Einführung - Museen in Bayern · 2014. 12. 22. · Juni 2013 heimsuchte und auch in den Museen der...

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Herausgeber:Landesstelle für die nichtstaatlichen Museenbeim Bayerischen Landesamt für DenkmalpflegeAlter Hof 280331 MünchenTelefon 089/21 01 40-0Telefax 089/21 01 [email protected]

Redaktion:Christine Schmid-Egger M. A.

Grafisches Konzept:Gerwin Schmidt - Büro für visuelle Gestaltung, München

Satz:Sybille Greisinger M. A.

Druck:Fibo Druck- und Verlags GmbH82061 Neuried

Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier

Titelseite:Sascha Wellm

München 2014

ISBN 978-3-9807604-8-5

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GeleitwortAstrid Pellengahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 3 BegrüßungGrußwort des Vizepräsidenten der Universität Passau (Robert Obermaier) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 4

Grußwort des Bürgermeisters der Stadt Passau (Urban Mangold) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 6

Grußwort des Ministerialdirigenten im Bayerischen Staats-ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (Toni Schmid, in Vertretung für Herrn Staatsminister Dr. Wolfgang Heubisch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 8 EinführungJa was is denn des?! Forschen im Museum (Michael Henker) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 10

Bayerischer MuseumspreisBayerischer Museumspreis 2013 - Laudatio (Rainer Fürhaupter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 13

Vorträge: Forschung im MuseumDas Forschungsprojekt „Sammlungen erhalten: Die Temperierung als Mittel der Präventiven Konservierung in Museen – Eine Bewertung“ (Ralf Kilian/Susanne Rißmann). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 16

Zur Provenienzforschung im Jahr 2013 in Bayern, ein Überblick (Andrea Bambi) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 20

Häuser „und mehr“ – Forschung am Freilichtmuseum (Georg Waldemer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 28

Kröninger Hafnerware - einst ein begehrter Exportartikel (Lambert Grasmann) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 34

Schmutz, Staub und Sensationen. Zur Arbeit des Genisaprojekts Veitshöchheim (Martina Edelman) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 37

Vom Umgang mit unserem kulturellen Gedächtnis. Das Deutsche Kunstarchiv im Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg (Birgit Jooss) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 40

Exkursionen/SchlussveranstaltungChristine Schmid-Egger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 44

Tagungsimpressionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 46

Postersession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 48

Autoren/Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 64

Inhalt

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Geleitwort

Geleitwort 3

Mitten in den Vorarbeiten zum 18. Bayerischen Museumstag, der vom 8.-10. Juli 2015 in Kulmbach stattfinden wird und zu dem ich Sie schon jetzt herzlich einladen darf, blicken wir mit der vorliegenden Publikation noch einmal auf den Bayerischen Museumstag 2013 in Passau zurück.

Das „Jahrtausendhochwasser“, das den Tagungsort Passau im Juni 2013 heimsuchte und auch in den Museen der Stadt große Schäden anrichtete, hatte im Vorfeld befürchten lassen, dass der 17. Bayerische Museumstag buchstäblich ins Wasser fallen könnte. Glücklicherweise war dies nicht der Fall und so kamen über 300 Kolleginnen und Kollegen vom 10.-12. Juli 2013 nach Passau, um sich anhand von Vorträgen, Diskussionen und einer Postersession mit dem Thema „Forschen im Museum“ auseinanderzusetzen. Die Tagung begann mit Stadtführungen und Besuchen der Passauer Museen, wobei auch die Hochwasserschäden besichtigt und über künftige Präventionsmaßnahmen beraten wurden. Am Abend schloss sich ein geselliges Beisammensein im Biergarten an. Nach den offiziellen Begrüßungen seitens der gastgebenden Stadt und der Universität sowie des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst erfolgte der fachliche Ein-stieg in das Tagungsthema anhand zweier einführender Vorträge zu den unterschiedlichsten Forschungsfeldern im Rahmen der Museumsarbeit sowie zur Rolle der Museen als außeruniversitäre Forschungseinrichtungen.

Mit Spannung erwartet wurde die Bekanntgabe des von der Versicherungskammer Bayern ausgelobten Bayerischen Museums-preises 2013. Er wurde dem Stadtmuseum Kaufbeuren für seine Neukonzeption zuerkannt und als damalige Museumsleiterin habe ich diese Auszeichnung gemeinsam mit dem Museumsteam und dem Oberbürgermeister der Stadt Kaufbeuren mit Freude entgegen genommen. Auch den weiteren Nominierten der „Endrunde“, dem Gärtner- und Häckermuseum Bamberg, dem Limeseum in Ruffenhofen und dem Bayerischen Trachtenkulturzentrum in Holzhausen, gebührt große Anerkennung. Nach dem Mittags-empfang des Freistaats Bayern legte ein erster Vortragsblock die derzeit mit Unterstützung der Volkswagenstiftung unter Feder-führung der Landesstelle und des Fraunhofer-Instituts laufenden Forschungen zum Einsatz der Temperierung in Museen dar sowie die Suche nach in der NS-Zeit jüdischen Besitzern geraubten Kulturguts im Rahmen der Provenienzforschung in Bayern. Dass in Freilichtmuseen weit mehr als nur Hausforschung betrieben wird, zeigte ein weiterer Beitrag auf. Im zweiten Vortragsblock standen Beispiele aus einzelnen Museen und Institutionen im Mittelpunkt, wie die Forschungsergebnisse aus dem Vilsbiburger Heimatmuseum zur Geschichte der Keramik in Niederbayern, die Untersuchung von Genisa-Funden in Veitshöchheim und die Arbeit des Deutschen Kunstarchivs im Germanischen National-museum. Den Abschluss des Tagungstages bildete ein Empfang der Stadt Passau im historischen Rathaussaal.

Beim abschließenden „Exkursionstag“ standen alternativ angebotene Besuche in niederbayerischen Museen auf dem Programm wie im Gäubodenmuseum Straubing, im Freilicht-museum Massing, im Heimatmuseum Vilsbiburg und im Museum Dingolfing. Beim abschließenden Empfang des Bezirks Nieder-bayern im Trachtenkulturzentrum in Holzhausen bei Landshut stellten zudem 16 bayerische Museen ihre Forschungsprojekte im Rahmen einer Postersession vor und man konnte das vorbildliche Depot des Trachtenkulturzentrums besichtigen.

Wir würden uns freuen, wenn die vorliegenden Vorträge und Projektbeispiele aus bayerischen Museen einen Anreiz geben könnten, wie Forschung im Museum gelingen kann.

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Anlässlich des 17. Bayerischen Museumstages darf ich Sie im Auditorium Maximum der Universität Passau ganz herz-lich begrüßen. Dass Ihr zweijähriger Veranstaltungsturnus Sie heute nach Passau führt, freut uns ganz besonders; mehr noch natürlich, dass Sie Ihrem Tagungsmotto folgend „Forschen im Museum“ die Universität Passau als Tagungsort gewählt haben. Dieser Entschluss ist zweifellos konsequent, er ehrt uns, aber er ist vor allem eines: richtig. Welchen anderen Schauplatz sollten mehrere hundert Fachleute aus dem In- und Ausland zur Durch-führung der größten Museums-Fachtagung im deutschsprachigen Raum wählen, um über Forschung zu sprechen, als eine Uni-versität, jenen Ort, der die Universitas litterarum, die Gesamtheit der Wissenschaften, bilden soll. Und so ist die Universität Passau stolz darauf, in diesem Jahr die Gastgeberin für Ihre wissen-schaftliche Tagung zu sein, für die Sie in den kommenden Tagen Ihre Museen verlassen haben.

Denn zumindest im antiken Griechenland war das Museum (griech.: μουσείο, musío) ja das Heiligtum der Musen, jener Schutzgöttinnen der Künste, der Kultur und der Wissenschaften, in das sich die Göttinnen vor den Menschen zurückziehen konnten. Sie waren von der profanen, der ungeheiligten Welt, also schlicht jener Welt, die sich außerhalb des Museums befand, durch Mauern getrennt. Nicht zuletzt mit dem Aufkommen der modernen Wissenschaften wird das Museum als eine Einrichtung zur Sammlung bedeutsamer, lehrreicher oder exemplarischer Dinge gesehen, die in diesem Sinne museale Gegenstände für die Öffentlichkeit aufbewahrt, sie kategorisiert und als Exponate für eine breite Öffentlichkeit zugänglich macht.

So darf nunmehr der profane Mensch das „Heiligtum“ (lat. fanum) betreten und womöglich verspürt man – je nach musealer Inszenierung – tatsächlich auch heute noch so etwas wie Ehr-furcht, wenn z. B. im Louvre zu Paris La Gioconda, die in Deutsch-land eher als Mona Lisa bekannt sein dürfte, oder im Ägyptischen Museum zu Berlin die Büste Nofretetes, der wunderschönen Frau des Echnaton, betrachtet werden kann. Freilich wünschte man sich manchmal weniger Menschen, um solch herausragende Kunst-werke ausgiebiger betrachten zu können. Aber Museen stehen hier wohl vor einem Zielkonflikt, indem sie Interesse für Kunst und Kultur erzeugen sollen, ohne zugleich die Möglichkeit für das ausgiebige Betrachten und Studieren, ja das Forschen eben, auf-grund der Vielzahl der Betrachter zu sehr einzuschränken.

Nicht jeder Museumsbesucher ist ja in der Lage, wie der zweiundachtzigjährige Reger in Thomas Bernhards großartigem Roman Alte Meister, den Bordonesaal im Kunsthistorischen Museum in Wien für sich allein zu beanspruchen, um dort an Musikkritiken für die Times zu arbeiten. Reger ist ein philo-sophischer, lungenkranker Kunstkritiker, der sich dazu jeden zweiten Tag ins Kunsthistorische Museum setzt, auf „seine“ Bordone-Bank, im Bordone-Saal, vor den Weißbärtigen Mann von Tintoretto, seit über 30 Jahren; außer montags; denn an diesem Tag hat das Kunsthistorische Museum geschlossen. Hier, an diesem Ort, kann Reger am besten nachdenken, kritisieren und aufdecken, forschen eben, was es in dieser Welt, aber – wenn Sie Thomas Bernhard kennen – besonders in Österreich, an Scheußlichkeiten gibt. Davon abgesehen, hat Reger seine Kunst-betrachtung perfektioniert. Sie besteht darin, jedes vermeintlich großartige Werk so lange und so eingehend zu studieren, bis auch dessen Unzulänglichkeiten aufgedeckt sind. Dass eben alles un-vollkommen ist, ist das deprimierende Ergebnis des im Museum forschenden Reger. „Forschen im Museum“ ist ihr diesjähriges Tagungsmotto. Und als Vizepräsident für Forschung dieser Uni-versität fühle ich mich davon besonders angezogen, um nicht zu sagen, herausgefordert. Was liegt also näher, als die Probe aufs Exempel zu wagen und ein Kunstwerk zum Gegenstand einer forschenden Betrachtung zu machen.

Grußwort des Vize-präsidenten der Uni-

versität PassauRobert Obermaier

a Professor Dr. Robert Obermaier. b Jan Brueghel d. Jüngere, Allegorie der Tulpomanie, um 1640, Öl auf Holz, 30x47cm, Privatbesitz.

4 Begrüßung

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Ich habe dazu – meiner originären Disziplin, den Wirtschafts-wissenschaften, entsprechend – die Allegorie auf die Tulpomanie von Jan Brueghel dem Jüngeren, entstanden um 1640, ausgewählt. Das Werk befindet sich in Privatbesitz. Eine weitere Fassung, die Satire op de Tulpomania, ist im niederländischen Haarlem im Frans-Hals-Museum zu besichtigen.

Wie Sie vielleicht wissen, wurden in den Niederlanden zu Beginn des 17. Jahrhunderts Tulpenzwiebeln zu inflationären Preisen gehandelt. Die sog. Tulpomanie wird als die erste relativ gut dokumentierte Spekulationsblase der Wirtschaftsgeschichte angesehen.

Tulpen waren seit ihrer Einführung in die Niederlande in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein Liebhaberobjekt. Sie wurden in den Gärten sozial gehobener Schichten des gebildeten Bürgertums, der Gelehrten und der Aristokratie gezüchtet. Unter diesen Liebhabern der Tulpenzwiebel herrschte lange Zeit der Tauschhandel vor, allerdings kam zu Beginn des 17. Jahrhunderts der kommerzielle Handel mit Tulpen hinzu. Im Grunde handelte es sich dabei um spekulative Warentermingeschäfte.

In den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts steigerten sich die Preise für Tulpenzwiebeln auf ein vergleichsweise extrem hohes Niveau, bevor der Markt zu Beginn des Februars 1637 abrupt ein-brach. Einzelne Zwiebeln kosteten mehrere tausend Gulden, der höchste Preis für die wertvollste Tulpensorte, Semper Augustus, lag Anfang des Jahres 1637 bei 10.000 Gulden für eine einzige Zwiebel, zu einer Zeit, als die teuersten Häuser an einer Amster-damer Gracht rund ebensoviel kosteten, während beispielsweise ein Zimmermann rund 250 Gulden im Jahr verdiente.

Die steigenden Preise lockten findige Arbitrageure an, die auf Kredit Leerkäufe tätigten, um dann zum späteren Zeitpunkt der Lieferung durch Weiterverkauf der Tulpen ihre Kredite zu bedienen und darüber hinaus einen mitunter beträchtlichen Kursgewinn zu realisieren. Auch Optionsscheine auf Anteile von Tulpenzwiebeln wurden gehandelt. Wie der Kursverlauf der Tulpenzwiebeln zeigt, gingen derlei Geschäfte eine Weile gut, sodass teils immense Spekulationsgewinne möglich waren, bis es Anfang Februar 1637 zu rapiden Preisrückgängen kam, und im Mai 1637 wieder das Preisniveau vor der Spekulationsblase erreicht war. Gegen Ende der Spekulationsblase wurde von staatlicher Seite eine Ausstiegs-klausel erwartet, nach der es den Käufern von Tulpenzwiebeln frei-stand, aus eingegangenen Verträgen auszusteigen und für diesen Fall eine Vertragsstrafe in Höhe von 3,5 Prozent des Handels-wertes zu zahlen. Diese Ausstiegsoption hat die preistreibenden Spekulationen der Händler ein letztes Mal befeuert, die mit noch höher steigenden Preisen und Weiterverkaufsgewinnen rechneten, aber bei sich abzeichnender Gefahr eines Preisverfalls für einen Bruchteil der Vertragssumme hätten aussteigen können.

Ökonomische Erklärungsansätze versuchten später nachzu-weisen, dass ein Überangebot an Geld, ausgelöst durch die Geld-politik der Amsterdamer Wechselbank, dazu führte, dass mehr Geld in spekulative Verwendungsrichtungen gelenkt werden konnte. Alternative ökonomische Erklärungen rekurrieren auf institutionelle Ursachen. Demnach hätten die Händler mit einem Dekret danach gestrebt, die Verträge im Bedarfsfall ver-lustlos annullieren zu können, und seien in Erwartung der Be-stätigung dieses Ansinnens – wie bereits dargestellt – antizipativ risikoreiche Verträge eingegangen. In diesem Sinne war die Tulpomanie eine individuell rationale, aber ökonomisch höchst problematische Antwort auf erwartete Änderungen rechtlicher Rahmenbedingungen.

Die demgegenüber etwas populärere Deutung des Preisan-stiegs und Preisverfalls von Tulpen versteht die damaligen Ereig-nisse als eine der ersten exzessiven Finanzspekulationen, obgleich bereits Zeitgenossen den Preisboom der Tulpenzwiebeln für eine Manie hielten, die einer Massenhysterie gleichkam.

Begrüßung 5

Ganz in diesem Sinne setzt sich Jan Brueghel mit seinem Bild auf satirische Art und Weise mit dem Tulpenboom auseinander und stellt die beteiligten Spekulanten als „Affen“ dar. In ihren Rollen als Tulpenmakler und Tulpenkäufer verweisen sie auf den Irrwitz des Tulpenhandels. Affen galten ja in der Renaissance als satirische Versinnbildlichung menschlicher Gier und Dummheit; zumindest die letzte Konnotation ist bis heute wohl geblieben.

Links oben im Bild ist ein Festmahl zu sehen, mit dem potentielle Käufer amüsiert werden sollten. Wer fühlt sich nicht an Verkaufsgespräche spanischer Fincas erinnert?

Vor der Treppe steht ein „Kaufmann“ im grünen Wams, der ein neues Geschäft anbahnt, während der in orange gekleidete Affe bereits sein ganzes Vermögen in eine Tulpe investiert hat.

Im Vordergrund wiegt ein Buchhalteraffe Tulpenzwiebeln mit Gold auf, während sich im Mittelgrund eine Gruppe rot ge-wandeter Spekulanten versammelt und rechts davon bereits ent-täuschte Käufer kämpfen.

Rechts wird ein Affe, der sein Geld verspekuliert hat, zum Richter geführt, und direkt davor uriniert ein anderer, der den Schwindel wohl auch schon erkannt, aber teuer bezahlt hat, auf die teuerste Tulpensorte.

Dass sich im Hintergrund drei Menschen, unbeeindruckt von dem vordergründigen Affenzirkus, dem „realwirtschaftlichen“ Tagesgeschäft widmen, spannt den surrealen Charakter der „finanzwirtschaftlichen“ Spekulationsblase gelungen auf.

Der eine oder andere mehr oder weniger an Erfahrung reiche Anleger wird angesichts dieser frühen Dokumentation einer Finanzspekulation bedauern, dass er dieses Bild nicht früher schon im Eingangsbereich seiner Bankfiliale gesehen hatte. Es wäre ja kaum auszumalen, welche stabilisierende Kraft dieses Bild zu-mindest für die individuellen Finanzgeschäfte, wenn schon nicht für den gesamten Finanzmarkt entfalten könnte. Man möchte gleich weiterforschen und experimentell untersuchen, ob nicht die Betrachtung dieses Bildes vor dem Abschluss von Finanz-geschäften zu erhöhter Vorsicht mahnen und anhalten würde.

Wir sehen, Kunst kann die zyklische Wiederholung der (Wirtschafts-)geschichte – exemplarisch für viele andere Kultur-bereiche – einfangen, darstellen und auch persiflieren. „This Time is different“ ist regelmäßig zu hören, wenn es eine neue Krise gibt. Der Blick auf dieses Bild belehrt uns eines Besseren: Krise war immer, und Krise wird immer sein. Kunst kann freilich noch mehr. Sie kann uns auf unterhaltsamste Weise belehren. Und sie kann uns sogar Anregungen für die Forschung geben. Dies zu zeigen, habe ich mit meinen einleitenden Worten versucht.

Ich hoffe sehr, dass die bevorstehende Tagung Ihnen noch viele Anregungen mehr gibt und wünsche Ihnen spannende und inspirierende Vorträge und einen fruchtbaren Austausch mit Ihren Kolleginnen und Kollegen während des Bayerischen Museumstags und heiße Sie nochmals herzlich willkommen hier an der Uni-versität Passau.

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Ich begrüße Sie ganz herzlich in Passau, hier im Audimax unserer schönen Universität.

Ich darf Ihnen die besten Grüße von Herrn Oberbürgermeister Jürgen Dupper übermitteln, der heute Vormittag verhindert ist, sich aber freut, Sie heute Abend beim Empfang der Stadt Passau im Historischen Rathaussaal willkommen heißen zu dürfen.

Bei den Veranstaltern, namentlich bei Ihnen, Herr Dr. Henker, und Ihrem Haus bedanke ich mich dafür, dass Sie wieder Passau als Tagungsort ausgewählt haben. Bei den Tagungsteilnehmern bedanke ich mich dafür, dass Sie in so großer Zahl gekommen sind.

Ich bin überzeugt, dass Sie damit eine richtige Wahl getroffen haben, denn Passau ist in ganz besonderer Weise für eine Ver-anstaltung wie den Bayerischen Museumstag, noch dazu mit dem diesjährigen Motto „Ja was is denn des ?! Forschen im Museum“ geeignet.

Denn Forschung findet in Passau in unterschiedlichster Weise und an verschiedensten Forschungseinrichtungen statt, ins-besondere auch an den Museen.

Passau hat eine sehr bunte, reiche Museumslandschaft, die in ihrer Art einmalig ist und auf die wir deshalb sehr stolz sind. Viele von Ihnen haben ja den gestrigen Tag schon genutzt, einige unserer Museen zu besichtigen. Ich glaube, Sie werden mir recht geben, wenn ich feststelle, dass jedes für sich einen ganz be-sonderen Reiz hat.

Möglich ist dieses Angebot in einer kleinen Stadt wie Passau nur durch das Engagement unterschiedlichster privater, kirch-licher und öffentlicher Träger, durch eine Symbiose aus privatem Mäzenatentum und öffentlicher Kulturpflege.

Neben Oberhausmuseum und Römermuseum Kastell Boiotro – beide in städtischer Trägerschaft – begeistern alljährlich die Aus-stellungen des Domschatz- und Diözesanmuseums, des Passauer Glasmuseums (von Georg Höltl) oder des Museums Moderner Kunst – Stiftung Wörlen Besucher aus aller Welt. Die Qualität und das Ansehen, das diese Museen verbindet, kommen nicht von irgendwo her, sondern sind die Frucht enormer Kompetenz der verantwortlichen Personen, persönlichen Engagements, eines kaum zu bremsenden Forscherdrangs und des Willens, die er-arbeiteten Ergebnisse dem Publikum attraktiv zu präsentieren.

Die Passauer Museen arbeiten übrigens eng zusammen. Sie machen gemeinsam Werbung, haben eine gemeinsame Internet-plattform. Sie helfen sich gegenseitig aus mit Leihgaben und Hilfsmitteln der Infrastruktur.

Nach Abschluss der über 15 Jahre dauernden Neukonzeption und Neugestaltung des Oberhausmuseums – das damit seinen Anspruch als „Zentralmuseum des bayerisch-böhmisch-öster-reichischen Grenzraumes“ eindrucksvoll erfüllt – wurde das Römermuseum Kastell Boiotro in mehrjähriger Arbeit aufwändig saniert und neu konzipiert.

Erwähnen möchte ich auch die spektakulären Ergebnisse der Forschungen zum böhmischen bzw. sächsischen Glas im Passauer Glasmuseum.

Die Kraft, die hinter all diesen Leistungen steht, offenbarte sich ganz aktuell und eindrucksvoll in der Hochwasserkatastrophe, von der Passau vor wenigen Wochen heimgesucht wurde. Dieses Hochwasser war das schlimmste, das jemals gemessen wurde. Ver-zweifelte Menschen haben ihr gesamtes Hab und Gut verloren, trotz der einmaligen Hilfsbereitschaft und Solidarität tausender von Hilfskräften.

Auch viele Einrichtungen unserer lebendigen Kulturstadt wurden schwer getroffen – darunter drei der Passauer Museen. Während der Pegel Zentimeter um Zentimeter stieg, wurden Kunstschätze und Inventar durch die Museumsleute und un-zählige Helfer in höhere Bereiche transportiert und zumindest die Kunstobjekte weitgehend gesichert.

Grußwort des Bürgermeisters der

Stadt PassauUrban Mangold

Urban Mangold.

6 Begrüßung

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Das nach einer umfassenden Neukonzeption gerade eben fertig-gestellte Römermuseum Kastell Boiotro wurde noch drei Tage vor der feierlichen Wiedereröffnung teilweise schwer beschädigt.

In Mitleidenschaft gezogen wurden auch das Museum Moderner Kunst – Stiftung Wörlen und das Passauer Glasmuseum (dessen Schätze aber ebenso durch sorgfältigen Umgang mit diesen empfindlichen Objekten weitgehend unbeschädigt blieben).

Schon wenige Tage danach wurde mit der Reinigung der unter Wasser gesetzten Depotbestände unter der Leitung von ausgewiesenen Fachleuten begonnen. Im Römermuseum werden diese Arbeiten wohl Jahre dauern. Gerade in solchen Grenz-fällen zahlt es sich aus, wenn Spezialisten zur Verfügung stehen, die in Kenntnis der Bestände rasche Entscheidungen treffen können. Großer Idealismus und Kompetenz haben im gesamten Kulturbereich gerettet, was zu retten war. Beeindruckend etwa die Künstler des Landestheaters Niederbayern, die tagelang den Schlamm aus dem schwer beschädigten Stadttheater geschaufelt haben, voran der Generalmusikdirektor, der seinen Frack durch die Arbeitshose ersetzt hatte, unterstützt von Musikern, Sängern und Sängerinnen.

Ich möchte zum historischen Erbe, zur Architektur und Kunst Passaus vor diesem Kreis von Fachleuten eigentlich nichts sagen, es ist mir aber ein besonderes Anliegen zu betonen, dass die Bürger dieser Stadt in dieser Tradition leben und in allen Bereichen von Kunst und Kultur ein überaus lebendiges Leben herrscht, das ge-kennzeichnet ist durch Weltoffenheit, Kooperationsbereitschaft und Innovationskraft.

Beispielhaft dafür sind die Festspiele Europäische Wochen, 1952 gegründet, um die Grenzen zwischen den Menschen dies-seits und jenseits des ehemaligen Eisernen Vorhangs – zumindest im übertragenen Sinne – niederzureißen. Bis heute finden diese Festspiele größte Beachtung nicht nur durch ihr internationales hochrangiges Programm, sondern auch wegen dem politischen und gesellschaftlichen Anspruch, der dahintersteht.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine interessante Tagung, einen fruchtbaren Gedankenaustausch und einen schönen Auf-enthalt in Passau.

Begrüßung 7

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Es freut mich sehr, dass ich Sie heute Vormittag in Vertretung von Herrn Staatsminister Dr. Heubisch hier in Passau begrüßen kann. Der Staatsminister wäre gerne selbst gekommen, aber ein dringender, unaufschiebbarer Termin hat dies verhindert.

In einer Universität über Forschung zu sprechen liegt nahe. Im Zusammenhang mit Museen über Forschung zu sprechen lässt einen dagegen kurz zögern: Gelten Museen doch landläufig zu-nächst als Schatzhäuser, die Zeugnisse der Vergangenheit, der Kultur- und Naturgeschichte bewahren, Erinnerungen an Vor-gänge und Menschen pflegen, aber auch alte wie zeitgenössische Kunstwerke sammeln; und die – als wesentliche Aufgabe – diese großen und kleinen Kostbarkeiten der Öffentlichkeit zugänglich machen.

In ganz Deutschland gibt es acht Museen, die als ausgewiesene Forschungsmuseen innerhalb der Leibniz-Gemeinschaft agieren und eine Finanzierung von Bund und dem jeweiligen Land er-halten. Nicht ohne Stolz können wir Bayern darauf verweisen, dass sich zwei davon, das Deutsche Museum in München und das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg, innerhalb der weißblauen Grenzpfähle befinden. Aufgabe dieser Forschungs-museen ist es, objektbasiert und interdisziplinär zu forschen, aber auch museumsspezifische Bereiche, etwa auf dem Gebiet der Konservierung, Aufbewahrung, Vermittlung und Präsentation, weiterzuentwickeln. Gleichzeitig sind sie Schaufenster der Forschung, die so der Öffentlichkeit nahegebracht werden soll. Das Deutsche Museum wird in den nächsten Jahren im Rahmen einer Generalsanierung und weitgehenden Neuaufstellung eine der großen „Museumsbaustellen“ Deutschlands sein. Dies er-fordert erheblichen Mitteleinsatz, an dem der Freistaat maßgeb-lich beteiligt ist.

Neben diesen beiden Leuchttürmen können die staatlichen Museen Bayerns für sich in Anspruch nehmen, permanent und nicht nur im Zuge von Ausstellungsvorhaben Forschung zu leisten. Aber auch die meisten anderen der über 1350 Museen in Bayern forschen im Rahmen ihrer individuellen Möglichkeiten. Sie erfüllen damit die Museumsdefinition des Internationalen Museumsrats ICOM, die besagt, dass ein Museum eine „gemein-nützige, auf Dauer angelegte, der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung im Dienste der Gesellschaft und ihrer Entwicklung [ist], die zum Zwecke des Studiums, der Bildung und des Erlebens materielle und immaterielle Zeugnisse von Menschen und ihrer Umwelt beschafft, bewahrt, erforscht, bekannt macht und aus-stellt.“

Betrachtet man die Fülle an Veröffentlichungen, welche die Museen hervorbringen, lässt sich erahnen, was hier Tag für Tag ge-leistet wird, in professioneller ebenso wie auch in ehrenamtlicher Arbeit. Ob im Zuge der akribischen Inventarisation der Bestände oder bei der Ausarbeitung von Ausstellungen, ob beim Erstellen eines gewichtigen Katalogs oder einer ausstellungsbegleitenden Monografie, aber auch bei Artikeln in der Museumszeitung oder einem Folder zur aktuellen Sonderausstellung – die Forschungs-leistung der Museen lässt sich in vielen Bereichen erkennen. Ich danke Ihnen, den Vertreterinnen und Vertretern der bayerischen Museen, ganz herzlich für die Erfüllung dieser bedeutenden Auf-gabe!

