kann, kann man nicht ohne weiteresbehaupten, dass sie “dasselbe”Phonem sind.

Wenn für eine bestimmte Position kein Minimalpaar fehlt, ist der formaleBeweis nicht gegeben.

Diese “Lücken”in Oppositionen führten zu verschiedenen theoretischenStandpunkten/Schulen (z.B. unterschiedliche Phoneminventare für wortinitial,wortmedial, wortfinal)

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Phonetische Variabilität

„Vergleichbare“Laute in verschiedenen Kontexten sind mehroder weniger ähnlich:

- //; //; // sind manchmal aspiriert, manchmal nicht, abersie sind immer stimmlos und recht stark artikuliert:Wir akzeptieren /t/ in Tag und stark als dengleichen Laut.

- die beiden /t/s haben nur die Aspiration als Unterschied;dies kann dem Kontext zugeschrieben werden(Anlaut vor vokal vs. nach //).

- d.h., die Varianten von /t/ kommen nicht in derselbenUmgebung vor –sie sind „komplementär verteilt“

- Diese Varianten eines phonetisch vergleichbaren Lautes inkomplementärer Verteilung werden Allophone genannt.

Um Varianten in unterschiedlichen Positionen theoretisch als zum selbenPhonem gehörend zu akzeptieren, muss man nur zeigen, dass dieselbenVarianten nicht in derselben Position auftreten; d.h., sie sind nie in Opposition(bedeutungsunterscheidend). Sie müssen “komplementär verteilt”sein.

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Phonetische Ähnlichkeit

„Ein Problem bei der Allophondefinition (und deshalb der Phonem-bestimmung) ist die Bedingung mehr oder weniger ähnlich!

- Die(fehlende) Aspiration bei //; //; // ist unproblematisch.Deutsche merken es gar nicht, wenn man es ihnen nicht sagt.

- <ch> kann je nach Umgebung [] oder [] ausgesprochenwerden. Das merkt man schon sehr deutlich. Sie sind aberkomplementär verteilt und unterscheiden keine Wörter .......... oder doch? (Beispiel tauch-en vs. Tau-chen)

- // und // sind auch komplementär verteilt, aber man kannnicht behaupten, dass sie im entferntesten phonetischähnlich sind.

- das Kriterium „phonetisch ähnlich“ist schwer, objektiv zubestimmen; vgl. [], [], [], als Allophone von /r/!

Komplementäre Verteilung alleine bestimmt aber nicht den Status als Allophon.Die Laute müssen phonetisch ähnlich genug sein, um plausibel als Variantendesselben Phonems zu sein.

Klar, dass wir [h] und [h] nie als dasselbe Phonem sehen würden.

Aber wie ist es mit [h] und [x]? (Beide sind stimmlose Frikative)

In der phonetischen Ähnlichkeit liegt auch das Problem der berühmt-berüchtigsten “Allophone”des Deutschen: [] und [].Sie sind (mit Ausnahme von wenigen nicht sehr überzeugenden Wortpaaren)komplementär verteilt, aber sie sind auditiv sehr unterschiedlich.(noch dazu, ist [] in vielen Deutschen Dialekten phonetisch fast identisch mit//).

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Weitere Probleme mit Phonemen

•Einerseits werden Wortbedeutungen durch Phoneme unterschieden

•Andererseits kann sich die Lautform eines Morphems mit demKontext ändern (Morphem = bedeutungstragende Einheit):

z.B., Rad //; (des) Rades //•Von unserer Analyse der Phonemverteilung wissen wir, dass es

kein /d/ am Wortende geben kann…..… deshalb wissen wir, dass die „eigentliche“Lautform von Rad// sein müsste. Nur, wenn es im Wortauslaut erscheint, wird es /t/.

•Die Definition von Phonem lässt aber keine „Phonemveränderungen“eines Wortes zu. Deshalb hat man früher eine „morphophonemische“Beschreibung aufgestellt (getrennt von der Phonembeschreibung).•Wenn wir aber das Phonem aufgeben, die Lautform des Morphems

als konstante zugrundeliegende Form nehmen, kann die Phonologiedie verschiedenen Varianten der Oberflächenform beschreiben.

Ein weiteres theoretisches Problem mit dem Konzept des “Phonems”ist seineAbhängigkeit von der hörbaren lautlichen Struktur (von der lautsprachlichen“Oberfläche”) und seine Unabhängigkeit von anderen linguistischen Ebenen (vonder “zugrundeliegenden”morphologischen Struktur, die konstant bleibt, obwohldie phonemische Struktur sich ändern kann).

