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Einführung in das Thema Peter C. Scriba Klinikum Innenstadt der Ludwig-Maximilian-Universität, Medizinische Klinik (München) Dies ist das erste Mainzer Symposium nach dem plötzlichen Tod von Prof. Dr. Hans J. Dengler. Wir denken an diesen klugen und kritischen Mann und vermissen ihn. Prof. Dengler hat viel für die klinische Pharmakologie und für die Paul-Martini-Stiftung getan. Die Mainzer Symposien gehören wohl zu den Glanzlichtern in seinem wissenschaftlichen Leben, ebenso wie seine unver- gessene Rede als Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin in Wiesbaden mit dem Thema ,,Die Medizin im Spiegel der Therapie”. Mit der Entscheidung für das Thema ,,Therapie mit Blutprodukten“, für dessen Vorbereitung ich den Münchner Kollegen Endres, Hallek und Schramm danke, hat der Vorstand der Paul- Martini-Stiftung mit den Herren Raff, Baumbauer und Weihrauch einen hochaktuellen The- menkomplex gewählt. Blutprodukte haben sich weiterentwickelt von der einfachen Substitution von Zellen und Plasma hin zu einer immer gezielteren Faktorentherapie und zur Gabe immer präziser spezialisierter Zellen. Die Produktion der therapeutischen Blutprodukte wird der Her- stellung von Medikamenten ähnlicher, was den methodischen Aufwand, die Prüfung, die Ko- sten, die rechtlichen Vorschriften, die Sicherheitsauflagen u. a. betrifft. Auch die medizinökono- mische Bedeutung dieses Fortschritts verdient unsere besondere Aufmerksamkeit. Fortschritt bedeutet in der Medizin häufig additive Kosten, insbesondere in der Phase der Diffusion, mit der der Sachverständigenrat für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen die Annahme eines Fortschritts durch die Nichtspezialisten beschreibt. Der Sachverständigenrat mißt den Bereichen Hämophilie und Stammzelltherapie lange Passagen in seinem letzten Gutachten zu und zwar insbesondere im Hinblick auf deren wirtschaftliche Bedeutung. Medizinischer Fortschritt läßt sich nicht aufhalten, auch nicht durch Budgetierung. Es steht gegebenenfalls vielmehr zu befürchten, daß der Patiententourismus ins Ausland wieder auflebt, wie wir ihn aus der Vergangenheit für die Beispiele Herzchirurgie und Abtreibung kannten, und wie er für die Radiojodtherapie noch existiert. Ein solcher Patiententourismus wird von der Öffentlichkeit nicht lange toleriert: Nach Ansicht des Sachverständigenrates kommt es beim Fortschritt darauf an, den Konsens von allen Beteiligten, einschließlich der Kassen, zu errei- chen. Dies gilt für die Prüfung der Wirksamkeit, die gerade mit dem Brit. Med. J. das 50jährige Bestehen der randomisierten kontrollierten Studie feiert und deren Vorkämpfer Paul Martini in einem Artikel von Herrn Sauerbruch in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift Nr. 96 gerade gewürdigt wurde. Wirksamer Fortschritt wird auch in der Zukunft bei gesicherter Indi- kation und gegebener Qualität finanziert werden. Ich danke Herrn Präsident Zintzen von der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur für seine Gastfreundschaft und freue mich auf unser interessantes Symposium. Arzneim Scriba - -Forsch./Drug Res. 49 (1), Nr. 2 (1999) Therapie mit Blutprodukten 155

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Einführung in das Thema

Peter C. Scriba

Klinikum Innenstadt der Ludwig-Maximilian-Universität, Medizinische Klinik (München)

Dies ist das erste Mainzer Symposium nach dem plötzlichen Tod von Prof. Dr. Hans J. Dengler.Wir denken an diesen klugen und kritischen Mann und vermissen ihn. Prof. Dengler hat viel fürdie klinische Pharmakologie und für die Paul-Martini-Stiftung getan. Die Mainzer Symposiengehören wohl zu den Glanzlichtern in seinem wissenschaftlichen Leben, ebenso wie seine unver-gessene Rede als Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin in Wiesbadenmit dem Thema ,,Die Medizin im Spiegel der Therapie”.Mit der Entscheidung für das Thema ,,Therapie mit Blutprodukten“, für dessen Vorbereitungich den Münchner Kollegen Endres, Hallek und Schramm danke, hat der Vorstand der Paul-Martini-Stiftung mit den Herren Raff, Baumbauer und Weihrauch einen hochaktuellen The-menkomplex gewählt. Blutprodukte haben sich weiterentwickelt von der einfachen Substitutionvon Zellen und Plasma hin zu einer immer gezielteren Faktorentherapie und zur Gabe immerpräziser spezialisierter Zellen. Die Produktion der therapeutischen Blutprodukte wird der Her-stellung von Medikamenten ähnlicher, was den methodischen Aufwand, die Prüfung, die Ko-sten, die rechtlichen Vorschriften, die Sicherheitsauflagen u. a. betrifft. Auch die medizinökono-mische Bedeutung dieses Fortschritts verdient unsere besondere Aufmerksamkeit. Fortschrittbedeutet in der Medizin häufig additive Kosten, insbesondere in der Phase der Diffusion, mitder der Sachverständigenrat für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen die Annahmeeines Fortschritts durch die Nichtspezialisten beschreibt. Der Sachverständigenrat mißt denBereichen Hämophilie und Stammzelltherapie lange Passagen in seinem letzten Gutachten zuund zwar insbesondere im Hinblick auf deren wirtschaftliche Bedeutung.Medizinischer Fortschritt läßt sich nicht aufhalten, auch nicht durch Budgetierung. Es stehtgegebenenfalls vielmehr zu befürchten, daß der Patiententourismus ins Ausland wieder auflebt,wie wir ihn aus der Vergangenheit für die Beispiele Herzchirurgie und Abtreibung kannten,und wie er für die Radiojodtherapie noch existiert. Ein solcher Patiententourismus wird vonder Öffentlichkeit nicht lange toleriert: Nach Ansicht des Sachverständigenrates kommt es beimFortschritt darauf an, den Konsens von allen Beteiligten, einschließlich der Kassen, zu errei-chen. Dies gilt für die Prüfung der Wirksamkeit, die gerade mit dem Brit. Med. J. das 50jährigeBestehen der randomisierten kontrollierten Studie feiert und deren Vorkämpfer Paul Martiniin einem Artikel von Herrn Sauerbruch in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift Nr. 96gerade gewürdigt wurde. Wirksamer Fortschritt wird auch in der Zukunft bei gesicherter Indi-kation und gegebener Qualität finanziert werden.Ich danke Herrn Präsident Zintzen von der Mainzer Akademie der Wissenschaften und derLiteratur für seine Gastfreundschaft und freue mich auf unser interessantes Symposium.

ArzneimScriba -

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Struktur-Funktions-Beziehung von Vitamin K-abhängigen Gerinnungsfaktoren

Wolfram Bode

Max-Planck-Institut für Biochemie, Martinsried

Das fein austarierte Gleichgewicht zwischen Gerin-nungs-, antikoagulatorischen und fibrinolytischenProzessen ist die Voraussetzung für eine funktionie-rende Hämostase. Blutgerinnsel/Thromben bestehenim wesentlichen aus Blutzellen (vor allem Thrombo-zyten), die durch quervernetzte Fibrinfasern zusam-mengehalten werden. Beide enthaltenen Komponen-ten, das Fibrin-Monomer wie auch die stimuliertenThrombozyten, entstehen durch die aktivierendeSpaltung des Plasmaproteins Fibrinogen bzw. deszellständigen Thrombinrezeptors, verursacht durchdie lösliche Serinproteinase Thrombin selbst wird zuvor geradezu explosionsartigaus seiner inaktiven Vorstufe, dem membrangebunde-nen Prothrombin, in das Gefäßlumen entlassen.Diese Thrombinfreisetzung steht am Ende der soge-nannten extrinsischen Kaskade, innhalb der, ausge-löst durch das Zusammentreten von Gerinnungsfak-tor VIIa und Gewebsfaktor (Tissue Factor) zur extri-nischen Xase infolge einer Gewebsverletzung, nach-einander die membrangebundenen aktiven Serinpro-teinasen Faktor VIIa, Faktor IXa und Faktor Xa je-weils aus ihren inaktiven Vorstufen in steigendenMengen entstehen. Diese Aktivierungschritte erfol-gen (kalziumvermittelt) über die membrangebunde-nen Molekülkomplexe extrinsische Xase (FaktorVIIa-Profaktor IX/X-Tissue Factor), intrinsischeXase (Faktor IXa-Profaktor X-Kofaktor VIIIa) undProthrombinase (Faktor Xa-Prothrombin-KofaktorVa), jeweils bestehend aus einer aktivierenden Pro-teinase, einem zu aktivierenden Profaktor und einemKofaktor. Ein jeder dieser Aktivierungsschritte wirdreguliert durch Proteinaseinhibitoren, große Proteine,die mehr oder weniger spezifisch ihre jeweiligen Ziel-proteinasen hemmen und so u. U. auch die ganze Ge-rinnungskaskade stoppen können.Das letzte Aktivierungsprodukt der Aktivierungskas-kade, das ist das eigentliche Schlüssel-enzym bei der Gerinnung: durch Aktivierung und Sti-mulierung des Fibrinogens und der Thrombozyten(sowie einer Reihe anderer Zellen), aber auch durchAktivierungsspaltung des vernetzenden Faktors XIIIund der Kofaktoren V und VIII fördert es u. a. dieGerinnung (koagulatorische Wirkung), durch die(thrombomodulinvermittelte) Aktivierung des kofak-torinaktivierenden Proteins C schaltet es sie abergleichzeitig ab (antikoagulatorische Wirkung). DieAuflösung der Blutgerinnsel/Thromben erfolgt im we-sentlichen durch zwei Serinproteinasen der fibrinoly-tischen Kaskade: die fibrinspaltende SerinproteinasePlasmin wird dabei durch Plasminaktivatoren, im we-sentlichen durch den Gewebsaktivator (tissue-typeplasminogen activator, t-PA), in einer Fibrin-stimu-lierten Reaktion aus der inaktiven Vorstufe, demPlasminogen, freigesetzt.Die beteiligten Gerinnungs-Profaktoren/aktiven Fak-toren sind im Prinzip sehr ähnlich aufgebaute Multi-domänen-Proteine (für Übersichten siehe [1-3]). Alle

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bestehen aus einer membranbindungs-vermittelndenGla-Domäne, zwei sogenannten EGF- bzw. Kringel-Domänen (die auch von vielen anderen Proteinen/Proteinasen her bekannt sind) und einer endständigenkatalytischen Domäne, die der VerdauungsproteinaseTrypsin sehr ähnlich sieht. Die verschiedenen Gerin-nungsfaktoren besitzen aber sehr unterschiedlicheSpezifität, Aktivität und Hemmbarkeit (u. U. extremabhängig von den jeweiligen Kofaktoren), so daß sieinnerhalb der Kaskade ganz bestimmte Funktionenübernehmen können. Die großen Kofaktoren V/Vaund VIII/VIIIa sind keine Proteinasen, besitzen aberebenfalls zueinander ähnliche Multidomänenstruk-tur.In den letzten 10 Jahren ist die dreidimensionaleStruktur der meisten dieser Gerinnungsfaktoren auf-geklärt worden. Wir haben die erste Struktur einerGerinnungsproteinase überhaupt, des [4, 5], und die Raumstrukturen vieler weiterer Throm-binkomplexe aufgeklärt. Wir haben erstmals dieRöntgenstrukturen des Faktors Xa [6, 7], des FaktorsIXa [8], des aktivierten Proteins C [9], einer Kofaktor-Va-Domäne sowie der fibrinolytischen Proteinasen t-PA (in der ungespaltenen, aber aktiven Proform [ 10]wie auch in der gespaltenen Form [l 1]) und des (Mi-cro)Plasmins (zusammen mit dem bakteriellen Akti-vator Staphylokinase und einem Plasmin-Substrat[ 12]) aufgeklärt. Diese Strukturen zeigen von anderenProteinen her bekannte Grundfaltungsmotive, aberauch Strukturdeterminanten, welche die jeweils cha-rakteristischen Eigenschaften bedingen und erklären.Komplexe mit synthetischen Inhibitoren (vor allemmit Thrombin und Faktor Xa) zeigen Bindungsgeo-metrien, die bei der (Weiter)Entwicklung von solchenInhibitoren zu therapeutisch wirksamen Wirkstoffengrundsätzlich zu beachten sind.Diese atomaren Raumstrukturen sind unentbehrlichfür ein tiefergehendes Verständnis der funktionellenEigenschaften dieser Gerinnungs- und fibrinolyti-schen Proteinasen. Sie sind die Grundlage für die Pla-nung rekombinanter Mutageneseexperimente zur Ab-klärung offengebliebener Fragen über die Bedeutungeinzelner Domänen und Aminosäurereste und einwichtiges Werkzeug für die rationale, d. h. struktur-basierende Wirkstoffentwicklung. In dem Referat sol-len einige dieser Strukturen kurz vorgestellt und ihreBedeutung für das Verständnis der Funktion und fürdie Wirkstoffentwicklung diskutiert werden.