Besonders wichtig erscheinen mir auch die Forschungen, die sich mit der – nicht immer glanzvollen – Geschichte der Museen auseinandersetzen, die stets im Kontext der jeweiligen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen zu sehen ist. In der Zeit des Naziregimes sind viele wertvolle Werke aus dem Besitz jüdischer Sammler durch Raub und Zwang in Museums-sammlungen gelangt. Seit einigen Jahren versucht man sie, u. a. durch ein Forschungsprojekt der Bayerischen Staatsgemälde-sammlungen und der städtischen Museen in München, aufzu-spüren, um sie den rechtmäßigen Besitzern zurückzugeben. Heute

8 Begrüßung

Grußwort des Ministerialdirigenten

im Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft,

Forschung und KunstToni Schmid

(in Vertretung für Herrn Staatsminister Dr. Wolfgang Heubisch)

Ministerialdirigent Toni Schmid.

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Begrüßung 9

Nachmittag wird dies Thema eines der Vorträge sein.Unterstützt werden die Museen bei ihren Forschungen durch

unsere Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern. Sie berät und fördert auf allen Gebieten der Museumsarbeit und stellt wichtige Hilfsmittel zur Verfügung. So erschien erst vor Kurzem ein Bestimmungsbuch zu Fibeln, also zu archäologischen Leitobjekten, welches die Zuordnung der einzelnen Typen und ihre korrekte Bezeichnung auch für den Laien wesentlich er-leichtert. Ein weiterer Band zu Äxten und Beilen ist bereits in Vorbereitung. Ebenfalls neu ist ein Thesaurus in der „Baustein-Reihe“ der Landesstelle, der die unterschiedlichen Formen der Kopfbedeckungen aufzeigt und exakt benennt. Eine ähnliche Dar-stellung zu Möbeln ist bereits vergriffen, soll aber in erweiterter Form wieder aufgelegt werden.

Dass diese Hilfsmittel das Bestimmen und Erforschen der Sammlungen gerade auch in kleineren Museen erleichtern, die über kein Fachpersonal für jeden einzelnen Themenbereich ver-fügen, erscheint mir ausgesprochen wichtig. Damit wird die Forschung auch außerhalb der Zentren und der genannten Leuchtturmprojekte angeregt. Auch die Fortbildungsprogramme und Veranstaltungen der Landesstelle bieten hierzu unverzicht-bare Hilfestellungen. Ich bedanke mich bei Ihnen, lieber Herr Dr. Henker, und Ihrem gesamten Team für die dabei geleistete Arbeit!

Der diesjährige bayerische Museumstag trägt den schönen Titel „Ja was is denn des?!“, eine Äußerung, die im Altbaierischen sowohl neugierig-fragende Verwunderung ausdrücken als auch einen etwas resignierten Stoßseufzer bedeuten kann. Ich wünsche den bayerischen Museen, dass sie auch in Zukunft die erste Be-deutung bevorzugen und dass sie ihre Neugier gegenüber un-bekannten Inhalten, die bislang immer wieder zu hervorragenden Ergebnissen geführt hat, auch in Zukunft bewahren.

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„Ja was is denn des?!“ – absichtlich und gegen einigen Wider-stand haben wir diesen, so gar nicht wissenschaftlichen Haupt-titel für unseren Bayerischen Museumstag 2013 gewählt, denn er drückt einerseits staunendes Fragen aus – und dafür steht das Fragezeichen – andererseits eine leichte Verstimmung, gepaart mit Ungeduld – und dafür steht das Rufzeichen. Beide Varianten aber haben eine Schnittmenge: Die Neugier, die Unsicherheit, die nach Klärung verlangt und die findet sich im sachlichen Unter-titel: Forschen im Museum.

Zu fragen ist: Seit wann und wie wurde im Museum ge-forscht? Seit wann gehört das Forschen zu den offiziellen Arbeits-feldern der Museen? Wo stehen wir in dieser Hinsicht heute und welche Perspektiven tun sich auf? Ausgespart haben wir den Bereich der Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft, von denen die zwei in Bayern – das Deutsche Museum in München und das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg – natürlich eine zentrale Rolle in unserer Museumslandschaft einnehmen. Wir aber wollen den Blick auf das „normale“ Forschen im Museum mit seinen vielen Facetten und Ausprägungen lenken.

Der ICOM-Code von 2001 stellt unter der Ziffer 2.9 fest: „Die wichtigste Aufgabe des Museums ist es, seine Sammlungen für die Zukunft zu bewahren und sie mit Hilfe von Forschung, Bildungsarbeit, Dauer- und Sonderausstellungen sowie Sonder-veranstaltungen für die Entwicklung und Verbreitung von Wissen zu nutzen“1. Die Forschung im Museum geht also vom Sammlungsauftrag und den Objekten aus und ist Grundlage für Präsentation und Vermittlung. So präzisiert der Deutsche Museumsbund (DMB) zum Thema „Aufgaben des Museums“ beim Stichwort „Forschen“: „Forschen im Museum beinhaltet die wissenschaftliche Bearbeitung von Objekten bzw. Objektgruppen und Objektzusammenhängen. Die Erkenntnisse und Informationen werden dokumentiert und sollen öffentlich zugänglich gemacht werden. Das Erforschen eines Sammlungsobjekts beginnt mit der Inventarisierung und dem Nachweis der Herkunft (Provenienz), ohne die das Objekt im Museum – anders als in einer privaten Sammlung – jeden „Wert“ verlieren kann…. Durch die wissen-schaftliche Bearbeitung erfolgt die Einordnung des Objekts in seinen ursprünglichen Kontext, wodurch dann die Aufnahme in eine thematische Präsentation ermöglicht wird.“2

Dass man sich dem Thema Forschung im Museum in den letzten Jahren im deutschsprachigen Bereich verstärkt widmet, mögen einige Beispiele verdeutlichen. So fand im Dezember 2007 am Institut für Museumsforschung in Berlin eine Expertentagung zum Thema „Forschung in Museen“ statt, die diesen Aspekt dis-kutierte, der in der Konkurrenz zur Verschiebung von Aktivi-täten immer mehr in Richtung von vermarktungsfähigen Events und Betriebsamkeit anstelle von auf intensiver Forschung auf-bauenden Ausstellungen ins Hintertreffen zu geraten drohe. Es war vielleicht bei dieser Gelegenheit, dass Wilhelm Krull, der Generaldirektor der Volkswagenstiftung, die bereits seit den 70er Jahren auch Forschung an Museen förderte, den Entschluss fasste, auf diesem Gebiet erneut einen Schwerpunkt zu setzen. Denn die Förderinitiative „Forschung in Museen“, die sich an mittlere und kleine Museen unterschiedlicher thematischer Ausrichtung wendet, die Forschungsarbeiten zu ihren Sammlungen betreiben möchten, wurde im Jahr 2008 eingerichtet3. Sie fördert bis heute Kooperationsprojekte zwischen Museen und Universitäten oder außeruniversitären Forschungseinrichtungen zur an Sammlungen orientierten Forschung. In diese Förderlinie ist auch das „Temperierungs-Projekt“ aufgenommen, das die Landesstelle in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik, der Uni-versität Stuttgart und der Technischen Universität München seit 2012 durchführt. Weitere Projekte dieser Förderlinie präsentieren sich im Rahmen der Poster-Session.

Mit den Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft, aber

Ja was is denn des?!Forschen im Museum

Michael Henker

Dr. Michael Henker.

10 Einführung

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Einführung 11

eben auch mit Forschungsförderung an anderen Museen befasst sich die 2012 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) herausgegebene Broschüre „Museen: Forschung, die sich sehen lässt“. In ihr werden die vielfältigen Förderaktivi-täten vorgestellt, die das BMBF im Bereich der objektorientierten Forschung seit 2009 betreibt. Einen neuen Schwerpunkt bildet dabei „Die Sprache der Objekte. Materielle Kultur im Kontext ge-sellschaftlicher Einrichtungen“4.

Schließlich veranstaltete die Museumsakademie Joanneum, Graz in Kooperation mit dem österreichischen Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung am 13. und 14. Juni 2013 in Wien eine internationale Tagung mit dem Titel „Erfassen, er-schließen, ergründen – Forschung an Museen“, die Erkenntnisse aus dem 2008 gestarteten und nunmehr in der Abschlussphase befindlichen Bundesprogramm „forMuse – Forschung an Museen“ im europäischen Kontext beleuchtete. Vier Gesprächsrunden fanden statt zu den Fragen: „Wozu überhaupt Forschung an Museen?“, „Was wäre wenn… Forschung an Museen keine Rolle spielte?“, „Was können Verbände, Institutionen, Fördergeber und die Politik leisten, um Forschung an Museen zu ermöglichen?“, sowie „Was brauchen die Museen, um (weiterhin) forschen zu können?“5.

Diese wenigen Beispiele zeigen, die Bedeutung des Themas ist allseits erkannt, jedoch ist es noch lange nicht ausdiskutiert. Neue Entwicklungen erfordern ein Nachführen der Analysen, eine Aktualisierung der Positionen und Zielrichtungen.

Auf die Museumslandschaft in Bayern bezogen, empfiehlt sich ein Blick in die Geschichte. Dort finden sich schon in den Vor-läufern der heutigen Museen, den Kunst- und Wunderkammern der Fürstenhäuser, erste, wenn auch unbewusste Ansätze zum Forschen im Museum. In München hatte Herzog Albrecht V. 1565 eine der bedeutendsten Kunstkammern Europas gegründet. Sie wurde 1579 mit derjenigen seines Sohnes und Nachfolgers Herzog Wilhelm vereint und befindet sich heute als Museum auf der Burg Trausnitz in Landshut. Schon Samuel Quicchenberg hatte 1565 als Berater Albrecht V. festgestellt, dass man „…durch dessen häufige Betrachtung … schnell, leicht und sicher eine einzigartige neue Kenntnis der Dinge sowie bewundernswerte Klugheit erlangen kann“. Erkenntnisgewinn des Einzelnen also durch intensive Be-trachtung rätselhafter und wundersamer Objekte. Aber auch eine der vier Abteilungen, in die Kunst- und Wunderkammern gegliedert sind – Artificialia, Naturalia, Exotika und Scientifica – trug das Forschen schon in sich, nämlich die Scientifica. Denn hier wurden Mittel und Ergebnisse von Forschungen erfasst und zum Beispiel in Form von aufwändigen neuen Messinstrumenten präsentiert.

Die weitere Entwicklung der Museen und Sammlungen in Bayern bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts war dadurch ge-prägt, dass Herzöge, Kurfürsten, Könige von Bayern, aber auch stolze Reichsstädte, Fürstbischöfe und andere Stände des Heiligen römischen Reichs deutscher Nation Kunstwerke in Auftrag gaben oder sammelten und das im wesentlichen zum Zweck der Repräsentation oder des Zeremoniells. Dazu brauchte es keine Forschung, allenfalls Sammelbiographien zu Künstlern entstanden. Die der Kunst- und Wunderkammer nachfolgenden Museen der Wittelsbacher – Münzsammlung 1570, Gemäldegalerie im Neuen Schloss Schleißheim 1722 und Graphik-Kabinett 1758 – waren alle Zeichen von Sammlungsfleiß und Kunstgeneigtheit, die man stolz präsentierte. Selbst die (Neue) Pinakothek Ludwigs I. in München, die 2011 ihr 175jähriges Jubiläum feiern konnte, war im wesentlichen auch eine Sammlung und dann ein Museum zeitgenössischer Kunst, die übrigens frühe Fotografien einschloss. Auch das Motto des von König Max II. Joseph 1855 begründeten Bayerischen Nationalmuseums „Meinem Volk zur Ehre und Vor-bild“ trägt keinen Anstoß zur Forschung im Museum bei.

Freilich vollzog sich im 19. Jahrhundert eine gravierende Änderung, denn nun sammelten nicht mehr nur Könige, Kur-fürsten, Herzöge und andere hohe Würdenträger, sondern es sammelten viele und es gab auch viel zu sammeln. Durch Säkularisation und Mediatisierung kam eine Fülle von Kunst und kunsthandwerklichen Objekten auf einen sich nun rapide ent-wickelnden und ausbreitenden Markt; ergänzt wurde das durch Bodenfunde und Ausgrabungen, die sich nicht mehr aus sich selbst heraus erklärten. Um dieser Fülle Herr zu werden, ohne sich seitens des Staates finanziell oder organisatorisch engagieren zu müssen, bestimmte Ludwig I. die mit neuen Aufgaben betraute Akademie der Wissenschaften zum zentralen Aufnahmepunkt für Funde und sonstige Relikte aus der nationalen Vergangenheit, mit der Perspektive, dort auch eine wissenschaftliche Aufarbeitung und Einordnung zu erreichen – Forschung eben!

Die Aufnahme- und Arbeitskapazität der Akademie – die zu-dem völlig andere, nicht objektbasierte Aufgaben hatte – war schnell gesprengt und so scheiterte dieser Versuch. Was folgte, war ein neuer Versuch, auf Anregung und mit moralischer – nicht jedoch finanzieller oder organisatorischer Unterstützung des Staates, die als für das Nationalbewusstsein und die Identität des jungen Königreichs Bayern wichtig erachteten Relikte der Geschichte zu sichern. So entstanden im Lauf der ersten Hälfte der 1830er Jahre in jedem Regierungsbezirk Historische Ver-eine. Sie bildeten die Grundlage dafür, dass das umfangreiche Sammelgut unter die Dächer ihrer Vereinslokale kam. Und das war der eigentliche Ausgangspunkt für alles, was wir heute Museum nennen und unter Museum verstehen. Das Sammeln nämlich und das Bewerten, das Beurteilen und das wissenschaftliche Auf-arbeiten nach damaligem Verständnis und Kenntnisstand hat hier seinen Anfang.

Die Historischen Kreisvereine entschlossen sich allesamt im Lauf weniger Jahre dazu, öffentlich zugängliche Ausstellungs-lokale einzurichten, in denen sie ihre vielfältigen Sammlungen zeigten. Gleichzeitig begannen sie mit der Herausgabe von Jahr-büchern, Mitteilungsblättern und ähnlichem, in denen sie die Er-gebnisse ihrer Forschungen publizierten. Dieses bürgerschaftliche Engagement übertrug sich auf kommunale und private Träger, sodass man für Bayern im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts und im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts geradezu von einem Museumsboom sprechen kann, der in diesem Zeitraum 110 neue Museen entstehen ließ. Von den 133 Museen, die die 1907 erhobene, 1910 veröffentlichte älteste Museumsstatistik Bayerns nennt, war keines ein Forschungsmuseum, geforscht aber wurde in nahezu allen! Als „Teil der öffentlichen „Kulturpflege“ und als „… Bildungsmittel allerersten Ranges“ wurden sie angesprochen. Wissenschaftlichkeit und Forschungsergebnisse sprach man am ehesten den naturwissenschaftlichen Museen in München, Passau, Dürkheim, Zweibrücken, Regensburg, Bayreuth und Augsburg zu.

Große Institutionen wie das Bayerische Nationalmuseum be-gannen 1877 mit der Herausgabe von Bestandskatalogen6, Er-gebnis von wissenschaftlichen Forschungen im Museum zum Museumsbestand. Diese inhaltliche, wissenschaftliche Auf-bereitung der Sammlungen, einzelner Sammlungskomplexe oder einzelner Objekte wurde gute Tradition bei allen Museen und wird bis heute fortgesetzt – erweitert allerdings um neue Felder und neue Aspekte. So hat sich das Restaurieren und Konservieren von einem handwerklichen zu einem akademischen Fachbereich ent-wickelt, dessen Forschen am Museum und im Museumsbestand unverzichtbar ist und eine Fülle wichtige Ergebnisse erbringt. Nicht mehr nur die Artefakte an sich, sondern auch die Be-handlungsweisen, die Verwahrorte und Verwahrmethoden sind Gegenstand der Forschung.

Weitere Themen neben klassischen Kunst- und Kulturwissen-schaften finden sich in der Vermittlung und Präsentation: Mu-

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seumspädagogik, Museologie und Museumskunde sind ebenso jüngere Forschungsgebiete im Museum wie Ausstellungs-gestaltung, Bauphysik, Raumklima und Beleuchtung. Sowohl im heutigen Vortragsprogramm, als auch in den Projekten der Poster-Session sind diese Felder exemplarisch vertreten und regen uns hoffentlich zu lebhaftem Diskurs und Meinungsaustausch an.

Freilicht Museum Finsterau:„Eine späte Nachuntersuchung mit Folgen – Der Kapplhof im Freilichtmuseum Finsterau“2011 – 2013 ./.1 Wissenschaftler Schwäbisches Volkskundemuseum Oberschönenfeld:„Besucherforschung und summative Evaluation – Grundlagen zur Konzeption von Besucherzentrum und künftiger Daueraus-stellung“Mitte 2010 – Ende 2011 (ca. 45.000 €)

Edwin Scharff Museum Neu-Ulm/ Kunstmuseum. Kindermuseum.Erlebnisräume:„Inventarisierung und Digitalisierung des zeichnerischen und druckgrafischen Nachlasses von Edwin Scharff“Januar 2010 – März 2011 (22.600 €)2 Wissenschaftlerinnen, 1 Restaurator

Museen Weißenburg/Römische Thermen:„Neupräsentation und museumsdidaktische Erschließung der Großen Thermen Weißenburg“2013 – voraussichtlich 2015 (ca. 800.000 €)

JagdLandFluss-Museum im Schloss Wolfstein:„Landschaft verbindet: Schloss Wolfstein – Synagoge von Čkyně“Frühjahr 2011 – Frühjahr 2014 (1.125.000 €)5 Wissenschaftlerinnen

Weissenhorner Heimatmuseum:„Schulwandbilder – Die Entdeckung des Bildes für den Unterricht im 19. und 20. Jahrhundert“ Ausstellung und KatalogSeptember 2011 – Juli 2012 (ca. 3.500 €)2 Wissenschaftlerinnen, 9 Gymnasiastinnen

Bauernmuseum Bamberger Land in Kooperation mit Otto-Fried-rich-Universität Bamberg/Europäische Ethnologie:„Regionaltypisches Kleidungsverhalten seit dem 19. Jahrhundert – Entwicklungen und Tendenzen am Beispiel Oberfranken“2013 – 2016 ./.3 Wissenschaftlerinnen

Kooperation von 19 Museen, Universitäten und Forschungsein-richtungen:„Römische Großbronzen am UNESCO-Weltkulturerbe Limes“2010 – 2015 ./.

Kunst- und Kulturbühne Hirschaid e. V. in Kooperation mit Otto-Friedrich-Universität Bamberg/Europäische Ethnologie:„Kartoffelklau im Reichsgrafenacker. Oder: wie lebte man im Tropfhaus Sassanfahrt?“Sommersemester 2010 (Kosten unerheblich)2 Wissenschaftlerinnen, 19 Studierende

Hallertauer Heimat- und Hopfenmuseum Mainburg:„Mainburg-London. Der Altbayer Johann Georg Scharf (1788-1860) als Bildchronist Londons im 19. Jahrhundert“

Ausstellung und Katalog2011 – 2012 (48.100 €)1 Wissenschaftlerin

Stadtmuseum Kaufbeuren:„Untersuchung und Freilegung eines romanischen Kruzi-fixus am Lehrstuhl für Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaften der TU München“2007 – 2012 ./.3 Wissenschaftler, 2 Studierende

Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern in Ko-operation mit Fraunhofer Gesellschaft, Universität Stuttgart und TU München:„Die Temperierung als Mittel der Präventiven Konservierung in Museen. Eine Bewertung“2012 – 2016 (500.000 €)9 Wissenschaftler und Studierende

Römermuseum Kastell Boiotro/Passau:„Das römische Kastell Boidurum (Passau/Innstadt). Versuch einer virtuellen Rekonstruktion“3 Monate ./.5 Wissenschaftler, 2 Computergrafiker

Die Beispiele zeigen eindrücklich: Forschen im Museum ist kein weltfremder Selbstzweck, kein Wegducken in den Elfenbeinturm, sondern unverzichtbarer Bestandteil moderner, erfolgreicher, neue Perspektiven öffnender Museumsarbeit! Sie zeigen auch die Vielfalt der Möglichkeiten, Modelle und Erfordernisse; vom Ein-Mann/eine-Frau-Projekt bis zum weitverzweigten Netzwerk, der mehrere Institutionen umfassenden Kooperation, der Unter-stützung durch wissenschaftliche Beiräte und Arbeitskreise. Sie zeigen schließlich, dass die Träger die Notwendigkeit von Forschen im Museum erkennen und die entsprechenden finanziellen und personellen Mittel einplanen und vorhalten müssen; allzu oft sind die Museen hier noch auf die Förderung durch Stiftungen an-gewiesen, wofür sie natürlich auch dankbar sind.

Unsere Kernaufgabe Sicherung und Wahrung des kulturellen Erbes endet eben nicht mit der Sicherstellung und sicheren Ver-wahrung von Einzelobjekten, Objektgruppen, homogenen und heterogenen Sammlungen, sondern bedeutet längst auch schon Forschen im Museum auf unterschiedlichen Handlungsfeldern, in unterschiedlicher Intensität; im Prinzip aber an allen Orten in allen Museen in Bayern.

Anmerkungen:1 ICOM-Code2 www.museumsbund.de/de/das_museum/geschichte_definition/aufgaben_forschen3 www.volkswagenstiftung.de/foerderung4 Bundesministerium für Bildung und Forschung [Hg.]: Museen: Forschung, die sich sehen lässt, Bonn 20125 Museumsakademie Universalmuseum Joanneum: Programm „Forschung an Museen“6 Der früheste Band ist: Jakob Heinrich von Hefner-Alteneck: Separat-Abtheilung der ornamentalen Holzskulptur, München 1877

12 Einführung

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Als bayerischer Schwabe freut es mich besonders, den Bayerischen Museumspreises 2013 im schwäbischen Kaufbeuren überreichen zu können.

Seit 1991 wird der Bayerische Museumspreis von der Ver-sicherungskammer Bayern ausgelobt und von einer Fachjury ver-geben. Ich habe die schöne Aufgabe, Ihnen die drei Nominierungen für die Anerkennungspreise vorzustellen und Ihnen zu erläutern, weshalb sich die Jury für das Stadtmuseum Kaufbeuren als Preis-träger entschieden hat.

Zunächst aber ein ganz großes Dankeschön an alle 50 Museen aus ganz Bayern, die sich in diesem Jahr mit zahlreichen preis-würdigen Projekten um den Bayerischen Museumspreis beworben haben!

Alle Initiativen verdienen große Anerkennung und stellen für sich genommen einen Beitrag zur Entwicklung einer lebendigen und vielfältigen bayerischen Museumslandschaft dar. Mit dem Bayerischen Museumspreis wollen wir Unterstützung leisten und Ansporn geben, vorbildliche Projekte sichtbar zu machen und dadurch neue Impulse für die Museumsarbeit zu geben. Unsere Jury hat für die finale Entscheidung wieder einige Museen incognito besucht.

Bei den Mitgliedern der Jury, bei Herrn Dr. Henker, Herrn Dr. Pledl, Herrn Rettenbeck und Herrn Dr. Skriebeleit sowie bei Frau Siben darf ich mich ganz herzlich für die geleistete Arbeit be-danken. 50 Bewerbungen wurden gesichtet und aus der Vielzahl interessanter Einsendungen wurden dann vier Museen gefunden, die die Jury in Augenschein genommen hat. Die Reise führte sie nach Bamberg, nach Ruffenhofen, nach Holzhausen und nach Kaufbeuren. Es ist nun schon eine gute Tradition, dass es neben dem Träger des Museumspreises auch Nominierte gibt, die dem Hauptpreis sehr nahe gekommen sind. In diesem Jahr sind es drei Nominierte:

Zuerst zum Gärtner- und Häckermuseum Bamberg. Das von einem engagierten Verein 1975 gegründete Museum wurde im Frühjahr 2012 neu gestaltet und wiedereröffnet. Es widmet sich dem Gewerbe der innerstädtischen Gemüse- und Weingärtner. Im Mittelpunkt steht ein charakteristisches Gärtnerhaus aus dem Jahr 1767.

Die zweisprachige Audioführung begleitet die Besucher durch die historischen Räume. Eine Ausstellung erläutert die landwirt-schaftliche Praxis. Auf einem Freigelände gedeihen die für diese Wirtschaftsform typischen Gemüsesorten, Beeren und Kräuter.

Ich freue mich, dass Herr Deuber, der 1. Vorsitzende des eben erwähnten Trägervereins des Museums heute anwesend ist wie auch der für die Neukonzeption verantwortliche Museumsleiter, Herr Dr. Habel.

Ebenfalls nominiert wurde das Limeseum Ruffenhofen, ein Museum, Dokumentations- und Informationszentrum. Es informiert seit Oktober 2012 über das Unesco-Welterbe Limes im Lkr. Ansbach.

Präsentiert werden Funde von der Grenzbefestigung sowie aus dem täglichen Leben der römischen Soldaten.

Ein Panorama-Fenster öffnet den Blick auf das 40 ha große Freigelände, auf dem Bepflanzungen die Baulinien des Kastells nachzeichnen. Beispielhaft sind die wissenschaftlich basierten Animationen über die Welt der Römer am Limes.

Das Limeseum entstand als gemeinsames Projekt der drei Ge-meinden Weiltingen, Gerolfingen und Wittelshofen im Rahmen des Römerparks Ruffenhofen.

Es wurde errichtet mit Unterstützung durch Welterbe-Förder-mittel aus dem Konjunkturprogramm 2 des Bundes und Förder-mitteln des Freistaates Bayern.

Unsere 3. Nominierung geht an das Trachtenkulturzentrum des Bayerischen Trachtenverbandes Holzhausen für sein Depot. Zentraler Bestandteil für die weitere Museumsarbeit ist ein Depot,

Bayerischer Museums-preis 2013 - Laudatio

Rainer Fürhaupter

Rainer Fürhaupter.

Bayerischer Museumspreis 13

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in welchem die Sammlungen und Dokumente der Trachten-bewegung inventarisiert und konserviert werden. Derzeit umfasst die Sammlung rund 70.000 Gegenstände.

Das ehrenamtlich betreute Depot entspricht den An-forderungen zeitgemäßer Museumsarbeit „hinter den Kulissen“.

Von dort ist heute Herr Gensberger zu uns gekommen, der nicht nur für das Depot verantwortlich ist, sondern auch für das zugehörige Museum.

Ich gratuliere diesen drei nominierten Institutionen! Es ver-dient große Anerkennung, aus über 50 Bewerbern in die End-Auswahl um den Bayerischen Museumspreis zu kommen - das ist einen Applaus wert!

Ich komme nun zum Preisträger, dem Stadtmuseum Kauf-beuren.

Gegründet 1879, ist es eines der ältesten Museen in Bayerisch-Schwaben und unter den heute ausgezeichneten mit Abstand die früheste Gründung. Das allein genügt aber natürlich nicht, um den Preis zu gewinnen.

Mit dem Bayerischen Museumspreis werden Neueinrichtungen oder Neugestaltungen mit wegweisenden Ansätzen im Bereich der Sammlungspräsentation und der didaktischen Vermittlung ge-würdigt. Zu den Kriterien herausragender Museumsarbeit gehören ebenso vorbildliche Konservierungs- und Restaurierungsvorhaben sowie museumspädagogische Projekte mit Modellcharakter. Das Stadtmuseum Kaufbeuren erfüllt all diese Kriterien!

Und man kann der Stadt Kaufbeuren nur zu dem mutigen Schritt gratulieren, professionelle Museumsarbeit in diesem Maße zu ermöglichen. Die Besucherinnen und Besucher erwartet heute in dem denkmalgeschützten Haus und seinem modernen Anbau auf 850 m² eine thematisch vielfältige Dauerausstellung.

Dieses Museum hat in den letzten zehn Jahren einen durchaus steinigen Weg zurückgelegt - das Projekt war ziemlich komplex. Als das Museum im Juli 2002 aufgrund statischer Unzulänglich-keiten schließen musste, war seine weitere Zukunft zunächst un-gewiss. Es gehört zu den Erfolgsgeheimnissen dieses Museums, dass sich wenige Monate danach ein Förderverein gegründet hat, der bis heute auf 330 Mitglieder angewachsen ist und der nach wie vor expandiert.

Sie alle haben Anteil am Gelingen „ihres“ Museums! Sie haben mit der finanziellen Leistung von 600.000,- Euro Spendenein-nahmen und Ihrer großen ideellen Unterstützung wahrlich ein Meisterstück, das seinesgleichen sucht, zu Wege gebracht!

Der denkmalgeschützte Gebäudekomplex wurde von der Stadt Kaufbeuren sensibel saniert und durch einen Neubau er-gänzt. Dieser setzt einen interessanten städtebaulichen Akzent, dominiert aber gleichzeitig den Altbau nicht, sondern versteht sich gleichsam als kleiner dienender Bruder des altehrwürdigen Hauses.

