Einfluß der Verarbeitung auf den Nitratgehalt der Nahrung ......Schließlich sei auch das Vorkommen...

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Einfluß der Verarbeitung auf den Nitratgehalt der Nahrung: Tierische Produkte Von K. HOFMANN'') Im Unterschied zu den Pflanzen, die Nitrat als Nährstoff benötigen und anreichern können, ist der physiologische Nitratgehalt im lebenden Tier und damit in den Roh- stoffen tierischer Produkte - insbesondere im Muskelfleisch - nur äußerst gering. Auch in Milch ist Nitrat normalerweise nur in Spuren enthalten. Nitrat gelangt jedoch bei der Herstellung von tierischen Veredlungsprodukten als Zu- satzstoff zur Anwendung. Im Vordergrund stehen dabei Fleischerzeugnisse. Nitrat dient hierbei als Pökelstoff. Wir können allerdings das Nitrat in diesem Zusammenhang nicht isoliert betrachten, denn das zugesetzte Nitrat wird zum Teil zu Nitrit reduziert, und dieses Nitrit ist beim Pökelprozeß das eigentliche, wirksame Agens. Nitrit wird daher auch in Form von Ni- tritpökelsalz eingesetzt. Es handelt sich dabei um ein Gemisch mit Kochsalz, dessen Ni- tritgehalt mit 0,4 bis 0,5% gesetzlich festgelegt ist. Der größte Teil - es sind etwa 90% - der in Deutschland erzeugten Fleischwaren wird mit Hilfe dieser Pökelstoffe hergestellt, wobei allerdings heute die Anwendung von Ni- tritpökelsalz bei weitem überwiegt. Mit Nitrat werden vor allem große Rohschinken und länger reifende Rohwürste, wie Salami und Cervelatwürste hergestellt. Nitritpökelsalz wird eingesetzt bei der Herstel- lung von Fleischwaren wie Mettwurst, Bierschinken, Blutwurst, Fleischkäse und zahl- reicher anderer Erzeugnisse. Wir wissen, daß Nitrat und Nitrit aus toxikologischer Sicht nicht ganz harmlos sind, doch völlig unbedenkliche Ersatzstoffe wurden bisher - trotz vieler Bemühungen - nicht gefunden. Andererseits würde ein völliger Verzicht auf die Anwendung dieser Pökel- stoffe bedeuten, daß die meisten der heute im Handel befindlichen Fleisch- und Wurst- waren nicht mehr erzeugt werden könnten. Bestimmte Fleischwaren werden allerdings seit jeher nur mit Kochsalz - also ohne Pö- kelstoffe - hergestellt. Doch erhält man dabei im Aussehen und im Geschmack völlig andere und in der Regel wegen des fehlenden Nitrits auch weniger haltbare Produkte. Diese Fleischwaren bezeichnet man - wegen der fehlenden roten Pökelfarbe - auch als »weiße Waren«. Hierzu gehören vor allem Weißwurst, Gelbwurst, Hausmacher Leberwurst und all- gemein Bratwürste. Auch verschiedene Schinkenspezialitäten, wie der aus Italien kom- mende Parmaschinken, werden ohne Pökelsalze hergestellt. In der Bundesrepublik Deutschland wurde der Zusatz von Nitrat und Nitrit durch die neue vom 31. 12. 1980 gegenüber früher erheblich eingeschänkt. Die wesentlichsten Anderungen sind: Eine Senkung des Nitritgehaltes im Nitritpökel- salz um 20%, ein grundsätzliches Verbot des Zusatzes von Pökelstoffen zu traditionell weißer Ware und die Beschränkung der Nitratanwendung auf rohe Produkte mit langer Reifungsdauer. Die nunmehr bei der Herstellung von Fleischerzeugnissen nach Art und Menge erlaubten und nicht erlaubten Pökelstoffzusätze sind in Tabelle 1 zusam- mengestellt. Dr. K. HOFMANN, Institut für Chemie und Physik der Bundesanstalt für Fleischforschung. E.-C.- Baumann-Straße 20, D-8650 Kulmbach 50

Transcript of Einfluß der Verarbeitung auf den Nitratgehalt der Nahrung ......Schließlich sei auch das Vorkommen...