Literatur[1] Stubbs, T. M., Bode, W., Coagulation factors andtheir inhibitors. Curr. Opin. Struct. Biol. 4, 823 (1994)[2] Stubbs, M. T., Bode, W., The clot thickens: clues pro-vided by thrombin structure. Trends in Biol. Sci. 20, 23(1995)

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[3] Bode, W., Brandstetter, H., Mather, T. et al., Com-parative analysis of heamostatic proteinases: Structuralaspects of thrombin, factor Xa, factor IXa and proteinC. Thromb. Haemost. 78, 501 (1997)[4] Bode, W., Mayr, L., Baumann, U. et al., The refined1.9 A crystal structure of human Interac- -tion with D-Phe-Pro-Arg chloromethylketone and sig-nificance of the Tyr-Pro-Pro-Trp insertion Segment.EMBO J 8, 3467 (1989)[5] Bode, W., Turk, D., Karshikov, A., The refined 1.9A crystal structure of D-PheProArg chloromethylketoneinhibited human Structure analysis, Overallstructure, electrostatic properties, detailed active-sitegeometry, structure-function relationships. Prot. Sci. 1,426 (1992)[6] Padmanabhan, K., Padmanabhan, K. P., Tulinsky, A.et al., Structure of human des(1-45) Factor Xa at 2.2 Aresolution. J. Mol. Biol. 232, 947 (1993)[7] Brandstetter, H., Kühne, A., Bode, W, et al., X-raystructure of active site-inhibited clotting factor Xa. Im-plications for drug design and substrate recognition. J.Biol. Chem. 271, 29988 (1996)

[8] Brandstetter, H., Bauer, M., Huber, R. et al., X-raystructure of clotting factor IXa: Active site and modulestructure related to Xase activity and hemophilia B.Proc. Natl. Acad. Sci. USA 92, 9796 (1995)[9] Mather, T., Oganessyan, V., Hof, P. et al., The 2.8 Acrystal structure of Gla-domaninless activated protein C.EMBO J. 15, 6822 (1996)[ 10] Lamba, D., Bauer, M., Huber, R. et al., The 2.3 Acrystal structure of the catalytic domain of recombinanttwo-chain human tissue-type plasminogen activator. J.Mol. Biol. 258, 117 (1996)[ 11] Renatus, M., Engh, R. A., Stubbs, T. M. et al., Ly-sine 156 promotes the anomalous proenzyme activity oftPA: X-ray cristal structure of single-chain human tPA.The EMBO J. 16, 4797 (1997)[ 12] Parry, M. A. A., Fernandez-Catalan, C., Bergner,A. et al., Structure of the ternary microplasminstaphylo-kinase-microplasmin complex: a proteinase-cofactor-Substrate complex in action. Nature Struct. Biol. 5, 917(1998)

ArzneimLöwer -

-Forsch./Drug Res. 49 (1), Nr. 2 (1999) Therapie mit Blutprodukten 157

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Virussicherheit von Arzneimitteln aus Plasma gemäß aktuellem Standvon Wissenschaft und Technik

Roloff Johannsen

Centeon Pharma GmbH, Marburg

Die therapeutische Anwendung von isolierten undstabilisierten Wirkungssubstanzen aus Blutplasmades Menschen nahm ihren Anfang in der Mitte diesesJahrhunderts. Bis dahin war bei Patienten mit Mangelan Faktoren des Gerinnungs- und Immunsystems dieTherapie mit Plasma und später Cryopräzipitatdurchgeführt worden. Probleme der Volumenüberla-dung und mangelhaften Dosierbarkeit konnten erstüberwunden werden, als die Herstellung von Fakto-renkonzentraten im technisch-industriellen Maßstaberfolgte. Das Ergebnis war eine wesentliche Verbesse-rung der Lebensqualität und Lebenserwartung derPatienten.In den Jahren 1979 bis 1983 kam es jedoch zu einemdramatischen Rückschlag durch HIV-kontaminierteFaktorkonzentrate. Daraus wurde die Forderung ent-wickelt, daß nur viursinaktivierte Arzneimittel ausPlasma angewendet werden dürfen. Der jeweils er-reichte Sicherheitsstandard, so die Forderung, sei zu-dem kontinuierlich weiter zu entwickeln. Herstellerund Behörden haben die andauernde Aufgabe, die Si-cherheitsmaßnahmen bei der Herstellung von Plas-maderivaten kontinuierlich dem Stand des Wissens

über im Plasma vorkommende Viren und dem techni-schen Fortschritt anzupassen.Zur Zeit enthalten die Sicherheitsmaßnahmen im we-sentlichen vier Elemente:1. Maßnahmen bei der Auswahl von Spendern und

Testung von Spenden2. Kontinuierliche Kontrolle von der Einzelspende

über die vielfaltigen Herstellungsschritte bis zurAbgabe des Endproduktes

3. Validierte Maßnahmen zur Inaktivierung und Eli-minierung von Viren

4. Überprüfung und Chargenfreigabe der Produktedurch das Paul-Ehrlich-Institut

Das jetzt eingeführte integrierte Sicherheitssystem fürArzneimittel aus Plasma umfaßt demgemäß Schrittezur Entfernung und Inaktivierung von Viren auf ver-schiedenen Ebenen und zu verschiedenen Zeitpunk-ten der Herstellung. Als dezidierte Inaktivierungs-schritte sind folgende Methoden im Gebrauch:- Pasteurisierung- Solvent Detergent Verfahren- Trockene Hitze

158Arzneim.-Forsch. /Drug Res. 49 (1), Nr. 2 (1999)

Johannsen - Therapie mi t Blutprodukten

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- Beta-Propiolacton-Behandlung- Na-Thiocyanat-Behandlung- Behandlung bei niedrigem pHDie Methoden unterscheiden sich in ihrem Wirkme-chanismus und ihrer Wirksamkeit auf ein mehr oderminder breites Spektrum pathogener Viren. Sie wer-den gelegentlich miteinander kombiniert eingesetztund/oder ergänzt durch dezidierte Maßnahmen zurEliminierung von Viren. Als solche kommen in Be-tracht:- Nanofiltration- Affinitätschromatographie- Verschiedene physikalische und proteinchemische

Reinigungsschritte unter definierten BedingungenEffektivität und Reproduzierbarkeit dieser Maßnah-men sind für jedes Präparat in Validierungsstudienzu ermitteln.Für die Herstellung der labilen Plasmaderivate ist diegewählte Kombination der Sicherheitsschritte und

Prozeßschritte essentiell. Das angestrebte Ziel sindnicht nur die Virussicherheit, sondern, gleichrangig,die physiologische Wirksamkeit und klinische Ver-träglichkeit der Präparate.Die klinischen Erfahrungen mit den nach heutigemStand der Technik hergestellten Plasmaderivaten sindsehr gut. Dennoch, bedingt durch die Verwendungdes natürlichen Rohstoffs Plasma mit den inhärentenRisikopotentialen durch epidemiologische Verände-rungen Blut-assoziierter Pathogene, sind weiter an-dauernde Entwicklungen der Diagnostik und derHerstellverfahren unerläßlich. Das trifft zu für nichtumhüllte Viren mit hoher Resistenz gegen die ge-bräuchlichen Inaktivierungs- und Eliminierungsme-thoden und für den Erreger der neuen Variante derCreutzfeldt-Jakob-Erkrankung. Ein effektives Zu-sammenwirken von universitärer und industriellerForschung zur Erarbeitung verläßlicher Daten undsachgerechte Entscheidungen der verantwortlichenÜberwachungsbehörden sind hier gefordert.

Arzneim.-Forsch./Drug Res. 49 (1), Nr. 2von Auer - Therapie mit Blutprodukten

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Das neue Transfusionsgesetz

Friedger von Auer

Bundesministerium für Gesundheit, Bonn

Das Transfusionsgesetz vom 1. Juli 1998Anlaß für ein TransfusionsgesetzAnlaß des Transfusionsgesetzes sind die unglück-lichen und tragischen HIV-Übertragungen durchBlutprodukte Anfang der 80er Jahre bei etwa 2000Personen. Empfehlungen des 3. Untersuchungsaus-schusses ,,HIV-Infektionen durch Blut und Blutpro-dukte“ der 12. Legislaturperiode haben zunächst zudem HIV-Hilfegesetz von 1995 geführt. Danach er-halten die Betroffenen finanzielle Hilfe. Den Höhe-punkt der fachlichen Diskussion, die den Empfehlun-gen des Untersuchungsausschusses folgte, bildet dasTransfusionsgesetz.

Wesentliches Strukturelement des TransfusionsgesetzesDas Transfusionsgesetz regelt die elementarenGrundsätze und Pflichten. Die fachlichen Detailswerden maßgeblich in Richtlinien der Bundesärzte-kammer und des Paul-Ehrlich-Instituts festgelegt.

VersorgungsauftragDie Spendeeinrichtungen erhalten den gesetzlichenAuftrag, Blut und Plasma zur Versorgung der Bevöl-kerung mit Blutprodukten zu gewinnen. Die Spende-einrichtungen müssen dazu eng kooperieren und dieZusammenarbeit in einer Vereinbarung festlegen.

Ziele des Transfusionsgesetzes Anforderungen an die Spendeeinrichtungen

Das Gesetz will zu mehr Sicherheit der Blutprodukte Die Spendeeinrichtungen haben die GMP-Regeln zuund des Transfusionswesens beitragen. Es will die beachten. Die medizinische Leitung muß in den Hän-Versorgung der Bevölkerung mit Blutprodukten si- den von approbierten Ärzten liegen, die eine beson-chern. Darüber hinaus soll das Vertrauen der Bevöl- dere Sachkunde besitzen..kerung in ein sicheres Transfusionswesen gestärktwerden. Spenderauswahl

Strukturen im Blut- und PlasmaspendewesenDie Blut- und Plasmaspender müssen sorgfältig aus-

Das Transfusionsgesetz nimmt Rücksicht auf die be-gewählt und dürfen nur durch einen Arzt zur Spende

stehenden Strukturen im deutschen Blut- und Plas-freigegeben werden. Es wird gesetzlich vorgeschrie-ben, daß die Spender nach dem Stand der medizini-schen Wissenschaft und Technik auf HIV-, Hepatitismaspendewesen und ändert sie nicht. Es konkurrieren

die gemeinnützigen und privatrechtlich organisierten B- und Hepatitis C-Infektionsmarker untersucht wer-Spendeeinrichtungen miteinander und mit den Plas-mapheresezentren der Industrie.

den müssen. Die Mißachtung der Testvorschriften istmit Strafe bedroht.

Arzneim.-Forsch./Drug Res. 49 (1), Nr. 2 (1999)von Auer - Therapie mit Blutprodukten 159

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Aufklärung und Einwilligung der SpenderDie Spender müssen über die Spendeentnahme unddie damit zusammenhängenden Untersuchungensachkundig aufgeklärt werden. Die Einwilligung derSpende ist schriftlich festzuhalten. Darüber hinausmüssen die Spender auch darüber aufgeklärt werden,daß ihre persönlichen Daten zu bestimmten Zweckenerhoben und genutzt werden.

AufwandsentschädigungDas Transfusionsgesetz läßt die Zahlung einer Auf-wandsentschädigung anläßlich der Blut- und Plasma-spende zu. Eine echte Bezahlung ist grundsätzlichnicht erlaubt, weil der menschliche Körper nicht zueinem Handelsobjekt verkommen darf.

Spenderimmunisierung/Vorbehandlung zur Gewinnungvon BlutbestandteilenDas Transfusionsgesetz sieht einen rechtlichen Rah-men für diese ethisch und fachlich anspruchsvollenMethoden der Blut- und Plasmagewinnung vor. Dasdient vor allem dem Spenderschutz.

Spenderdokumentation und DatenschutzEs wird die Dokumentation von Spenderdaten vor al-lem zum Zwecke der Rückverfolgung und zur Risiko-vorsorge nach dem Arzneimittelgesetz vorgeschrie-ben. Es werden auch die Zwecke festgelegt, für die dieDaten genutzt werden dürfen. Der Datenschutz istzu beachten.

Chargenbezogene DokumentationZu den grundlegenden Anforderungen an eine ord-nungsgemäße Anwendung von Blutprodukten gehörtdie chargenbezogene Dokumentation der verwende-ten Blutprodukte. Dies dient vor allem dem Zweckder Durchführung von Rückverfolgungsmaßnahmen.Es müssen die Angaben zum Patienten, zum Präpa-rat, einschließlich Chargennummer, und zu seiner An-wendung dokumentiert werden. Die Dokumentationmuß mindestens 15 Jahre lang aufbewahrt werden.

UnterrichtspflichtenDie Einrichtungen der Krankenversorgung sind ver-pflichtet, im Fall des Verdachts einer schwerwiegen-den Nebenwirkung eines Blutproduktes sowohl denpharmazeutischen Unternehmer als auch die zustän-dige Bundesoberbehörde, das Paul-Ehrlich-Institut,zu unterrichten. Die Mitteilung an die Behörde mußMindestangaben zum Patienten enthalten, um einenAbgleich mit Daten anderer Meldesysteme zu ermög-lichen.

QualitätssicherungDie Einrichtungen der Krankenversorgung, die Blut-produkte anwenden, müssen ein Qualitätssicherungs-system zum 7. Juli 2000 einrichten. Die Grundlagendafür werden in Richtlinien der Bundesärztekammerund des Paul-Ehrlich-Instituts festgelegt.

RückverfolgungsverfahrenDas Gesetz legt Regeln zur Rückverfolgung im Falleeines begründeten Infektionsverdachts bei Spender,Produkt oder Patient fest. Diese Regelungen sind inVoten des Arbeitskreises Blut des Bundesministeri-ums für Gesundheit konkretisiert.

Epidemiologische DatenBestätigt positive Testergebnisse müssen jährlich inden Spendeeinrichtungen erhoben und der zuständi-gen Bundesoberbehörde mitgeteilt werden. Dies er-laubt eine zuverlässige Einschätzung der epidemiolo-gischen Situation in den Spenderkollektiven.