Diese Spannung führte letztendlich zum Tod des Phonems als theoretischbedeutendes Konzept –obwohl noch heutzutage häufig von “Phonemerkennung”die Rede ist, wenn man eigentlich nur “Sprachlaut”meint.

Was geblieben ist, natürlich, ist das Konzept von distinktiven Oppositionen (dennohne distinktiven Unterschiede wäre die Wortunterscheidung nichtaufrechtzuerhalten).

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Phonemeigenschaften und Merkmale

•Von der Phonetik wissen wir, dass Sprachlaute nach ihrenEigenschaften systematisch beschrieben werden können.

•Wenn die Lautstruktur eines Morphems sich verändert, kann dieVeränderung alsregelhafte Änderung der Merkmalstrukturdargestellt werden, ohne dass theoretische Probleme mitBedeutungsveränderungen ins Spiel kommen ….

•Wenn phonetische Eigenschaften zwei Phoneme unterscheiden,können wir von distinktiven Eigenschaften sprechen.

•Geben wir den Eigenschaften einen phonologischen (formalen)Status, können wir sie distinktive Merkmale nennen………. die Merkmale eines Lautes macht die Identität des Lautes imformalen Sinne aus. Die Laute sind Merkmalbündel

… denn die zugrundeliegende Lautstruktur des Morphems wirddurch die Veränderung an der Oberfläche nicht berührt,

In Europa wurden seit den Anfängen der Prager Linguistik (in den 20er Jahren)die Phoneme als “Bündel von distinktiven Eigenschaften”betrachtet.

D.h., dass man potentiell die Phoneme nicht als unauflösbare Einheiten sondernals zusammengesetzte Strukturen sehen konnte.

Die Spannung zwischen der zugrundeliegenden Struktur und der lautlichenOberfläche verschwindet. Die Änderung ist als Merkmaländerung zubeschreiben und man sieht gleichzeitig, dass alle anderen Merkmale unverändertsind.

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Warum Merkmale statt Laute?

•Der theoretische Ballast des „Phonems“bedeutet nicht unbedingt,dass wir nur mit Merkmalen arbeiten müssen.

•Aber distinktive Merkmale haben starke Vorteile:- sie lassen Verallgemeinerungen zu, weil sie Laute zu Klassen

zusammenbringen. Alle Laute, die ein Merkmal gemeinsam haben,bilden eine natürliche Gruppe.

- wenn eine Veränderung der Lautstruktur als eine ganze Klassevon Lauten betreffend dargestellt werden kann, hat man nichtnur ein einmaliges Ereignis sondern eine Regelmäßigkeit derLautstruktur der Sprache erfasst:

- statt /b/ wird zu /p/, /d/ wird zu /t/, /g/ wird zu /k/, /v/ wird zu /f/,/z/ wird zu /s/ usw., können wir zusammenfassen:

stimmhafte Obstruenten werden stimmlos

Vor Chomsky war das distinktive Merkmal kein Todesstoß für das Phonem;beide Konzepte konnten nebeneinander existieren.

Die Merkmale brachten aber eine formale Tiefe zu den Beziehungen zwischenden Sprachlauten einer Sprache. Sie konnten auf der Basis gemeinsamerMerkmale zu sich überscheidenden Lautklassen gruppiert werden.

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Merkmale zusammengefasst•Mit wenigen Merkmalen erfaßt man viele Laute

(Bescheibungsökonomie)-•Untergruppen von Lauten werden explizit als lautlich verwandt

gekennzeichnet (natürliche Lautklassen)

•Veränderungen, die eine natürliche Klasse betreffen, sindeinfach zu erfassen (phonologische Regeln)

N.B. Je grundlegender ein lautlicher Unterschied, desto größerdie natürliche Klasse, die durch das Merkmal erfaßt wird.

z.B.: [+ konsonantisch] - gruppiert alle Konsonanten[+ stimmhaft] - alle stimmhaften Laute[+ lateral] - nur einen Laut (im Deutschen

- Aspirierte Plosive werden aspirationslos nach initialem Frikativ- Lenisobstruenten sind stimmhaft zwischen Sonoranten

und stimmlos nach stimmlosen Obstruenten

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Merkmalsysteme

„Merkmale“sind Eigenschaften, die zur Unterscheidung vonGegenständen oder Elementen in einem System dienen.

Wir haben nicht Laute, die aus Merkmalen bestehen,sondern Merkmale, die in ihrer Zusammensetzung dieLaute definieren.

Die artikulatorische phonetische Klassifikationssystem ist einuniverselles Beschreibungssystem, das bedeutungsunterscheidendeEigenschaften von kontextbedingten nicht unterscheidet.D.h.,es ist kein phonologisches System.