  • Einfluß der Verarbeitung auf den Nitratgehalt der Nahrung: Tierische Produkte

    Von K. HOFMANN'')

    Im Unterschied zu den Pflanzen, die Nitrat als Nährstoff benötigen und anreichern können, ist der physiologische Nitratgehalt im lebenden Tier und damit in den Roh-stoffen tierischer Produkte - insbesondere im Muskelfleisch - nur äußerst gering. Auch in Milch ist Nitrat normalerweise nur in Spuren enthalten.

    Nitrat gelangt jedoch bei der Herstellung von tierischen Veredlungsprodukten als Zu-satzstoff zur Anwendung. Im Vordergrund stehen dabei Fleischerzeugnisse. Nitrat dient hierbei als Pökelstoff.

    Wir können allerdings das Nitrat in diesem Zusammenhang nicht isoliert betrachten, denn das zugesetzte Nitrat wird zum Teil zu Nitrit reduziert, und dieses Nitrit ist beim Pökelprozeß das eigentliche, wirksame Agens. Nitrit wird daher auch in Form von Ni-tritpökelsalz eingesetzt. Es handelt sich dabei um ein Gemisch mit Kochsalz, dessen Ni-tritgehalt mit 0,4 bis 0,5% gesetzlich festgelegt ist.

    Der größte Teil - es sind etwa 90% - der in Deutschland erzeugten Fleischwaren wird mit Hilfe dieser Pökelstoffe hergestellt, wobei allerdings heute die Anwendung von Ni-tritpökelsalz bei weitem überwiegt.

    Mit Nitrat werden vor allem große Rohschinken und länger reifende Rohwürste, wie Salami und Cervelatwürste hergestellt. Nitritpökelsalz wird eingesetzt bei der Herstel-lung von Fleischwaren wie Mettwurst, Bierschinken, Blutwurst, Fleischkäse und zahl-reicher anderer Erzeugnisse.

    Wir wissen, daß Nitrat und Nitrit aus toxikologischer Sicht nicht ganz harmlos sind, doch völlig unbedenkliche Ersatzstoffe wurden bisher - trotz vieler Bemühungen - nicht gefunden. Andererseits würde ein völliger Verzicht auf die Anwendung dieser Pökel-stoffe bedeuten, daß die meisten der heute im Handel befindlichen Fleisch- und Wurst-waren nicht mehr erzeugt werden könnten.

    Bestimmte Fleischwaren werden allerdings seit jeher nur mit Kochsalz - also ohne Pö-kelstoffe - hergestellt. Doch erhält man dabei im Aussehen und im Geschmack völlig andere und in der Regel wegen des fehlenden Nitrits auch weniger haltbare Produkte. Diese Fleischwaren bezeichnet man - wegen der fehlenden roten Pökelfarbe - auch als »weiße Waren«.

    Hierzu gehören vor allem Weißwurst, Gelbwurst, Hausmacher Leberwurst und all-gemein Bratwürste. Auch verschiedene Schinkenspezialitäten, wie der aus Italien kom-mende Parmaschinken, werden ohne Pökelsalze hergestellt.

    In der Bundesrepublik Deutschland wurde der Zusatz von Nitrat und Nitrit durch die neue Nitritvero~~nung vom 31. 12. 1980 gegenüber früher erheblich eingeschänkt. Die wesentlichsten Anderungen sind: Eine Senkung des Nitritgehaltes im Nitritpökel-salz um 20%, ein grundsätzliches Verbot des Zusatzes von Pökelstoffen zu traditionell weißer Ware und die Beschränkung der Nitratanwendung auf rohe Produkte mit langer Reifungsdauer. Die nunmehr bei der Herstellung von Fleischerzeugnissen nach Art und Menge erlaubten und nicht erlaubten Pökelstoffzusätze sind in Tabelle 1 zusam-mengestellt.