Arbeitskreis BlutDer Arbeitskreis Blut des Bundesministeriums fürGesundheit ist auf eine gesetzliche Grundlage gestelltworden. Seine Aufgaben sind: Mitwirkung bei Ver-ordnungen nach dem Transfusionsgesetz, Beratungder zuständigen Behörden des Bundes und der Län-der, rasches Reagieren auf aktuelle (Risiko-)Entwick-lungen.

Änderung des ArzneimittelrechtsDie wichtigsten Änderungen sind:

differenzierte Sachkunderegelung für Herstellungs-und Kontrolleiter je nach Blutproduktgesetzliche Klarstellung der Zulässigkeit der Ab-gabe von Blutgerinnungspräparaten durch den hä-mostaseologisch qualifizierten Arzt an seine Pa-tienten im- Rahmen der ärztlich kontrolliertenSelbstbehandlung von Bluternsogenannte kleine Herstellungserlaubnis bei auto-logen Blutzubereitungen (Herstellungs- und Kon-trolleiter in einer Person)chargenbezogene Dokumentation der Blutpro-dukte beim pharmazeutischen Unternehmer,Großhändler und in der Apotheke.

Selbstversorgung mit Blut und PlasmaDas Transfusionsgesetz enthält folgende Regelungenzur Förderung der Selbstversorgung:

Erhebung von Daten für eine zuverlässige Ein-schätzung des Grades der Selbstversorgung (Koor-diniertes Meldewesen)Vorschriften zur Qualitätssicherung der Anwen-dung von Blutprodukten, die auch zu einem ratio-nalen und sparsamen Gebrauch beitragen sollenFörderung der Aufklärung der Bevölkerung überdie Blut- und Plasmaspende durch Bund und Län-derZulässigkeit der Entschädigung für den Aufwand,den der Spender anläßlich der Blut- und Plasma-spende hatRegelungen zur Spenderimmunisierung, die dieGewinnung von Hyperimmunplasma erlauben.

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Indikation und Anwendung von rekombinanten Gerinnungsfaktoren(Faktoren Vlla, VIII, IX)

Klaus Lechner

Universitätsklinik Wien, Innere Medizin I, Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie, Wien (Österreich)

Die Herstellung rekombinanter Faktor VIII-Konzen-trate wurde möglich durch Aufklärung der Strukturdes Faktor VIII-Gens und der In-vitro-Expressionvon humanem Faktor VIII in Gewebekulturen durchzwei unabhängige Gruppen in 1984. Die ersten klini-schen Studien mit rekombinantem Faktor VIII be-gannen 1988. Es stehen derzeit drei rekombinanteFaktor VIII-Konzentrate zur Verfügung, die sich inder Art der Herstellung wesentlich voneinander un-terscheiden. Zwei Produkte (Kogenate und Recombi-nate) enthalten einen Faktor VIII, der dem natür-lichen Faktor VIII entspricht, während ein Zweitge-nerationspräparat (Refacto) ein verkürztes FaktorVIII-Molekül (ohne die mittlere B-Domäne) enthält.Die drei Präparate unterscheiden sich bezüglich derPharmakokinetik und der klinischen Wirksamkeitnicht von Faktor VIII-Plasmakonzentraten und von-einander. Die gentechnologisch hergestellten FaktorVIII-Konzentrate haben die Hoffnung einer vollkom-menen Virussicherheit bisher erfüllt, allerdings ent-halten noch zwei Konzentrate Humanalbumin, sodaß theoretisch die Möglichkeit einer Virusübertra-gung noch gegeben ist. Die Präparate sind ausge-zeichnet verträglich und gelegentlich auftretendeAntikörper gegen Tierprotein haben sich als klinischirrelevant erwiesen. Das Risiko der Antikörperbil-dung ist global nach rekombinanten Konzentratengleich hoch wie nach Plasmakonzentraten, allerdingsist der relative Anteil der niedrigtitrigen und transien-

ten Antikörper bei rekombinanten Konzentraten hö-her. Die klinischen Studien mit rekombinantem Fak-tor IX begannen 1995, das Präparat (Benefix) erwiessich als gut verträglich und bei der Untersuchung derPharmakokinetik zeigte sich, daß die Recovery desrekombinanten Faktor IX etwa 30 % geringer ist imVergleich zu Plasmafaktor IX. Die Halbwertszeit istjedoch identisch. Bei Studien bei vorbehandelten undnicht vorbehandelten Patienten hat sich gezeigt, daßdas Präparat in seiner klinischen Wirksamkeit iden-tisch dem Plasmafaktor IX und absolut virussicherist. Eine Antikörperbildung wurde bisher bei zwei Pa-tienten beobachtet (allerdings auch bei einem schonvorbehandelten Patienten). Thromboembolische Kom-plikationen wurden bisher nicht beobachtet. Rekom-binanter Faktor VII wird in Babyhamster kidney cellsals einkettige Form sezerniert und wird während derReinigung zu Faktor VIIa aktiviert. RekombinanterFaktor VIIa wird zur Behandlung von Patienten mitInhibitoren gegen Faktor VIII (und IX) verwendetund erwies sich in klinischen Studien als sehr wirk-sam. Infolge der kurzen Halbwertszeit von FaktorVIIa muß die Einzeldosis (90 µg/kg) alle 2-3 Stundenverabreicht werden. Die Vorteile dieses Präparates ge-genüber aktivierten Prothrombinkomplexpräparatensind die komplette Virussicherheit, die geringereWahrscheinlichkeit von thromboembolischen Kom-plikationen und die fehlende Stimulierung des FaktorVIII-Antikörpertiters. Der Nachteil besteht im sehrhohen Preis.

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Antithrombin III in der Therapie von Patientenmit Sepsis und septischem Schock

Wolfgang Schramm

Klinikum Innenstadt der Ludwig-Maximilian-Universität, Medizinische Klinik, München

Über lange Zeit wurde die systemische Sepsis als di-rekte Folge einer Überflutung des Organismus mit

Nach heutigem Verständnis kommt sowohl bakteriel-

Edotoxinen und körpereigenen Zytokinen, vor allemlen Partikeln wie auch endogenen Zytokinen lediglichdie Funktion eines Auslösers zu. Der weitere Verlauf

Tumor-Nekrose-Faktor alpha (TNFa) und Interleu- des septischen Prozesses. vor allem aber die Entwick-kin 1 beta (IL-1 ß), gesehen. Doch zeigten die Ergeb-nisse klinischer Studien mit monoklonalen Antikör-

lung eines progredienten Organversagens, ist von an-deren, nachgeschalteten Mechanismen des endogenen

pern gegen diese Stoffe keinen klinischen Nutzen. Entzündungssystems abhängig. Hier wird zunehmend

Arzneim.-Forsch./Drug Res. 49 (1), Nr. 2 (1999)Lechner/Schramm - Therapie mit Blutprodukten 161

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eine unkontrollierte Aktivierung des Gerinnungssy-tems in der Mikrozirkulation der Organe diskutiert[l]. Der septische Prozess führt zu einer fortdauern-den, endogenen Aktivierung des Gerinnungssystems,so daß sich das körpereigene Kontrollpotential (ins-besondere Antithrombin III (AT III) allmählich er-schöpft und ein gerinnungsspezifischer Circulus vitio-sus entsteht. Die Gefahr wird am eindrucksvollstendadurch dokumentiert, daß der Abfall der AT III-Aktivität eng mit der Letalität der Patienten korre-liert. Ein Abfall unter 50 % der Norm prognostiziertden späteren Tod des Patienten mit einer Sensitivitätvon 95 % und einer Spezifität von 76 % (p < 0,001)[2] .AT III gilt als der wichtigste physiologische Regulatorder Blutgerinnung, da er die Gerinnung auf mehrerenEbenen zu inhibieren vermag. Neben der Gerin-nungsendstrecke (Faktor (F) Xa, Thrombin) inhibiertAT III auch den intrinsischen (F XIa, F IXa) undden extrinsischen (an Gewebethromboplastin gebun-denen F VIIa) Schenkel der Gerinnung [3].Bei Patienten mit Sepsis wurde die Indikation zumEinsatz von AT III über lange Jahre hinweg vorwie-gend unter gerinnungsspezifischen Gesichtspunktengestellt. Zahlreiche klinische Studien belegen den the-rapeutischen Nutzen von AT III in der Therapie undProphylaxe der Verbraucherkoagulopathie bei diesenPatienten.Neuere präklinische Untersuchungen legen jedochden Schluß nahe, daß sich der therapeutische Nutzenvon AT III nicht allein auf seine gerinnungshemmen-den Eigenschaften beschränkt. ATIII scheint einenzusätzlichen anti-inflammatorischen Wirkmechanis-mus zu besitzen.Eine Erklärung für das anti-inflammatorische Poten-tial von AT III könnten Erkenntnisse zur AT III-Endothel-Interaktiion in der Mikrozirkulation derOrgane liefern. Es wurde sowohl in vitro als auch imRattenmodell gezeigt, daß die Bindung von AT III anGlykosaminoglykane das Gefäßendothels (über dasHeparin-bindende Zentrum) zur unmittelbaren Frei-setzung von Prostazyklinen (PGl 2) führte.Die Freisetzung von PG12 hatte verschiedene eindeu-tig anti-inflammatorische Reaktionen zur Folge:PG12 reduzierte die Freisetzung von Sauerstoffradi-kalen aus Zytokin/Endotoxin-aktivierten Neutrophi-len, es verminderte die Freisetzung von TNFa ausZytokin/Endotoxin-aktivierten Monozyten undsetzte die Aggregabilität von Thrombozyten in derMikrozirkulation herab. Hierdurch verbesserte sichnicht zuletzt die Sauerstoffversorgung der Organe[4-6].In einem weiteren Modell konnte gezeigt werden, daßAT III das durch Thrombin induzierte ,,rolling“ vonLeukozyten sowie deren Adhäsion ans Gefäßendo-the1 verhindern kann. Als Folge daraus wurde die Re-krutierung von Leukozyten sowie die Extravasationreduziert [7]:Wenn AT III einen anti-inflammatorischen Effektauslöst, müßte die Praxis der AT III Therapie seineInteraktion mit dem Endothel berücksichtigen. Diepostulierte Bindung von AT III an die Glykosamino-glykane des Endothels vollzieht sich über dessen He-parin-bindendes Zentrum. Das anti-inflammatorischePotential von AT III wird durch gleichzeitige Gabevon Heparin aufgehoben, da Heparin das Heparin-bindende Zentrum blockiert und damit die Interak-tion von AT III mit dem Endothel unterbindet. Da-her ist in der Therapie der Sepsis mit AT III die

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gleichzeitige Gabe von Heparin nur in prophylakti-scher Dosierung indiziert.Um eine gültige Antwort für das Vorgehen in Zu-kunft zu geben, wurde eine Reihe von klinischen Stu-dien der Phase II an Patienten mit schwerer Sepsisdurchgeführt. Alle drei Studien waren multizentrisch,prospektiv, randomisiert, doppelblind und Plazebo-kontrolliert. Die Definition der Patientenpopulationorientierte sich an den anerkannten Kriterien vonBone [8]. Primäre Zielgröße aller drei Studien war dasÜberleben bis Tag 30.AT III wurde über 5-7 Tage verabreicht. Die Bolus-gabe lag bei 3000 bzw. 6000 IE AT III, die Gesamtdo-sierung lag zwischen 18 000 und über 30 000 IE ATIIIIn allen drei Studien war die 30-Tage-Sterblichkeit inder Primäranalyse (,,Intention-to treat“ Population)in der AT III-Gruppe geringer im Vergleich zur Pla-zebo-Gruppe. Die Resultate waren aufgrund der klei-nen Fallzahlen (35-45 Patienten) statistisch nicht si-gnifikant.Die Ergebnisse dieser drei klinischen Prüfungen gin-gen in eine Metaanalyse ein und stellten die Auswer-tung auf eine breitere Patientenbasis [9]. Die Meta-analyse umfaßte 122 Patienten (AT III 60; Plazebo62). Die Verteilung der Patienten unter der Berück-sichtigung des Schweregrades ihrer Erkrankung(APACHE II und SAPS) sowie weiterer demographi-scher Charakteristika war in beiden Gruppen ver-gleichbar. Primäres Zielkriterium der Metaanalysewar die 28-Tage-Sterblichkeit. Während 45% der mitPlazebo behandelten Patienten innerhalb von 28 Ta-gen verstarben, trat der Tod bei den mit AT III be-handelten Patienten in diesem Zeitraum nur in 35 %der Fälle ein. Dies entspricht einer relativen Senkungder 24-Tage-Letalität um 22.5 % (nicht signifikant).Des weiteren wurde eine pharmakokinetische Studiemit AT III in Patienten mit schwerer Sepsis durchge-führt. Zum einen sollte die Pharmakokinetik zweierverschiedenen Therapieschemata mit AT III bei Pa-tienten mit schwerer Sepsis charakterisiert werden.Zum anderen sollten die beiden Hochdosis-Therapie-Schemata daraufhin untersucht werden, ob die funk-tionellen AT III-Plasmaspiegel von niedrigen Aus-gangswerten auf über 120 % angehoben werden undüber mindestens 4 Tage auf dem erhöhten Spiegel ge-halten werden können.Die Studie war offen, randomisiert kontrolliert undmultinational angelegt. Die Patienten erhielten ran-domisiert eine von zwei Hochdosisbehandlungen(30 000 IE AT III über 4 Tage) beginnend mit einemBolus über 6000 IE dann entweder 6000 IE/Tag alsDauerinfusion oder als intermittierende intravenöseBolusinfusionen. Die 28-Tage-Gesamtletalität betrug30 %, die mit dem SAPS II-Score vor Therapiebeginnvorhergesagte 28-Tage-Gesamtletalität betrug 45 %.Damit wurden die Ergebnisse der Metaanalyse unter-mauert.Bei beiden Therapieschemata erhöhten sich die ATIII-Plasmaspiegel gegenüber den niedrigen Ausgangs-werten auf über 120 % (median 200 %) und bliebenbei diesen Werten bis zum Ende der Behandlungs-phase von 4 Tagen. Die mittlere Eliminationshalb-wertszeit bei Patienten mit schwerer Sepsis (vergleich-bar bei beiden Dosierungsschemata war etwas kürzerals bei gesunden Freiwilligen (18.9 vs. 21,7 Stunden.Außerdem wurde die Dauerinfusion im Hinblick aufdie Praktikabilität von den Untersuchern leicht be-vorzugt.