Zur Erfassung von Lautsystemen (in Sprachen) können wirartikulatorische, akustische oder auch ganz abstrakte Merkmaledefinieren.

Deshalb haben Phonologen verschiedene (miteinander verwandte)Systeme entwickelt, die dem Merkmal einen eigenen theoretischenStatus im Lautsystem gewährt.

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Jakobson, Fant & Halle

Die formale Entwicklung der Theorie distinktiver Merkmale istprimär Roman Jakobson zu verdanken (obwohl die Wurzeln schonim ursprünglichen Prager Kreis zu finden sind).a) Distinktive Merkmale sind die minimalen linguistischen

Einheiten (nicht nur klassifikatorische Dimensionen).b) Es werden nur binäre Oppositionen angenommen.c) Die Beschreibungsbasis für die Sprachen der Welt sollte eine

minimale Anzahl von Merkmalen sein.d) Die Merkmale für die Beschreibung eines Sprachsystems

werden von einem kleinen Satz von universalen distinktivenMerkmalen genommen.

e) Die phonetische Begründung der Merkmale ist wichtig.f) Die Merkmale mit den Werten +, –und 0 (nicht relevant) sind als

Matrix arrangiert.

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Jakobson, Fant & Halle (1956)

Prosodischec vs. inhärente Merkmale:

Prosodisch: 3 Merkmale, intra- and intersilbischTon: Modulation TonhöheKraft: Stød AkzentQuantität: Anschluss Länge

Inherent: 12 Merkmale:8 Sonorität: vocalic/non-vocalic; conson/non-cons; nasal/oral;

compact/diffuse; abrupt/contin; strident/mellowchecked/unchecked; voiced/voiceless

1 Spannung: tense/lax3 Tonalität: grave/acute; flat/non flat; sharp/non-sharp

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JFH –Prosodische MerkmaleDie prosodischen Merkmale wirken durch Kontrast in derZeitdimension (nicht als Opposition zu einem anderen Merkmalwert).D.h. Intrasilbisch sind Veränderungen im Verlauf der Silbe

zu verzeichnen:Tonmodulation; (steigend, fallend usw.)Kraftveränderung (Dk. Stöd); oder durch„Abschneiden“eines Vokals (geschlossene vs. offene Silben).

Intersilbisch sind Veränderungen von einer Silbe zur anderen zuverzeichnen:

Tonhöhe benachbarter Silben,die relative Kraft (Akzentuiertheit) unddie relative Länge benachbarter Silben.

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JFH –Inhärente MerkmaleDie inhärenten (segmentalen) Merkmale wirken durch Opposition zueinem anderen Merkmalwert.Sonoritätsmerkmale:vocalic/non-vocalic; conson/non-cons;nasal/oral; compact/diffuse;abrupt/contin; strident/mellowchecked/unchecked; voiced/voiceless

Spannungsmerkmal:tense/lax

Tonalitätsmerkmale:grave/acute; flat/non flat;sharp/non-sharp

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JFH –Inhärente Merkmale•Die Merkmale sind sowohl akustisch als auch artikulatorisch

definiert, …… aber nur im allgemeinsten Sinne (Prinzip derphonetischen Begründung).

z.B. ±vocalic: glottal Anregung, unbehinderter Vokaltrakt; Formanten± strident: hohe Signalintensität in hohen Frequenzen, zusätzliche

Behinderung im Vokaltrakt.•Alle Merkmale sollten auf Vokale und Konsonanten anwendbar sein

(Prinzip der Merkmalminimierung).z.B. ±compact: bei offenen Vokalen (gegenüber den „diffusen“

geschlossenen Vokalen) und bei velarenObstruenten (gegenüber alveolaren und labialen).

•Kritik wurde an der übermäßigen Ökonomie geübt, die zu problema-tischen Verallgemeinerungen führte:

z.B. +flat: bezog sich auf i) gerundete, ii) pharyngalisierte und iii) retro-flexe Laute. (Annahme, dass keine Sprache mehr als 1 davonhat).

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JFH - Merkmalmatrix für Deutsch

Nur 9 der 12 Merkmale werden benötigt.

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Chomsky & Halle: Inhärente Merkmale 1

•Merkmale sind entlang vier Dimensionen definiert (imVergleich zu den dreien bei JFH):

- Major class features.

- Cavity features.

- Manner features.

- Source features

•Außer der ersten Dimension, spiegeln diese derartikulatorischen produktionsbezogene Perspektive wider(nicht der akustisc/perzeptuellen).