    ~) Dr. K. HOFMANN, Institut für Chemie und Physik der Bundesanstalt für Fleischforschung. E.-C.-Baumann-Straße 20, D-8650 Kulmbach

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  • Tab. 1

    Gesetzliche Regelung der Anwendung von Nitrat und Nitritpökelsalz in der BR Deutschland

    (lt. Nitritverordnung vom 31. 12. 1980}

    Weiße Ware Rohschinken Rohwurst Sonstige Waren Pökelstoff (große Stücke) (4 Wochen (Brüh-, Koch-, frische

    gereift) Rohwurst; Konserven

    Nitrit nicht erlaubt Nitritpökelsalz Nitritpökelsalz Nitritpökelsalz

    Nitrat nicht erlaubt 600ppm KN03 300ppm KN03 nicht erlaubt (500ppm NaN03)

    Nitrit + nicht erlaubt

    Nitritpökelsalz + Nitrat 300ppm KN03 nicht erlaubt nicht erlaubt

    Nitritpökelsalz: 99,S - 99,6%, Kochsalz (NaCl) + 0,4 - 0,5%, Natriumnitrit (NaNOzl KN03 = Kaliumnitrat, NaN03 = Natriumnitrat

    Bei der Anwendung von Nitrat erfolgt die Nitritbildung unter Mitwirkung von nitratreduzierenden Bakterienenzymen, wie das stark vereinfachte Reaktionsschema in Abbildung 1 zeigt.

    Bokterien-Nitratreductose

    NOJ ---/--::;'"'Q""""~--.... 11 N0 2 Nitrat-Ion { ) Nitrit-Ion

    NADH

    Abb. 1

    Reduktion von Nitrat zu Nitrit in Fleischwaren

    Die notwendigen Bakterien werden bei der Fleischwarenherstellung zur Gewährlei-stung einer sicheren Produktion vielfach in Form von Starterkulturen zugesetzt.

    Worin besteht die spezifische Wirkung der Pökelstoffe? Wir haben es mit nicht weni-ger als vier verschiedenen erwünschten Effekten zu tun:

    1. Besonders augenfällig ist die Umwandlung der ursprünglichen Fleischfarbe in eine charakteristische rote Pökelfarbe. Dieser Vorgang wird als Umrötung bezeichnet. Die gebildete Farbe ist vor allem weitgehend lagerungs- und hitzestabil. Die Um-rötung ist ein sehr komplexer Vorgang, bei dem zahlreiche chemische und mikro-biologische Prozesse ineinandergreifen. Am Ende entsteht aus den Pökelstoffen Stickoxid, das in Verbindung mit dem Muskelfarbstoff Myoglobin den Pökelfarb-stoff - das Nitrosylmyoglobin (Stickoxidmyoglobin) - bildet.

    2. Für den Geschmack gepökelter Fleischwaren ist die Entwicklung eines Pökelaro-mas typisch. Entsprechende Aromakomponenten konnten allerdings bisher noch nicht identifiziert werden.

    3. Die Pökelstoffe bewirken eine Hemmung unerwünschter Bakterien und damit ei-ne längere Haltbarkeit der Erzeugnisse.

    4. Durch das Pökeln wird bei der Lagerung von Fleischwaren-das Ranzigwerden der Fette verzögert.

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  • Die Pökelstoffe werden während der Reifung und Lagerung der Fleischwaren durch verschiedene Reaktionen allmählich abgebaut. Analytisch findet man daher stets weni-ger Nitrit oder Nitrat als ursprünglich zugesetzt wurde. Man hat daher zusätzlich fest-gelegt, welche analytisch feststellbaren Mengen an restlichem Gesamtnitrat bzw. -nitrit nicht überschritten werden dürfen. Diese Regelung bietet eine zusätzliche Kontroll-möglichkeit und Sicherheit. Sie berücksichtigt auch die Tatsache, daß Nitrat teilweise bakteriell zu Nitrit reduziert wie auch Nitrit beim Erhitzen zu Nitrat oxidiert werden kann.