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Aufgrund der Ergebnisse der bisher durchgeführtenPhase II-Studien wurde eine Phase III-Studie geplant,um die Wirksamkeit von AT III bei Patienten mitschwerer Sepsis in Form einer Senkung der 28=Tage-Letalität statistisch signifikant zu belegen. DasDesign der Studie ist prospektiv, multinational, dop-pelblind, randomisiert und plazebo-kontrolliert. Essollen 2300 auswertbare Patienten mit schwerer Sep-sis aus 200 Zentren in Europa, Südafrika, Israel,USA, Brasilien, Australien und Neuseeland in dieStudie eingeschlossen werden. Das primäre Studien-ziel ist die Senkung der 28-Tage-Gesamtletalität. Wiein allen vorangegangenen Studien soll auch die Si-cherheit von AT III vs. Plazebo bei Patienten mitschwerer Sepsis untersucht werden. Die Dosierungrichtet sich nach der Hochdosistherapie der Pharma-kokinetikstudie mit der von den Prüfern bevorzugtenDauerinfusion (Gesamtdosis 30 000 IE. 6000 IE alsBolus + 6000 IE/Tag für 4 Tage). Die Einschlußkrite-rien orientieren sich wie bei den Vorgängerstudien anden Kriterien von Bone [8].Die Studie verläuft bisher nach Plan. Das Designwurde von den wichtigsten Behörden (z. B. FDA undMCA) akzeptiert. Der erste Patient wurde wie ge-

plant eingeschlossen, die Rekrutierung verläuft vor-aussichtlich bis Ende 1999. Die erste Zwischenaus-wertung ist in Vorbereitung und nach drei Sicher-heitsauswertungen von einem unabhängigen Gre-mium (Data and Safety Monitoring Board) bestehenkeine Sicherheitsbedenken. Bisher wurden mehr als1000 Patienten aus über 150 aktiven Zentren welt-weit rekrutiert.

Literatur[l] Thijs, L. G. et al., Intensive Care Med. 19, 8 (1993)[2] Fourrier, F. et al., Chest 101, 816 (1992)[3] Rao, L. V. M. et al., Blood 85, 121 (1995)[4] Yamanouchi, T. et al., Biochem. Biophys. Res.Comm. 163, 1404 (1989)[5] Horie, S. et al., Thromb. Res. 59, 895 (1990)[6] Okajimna, K. et al., in: J. L. Vincent (ed.), Yearbookof Intensive Care and Emergency Medicine, p. 457(1995)[7] Ostrovsky, L. et al., Circulation 96, 7 (1997)[8] Bone, R. C., Hosp. Pract. 26, 101 (1991)[9] Eisele, B. et al., Intensive Care Med. 24 (1998)

Arzneim.-Forsch./Drug Res. 49 (1), NPeake - Therapie mit Blutprodukten

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Current Status of Gene Therapy in Haemophilia A and B

lan Peake

Division of Molecular and Genetic Medicine, University of Sheffield, Royal Hallamshire Hospital, Sheffield (Great Britain)

The cloning and expression of the factor IX (FIX)and factor VIII (FVIII) genes was reported in the1980’s and a cure for haemophilia B and A by genetherapy then became a possibility. In spite of consid-erable hurdles still to be overcome this goal is stillattainable. In this short review I shall summarise theimportant advances that have been made, particularlyin gene delivery technology.Gene delivery vectors can be divided into viral andnon-viral based constructs. The most popular havebeen those based on viruses, in particular retro-viruses, adenoviruses and more recently adeno-associ-ated viruses (parvo-viruses). Non viral based con-structs have, in the main, proved to be inefficient.Most retroviral based constructs have been based onamphotrophic murine leukaemia viruses (MLV). Al-though retrovirus based vectors have the advantageof stably transducing cells by genomic integration,drawbacks and limitations include a requirement forcell division, a size limitation on the incorporatedgene (cDNA) of < 7.0 kb, low viral stock titres andassociated difficulties in concentration for productionpurposes and inefficient cell targeting. There is also aconcern that the integrated Vector could lead to theinappropriate expression of other gene(s) to producea disease state.

Adenoviral based vectors have no cell division re-quirement for transduction and do not result in gen-omic integration. However they are pathogenic andcan lead to cell death. Even so high copy numberscan be transduced into cells resulting in high levels oftransient gene expression. Restrictions to insert sizealso apply(maximum 8.0 kb).Adeno-associated viruses (AAV) based vectors haverecently been introduced. These are based on a non-pathogenic (in humans) Virus, do not require recipientcell division for transduction and, in the wild type,integrate into human chromosome 19. AAVs havebeen described as a defected parasite, requiring ahelper Virus (adenovirus) for a normal life cycle. TheAAV has a broad host range, but the helper Virus isspecies specific.DNA in the form of plasmids can by used to tranfectcells. This process of endocytosis is however ineffi-cient, although it can be enhanced by forming com-plexes with other Proteins (e.g. polylysine) which al-lows the DNA to be condensed and stabilised [1]. TheContents of the endosome are also rapidly destroyedby the action of lysozymal enzymes, although thisprocess can be reduced to some extent by the incor-poration of a replication defective adenoviral particle.

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In vitro and in vivo experiments have shown thatmost cells, once transduced with the FIX or FVIIIcDNA will produce and release biologically activeclotting factor. However the introduction of the com-plete FVIII cDNA into the viral based vectors is notpossible in most cases because of insert size limita-tions. A shortened FVIII cDNA, lacking the regionencoding the B domain (del B FVIII) has been suc-cessfully used and the recombinant equivalent of thismolecule has been shown to be clinically effective intreating haemophilia A [2]. Most cells appear to beable to undertake the post translational modificationsnecessary to produce FVIII and FIX with normalbiological activity. However, it is also apparent thatcertain tissues are less efficient than others in releas-ing the clotting factor into the blood, e.g. FVIII re-lease from muscle is poor [3].Gene therapy can be performed using either ex vivoor in vivo approaches. The latter procedure is natur-ally more convenient, but because of the requirementfor active cell division to allow successful retroviraltransduction, the former procedure was used for mostof the initial experiments. Once fibroblasts from bothnormal and haemophilic dogs had been shown toproduce in vitro biologically active FIX after trans-duction with a retroviral construct containing thecanine FIX gene [4], a series of publications, reviewedby Thompson [5], appeared in which a variety of celltypes were transduced and shown to produce FIXboth in culture and after re-transplantation. Thelevels seen in vivo were however very low, often theywere transient and many of the experiments involvedcross-species studies in which allo-antibody produc-tion only served to complicate the results. Switchingoff of the promoter sequence used to drive FIX pro-duction (often a promoter sequence from human cy-tomegalovirus) was also noted. These studies were,however, enough to encourage Hsueh and colleaguesin Shanghai, PR of China to perform the, as yet, onlyhuman gene therapy experiment in two brothers withmild/moderate haemophilia B (2.0 % FIX) [6]. Auto-logous skin fibroblasts were obtained from each indi-vidual and were genetically modified ex vivo by retro-viral mediated gene transfer of the human FIX gene.After in vitro studies had demonstrated FIX produc-tion, the cells were mixed with Collagen and injectedback into the donor subcutaneously. A series of suchinjections were performed over a period of 2.5 years.A doubling of the plasma FIX levels was seen in bothboys and an improvement in Clinical Symptoms wasreported for up to 420 days. These studies have yet tobe confirmed.The initial in vivo gene therapy experiments in largeanimals were performed on a colony of haemophiliaB dogs. Experiments were performed on partiallyhepatectomised (to induce hepatocyte cell divisionand so allow for retroviral transduction of the hepa-tocytes) severely affected haemophilia B dogs [7].They were injected via the hepatic portal vein with aretroviral based construct containing the canine FIXcDNA. About 1 % of the liver cells were transducedand prolonged FIX expression was reported, but atsub-clinical plasma levels (about 0.1 %). This washowever sufficient to reduce the whole blood clottingtime significantly. In a second series of experimentsan adenoviral based vector was used (partial hepa-tectomy was not necessary) [8]. A 25 % cellular trans-duction rate was achieved, resulting in rapid haemo-philia cure (300 % FIX). However this was short last-

ing and levels had fallen to < 1.O % after 3 weeks.This experiment could not be repeated in the samedogs since they had produced antibodies to adenovi-ral antigens expressed by the FIX Vector. These twoseries of experiments served to highlight the essentialproblems with such vectors: low expression with re-troviral Systems and transient expression with aden-oviral systems which could not be repeated.Most of the early studies utilised FIX cDNA for tworeasons; the size of the cDNA (1.8 kb) and thestability of the FIX product. Because of the size con-striction noted above for viral vectors, a truncatedFVIII cDNA has been used in FVIII gene therapystudies. However there are DNA sequences within theFVIII cDNA which appear to limit the ability to pro-duce high titre retroviral FVIII cDNA preparations[9], and sequences are also present in the FVIIIcDNA which impair release of FVIII from transdu-ced cells by binding it to intracellular molecules, inparticular BiP [10]. It has been shown that mutantFVIII F309S shows increased cellular release presum-ably resulting from reduced intracellular binding [ 11].Attempts have been made to overcome manv of theproblems highlighted in the initial experiments Theseinclude the inclusion of better tissue specific pro-moters, the pseudotyping of retro- and adenovirusesto improve cell targeting and efficiency and theblocking of the immune response seen with adenovi-ral vectors.The Tissue specific promoters have been isolated for sev-eral tissues including the albumin gene promoter(liver) [ 12], the beta-actin promoter plus the musclecreatine kinase enhancer sequence (muscle) [ 12] andthe keratin 14 promoter (skin) [13]. Dwarki et al. in1995 [14] reported a significant advance with a retro-viral based MFG vector system and the human delB FVIII cDNA. This vector permitted the efficienttransduction of the majority of primary cells in cul-ture and high levels of FVIII were produced. Follow-ing transplantation of primary fibroblasts into micetherapeutic levels of FVIII were seen in plasma for> 7 days. Greengard and colleagues have recently re-ported sustained high level FVIII expression in im-munocompetent rabbits and dogs following peri-pheral intravenous injection of another retroviral ba-sed vector [15]. In several rabbits therapeutic levels ofFVIII were present after 400 days. Wang and col-leagues have used myoblast gene transfer to demon-strate the efficacy of a plasmid based vector based ona retroviral frame [16]. A construct containing a hu-man FIX mini-gene under the control of the beta ac-tin promoter and MCK enhancers was used to trans-duce isolated myoblasts which were then transplantedback into the recipient. Long term expression of lowlevels of FIX was observed.Most retroviruses will only transduce dividing cells.However the human immunodeficiency lentivirus(HIV) will transduce cells blocked in cell cycle andterminally differentiated. Verma and colleagues [17]have recently shown that lentiviruses pseudotypedwith vesicular stomatitis virus G glycoprotein willtransduce a broad range of tissues and cell types, andcan introduce genes directly into liver and muscle.Progress with adenoviral based vectors has focusedon the immunological problems seen [18]. Immuno-suppresive drugs can be used but this approach wouldprobably be unacceptable in a haemophilic who maybe already immunocompromised. Removal of furtheradenoviral genes from the Vector construct can im-

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prove the Situation (gutted viruses). Connelly and as-sociates [19] have recently reported on the use of anadenoviral based human del B FVIII cDNA vectorwhich gives, following intravenous injection, highlevels of human FVIII in normal and haemophilia Amice and in FVIII deficient dogs. This response was,however again only transitory in the dog, due to crossspecies anti human FVIII antibody production. Therecent cloning of the canine FVIII gene will providea much better model for these dog studies [20].The most exciting developments in the field of viralvectors appear to be those concerning the use of AAVbased vectors. They have been shown to readily trans-duce both dividing and non-dividing cells and to benon-pathogenic in humans. Although their prepara-tion is complicated and contamination with patho-genic helper adenovirus is still a possibility, encour-aging result have been seen. Herzog and colleagues[21] have shown stable gene transfer and expression ofhuman FIX in immunocompromised mice followingdirect muscle injection of an AAV based human FIXcDNA Vector. Similar expression in liver has alsobeen reported following hepatic portal vein injectionby Snyder and colleagues [22]. Monahan and col-leagues have now reported sustained expression ofFIX in a dog model of haemophilia B following directintramuscular injection of a recombinant AAV Vectorcarrying the human FIX cDNA [23].Immunology still has a significant role to play, notonly in understanding and controlling the immunolo-gical responses seen in particular with adenoviralbased Systems, but in anticipating problems withinthe patients themselves when exposed to foreign anti-gens both within the transduced-cells and in the circu-lation. Our understanding of the immunology of in-hibitor production seen in up to 30 % of haemophiliaA patients is incomplete. Öther problems might in-clude the fact that up to 80 % of humans will have

[7] Kay, M. A., Rothenberg, S., Landen, C. N. et al., Invivo gene therapy of Hemophilia B: Sustained partialcorrection in factor IX-deficient dogs. Science 262, 117(1993)[8] Kay, M. A., Landen, C. N., Rothenberg, S. R. et al.,In vivo hepatic gene therapy: Complete albeit transientcorrection of factor IX deficiency in hemophilia B dogs.Proc. Natl. Acad. Sci. USA 91, 2353 (1994)

pre-existing antibodies to AAV

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Arzneim.-Forsch./Drug Res. 49 (1), Nr.Peake - Therapie mit Blutprodukten

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Therapie mit Fresh Frozen Plasma (FFP) statt Einzelfaktoren?