Nun wird aber beim Bayerischen Museumspreis gar nicht die Architektur beurteilt, sondern der Inhalt, das Museum selbst. Und dessen Aufbereitung, dessen klar strukturierte Neukonzeption hat die Jury überzeugt. Ich möchte Ihnen das anhand einiger Beispiele verdeutlichen:

Beispiel 1: Das Stadtmuseum Kaufbeuren ist in Fachkreisen bekannt für seine Sammlung protestantischer Hinterglasbilder. Diese werden in der neuen Dauerausstellung in ihren historischen Kontext gesetzt und in der Abteilung „Typisch Kaufbeuren“ wird den prägenden historischen Ereignissen nachgespürt. Damit bekommen wir ein tieferes Verständnis für die Entstehung der singulären protestantischen Hinterglasbilder, die zwischen 1740 und 1780 in Kaufbeuren von Künstlerhandwerkern hergestellt wurden. Die Produktion von Bekenntnisbildern aus Glas blühte in der Freien Reichsstadt auf, in der das starke Bürgertum ebenso wie

Preisträger und Nominierte des Bayerischen Museums-preises: Stefan Bosse, Oberbürgermeister der Stadt Kaufbeuren, Dr. Hubertus Habel, Gärtner- und Häckermuseum Bamberg, Dr. Astrid Pellengahr, Leiterin des Stadtmuseums Kaufbeuren, Wolfgang Gensberger, Trachtenkulturzentrum Holzhausen, Dr. Matthias Pausch, Limeseum Ruffenhofen, Rainer Fürhaupter, Versicherungskammer Bayern.

14 Bayerischer Museumspreis

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Bayerischer Museumspreis 15

in meiner Heimatstadt Lindau seit der Reformation Katholiken und Protestanten gleichberechtigt innerhalb der Stadtmauern als Bürger duldete.

So ziert das Konterfei Friedrichs des Großen zahlreiche Kaufbeurer Hinterglasbilder des 18. Jahrhunderts – ein Umstand, der heute in Süddeutschland vielfach irritiert und nur durch den Blick in die Geschichte verständlich wird.

Beispiel 2:„Von den schönen Dingen des Lebens“ - so lautet der Titel einer weiteren Abteilung, in der Objekte gezeigt werden, mit denen das Stadtmuseum Kaufbeuren bayernweite Museumsgeschichte geschrieben hat. So präsentierte es schon 1901 eine Ausstellung mit dem Titel „Volkskunst im Allgäu“. Wirkt dieser Titel heute eher ein wenig verstaubt, so macht die Rede von „den schönen Dingen des Lebens“ neugierig.

Nicht nur der behutsame Umgang mit der eigenen Museums-geschichte, mit den Stuben, Möbeln, Hauben und anderen kultur-historischen Exponaten, sondern auch die Mühe, die in klaren, manchmal gar verführerischen Textproduktion liegt, zeichnet dieses Museum aus. Sich verständlich auszudrücken ist eine Kunst für sich und im Bemühen um verständliche Beschriftungen drückt sich Wertschätzung für das Publikum aus.

Beispiel 3: Die neue Sammlungspräsentation fußt auf einem ausgereiften inhaltlichen und didaktischen Konzept, das zur Kenntnis nimmt, dass sich die Gesellschaft verändert:

Spezialsammlungen erklären sich nun einmal nicht aus sich selbst heraus, sondern bedürfen mehr denn je lebensweltlicher Anknüpfungspunkte. Die Wiebel’sche Kruzifixsammlung ist weit über die Grenzen Kaufbeurens bekannt. Die neue Präsentation der eindrucksvollen Objekte versucht mit ihrem theologisch-anthropologischen Konzeptansatz allen Besuchern gerecht zu werden. Sie betrachtet die sakralen Exponate aus einem kultur-historischen Blickwinkel und bietet zudem Interessantes für den Kunstliebhaber. Leitobjekte strukturieren den Raum, dessen Höhepunkt eine kleine Schatzkammer bildet: denn auch die wert-vollen Materialien wie Elfenbein, Porzellan oder Bronzeguss sagen etwas aus über die Wertschätzung des Dargestellten.

Beispiel 4:Sicher kennen Sie auch das Phänomen, dass eine Ausstellung nach etwa 700 m² gewisse Ermüdungserscheinungen beim Be-sucher hinterlässt.

An dieser Stelle taucht man im Stadtmuseum Kaufbeuren er-neut in eine neue Welt ein: in die Welt der Literatur. „Mit spitzer Feder“ lautet der Titel der Abteilung, in der die in Kaufbeuren geboren Schriftsteller präsentiert werden. Und es gibt wahrlich gegensätzliche Schriftsteller zu bestaunen!

Sophie La Roche (1730-1807), die als erste deutschsprachige Romanschriftstellerin gilt, lebte in einer Epoche der Empfindsam-keit, die sich in einem ausgeprägten Mitteilungsbedürfnis an die Mitmenschen in Form von Briefen und Salonzirkeln ausdrückte. Die begabte, mutige und abenteuerlustige Frau, die trotz ge-sellschaftlicher Konvention aus ihrer Neugierde und Leidenschaft einen „Beruf” machte, der für Frauen als unschicklich galt, ent-führt die Besucher in die Welt des 18. Jahrhunderts.

Aber auch der Erfolgsautor Ludwig Ganghofer (1855-1920) kommt zu Wort, der Kenner des Massengeschmacks, dessen Bücher eine Auflage von über 30 Millionen erlebten. Seine Geschichten drehen sich um Almen, Sennerinnen und Wilderer. Er zählt zu den meist verfilmten deutschen Autoren. In der Ausstellung entdecken die Besucher auch eine andere Seite von Ganghofer, dessen privater Nachlass dem Stadtmuseum Kaufbeuren gehört.

Spätestens in diesem Dachgeschoss eröffnet sich den Be-sucherinnen und Besuchern die Bedeutung und die Vielseitigkeit der Ausstellungsgestaltung. Neben dem inhaltlichen Konzept war es vor allem auch die gelungene Gestaltung, die die Jury bei der Vergabe des Museumspreises überzeugte.

Die inhaltlichen Vorgaben und Aussagen wurden durch die Museumsgestaltung des Ateliers Erich Hackel modern und an-sprechend umgesetzt. Die Gestaltung rückt nie in den Vorder-grund oder wird gar Selbstzweck. Sie unterstützt die inhaltlichen Aussagen behutsam und überrascht mit spannenden Perspektiven auf die Objekte und bereichert die Ausstellung durch ihren Ideen-reichtum.

Das Stadtmuseum Kaufbeuren hat ein didaktisches Konzept, das unterschiedlichen Lerntypen gerecht wird. Natürlich finden wir hier Hörstationen, Audioguides und Mitmachstationen für Kinder und Erwachsene, die das klassische Vermittlungsmedium Text ergänzen, aber es war gerade auch der zielgerichtete Medien-einsatz, der die Jury so überzeugte. Dabei gibt es für Erwachsene und Kinder meist unterschiedliche Aufgabenstellungen und Be-nutzeroberflächen. So können beide Gruppen ihren eigenen inter-aktiven Zugang zum Museum finden.

Insbesondere in der Abteilung zur Geschichte Kaufbeurens im 20. Jahrhundert wird die Bedeutung des Medieneinsatzes deut-lich: hier wird aus einer Not eine Tugend gemacht und dank Medieneinsatz die Objektarmut der Sammlung in dieser Zeit-spanne intelligent ausgeglichen. Ergreifend ist vor allem eine Dokumentation über die Opfer der Euthanasie in der NS-Zeit.

Rundum stimmig sind auch jene für ein funktionierendes Museum grundlegenden Arbeiten, die hinter den Kulissen passieren: • das Erfassen und das wissenschaftliche Inventarisieren der

Objekte, • die Pflege der Sammlung, • ihre professionelle Aufbewahrung in einem fachgerechten

Museumsdepot, • die fachkundige Restaurierung der Exponate. Diese Arbeiten im Hintergrund auch künftig stets im Blick zu be-halten, dazu möchte der Museumspreis ebenfalls ermuntern. Im Namen der Versicherungskammer Bayern gratuliere ich der Museumsleitung Frau Dr. Astrid Pellengahr und ihrem Team sowie der Stadt Kaufbeuren mit Herrn Oberbürgermeister Stefan Bosse ganz herzlich zum diesjährigen Bayerischen Museumspreis!

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Die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen berät mehr als 1250 Museen in ganz Bayern in allen Bereichen der Museums-arbeit. Bei der Mehrzahl handelt es sich um kleinere und mittel-große Museen. Diese sind besonders auf die Unterstützung der Landesstelle angewiesen. Seit etwa 30 Jahren werden unter Be-teiligung der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in zahlreichen Museumsgebäuden Temperierungen eingebaut. Mit Heizleitungen werden kritische Stellen der Baukonstruktion wie der Mauersockel oder Außenecken erwärmt und über die er-wärmten Wandflächen auch das Gebäude selbst temperiert. Aufgabe dieser besonderen Art der Beheizung ist es, möglichst substanzschonend und zugleich kostensparend die Gebäude und die darin verwahrten Sammlungsbestände zu erhalten. Ziel des durch die VW-Stiftung „Forschung in Museen“ und die Ernst von Siemens Kunststiftung geförderten Projekts ist die Unter-suchung und kritische Bewertung des Systems Temperierung aus den praktischen Erfahrungen der Museen heraus. Dazu werden insgesamt 18 Museen in Bayern über einen Zeitraum von vier Jahren begleitet und konservatorisch wie auch messtechnisch untersucht.

Zum Einen sind die Gebäude von Heimat- oder Freilichtmuseen in vielen Fällen als historische Architekturobjekte von Bedeutung, zum Anderen müssen in den Gebäuden die Sammlungsbestände unterschiedlicher Materialität und Provenienz unter möglichst optimalen raumklimatischen Bedingungen präsentiert und auf-bewahrt werden. Dieses ‚Bewahren‘ stellt seit einigen Jahren eine neue und eigenständige, wichtige Disziplin in der Restaurierung dar, die sogenannte ‚Präventive Konservierung‘. Die Präventive Konservierung ist ein Ansatz für die dauerhafte Erhaltung von Kunst und Kulturgut. Sie zielt auf die generelle Verbesserung von Umgebungsbedingungen, um Schäden an Kunstwerken, Aus-stattung und Gebäuden – ohne direkten Eingriff am Objekt – zu vermeiden. Über eine umfassende Analyse von Gebäude und Sammlung erfolgen individuelle Risikobewertungen, die bei der Entwicklung von Konzepten zur Präventiven Konservierung die Grundlage bilden.

Die Temperierung ist ein Verfahren, das in den letzten drei Jahrzehnten für den Bereich der Denkmalpflege an der Landes-stelle für die nichtstaatlichen Museen maßgeblich entwickelt und zum Einsatz gebracht wurde. Es findet heute auch international weite Verbreitung, wie auch beispielsweise die Erwähnung im neuen Standard zur „Beheizung von Andachtsstätten“ des CEN/TC 346 „Erhaltung des kulturellen Erbes“ zeigt. Mittels einer wissenschaftlich fundierten Aufarbeitung der Methode an Hand der Analyse mehrerer bestehender Anlagen und ihrer Funktions-weise in Form eines groß angelegten Surveys sollen nun neue Erkenntnisse und eine Bewertung des Systems Temperierung er-arbeitet werden und die Erfahrungen aus der praktischen Arbeit der bayerischen Landesstelle systematisch ausgewertet und auf-bereitet werden. Für eine Fortführung, Weiterentwicklung und nicht zuletzt für die Beratungstätigkeit sind die Träger von Museen beziehungsweise Denkmalbetreuer dringend auf die Er-gebnisse einer solchen Untersuchung angewiesen.

Untersuchungen an 18 Museen in BayernAn 18 ausgewählten kleinen und mittelgroßen Museen in Bayern werden im Rahmen dieses Projekts exemplarisch die Sammlungen in Bezug auf Provenienz und „Klimageschichte“ des Sammlungsguts betrachtet und auf ihren Erhaltungszustand hin restauratorisch untersucht. Bei allen Museen werden Sensoren für relative Luftfeuchte, Temperatur sowie ggf. Wärmefluss und entsprechende Datenlogger installiert, die über mindestens einen Jahreszyklus hinweg das Raumklima und Mikroklima in Objektnähe hoch aufgelöst messen, sowie bei vier ausgewählten Museen den Energieverbrauch und exemplarische Räume. Die

Das Forschungsprojekt „Sammlungen

erhalten:

Im Forschungsprojekt Temperierung werden 18 Museen in Bay-ern erfasst.

Die Temperierung als Mittel der Präventiven Konservierung in Museen – Eine Bewertung“

Ralf Kilian/Susanne Rißmann

16 Vorträge: Forschung im Museum

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Energiekosten werden bei mehreren Museen über die Heizkosten-rechnungen ermittelt. Darüber hinaus wird auf der Grundlage von Dokumentationen und Befragung der Museumsmitarbeiter der Zustand ausgewählter Objekte mit den Konditionen vor dem Einbau der Temperierung verglichen. Aus diesen Analysen sollen Schlüsse gezogen werden, inwieweit das Raumklima infolge der Temperierung sich positiv oder ggf. auch negativ auf die Objekte auswirkt. Vier Museen werden intensiv begutachtet, hier werden zusätzlich raumklimatische Simulationen durch das Fraunhofer-Institut für Bauphysik erstellt, um die Wirkungsweise auf Raum-klima und Erhaltung zu überprüfen und so das System in Zukunft zielgenauer auslegen und angemessen regeln zu können.

Dabei ist geplant, zunächst an ausgewählten Beispielen die Temperierung mit ihrem Einfluss auf das Feuchteschadens-risiko, die instationären raumklimatischen Bedingungen und den Energieverbrauch nach einer entsprechenden Erweiterung und An-passung der Simulations-Software mittels des hygrothermischen Raummodells WUFI® + rechnerisch nachzuvollziehen und anhand der Messwertverläufe zu validieren. Im Anschluss daran werden Parametervariationen durchgeführt, um verschiedene Betriebs-weisen der Temperierung auf ihre Wirkung auf das Raumklima wie auch den Energieverbrauch hin zu untersuchen.

Das Projekt wird unter Federführung der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern in Kooperation mit 18 aus-gewählten Partnermuseen sowie mit universitären Forschungs-einrichtungen - Technische Universität München, Lehrstuhl für Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissen-schaft, Universität Stuttgart, Lehrstuhl für Bauphysik, und mit dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik, Holzkirchen, durch-geführt.

Im Projekt werden Fachleute aus den Museen eng mit ein-gebunden, in Form einer Freistellung zur Bildung einer zeitlich begrenzten „Jungen Akademie“ zur Präventiven Konservierung von Sammlungen. Sie sollen ihre Erfahrungen mit den jeweiligen Sammlungen und deren „Reaktion“ auf die Temperierung ein-bringen. Dabei werden im gegenseitigen Austausch auch Vor-schläge und Ideen zur Optimierung der bestehenden Anlagen und deren Betrieb in verschiedenen teilnehmenden Häusern entstehen.

Die Zusammenarbeit von Museumsfachleuten, Ingenieur-wissenschaften und Restauratoren führt zu spezifischen Qualifikationen auf dem Gebiet der Klimatisierung und Präventiven Konservierung. Langfristig werden diese Fachleute den Museen mit ihrer neu gewonnenen Expertise zur Verfügung stehen.

Das System „Temperierung“ Die sog. ‚Temperierung nach Großeschmidt´ bezeichnet eine Raumheizung durch kontinuierliche Erwärmung der Gebäude-hülle. Dies erfolgt durch Warmwasser führende Rohre, die in der Sockelzone der Außenwände verlegt werden. Das besondere bei diesem speziellen System besteht darin, dass die Temperierung mit konstanter, hoher Vor- und Rücklauftemperatur ungeregelt und das ganze Jahr hindurch, im Sommer mit abgesenkter Temperatur, gefahren wird. Es existiert jedoch eine Vielzahl von ähnlichen Heizverfahren, die auch „Temperierung“ genannt werden, wie die so genannte Bauteiltemperierung (generell das Erwärmen von Wänden, Decken oder Böden mit warmwasserführenden Leitungen auch in den Innenwänden von Gebäuden), Wandheizungen mit Leitungen in einer oder mehreren Schleifen, unter Putz oder auf Putz, Bodentemperierschalen (Leitungen hinter einer Wandver-schalung, durch Wasser oder Strom geheizt) etc. Eine einheitliche Nomenklatur in diesem Bereich besteht bisher nicht.

Das System der Temperierung wird in der Fachwelt seit Jahren teils kontrovers diskutiert und eine Vielzahl von Fragen stellen sich nach wie vor: Wie effizient und nachhaltig werden Sammlung

a Reversible, zerstörungsfreie Installation von Datenloggern zur Messung der Oberflächentemperatur und Wärmefluss.b Messung von Temperatur und Feuchte an der Wand.

Vorträge: Forschung im Museum 17

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und historische Gebäude unter einem bestimmten Raumklima er-halten? Wie wird das Raumklima durch die Temperierung beein-flusst? Wie aufwändig sind Regelung und Wartung? Wie hoch ist der Energieverbrauch? In welchen Gebäudetypen (Baumaterial, Konstruktion) und in welcher Form macht der Einbau Sinn?

Große Vorteile der ‚Temperierung nach Großeschmidt‘ sind un-bestritten ihr kostengünstiger Einbau und die sichere Vermeidung von Feuchteschäden an den kritischen Stellen der Konstruktion des Gebäudes, denn sie führt gerade dort zu einer Trocknung der Wand. Laut Großeschmidt wirkt sich die Temperierung auch positiv auf die Vermeidung von Hausschwamm, Holzschädlingen und Schadinsekten aus. Des Weiteren entsteht weit weniger Staub-umwälzung wie dies mit - zudem sehr viel kostenintensiveren - Klimaanlagen oder Konvektionsheizungen der Fall ist.

Diese Art der Temperierung wird aber teilweise auch kritisch beurteilt, denn dadurch können fallweise die Feuchtewerte der Raumluft im Winter stark absinken. Im Winter wurden in manchen der hier beteiligten Museen bei 20° C Raumtemperatur bis zu unter 20 % relative Luftfeuchte gemessen, was von den in der einschlägigen Literatur für Kunstwerke und historisches Artefakte als optimal angegebenen Werten (z. B. 20° C und 50 - 55% RH) erheblich abweicht. Inwieweit diese geringen Feuchten in den Museen konkrete und unmittelbare Auswirkungen auf den Zustand der realen Exponate zeigen, ist bisher kaum systematisch untersucht worden. Auch hier soll das Projekt durch umfassende Analysen neue Erkenntnisse ermöglichen.

Raumklima und Präventive KonservierungDie internationalen Vorgaben für das Raumklima in Museen, die sog. ICOM-Richtlinien (50% ± 5% RF bei 20° C), sind seit Mitte der 1990er Jahre – in jüngster Zeit auch aus Gründen der Energieeinsparung und Wirtschaftlichkeit – international in der Diskussion [Kilian 2007], wie auch die Tagung „Climate for Collections“ 2012 in München zeigte. Neuere Empfehlungen plädieren für eine Aufweitung bzw. Aufweichung der vorhandenen, strengen Grenzwerte [Erhard, Tumosa, Mecklenburg 2007; Michalski 2007], wofür die Grundlagen zum Einen experimentelle Forschungen – meist von Physikern oder Chemikern – und zum Anderen empirische Erfahrungen bilden. Es fehlt jedoch noch immer die restauratorische Überprüfung dieser vermeintlich „un-kritischen“ Bereiche durch eine Betrachtung von realen Kunst-werken und anderen Sammlungsgegenständen in Hinsicht auf deren Erhaltung unter einem bestimmten Raumklima. Gerade hier können kleine und mittelgroße Museen einen wertvollen Beitrag leisten, da sie bei meist nicht strikt geregeltem Raum-klima wertvolle Artefakte verwahren, die sich in Material und Technik kaum von den Werken in großen Museen unterscheiden. Der geplante Survey zur Erhaltung von Sammlungen in Museen mit Temperierung will hier einen Beitrag zu dieser internationalen Diskussion liefern und die Präventive Konservierung insgesamt weiter voran bringen.

Raumklima und ErhaltungDas Raumklima beeinflusst den Erhaltungszustand von Samm-lungen essenziell. Temperatur und relative Luftfeuchte bestimmen, wie sich die Materialien der Exponate und Sammlungsgegen-stände verhalten. Ob sie beispielsweise schimmeln, korrodieren, reißen oder ähnliches. Gleichmäßige und optimal auf die Sammlung eingestellte Raumklimata verringern das klimabedingte Schadenspotential entscheidend. Eine nach mehreren Risiko-stufen gruppierte Klassifizierung für das Raumklima in Museen und Archiven und dessen Wirkung auf die Erhaltung gibt bei-spielsweise [Ashrae 2007]. Es gilt, diese theoretischen Grenzen im Projekt kritisch zu hinterfragen und die tatsächlichen Raumklima-Wirkungen auf Sammlungsgegenstände weiter zu erforschen.

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Temperierung in einem Freilichtmuseum hinter einer Wandschale mit Überlagerung einer Thermografie-Messung.

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Ziel des Projekts ist es, das Wissen im Feld der Präventiven Konservierung über den Erhalt von Sammlungen in Museen am Beispiel der Temperierung zu erweitern. Die Erhaltung ist neben dem Sammeln, Erforschen und Vermitteln eine der zentralen Auf-gaben des Museums. Die Wahrnehmung der übrigen drei Auf-gaben ist aber nur dann möglich und sinnvoll, wenn die Exponate und Sammlungsobjekte in möglichst gutem Zustand und unter optimalen Rahmenbedingungen gelagert und ausgestellt werden können.

Im Forschungsprojekt werden daher die klimatische Wirkung der Temperierung auf Artefakte wie auch auf die Gebäude selbst analysiert. Die beteiligten Museen erhalten im Zuge des Projekt-fortgangs wertvolle Erkenntnisse zum Betrieb ihrer jeweiligen Anlagen. Die für die Präventive Konservierung gewonnenen Er-kenntnisse werden qualifiziert und dauerhaft durch die Landes-stelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern weitergegeben. Es ist vorgesehen, einen Leitfaden zu Einsatz, Auslegung und Be-trieb der Temperierung speziell für mittlere und kleinere Museen zu erarbeiten, der Antworten auf die oben gestellten Fragen gibt, aber auch Anwendung in der Baudenkmalpflege finden kann. Damit werden nicht nur die Vernetzung und der Austausch von Museen, die bereits eine Temperierung eingebaut haben, ge-fördert, sondern auch weitere Museen, wie auch Denkmaleigen-tümer unterstützt, die den Einsatz des Systems beabsichtigen.

Für die Überlieferung wie auch für das Erforschen von Sammlungen, ist ihre dauerhafte Erhaltung und somit ein konservatorisch optimales Raumklima essentiell. Dabei sind heute vor allem kostengünstige und energiesparende Systeme gefragt. Die empirischen Grundlagen für eine wissenschaftliche Unter-suchung der Temperierung sind gegeben, da sie zum Teil seit über 20 Jahren in verschiedensten Häusern eingebaut ist und betrieben wird [Landesstelle 1998 und 2006; Kilian 2004; Kotterer et al. 2004]. Auch laufen am Fraunhofer-Institut im Rahmen eines vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projektes derzeit Messungen in Testräumen, um die Wirkungsweise näher zu er-forschen [Krus, Kilian 2010]. Eine gezielte und strukturierte Aus-wertung der Praxiserfahrungen ist bisher aber nicht erfolgt.

Mit dieser systematischen Analyse können künftige Anlagen für kleine und mittlere Museen besser ausgelegt und entsprechend optimiert werden. Damit können auch die Auswirkungen auf das Raumklima und entsprechend auf die Erhaltung der Sammlungen besser abgeschätzt und gesteuert werden. Dies versetzt die Museen in die Lage, ihrem Auftrag des Bewahrens und Erforschens besser nachzukommen.

Aktuelle Informationen unter:www.forschungsprojekt-temperierung.byseum.de

Literatur:1 Ashley-Smith, Jonathan; Burmester, Andreas und Eibl, Melanie (Hrsg.): Climate for Collections – Standards and Uncertainties, Postprints of the Munich Climate Conference, p. 430-439, London 2013, im Internet unter www.doernerinstitut.de/down-loads/Climate_for_Collections.pdf 2 ASHRAE [American Society of Heating, Refrigerating, and Air-Conditioning Engineers]. Museums, Libraries and Archives. Chap. 21 in 2003 Ashrae Handbook, Atlanta 20033 Kotterer, Michael; Großeschmidt Henning; Boody, Frederick; Kippes, Wolfgang: Die Temperierung – Klima in Museen und historischen Gebäuden, Wissenschaftliche Reihe Schönbrunn, Band 9, 20044 DIN EN 15759-1:2012-02: Erhaltung des kulturellen Erbes - Raumklima - Teil 1: Leitfäden für die Beheizung von Andachts-stätten; Deutsche Fassung EN 15759-1:20115 Erhardt, David; Tumosa, Charles S. und Mecklenburg, Marion

F.: „Applying Science to the Question of Museum Climate“, in: Padfield, Tim und Borchersen, Karin (Hrsg.): “Museum Microclimates”, National Museum of Denmark, Kopenhagen 20076 Kilian, Ralf: Die Temperierung in der Renatuskapelle in Lustheim – Auswirkungen auf das Raumklima. Diplomarbeit Technische Universität München, München 20047 Kilian, Ralf: Umgang mit Klimadaten im Vergleich zwischen Museen und Denkmalpflege, in: Jeberin, Alexandra (Hrsg.): „Preventive Conservation - Von der ‚Passiven Konservierung’ zum Risk Management’ - Erfahrungen und Konzepte zur Präventiven Konservierung in der gegenwärtigen restauratorischen Praxis“, Berlin 20078 Krus, Martin; Kilian, Ralf: Calculative Investigations on the “Temperierung” Wall Heating System – Hygric and Thermal Aspects. In: Proceedings of the 1st Central European Symposium on Building Physics, 13-15. September 2010, Cracow - Lodz, Poland 2010 9 Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern (Hrsg.): Das Museumsdepot. Grundlagen - Erfahrungen – Beispiele (= Museumsbausteine, Bd. 4), München 1998 10 Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern (Hrsg.): Freilichtmuseen. Geschichte - Konzepte - Positionen (= Museumsbausteine, Bd. 11), München/Berlin 200611 Michalski, Stefan: The ideal climate, risk management, the ASHRAE chapter, proofed fluctuations, and towards a full risk analysis model. Contribution to an Experts‘ Roundtable on Sustainable Climate Management. Strategies, held in April 2007, in Tenerife, Spain

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Zur Provenienz-forschung im Jahr

2013 in Bayern, ein Überblick

Andrea Bambi

Andrea Bambi.

Seit dem Publik Werden des sogenannten Schwabinger Kunst-fundes, der Kunstsammlung von Cornelius Gurlitt1 im Oktober 2013, ist die Provenienzforschung fast tägliches Medienthema und die Frage nach dem Stand der aktiven Provenienzforschung in Bayerischen Museen hat einen neuen Stellenwert erhalten. Daher ist dieser Überblick zu Projekten aus dem Bereich Provenienz-forschung an bayerischen Museen und Bibliotheken vom Sommer 2013 von besonderer Bedeutung. Stellt er doch die Aktivitäten vor, die bayerische Museen proaktiv bis zu diesem Zeitpunkt unternommen haben. Dazu wurden Museen und öffentliche Sammlungen von der Autorin befragt und diese Rückmeldungen werden nachfolgend summarisch vorgestellt. Sämtliche Angaben beruhen auf den übermittelten Informationen der angefragten Institutionen.2

Im Zeitraum 1933 bis 1945 fand, bedingt durch politische Umstände, unrechtmäßigen Raub und kriegsbedingte Sicherungen eine umfangreiche Verlagerung von Kunst- und Kulturgütern statt, die bis heute nicht restlos aufgearbeitet ist. Seit der Washingtoner Konferenz von 19983, die Kunstwerke betraf, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden, sind Museen und öffentliche Einrichtungen in Deutschland aufgefordert, ihre Bestände erneut auf NS-Raubkunst zu überprüfen. Auf Grund-lage der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rück-gabe verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz von 2001, überarbeitet 20074, werden Bestände von Museen aktiv nach Raubkunst durchsucht. Dabei bietet die sogenannte Handreichung ein „rechtlich nicht ver-bindliche Orientierungshilfe“ zur Umsetzung der „Grundsätze der Washingtoner Konferenz“.5 Aus dieser freiwilligen, moralischen Selbstverpflichtung ist kein einklagbarer Rückgabeanspruch ab-zuleiten.

Provenienzforschung in BayernIn Bayern konzentriert sich die Provenienzforschung zum Zeit-punkt der Umfrage auf die Städte München, Nürnberg, Bamberg und Augsburg.

In München betreiben folgende Sammlungen aktiv Provenienz-forschung:

• Bayerische Staatsgemäldesammlungen• Bayerisches Nationalmuseum • Staatliche Graphische Sammlung• Bayerische Staatsbibliothek• Münchner Stadtmuseum• Städtische Galerie im Lenbachhaus• Zentralinstitut für Kunstgeschichte• Universitätsbibliothek der LMU München

In Nürnberg erfolgt aktive Provenienzforschung am:• Germanischen Nationalmuseum, Deutsches Kunstarchiv• Historisch Wissenschaftliche Stadtbibliothek• Stadtarchiv Nürnberg, Sonderprojekt

„Provenienzforschung“

In Bamberg wird Provenienzforschung von den Museen der Stadt Bamberg und in Augsburg von den Kunstsammlungen und Museen der Stadt getätigt.