    In Tabelle 2 sind die erlaubten Höchstmengen an Restnitrat bzw. Restnitrit zusam-men mit Ergebnissen von Fleischwarenuntersuchungen aus den letzten Jahren (nach MIRNA, 1982) aufgeführt.

    Tab. 2

    Erlaubte Höchstmengen lt. Fleisch· VO und Befunde an Restnitrit '~ und -Nitrat *':)

    Höchstmengen -Befunde(!)-Nitrat + Nitrit Überschreitungen

    Produkt mg/kg ber. als X Max.

    Brüh- und 100 NaN02 50 186 Kochwürste

    Weiße Ware 50 NaN02 46 101 Rohwürste

    100 KN03 85 707 (4 Wochen)

    Rohschinken, 150 NaN02 59 1495 mit Nitritpökelsalz

    Rohschinken, 600 KN03 338 1767 mit Nitrat

    *) Restnitrit = Nitrit + Nitrat, ber. als Nitrit (mg NaNO/kg) **) Restnitrit = Nitrit + Nitrat, ber. als Nitrat (mg KNO/kg) (1) nach MIRNA, 1983

    %

    4

    38

    11

    59

    17

    Nach diesen Befunden sind Überschreitungen der Höchstwerte auch in neuerer Zeit nicht selten. FLEMMIG und KALTWASSER (1983) haben bei Rohwürsten in 13% der unter-suchten Fälle Grenzwertüberschreitungen festgestellt, die sie darauf zurückführen, daß sich noch nicht alle Hersteller auf die neuen rechtlichen Bestimmungen einstellt haben. Als weitere mögliche Ursache kommt - neben einem vermehrten Zusatz an Pökelstof-fen - vor allem ein erheblicher Nitratgehalt des verwendeten Trinkwassers in Betracht.

    Auch Gewürze, die bei der Fleischwarenherstellung eine Rolle spielen, können be-achtenswerte Konzentrationen an Nitrat aufweisen. Besonders hohe Nitratgehalte fin-den sich in Selleriekraut und Petersilie (Tab. 3); nicht unbedeutend ist auch der Nitrat-gehalt von Majoran (GERHARDT und WINDMÜLLER, 1982). Im folgenden sollen die Reak-tionen und Abbauwege der Pökelstoffe etwas eingehender betrachtet werden (Abb. 2).

    Nitrat wird bakteriell zu Nitrit reduziert, das mit Wasserstoffionen - also im sauren pH- Bereich - die freie salpetrige Säure bildet. Diese Säure hat eine Schlüsselfunktion, · denn sie ist äußerst reaktionsfähig: Sie liefert Stickstoffmonoxid (NO) - einerseits durcC Disproportionierung, andererseits indem sie reduziert wird - das sich schließlich mit

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  • NO-Mb

    Tab. 3

    Nitratgehalt in Gewürzen (nach GERHARDT und WINDMÜLLER, 1982)

    Gewürzart

    Selleriekraut Petersilie Schnittlauch Majoran (Vngarn) Majoran (Agypten) Ingwer Thymian Paprika Zwiebel Pfeffer

    Nitrat (N03

    -)

    mg KN0/100 g

    4137 2068 1667 935 447 345 242 147 40

    5

    Oxidotioni l bakterielle (enzymot.) Reduktion

    Zerfall

    Reduktion

    Nitrit (N02 -)

    L +H+ salpetrige Säure

    HN02

    +RSH

    + +Amine

    + Nitrosothiole Nitrosamine

    Abb. 2

    R-5- NO R- N-R 1 NO

    sonstige Produkte (Aromo) Schema der Nitrat- und Nitrit-

    Abbauwege in Fleischwaren

    dem Myoglobin zu Nitrosylmyoglobin (NO-Mb), dem Pökelfarbstoff, verbindet. Mit den im Fleisch enthaltenen SH-Gruppen reagiert die salpetrige Säure unter Bildung so-gen. Nitrosothiole, die möglicherweise für die Umrötung ebenfalls von Bedeutung sind (MIRNA und HOFMANN, 1969).