Marcel1 U. Heim

Universitätsklinikum Otto-von-Guericke, Institut für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie mit Blutbank,Magdeburg

Im FFP sind alle Stoffe des Humanplasmas, insbe-sondere die Gerinnungsfaktoren und deren Inhibito-ren enthalten und zwar je 1 Einheit pro Milliliter. Da-her können in den heute *üblicherweise nur 200 mlPlasma enthaltenden ,,FFP-Beuteln“ maximal 200Einheiten an Faktoren enthalten sein; eine Tatsache,die meist nicht beachtet wird. Da bei der perioperati-ven FFP-Gabe neben dem Ersatz von Gerinnungsfak-toren und Inhibitoren auch der gleichzeitige ,,physio-logische“ Volumenersatz als günstig betrachtet wird(,,da ist alles drin“), kommt diese Therapie auch beispezifischen Gerinnungsstörungen zum Einsatz.Demgegenüber fordern zurecht die Leitlinien zur Hä-motherapie der Bundesärztekammer (BÄK) als allei-nige Indikation zur FFP-Gabe die globale Gerin-nungsstörung. Streng genommen zeigen allerdingsviele Studien, daß das FFP als gerinnungsaktives Pro-dukt nur in seltenen Fällen indiziert ist und zudemseine hämostaseologische Wirkung meist maßlosüberschätzt wird (,,Hämotherapie nach Maß!“). Beivergleichenden Untersuchungen zwischen FFP undreinen Volumenersatzlösungen (Albumin oder Kol-loide) lassen sich i.d. R. bei den Patienten keine Un-terschiede für den klinischen Nutzen nachweisen, sodaß bis auf wenige Ausnahmen dem reinen Volumen-ersatz der Vorzug gegeben werden sollte. Außerdem

konnte in zahlreichen Studien gezeigt werden, daßselbst bei massiven Blutverlusten mit hohem Substi-tutionsbedarf an Erythrozyten durch eine strengenormovolämische Substitution das Auftreten von Ge-rinnungsstörungen verhindert werden kann. Nachden Erfahrungen beim therapeutischen Plasmaaus-tausch läßt sich zudem zeigen, daß das Ausmaß einerintraoperativen Verdünnungskoagulopathie von denÄrzten häufig übertrieben eingeschätzt wird. Interes-santerweise verzichten auch einzelne Transplanta-tionszentren bei Patienten mit Leberversagen trotzstark eingeschränkter Syntheseleistung an Gerin-nungsfaktoren auf die intraoperative Gabe von FFPohne erkennbare Nachteile für ihre Patienten.Die spezifischen Gerinnungsfaktorenkonzentrate sindnach derzeitigem Kenntnisstand nicht nur zumindestmit dem FFP vergleichbar frei von möglichen Infek-tionserregern, sondern können auch perioperativohne Volumenbelastung die notwendige Menge anGerinnungsfaktoren und Inhibitoren ersetzen. Nichtzuletzt stünde jedes in den Kliniken nicht mißbräuch-lich verwendete FFP für die industrielle Fraktionie-rung von Gerinnungsfaktoren- und Inhibitorkonzen-traten zur Verfügung, wodurch auch der Import aus-ländischen Plasmas entlastet werden könnte (,,Natio-nale Selbstversorgung“).

166 Arzneim.-Forsch./Drug Res. 49 (1), Nr. 2 (1999)Heim/Wahn - Therapie mit Blutprodukten

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Therapie mit polyvalenten Immunglobulinen

Volker Wahn

Universitätskinderklinik, Düsseldorf

Immunglobuline sind die Effektormoleküle der spezi-fischen humoralen Immunität. Sie werden von Plas-mazellen sezerniert, welche sich im Zuge eines kom-plizierten Differenzierungsvorganges aus B-Vorläu-ferzellen entwickeln. Jeder Mensch bildet im Laufeseines Lebens eine große Zahl verschiedener Antikör-per, die dann durch geeignete technologische Verfah-ren aus Blutplasma gereinigt und konzentriert werdenkönnen. Durch Bildung von Spenderpools wird er-reicht, daß in einem Immunglobulinkonzentrat Anti-körper gegen praktisch alle vorkommenden Viren und

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Bakterien vorhanden sind, insbesondere dann, wenndie Pools von einheimischen Spendern gewonnenwurden. Derzeit verfügbare Konzentrate enthaltenpraktisch nur Immunglobulin G (IgG)-Antikörper,die das Produkt einer humoralen Sekundärantwortauf ein Antigen repräsentieren. Physiologischerweisesind solche IgG-Antikörper verantwortlich für blei-bende humorale Immunität.Die Hauptfunktionen des IgG-Moleküls lassen sichden wichtigsten Strukturen zuordnen: Über dasF(ab)2-Fragment (ab = Antigen-Bindung) werden

Arzneim.-Forsch.Heim/Wahn

/Drug Res.- Therapie

49 (1), Nr. 2 ( 1999)mit Blutprodukten

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Neutralisation, Agglutination und Präzipitation vonFremdantigenen vermittelt, über das FC-Fragment( c = constant, crystallizable) die Komplementaktivie-rung und die Bindung an Fc-Rezeptoren. Letztere haterhebliche Bedeutung für die immunmodulatorischePotenz der Präparate.Entsprechend ihren Funktionen können polyvalenteImmunglobulinpräparate (IVIG) mit zwei Hauptziel-setzungen klinisch eingesetzt werden: Substitutionfehlender Antikörper und Modulation bestimmterimmunpathologischer Prozesse.Antikörpermangel kann im menschlichen Organis-mus aus zwei Gründen vorliegen:1. Der Organismus ist zwar immunkompetent, hat

aber noch keinen Antigenkontakt gehabt. Ein Bei-spiel für ‘die Anwendung von IVIG in einer sol-chen Situation ist die passive Immunprophylaxegegen Hepatitis A, z. B. bei Touristen.

2. Der Organismus ist für humorale spezifische Im-munreaktionen absolut oder relativ inkompetent.Beispiele sind das primäre Antikörpermangelsyn-drom oder der relative Antikörpermangel beiHIV-Infektion.

Während zur Substitution von Antikörpern ver-gleichsweise niedrige Dosierungen erforderlich sind(meist 300-400 mg/kg KG/Monat), werden für dieImmunmodulation Dosierungen von bis zu 2 g/kgKG benötigt.Bei einigen Erkrankungen ist eine klinische Wirkungin Plazebo-kontrollierten Studien zweifelsfrei belegt.Dabei gibt es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht ei-nen Mechanismus, über den die Immunglobuline wir-ken3 sondern mehrere. Am Beispiel der Immunthrom-bopenie werden einige der experimentell überprüftenMechanismen erläutert.Hochdosiertes IVIG (HDIVIG) ist inzwischen bei ei-ner sehr großen Zahl von Erkrankungen erprobt wor-

den, bei denen pathogenetisch Immunprozesse ver-mutet werden. Bei relativ wenigen Erkrankungen lie-gen Plazebo-kontrollierte Studien vor. In einigen Stu-dien wurden unbehandelte Kontrollgruppen mit ana-lysiert, oder aber Dosis-Wirkungs-Beziehungen un-tersucht. Überwiegend liegen aber offene Studienoder anekdotische Fallmitteilungen vor, die eine Wir-kung vermuten lassen, aber nicht belegen. Einige derPublikationen beziehen sich dabei auf derart selteneErkrankungen, daß hier der Ruf nach Plazebo-Stu-dien unsinnig wäre. So erfolgt die Therapie auf derBasis von trial and error, was insbesondere in der Pä-diatrie legitim erscheint, ist doch die Verträglichkeitder Immunglobuline erfahrungsgemäß gut. Bei häufi-geren Erkrankungen bleibt zu hoffen, daß in Zukunftqualitativ bessere und aussagekräftigere Studien fol-gen werden.Bisher wurde HDIVIG in folgenden Bereichen derMedizin eingesetzt:

hämatologische Erkrankungenrheumatische Erkrankungen Vaskulitidenneurologische Erkrankungenallergische Erkrankungenwenige andere.

Ein Expertenkommittee der Arbeitsgemeinschaft fürPädiatrische Immunologie (API) hat versucht, denvorliegenden Datenbestand bei pädiatrischen Erkran-kungen zu sichten und zu bewerten. Die Ergebnissedieser Diskussionen werden vorgestellt. Bei der Be-wertung sind die Autoren davon ausgegangen, daßdie derzeit auf dem Markt befindlichen Präparatehöchsten Sicherheitsanforderungen insbesondere imHinblick auf Virussicherheit genügen. Sollten Fällevon Übertragungen etwa von Hepatitis C über dieImmunglobuline nachgewiesen werden, müßte eineNeubewertung der Nutzen/Risiko-Relation vorge-nommen werden.

Arzneim.-Forsch./Drug Res. 49 (1), Nr. 2 (1Szucs et al. - Therapie mit Blutprodukten

999)167

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Sozioökonomische Evaluation der Therapie mit Blut- und Plasmaproduktenam Beispiel der Hämophilie

Thomas Szucs und Wolfgang Schramm

Klinikum Innenstadt der Ludwig-Maximilians-Universität, Medizinische Klinik, München

Einleitung des Arzneimittelbudgets geprüft werden. Die Bedeu-In den letzten Jahrzehnten konnten durch eine, denBedürfnissen des Patienten angepaßte Substitutions-therapie eine durchschnittliche Lebenserwartung beihämophilen Patienten erzielt werden. Auch die so-ziale und berufliche Integration und die Lebensquali-tät konnte entscheidend verbessert werden. Vor demHintergrund der stetig wachsenden Ausgaben im Ge-sundheitswesen, müssen Therapiekonzepte zuneh-mend im Hinblick auf die wirtschaftliche Belastung

tung einer ökonomischen Untersuchung der Hämo-philiebehandlung wird besonders deutlich, berechnetman den jährlichen Faktorverbrauch in Deutschland.Eine Hochrechnung aufgrund der Konsensusempfeh-lung zur Substitutionstherapie der Hämophilie von1993 ergab einen geschätzten Verbrauch an FaktorVIII von 200 Millionen Einheiten pro Jahr. Eine Ein-heit Faktor VIII kostet ca. 1 DM. Im Rahmen einerökonomischen Evaluation werden verschiedene The-

Arzneim.-Forsch./Drug Res. 49 (1), Nr. 2 (1999)Szucs et al. - Therapie mit Blutprodukten 167

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rapieschemata entsprechend ihrem Nutzen und ihrenKosten miteinander verglichen. Ziel dieser Studie wardie wirtschaftlichen Aspekte der Hämophiliebehand-lung, die Nutzwertfunktionen und die Lebensqualitäthämophiler Patienten erstmals in einer großangeleg-ten Europäischen Studie zu untersuchen.

FragestellungFolgende Fragen wurden in unserer Münchner Pilot-studie zur sozioökonomischen Analyse der Hämophi-lie untersucht: 1. Was läßt sich über die sozioöko-nomischen Kosten und den sozioökonomischen Nut-zen unterschiedlicher Therapieschemata aussagen? 2.Wie hoch ist der Ressourcenverbrauch bei diesen Pa-tienten? 3. Was kann über die Nutzwertfunktion beiHämophilen ausgesagt werden? 4. Welchen Einflußhat die Therapie auf die Lebensqualität?

MethodeIn einer retrospektiven Kohortenstudie wurden kon-sekutive Patienten mit schwerer oder mittelschwererHämophilie A oder B erfaßt, die im Hämophiliezen-trum behandelt und betreut werden. Folgende Para-meter wurden bei allen Patienten erhoben: Demogra-phie und sozialer Status (Arbeitsverhältnis währendder letzten sechs Monate, das monatliche Bruttoein-kommen und die Erwerbsquote), Substitutionstyp(Behandlung bei Bedarf, Prophylaxe und modifizierteProphylaxe), Status der mit den Gerinnungsfaktorenübertragenen Erkrankungen, physischer Status derGelenke, Lebensqualität mittels SF-36 Instrument,individuellen Nutzwerte (Utility) nach Torrance, Res-sourcenverbrauch (Arztbesuche, Hospitalisationen,Faktorverbrauch), Länge der Arbeitsunfähigkeit auf-grund der Hämophilie.