(funktionale Definition)

(artikulatorische Definition)

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Vergleich inhärenter Merkmale 1

In dieser Tabelle sehen wir, wie sich die Merkmale von Mal zu Mal änderten.Das Inventar von Chomsky Halle bleibt das einflussreichste, aber verschiedenePhonologen haben eigene Varianten eingeführt.---------------

Mit den Major Class Merkmalen können alle Lautarten erfasst werden:

+cons –sonorant (> –syllabic) = Obstruenten+cons –syllabic +sonorant = konsonantische Sonoranten–cons +syllabic (> +sonorant) = Vokale–cons –syllabic –sonorant = sog. „glides“= [h] und [])

----------------

high, low & back beziehen sich auf den Zungenrücken und sind daher primar für Vokalezu verwenden.Allerdings gelten velare Konsonanten als +high (weil der Zungenrücken gehoben seinmuss).

distributed bedeutet eine längere (mit Zungenblatt + Zungenspitze) Verengung (vs.nur Zungenspitze)

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Vergleich inhärenter Merkmale 2

strident ist eins der eher akustisch (bzw. auditiv) definierten Merkmale.Es wird z.B. für /s/ und // benutzt, weil sie hohe Intensität besitzen.Aber von einigen Phonologen wird es für Affrikaten vs. Plosive benutzt(obwohl diese Opposition mit +/- instantaneous release (später delayedrelease) auch erfasst werden kann) und/oder für uvulare Laute vs. velareLaute.

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Merkmalanwendung (SPE)

Vokale: [+syllabic, –consonantal, (+sonorant)](Vokaltrakt bereit für Stimmhaftigkeit; ohne Behinderung imMundraum; silbentragend)

Obstruenten: [–syllabic, +consonantal, –sonorant](Vokaltrakt nicht bereit für Stimmhaftigkeit; Behinderung imMundraum; nicht silbentragend)Konson. Sonoranten: [–syllabic, +consonantal, +sonorant](Vokaltrakt bereit für Stimmhaftigkeit; Behinderung imMundraum; nicht silbentragend)„Glides“([]): [–syllabic, –consonantal, –sonorant](Vokaltrakt nicht bereit für Stimmhaftigkeit; ohne Behinderung imMundraum; nicht silbentragend)

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Merkmalanwendung (SPE)

Labiale Laute: [+anterior, –coronal]Alveolare Laute: [+anterior, +coronal]

Postalveolare Laute: [–anterior, +coronal]

Velare Laute: [+back, –coronal, +high]

Plosive: [–continuant, –sonorant, –del. release]

Frikative: [+continuant, –sonorant]

Nasale: [–continuant, +sonorant]

Approximanten: [+continuant, +sonorant]

Palatale Laute: [–anterior, –back, –coronal]

Affrikate: [–continuant, –sonorant, +del. release]

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Merkmalanwendung (SPE)

Vokale: alle [+silbisch, –consonantal] und:: [+high, –back, +tense, –round]

y: [+high, –back, +tense, +round]

[–high, –low, –back, –tense, –round]

[–high, –low, +back, –tense, +round]

[+high, +back, –tense, +round]

: [–high, –low, –back, +tense, +round]

u: [+high, +back, +tense, +round]

a [+low, +back, –tense, –round]

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Übung: Phonologische Grundlagen

Folgende deutsche Wortpaare zeigen distinktiven Unterschiedzwischen /p/ und /f/ in verschiedenen Positionen im Wort.

Pein / fein; Raupe / raufe; Kneipp / kneif(initial) (medial) (final)

Bitte ähnliche Beispielpaare für folgende Lautoppositionen suchen.Warnung: Oppositionen sind nicht immer in allen Positionen belegt.

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Übung: Phonologische Grundlagen (forts)

2. Im Koreanischen findet man [r] und [l] Laute. Folgende Wörterbelegen es. Welche funktionale Beziehung haben die zwei Lautezueinander? Nach welchen Gesetzmäßigkeiten treten sie auf?rupi - "Rubin„ kiri - "Straße"saram - "Person irmi - "Name"ratio - "Radio„ mul - "Wasser"pal - "groß„ s ul - "Senoul"ilkop - "sieben ipsala - "Friseur"

= geschlossener ungerundeter Hinterzungenvokal

3. Können Sie Argumente (und Wortmaterial) finden, warum[], [] und [] im Deutschen (a) 3 Phoneme sind, (b) 2 Phoneme mit 2Allophonen eines Phonems sind? Hilfestellung: In welcher Umgebungkommen die zwei Laute vor? Gibt es Minimalpaare?

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Hausaufgabe

Übung zu den SPE distinktiven MerkmalenDefinieren Sie die Merkmale der Segmente im Wort „Zeilen":

: Z ei l e nMerkmale [ ]