    Ferner kann es durch Reaktion mit sekundären Aminen unter Umständen zur Bil-dung krebserregender Nitrosamine kommen. Mit anderen Komponenten des Fleisches entstehen weitere Produkte, zu denen auch das Pökelaroma gehört. 10 - 30% des zuge-setzten Nitrits bleiben schließlich - je nach Produkt - unverbraucht als Restnitrit übrig (MöHLER und ScHEERER, 1979).

    Im folgenden seien einige weitere tierische Produkte genannt, die Nitrat enthalten können: Bei Schnittkäse wird Nitrat zur Vermeidung der sogen. Spätblähung angewendet. In der Bundesrepublik Deutschland ist ein Zusatz von 200 mg Nitrat/kg zur Käsereimilch erlaubt (in der Schweiz wurde der Nitratzusatz inzwischen verboten).

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  • Ein anderes Milchprodukt, das in der Tierernährung eine Rolle spielt und in ~em der durch Kontamination verursachte Nitratgehalt eine Belastung darstellen kann, ist Mol-kenpulver. Zu den Lebensmitteln, die in der Bundesrepublik unter Zusatz von Nitrat hergestellt werden dürfen, zählen auch fermentierte Fischerzeugnisse, sogenannte An-chosen (der zulässige Gehalt an Gesamtnitrat beträgt hierbei 200 mg/kg).

    Wenden wir uns nun der wichtigen Frage zu: Wie groß ist die durchschnittliche Nitrat- und Nitritbelastung des Verbrauchers infolge des Verzehrs tierischer Produkte im Vergleich mit anderen Lebensmitteln? Betrachten wir zunächst die Nitrataufnahme.

    Tab. 4

    Nitrataufnahme durch Lebensmittel

    - in mg NOjpro Tag und Person -

    USA(2) Lebensmittel D(l)

    Fleisch und Fleischwaren 9,1 Getreide und Getreideprodukte 2,7 Vegatabilien 35,7 Obst und Obstsäfte 1,5 Milch und Milchprodukte 0,3

    (1) SELENKA UND BRANDT-GRIMME, 1976 (2) Comitte on Nitrit, USA, 1981 (3) TREMP, 1977, 1980 A: Nichtvegetarier, B: Vegetarier

    A B

    5,4 0 1,2 0

    65,0 260 4,3 4,3 0,2 0,2

    CH(3)

    5,7 1,5

    63,7 1,0 0,2

    In Tabelle 4 sind die Angaben vergleichsweise für die Bundesrepublik, die Vereinigten Staaten und die Schweiz aufgeführt. Die weitaus höchsten Werte finden wir, und zwar gleichermaßen in den drei Ländern, bei den Vegetabilien. Vegetarier sind demnach zweifellos wesentlich stärker mit Nitrat belastet als V erb rauch er, die sich vielseitiger er-nähren.

    Nicht berücksichtigt ist in der Tabelle das Trinkwasser, dessen Nitratgehalt starken örtlichen Schwankungen unterliegt. Doch kann nach einer Studie aus der Schweiz be-reits der Konsum eines Trinkwassers, das den relativ häufigen Wert von 40 mg Nitrat im Liter aufweist, eine Verdoppelung der täglichen Nitratbelastung zur Folge haben (TREMP, 1980). Die Verwendung von nitrathaltigem Trinkwasser kann auch zu einer ungewollten Umrötung bei der Herstellung ungepökelter Fleischwaren führen. Geröte-te Weißwürste z.B. sind Fehlfabrikate, die in letzter Zeit häufiger vorkommen.

    Wie die Werte in Tabelle 4 weiterhin zeigen, haben Milch und Milchprodukte für die Gesamtnitratbelastung des Menschen nur eine untergeordnete Bedeutung.

    Die Höhe der durchschnittlichen Nitritbelastung soll an Hand der in Tabelle 5 wie-dergegebenen Daten diskutiert werden.

    Es ist ohne weiteres verständlich, daß mit Fleischwaren, die mit Nitritpökelsalz her-gestellt sind, im allgemeinen unmittelbar mehr Nitrit aufgenommen wird als beim V er-zehr anderer Lebensmittel. Daher ist auch, wie der Vergleich der beiden Zahlenwerte in Tabelle 5 zeigt, in Deutschland - im klassischen Land der Wurstesser - die durchschnitt-liche Nitritaufnahme höher als beispielsweise in den USA.