ErgebnisseIn der vorliegenden Studie wurden total 1042 Patien-ten untersucht. Insgesamt wurden 338 (33 %) der Pa-tienten mit prophylaktischer Therapie behandelt, wo-gegen fast zwei Drittel (674 Patienten) eine Therapiebei Bedarf erhielten. Das durchschnittliche Alter derPatienten betrug 34.7 ± 13.8 Jahre das Gewicht 72.1± 15.6 kg. Insgesamt 83 % der Patienten litten untereiner Hämophilie A, 31 % waren HIV positive und

8 % litten unter einer symptomatischen AIDS-Infek-tion, Der überwiegende Anteil der Patienten (82 %)hatten eine schwere Hämophilie mit Faktor VIII-Ak-tivität unter 2 %. Bei 16 % lag eine mittelschwere Hä-mophilie vor. Bezüglich der Erwerbsquote fanden wirkeine Unterschiede zwischen Patienten mit prophy-laktischer Therapie und solchen, welche bei Bedarfbehandelt wurde. Hingegen wiesen die prophylaktischbehandelten Patienten signifikant weniger Gelenks-blutungen auf (3.4 ± 6.3) versus 7.7 ± 11.1, p =0.0001). Dieser Unterschied war verstärkt bei Patien-ten mit schwerer Hämophilie und HIV negativen Pa-tienten. Im Durchschnitt betrug der stationäre Auf-enthalt auf der Normalstation 0.29 ± 3.3 Tage und0.1 ± 1.5 Tage auf der Intensivstation. Die mittlereAnzahl von Arztbesuchen betrug 0.2 ± 1.1 beimHausarzt und 0.9 ± 3.3 im Hämophiliezentrum. Diemittlere Anzahl Arbeitsunfähigkeitstage betrug 3.0± 13.9 bei den Patienten und 0.1 ±1.l bei den Ange-hörigen. Die Bestimmung der Nutzwerte ergab einenMittelwert von 0.75 ± 0.17. Der Faktor VIII-Ver-brauch betrug 47.2 ± 53.3 U/kg/Woche im gesamtenKollektiv, 24.6 ± 46.2 U/kg/Woche bei Bedarfsthera-pie sowie 63.2 ± 53.9 U/kg/Woche bei Patienten mitProphylaxe.

DiskussionIn Anbetracht des stark belasteten Gesundheitshaus-haltes werden sozioökonomische Analysen verschie-dener Therapieprinzipien in Zukunft vermehrt an Be-deutung gewinnen. Die Kosten der akuten Therapieeiner frischen Gelenksblutung und der chronischenTherapie hämarthrotischer Gelenke belasten deutlichdie Ressourcen des Gesundheitsbudgets. Die Höheder Ausgaben zur Therapie der Hämophilie wird v. a.von den Kosten für die Gerinnungsfaktoren und vondem Therapieschema bestimmt. Die bedarfsgerechteund die prophylaktischen Substitutionstherapie mitGerinnungsfaktoren, sollen die Aufwendungen fürambulante / stationäre Klinikbesuche und zusätzlicheMedikamente, wie z. B. Antiphlogistika oder Analge-tika, deutlich reduzieren. Da Patienten, die gemäß ei-ner modifizierten Prophylaxe substituieren, seltenereine Gelenkblutung erleiden, sind Folgekosten gerin-ger. In Kenntnis der Kosten und des wirtschaftlichenNutzens der Vermeidung einer zusätzlichen Gelenk-blutung, ist eine prophylaktische Therapie v. a. imKindes- und Jugendalter auch aus gesundheitsökono-mischer Sicht empfehlenswert.

168 Arzneim.-Forsch./Drug Res. 49 (1), Nr. 2 (1999)Szucs et al. - Therapie mit Blutprodukten

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Pre-clinical and Early Clinical Experience Using Dendritic Cellsto Treat Human Malignancy

Lothar Kanz, Peter Brossart, Gernot Stuhler, Volker Reichardt, Annette Kleihauer, Stefan Scheding, Stefan Stefanovic,Hermann Einsele, Hans-Georg Rammensee, and Wolfram Brugger

University of Tübingen, Department of Hematology, Oncology and Immunology, and Institute for Cell Biology,Department of Immunology, Tübingen (Germany)

Dendritic cells (DC) are key regulators in immuneresponses, capable of priming naive resting T cellsand initiating primary T cell responses when pulsedwith antigenic peptides or proteins. In vitro, DC. canbe generated from human CD34+ bone marrow andperipheral blood progenitor cells after culture withdifferent cytokine combinations including Flt3 li-gand, SCF, GM-CSF and either IL-4 or TNF-a. Re-cently it was demonstrated that DC can also developfrom peripheral blood CD14+ monocytes whengrown in the presence of GM-CSF and IL-4. Thesecells have the characteristics of immature DCS andcan be further induced to mature by inflammatorystimuli like TNF-a, IL-l, LPS or by monocyte con-ditioned medium. We have analyzed the effect ofCD40L and different cytokines on the developmentof DC from peripheral blood monocytes in the ab-sence of GM-CSE CD40 ligation promoted differen-tiation of peripheral blood monocytes into functionalDC in absence of GM-CSF and IL-4. Analysis of sur-face markers showed that cells cultured in presence ofCD40L expressed high levels of MHC class II mole-cules, CD80, CD86, CD40, CD54 and CD83. In linewith high expression of adhesion and costimulatorymolecules, corresponding to phenotypic character-istics of mature DC, CD40L induced DC were potentstimulatory cells in allogeneic MLR and in primingof MHC class I restricted CTL responses. These find-ings provide further evidence for the importance ofCD40-CD40L interaction for initiation and mainten-ance of T cell responses and confirm the emergingconcept that monocytes provide an additional sourceof DC, depending on external stimuli.As protocols for expansion and maintenance of hu-man DC generated from bone marrow derived pro-genitors or peripheral blood monocytes have recentlybeen established, it is now possible to generate suffi-cient numbers of DC from patients and apply themin vaccination strategies for malignant and infectiousdiseases. When DC are pulged with antigenic peptidesand these cells are then reinfused, this approach canlead to specific immunity and protection in animalsagainst tumors and infections. At present similarstudies are carried out in patients. Many approachesfor the delivery of antigens to DC are being analyzed:viral vectors, naked and plasmid DNA and RNA,tumor lysates, apoptotic cells, fusions of tumor cellswith DC, proteins and peptides. We use DC pulsedwith peptides (HER-2/neu oncogene, MUCl tumorantigen, CMV pp65 protein), protein (idiotype immu-noglobulin from multiple myeloma patients) or DCfused with tumor cells (when the antigen is not de-fined) for induction of a protective immunity in vitroand in vivo.

The Her-2/neu proto-oncogene is a 185-kDA trans-membrane protein with homology to the epidermalgrowth factor receptor. It is overexpressed in 30-40 %of breast and ovarian cancers and this overexpressionwas shown to correlate with aggressiveness of malig-nancy and poor prognosis. To analyze whether Her-2/neu epitopes are tumor associated antigens for dif-ferent tumors, we induced Her-2/neu peptide-specificCTL responses by primary in vitro immunization andused these CTL to determine the presentation of Her-2/neu epitopes on human tumor lines. AutologousDC generated from peripheral blood monocytes werepulsed with Her-2/neu derived peptides E75 and GP2and used as APC for CTL priming. CTL inducedwith DC generated in presence of TNF-a elicited ahigher cytotoxic activity when stimulated with thecognate peptide compared to CTL induced with DCgrown in GM-CSF and IL-4 alone. The cytotoxicityof induced CTL was antigen specific and HLA-A2restricted. Furthermore, these CTL lysed not onlybreast cancer cells but colon and renal cell carcinoma(RCC) cell lines expressing Her-2/neu.Recently, it was demonstrated that MHC-unrestrictedcytotoxic T cells can recognize epitopes of the MUCltumor associated antigen. There is increasing evi-dence now that MHC-restricted T cells can also beinduced after immunization with the MUCl proteinor segments of the core tandem repeat. However, littleis known about the epitopes recognized by MUClspecific MHC restricted CTL. Using a computeranalysis of the MUCl amino acid sequence, we iden-tified two novel peptides with a high binding probab-ility to the HLA-A2 molecule. CTL were generatedfrom several healthy donors by primary in vitro im-munization using peptide pulsed dendritic cells.The peptide induced CTL lysed tumors endogene-ously expressing MUCl in an antigen specific andHLA-A2 restricted fashion, including breast andpancreatic tumor cells, showing that these peptidesare shared among many epithelial tumors.In order to generate CMV-specific CTL we used asimilar approach as described above. Several CMV-specific HLA-A2 restricted peptide epitopes derivedfrom the immunodominant pp65 protein were pre-dicted by computer analysis. CMV-specific CTL wereinduced in vitro in seropositive and seronegativepatients against a petide with the highest bindingprobability. The cytotoxic activity of these CT1 lineswas MHC-restricted and antigen specific, as theyonly lysed CMV-infected fibroblasts from HLA-A2expressing donors. No lysis was observed when aCMV strain with pp65 deletion was used for infection.Vaccination with DC pulsed with antigenic peptideshas already been shown to be effective in patients

Arzneim . -ForKanz et al. -

sch./Drug Res. 49 (I), Nr. 2 (Therapie mit Blutprodukten

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with malignant lymphoma and melanoma. The useof DC pulsed with antigenic peptides could reversethe observed immunosuppression and tolerance incancer patients and provide and additional broadlyapplicable approach to established therapies of malig-nancies.

References of our own group[l] Kleihauer, A., Brossart, P., Hebart, H. et al., Genera-tion of CMV-specific CTL lines by peptide pulsed dend-ritic cells from stem cell donors. Blood 92, 653a (1998)[2] Brossart, P., Stuhler, G., Heinrich, K. S. et al., Identi-fication of HLA-A2 binding peptides derived from the

MUCl protein for broadly applicable vaccine therapies.Blood 92, 499a (1998)[3] Stuhler, G., Zobiwalski, A., Grunebach, F. et al., Im-mune regulatory loops determine productive interac-tions within human T lymphocyte-dendritic cell clois-ters. PNAS, in press (1999)[4] Brossart, P., Stuhler, G., Flad, T. et al., Her-2/neuderived peptides are tumor-associated antigens ex-pressed by human renal cell and colon carcinoma linesand are recognized by in vitro induced specific cytotoxicT lymphocytes. Cancer Res. 58, 732 (1998)[5] Brossart, P., Grunebach, F., Stohler, G. et al., Gen-eration of functional human dendritic cells from adher-ent peripheral blood mononuclear cells by CD40 ligationin the absence of GM-CSE Blood 92, 4238 (1998)

170 Arzneim.-Forsch. /Drug Res. 49 (I), Nr. 2 (1999)Hartmann et al. - Therapie mit Blutprodukten

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Isolierung und Aktivierung von humanen dendritischen Zellenmit CpG-Oligonukleotiden

Gunther Hartmann

University of Iowa, Department of Internal Medicine, Iowa City, Iowa (USA)

Dendritische Zellen stellen als zentrale Antigen-prä-sentierende Zellen die Verbindung her zwischen demangeborenen und dem erworbenen Immunsystem.Dendritische Zellen werden in klinischen Studien alszelluläres Adjuvans zur Immunisierung gegenschwach immunogene Antigene wie beispielsweiseTumor-Antigene getestet. Oligonukleotide mit defi-nierten CpG-Motifen (kurzkettige DNA mit Cytidin-(Posphatbindung)-Guanosin Dinukleotiden in einemdefinierten Sequenz-Kontext) wurden in tierexperi-mentellen Studien als potente Adjuvantien identifi-ziert. Der Adjuvans-Wirkung von CpG-Oligonukleo-tiden liegt vermutlich die CpG-vermittelte Stimula-tion von dendritischen Zellen zugrunde.Die Häufigkeit von unmethylierten CpG-Motifen inder DNA von Wirbeltieren ist gering. In bakteriellerDNA hingegen sind CpG-Motife zahlreich und un-methyliert. Unmethylierte CpG-Motife werden vomImmunsystem der Wirbeltiere als ,,Gefahrensignal“erkannt [l]. Eine Reihe von Studien zeigen, daß CpGin vivo als potentes Adjuvans eingesetzt werden kann.In der Maus induziert CpG bei der therapeutischenImmunisierung gegen Lymphomzellen eine stärkereTh 1 -gewichtete Antwort als das Freund’sche Adju-vans und ist weniger toxisch [2]. CpG verstärkt. dieWirkung von tumorspezifischen Antikörpern beimLymphom [3]. Bei der Immunisierung mit HBsAg(Hepatitis B) in der Maus wird mit CpG eine 5fachstärkere Immunisierung erreicht als mit ,,Alum”, demStandard Adjuvans beim Menschen. Die Kombina-tion von CpG und Alum zeigte einen 35fach stärke-ren Effekt als Alum allein [4]. Bei Verwendung vonCpG kann eine Immunantwort gegenüber Influenza-

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Virus selbst bei der Immunisierung über die Schleim-haut erreicht werden [5]. Zudem konnte gezeigt wer-den, daß auch die Immunisierung mit ,,nackter”DNA von der Anwesenheit von CpG-Motifen in derPlasmid-DNA abhängt [6].Wir stellen hier erstmalig die Wirkung von CpG aufhumane dendritische Zellen vor. Dendritische Zellensind eine heterogene Population mit einer Reihe vonUnterformen, die noch nicht vollständig charakteri-siert sind und sich in der Expression von Oberflä-chenmarkern unterscheiden [7]. In mononuklearenZellen aus peripherem Blut befinden sich wenigstenszwei Subpopulationen von dendritischen Zellen, diezusammen 0,l bis 0,4 % aller Zellen ausmachen. Den-dritische Zellen können im wesentlichen über fol-gende Methoden präpariert werden: a) direkte Isola-tion von dendritischen Vorläuferzellen aus periphe-rem Blut und Inkubation mit GM-CSF (granulocyte-macrophage colony stimulating factor) für 2 Tage; b)Generierung aus CD34-positiven Stammzellen (Kno-chenmark, peripheres Blut, Nabelschnurvenenblut)über mehrtägige Inkubation mit GM-CSF und TNF(Tumor-Nekrose-Faktor); oder c) Generierung überInkubation von CD14-positiven Monozyten aus peri-pherem Blut mit GM-CSF und Interleukin (IL)-4.Insbesondere die Generierung aus Monozyten hatkürzlich große Aufmerksamkeit erregt. Es ist aber an-zumerken, daß zur Generierung IL-4, ein Th2-Zyto-kin, erforderlich ist, und daß die Zellen in Abwesen-heit von IL-4 spontan wieder in Richtung Makropha-gen differenzieren [8]. Beides ist für die In-vivo-Appli-kation dieser Zellspezies zur Immuntherapie ungün-stig. Wir haben die direkte Isolation von dendriti-