In Summe sind dies 13 Institutionen. Die bayerische Museumslandschaft umfasst allerdings mehr als 1.350 Ein-richtungen, darunter allein etwa 20 staatliche Kunstmuseen und 15 staatliche naturwissenschaftliche Sammlungen, hinzu kommen circa 40 Zweigmuseen und Zweiggalerien, die zu den staatlichen Mutterhäusern gehören. Hinzu kommen weitere Museen wie das Deutsche Museum, das Germanische Nationalmuseum, die

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Kunstsammlungen in Coburg, die Walhalla, die Ruhmeshalle und natürlich die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen, die wiederum 1250 nichtstaatliche Museen in Bayern berät.

Provenienzforschung und RestitutionDer größte Teil der nach Kriegsende aufgefundenen Kunstwerke befand sich in Bayern und damit in der amerikanischen Zone.6 Die Westalliierten gaben über die „Collecting Points“ in München und Wiesbaden von den Nationalsozialisten geraubte Kunst-objekte an die Herkunftsländer zurück.7 Von August 1945 bis Mai 1951 konnten vom Münchener Collecting Point am Königsplatz 250.000 der aufgefundenen Kunstwerke herausgegeben werden. Insgesamt wurden in dieser Zeit 463.000 Gemälde zurückgeführt. 1949 stellte der Collecting Point seine Tätigkeit ein und über-trug seine Aufgaben dem Deutschen Restitutionsausschuss. 1952 wurde dieser von der Deutschen Treuhandverwaltung für Kultur-gut, die dem Auswärtigen Amt angegliedert war, abgelöst. Bis 1959 erfolgten 16.000 Restitutionen aus jüdischem Kulturgut an Regierungen der besetzten Länder. Die Bayerischen Staats-gemäldesammlungen restituierten zwischen 1948 und 1952 ins-gesamt 29 Werke u.a. von Spitzweg, Daubigny, Rodin, Degas, Puvis de Chavannes, Delacroix, Diez, Courbet, Waldmüller, Maillol und Fragonard, im Wesentlichen an die Länder Frankreich und Österreich.8

Der Begriff Restitution steht für die Rückgabe von ver-folgungsbedingt entzogenen Kulturgütern bzw. die Wieder-herstellung einer Rechtslage, hier dem Recht an Eigentum, die durch völkerrechtliches Unrecht gestört wurde. Sie kann als Rückgabe des Kunstwerkes selbst und als geldwerter Ausgleich erfolgen. Mit Förderung der seit 2008 bestehenden Arbeits-stelle für Provenienzforschung in Berlin9 und Unterstützung der Koordinierungstelle in Magdeburg10 arbeiten bundesweit circa 120 Provenienzforscher für Museen, Bibliotheken, Archive und öffentliche Einrichtungen. Es ist ein neues, nicht geschütztes Berufsfeld, das sowohl Historiker als auch Kunsthistoriker wie Zeitgeschichtler ausfüllen. Seit 1999 haben sich diese in einem Verbund, dem sogenannten Arbeitskreis für Provenienz-forschung (AKP) zusammengeschlossen, der seit drei Jahren durch Sprecherinnen nach außen vertreten wird. Aktuell sind dies Britta Olenyi von Husen (Museen der Stadt Köln) und Gesa Jeuthe (Universität Hamburg). Seit 1998 wurden nach Auskunft der Arbeitsstelle bislang (Stand 08/2013) 80 Restitutionen mit 1500 Objekten registriert.

Provenienzforschung in München, der ehe-maligen Hauptstadt der Bewegung

Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen:Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen richteten 1999, ein Jahr nach der Washington Conference on Holocaust Era Assets11, eine auf drei Jahre befristete Stelle zur Provenienzforschung für die eigenen Bestände ein. In diesem Zeitraum wurden schwer-punktmäßig 125 Werke aus der Sammlung Göring, die nach 1945 an die BSTGS überwiesen worden waren, recherchiert und die Er-gebnisse in einer Publikation festgehalten.12

Im Jahr 2000 wurde Leopold Graf von Kalckreuths Tryptichon „Die drei Lebensalter“ an die Erben von Elisabeth Gotthilf restituiert, 2004 das Gemälde „Dämmerung am Gardasee“ von Hans Thoma an die Erben von Ottmar Strauss zurückgegeben, 2005 Fritz Schiders Bild „Musikalische Unterhaltung“ an die Erben von Dr. Max Meirowsky und 2008 das „Stillleben mit Porzellankanne“ von Willem Kalf aus der Sammlung Josef Block an dessen Enkel.

2008 richteten die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen eine Konservatorenstelle für Provenienzforschung ein, die für

Karl Haberstock um 1910.

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die Bestände der drei Pinakotheken, der Schack-Galerie und der zwölf Zweiggalerien zuständig ist. Insgesamt umfasst der zu überprüfende Bestand, der ab 1933 in die Sammlungen kam, etwa 4400 Gemälde und 770 Skulpturen. Ausgehend von den Forschungen von Ilse von zur Mühlen wurden die Kunstwerke weiter auf offene Provenienzen überprüft. Diese wurden dann nach Erwerbsmerkmalen kategorisiert und anschließend wurde mit Einzelrecherchen zu relevanten Themenkomplexen begonnen. 2010 restituierten die Staatsgemäldesammlungen vier Werke an die Tochter von August Liebmann Mayer, einen ehemaligen Mit-arbeiter und Konservator der Alten Pinakothek, der in Ausch-witz ermordet wurde. 2012 wurde das Gemälde „Blumenstrauß in einer Tonvase“ aus der Werkstatt Jan Brueghel d. Ä. an die Erben des Wiener Kaufmanns Julius Kien restituiert. 2013 restituieren die Staatsgemäldesammlungen zwei Aquarelle von Max Pechstein aus der Sammlung von Curt Glaser und ein Gemälde von N. V. Díaz de la Peña aus der Sammlung von George Behrens.

Ein Schwerpunkt der Provenienzforschung ist die Auf-arbeitung des großen Bestandes an so genannten Überweisungen aus Staatsbesitz in den Sammlungen der Pinakotheken. Etwa 800 Werke aus ehemaligem NS-Besitz wurden zwischen 1953 und 1977 an die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen überwiesen. Dabei handelt es sich um das enteignete Vermögen von Adolf Hitler, Herrmann Göring, Rudolf Hess, Eva Braun, Max Ammann, Heinrich Hoffmann, Martin Bormann, Franz Xaver Schwarz, Julius Streicher, Paul Giesler, Hans Frank, Adolf Wagner und Robert Ley. Weiter kam Kunstbesitz aus folgenden nationalsozialistischen Einrichtungen an die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen: Parteiforum, Parteikanzlei und Parteibauten am Königsplatz, Platterhof am Obersalzberg, Amt Reichsleiter Rosenberg Berlin und Reichsleitung Berchtesgaden. Außerdem gab es Über-weisungen aus dem so bezeichneten Kunstbesitz der NSDAP und so genanntem NS-Vermögen. Provenienzforscher an den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen greifen diese Fälle nun wieder auf. Wenn sich Raub oder verfolgungsbedingter Verlust nicht gänzlich ausschließen lassen, erfolgt eine Meldung bei der Internetplatt-form Lost Art. Dort ist der momentane Informationsstand zu den Gemälden öffentlich einsehbar, so dass mögliche Eigentümer ihre Ansprüche geltend machen können. Aktuell sind 174 Kunstwerke seitens der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen bei Lost Art (www.lostart.de) gemeldet. Die Bayerischen Staatsgemälde-sammlungen folgen damit ihrer Verpflichtung der Bestandsüber-prüfung nach den Maßstäben der sogenannten Handreichung, auf Basis der Gemeinsamen Erklärung und den Washington Principles (Grundsätze der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunst-werke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden).

Das Bayerische Nationalmuseum:Das Bayerische Nationalmuseum konzentriert seine Recherchen zur Provenienz sowohl auf Objekte, die von 1933 bis 1945 er-worben wurden als auch auf Erwerbungen nach 1945. Zwischen 1933 und 1945 wurden ca. 5500 Erwerbungen inventarisiert. Von diesen wurden nach Kriegsende 859 Inventarnummern an den Collecting Point, die Finanzmittelstelle oder direkt an die Wiedergutmachungsberechtigten zurückgegeben. Ein weiteres Stück aus diesem Erwerbungszeitraum wurde vor kurzem an die Erben restituiert. Insgesamt sind also 860 Restitutionen erfolgt, darüber hinaus wurden ca. 500 weitere Objekte aus dem Bestand des Museums verkauft, getauscht oder an andere Museen ab-gegeben.

Die Recherchen des Bayerischen Nationalmuseums gelten ebenso den Erwerbungen nach 1945 und bislang wurden sieben Werke restituiert, die nach 1945 erworben worden sind. Drei von diesen Werken stammten nicht aus jüdischem Besitz, sondern wurden den Dresdener Museen zurückgegeben. Zu den bereits

abgeschlossenen Projekten zählen die Forschungen von Lorenz Seelig und Matthias Weniger zu den Sammlungen Pringsheim, Lämmle und Gerngross.13 Seit 2012 wird von Ilse von zur Mühlen der Bestand von 425 Werken aus der Sammlung Hermann Görings aufgearbeitet, die wie die Überweisungen in den Staatsgemälde-sammlungen ein Desiderat sind. Das Projekt ist bislang bis Früh-jahr 2014 befristet.

Die Staatliche Graphische Sammlung: Die Staatliche Graphische Sammlung in München ist Eigen-tümer von gut 600 Zeichnungen und Aquarellen von Rudolf von Alt (1812-1905).14 Die 1959 von der Treuhandverwaltung für Kulturgut in München der Staatlichen Graphischen Sammlung in München überwiesenen Werke waren überwiegend durch Martin Bormann und seine Mittelsmänner im Auftrag Hitlers zu-sammengetragen worden. Noch bis in die 1930er-Jahre waren die Grafiken vielfach im Besitz jüdischer Sammler in Wien. Das im Dezember 2011 begonnene Projekt, das ein Kooperationsprojekt der Staatlichen Graphischen Sammlung mit dem Zentralinstitut für Kunstgeschichte ist, erforscht die Provenienz des Konvoluts. Gefördert von der Arbeitsstelle für Provenienzforschung soll der Sammlungsbestand systematisch erschlossen sowie insbesondere die Rolle des „Reichsleiters der NSDAP“ Martin Bormann (1900-1945) im NS-Kunstraub untersucht werden. Die so genannte „Alt-Aktion“ ist auch deshalb ein dringendes Forschungsdesiderat, da zu einzelnen Arbeiten Restitutionsanfragen vorliegen.

Die Ergebnisse des Projekts werden in Form einer Datenbank im Internet publiziert. Für 2015 ist eine Ausstellung der Werke von Rudolf von Alt in der Pinakothek der Moderne aus dem Be-stand der Staatlichen Graphischen Sammlung in München ge-plant.

Das Zentralinstitut für Kunstgeschichte:Das Zentralinstitut ist mehrfacher Antragsteller bei der Arbeits-stelle für Provenienzforschung in Berlin und hat umfassend recherchiert und publiziert zu den Kunsthandlungen und Auktions-häuser von Adolf Weinmüller in München und Wien 1936-1945.15 Partner des Zentralinstituts ist Neumeister Münchener Kunstauktionshaus GmbH & Co. KG, vertreten durch Katrin Stoll, die die Initiatorin des Projektes zu Weinmüller ist. Von November 2009 bis Februar 2011 untersuchte Meike Hopp erstmals die Geschichte des „Münchener Kunstversteigerungshauses Adolf Weinmüller“, der Vorgängerinstitution des heutigen Münchener Kunstauktionshauses Neumeister. Der Schwerpunkt liegt auf der Rolle von Adolf Weinmüller im nationalsozialistischen Kunst-handel. Seit 1921 betrieb Weinmüller einen Kunsthandel; 1931 trat er der NSDAP bei. 1936 übernahm er das Auktionshaus des jüdischen Kunsthändlers Hugo Helbing in München16, 1938 auch die Firma des jüdischen Kunsthändlers Herbert Kende in Wien17. Im Entnazifizierungsverfahren als Mitläufer eingestuft, setzte Weinmüller seine Tätigkeit von 1948 bis zu seinem Tod im Jahr 1958 fort. Im Juli 1958 übernahm Rudolf Neumeister das Ver-steigerungshaus des verstorbenen Auktionators.

Im Zuge des Projekts wurden vom Zentralinstitut für Kunst-geschichte Kataloge der Münchner und Wiener Auktionshäuser digitalisiert, die der Forschung zur Konsultation im ZI zur Ver-fügung stehen.

Das aus Mitteln des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien geförderte Projekt ergänzt Arbeitsvorhaben des Zentralinstituts, die sich mit der Münchner Kunstszene der 1930er und 1940er Jahre beschäftigen.

Am 18. März 2013 gab es einen Sensationsfund: in einem Stahlschrank in einem Technikraum des Kunstauktionshauses Neumeister wurde ein Konvolut von annotierten Auktions-katalogen entdeckt. Das aufgefundene Konvolut umfasst hand-

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schriftlich annotierte Kataloge bzw. Handexemplare aller 33 Münchner Versteigerungen im Zeitraum 1936-1943 sowie 11 von 18 Wiener Versteigerungskatalogen zwischen 1938-1944. Damit liegen zum Großteil der insgesamt 34.500 in diesem Zeitraum gehandelten Objekte nun wesentlich genauere Informationen als bisher vor. Die Bedeutung dieses Fundes für die internationale Provenienzforschung sowie für laufende Restitutionsverfahren kann daher kaum überschätzt werden. Dank der erneuten Unter-stützung durch die Arbeitsstelle für Provenienzforschung wird dieses Material der Forschung so schnell wie möglich zugänglich gemacht. Im Rahmen einer Sofortmaßnahme werden die Unter-lagen nun digitalisiert, die Daten erfasst und ausgewertet sowie in geeigneter Weise zur Verfügung gestellt.

Städtische Galerie im Lenbachhaus:Der Kulturausschuss der Stadt München hatte in der Sitzung vom 21. Oktober 1999 beschlossen, dass die Landeshaupt-stadt München die vom Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, vom Deutschen Museumsbund und von der Kulturstiftung der Länder erbetene Recherche nach ehemals jüdischem Kunstbesitz in den städtischen Museen unterstützt. Seitdem prüft die Städtische Galerie im Lenbachhaus Anfragen und an sie gestellte Restitutionsansprüche auf deren Berechtigung gemäß des Washingtoner Abkommens und bemüht sich um faire und für alle Beteiligten akzeptable Lösungen. Darüber hinaus werden nach und nach die Provenienzen des gesamten eigenen Sammlungsbestands geprüft, sowie nicht zu klärende Fälle bei der Koordinierungsstelle in Magdeburg auf www.lostart.de eingestellt.

Münchner Stadtmuseum:Im September 2011 richtete das Münchner Stadtmuseum ein an-teilig von der Arbeitsstelle für Provenienzrecherche/ -forschung, Berlin und der Stadt München gefördertes, zeitlich befristetes Forschungsprojekt ein, das sich der systematischen Provenienz-überprüfung von Eingängen der Jahre von 1933 bis 1945 sowie der Ankaufspolitik des Museums in dieser Zeit widmet.

Basierend auf den Einträgen in den Inventaren gelangten zwischen 1933 und 1945, der Amtszeit von Museumsdirektor Konrad Schießl (1889–1970) und dessen Mitarbeiter Max Heiss (1904–1971) annähernd 20.000 Kunstobjekte durch An-kauf, Schenkung oder Tausch in den Sammlungsbestand des Historischen Museums der Stadt München. Hiervon wurden zu-nächst 2.500 Objekte, deren Angaben zur Herkunft in den In-ventaren des Museums im Hinblick auf einen möglichen NS-ver-folgungsbedingten Entzug als problematisch einzustufen waren, ausgewählt.

In diesem Zusammenhang wird auch die Ankaufspolitik des Museums im Nationalsozialismus, insbesondere aber die Aktivi-täten des damaligen Museumsdirektors aufgeklärt und kritisch erforscht. 2012 hat das Stadtmuseum insgesamt acht Kunst-gegenstände aus der Sammlung Emma Budge restituiert. Die genannten Kunstgegenstände waren im Oktober 1937 vom Münchner Stadtmuseum im Berliner Kunstversteigerungshaus Paul Graupe auf der Versteigerung des Nachlasses von Emma Budge (17.2.1852 – 14.2.1937) erworben worden. Nach dem Tod der jüdischen Sammlerin, die in Hamburg zwischen 1903 und 1937 eine bedeutende Kunst- und Kunsthandwerkssammlungen zusammengetragen hatte, ließen die nationalsozialistischen Be-hörden die gesamte Kollektion im August 1937 nach Berlin bringen. In zwei Versteigerungen im Oktober und Dezember 1937 wurde diese umfangreiche Privatsammlung im Auktionshaus Paul Graupe verkauft. Der Versteigerungserlös wurde nicht an die Erben ausbezahlt, sondern auf Sperrkonten für das Deutsche Reich „ge-sichert“. Unter den Käufern waren zahlreiche deutsche Museen,

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Fränkisches Heimatmuseum Bamberg, gegründet 1938.

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darunter das Münchner Stadtmuseum. Um 1939/40 erwarb das Historische Museum der Stadt München (seit 1955 Münchner Stadtmuseum) 205 Silbergegenstände vom Städtischen Leihamt in München. Es handelte sich dabei ausnahmslos um Objekte, die in München lebende jüdische Familien auf staatlichen Zwang hin bei der Ankaufsstelle des Städtischen Leihamtes abliefern mussten. Das geschah damals auf der Basis der am 21. Februar 1939 erlassenen „Dritten Anordnung aufgrund der Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden“.18 Im Rahmen der Wiedergutmachungsverfahren konnten nach 1945 insgesamt 57 Silberobjekte wieder an ihre rechtmäßigen Eigentümer zurück-gegeben werden. Voraussetzung war damals ein von den be-troffenen Familien fristgerecht gestellter Entschädigungsantrag. Heute befinden sich noch immer 148 Gegenstände im Münchner Stadtmuseum. Es handelt sich überwiegend um Objekte aus Münchner Silberschmieden des 18. bis 20. Jahrhunderts, die in der Datenbank www.lostart.de der Koordinierungsstelle Magdeburg eingestellt worden sind.

Universitätsbibliothek München:Im Magazin der Bibliothek des Historicums an der Universitäts-bibliothek München ist eine etwa 1.000 Bände umfassende Judaica-Sammlung (überwiegend Gebrauchsliteratur des aus-gehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts) erhalten. Es handelt sich um einen Restbestand aus der 1936 in München gegründeten Bibliothek der „Forschungsabteilung Judenfrage“ des „Reichs-instituts für Geschichte des neuen Deutschlands“. Der Aufbau der Bibliothek wurde unter anderem von Julius Streicher, Heraus-geber des antisemitischen Hetzblattes „Der Stürmer“ unter-stützt.19 Ein Großteil der bei Kriegsende etwa 35.000 Bände um-fassenden Sammlung stammt aus Beschlagnahmeaktionen oder aus antiquarischen Erwerbungen.

1943 wurde der Bibliotheksbestand nach Passau (Feste Ober-haus) ausgelagert. Möglicherweise sind Teile der Bibliothek, insbesondere Handschriften oder ältere Bestände dabei an die Bayerische Staatsbibliothek abgegeben worden.

1945 gelangten die etwa 1.000 Bände in den Besitz des Historischen Seminars der Universität. Der restliche Bestand gilt nach einer Überstellung von 238 Bücherkisten an den Offenbacher Collecting Point20 im Jahr 1947 als verschollen, wobei offenbar mehrfach Einzelexemplare mit dem Stempeleintrag „Forschungs-abteilung Judenfrage“ in amerikanischen Universitätsbibliotheken gefunden wurden.

Die Judaica-Sammlung des Historicums wurde 1970 biblio-graphisch erfasst. Nachdem sich Hinweise auf möglicherweise NS-verfolgungsbedingten Entzug mehrerer Bücher ergeben hatten, wurde Ende 2000 mit Provenienzprüfungen begonnen. Eine Autopsie der Einzelbände erbrachte mehrere personen- und institutionsbezogene Provenienzvermerke, die auf jüdische Vor-besitzer schließen lassen. In Ergänzung zu Recherchen im Archiv der Oberfinanzdirektion Berlin zu früheren Rückerstattungs- bzw. Entschädigungsverfahren der in den Büchern genannten Personen werden die betreffenden Bände hier veröffentlicht. Anspruchs-berechtigte Personen oder Institutionen sind aufgefordert, sich mit der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste oder direkt mit der Universitätsbibliothek München in Verbindung zu setzen.

Restituiert werden konnte bislang nichts, mit den Synagogen-gemeinden Berlin, Frankfurt/Main und Magdeburg wurde eine Vereinbarung über eine Dauerleihgabe geschlossen; die Bücher sind als Besitz der jeweiligen Gemeinde im OPAC ausgewiesen.

Nach 1945 gab es an der Universitätsbibliothek München keinen Restitutionsvorgang. Allem Anschein nach hat sich die Bibliothek nicht in die Rolle des arisierenden Profiteurs begeben. Die drei noch erhaltenen Korrespondenzordner zu den rund 160 Schenkungsvorgängen vor 1945 spiegeln das im Regelfall reich-

24 Vorträge: Forschung im Museum

Außenansicht der Galerie Heinemann, in: Katalog 1905/6 Galerie Heinemann München, S. 7.

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lich unspektakuläre Geschäft des Geschenkzugangs wider; Zu-gangsanomalien oder Verdacht Erregendes lassen sich dort nicht finden, wenngleich die nur noch statistisch nachweisbare Ver-doppelung des Geschenkzugangs zwischen 1937/38 und 1938/39 ein Indiz für NS-Raubgut sein könnte. Einzig beim Schenker-verzeichnis, das um 1939 angelegt wurde, sind für die letzten Kriegsjahre Seiten gewaltsam entfernt worden. Was auch immer dieses hausinterne Entnazifizierungsverfahren mit dem Skalpell in der Nachkriegszeit zu verbergen suchte, physisch vorhanden sind diese Bücher nicht mehr: Schon zu Adolf Hilsenbecks (1873-1947) Zeiten war der Katalogisierungsrückstau gerade bei den Ge-schenkzugängen erheblich, unter Joachim Kirchner sollte er sich noch verschärfen.21 Nahezu der gesamte noch zu bearbeitende Schenkungsbestand wurde mit Kriegsbeginn in den Nordkeller der LMU verbracht, wohin Geschenke und Abgaben mit Ausnahme der Bibliothek Maassen bis zum Sommer 1944 weiterhin gelangten, um nach dem „Endsieg“ erfasst zu werden. Am 13. und 16. Juli 1944 legten zwei Bombenangriffe den Nordflügel der Universität bis auf die Grundmauern in Schutt und Asche; 90.000 Bände, unter ihnen auch die Geschenkzugänge, verbrannten vollständig in den Trümmern.

Inwieweit die UB München nach Kriegsende durch Über-stellungen, Schenkungen und antiquarischen Nachkauf als sekundären Zugang NS-Raubgut erhalten bzw. erworben hat, konnte man bislang nicht verifizieren; konkrete Verdachtsfälle gab es indes nicht.

Provenienzforschung in Nürnberg, ehemals Stadt der ReichsparteitageStadtarchiv Nürnberg:Als erste deutsche Kommune kam die Stadt Nürnberg den Forderungen der eingangs erläuterten sogenannten Handreichung nach und beschloss im Jahre 2003, die Geschichte ihrer Kunst-sammlungen während der NS-Zeit und die Provenienzen der Erwerbungen untersuchen zu lassen. Seit Juni 2004 wird im Rahmen eines befristeten Forschungsprojekts mit dem Titel „Lost Art – Auffindung und Rückgabe von NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern“ recherchiert. Das Projekt ist beim Stadtarchiv Nürnberg angesiedelt und wird komplett aus dem städtischen Haushalt finanziert, ohne Drittmittel einzusetzen. Hinter dem Projekt steht ein wissenschaftlicher Mitarbeiter, der in Vollzeit systematisch die Provenienzen von Gemälden, Graphiken, Möbeln, Skulpturen und kunsthandwerklichen Gegenständen, die zwischen 1933 und 1945 in die städtischen Sammlungen ge-langten, untersucht. Hinzu kommen Grafiken, die seit 1933 von der Stadtbibliothek Nürnberg erworben wurden und 1971 an die städtischen Museen abgegeben wurden. Seit 2013 gehören zudem die Erwerbungen der Stadtbibliothek auf dem Gebiet des Alten Buches zum Aufgabenbereich.

Probleme bei den Recherchen ergeben sich aus der de-zentralen Verteilung des städtischen Kunstbesitzes auf diverse Außendepots und das Germanische Nationalmuseum. Das Fehlen eines Zugangsregisters, von Ankaufsakten und Korrespondenz der Direktion erschwert zusätzlich die Recherchen. Die Erwerbungen mussten hauptsächlich aus Ausstellungskatalogen der städtischen Sammlungen sowie Akten und Inventarkarten des Germanischen Nationalmuseums rekonstruiert werden. Aufgrund ungenauer Beschreibungen und mangelnder Inventarisation konnten Gold-schmiedeobjekte nur zum Teil verifiziert werden. Erwerbungen von Privatpersonen, d. h. auch von lokalen Künstlern, bleiben bei der Untersuchung unberücksichtigt.

Von den 650 zu untersuchenden Gemälden, Graphiken, Skulpturen und Goldschmiedearbeiten, von denen bisher größten-teils nicht einmal eine Photoaufnahme existierte, sind 400 Werke recherchiert und können als geklärt gelten. Eine Ausweitung

des Forschungsbereichs auf die Erwerbungen nach 1945 ist an-gedacht.

Historisch-Wissenschaftliche Stadtbibliothek:An der Nürnberger Stadtbibliothek bemüht man sich grund-sätzlich um eine Erfassung und Dokumentation der Vorbesitzer, wird Provenienzforschung also als Aufgabe zur Erschließung des gesamten Magazinbestandes verstanden.

Der Kernbestand der Stadtbibliothek wurde bislang wie folgt recherchiert: Insgesamt gingen zwischen 1933 und 1945 durch Kauf oder Geschenk rund 32.000 Bände ein. Voruntersuchungen zum Zugang zwischen 1933 und 1945 wurden im Sommer 2013 in einer Ausstellung mit dem Titel „Für den deutschen – wider den undeutschen Geist“. Von verbotener und regimekonformer Literatur im ‚Dritten Reich‘ in der Stadtbibliothek vorgestellt. Unter den Nürnberger Beständen befindet sich die ehemalige Büchersammlungen des Gauleiters und „Frankenführers“ Julius Streicher, ca. 9.000 Bände, heute Sammlung Israelitische Kultus-gemeinde.22 Der Bestand wird seit 1945 in der Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg aufbewahrt. Seit 1997 wird der Be-stand neu katalogisiert. Zu den ca. 3.700 provenienztragenden Schriften wurden von dem Projektbearbeiter Leibl Rosenberg die Besitzeinträge sowie sonstige Spuren von Vorbesitzern erfasst und im Katalog der Stadtbibliothek zugänglich gemacht sowie um digitale Abbildungen ergänzt; außerdem gingen Meldungen an die Datenbank der Koordinierungsstelle www.lostart.de. Angaben zu identifizierbaren Vorbesitzern sind weiterhin in Listenform auf der Homepage zugänglich gemacht worden. Insgesamt konnten 196 Fälle geklärt werden, davon wurden 167 Schriften restituiert und 29 wurden von den Vorbesitzern zum dauerhaften Verbleib in der Sammlung der IKG bestimmt.

Deutsches Kunstarchiv:Das Projekt zur Digitalisierung, Datenerfassung und Internet-präsentation der Unterlagen der „Galerie Heinemann“ wurde 2008 vom Deutschen Kunstarchiv im Germanischen National-museum, Nürnberg in Kooperation mit dem Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München und unter konzeptioneller Mitarbeit von „Facts & Files, Historisches Forschungsinstitut Berlin“, er-arbeitet. Die Arbeitsstelle für Provenienzrecherche/ -forschung, Berlin hat das Vorhaben im Frühjahr 2009 bewilligt. Die Internet-datenbank wurde am 29. Juli 2010 frei geschaltet.

Die Galerie Heinemann wurde 1872 von David Heinemann (1819-1902) gegründet und zählte bis zu ihrer 1938 erfolgten „Arisierung“ zu den bedeutendsten Kunsthandlungen Deutsch-lands.23 Der Münchner Hauptsitz befand sich ursprünglich am Promenadeplatz, später wurde er in die Prinzregentenstraße und ab 1904 an den Lenbachplatz 5/6 verlegt. Die international agierende Galerie besaß mehrere Dependancen, unter anderem in Frankfurt am Main, Nizza und New York. Sie war spezialisiert auf deutsche Kunst des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, widmete sich aber auch englischer, französischer und spanischer Kunst. Insgesamt veranstaltete sie zwischen 1880 und 1935 etwa 300 Einzel- und thematische Gruppenausstellungen. Fritz Heinemann kehrte im Juni 1946 nach München zurück. Die Unter-lagen seines Unternehmens erhielt er wahrscheinlich erst nach dem Tod Zinckgrafs im Jahr 1954 zurück. Unter dem Namen seiner Frau Christel war Fritz Heinemann von 1955 bis 1957 wieder als Kunsthändler tätig. 1972 übergab er die Geschäftsbücher und Karteien dem Deutschen Kunstarchiv im Germanischen National-museum, Nürnberg.24 Ein Teil der Fotografien und die Kataloge der Galerie Heinemann gelangten gleichzeitig in den Bestand des Zentralinstituts für Kunstgeschichte, München.