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  • Tab. 5

    Nitritaufnahme durch Lebensmittel - in mg N02- pro Tag und Person -

    Lebensmittel D (1) USA (2)

    Fleisch und Fleischwaren Getreide und Getreideprodukte Vegatabilien Früchte und Fruchtsäfte Milch und Milchprodukte

    (1) SELENKA u. BRAND-GRIMM, 1976 (2) Comittee on Nitrit, 1981

    0,94 0,47 0,29

    0,02

    0,36 0,26 0,12 0,01 0,01

    An dieser Stelle ist jedoch darauf hinzuweisen, daß die mit Fleischwaren aufgenom-menen Nitritmengen relativ klein sind im Vergleich zu jenen, die sekundär aus den mit anderen Lebensmitteln aufgenommenen Nitratmengen (vergl. Tab. 4) in vivo gebildet werden können (die entsprechende Umwandlung von Nitrat zu Nitrit erfolgt jedoch hierbei nicht vorwiegend - wie bisher angenommen wurde - durch eine bakterielle Re-duktion in der Mundhöhle bzw. im Speichel, sondern erst im Kontakt mit der dorsalen Zungenoberfläche, wie neuere eigene Versuche eindeutig gezeigt haben).

    Schließlich sei auch das Vorkommen von Nitrosaminen in Fleischerzeugnissen und -im Vergleich dazu - in einigen anderen Lebensmitteln betrachtet.

    Tabelle 6 zeigt, welche Nitrosamingehalte in den letzten Jahren in der Bundesrepu-blik bei Kontrolluntersuchungen gefunden wurden. Bei der Zusammenstellung der Werte kam es vor allem auf eine Wiedergabe der Größenordnung an. Die Prozentwerte

    Braumalz Bier Fleischerzeugnisse

    Tab. 6

    Nitrosamingehalt in Lebensmitteln - BR Deutschland 1979-1982 -

    Häufigkeit Bereich µg/kg

    68% . 0,5-4,9 96%

  • der ersten Zahlenspalte in Tabelle 6 bedeuten, wie häufig Nitrosamingehalte unterhalb des rechts daneben aufgeführten Bereiches gefunden wurden. Wie man sieht, liegen die Nitrosaminwerte, außer bei Braumalz, größtenteils unter 0,5 µg/kg, d. h. also außeror-dentlich niedrig. Die Schwankungen sind jedoch zum Teil erheblich, wie die rechts da-neben aufgeführten maximalen Einzelwerte erkennen lassen.

    Der Gefahr der Nitrosaminbildung kann man durch verschiedene Maßnahmen be-gegnen: Vor allem sollte man gepökelte Fleischwaren nicht zu stark erhitzen, weil bei hohen Temperaturen vermehrt Nitrosamine gebildet werden. Ein besonderes Problem in dieser Hinsicht ist Bacon, der aber bei uns keine wesentliche Rolle spielt.

    Vitamin C - in Form von Ascorbinsäure oder Ascorbat - sowie Vitamin E hemmen die Nitrosaminbildung nachweislich sowohl in Fleischwaren wie auch in vivo. Eine Verwendung dieser Vitamine bei der Fleischwarenherstellung wie auch eine ausreichen-de Versorgung mit diesen Vitaminen kann daher zu einer effektiven Verminderung des Nitrosaminproblems - und damit auch des Nitratproblems - beitragen.

    Zusammenfassung

    Der natürliche Nitratgehalt in den Rohstoffen tierischer Nahrungsmittel (Fleisch, Fett, Milch, Eier, Fisch) ist äußerst gering und im Hinblick auf gesundheitliche Risiken für den Menschen ohne Bedeutung.