Arzneim.-Forsch./Drug Res. 49 (I), Nr. 2 (1999)Hartmann et al. - Therapie mit Blutprodukten

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schen Vorläuferzellen aus peripherem Blut verwendet,da diese 1. kein IL-4 zur Ausreifung benötigen; 2.nicht spontan ihre Eigenschaften verlieren; und 3.schon nach zwei Tagen Inkubation mit GM-CSF zudendritischen Zellen ausreifen.Mononukleäre Zellen (Lymphozyten und Monozy-ten) werden dabei über einen Dichtegradienten iso-liert und mit einem immunomagnetischen Verfahrenvon ,,lineage“-Marker-positiven Zellen (T-Zellen, B-Zellen, NK-Zellen, Monozyten) depletiert. Die CD4-positive Zellen der verbleibenden Zellsuspension sindunreife dendritische Zellen und werden immunoma-gnetisch positiv selektioniert. Diese Zellen werden an-schließend mit GM-CSF (800 U/ml) und CpG-Oligo-nukleotiden allein oder in Kombination inkubiert.Nach zwei Tagen Inkubation mit GM-CSF zeigt sichim Mikroskop eine für dendritische Zellen charakteri-stische Morphologie mit dendritischen Fortsätzen derZellmembran. Die Zellen sind ,,lineage”-Marker-ne-gativ, stark positiv für MHC 11, schwach positiv fürdie kostimulatorischen Moleküle B7-2 (CD86) undCD40, und zeigen elektronenmikroskopisch die cha-rakteristische ultrastrukturelle Morphologie.Als Endpunkte zur Bestimmung der Effekte von GM-CSF und CpG werden die Viabilität der dendriti-schen Zellen, die Expression der kostimulatorischenMarker CD54 (ICAM-1), CD86 (B7-2) und CD40(Indikatoren für die Aktivierung der Zellen), und dieReifung der dendritischen Zellen (CD83 als spezifi-scher Marker reifer humaner dendritischer Zellen ver-wendet. Die vorgestellten Studien bilden die Grund-

lage für die klinische Testung von CpG- und Tumor-Antigen-gepulsten dendritischen Zellen bei der thera-peutischen Immunisierung gegen Tumorerkrankun-gen.

Literatur[1] Krieg, A. M. et al., CpG motifs in bacterial DNAtrigger direct B-cell activation. Nature 374, 546 (1995)[2] Weiner, G. J. et al., Immunostimulatory oligodeoxy-nucleotides containing the CpG motif are effective asimmune adjuvants in tumor antigen immunization. Proc.Natl. Acad. Sci. USA 94, 10833 (1997)[3] Wooldridge, J. E., Ballas, Z., Krieg, A. M. et al., Im-munostimulatory oligodeoxynucleotides containingCpG motifs enhance the efficacy of monoclonal anti-body therapy of lymphoma. Blood 89, 2994 (1997)[4] Davis, H. L. et al., CpG DNA is a potent enhancer ofspecific immunity in mice immunized with recombinanthepatitis B surface antigen. J. Immunol. 160, 870 (1998)[5] Moldoveanu, Z., Love-Homan, L., Huang, W. Q. etal., CpG DNA, a novel immune enhancer for systemicand mucosal immunization with influenza Virus, Vaccine16, 1216 (1998)[6] Sato, Y et al., Immunostimulatory DNA sequencesnecessary for effective intradermal gene immunization.Science 273, 352 (1996)[7] Hart, D. N., Dendritic cells: unique leukocyte popu-lations which control the primary immune response.Blood 90, 3245 (1997)[8] Hausser, G. et al., Monocyte-derived dendritic cellsrepresent a transient Stage of differentiation in the my-eloid lineage. Immunobiology 197, 534 (1997)

Arzneim . -Forsch./DrugSchmitz - Therapie mit

Res. 49 (1), Nr.Blutprodukten

2 (1999) 171

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Stammzelltherapie

Norbert Schmitz

Christian-Albrechts-Universität, II. Medizinische Klinik und Poliklinik, Kiel

Die Hochdosis-Chemoradiotherapie mit anschließen-der Transplantation hämatopoetischer Progenitorzel-len stellt eine anerkannte Therapiemodalität für eineReihe hämatologischer Systemerkrankungen dar. Bisvor wenigen Jahren diente das Knochenmark alsQuelle der hämatopoetischen Stammzellen, die nacheiner Hochdosistherapie notwendig sind, um die Hä-matopoese wieder in Gang zu bringen bzw. ihre Rege-neration zu beschleunigen. Zunächst im autologenBereich, zunehmend aber auch auf dem allogenenSektor ist die Knochenmarktransplantation durch dieTransplantation hämotopoetischer Zellen, die ausZytokin-mobilisiertem Vollblut gewonnen wurden,ersetzt worden. Im autologen Setting kann damit eineschnellere Regeneration der Hämatopoese, eine Ver-kürzung des stationären Aufenthalts sowie eine Ko-stenreduktion erzielt werden. Auch eine allogeneTransplantation hämatopoetischer Blutstammzellenführt zu einer verbesserten Regenerationskinetik vonGranulozyten und Thrombozyten; hier bleibt jedochArzneim.-Forsch./Drug Res. 49 (I), Nr. 2 (1999)Schmitz - Therapie mit Blutprodukten

abzuwarten, ob potentiell negative Effekte der alloge-nen Blutstammzelltransplantation, wie eine Verstär-kung der chronischen Tranplantat-gegen-Wirt-Reak-tion (graft-versus-host disease, GVHD) die positivenEffekte der Blutstammzelltransplantation aufheben.Über viele Jahre hinweg wurde der wesentliche Effekteiner Knochenmark- oder Blutstammzelltransplanta-tion darin gesehen, daß ohne Rücksichtnahme auf dieKnochenmarkfunktion eine Dosiseskalation thera-peutisch wirksamer Medikamente zu einem verbes-serten Ansprechen der jeweiligen Tumorerkrankungführte. Verschiedene Entwicklungen haben dazu ge-führt, daß derzeit der Antitumoreffekt des Transplan-tats selbst (graft-versus-tumor oder leukemia (GVL)effect) in den Mittelpunkt des Interesses gerückt istund weltweit an der Instrumentalisierung des GVL-Effektes zur verbesserten Leukämie- und Tumorbe-handlung gearbeitet wird. Neuere Arbeiten zeigen,daß Veränderungen der Hochdosisprotokolle unterBetonung der Immunsuppression und weniger der

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myeloablativen Komponente solcher Regimes eineverminderte Toxizität erwarten läßt. Damit kannnicht nur die Transplantations-assoziierte Mobiditätund Mortalität gesenkt, sondern auch das maximaleLebensalter, bis zu dem eine allogene Transplantationmöglich ist, angehoben werden. Die Verfügbarkeitgroßer Zahlen hämatopoetischer Progenitorzellen,wie sie in peripheren Blutstammzelltransplantatenenthalten sind, hat es möglich gemacht, extensive Se-lektions- und Depletionsverfahren zu entwickeln, mitdenen gezielt reine Progenitorzellpopulationen ge-wonnen werden können. Diese hämatopoetischenProgenitorzellen können gemeinsam mit oder vor derGabe von hochgereinigten immunmodulatorischenZellen, wie dendritischen Zellen, T-Zellen und NK-Zellen transplantiert werden, die in der Lage sind, im-

muntherapeutische Wirkung zu entfalten. Die Beant-wortung der Frage, wie erfolgreich solche Strategienin Zukunft sein werden und welche therapeutischenGewinne damit letztlich erzielt werden können, wirddavon abhängen, inwieweit das immuntherapeutischePotential aufgereinigter T- und NK-Zellfraktionenerhalten oder sogar gesteigert werden kann, währendgleichzeitig die unerwünschten Wirkungen dieserZellpopulationen, und hier insbesondere die GVHDverhindert oder zumindest abgeschwächt werden kön-nen Experimentelle und erste klinische Befunde wei-sen darauf hin, daß eine solche Separation von GVL-und GVH-Reaktionen durch Manipulationen im af-ferenten bzw. efferenten Schenkel der entsprechendenimmunologischen Reaktionen möglich sein sollte.

172 Arzneim.-Forsch /Drug Res. 49 (I), Nr. 2 ( 1999)Hallek et al. - Therapie mit Blutprodukten

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Adoptive Immuntherapie bei Chimären

Hans-Jochem Kolb

und Klinische Kooperationsgruppe Hämatopoetische Zell-Transplantation (Hans-Jochem Kolb, Evi Weissinger, Claudia Lange, Ute Schultz,Georg Ledderose, Christoph Schmid, Michael Schleuning, Monika Franz, Alexander Muth, Christoph Salat, Marie Roskrow,Maike Humann, Ernst Holler)

Klinikum Großhadern der Ludwig-Maximilians-Universität, Medizinische Klinik Ill, München

Die Knochenmarktransplantation von gesundenSpendern hat selbst bei Leukämie in fortgeschrittenenStadien langfristige Remissionen und sogar Heilun-gen erzielt, wenn die herkömmliche Therapie ver-sagte. Die intensive Chemotherapie und Bestrahlungvor der Transplantation tragen zur Elimination derLeukämie ebenso bei wie das Transplantat mit seinerImmunreaktion gegen die Leukämie - die sog. Graft-versus-Leukämie Reaktion (GVL). Allerdings gehtdie Immunreaktion gegen die Leukämie meist mit ei-ner Reaktion gegen gesunde Organe des Patienten,einer sog. Graft-versus-Host Reaktion (GVH) einher.Die GVH Reaktion kann den Körper des Patientenso stark schädigen, daß der Patient daran sterbenkann. Daher sind Maßnahmen zur Verhütung einerGVH-Reaktion unerläßlich neben einer prophylakti-schen immunsuppressiven Behandlung zeigte die Ent-fernung von T-Zellen aus dem Transplantat die be-sten Ergebnisse. Leider ging die bessere Verhütungder GVH-Reaktion mit einer erhöhten Rate an Leuk-ämierezidiven einher, so daß das gesamte Überlebennicht verbessert wurde. Wir versuchen daher, beideReaktionen zu trennen, indem zuerst mit T-Zell-De-pletion eine Toleranz des Tansplantates gegen denEmpfänger erzeugt und in einem zweiten Schritt im-munreaktive Zellen des Spenders auf die toleranteChimäre übertragen wurden.Bei Geschwisterhunden gelang es, mit Ganzkörperbe-strahlung und Transplantation von T-Zellen deple-tierten Knochenmarks DLA-identischer Spender ei-nen stabilen gemischten Chimärismus zu erzeugen. InBlut und Knochenmark waren Zellen von Spenderund Empfänger nachweisbar, GVH-Reaktionen wa-ren nicht festzustellen. Die Transfusion von Blutleu-kozyten des Knochenmarkspenders in den ersten Ta-gen und Wochen erzeugte GVH-Krankheit, die unbe-handelt zum Tode führte. Zwei Monate nach Trans-plantation konnten ebenso wie zu späteren Zeitpunk-ten Spenderleukozyten transfundiert werden, ohnedaß GVH-Reaktionen auftraten. Dennoch wurde dergemischte Chimärismus durch die Transfusion in ei-nen kompletten umgewandelt. Mit Spenderleukozy-ten konnte eine Immunität gegen Tetanus vom Spen-der auf den Empfänger übertragen werden. Gleich-zeitig wurde die Reaktion gegen neue Antigene wieDiphtherie-Toxoid durch die Transfusion verbessert.Aufbauend auf den Versuchen an Geschwisterhundenwurden seit 1988 Patienten mit leukämischem Rück-fall mit Spenderleukozyten behandelt. Die besten Er-gebnisse wurden bei chronischer myeloischer Leuk-ämie erzielt, mehr als 70 % der Patienten mit einemRückfall in chronischer Phase oder mit zytogeneti-schem Rezidiv, d. h. erneutem Auftreten von Leuk-ämiezellen mit dem Philadelphia-Chromosom spra-Arzneim.-Forsch./Drug Res. 49 (I), Nr. 2 (1999)Kolb - Therapie mit Blutprodukten