Vorträge: Forschung im Museum 25

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in einer solchen Vermutung stehende Erwerbungen aufspüren, Informationen darüber mithilfe der Internet-Webseite www.lostart.de der Koordinierungsstelle Magdeburg der Öffentlich-keit zugänglich machen sowie gegebenenfalls potenziellen Be-rechtigten weiterführende Hinweise zu geben.“26

Die bestehende Provenienzforschung in Bayern ist vorbildlich, angesichts der Sammlungsgeschichte der jeweiligen Museen und deren Anzahl aber nicht ausreichend. Staatliche und städtische Museen in München, Augsburg, Bamberg, Regensburg oder Nürnberg benötigen fest angestellte Mitarbeiter, die Archivalien erschließen, Provenienzen recherchieren und so verfolgungs-bedingten Entzug aufdecken und Kunstwerke an Berechtigte restituieren können. Private Stiftungen in öffentlichen Museen wie die Sammlung Schäfer in Schweinfurt und die Sammlung Buchheim in Feldafing wollen sich der Provenienzforschung zu-wenden. Für sie und die Vielzahl an nichtstaatlichen Museen ist eine Anlaufstellte erforderlich, die bei Bestandsüberprüfungen beratend zur Seite steht und Grundlagen zur Herangehensweise vermittelt. Wünschenswert ist darüber hinaus ein Bayernweit tätiges, prüfendes Gremium aus unabhängigen Historikern, Zeit-historikern und Juristen für die zu fällenden Entscheidungen im Hinblick auf Restitutionen. Nur so ist hier dem geforderten Anspruch an Unabhängigkeit und Sorgfaltspflicht im Ent-scheidungsprozess Rechnung zu tragen. Seit dem Schwabinger Kunstfund ist die Notwendigkeit von Provenienzforschung in einer neuen Dimension deutlich geworden, die auch von Politik und Öffentlichkeit erkannt und anerkannt worden ist. Dem sollten nun Konsequenzen folgen.

Anmerkungen:1 www.gurlitt.info/ und www.lostart.de/Webs/DE/Datenbank/KunstfundMuenchen.html besucht am 24.3.2014.2 Städtische Galerie im Lenbachhaus (Irene Netta), Bayerisches Nationalmuseum (Renate Eikelmann und Ilse von zur Mühlen), Staatliche Graphische Sammlung (Andreas Strobl), Münchner Stadtmuseum (Isabella Fehle), UB München (Sven Kuttner), Museen der Stadt Augsburg (Christof Trepesch), Stadt Bamberg (Ann-Christin Schneider), Stadt Nürnberg (Dominik Radlmaier, Birgit Joos, Christine Sauer).3 Grundsätze der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunst-werke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden (Washington Principles), veröffentlicht im Zusammenhang mit der Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust, Washington, D.C., 3. Dezember 1998.4 www.lostart.de/Content/09_Service/DE/Downloads/Hand-reichung.pdf?__blob=publicationFile besucht am 25.3.2014.5 Wie vor, S.4.6 Bambi, Andrea: Restitution von NS-Raub- und Beutekunst, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_46253 (24.03.2014)7 Bernsau, Tanja: Die Besatzer als Kuratoren. Der Central Collecting Point Wiesbaden als Drehscheibe für einen Wiederauf-bau der Museumslandschaft nach 1945, Berlin 2013. Lauterbach, Iris: Central Art Collecting Point und Zentralinstitut für Kunst-geschichte 1945 bis 1949, in: Kunstgeschichte in München 1947, Hg.v. Lauterbach, Iris, München 2010, S. 7-19. Farmer, Walter und Goldmann, Klaus: Die Bewahrer des Erbes. Das Schicksal deutscher Kulturgüter am Ende des Zweiten Weltkrieges. Berlin 2002. – Smyth, Craig-Hugh: Repatriation of art from the collecting point in Munich after World War II background and beginnings; with reference especially to the Netherlands, Maarssen 1988.8 Es handelt sich um die BSTGS Inv.Nrn. 10910-10912, 10830,10814,10887, 10781, 10869, 10871, B 246, 10628, 10904-10905, 10858, 10754-10755, 19780, 10784, 10826, 10862, 10844, B 245, 10782-10784.

26 Vorträge: Forschung im Museum

Provenienzrecherche in BambergMuseen der Stadt Bamberg:Das Historische Museum Bamberg wurde 1938 als „Fränkisches Heimatmuseum“ gegründet. In dem neuen Museum wurden die bereits seit 1833 existierenden städtischen Kunstsammlungen zusammen mit den Sammlungen des Historischen Vereins präsentiert. Zur Ergänzung der Bestände wurden gerade in den dreißiger Jahren umfangreiche Neuerwerbungen getätigt. Bei dem zu recherchierenden Bestand handelt es sich größtenteils um Objekte aus dem Kunstgewerbe. Das von Ann-Christin Schneider zusammengestellte Konvolut der zu recherchierenden Objekte mit einem Zugang zwischen 1933 und 1945 bewegt sich bisher im dreistelligen Bereich. Von einigen Objekten bzw. Objektgruppen war bereits bekannt, dass deren Provenienz schwierig ist oder sein könnte. Das „Ausmaß“, auch der noch anstehenden Recherchen, wird jedoch erst jetzt durch das laufende Projekt deutlich und könnte keineswegs von den Mitarbeitern übernommen werden. Inzwischen besitzen die Museen der Stadt Bamberg ca. 3000 Ge-mälde und 5000 Grafiken, eine heute nur wenig bekannte ethno-graphische Sammlung sowie Skulpturen und zahlreiche kunst-handwerkliche Objekte.

Provenienzforschung in AugsburgMuseen und Kunstsammlungen der Stadt Augsburg:Seit 2001 wird in den Kunstsammlungen und Museen Augsburg Provenienzforschung betrieben. Zunächst wurden die Kunst-objekte aus der Sammlung des umstrittenen Kunsthändlers Karl Haberstock, der während des Naziregimes eine wichtige Rolle im Kunsthandel einnahm, untersucht. Die Ergebnisse dieser Unter-suchungen wurden Ende 2008 von dem Historiker Horst Keßler in einer vom Stiftungsamt der Stadt Augsburg finanzierten, um-fangreichen Publikation veröffentlicht.25 Zwischen Juli 2009 und Juni 2011 wurde ein von der Arbeitsstelle für Provenienz-forschung/ -recherche gefördertes Projekt mit dem Titel „Er-schließung und provenienztechnische Überprüfung der Objekte der Kunstsammlungen und Museen Augsburg, die zwischen 1933 und 1955/60 angekauft wurden“ von Horst Keßler in Zusammen-arbeit mit der Kunsthistorikerin Verena Larbig durchgeführt. Zwischen 1933 und 1945 haben die Kunstsammlungen insgesamt 3071 Objekte erworben, von denen 513 als bedenklich eingestuft wurden. Sowohl die Forschungen zu den Objekten aus der Karl und Magdalene Haberstock-Stiftung wie auch die zu den haus-eigenen Beständen werden fortgeführt. Seit November 2012 hat die Stadt Augsburg einen Provenienzforscher für ein Jahr in einer 10 Wochenstunden-Stelle angestellt, der zum einen die weitere Überprüfung dieser als bedenklich eingestuften Objekte vor-nimmt, weiterführende Recherchen dazu anstellt und sich zu-dem um laufende Anfragen kümmert sowie das bei den Kunst-sammlungen und Museen ansässige Haberstock-Archiv betreut. Es ist beabsichtigt, diese Stelle ab November 2013 weiterzuführen und ggf. auf 20 Wochenstunden auszubauen.

Ausreichend Provenienzforschung? Die Erschließung eigener Archivalien, Nachforschungen bei konkreten Anfragen sowie die eigenaktive Suche sind Kernauf-gaben der Provenienzforschung. Das betrifft die Bestände aber auch museale Neuerwerbungen, die Annahme von Dauerleihgaben oder Stiftungen aus fremdem Besitz. Stets sollte eine Provenienz-prüfung mindestens gemäß der „Handreichung“ erfolgen. Die „Handreichung“ gibt folgende Anleitung:

„Die Sammlungen der öffentlichen Hand sollten sich der Verantwortung bewusst sein, zur Auffindung NS-verfolgungs-bedingt entzogener Kulturgüter in ihren Beständen beizutragen, indem sie anhand der ihnen zugänglichen Dokumente unter Be-rücksichtigung des derzeitigen Forschungsstandes derartige bzw.

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9 Die Arbeitsstelle für Provenienzforschung am Institut für Museumsforschung der Staatlichen Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat die Aufgabe, Museen, Bibliotheken, Archive und andere öffentlich unterhaltene Kulturgut bewahrende Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland bei der Identi-fizierung von Kulturgütern in ihren Sammlungen und Beständen zu unterstützen, die während der Zeit des Nationalsozialismus den rechtmäßigen Eigentümern verfolgungsbedingt entzogen wurden. www.arbeitsstelle-provenienzforschung.de/ besucht am 25.03.2014.10 Die Lost Art Internet-Datenbank wird von der Koordinierungs-stelle Magdeburg betrieben, einer Einrichtung des Bundes und der Länder der Bundesrepublik Deutschland für Kulturgut-dokumentation und Kulturgutverluste. Die Datenbank dient zur Erfassung von Kulturgütern, die infolge der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und der Ereignisse des Zweiten Weltkriegs ver-bracht, verlagert oder – insbesondere jüdischen Eigentümern – verfolgungsbedingt entzogen wurden. www.lostart.de/Webs/DE/Start/Index.html besucht am 25.03.2014.11 Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust, Washington, D.C., 30. November bis 3. Dezember 1998, Proceedings, Washington 1999.12 Ilse von zur Mühlen, Ilse: Die Kunstsammlung Herrmann Görings, ein Provenienzbericht der Bayerischen Staatsgemälde-sammlungen, München 2004.13 Seelig, Lorenz: Die Silbersammlung Alfred Pringsheim, Riggisberg 2013. Ders.: Die Zwangsablieferung von Silber aus jüdischem Besitz in München 1939-1940, in: Kulturgutver-luste, Provenienzforschung, Restitution, hg. v. Stäbler, Wolfgang, München 2007, S.125-141. Ders.: Die Münchner Sammlung Alfred Pringsheim, in: Entehrt, ausgeplündert, arisiert, hg. v. Koordiniergsstelle Magdeburg, Magdeburg 2005, S.269-290. Weniger, Matthias: Die Sammlungen Siegfried Lämmle und Ludwig Gerngross im Bayerischen Nationalmuseum 1938 bis 1953, in: Entehrt, ausgeplündert, arisiert, hg. v. Koordiniergsstelle Magdeburg, Magdeburg 2005, S.291-308.14 Hopp, Meike: Rudolf von Alt, in: Ausstellung 1938. Kunst-Künstler-Politik, Hg. v. Atlan, Eva u.a., Göttingen 2013, S.177-188.15 Die Ergebnisse des Forschungsprojekts wurden im Mai 2012 im Band 30 der Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Kunst-geschichte in München publiziert. Hopp, Meike: Kunsthandel im Nationalsozialismus. Adolf Weinmüller in München und Wien. Köln 2012.16 Hugo Helbing zählte zwischen 1930 und 1935 zu den großen Münchner Versteigerern, zur Geschichte und Literatur siehe: www.arthistoricum.net/themen/portale/german-sales/aukt ionshaeuser-a-z/aukt ionshaeuser-deutschland-a-z/muenchen/ besucht am 26.03.2014.17 Adolf Weinmüller arisierte das Auktionshaus S. Kende, das am 19.11.1938 trotz heftiger Proteste der Wiener Auktions-häuser und Kunsthandlungen unter S. Kende Nachfolger, Adolph Weinmüller & Co. Wiener Kunstversteigerungshaus ins Handels-register eingetragen wurde. Als Geschäftsführer wirkte Dr. Franz Kieslinger. Siehe www.arthistoricum.net/themen/portale/german-sales/auktionshaeuser-a-z/auktionshaeuser-oesterreich-a-z/wien/, besucht am 26.03.2014.18 Reichsgesetzblatt 1938 I. S. 282.19 vgl. Fundmeldungen der Stadtbibliothek Nürnberg bei www.lostart.de. Die Stadtbibliothek Nürnberg verwahrt in ihren Magazinen drei Bestandsgruppen, die heute unter dem Begriff „Sammlung Israelitische Kultusgemeinde (IKG)“ zusammen-gefasst werden. Die Bestände stammen größtenteils aus ehe-maligem jüdischen Besitz und sind den Vorbesitzern verfolgungs-bedingt in der Zeit von 1933 bis 1945 von nationalsozialistischen

Vorträge: Forschung im Museum 27

Gruppierungen entzogen worden. Sie lagerten bei Kriegs-ende in den Redaktionsräumen des antisemitischen Hetzblattes „Der Stürmer“ (Pfannenschmiedsgasse 18) bzw. dem Landgut „Pleikershof“ von Julius Streicher. Die Bestände wurden 1945 von der US-Armee beschlagnahmt und der sich neu konstituierenden jüdischen Gemeinde übergeben. Letztere verfügte, dass die Bücher in ihrem Besitz verbleiben, aber als Dauerleihgabe der Israelitischen Kultusgemeinde der Stadt überlassen und in der Stadtbibliothek aufbewahrt werden sollen.20 Der Offenbacher Collecting Point (Offenbach Archival Depot OAD) war ein im amerikanischen Sektor befindlicher Collecting Point vornehmlich für Bücher, Manuskripte und und Archi-valien. Lit.: Posté, Leslie. 1948. “Books Go Home” Library Journal. December 1, 1948, S. 1704; Greg Murphy: Looted Books, Washington 2000. www.archives.gov/research/microfilm/m1942.pdf besucht am 26.03.2014.21 Kuttner, Sven: Der Bibliothekar, die Universität und die Vergangenheit: Joachim Kirchner und die Universitäts-bibliothek München, siehe www.lostart.de/Content/08_Info-center/DE/Dokumentation/Tagungen/Bibl iothekar.pdf?__blob=publicationFile besucht am 26.03.2014.22 Siehe hierzu den Beitrag der Universitätsbibliothek München, S. 10, Anmerkung 17 in diesem Beitrag.23 Heuß, Anja: Friedrich Heinrich Zinckgraf und die „Arisierung“ der Galerie Heinemann in München, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums, 2012, S. 85 - 94. Jooss, Birgit. Galerie Heinemann online: ein Internet-Datenbankprojekt des Deutschen Kunstarchivs zur Erleichterung von Provenienz-recherchen. In: NS-Raubgut in Museen, Bibliotheken und Archiven, S. [409] - 419. Jooss, Birgit Galerie Heinemann: die wechselvolle Geschichte einer jüdischen Kunsthandlung zwischen 1872 und 1938. In: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums, 2012, S. 69 - 84. Jooss, Birgit Das Projekt „Galerie Heinemann online“ und zukünftige Digitalisierungsmaßnahmen im Deutschen Kunst-archiv in Nürnberg, Wien [u.a.], Böhlau: 2011.24 damals Archiv für Bildende Kunst.25 Keßler, Horst: Der Kunsthändler als Opportunist: Karl Haberstock im „Dritten Reich“, in: Werke und Werte, (Hrsg.) Steinkamp, Maike und Haug, Ute, Berlin 2010, S. 23-40. Ders.: Karl Haberstock. Umstrittener Kunsthändler und Mäzen, hrsg. von Christof Trepesch, München 2008.26 Handreichung zur Umsetzung der „Erklärung der Bundes-regierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom Dezember 1999, vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 9.

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Häuser „und mehr“ – Forschung am

FreilichtmuseumGeorg Waldemer

Ich beginne mit einem Zitat aus dem Jahr 1982. In der so-genannten ICOM-Deklaration des Verbandes Europäischer Frei-lichtmuseen setzt die Definition des Begriffs „Freilichtmuseum“ mit folgenden Worten ein: „Freilichtmuseen sind wissenschaft-lich geplante und geführte oder unter wissenschaftlicher Aufsicht stehende Sammlungen ganzheitlich dargestellter Siedlungs-, Bau-, Wohn- und Wirtschaftsformen unter freiem Himmel […].“1

Wenige Zeilen später beginnt der Abschnitt zu den „wissen-schaftlichen Aufgaben“ der Freilichtmuseen wie folgt: „Frei-lichtmuseen müssen für ihr Wirkungsgebiet wissenschaftliche Forschungseinrichtungen sein.“

Und noch ein drittes Zitat. Dieses ist einem 1995 ver-abschiedeten Papier der Kultusministerkonferenz zu „Leitlinien und Grundsätze[n]“ für Freilichtmuseen entnommen: „Die Frei-lichtmuseen müssen Anteil an der Forschung haben; sie sollen für Forschungsarbeit zur Verfügung stehen und selbst forschen, Biblio-theken und Archive anlegen und Verbindung zu den Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen halten.“2

Nun kann man sich die Frage stellen, warum der Forschungs-auftrag – bekanntlich eine der Basisaufgaben jedes Museums3, gleichgültig welchen Typs – gerade bei den Freilichtmuseen in diesen Papieren so hervorgekehrt wurde. Das hängt vielleicht mit ihrer Geschichte und ihrer Position in der Museumsland-schaft zusammen: In der Frühzeit der Freilichtmuseen stand oft der „Rettungsgedanke“4, nicht die wissenschaftliche Arbeit am Bestand, im Vordergrund. Außerdem tendierten damals mehr als heute gewisse Erwartungen von Politik und Öffentlichkeit oft weniger in Richtung wissenschaftlich exakter Arbeit und ihrer Präsentation, als eher auf die Übernahme heimatpflegerischer Aufgaben im Rahmen des Veranstaltungsprogramms und die Produktion ganzheitlich stimmiger Bilder im Gelände – „ganz so, wie es früher war“.5

Seit den 1980er Jahren hat sich an der Einschätzung der Frei-lichtmuseen durch die Öffentlichkeit und insbesondere durch die Politik allerdings Vieles grundlegend verändert: Um zumindest für Bayern zu sprechen – aber diese Feststellung hat auch andernorts ihre Gültigkeit – Forschung als Grundlage für die wissenschaft-lich fundierte Arbeit der Freilichtmuseen ist von den Trägern – den Bezirken oder Zweckverbänden – als notwendig anerkannt.6

Letztlich sind aber für alle Bezirke Bayerns die regionalen Freilichtmuseen als die zentralen Museen der Volkskunde und Alltagsgeschichte auf dem Land anzusprechen, nicht zuletzt wegen des Fehlens eines volkskundlich bzw. alltagsgeschichtlich ausgerichteten Landesmuseums in Bayern, das diesen Auftrag umzusetzen hätte. Ihr Aufgabenspektrum umfasst demnach ganz selbstverständlich auch die Forschung.

Und die Forschungsleistungen der Freilichtmuseen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten weisen auch beachtliche, im Einzelnen recht eindrucksvolle Beispiele auf:

Verschiedene „Forschungsfelder“Die Forschungsarbeit der Freilichtmuseen erstreckt sich auf mehrere, z. T. recht unterschiedliche Felder: Zum einen erfasst sie – und dies ist ein zentrales Spezifikum gerade dieses Typs – die ins Museum zu transferierenden Bauten mitsamt ihrer Ausstattung als historische Quelle. Zum anderen ist sie ausgerichtet auf die Sammlung des mobilen, überwiegend unter volkskundlichen bzw. alltagsgeschichtlichen Aspekten zusammengetragenen Sachgutes. In beiden Bereichen wird das Einzelobjekt im ersten Zugriff im Rahmen der Dokumentation und Inventarisation erfasst und in seiner Bedeutung grob eingeordnet. Erst die darüber hinaus-greifende Forschung unter definierten Fragestellungen erstreckt sich dann auf das „Feld“, welches in der Regel das geografisch oder thematisch definierte „Forschungsfeld“ ist.

28 Vorträge: Forschung im Museum

Georg Waldemer.

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Vorträge: Forschung im Museum 29

Die „Häuser“ und ihr „Feld“Sowohl die Dokumentationsleistungen wie auch die vertiefenden Forschungsarbeiten im Bereich der Bauten sind im Freilicht-museum interdisziplinär angelegt. Ich will dies am Beispiel einer Baudokumentation verdeutlichen:

BaudokumentationDie Abbildung (S. 29a) zeigt die Ansicht eines Fachwerkhauses mit farblicher Kennzeichnung der einzelnen historischen Bauphasen. Sie reichen hier vom Jahr 1508 bis ins 20. Jahrhundert. Unter den beteiligten Spezialisten finden sich der aufmessende Ingenieur, der Archäologe, der Restaurator, der Historiker und naturwissen-schaftliche Disziplinen – zum Beispiel für die Datierung des Holz-einschlags, die mineralogische bzw. chemische Bestimmung der Proben von Mörtel, Putzen oder Farb- bzw. Dekorfassungen.

Die reine Befundsicherung ohne vertiefende oder über das Bauwerk hinausgreifende Forschungsleistungen setzt hierbei im Einzelnen durchaus schon Arbeitsthesen unter Fragestellungen aktueller Forschungsanliegen voraus, hält man sich beispielsweise die gezielten Schürfungen und Grabungsschnitte der Archäologie oder die Befundtreppen der Restauratoren in den Oberflächen-fassungen vor Augen.

Da das unmittelbare Umfeld der Bauten und unter kultur-geografischen Gesichtspunkten betrachtet auch historische Elemente der Kulturlandschaft zum gewissermaßen assoziierten Forschungsfeld zählen, werden auch die Gärten, die landwirt-schaftlichen Nutzungen und Sonderkulturen – ich denke für bayerische Regionen dabei an konkrete Beispiele wie Hopfen, be-stimmte Formen der Grünlandwirtschaft7 oder den Kirschenanbau – schließlich auch ganz allgemein die heimische Ruderalflora in die Recherchen mit einbezogen. Einen starken Impuls zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem letztgenannten Forschungsfeld hatte das Rheinische Freilichtmuseum Kommern unter seinem damaligen Leiter Adelhart Zippelius zu Beginn der 1980er Jahre gegeben.8

Auf die Architekturobjekte bezogen sind dann – vom konkreten Gebäude ausgehend – unter dem „Feld“ die so-genannten „Hausformenlandschaften“ angesprochen, wie man sie als kulturgeografisch zu fassende Räume benennt. Es kann sich aber auch um bauliche Funktionstypen, so beispielsweise Mühlenanlagen oder Speicherbauten, handeln, wie man sie in der jeweiligen Region als mehr oder weniger charakteristische Ver-treter bestimmter historischer Formen der Landwirtschaft oder des Gewerbes antrifft.

Freilichtmuseen sind aber eben nicht nur „Häusermuseen“. Wie schon angemerkt, leisten sie regional wichtige Beiträge zur Erforschung und musealen Präsentation der historischen Volks-kultur, basierend auf der ergänzenden Sammlung mobiler Sach-güter, die von einigen Tausend Exemplaren bis weit in den sechs-stelligen Bereich hinein reichen können.9

Aus der Vielfalt – Forschung zum BauenIch stelle Ihnen eine Auswahl von Forschungsarbeiten der letzten Jahre an bayerischen Freilichtmuseen vor, eine subjektive Aus-wahl, mit der ich vor allem anderen das Ziel verfolge, die große Bandbreite der Themen zumindest grob abzustecken. Der Bruch der universitären Volkskunde mit dem traditionellen Kanon zu Anfang der 1970er Jahre10, die seitherige Entwicklung des Faches hin zur Europäischen Ethnologie etc.11 und weg von der traditionellen Sachvolkskunde hat es mit sich gebracht, dass von den Hochschulen und Universitäten im Kernbereich der Frei-lichtmuseen kaum mehr Grundlagenforschung erwartet werden darf.12 Umso wichtiger ist es geworden, die Freilichtmuseen auch personell dahingehend auszustatten, dass Forschungsleistungen im Bereich der Sachvolkskunde neben der alltäglichen Arbeit

a Bauphasenplan der Traufseite eines Fachwerkhauses mit zwei-geschossig unterteiltem Stockwerksgerüst in Pfronstetten-Aichelau. Acht Phasen (1508 bis 2. Hälfte 20. Jh.) sind durch verschiedene Farbgebung gekennzeichnet, aus: Marstaller, Tilmann: Hausforschung und Archäologie, in: Bedal, Albrecht (Hrsg.): Freilichtmuseum und Hausforschung. Welches Gewicht haben die Freilichtmuseen für die Haus- und Bauforschung? Stuttgart 2012, S. 38.b Kartierung der Schäden am transferierten Amtshaus aus Obernbreit, Lkr. Kitzingen, wie sie am neuen Standort im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim dokumentiert wurden, Auszug aus Gottschalk, Dieter: Sanierung des Amts-hauses aus Obernbreit. Nördlicher Giebel und nordwestliche Traufe, 2009 bis 2010. Abschlussbericht, Bad Windsheim/ München 2010 (Darstellung erstellt von BR GmbH, Jübar).

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erbracht werden können. Die jüngst eingerichtete Volontariats-stelle am Oberpfälzer Freilandmuseum Neusath-Perschen – die fünfte an den bayerischen Freilichtmuseen – ist daher auch im gegebenen Zusammenhang ausdrücklich zu begrüßen.

Im Idealfall kann man sich bei der Konzeption eines neuen Freilichtmuseums auf bereits erarbeitete, umfassende Unter-lagen zum Bauen, Wohnen und Wirtschaften in der jeweiligen Region stützen – so war es um 1960 der Fall in Westfalen, wo die langjährige Forschungsarbeit, die mit der zentralen Figur Josef Schepers engstens verbunden ist, die Basis bildete.13 Verfügt man nicht über solche tragfähigen Grundlagen, müsste alternativ ausreichend Zeit vor Beginn der Transferierungen vorgeschaltet werden, um bestehende Forschungslücken zu schließen. Diese Möglichkeit ergab sich ansatzweise nur bei einem der Freilicht-museen in Bayern und dies dort auch nur wegen des vergleichs-weise eng begrenzten Bearbeitungsgebietes: dem Freilichtmuseum Donaumoos. Der damalige Konzipient und heutige Museums-leiter konnte die abschließende Auswahl seiner baulichen Zeugen auf einer differenzierten Grundlage von Forschungsergebnissen treffen, weil er siedlungsgeografische wie sozialhistorische Daten auf breiter Basis hatte ermitteln können. Es versteht sich, dass solche Grundlagenforschung auch eher untergeordnet wirkende, aber volkskundlich wichtige Bautypen mit erfasst.

Bei mittleren und größeren Freilichtmuseen muss alleine auf-grund der Vielzahl regionaler Aspekte der Bau- und Alltagskultur das Konzept offene, entwicklungsfähige Zonen aufweisen, die im Laufe der Zeit zielgenau durch entsprechende Grundlagen-forschung geschlossen werden können.

Über einige Jahre hin war beispielsweise die Baugruppe Mittelalter im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim als eine dieser offenen Zonen anzusprechen gewesen:

Zum Zeitpunkt ihrer Verortung auf dem Geländeplan um 1980 kannte man, verglichen mit heute, nur einige wenige mittelalter-liche Bauten aus ländlichen Regionen Frankens. Gezielte und hochengagierte Forschungsarbeit v.a. am rezenten Bestand er-brachte in den folgenden Jahren dann eine derart dichte Daten-basis, dass die weitere Auswahl exemplarischer Bauten mit hohem repräsentativen Gewicht aus dem „Angebot an Abbruchfällen“ auf solider wissenschaftlicher Basis getroffen werden konnte.14

Der 1997 erschienene Band des Fränkischen Freiland-museums „Bauernhäuser im Mittelalter“ fasste den erheblich fortgeschrittenen Forschungsstand dann zusammen.15

Das genannte Museum kann ein weiteres herausragendes Beispiel für Forschungserfolg im Bereich der Freilichtmuseen aufweisen: das mittlerweile auf zwei voluminöse Bände an-gewachsene Werk mit dem konstruktionsgeschichtlichen Thema „Fachwerk“, jeweils zusammengefasst und zu großen Teilen selbst ermittelt vom vormaligen Leiter des Museums, Dr. Konrad Bedal.16 Um Ihnen einen Begriff von der Fülle des Materials zu geben: Inzwischen sind etwa 7.000 Fachwerkbauten aus der Zeit vor 1750 bearbeitet.

Dieses Kompendium bildet damit aus konstruktions-historischer Sicht eine unvergleichlich dichte und verlässliche Grundlage für die weitere Verfolgung aller diesbezüglichen Fragestellungen durch das Freilichtmuseum und dient darüber hinaus auch der amtlichen Denkmalpflege als wichtiges Nach-schlagewerk.

Zusammen mit dem Fränkischen Freilandmuseum Fladungen, welches für den Großteil Unterfrankens zuständig ist, hat Bad Windsheim ein weiteres Forschungsprojekt wieder unter Ein-schaltung externer Kräfte in Gang gesetzt, da mit den eigenen Fachkräften alleine derart groß dimensionierte Unterfangen nicht zu leisten sind. Das Thema lautet: dekorative Gestaltungsmittel auf den Fachwerkgefachen - der sogenannte „Kratzputz“.