    Zur Herstellung von umgeröteten Fleischwaren ist in der Bundesrepublik Deutsch-land ein gesetzlich begrenzter Zusatz an Nitrat bzw. Nitritpökelsalz erlaubt, während »weiße Waren« (Weißwurst, Kalbskäse, Bratwurst und andere) einen solchen Zusatz nicht enthalten dürfen.

    Nitrat und Nitrit haben bei Fleischwaren eine vierfache, erwünschte Wirkung:

    1. Bildung einer hitze- und lagerbeständigen roten Pökelfarbe.

    2. Erzeugung eines typischen Pökelaromas.

    3. Y_erlängerung der Haltbarkeit durch Hemmung verderbniserregender Mikroorga-msmen.

    4. Verzögerung des Ranzigwerdens der Fette.

    Als wirksames Agens gilt hierbei lediglich Nitrit, das auch aus Nitrat durch allmähli-che bakterielle Reduktion gebildet wird.

    Andere tierische Lebensmittel, bei denen aus Qualitäts- oder Haltbarkeitsgründen be-grenzte·Mengen an Nitrat zugesetzt werden dürfen, sind Schnittkäse und fermentierte Fischprodukte (Anchosen).

    Die Nitratbelastung des Verbrauchers durch tierische Nahrungsmittel ist vergleichs-weise gering. Die Aufnahme von Nitrit überwiegt dagegen bei Fleischwaren. Die Bil-dung krebserregender Nitrosamine, die in vitro wie auch in vivo aus Nitrit und (in Le-bensmitteln vorhandenen) Aminen erfolgen kann, wird durch die Vitamine C und E wirksam gehemmt.

    Erhöhte Nitrosaminmengen entstehen bei starker Hitzebehandlung; gepökelte Fleischwaren sollten daher nicht gebraten oder gegrillt werden.

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    Literatur

    Committe on Nitrit and Alternative Curing Agents in Food: The hea!th effects of nitrate, nitrite and N-nitroso compounds. National Academy Press, Washington, D. C., 1981

    FLEMMIG, R. und KALTWASSER, E.: Auswirkungen der . geänderten gesetzlichen Nitrit/Nitrat-Bestimmungen auf den Restnitrit/nitrat-Geha!t in Rohwürsten aus dem Handel. Fleischwirt-schaft 63, 54 - 56, 1983

    FROMMBERGER, R. und ALLMANN, H.: Ergebnisse der Lebensmittelüberwachung in der Bundesrepu-blik. In: R. PREUSSMANN (Hrsgb.): Das Nitrosamin-Problem. Verlag Chemie, Weinheim, S. 57 -63. 1983

    GERHARDT, U. und WINDMÜLLER, R.: Beeinflussung des Nitratgehalts in Fleischwaren durch Verar-beitung von Gewürzen. Fleischerei 33, S. I-IV. 1982

    MIRNA, A.: Flüchtige N-Nitrosamine in Fleischwaren. In: R. PREUSSMANN (Hrsgb.): Das Nitrosamin-Problem. Verlag Chemie, Weinheim. S. 41 - 47. 1983

    MIRNA, A. und HOFMANN, K.: Über den Verbleib von Nitrit in Fleischwaren. I. Umsetzung von Nitrit mit Sulfhydryl-Verbindungen. Fleischwirtschaft 49, 1361 - 1363, 1969

    MöttLER, K. und ScttEERER, C.: Bilanz der Bildung von Pökelfarbstoff im Muskelfleisch. VI. Bi-lanzvergleich zwischen Fleischerzeugnissen des Handels und Modellversuchen mit Muskelfleisch und Nitrit. Z. Lebensm.-Unters. u. Forsch. 168, 381- 388, 1979

    SELENKA, F. und BRAND-GRIMM, D.: Nitrat und Nitrit in der Ernährung des Menschen; Kalkula-tion der mittleren Tagesaufnahme und Abschätzung der Schwankungsbreite. Zbl. Bakt. Hyg., I. Abt. Orig. B 162, 467 - 505, 1976

    TREMP, E.: Die Belastung der schweizerischen Bevölkerung mit Nitraten in der Nahrung. Mitt. Gebiete Lebensm. Hyg. 71, 182 - 194, 1980

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