30 Vorträge: Forschung im Museum

a Übersichtskarte zu Fachwerkbauten in Franken, die vor 1600 errichtet wurden – das Ergebnis langjähriger Forschungs-arbeit, aus: Bedal, Konrad: Fachwerk vor 1600 in Franken. Eine Bestandsaufnahme. Überarb. und erw. Neuausgabe (= Quellen und Materialien zur Hausforschung in Bayern, Band 2 / Schriften und Kataloge des Fränkischen Freilandmuseums Bad Windsheim, Band 11), Bad Windsheim 2006b Abbildung aus einem der von den niederbayerischen Frei-lichtmuseen initiierten Inventarisierungsleitfäden – hier Korb-waren. Eine sehr nützliche und ansprechend gestaltete Arbeits-hilfe, aus: Ortmeier, Martin (Hrsg.): Pragmatischer Leitfaden zur Inventarisierung einfacher Korbwaren, Landshut 2012, Bezug: Freilichtmuseum Finsterau

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Nach-ForschungenGegenstand intensiver Forschungsarbeiten können freilich auch einzelne Bauten sein, ja sogar auch solche, die schon lange Jahre im Gelände stehen, aber unter dem Zeitdruck in der Frühphase des Museumsaufbaus keiner ausführlichen Untersuchung unter-zogen worden waren. Solche späteren Nachforschungen wurden in außerbayerischen Freilichtmuseen schon im niedersächsischen Cloppenburg17 und im westfälisch-lippischen Detmold18 an-gestellt. Als bayerische Beispiele nenne ich die Nachunter-suchungen zu den Objekten „Zehentmeier“ und „Mirzn“ an der Glentleiten19 und beim „Kapplhof“ im niederbayerischen Frei-lichtmuseum Finsterau unter der Leitung von Dr. Martin Ortmeier (Poster auf Seite 66).

Dass eine solche Initiative geeignet sein kann, die be-stehenden Vorstellungen zu einer musealen Einheit über den Haufen zu werfen, hat das Projekt in Niederbayern gezeigt. Es handelt sich um eine akribisch durchgeführte Nachrecherche von Dr. Josef Paukner im Auftrag des Freilichtmuseums: Die Nach-recherche hat u.a. erwiesen, dass die Eigentümer in den letzten Generationen entgegen dem bisherigen Dokumentationsstand als durchaus vermögend einzustufen waren, was sich u.a. an einem Konvolut aufwändiger, an bürgerlichem Anspruch orientierter Kleidung erkennen lässt, das im Zuge der Nachforschungen auf-gespürt und erworben werden konnte.

Der Erhalt der Bauten (und der Ausstattung)Grundlagenforschung ganz anderer Art, nämlich bezogen auf konservatorische Fragen, ist in einigen Freilichtmuseen schon vor dem Projekt „Sammlungen erhalten – die Temperierung als Mittel der Präventiven Konservierung – eine Bewertung“, an-gepackt worden. So hat das Hessische Freilichtmuseum Hessen-park bereits im Jahr 1993 drei seiner Bauten in das Projekt „Fachwerkbautenverfall und -erhaltung“ einbezogen, in Ko-operation mit dem Wilhelm-Klauditz-Institut, dem Zweig des Fraunhofer Instituts für Holzforschung in Braunschweig.20

Im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim gaben Bau-schäden, die schon 10 Jahre nach dem Wiederaufbau eines Hauses aus Unterfranken aufgetreten waren, Anlass zu einer gründlichen Untersuchung der Schadensursachen wie äußere und innere Bewitterung, baukonstruktive Mängel, Verschleiß durch Nutzung etc., unter anderem auch mit naturwissenschaftlichen Methoden, und der Entwicklung daraus abzuleitender Maßnahmen.

Aufgrund der übergeordneten Bedeutung dieser Forschungs-maßnahme für die Entwicklung von Strategien zum sensiblen, substanzschonenden Umgang mit Architekturobjekten in Frei-lichtmuseen förderte die Landesstelle diese Maßnahme als Pilot-projekt und trug dann auch Sorge für die Weitergabe der Ergeb-nisse an alle bayerischen Freilichtmuseen.21

Leitfäden (Erfassung von mobilem Sachgut)Grundlagenforschung im Bereich der Thesaurusarbeit, die an einem bayerischen Freilichtmuseum – in fachlicher Abstimmung mit der Landesstelle – geleistet wurde und wegen übergeordneter Bedeutung allen interessierten Museen zugänglich ist, hat die Leitung der beiden niederbayerischen Freilichtmuseen Massing und Finsterau durchführen lassen. Seit 1990 wurden anlässlich der anstehenden Inventarisierung größerer Konvolute insgesamt vier sogenannte „Pragmatische Inventarisations-Leitfäden“ er-stellt: für Textilien, für Geräte und Maschinen des Schmiede-handwerks, des Seilerhandwerks und der Korbflechter.22

Impuls SonderausstellungWie an zahlreichen anderen Museen auch, geben Sonder-ausstellungen an Freilichtmuseen immer wieder Anlass zu weiterreichenden Recherchen. Beachtliche Ergebnisse kann in

Vorträge: Forschung im Museum 31

dieser Hinsicht beispielsweise das Schwäbische Bauernhaus-museum Illerbeuren aufweisen: Im Vorfeld zu den temporären Präsentationen über die Flusslandschaft der Iller, das Leben in Gebirgsregionen und die Geschichte der Trachtenvereine wurden unter Kooperation mit externen Kräften sehr umfangreiche Forschungen unternommen, deren Früchte in entsprechend an-sehnlichen Begleitkatalogen ihren Niederschlag fanden.23

An dieser Stelle muss auch das relativ kleine Freilicht-museum Jexhof, das vom Landkreis Fürstenfeldbruck getragen wird, Erwähnung finden: Auch dort wird traditionell jede der thematischen Jahresausstellungen mit einer Publikation ergänzt, die immer wieder aufgrund der Vielfalt der Aspekte und der er-brachten Forschungsleistung beeindruckt, wie beim Begleitband, der den beachtlichen Umfang von 400 Seiten hat und nicht weniger als 29 Beiträge zahlreicher Autoren enthält.24

Ein eindrucksvoller dreibändiger Katalog ist das Ergebnis einer Kooperation der bayerischen Freilichtmuseen Fladungen und Bad Windsheim mit dem Niedersächsischen Freilichtmuseum Cloppenburg zur Produktion einer Sonderausstellung zur Kultur-geschichte der 1960er und 1970er Jahre unter drei verschiedenen Aspekten an den drei Museumsstandorten.25

Interne und externe BeständeAls Grundlagenforschung ist auch das Projekt „Groth-Schmachtenberger“ einzustufen, das in den Jahren 2006 bis 2008 am Freilichtmuseum des Bezirks Oberbayern in Koppelung mit einem Volontariat und in Kooperation mit dem Bezirk Unter-franken angesiedelt war. Es zielte darauf ab, das volkskundlich bedeutende Werk der Fotografin Erika Groth-Schmachtenberger einer wissenschaftlichen Aufarbeitung zu unterziehen.

Das ehrgeizige Ansinnen, die über etwa 40 Lagerorte ver-streuten fotografischen Bestände in einer zentralen Daten-bank zusammenzuführen, scheiterte zwar – es gelang aber eine facettenreiche Untersuchung verschiedener Aspekte des Werks in Zusammenarbeit mit universitären Lehrstühlen und externen Spezialisten. Wichtige Einsichten aus dem Forschungsprojekt vermittelte abschließend eine Sonderausstellung, die von einem Aufsatzband ergänzt wurde.26

VeröffentlichenAusstellungen und Publikationen tragen die Forschungsergeb-nisse hinaus in die Fachwelt und in die Öffentlichkeit. In diesem Zusammenhang sind neben Ausstellungskatalogen die Schriften-reihen einzelner Museen ein eminent wichtiges Instrument zur Vermittlung neuer Erkenntnisse.

Die beiden großen Freilichtmuseen in Bayern, Glentleiten mit Amerang und Bad Windsheim, zusammen mit anderen fränkischen Freilandmuseen, verfügen über solche Organe: Das „Jahrbuch für die oberbayerischen Freilichtmuseen Glentleiten und Amerang“, vormals in halbjährlicher Folge unter dem Titel „Freundeskreis-blätter“ firmierend und „Franken unter einem Dach“. In den ge-nannten Reihen haben über die Jahre hin Forschungserträge ein optimales Forum gefunden.

Ein bemerkenswerter VerbundAbschließend will ich eine bemerkenswerte Kooperation zwischen bayerischen Freilichtmuseen ansprechen: Die „Arbeitsgemein-schaft Ausstellung Süddeutscher Freilichtmuseen“. Dieser Ver-bund hat seit dem Jahr 1997 in lockerer Folge sechs gemeinsame Wanderausstellungen ins Werk gesetzt. Bisher hat man die folgenden Themen bearbeitet:

• „Mägde, Knechte, Landarbeiter – Dienstboten auf dem Land“;27

• „Fremde auf dem Land“;28

• „Auf der Hut – Hirtenleben und Weidewirtschaft“;29

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• „echt stark! – Naturstein im ländlichen Bayern“;30

• „Prunk, Pracht, Protz – Luxus auf dem Land“.31

• Zum jüngsten Projekt unter dem Titel „Gutes Wetter – schlechtes Wetter“32

schreibt Dr. Martin Ortmeier aus Sicht eines der Akteure im Vor-wort des Katalogs: „Die Arbeitsgemeinschaft Ausstellung Süd-deutscher Freilichtmuseen ist weniger eine institutionelle Initiative denn eine auf Forscherpersönlichkeiten beruhende […] Es ist die persönliche Gemeinschaft dieser Forscherinnen und Forscher, die […]die Ausstellungen und Kataloge […] ermöglicht hat“.33

Dieses Zitat verkörpert – so meine ich – ein herausragendes Beispiel für den Erfolg von persönlichem Engagement in der fachlichen Kooperation zwischen Museen gleichen Typs – und ein nachahmenswertes Beispiel, ja vielleicht sogar Vorbild für andere.

Diese knappe Übersicht aus der Arbeit der Freilichtmuseen hat, wie ich glaube, eindrücklich vor Augen geführt: Die Frei-lichtmuseen in Bayern erforschen eben nicht alleine Häuser, sondern vieles Andere „mehr.“

Anmerkungen:1 Neufassung der ICOM-Deklaration vom Jahr 1982 abgedruckt bei Georg Waldemer [Red.]: Freilichtmuseen. Geschichte – Konzepte – Positionen (= MuseumsBausteine 11), München / Berlin 2006, S. 179-190, hier S. 1802 Kultusministerkonferenz / Leitlinien und Grundsätze für Freilichtmuseen, Bonn, 9. März 1995: „I Aufgabe, Funktion, Organisation […]3 Vgl. z.B. den sprechenden Publikationstitel bei Göttsch, Silke / Sievers, Kai Detlev [Hgg.]: Forschungsfeld Museum. Festschrift Arnold Lühning zum 65. Geburtstag (= Kieler Blätter zur Volks-kunde 20), Kiel 1988 und mit kritischen Einlassungen Wolf-Dieter Könenkamp: Wider den Spaß. Oder: längst bekannte Argu-mente für museale Sacharbeit, in: Carstensen, Jan / Kleinmanns, Joachim [Hgg.]: Freilichtmuseen und Sachkultur. Festschrift für Stefan Baumeier zum 60. Geburtstag, Münster u.a. 2000, S. 173-1854 Zum „Rettungsgedanken“ vgl. Gustav Schöck: Sammeln und Retten. Anmerkungen zu zwei Prinzipien volkskundlicher Empirie, in: Klaus Geiger / Utz Jeggle / Gottfried Korff [Red.]: Abschied vom Volksleben (= Untersuchungen des Ludwig-Uhland-Instituts Tübingen, Bd. 27), Tübingen 1970, S. 85-1045 Eine harsche und in Teilen über das Ziel hinausschießende Kritik von Volkskundestudenten an der Arbeit in der Frühphase der Glentleiten bei Roland Balscher [u.a.]: „Wie bei die alten Römer“. Zum Thema Freilichtmuseum, in: Bayerische Blätter für Volks-kunde 4 (1977), S. 205-219; 5 (1978), S. 87-97. Eine düstere Vision, die so dramatisch sicherlich nicht Wirklichkeit geworden ist, lieferte Heinrich Mehl: Auf dem Weg nach Disneyland. Zur Entwicklung der Freilichtmuseen im Jahre 100 nach Skansen, in: Angelika Spielmann [Hg.]: Festschrift zum 60. Geburtstag von Heinz Spielmann, Hamburg 1990, S. 165-1986 Die um 1980 durchaus noch nicht ausgestandene Debatte über die Notwendigkeit wissenschaftlicher Arbeit ist ansatzweise nachvollziehbar in Lenz Kriss-Rettenbeck: Der wissenschaftliche Auftrag der Freilichtmuseen. Gesichtspunkte und Grundrisse für Freilichtmuseen, in: Freundeskreisblätter 13 (1981), S. 83-93 [gleichlautender Text in Konrad Bedal / Kilian Kreilinger [Hgg.]: Freilichtmuseum und Hausforschung. Symposium am 30. und 31. Juli 1981 in Bad Windsheim (= Kleine Schriften des Fränkischen Freilandmuseums, Heft 2), Bad Windsheim 1981, S. 11-18 oder auch Helmut Sperber: Wissenschaftliche Arbeit im Freilicht-museum – Nonsens oder Notwendigkeit?, in: Freundeskreisblätter 15 (1982), S. 69-71. Allerdings erscheint „Forschung“ als Auf-gabe gegenwärtig nicht bei allen Freilichtmuseen im Internet-

Auftritt. Namentlich angesprochen wird sie beispielsweise beim Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim, bei der Glentleiten und beim Hessenpark 7 Stefanie Schöfmann: Egart, Streu und Wiesmahd. Die traditionelle voralpine Kulturlandschaft in der Umgebung der Glentleiten am Beispiel Kochel am See in den 40er und 50er Jahren, hrsgg. vom Freundeskreis Freilichtmuseum Südbayern e.V. anlässlich seines 25-jährigen Bestehens (= Schriftenreihe des Freundeskreises Freilichtmuseum Südbayern e.V. , Heft 14), Großweil 1997; Christine Klinke: Hopfenbau in Franken. Als der Hopfen noch an Stangen wuchs (= Schriften und Kataloge des Fränkischen Freilandmuseums, Bd. 25), Bad Windsheim 19968 Stiftung zum Schutze gefährdeter Pflanzen: Bericht über das Symposium „Erhaltung gefährdeter dörflicher Pflanzengesell-schaften und historischer Nutzpflanzenkulturen in Freilicht-museen“, Bonn 19839 Das Westfälische Freilichtmuseum in Detmold schätzt seinen mobilen Bestand auf mehr als 300.000 Objekte (Jan Carstensen: Auf der Suche nach den Dingen. Sammeln und Forschen am An-fang des 21. Jahrhunderts, in ders. [Hg.]: Die Dinge umgehen? Sammeln und Forschen im kulturhistorischen Museum, Bielefeld 2003, S. 7f, hier S. 7)10 Als historische Quelle dazu sehr lesenswert Wolfgang Brückner [Hg.]: Falkensteiner Protokolle. Diskussionspapiere und Protokolle der […] Wissenschaftlichen Arbeitstagung des Ständigen Aus-schusses für Hochschul- und Studienfragen der Deutschen Ge-sellschaft für Volkskunde e.V. […], Frankfurt a.M. 197111 Regina Bendix / Tatjana Eggeling [Hgg.]: Namen und was sie bedeuten. Zur Namensdebatte im Fach Volkskunde, Göttingen 200412 Vgl. Stefan Baumeier: Museum, Universität und Sachkultur-forschung – eine Umfrage, in: Arbeitstagung Freilichtmuseen am 10. und 11.10.1996, Freilichtmuseum an der Glentleiten, Groß-weil 1997, S. 14-2313 Josef Schepers: Ganzheitliche Dokumentation von Wohn-bauten im Rahmen volkskundlicher Forschung, in: Bericht über die Mitgliederversammlung des Arbeitskreises für deutsche Haus-forschung e. V. in Detmold vom 23. – 26. September 1969,Münster 1970, S. 1-1014 Konrad Bedal u.a.: Ein Bauernhaus aus dem Mittelalter (= Schriften und Kataloge des Fränkischen Freilandmuseums, Bd. 9), Bad Windsheim 198715 Bedal, Konrad / Heidrich, Hermann: Bauernhäuser aus dem Mittelalter. Ein Handbuch zur Baugruppe Mittelalter im Fränkischen Freilandmuseum in Bad Windsheim (= Schriften und Kataloge des Fränkischen Freilandmuseums, Bd. 28), Bad Winds-heim 199716 Konrad Bedal [u.a.]: Fachwerk vor 1600 in Franken. Eine Be-standsaufnahme (= Quellen und Materialien zur Hauforschung in Bayern, Bd. 2 / Schriften und Kataloge des Fränkischen Freiland-museums Bad Windsheim, Bd. 11), Bad Windsheim 1990, überarb. und erw. Neuausgabe 2006; neuerdings ders.: Fachwerkkunst in Franken 1600-1750. Eine Bestandsaufnahme. Mit Nachträgen zu Fachwerk vor 1600 in Franken (= Schriften und Kataloge des Fränkischen Freilandmuseums […], Bd. 70 / zugleich Quellen und Materialien zur Hausforschung in Bayern, Bd. 18), Bad Winds-heim 201317 Hermann Kaiser: Generationskonflikte im Bauernhaus? Zur Nachinventarisation musealer Altbestände, in: Carola Lipp / Uwe Meiners / Waldemar Röhrbein / Ira Spiekers [Hgg]: Volkskunde in Niedersachsen. Regionale Forschungen aus kulturhistorischer Perspektive. Referate der Tagung vom 28. Februar bis 2. März 2001 im Museumsdorf Cloppenburg – Niedersächsisches Frei-lichtmuseum, Cloppenburg 2002, S. 191-21018 Heinrich Stiewe: Zehntscheune oder Meierhaus? Neue Er-

32 Vorträge: Forschung im Museum

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Vorträge: Forschung im Museum 33

kenntnisse und Datierungen zur Baugeschichte des Haupthauses auf dem „Lippischen Meierhof“, in: Beiträge zur Volkskunst und Hausforschung 7 (= Schriften des Westfälischen Freilicht-museums Detmold – Landesmuseum für Volkskunde, Beiträge Bd. 7), Detmold 1995, S. 195-208 und ders.: Das Bauernhaus Bussing-Brandt aus Kleinheerse. Baugeschichte und Quellenkritik eines historischen Museumsgebäudes am Beispiel des Mindener Hofes, in: Beiträge zur Volkskunde und Hausforschung 8 (= Schriften des Westfälischen Freilichtmuseums Detmold – Landesmuseum für Volkskunde, Beiträge Bd. 8), Detmold 1999, S. 57-7819 Georg Waldemer: Der „Zehentmaier“ aus Sauerlach. Hof-geschichte und Baugeschichte des Museumsobjekts an der Glentleiten, in: Freundeskreisblätter 20 (1985), S. 42-69 und Helmut Keim: Der Wohnteil des Zehentmaier-Anwesens um 1700 – Probleme einer Rekonstruktion, in: Freundeskreisblätter 20 (1985), S. 70-97; Jan Borgmann: „Ein Häusl an der Leuthen“. Zur Geschichte eines Kleinanwesens aus Grünwald, in: Jahrbuch für die oberbayerischen Freilichtmuseen Glentleiten und Amerang 6 (2011), S. 152-167. Anlass zu Nachrecherchen gab im letzt-genannten Fall die Neupräsentation als „Haus zum Entdecken“, 35 Jahre nach der Ersteröffnung des Gebäudes20 M. Stuis: Untersuchungen an Fachwerkhäusern unter natür-licher und unter zeitgerafft simulierter Bewitterung, in: F. H. Wittmann [Hrsg.]: Werkstoffwissenschaften und Bausanierung, Teil 1, Ehningen bei Böblingen 1993, S. 272-29121 Dieter Gottschalk: Abschlussbericht. Sanierung des Amts-hauses aus Obernbreit. Nördlicher Giebel und nordwestliche Traufe. 2009 bis 2010, Bad Windsheim / München 201022 Winfried Helm / Marie-Louise Segl: Pragmatischer Leitfaden zur Inventarisation von Textilien in den Freilichtmuseen Finsterau und Massing, Finsterau 1992; Martin Ortmeier [Hrsg.]:Leitfaden Schmiede- und Schlosserwerkzeug, o.O. [Finsterau] 1990; ders. [Hrsg.]: Thesaurus / Leitfaden Schmiede- und Schlosserwerkzeug, o.O [Finsterau] 1991; ders. [Hrsg.]: Pragmatischer Leitfaden zur Inventarisierung einfacher Korb-waren, Landshut 201223 Otto Kettemann [Hrsg.] / Helga Hoffmann [Red.]: „Droben im Allgäu, wo das Brot ein End hat.“ Zur Kulturgeschichte einer Region [Sonderausstellung vom 10.06. bis 22.10.2000], Kronburg-Illerbeuren 200024 Reinhard Jakob [Hrsg.]: „… was Menschen fähig sind“. Nationalsozialismus im Brucker Land (= Jexhof-Hefte 26), Fürstenfeldbruck 201025 Umbruchzeit – die 1960er und 1970er Jahre auf dem Land, mit den Teilbänden: Herbert May/ Michaela Eigmüller [Hgg.]: Siedlung – Architektur – Wohnen (= Schriften und Kataloge des Fränkischen Freilandmuseums in Bad Windsheim, vol. 64), Bad Windsheim 2011; Sabine Fechter/ Heinrich Hacker: Der letzte Gaul – der erste Porsche (= Schriftenreihe des Fränkischen Frei-landmuseums Fladungen, Bd. 5), Fladungen 2011; Karl-Heinz Ziessow/ Petra Wolters: Popmusik und Pillenknick, Nieder-sächsisches Museumsdorf [Hrsg.], Cloppenburg 201126 Christine Dippold/ Monika Kania-Schütz [Hgg.]: Im Fokus. Die Bildberichterstatterin Erika Groth-Schmachtenberger und ihr Werk (= Schriften des Freilichtmuseums des Bezirks Oberbayern an der Glentleiten 31), Würzburg 200727 Heidrich, Hermann [Hrsg.]: Mägde/ Knechte/ Land-arbeiter. Arbeitskräfte in der Landwirtschaft in Süddeutschland (= Schriften und Kataloge des Fränkischen Freilandmuseums, Bd. 27), Bad Windsheim 199728 Heidrich, Hermann u.a. [Hrsg.]: Fremde auf dem Land (= Schriften Süddeutscher Freilichtmuseen, Bd.1), Bad Winds-heim 200029 Maximilian Böhm u.a. [Hrsg.]: „Auf der Hut – Hirtenleben

und Weidewirtschaft“ (= Schriften Süddeutscher Freilichtmuseen, Bd. 2), Neusath-Perschen 200330 Birgit Angerer u.a. [Hrsg.]: „echt stark! – Naturstein im länd-lichen Bayern“ (= Schriften Süddeutscher Freilichtmuseen, Bd. 3), Finsterau 2006 31 Birgit Angerer u.a. [Hrsg.]: „Prunk, Pracht, Protz – Luxus auf dem Land“ (= Schriften Süddeutscher Freilichtmusen, Bd. 4), Finsterau 2009 32 Birgit Angerer u.a. [Hrsg.]: „Gutes Wetter – schlechtes Wetter“ (= Schriften Süddeutscher Freilichtmuseen, Bd. 5), Finsterau 201333 Wie Anm. 31, S. 19

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Als Leiter eines Museums bekommt man zu bestimmten Exponaten im Lauf der Jahre eine besondere Beziehung. Beim Vilsbiburger Sammlungsbestand sind es die Erzeugnisse der Kröninger Hafner, die gesehen von der Zahl und Vielfalt der Geschirrstücke, dann der Arbeitsgeräte und Werkstattmodelle sowie einer reichen Fotodokumentation, das Herzstück bilden. Die günstige Archi-valienlage, besonders ab dem 18. Jahrhundert bis in die Endzeit in den 1930er Jahren, erschließt wichtige Aspekte dieser traditions-reichen und ehemals blühenden Hausindustrie.

Als „Kröning“ wird eine an Tonerde noch heute reiche Land-schaft im niederbayerischen Hügelland südöstlich von Landshut zwischen Dingolfing und Vilsbiburg bezeichnet, die vor Jahr-hunderten noch von Waldreichtum geprägt war. So berichtet Philipp Apian in seiner berühmten Beschreibung aller vier bayerischen Rentämter um 1560, wo er weiter die Ansiedlung vieler Hafner vermerkt. Aufgrund schriftlicher Zeugnisse lassen sich im benachbarten Tal der Bina, einem Nebenfluss der Rott, allerdings schon 1301 Hafner nachweisen. Der Kröning selber tritt 1428 mit einer durch Herzog Heinrich von Bayern erlassenen bemerkenswerten Handwerksordnung der Hafner hervor, deren ausgefeilte Bestimmungen von den Handwerkern zum Teil wohl selbst formuliert worden waren. Eigenartigerweise wird in einer neuen, 1646 genehmigten Ordnung auf die frühere nicht mehr Bezug genommen. Sie war wohl in Vergessenheit geraten.

HafnerorteZentrum des Hafnerhandwerks war Jesendorf, wo Mitte des 18. Jahrhunderts allein bis zu 14 Werkstätten gleichzeitig Geschirr produzierten. Als weitere wichtige Hafnerorte im Kröning gelten kleinere Dörfer, Weiler und Einöden wie Buttenbach, Ober-/Niederaichbach, Grammelsbrunn, Geiselsdorf, Magersdorf, Ober-viehbach, Oberkirchberg, Groß-/Kleinbettenrain, Oberschnitten-kofen, Bödldorf, Kröning, Onersdorf, Pattendorf, Hub, Gerzen-Mangern, Kobel, Hundspoint, Hermannsreit, Wippenbach, Öd, Leiersöd, Straß, Wippstetten und Hungerham. An der Bina wären Siebengadern, Geiselberg, Spielberg, Stadlhof, Angerbach, Frei-ling und Scherneck zu erwähnen. Dazu besaßen die Hafner im Nebenerwerb eine kleine Landwirtschaft, das Handwerk überwog jedoch deutlich.

WerkstattdichteDie Jahresrechnung des Kröninger Hafnerhandwerks von 1761 lässt Rückschlüsse auf hohe Werkstattzahlen zu. Den so genannten Handwerksschilling (= Vereinsbeitrag) zum Jahrtag am damals zuständigen Gerichtsort Teisbach zahlten 64 Meister aus den vier Gebietsvierteln, dazu 20 auswärtige und weitere 8 Meister, die „auf der Bina“ ihr Handwerk ausübten: In Summa also 92 Werk-stätten im Bereich der Kröninger Hafnerorganisation. Im gleichen Zeitraum etwa finden sich im benachbarten Gericht Vilsbiburg weitere 33 Hafnerwerkstätten.

Vertrieb der HafnerwareIn diesem, mit dem späteren Landkreis Vilsbiburg vergleichbaren kleinen geografischen Raum arbeiteten abzüglich der 20 aus-wärtigen Meister also 105 Hafner, die naturgemäß große Mengen Geschirr erzeugten. So waren sie gezwungen, Absatzmöglich-keiten weit ab vom Herstellungsort zu suchen. Die Landeshaupt-stadt München bot sie wegen ihrer hohen Einwohnerzahl und der aus dem Umland zahlreich herbeiströmenden Marktbesucher. Betrachtet man die in einem Schriftstück genannte Zahl von 43 Hafnern, die beispielsweise 1736 die Märkte dort besucht haben, muss München vom Kröninger Geschirr geradezu „über-schwemmt“ gewesen sein.

Aus den Pfarrmatrikeln des 19. Jahrhunderts in Kirch-berg und Reichlkofen im Kröning wissen wir von vielen Ge-

Kröninger Hafnerware - einst ein begehrter

ExportartikelLambert Grasmann

Lambert Grasmann.

34 Vorträge: Forschung im Museum

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schirrhändlern und deren Familienangehörigen, die Geschirr im Kröning aufkauften und in ihren oft weit entfernten Heimatorten wieder veräußerten. Die Eintragungen der Pfarrherren berichten über Geburten von Kindern der Geschirrhändler, dann über Ehe-schließungen sowie Sterbefälle von Händlern und deren An-gehörigen.

An Herkunftsorten der „Karrner“, wie Händler aus Tirol auch genannt wurden, sind viele dort aus Nord- und Südtirol (bis Salurn) festzustellen. Weitere Orte liegen im Bayerischen Wald und in der Oberpfalz, wobei sich nördlich von Straubing eine Ver-dichtung ergab. So verwundert es nicht, wenn bei archäologischen Grabungen in den letzten Jahren und erst jüngst wieder auf der Burg Kufstein in Tirol hohe Anteile an Kröninger Hafnerware ver-treten sind. Es findet sich auch folgerichtig Kröninger Geschirr in den Museen zu Salzburg, Mondsee, Mattsee, Innsbruck, Bozen, Dietenheim bei Bruneck und im Ultental. Eine Prestigeangelegen-heit dürfte die alljährlich ab 1650 nachweisbare „Hoflieferung“ mit Geschirr einer Kröninger Werkstatt an die herzogliche und churfürstliche Hofküche in München gewesen sein.

Als Transportmittel der Händler werden in älteren Unter-lagen neben den bereits erwähnten Karren, sowohl „Kraxe“ als auch „Schubkarren“ und „Schlitten“ genannt. Die Hafner selbst bedienten sich des „Kreinzenwagens“, eines besonders stabil konstruierten, von benachbarten Bauern als „Spediteure“ „ver-mittelten“ Heuwagens. Nach Auskunft des alten Geschirrfahrers Hans Huber von Bartl am Roß wog so ein Fahrzeug im beladenen Zustand 120 Zentner. Dass der Transport mit so schweren Fuhr-werken bei den damaligen Straßenverhältnissen große Probleme aufwarf und die Wegmacher keine große Freude daran hatten, ist einleuchtend. Um wenigstens zeitweise die oft unwegsamen Straßen nicht benutzen zu müssen, wurde von den Hafnern auch der Wasserweg genutzt. 1599 wird die Isarlände in Dingolfing als Station von Flößen mit Hafnergeschirr genannt. Als weiteres Beispiel ist überliefert, dass 1764 Antonius Maister von Geisel-berg an der Bina seine Geschirrfuhre auf ein „Hohenauschiff“ (= Hauptschiff eines Schiffszugs) den Inn aufwärts treidelte (= seit-lich am Ufer von Pferden gezogen). „Zwei Stundt“ hinter Kufstein jedoch riss das Seil - der gesamte Schiffszug strandete am Ufer. Maister und seine Geschirrladung kamen dabei unbeschadet davon. Diese Geschichte wird in einem der Mirakelbücher (= Auf-zeichnungen von Anrufungen) der Wallfahrtskirche Angerbach bei Gangkofen bezeugt.

Kröninger Geschirr - heute begehrtes Sammel-objektKröninger Geschirr war in erster Linie Gebrauchsgeschirr. Viele der Formen behielten über Jahrhunderte hinweg ihr traditionelles Erscheinungsbild. In erster Linie hängt dies mit der Gebrauchs-funktion der Objekte und den Gebrauchsgewohnheiten der Kund-schaft zusammen. Exemplarisch sei die „Bauernschüssel“ genannt, deren profilierter nach innen gedrückter Rand zum Löffel-abstreifen diente. Aus ihr wurden besonders auf dem Land Suppen gelöffelt. Beeindruckend bei der Gruppe „Schwarzgeschirr“ sind bis zu 85 cm hohe „Wassergrand“ – Vorratsgefäße, die in Küche und Stall zur Kühlung des Wassers eingemauert waren. Technisch zur gleichen Gruppe zählt auch der bauchige „Essigkrug“, eines der vier in der Handwerksordnung von 1646 geforderten Meister-stücke.

Die Schwärzung der Oberfläche wurde im Kröning beim Brand durch reduzierende Atmosphäre erzeugt, wobei noch andere Faktoren im Spiel waren, wie das verwendete Heizmaterial und im Ton enthaltene Eisenoxide (= Rost). Von Graphitbeimischung, wie etwa bei der Passauer/Obernzeller Ware, ist im Kröning keine Spur. Als Verzierungen bei Schwarzgeschirr fallen weiter die vor dem Brand mit einem harten Gegenstand eingeglätteten

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a Hafnerfamilie Zettl, beim „Uiderl“ in Bödldorf, 1930, links Georg, rechts Benno. b Hafnerei Sebastian Häring, Pattendorf, Geschirrtrocknung im Freien, 1910.

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dekorativen Linien, Spiralen oder ganzflächige Polierungen auf. Noch bis in die 20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts

hinein zählte in vielen Haushalten die glasierte Kröninger Ware zum festen Bestand. Charakteristisch sind die gelb wirkenden Glasuren mit dem aufgespritzten, „Scheckeln“ genannten Dekor. Bei bestimmten Gefäßen herrschen Brauntöne oder ein sattes Grün vor. Gerade die alten Verlassenschaftsinventare des 18. Jahrhunderts, dann die erhaltenen Rechnungszettel der Hafner für Geschirrlieferungen zum Heilig-Geist-Spital in Vils-biburg ab 1650 und die Einschreibbücher für Lieferungen der Hafner spiegeln die Vielfalt der Geschirrproduktion wider.

Es ist von den zu Millionen hergestellten „Milchweidlingen“ die Rede, von großen und kleinen Töpfen, wie „Rahmhefa“, „Dampfnudldegl“, „Dreifuaß“, „Spitzhaferl“, „Malerhaferl“ und „Plattenhaferl“. Bei den flachen Formen findet sich die „Fleischrein“ und die etwas höhere für die „Rohrnudeln“. Schüsselarten waren die erwähnte „Bauernschüssel“, die flache, auch „seift“ genannte „Nudlschüssel“ und der „Nudlseier“. Bei hohen Typen rangieren bauchige birnenförmige Krüge, „Einfüllkrugl“ und „städtische Krugl“. Seltener und von Sammlern wie Museen hoch geschätzt und teuer bezahlt ist die blaue Ware. Das gleiche gilt für die in aufwändigen Arbeitsgängen hergestellten, zum Teil mit aus-geschnittenen Wandteilen versehenen „Nadlkörbl“, „Vexier-krüge“, „Tinten-“ oder „Schreibzeuge“, „Weichbrunnkösterl“ und „Kapuziner“. Weniger bekannt sind die Kachelherstellung und die Ofensetzerei, die jedoch im Kröning schon in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgegeben wurde.

Ende der HafnereiIm späten 19. Jahrhundert und verstärkt nach 1900 beginnt sich das Ende der Kröninger Geschirrproduktion abzuzeichnen.1903 rafften sich nochmals 22 Hafner zu einer „Sammelausstellung“ ihrer Produkte bei der 3. Niederbayerischen Kreis-Industrie- und Gewerbeausstellung in Landshut auf. Eine Zäsur bedeutete auch der Erste Weltkrieg 1914/18, wo junge Hafner ihr Leben lassen bzw. durch Kriegsverletzungen bedingt den Beruf auf-geben mussten. Verunsicherungen im Handwerk rief auch die neue Bleigesetzgebung von 1887 hervor, die den Gebrauch von giftigen Bleiglasuren unmöglich machte. Die Umstellung auf andere Flussmittel konnte technisch nicht mehr in den Griff be-kommen werden. Auch die Konkurrenz des dauerhafteren Braun-geschirrs aus Schlesien und der Lausitz, dann der verstärkte Ge-brauch des wenn auch teueren Porzellan- und Emaillegeschirrs beschleunigten den Verfall der Hafnerhandwerks.

Alle genannten Faktoren zusammen führten dann auch dazu, dass der Berufsnachwuchs fehlte - das Handwerk hatte keine Überlebenschancen mehr. 1928 meldete der Vilsbiburger Bezirks-amtmann Karl Grasmann, in den Gemeinden Kröning und Jesen-dorf arbeite nur mehr der Hafner Sebastian Eder in Jesendorf. Von ihm ist bekannt, dass er dann zwischen 1935 und 1940 endgültig die Drehscheibenarbeit aufgab. Heute gehen die Nachkommen der Hafner ihrer ererbten Landwirtschaft nach, die sie entsprechend ihrer Möglichkeiten erweitert und modernisiert haben. Die Er-innerung und das Erbe der Kröninger Hafner aber pflegt in vor-bildlicher Weise das Heimatmuseum Vilsbiburg mit seinen um-fassenden Sammlungen.

a Hoher Henkeltopf, um 1800.b Durchbrucharbeit „Nadlkörbl“, Werkstatt Sebastian Eder, Jesen-dorf, um 1920.

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Über Jahrhunderte prägte jüdisches Leben die Dörfer und Klein-städte im heutigen Franken. Seit dem 16. Jahrhundert entstanden hier über 200 jüdische Landgemeinden, die in vielen Orten bis zu ihrer Auslöschung durch die Nationalsozialisten bestanden. Die noch verbliebenen Zeugnisse der jüdischen Geschichte sind vor allem die Reste ehemaliger, heute baulich veränderter Synagogen oder weit außerhalb einer Ortschaft liegende jüdische Friedhöfe. Zu den Spuren jüdischen Lebens zählen auch Genisafunde.

Das Wort Genisa (alternative Schreibweise Genizah) geht auf hebräische Wurzeln zurück und bedeutet so viel wie Auf-bewahrungsort, Schatzkammer oder Depot zur Ablage. Dies kann ein Gefäß, ein Kasten oder ein abgeschlossener Raum in einem Gebäude sein. Darin werden dann unbrauchbar gewordene Druck-werke oder Gegenstände, die nach jüdischen Religionsgesetzen nicht absichtlich vernichtet werden dürfen, zunächst einmal ge-sammelt. Nach einer bestimmten Zeit oder auch nach Bedarf kann das abgelegte und gesammelte Schriftmaterial auf einem Fried-hof bestattet werden. Diese Praxis ist noch heute üblich und wird auf religiöse Texte angewandt.

Streng genommen müssen nur Thorarollen, Tefillin (Gebets-riemen), Mesusapergamente und Kalender wegen Inhalt bzw. Verwendung der hebräischen Buchstaben aufbewahrt werden, wenn sie nicht mehr verwendet werden. Darüber hinaus werden Handschriften oder Drucke, die einen Namen Gottes enthalten, abgelegt. Zur Bezeichnung Gottes wird in biblischen Texten das Tetragramm JHWH (Jod (י), He (ה), Waw (ו), He (ה)) verwendet, das aber nicht ausgesprochen wird, um den Namen Gottes nicht zu beschmutzen. Stattdessen wird dieses Tetragramm durch andere Bezeichnungen wie Adonai, Schaddai oder Schem ersetzt. Schem ist das hebräische Wort für „Namen“, im Plural schemoth. Daher ist einer der Ausdrücke für solche abgelegten Texte „Schemoth“ oder „Scheimess“.

Texte in hebräischer Sprache – der Sprache der jüdischen Religion – werden ebenfalls abgelegt. Dazu zählen gedruckte Gebetbücher aller Anlässe, liturgische Texte und rabbinische Literatur oder Manuskripte mit Segenssprüchen, religionsgesetz-lichen Abhandlungen oder Gebeten. Eng damit verbunden sind Gegenstände oder Geräte für das religiöse Zeremoniell, die auf jeden Fall aufbewahrt oder abgelegt werden müssen wie etwa Thorawimpel, Gebetsmäntel oder Lulavringe.

In Süddeutschland entwickelte sich die Praxis, Kisten mit ge-sammelten Texten, unverpackte Papierbündel oder auch einzelne Objekte auf den Dachboden der Synagoge zu bringen und zwischen dem Dachgebälk zu verstauen. Auf eine Bestattung wurde danach meist verzichtet. Im Lauf der Jahre fielen Ziegel, Staub, Mörtel und Mäusedreck auf die Gegenstände, hinzu kamen Feuchtig-keit und Witterungseinflüsse. So zerfiel das meist organische Material allmählich. Nach der Vertreibung und Deportation der Juden während des Nationalsozialismus wurden die zerstörten Synagogen abgerissen oder baulich verändert. So auch die Dach-böden, indem man einfach einen neuen Boden über den alten Resten einzog oder alles beseitigte, was sich dort befand. Die dort gelagerten Texte und Gegenstände wurden entweder völlig zerstört oder zunächst in Unkenntnis des eigentlichen Inhalts in Resten geborgen.

Als 1986 die Gemeinde Veitshöchheim beschlossen hatte, die ehemalige Synagoge zu renovieren1, erwies sich das dabei im Dachboden aufgefundene Schuttmaterial als Genisa mit bis dahin einzigartigem Umfang. Nach der Bergung und einer ersten Sichtung wurden ausgewählte Texte aus der Veitshöchheimer Genisa im Jüdischen Kulturmuseum Veitshöchheim, das 1994 er-öffnet wurde, ausgestellt. Die einzelnen Objekte sind bestimmten Themen wie Geschichte, Religion oder tägliches Leben zugeordnet.

In den frühen 1990er Jahren stellten dann die in mehreren Städten gezeigten Ausstellungen „Genisa – verborgenes Erbe der

Martina Edelman.

Schmutz, Staub und SensationenZur Arbeit des Genisaprojekts Veitshöchheim Martina Edelman

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Landjuden“ und „Mappot – das Band der Tradition“ Genisafunde aus dem süddeutschen Raum erstmals einer größeren Öffentlich-keit vor.

Inzwischen wurde in mehreren Orten Genisamaterial in unter-schiedlichem Umfang geborgen. Insgesamt sind für Franken etwa 40 Fundorte bekannt und es kommen immer neue dazu. Allerdings sind die Objekte sehr angegriffen, verschmutzt, fragmentiert und äußerst brüchig. Das erschwert den Zugang zu den Texten und Gegenständen. So wurde das schmutzige Material nach der Ent-deckung oft in Kartons oder unzugänglichen Räumen gelagert. Es wurde weder auf eine sachgemäße Aufbewahrung geachtet noch kümmerte man sich um die inhaltliche Auswertung. Die Genisoth waren zum größten Teil nicht erfasst und nicht zugänglich. Es gab keine Objekt- oder Inventarnummern, die Maßeinheit war „Karton“.

Da eine Genisa jedoch eine Fülle von kulturgeschichtlichen Informationen besonders für jüdisches Leben zwischen dem 17. und dem 19. Jahrhundert darstellt, wurde 1998 das Genisa-Projekt am Jüdischen Kulturmuseum Veitshöchheim gegründet, um die Genisa-Funde aus fränkischen Synagogen komplett durchzusehen sowie das interessante Material zu archivieren und inventarisieren.

Mit der finanziellen Förderung durch die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen, der Bezirke Ober- und Unterfranken und der Gemeinde Veitshöchheim wurde es möglich, die Ziele des Projekts bis heute umzusetzen. Neun wissenschaftliche Mit-arbeiter waren bisher am Projekt im Rahmen von Werkverträgen tätig. Zusätzlich arbeiten Studenten der Universität Würzburg während eines Praktikums für das Projekt.

Alle zu bearbeitenden Genisabestände eines Ortes werden in Veitshöchheim zunächst komplett und Stück für Stück gesichtet. Danach werden die für eine weitere Bearbeitung geeigneten und interessanten Texte beschrieben und möglichst weitgehend näher bestimmt. Die Ergebnisse werden in eine Datenbank nach einem einheitlichen Beschreibungsraster eingearbeitet. Zur Zeit arbeiten Elisabeth Singer-Brehm und Beate Weinhold für das Genisaprojekt Veitshöchheim.

Die Objekte werden in Veitshöchheim nach ihrer Erfassung für eine Lagerung in den Archiven der Eigentümer (Museen und Kommunen) vorbereitet und dementsprechend als Archivmaterial verpackt. Die sachgemäße Aufbewahrung ermöglicht einen ver-besserten Zugang zu den Objekten. Über die Inventarisierung hinaus gehende wissenschaftliche Arbeit ist nicht möglich. Auch konservatorische Maßnahmen werden vom Genisaprojekt Veits-höchheim nicht durchgeführt, in speziellen Fällen aber veranlasst.

Die Datenbanken stehen allen Interessierten zur Verfügung. Um diese auch online veröffentlichen zu können, wird zur Zeit durch das Genisaprojekt ein Teil des Bestandes digitalisiert.

Folgende Genisoth sind bisher komplett durchgesehen und in der Datenbank erfasst: Unterfranken: Veitshöchheim, Urspringen (Lkr. Main-Spessart), Goßmannsdorf (Lkr. Würzburg), Gaukönigshofen (Lkr. Würz-burg), Altenschönbach (Lkr. Kitzingen), Wiesenbronn (Lkr. Kitzingen), Memmelsdorf, Kleinsteinach (beide Lkr. Haßberge), Maßbach, Obernbreit, Arnstein. Oberfranken: Reckendorf, Altenkunstadt, Lichtenfels, Bayreuth, Dormitz.

Bemerkenswert ist, dass die Funde aus Bayreuth, Maßbach und Obernbreit von den Mitarbeiterinnen des Projekts in situ geborgen wurden. Nach der Bearbeitung der zugänglichen und bis dahin bekannten unterfränkischen Fundorte wurden die Er-gebnisse in der Ausstellung „ABGELEGT“ präsentiert. Diese Aus-stellung kann ausgeliehen werden.

In allen Genisoth sind selbstverständlich aus allen Gattungen, für die das Ablagegebot gilt, Zeugnisse erhalten. Die Bestände

a Genisafund in Arnstein/Ufr. b Plakat der Ausstellung „Abgelegt“.

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lassen sich in Texte (Drucke und Manuskripte) und Gegenstände (Textilien, Tefilllin, rituelle Objekte) unterteilen. Die Drucke können bis in das frühe 16. Jahrhundert datiert werden und stammen aus allen hebräischen Druckereien des 16. bis 19. Jahr-hunderts. Die Texte sind vor allem in Hebräisch und in Jiddisch verfasst. So können diese Funde etwa Antwort auf die Frage nach der religiösen Einstellung einer Gemeinde geben oder sie lassen sprachwissenschaftliche Untersuchungen zur lokalen Sprache zu, da in vielen handgeschriebenen jiddischen Texten Dialektaus-drücke verwendet wurden. Durch wissenschaftliche Bearbeitung der relevanten Dokumente kann diese verloren gegangene Sprache zumindest schriftlich bewahrt werden. Darüber hinaus sind weitere Fragen an die Genisaobjekte möglich und können durch die Inventarisierungsarbeit nun eher und systematischer beantwortet werden.

Jedoch findet man in den Genisoth auch zahlreiche Dinge, die man zunächst nicht erwartet. Offensichtlich hat man auch Dinge aus persönlichen Gründen aufgehoben oder man wollte sicher gehen, nichts Heiliges versehentlich zu vernichten. So be-wahrte man daher auch solche Texte auf, die nichts mit den ur-sprünglichen Vorschriften zu tun hatten: z. B. Rechnungen und Quittungen, private Briefe an Freunde oder Verwandte, private Vereinbarungen (Verlobungsvertrag, Ehevertrag, Ehescheidung), Geschäftsbriefe mit Belegen für den Handel mit Wein, Getreide, Rohhäuten, Gewürzen und Spezereien, Berufliches (Arbeitsvertrag für einen Kantor, Tagebuch eines Beschneiders), Schuldner-listen, Warenlisten, Inventarlisten, Briefe, Zeitungen, Spenden-bescheinigungen, Spielkarten, medizinische Rezepte, Schul-bücher, Schreibübungen, Abschriften, Vokabellisten, Strafarbeiten und auch Einkaufszettel. Gerade diese singulären und oft sehr individuellen Zeugnisse stellen die eigentlichen Sensationen dar und erlauben bisher nicht mögliche Einblicke in das Leben einer jüdischen Gemeinde. Die bisher bekannten und erhaltenen Quellen in den Archiven dagegen beziehen sich auf das Verhältnis zwischen der christlichen Obrigkeit und der jüdischen Minderheit und sind daher in ihrer Aussage einseitig.

Funde aus einer Genisa sind daher als historisches Quellen-material unbedingt weiter zu bearbeiten und unter verschiedenen Ansätzen zu beachten. Zwar erfährt die Kultur des Judentums eine größer werdende Aufmerksamkeit, allerdings spielten Genisafunde bei diesen Forschungen bisher nur eine untergeordnete Rolle, da sie nicht zugänglich und nicht inventarisiert waren. Diese Situation konnte durch die Arbeit des Genisaprojekts verbessert werden. Wurden vor Beginn der Arbeit des Genisaprojekts Veits-höchheim nur ausgewählte Einzelstücke für allgemeine Fragen betrachtet, so kann jetzt ein umfangreicher Quellenbestand herangezogen werden, der sich nicht alleine auf jüdisches Leben bezieht, sondern auch für die Erforschung der Regionalgeschichte von Bedeutung ist.

Anmerkung:1 Synagoge Veitshöchheim: Ludwig Wamser, Die Synagoge von Veitshöchheim - ein Denkmal jüdischen Lebens in einer Rand-gemeinde Würzburgs. In: Wagner, U. (Hrsg.), Zeugnisse jüdischer Kultur in Unterfranken. Schriften des Stadtarchivs Würzburg, Heft 2 (Würzburg 1987), S. 59ff.; Karen Heußner, Jüdisches Kulturmuseum und Synagoge Veitshöchheim. Schönere Heimat. Erbe und Gegenwart 79, 1990, S. 246ff.; Otto Lohr, Jüdisches Kulturmuseum und Synagoge Veitshöchheim, Museum heute 8, 1994, S. 3ff.; Ludwig Wamser, Die Synagoge in Veitshöchheim. Denkmäler jüdischer Kultur in Bayern. Arbeitsheft 43, Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege 1994, S. 59ff.; Martina Edelmann, Jüdisches Kulturmuseum Veitshöchheim, Haigerloch 1999. Genisa Veitshöchheim: Hermann Süß, Zur literaturgeschichtlichen Be-deutung der Veitshöchheimer Genisa. In: Ulrich Wagner (Hrsg.),

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a Genisafund in Bayreuth/Ofr. b Impfschein, 1819.

Zeugnisse jüdischer Kultur in Unterfranken. Schriften des Stadt-archivs Würzburg, Heft 2 (Würzburg 1987), S. 79ff.; Erika Timm, Yiddish Literature in a Franconian Genizah, Jerusalem 1988; Falk Wiesemann (Hrsg.), Genisah – verborgenes Erbe der deutschen Landjuden. Ausstellungskatalog, Wien 1992; Anette Weber/Evelyn Friedlander, Mappot – gesegnet, der da kommt. Das Band jüdischer Tradition. Ausstellungskatalog, Osnabrück 1997; Martin Przybilski, Zu einigen jiddischen Fragmenten aus der Veitshöch-heimer Genisa, Aschkenas 11, 2001, S. 233ff.; Martina Edelmann, Die Genisa der Synagoge von Veitshöchheim, in: Depotfunde aus Gebäuden in Zentraleuropa. Bamberger Kolloquium zur Archäo-logie des Mittelalters, Berlin 2005, S. 147ff.; Elisabeth Singer, Die Geschichte vom Fischer und seinem Sohn, in: Bayerische Blätter für Volkskunde 33/34, Würzburg 2006/07, S. 18ff.

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Das Motto „Forschen im Museum“ betrifft das Germanische Nationalmuseum (GNM) in größerem Maße als die meisten anderen Museen. Denn es gehört zu den acht Institutionen, die in Deutschland als sogenannte Forschungsmuseen im Kontext der Wissensgemeinschaft Leibniz (WGL) ausgewiesen sind.1 In Bayern sind dies nur das Deutsche Museum in München und das GNM in Nürnberg, das wiederum das einzige kulturhistorische Museum unter den acht Häusern ist. Den Museen der WGL ist Forschung dezidierter Auftrag, denn neben Dauer- und Sonderausstellungen mit ihren Publikationen finden hier umfangreiche wissenschaft-liche Projekte statt, denen die Objekte des jeweiligen Museums als Fundament für die Recherchen dienen.

Das GNM betreibt Forschung auf vielen Ebenen und hat diverse Sammlungsbereiche, darunter auch das Deutsche Kunst-archiv (DKA). Dieses ist das größte Archiv für schriftliche Vor- und Nachlässe im Bereich der bildenden Kunst im deutschsprachigen Raum und umfasst derzeit 1.392 Bestände von namhaften Künst-lerinnen und Künstlern, Kunstwissenschaftlerinnen und Kunst-wissenschaftlern, deren Unterlagen sich über rund 2,9 Regal-kilometer erstrecken. Es vereinigt eine Fülle kostbarster Quellen der Kunst-, Kultur- und Geistesgeschichte. So werden in den einzelnen Beständen Ausweise, Briefe, Tagebücher, Kalender, Manuskripte, Typoskripte, Fotografien, Pläne, Grafiken, Film- und Tondokumente, Urkunden, Plakate, Zeitungsausschnitte, Flugblätter oder graue Literatur verwahrt. Hinzu kommen verein-zelt dreidimensionale Objekte wie Pokale, Plaketten, Medaillen, Modelle, Totenmasken, Abgüsse von Händen, Uhren, Brillen oder Griffel. Die Dokumente und Objekte geben anschaulich Auf-schluss über die Lebensumstände, also das private wie berufliche Umfeld des jeweiligen Bestandsbildners, ja über seine Identität.

Sehr außergewöhnlich ist es, dass ein so großes Archiv inner-halb eines Museums angesiedelt ist und keine eigenständige Institution bildet, wie etwa das Deutsche Literaturarchiv in Marbach, das in der Aufgabenstellung und im Umfang der ver-wahrten Bestände durchaus vergleichbar ist. Museen hingegen beherbergen bestenfalls Archive mit ihrem eigenen Schrift-gut, sammeln aber darüber hinaus keine weiteren Dokumente. Die Wurzeln für diese ungewöhnliche Konstellation in Nürnberg sind in der Geschichte des GNM zu suchen, das dem Archiv von Anfang an einen hohen Stellenwert eingeräumt hatte. Als das Museum 1852 ins Leben gerufen wurde, standen Archiv, Biblio-thek und Sammlungen gleichberechtigt nebeneinander. Erst Ende des 19. Jahrhunderts verlor der Archivgedanke an Gewicht und die museale Präsentation der Kulturgüter gewann die Oberhand.2

Einen neuen Impuls erhielt das Archiv jedoch 1958, als der damalige Leiter, Ludwig Veit (1920–1999), – unterstützt durch den Generaldirektor Ludwig Grote (1893–1974) – den Vorstoß unternahm, Nürnberg zu der zentralen Anlaufstelle für Quellen-forschung zur bildenden Kunst in Deutschland zu machen.3 Neben einer Zentralkartei zum Nachweis aller deutschsprachigen Künstlerkorrespondenzen in Archiven und Bibliotheken wurde das Sammeln von privaten Nachlässen von Künstlern und Kunst-wissenschaftlern zur vorrangigen Aufgabe der neuen Archiv-abteilung. Veit hatte hellsichtig die Gefahr erkannt, dass wichtige Quellen aus Privatbesitz für die kunstwissenschaftliche Forschung unwiederbringlich verloren gingen, wenn man sie nicht zentral sammelte. 1964 begann er mit seinem Team eine weitreichende Kampagne. Mit hohem Rechercheaufwand machte er die Erben bedeutender Künstler und Kunstwissenschaftler ausfindig, er-läuterte ihnen das Anliegen und erreichte durch geschickte Ver-handlungsführung den Erwerb zahlreicher schriftlicher Nachlässe, die eine wichtige Basis für die kunstwissenschaftliche Forschung darstellen. Damit war das „Archiv für Bildende Kunst“ – neben dem „Historischen Archiv“ – ins Leben gerufen. Im Laufe der Jahrzehnte nahmen die Bestände rasant zu, so dass das „Archiv

Vom Umgang mit unserem kulturellen

GedächtnisDas Deutsche Kunstarchiv im Germanischen

Nationalmuseum, Nürnberg

Birgit Jooss

Birgit Jooss.

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für Bildende Kunst“ bald den Umfang des Historischen Archivs überschritten hatte. Um seiner gewachsenen Bedeutung gerecht zu werden, trennte man es schließlich 2007 verwaltungstechnisch vom Historischen Archiv ab, so dass seitdem zwei gleichrangige Abteilungen innerhalb des GNM eingerichtet wurden. Im Januar 2008 erfolgte die Umbenennung in „Deutsches Kunstarchiv“.

Das DKA verfolgt im Grunde dieselben Kernaufgaben wie Museen: Sammeln, Bewahren, Erforschen und Publizieren. Im Gegensatz zu staatlichen oder kommunalen Archiven, die das Verwaltungsschriftgut von Behörden ihres Sprengels durch ein reglementiertes Verfahren übernehmen, muss das DKA seine Be-stände selbst zusammentragen. Damit ist die aktive Akquise bei Künstlern und Kunstwissenschaftlern beziehungsweise deren Erben ein äußerst wichtiger Teil der Archivarbeit.4 Da die Zu-gänge als Schenkungen das Haus erreichen, ist ein intensiver Austausch mit den jeweiligen Nachlassgebern erforderlich. Die Kontaktaufnahme erfolgt im Idealfall schon zu Lebzeiten der Künstler und Kunstwissenschaftler, die bisweilen ihre Unterlagen dem Archiv als sogenannte Vorlässe anvertrauen. Bestandsüber-sichten werden sogleich nach Eingang der Dokumente verfasst. Sie geben Auskunft über Name, Lebensdaten, Beruf, Biographie, Inhalt des Bestandes, Laufzeit der Unterlagen, Umfang des Be-standes, Provenienz, Erschließungszustand, Art des Bestandes und gegebenenfalls Hinweise auf Besonderheiten der Einsichtnahme, Genehmigungspflichten oder weitere Standorte von Unterlagen. Danach erfolgt die konservatorische Pflege, indem die Unter-lagen in eine „Entwesungskammer“ gegeben werden, Metall- und Plastikelemente entfernt und die Dokumente in archivgerechte Hüllen und Schachteln gebettet werden. Dies geschieht Hand in Hand mit der zeitintensiven Erschließungsarbeit in die archiv-eigene Datenbank FAUST auf der Grundlage eines differenzierten Klassifikationsschemas, das sich an die sogenannten „Regeln zur Erschließung von Nachlässen und Autographen“ (RNA) anlehnt.5 So entstehen summarische bzw. tiefer gehende Verzeichnisse, die dann den Forschern als Basis ihrer Recherchen zur Verfügung stehen. Schließlich werden die Archivalien im Depot unter ge-eigneten klimatischen Bedingungen abgelegt.

Seit den Anfängen wurden beachtliche Nachlässe, etwa von Lovis Corinth (1858–1925), Otto Dix (1891–1969) oder Franz Marc (1880–1916) zusammengetragen. Zu den bedeutenden Kunstwissenschaftler-Nachlässen gehören die von Ludwig Grote, Edwin Redslob (1884–1973) oder Wilhelm Worringer (1881–1965). Den zeitlichen Schwerpunkt der Bestände bildet die klassische Moderne, aber auch das späte 19. Jahrhundert – als Beispiel sei der Künstler und Anthropologe Gabriel von Max (1840–1915) erwähnt – und die Nachkriegszeit mit zahlreichen Nachlässen etwa von Künstlern wie Ernst Wilhelm Nay (1902–1968) oder Gerhard Marcks (1889–1981) sind gut vertreten. Jüngst eingegangene Vorlässe sind die des Malers Johannes Grützke (geb. 1937), des Kunsthistorikers Martin Warnke (geb. 1937) oder des Fotografen Stefan Moses (geb. 1928).

Eine Übersicht bietet seit 1995 die vom Bundesarchiv ein-gerichtete und online zugängliche „Zentrale Datenbank Nach-lässe“ (ZDN).6 Dort sind alle Bestände natürlicher Personen mit kurzer Inhaltsangabe, Umfang, Laufzeit und Zustand der Ver-zeichnung recherchierbar. Außerdem wird über die Homepage des GNM eine regelmäßig aktualisierte PDF-Liste aller Bestandsnamen bereitgestellt.7 Die Online-Stellung der Bestandsübersichten sowie rechtlich unbedenklicher Verzeichnungseinheiten auf der eigenen Homepage wurde im Juni 2014 realisiert. Die Vernetzung mit übergreifenden Internetportalen, etwa dem „Archivportal D“ oder der „Deutschen Digitalen Bibliothek“8 respektive dem inter-nationalen Pendant, dem „Europäischen Archivportal (APEnet)“9 in Kooperation mit „Europeana“ sind angedacht.10

Derzeit werden rund 1.100 schriftliche Anfragen jährlich

a Der Lesesaal des Deutschen Kunstarchivs im Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg.b Archivalien aus dem Deutschen Kunstarchiv aus den Be-ständen von Lovis Corinth, Otto Dressler, Ludwig Grote, Olaf Gulbransson, Franz Marc, Wilhelm Loth und Richard Riemerschmid. c Das Depot des Deutschen Kunstarchivs im Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg.

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durch das DKA beantwortet und knapp 350 persönlich anwesende Wissenschaftler an ca. 500 Besuchstagen im Lesesaal betreut. Hauseigene Gästezimmer erleichtern den Forschungsaufenthalt in Nürnberg. Die Zusammensetzung der Nutzer ist international, so kommen Studierende, Promovierende, Hochschullehrer, Aus-stellungsmacher oder Publizisten aus vielen Ländern, sehr häufig aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Rund 1.800 Dokumente werden – unter Einhaltung der Urheber- und Persönlichkeits-rechte – für externe Nutzer jährlich gescannt.

In Bezug auf das hier fokussierte Thema „Forschen im Museum“ wird also deutlich, dass das DKA eine zentrale An-laufstelle für externe Wissenschaftler ist, die ihre Universitäts-arbeiten, Publikationen, Ausstellungen oder Editionen anhand des Originalquellenmaterials erarbeiten können. Um ihre Forschung auch nach außen sichtbar zu machen, wurde im Juli 2008 die Vortragsreihe „Aus dem Deutschen Kunstarchiv“ ins Leben ge-rufen, in der ausgewählte Archivnutzer einmal im Quartal von ihren Forschungen in Vorträgen berichten. Gegenstand der bisher 21 Veranstaltungen waren monographische Ansätze zu Künstlern und Kunstwissenschaftlern wie Karl Arnold (1883–1953), Ludwig Dill (1848–1940), Ernst May (1886–1970), Johann Wilhelm Schirmer (1807–1863), Hans Schwippert (1899–1973) oder Fritz Schumacher (1869–1947), Brieffreundschaften zwischen Hans Wimmer (1907–1992) und Gerhard Marcks beziehungs-weise zwischen Franz Marc und Paul Klee (1879–1940) sowie thematische Vorträge zur Provenienzforschung, zu Künstler-landschaften, zum Expressionismus, zum Bauhaus oder zur Nachkriegskunst. Begleitend werden in zwei Vitrinen zentrale Originalarchivalien präsentiert, die das jeweilige Thema des Vor-trags veranschaulichen. Diese Vortragsreihe findet mit je 100 bis 200 Zuhörern pro Abend großen Zuspruch, der das Interesse einer breiten Öffentlichkeit an der Archivarbeit offenbart.

Einen weiteren wichtigen Aspekt der eigenen Arbeit stellen drittmittelgeförderte Digitalisierungsprojekte dar, die schließlich über das Internet der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Unter großer Beachtung schaltete das DKA im Juli 2010 die Datenbank „Galerie Heinemann online“ unter http://heinemann.gnm.de im Internet frei und publizierte damit erstmals in seiner Geschichte einen umfassenden Bestand in digitaler Form on-line. Gefördert wurde das Projekt durch die Arbeitsstelle für Provenienzrecherche/-forschung in Berlin. Die Datenbank basiert auf den Geschäftsunterlagen einer der bedeutendsten Kunst-handlungen Deutschlands, die zwischen 1872 und 1938 existierte. Sie enthält Informationen zu mehr als 43.000 Kunstwerken von über 5.000 Künstlern sowie zu rund 13.000 in den Handel ein-bezogenen Personen und Institutionen und ist mit differenzierten Suchfunktionen ausgestattet. Mit diesem Service, der ersten großen, voll durchsuchbaren Datenbank eines Kunsthändler-archivs in Deutschland, konnte das DKA somit der Provenienz-forschung ein exzellentes Werkzeug bereitstellen.

Das derzeit laufende Projekt „DigiPortA – Digitalisierung und Erschließung von Porträtbeständen in Archiven der Leibnizgemeinschaft“ möchte in ebensolcher Weise den Zugang zu den Beständen des DKA erleichtern. Gefördert durch die WGL und unter der Federführung des Archivs im Deutschen Museum haben sich neun Archive der WGL zusammengeschlossen, um rund 33.000 Porträts zu digitalisieren, in einer Datenbank mit Metadaten zu erschließen und über das Internet zugänglich zu machen. Bei den Porträts aus dem DKA handelt es sich oftmals um Aufnahmen aus privaten Fotoalben, aus dem familiären Bereich, dem beruflichen Kontext oder Dokumentationen der jeweiligen Arbeitssituation der Künstler und Kunstwissenschaftler. Es finden sich darunter Fotografien von Ausstellungen, Ehrungen, Ein-weihungsfeierlichkeiten oder Vorträgen. Besonders interessant sind die zahlreichen Atelieraufnahmen. Vor allem in letzter Zeit

a Die Karteischränke und eines der Geschäftsbücher der Galerie Heinemann im Depot des Deutschen Kunstarchivs. b Fotoporträts für das Projekt „DigiPortA“ aus dem Deutschen Kunstarchiv aus den Beständen von Lovis Corinth, Conrad Felixmüller, Käthe und Max Kruse, Franz Marc, Ernst May und Lili Schultz.c Raum der Ausstellung „Johannes Grützke. Die Retrospektive“ im Germanischen Nationalmuseum (24.11.2011–01.04.2012).

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haus in München und dem Franz Marc-Museum eine Edition der Familien-Briefe von Maria und Franz Marc zu realisieren. Durch Kooperationen dieser Art lassen sich die Chancen für Anträge auf Drittmittel erhöhen, denn natürlich stellt stets die Finanzierung derartiger Projekte das größte Problem dar. Ein rechtzeitiger Aus-tausch empfiehlt sich in jedem Falle, denn die Grundlage jeglicher Forschungsarbeit anhand von Archivalien stellt die Erschließung des jeweiligen Bestands dar.

Zum Abschluss soll noch ein Thema erwähnt werden, das ver-mutlich alle Museen betrifft und Teil des Interesses am Erhalt unseres Erbes und damit unseres kulturellen Gedächtnisses ist. Es ist das Problem der künstlerischen Nachlässe. Wie häufig ist es der Fall, dass Familien nicht wissen, wohin sie sich mit einem gesamten, zumeist umfangreichen künstlerischen Werk wenden können; ein Werk, das sie geerbt haben, das sie nur bedingt ver-äußern, also über den Markt in den Kunstkreislauf einbinden können, das sie weder aus finanziellen, noch aus organisatorischen Gründen verwalten und das weder Archive noch Museen zur Gänze übernehmen können. Erste Überlegungen zu diesem um-fassenden Problemfeld sind bereits angelaufen. In Brauweiler bei Köln wurde aufgrund der Initiative der Stiftung Kunstfonds eine entsprechende Institution unter dem Titel „Archiv für Künstler-nachlässe“ mit großzügiger Unterstützung durch das Land Nord-rhein-Westfalen und mit zentralem bundesrepublikanischen Anspruch eingerichtet. Auch auf Länder- und Kommunalebene gibt es zaghafte Ansätze. In Bayern ist jedoch bislang noch keine infrastrukturelle Maßnahme ergriffen worden und es wäre an der Zeit zu überlegen, wie man mit diesem „Massenproblem“ umgehen will. Die angesprochenen Familien sind dankbar, wenn sich das DKA um die schriftlichen Unterlagen kümmert, doch bleiben sie mit den Sorgen um den künstlerischen Nachlass zumeist alleine.

Denn die Aufgaben und Ziele des DKA sind anders gelagert. Ziel ist es, einen Beitrag zur Bewahrung des nationalen Kulturerbes zu leisten, die originalen schriftlichen Quellen zur Erkenntnis-förderung aufzuarbeiten und bereitzustellen sowie durch Projekte und öffentlichkeitswirksame Maßnahmen zu publizieren. Hierbei ist das DKA auch auf den Austausch mit Museen angewiesen, noch vielmehr jedoch auf hauseigene wie externe Unterstützung finanzieller wie personeller Art, so dass es weiterhin ein Garant für das kulturelle Gedächtnis bleiben kann.

Anmerkungen: 1www.leibniz-gemeinschaft.de/institute-museen/forschungs-museen/.2 Ludwig Veit, Das Historische Archiv und das Archiv für Bildende Kunst. In: Bernward Deneke – Rainer Kahsnitz (Hrsg.), Das Germanische Nationalmuseum Nürnberg 1852–1977, München 1978, S. 521–545, hier S. 521–532.3 Ebd. S. 541–545. – Günther Schiedlausky, Die Zeit des Wieder-aufbaues nach dem Kriege. Das Museum unter der Leitung von Ernst Günter Troche und Ludwig Grote, in: Ebd. S. 263–312, hier S. 298. 4 Circa 50 Erwerbungen (Nachlieferungen sowie Neubestände) auf ca. 90 laufenden Metern erweitern pro Jahr die Bestände.5 FAUST stellt alle relevanten Schnittstellen, so vor allem auch EAD (Encoded Archival Description), zur Verfügung: www.land-software.de. Zu archivischen Erschließungsstandards siehe Nils Brübach, Internationale Erschließungsstandards in der deutschen Erschließungspraxis. Archive im digitalen Zeitalter: Überlieferung - Erschließung – Präsentation. 79. Deutscher Archivtag in Regensburg, Fulda 2010, S. 127-133.6 www.nachlassdatenbank.de/.7 www.gnm.de/dka.8 www.deutsche-digitale-bibliothek.de/.9 www.apenet.eu/.10 www.europeana.eu/portal/.

wurde spürbar, dass Porträtfotografien zunehmend Gegenstand von Forschungen sind und entsprechend hochfrequent nach-gefragt werden. Das DKA wird zu diesem Projekt, das bis 2015 abgeschlossen sein soll, ca. 4.100 Porträts beisteuern und damit neue Forschungsressourcen schaffen. Auch der Beitrag des DKA mit ausführlichen Texten und Digitalisaten eigener Archivalien zur virtuellen Ausstellung „Künste im Exil“ ist als Basisarbeit für weitere Recherchen zu verstehen. Das Internet-Portal wurde vom Bundesbeauftragten für Kultur und Medien gefördert und unter http://kuenste-im-exil.de freigeschaltet. Eindringlich wird hier das Schicksal der Künstler und Kunstwissenschaftler, die ihre Heimat verlassen mussten, vor Augen geführt und bringt somit die Er-innerungen an deren Vertreibung zu Bewusstsein.

Daneben betreibt das GNM eigene Forschung auf der Grund-lage der Archivbestände vor allem in Hinblick auf Sonderaus-stellungen. Zum einen nutzen die Kolleginnen und Kollegen aus anderen Abteilungen das Quellenmaterial für ihre Projekte, zum anderen bearbeitet das DKA – im Rahmen seiner personellen Ressourcen – ausgewählte Themen. Das zentrale Medium ist die Sonderausstellung mit Begleitpublikation. Schon seit Mitte der 1970er Jahre werden diese in der Reihe „Werke und Dokumente“ zu einzelnen Künstlern erarbeitet. Sie zeigen anhand des künst-lerischen Œuvres sowie des schriftlichen Nachlasses Eigenart und Zeittypik des jeweiligen Künstlers. So gab es bereits Präsentationen zu Bernhard Bleeker (1881–1968), Otto Dix, Conrad Felixmüller (1897–1977), Olaf Gulbransson, Ernst Wilhelm Nay, Richard Riemerschmid (1868–1957), Georg Tappert (1880–1957) und vielen mehr. Die letzte Präsentation war die große Retrospektive zu Leben und Werk des Berliner Künstlers Johannes Grützke, die im November 2011 eröffnet wurde. Hier wurde der Künstler umfassend nicht nur als Maler, sondern ebenso als Plastiker, Graphiker, Buchillustrator, Schriftsteller, Bühnenbildner, Musiker und Schauspieler vorgestellt.

Doch leider bleibt daneben nur sehr wenig Zeit, intensiv in das Quellenstudium einzusteigen. So liegen die schönsten Schätze im eigenen Depot, ohne dass sie vom DKA selbst in gewünschtem Maße ausgewertet werden können. Diese Auswertung muss somit vorrangig den externen Archivnutzern überlassen werden. Die Kernaufgabe des DKA bleibt die Bewahrung vor Verlust von Dokumenten, die unser kulturelles Gedächtnis darstellen, indem sie akquiriert und konserviert werden; sodann die Bereitstellung einer Forschungsinfrastruktur, indem sie durch Verzeichnisse er-schlossen und wichtige Gruppen digitalisiert werden, sowie die Betreuung der Archivnutzer.

Nun bleibt – im Rahmen dieser Veranstaltung „Forschung im Museum“ – die Frage, wie eine Zusammenarbeit mit anderen Museen aussehen könnte? Hier eröffnen sich verschiedene Möglichkeiten: Zum einen ist ein Wissensaustausch wichtig. Viele Museen arbeiten bei Ausstellungen eng mit Künstlern und Galeristen zusammen, die nicht immer das DKA kennen. Ein Hin-weis auf die Möglichkeit, in Nürnberg die schriftlichen Dokumente archivieren zu lassen, wäre hilfreich; oder – vice versa – die Herstellung eines Kontakts zu den entsprechenden, national bedeutsamen Künstlern. Zum anderen besteht schon jetzt Kontakt mit Museen, die sich primär dem künstlerischen Werk eines Künstlers widmen, dessen schriftlicher Nachlass im DKA verwahrt wird. Zu erwähnen wären beispielsweise das Gerhard Marcks-Haus in Bremen, das Franz Marc-Museum in Kochel oder das Museum Lothar Fischer in Neumarkt. Hier ist meist ein fruchtbarer Wissensaustausch gegeben, der zu gemeinsamen Projekten führen kann. So wird beispielsweise das DKA im Museum Lothar Fischer im Rahmen der Ausstellung „Heimrad Prem und Lothar Fischer. Eine Künstlerfreundschaft“ (26.01.-11.05.2014) einen eigenen Raum mit seinen Archivalien einrichten können. Oder es gibt Planungen, gemeinsam mit der Städtischen Galerie im Lenbach-

Vorträge: Forschung im Museum 43

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Das Programm des Bayerischen Museumstags wäre unvollständig ohne die Stadt- und Museumsführungen am ersten Tagungstag und ohne die Exkursionen zu Museen in der Region mit dem an-schließenden Empfang durch den gastgebenden Bezirk.

Die Stadt Passau hatte trotz des Jahrtausendhochwassers im Juni 2013 und der noch zu bewältigenden Aufräum- und Trocknungsmaßnahmen in der Altstadt ihre Einladung als Gast-geberin des Bayerischen Museumstags aufrechterhalten und so konnte die Tagung wie geplant stattfinden. Unser ausdrücklicher Dank gilt der Stadt Passau und ihren Museen, der Universität wie auch dem Passau Tourismus e.V. für die reibungslose Zusammen-arbeit im Hinblick auf den Bayerischen Museumstag auch unter schwierigen Rahmenbedingungen.

Die durch das Hochwasser gerade auch bei den Passauer Museen verursachten Schäden konnten bei den vier Stadtführungen be-gutachtet werden. Am schwersten hatte es das Römermuseum Boiotro getroffen. Die Generalsanierung und Neugestaltung des Hauses war gerade fertig geworden, als die Wassermassen kurz vor der geplanten Neueröffnung das Museumsgebäude er-reichten. Erst einige Monate nach dem Bayerischen Museumstag, im November 2013, konnte das neu konzipierte Römermuseum Boiotro nach einer weiteren Sanierung endlich eröffnet werden. Die Grundmauern des alten Römerkastells selbst, auf denen das Gebäude steht, bilden das wichtigste Exponat. Anhand von vor Ort gefundenen Ausgrabungsstücken wird in der lebendigen Präsentation die Geschichte zur Entstehung Passaus aus einem alten Römerlager dokumentiert. Das im Erdgeschoss durch das Hochwasser stark beschädigte Museum Moderner Kunst Wörlen war ebenfalls Ziel einer Stadtführung. Sämtliche Kunstwerke waren rechtzeitig in Sicherheit gebracht worden wie der künst-lerische Nachlass Georg Philipp Wörlens (1886–1954) und Werke anderer Künstler der “Donau-Wald-Gruppe”. Nur zum Teil geöffnet war aufgrund der Hochwasserkatastrophe auch das Domschatz- und Diözesanmuseum. Immerhin konnten die Tagungsteilnehmer das Treppenhaus, den barock ausgestaltete Saal der Hofbibliothek und die Prunkräume der Residenz besichtigen. Das ebenfalls vom Hochwasser betroffene Glasmuseum Passau mit seiner wertvollen Glassammlung wurde zwar nicht im Rahmen der Stadtführungen besichtigt, stand aber während der Tagungszeit für einen kosten-freien Besuch offen. Dank seiner exponierten Lage oberhalb der Stadt von den Wassermassen verschont geblieben war das Ober-hausmuseum, das im Rahmen einer Museumsführung seine um-fassenden kunst- und kulturhistorischen Sammlungen vorstellte.

Gelegenheit zur Erholung und zum geselligen Beisammensein gab es anschließend ebenfalls in luftiger Höhe oberhalb der Stadt in einem Biergarten.

Nach dem Vortragstag im Audimax der Universität Passau stand die Besichtigung von vier Museen in der Umgebung zur Auswahl: Eine Bustour führte ins Gäubodenmuseum Straubing, das sich seit Mai 2012 mit einer vollständig erneuerten Römer-abteilung präsentiert, bei der auf rund 500 m² Ausstellungsfläche die Themen Totenkult, Landwirtschaft, Spätantike und Germanen thematisiert werden. Eine preisgekrönte Dauerausstellung stand bei einer weiteren Exkursion auf dem Programm: das Museum Dingolfing hatte 2009 für seine überzeugende Präsentation der industriellen Entwicklung der Stadt Dingolfing von der Sä-maschine zum Hightech-Automobil den Bayerischen Museums-preis erhalten. Zwei Jahre zuvor, nämlich 2007, war das Freilicht-museum Massing, das ebenfalls als Besichtigungsziel angesteuert wurde, für sein vorbildliches Museumsdepot mit dem Sonder-preis des Bayerischen Museumspreises ausgezeichnet worden. Die im Vortrag des Vilsbiburger Museumsleiters Lambert Grasmann vorgestellte Kröninger Hafnerware konnte man schließlich im Heimatmuseum Vilsbiburg aus der Nähe betrachten.

Exkursionen/ Schlussveranstaltung

Christine Schmid-Egger

44 Exkursionen

a Treffpunkt der Stadtexkursionen vor dem Alten Rathaus. b Bustransfer zum Oberhausmuseum im Rahmen der Stadtexkur-sionen.

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Frei nach dem Motto „Alle Wege führen nach …. Holzhausen“ endeten alle Exkursionen im Trachtenkulturzentrum Holzhausen bei Landshut, wo der Bezirkstagspräsident von Niederbayern alle Teilnehmer des Bayerischen Museumstags zu einem Empfang ge-laden hatte. Die schon im Eingangsbereich des Audimax in Passau gezeigten Beispiele zu Forschungsprojekten in bayerischen Museen fanden im ehemaligen Stallgebäude in Holzhausen, das derzeit zu Tagungszwecken umgebaut wird, einen ungewöhnlichen und sehr wirkungsvollen Rahmen. Darüber hinaus stand auch das in die Endausscheidung zum Bayerischen Museumspreis 2013 gelangte Depot des Trachtenkulturzentrums zur Besichtigung offen.

Allen Museen und Institutionen, die am umfangreichen Ex-kursionsprogramm durch die Museen in Passau und Umgebung sowie bei der Abschlussveranstaltung im Trachtenkulturzentrum Holzhausen mitgewirkt haben, sei an dieser Stelle nochmals für ihr Engagement gedankt.

Exkursionen 45

Exkursionsteilnehmer auf dem Weg zur Veste Oberhaus.

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46 Tagungsimpressionen

c Tagungsbüro im Alten Rathaus der Stadt Passau. d Das Audimax der Universität Passau bildete einen würdigen Rahmen für die Vorträge des Museumstags.e Referenten und Ehrengäste des Bayerischen Museumstags (v. l.): Dr. Michael Henker, Leiter der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern; Ministerialdirigent Toni Schmid, Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst; Urban Mangold, Bürgermeister der Stadt Passau; Gerlinde Kaupa, stellvertretende Landrätin; Dr. Helmut Graf, Regierungsvizepräsident von Niederbayern; Prof. Dr. Robert Obermaier, Vizepräsident für Forschung und Transfer der Uni-versität Passau.

a Im Tagungsbüro warten zahlreiche Namensschilder auf ihre Träger. b Gespräche vor dem Tagungsgebäude der Universität Passau.

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Tagungsimpressionen 47

a Blick auf Passau. b Foyer in der Universität Passau mit Tafeln der Postersession im Hintergrund. c Postersession im Trachtenkulturzentrum Holzhausen.

d Max Bertl, 1. Landesvorsitzender des Bayerischen Trachtenver-bands, begrüßt die Tagungsteilnehmer in Holzhausen. e Museumsleiter Wolfgang Gensberger, Trachtenkulturzentrum des Bayerischen Trachtenverbandes in Holzhausen. f Abschlussempfang des Bezirks Niederbayern in Holzhausen.

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Begleitend zu den Vorträgen anlässlich des Bayerischen Museumstags sollte eine kleine Ausstellung über kleinere und größere Forschungsprojekte in bayerischen Museen informieren. Die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern hatte zu diesem neuen Format eingeladen und 16 Museen waren bereit, ihr Forschungsprojekt mit Hilfe eines Posters, d. h. eines gedruckten Plakates, vorzustellen. Die eigentliche Postersession mit Gesprächsmöglichkeit fand im Rahmen der Schlussveranstaltung im Trachtenkulturzentrum in Holzhausen bei Landshut statt. Es gab aber darüber hinaus bereits während des vorangegangenen Vortragstags für alle Museumstagsteilnehmer die Gelegenheit, sich die im Foyer der Universität Passau auf Stellwänden präsentierten Poster anzusehen.

Kurz und prägnant sollten die Museen auf den im DIN A 1 Format angelegten Postern den Umfang sowie die technischen und grundlegenden inhaltlichen Aspekte ihres Forschungsprojekts erläutern. Die Gestaltung der Plakate war jedem Museum freigestellt.

Damit die wichtigsten Grundinformationen zu den Forschungsprojekten möglichst vollständig und einheitlich auf den Postern erschienen, wurden von der Landesstelle folgende inhaltliche Kriterien vorgegeben:• Museumsname• Thema des Projekts/Titel des Projekts• Abschnitt• Projektleitung evtl. plus MitarbeiterInnen• Personaleinsatz• Kosten (wenn möglich)• Kooperationspartner• Finanzielle Unterstützer• Ansprechpartner, Adresse, evtl. Link für weitere Informationen: • Evtl. Logos der Förderer (optional).Pro Museum durfte ein Plakat eingereicht werden, Umfang und Anzahl der Abbildungen waren nicht vorgegeben. Auch die Schrifttype war frei wählbar, allerdings wurde um lesbare Schriftgröße gebeten.

Folgende technischen Angaben wurden den Museen ebenfalls übermittelt:• Größe: DIN A 1, (59,4 x 84,1 cm)• Material: Papier mind. 180 g/qm• Digitaldruck, vierfarbig• Schriftgrößen:

Haupttitel – 60 Punkt, Zweite Überschrift – 50 Punkt, Fließtext – 25 Punkt, Abbildungsgröße: min. 8 x 8 cm

Beigefügt war dem Anschreiben an die Museen auch eine PDF-Datei, welche als Anregung für die Gestaltung eines solchen Posters dienen sollte. Diese Vorlage stellte das Projekt „Die Temperierung als Mittel der Präventiven Konservierung in Museen“ vor.

Seitens der Landesstelle standen den Museen für die Vorbereitung und Durchführung der Postersession zwei Ansprechpartnerinnen zur Verfügung: Dipl.-Ing. Anna-Marita Lang (technische Ausführung) und Dr. Hannelore Kunz-Ott (inhaltliche Fragen).

Dank gebührt allen mitwirkenden Museen, die vor allem auch bei der „offiziellen“ Postersession im Trachtenkulturzentrum Holzhausen persönlich vertreten waren. Dies ermöglichte den interessierten Kolleginnen und Kollegen, sich aus erster Hand über Erfolge und Schwierigkeiten bei solchen Vorhaben auszutauschen und trug sicherlich zu den vielen positiven Reaktionen seitens der Museumstagsteilnehmer auf das neue Format „Postersession“ bei.

Postersession

Entwurf für die Gestaltung der Postersession in den ehemaligen Stallungen im Trachtenkulturzentrum Holzhausen von Anna-Marita Lang.

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Die Autoren dieses Hefts

Dr. Andrea Christine Bambi, Leitung Provenienzforschung, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, MünchenDr. Martin Edelmann, Leiterin Kulturamt/Jüdisches Kultur-museum, VeitshöchheimRainer Fürhaupter, Mitglied des Vorstands der Versicherungs-kammer BayernLambert Grasmann, Museumsleiter Heimatmuseum VilsbiburgDr. Michael Henker, Leiter der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern (bis Oktober 2013)Dr. Birgit Jooss, Leiterin Deutsches Kunstarchiv im Germanischen Nationalmuseum, NürnbergDr. Ralf Kilian, Fraunhofer-Institut für Bauphysik, HolzkirchenUrban Mangold, Bürgermeister der Stadt PassauProf. Dr. Robert Obermaier, Vizepräsident für Forschung und Transfer Universität PassauDr. Astrid Pellengahr, Leiterin der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in BayernDipl. Rest. Univ. Susanne Rißmann, Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in BayernToni Schmid, Ministerialdirigent beim Bayerischen Staats-ministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und KunstChristine Schmid-Egger M.A., Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in BayernGeorg Waldemer, Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern

64 Autoren/Bildnachweis

Abbildungen:Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern, Elisabeth Söllner, S. 4a, 6, 8, 10, 13, 14, 28, 34, 37, 44, 46a, 46c, 46d, 46e, 47Privatbesitz, S. 4bFraunhofer-Institut für Bauphysik, S. 16, 17, 18Flora Fellner, S. 20, 45, 46bKunstsammlungen und Museen Augsburg, Haberstock-Archiv, S. 21Historisches Museum Bamberg, S. 23Lambert Grasmann, S. 35a, 36Heimatmuseum Vilsbiburg, S. 35bJüdisches Kulturmuseum Veitshöchheim, S. 38, 39Anita Back, S. 40, 41a, 41c, 42cDeutsches Kunstarchiv DKA, S. 41b, 42a, 42bLandesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern, Anna-Marita Lang, S. 48

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Alter Hof 2, 80331 MünchenTelefon +49 89/21 01 40-0Telefax +49 89/21 01 40-40ISBN 978-3-9807604-8-5