chen auf die Transfusion von Spenderleukozytenohne weitere Strahlen- oder Chemotherapie an.Akute myeloische Leukämie (AML) und myelodys-plastische Syndrome (MDS) sprachen bei einem Teilder Fälle, akute lymphatische Leukämie (ALL)sprach nur selten an. Bei multiplem Myelom ist dieAnsprechrate noch nicht klar. Während bei akuterLeukämie und multiplem Myelom die Remissionenmeist von kurzer Dauer sind, bleiben Patienten mitchronischer myeloischer Leukämie lange in Remis-sion ohne weitere Therapie.Komplikationen von Spenderleukozytentransfusio-nen sind GVH-Krankheit und Myelosuppression.GVH-Krankheit tritt bei etwa 60 % der Patienten aufund ist bei etwa 40 % behandlungsbedürftig. Schwe-res Knochenmarkversagen mit Panzytopenie wurdebei etwa 20% der Patienten beobachtet, häufiger beiPatienten in chronischer Phase der CML als bei sol-chen mit zytogenetischem Rezidiv. Das Knochen-markversagen kann mit der Transfusion von Kno-chenmark oder Stammzellen des Spenders erfolgreichbehandelt werden. Patienten mit GVH-Krankheitsprechen häufiger mit einer Remission an als Patien-ten ohne GVH-Reaktion, aber selbst Patienten ohneGVH-Krankheit sprechen in der Hälfte der Fälle aufdie Behandlung an. Somit kann davon ausgegangenwerden, daß die GVL-Reaktionen auch unabhängigvon einer GVH-Reaktion vorkommt. Allerdings zeig-ten 4 Patienten mit einem eineiigen Zwillingsgeschwi-ster als Spender kein Ansprechen auf die Therapie.Offensichtlich spielen Histokompatibilitätsunter-schiede eine entscheidende Rolle bei der GVL-Reak-tion.Nachdem Histokompatibilitätsantigene, die nicht vonder HLA-Region kodiert sind, eine entscheidendeRolle spielen, stellt sich die Frage, warum Leukämie-Zellen einer GVL-Reaktion ausweichen können ,,im-mune escape mechanism“. Eine Möglichkeit ist dieverminderte Präsentation von Nicht-HLA-Antigenendurch verminderte Expression von HLA-Antigenen,die die Nicht-HLA-Antigene präsentieren. Ein kom-pletter Verlust der HLA-Antigene dürfte nach vorläu-figen Untersuchungen jedoch selten sein. Eine weitereMöglichkeit ist die verminderte Expression von Ad-häsionsmolekülen wie ICAM, LFA-3, LFA-1 sowiekostimulatorischen Faktoren wie B7.1 (CD80), B7.2(CD86) und CD40. Die Produktion von inhibitori-schen Zytokinen wie TGF-ß und IL-10 könnte dieGVL-Reaktion hemmen. Schließlich könnte die ver-minderte Expression von FAS bzw. die Expression ei-nes defekten FAS auf der Oberfläche die Leukämie-Zelle vor einer FAS-vermittelten GVL-Reaktionschützen. Die Expression von FAS-Ligand auf derLeukämiezelle könnte die T-Zelle inaktivieren. Bei

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mehreren Patienten, die nicht auf die Behandlung an-sprachen, wurden stark erhöhte IL-10 Spiegel undverminderte TNF-a Spiegel im Serum gefunden. EineScreening-Untersuchung von Patienten mit akuterLeukämie im Vergleich zu Gesunden zeigt jedochkeine eindeutigen Unterschiede. Auf RNS-Ebenewurden keine Unterschiede gesehen, während dieSpiegel im Zellüberstand bei Patienten mit und ohneStimulation mit Lipopolysaccharid stärker variiertenals bei Gesunden.Das bessere Ansprechen myeloischer Formen vonLeukämie führten wir darauf zurück, daß dendriti-sche Zellen als professionelle Antigen-präsentierendeZellen von myeloischen Vorläuferzellen abstammen.Bei CML wurde in der Zwischenzeit gezeigt, daß den-dritische Zellen das Philadelphia-Chromosom auf-weisen und damit dem leukämischen Klon angehö-ren. Somit sind sie in der Lage. Histokompatibilitäts-antigene und leukämie-spezifische Antigene wir-kungsvoll zu präsentieren. Aus diesem Grunde wurdeversucht, AML-Zellen zu Antigen-präsentierendenZellen zu differenzieren. Nach einer 6-Tage-Kulturvon AML-Zellen mit GM-CSF und IL-4 sind die ko-stimulatorischen Moleküle B7.1 und B7.2 auf derZelloberfläche exprimiert. Die Zellen sind nach derKultur in der Lage, allogene Zellen zu stimulieren.Andererseits können aber auch transfundierte Zellendes Spenders durch GM-CSF stimuliert werden,Antigen der Leukämie aufzunehmen und den T-Zel-len des Spenders zu präsentieren. Mittlerweile wur-den Patienten mit AML, ALL und transformierterCML mit Spenderleukozyten, angereichert mitStammzellen, und GM-CSF behandelt. Bei 7 von 10AML-Patienten und einer CML-Patientin wurdenohne intensive Chemotherapie Remissionen induziert,die z. T. mehr als ein Jahr ohne weitere Erhaltungsthe-

rapie anhalten. Bei ALL-Patienten waren intensiveVorbehandlungen erforderlich. Komplikationen warenakute und chronische GVH-Krankheit sowie akuteund chronische Lungenkomplikationen in Form vonVOD und Bronchiolitis obliterans. Bei manchen Pa-tienten wächst die Leukämie so schnell, daß der GVL-Reaktion keine Zeit zur Entwicklung bleibt.Eine Möglichkeit zur Umgehung der Komplikationenund Beschleunigung der GLV-Reaktion besteht in derImmunisierung des Spenders gegen Histokompatibili-tätsantigene, die nur auf hämatopoetischen Zellen desEmpfängers vorkommen. Hierzu werden Versuchebeim Hund durchgeführt, da unter Umständen mitfulminanten Reaktionen gerechnet werden muß. EineMöglichkeit zur Kontrolle der Reaktion bietet dieTransduktion von sogenannten Suizid-Genen in dieT-Zellen des Spenders. Eine Form von Suizid-Gen istdas Thymidinkinase-Gen des Herpes-simplex-Virus,das mit Hilfe von retroviralen Vektoren in T-Zelleneingebaut werden kann. Im Falle einer gefährlichenGVH-Krankheit können die T-Zellen als Verursacherausgeschaltet werden, indem der Patient mit Ganci-clovir behandelt wird. In den transduzierten T-Zellenkommt es zu einer Hemmung der DNS-Synthese undzum Absterben der T-Zellen. Beim Hund konnten er-folgreich T-Zellen mit dem HSV-TK-Konstrukt infi-ziert und das Überleben der Zellen im Empfänger füreinige Zeit nachgewiesen werden. Es bleibt zu klären,ob die Zellen zu einer GVH-Reaktion in der Lagesind und auf die Behandlung mit Ganciclovir anspre-chen. Weitere Fragen betreffen die Verteilung dieserZellen in vivo und die Möglichkeit einer Immunreak-tion gegen die transduzierten Zellen. Schließlich stehtdie Charakterisierung der Histokompatibilitätsanti-gene der hämatopoetischen Zellen bei Hund undMensch aus.

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49 (I), Nr. 2 (1999)mit Blutprodukten

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EBV-Vektoren und Zelltherapie

Wolfgang Hammerschmidt

Institut für Klinische Molekularbiologie, GSF-Forschungszentrum, München

Ubiquitäres HerpesvirusEpstein-Barr Virus (EBV) ist ein ubiquitäres Herpes-Virus, mit dem mehr als 90 % der Erwachsenen le-benslang infiziert sind. In der Regel erfolgt die pri-märe Infektion ohne klinische Symptome im frühenKindesalter und mündet in eine lebenslange Koexi-stenz von Virus und Wirt. Selbst im peripheren Blutsind virusinfizierte Zellen nachzuweisen, wobei ru-hende B-Lymphozyten - möglicherweise Memory-B-Zellen - die Zellpopulation darstellen, die EBV tra-gen. Diese B-Zellen sind ausschließlich latent infi-ziert, Virus wird intermittierend im Oropharynx ge-

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funden, wo es vermutlich in lytisch infizierten Epi-thelzellen produziert wird. Dieser Zustand der Koexi-stenz ist sehr stabil, da er im Gesunden immunolo-gisch kontrolliert wird. Die Immunkompetenz desWirtes besteht vor allem in zytotoxischen Effektor-T-Zellen, die virale Epitope im Kontext von MHC-I-Molekülen erkennen und Zellen lysieren, die be-stimmte virale Genprodukte exprimieren. Im Gegen-zug besitzt EBV mindestens zwei Gene, die zur Im-munevasion beitragen können, um so die latente In-fektion lebenslang aufrechtzuerhalten (zur Übersichts.[l]).

Arzneim.-Forsch./Drug Res. 49Hammerschmidt - Therapie

(I), Nr. 2 (1mit Blutprodu

999)kten

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EBV wird aber auch mit einer Vielzahl von Erkran-kungen ursächlich in Verbindung gebracht. Einespäte Primärinfektion bei Jugendlichen oder jungenErwachsenen führt in Europa und den USA in fastjedem zweiten Fall zum Syndrom der InfektiösenMononukleose (Inzidenz pro Jahr: > 1000 Fälle/100 000 Einwohner). Akut lebensbedrohend sindEBV-induzierte Lymphome bei immunsupprimiertenPatienten, etwa nach Organtransplantation oder beiAIDS. Eine Beteiligung des Virus bei der Ätiologievon wenigstens drei Tumorarten (Burkitt Lymphom(10 000 Fälle/Jahr), Nasopharynxkarzinom (80 000Fälle/Jahr), Hodgkin Lymphom (> 120 000 Fälle/Jahr) gilt als sicher. Bei einer Reihe weiterer Tumor-erkrankungen gibt es konkrete Hinweise auf EBV alsKofaktor [2].Eine hervorstechende Eigenschaft von EBV ist dieImmortalisation von primären humanen B-Lympho-zyten in vitro. Diese Eigenschaft ist besonders bemer-kenswert, da in den immortalisierten und proliferie-renden B-Lymphozyten nur einige wenige -der mehrals 80 viralen Gene exprimiert sind und kein Virusfreigesetzt wird. Dieserzustand der Latenz wird so-wohl in den EBV-assoziierten Tumoren als auch inanderen EBV-infizierten Zellen beobachtet. In denEBV-assoziierten Tumoren werden einige der EBVGenprodukte gefunden, die immer auch in immorta-lisierten B-Lymphozyten exprimiert werden. Die invitro Immortalisation dieser Zellen stellt deshalb einattraktives und sehr reproduzierbares Modellsystemfür die Onkogenese dar.Der Zugang zu diesem Modellsystem setzt voraus,daß eine genetische Analyse des EBV Genoms mög-lich ist. Dieser Zugang war weitgehend verbaut, dadie komplexe Biologie des Virus es nahezu unmöglichmachte, das virale Genom gezielt genetisch zu verän-dern. Wir haben zur Problemlösung beigetragen undzwei genetische Systeme entwickelt, die diese Limita-tionen beheben. Diese Systeme, mini-EBVs und EBV-Genvektoren, sollen im folgenden vorgestellt werden.

mini-EBVsSogenannte mini-EBVs sind rekombinante Plasmide,die in E. coli mit Methoden der Molekularbiologiehergestellt werden [3]. Die genetische Kompositiondieser Plasmide besteht im wesentlichen aus subgeno-mischen EBV Abschnitten. Diese Abschnitte sind sogewählt, daß sie alle EBV Gene umfassen, die bei derB-Zell-Immortalisation eine Rolle spielen. ViraleGene aber, die für die eigentliche Virusproduktion es-sentiell sind, fehlen mehrheitlich. Die Aufgabe dermini-EBVs besteht darin, B-Lymphozyten in vitro zuimmortalisieren, ohne daß diese Zellen EBV freiset-zen können. Der Vorteil der Virusfreiheit ist aber nurein Teilaspekt. Mit diesen mini-EBVs können näm-lich von jedem beliebigen Spender B-Lymphozyten-Linien hergestellt werden, die natürlich auch die spen-dereigenen MHC-Moleküle exprimieren. Eine weiterewichtige Eigenschaft besteht darin, beliebige Gene,die von therapeutischem Interesse sind, mit Hilfe dermini-EBVs in menschliche B-Lymphozyten einführenzu können. Mit der Kombination dieser Eigenschaf-ten ist es möglich, solche B-Zell-Linien als antigen-präsentierende Zellen, sogenannte APCs, einzusetzen,Diese APCs finden Anwendung in der Immunthera-pie und in der experimentellen Medizin.Bei der Immuntherapie sind besonders A n tigene in-teressant, von denen man weiß, daß sie bei der A.b-

wehr von Tumorerkrankungen eine Rolle spielen kön-nen. Neben bekannten Antigenen, die z. B. in Mela-nomen überexprimiert werden und die ein natürlichesZiel für das Immunsystem darstellen, kommen aberauch tumorspezifische Antigene in Frage, die charak-teristisch für z. B. Pankreas-, Nieren- oder Mamma-karzinome sind. Von diesen tumorspezifischen Anti-genen kennt man eine ganze Reihe von Kandidaten-genen, z. B. Her-2/neu, Mucin-1, mutiertes Ras, mu-tiertes p53 und andere. Gegen diese Antigene gerich-tet finden sich beim Tumorpatienten zytotoxische T-Lymphozyten, die aber auf Grund der ungenügendenAntigenpräsentation der Tumorzellen selbst zahlen-mäßig limitiert sind und deshalb nicht effizient zurLyse von Tumorzellen in vivo beitragen. Ziel der Im-muntherapie dieser Tumorerkrankungen ist es, solchetumorspezifische zytotoxische T-Zellen in vitro zuamplifizieren und diese dann im Rahmen einer adop-tiven Immuntherapie wieder dem Patienten zurückzu-geben. Dazu sind APCs unabdingbar, die die entspre-chenden Antigene im syngenen, bzw. autologen Kon-text der MHC-Moleküle des jeweiligen Patienten ex-primieren und die nötigen Stimuli für die Prolifera-tion der zytotoxischen T-Zellen in vitro zur Verfü-gung stellen. In der Regel werden dazu patienten-eigene dendritische Zellen verwandt, die aber auchdas entsprechende Antigen exprimieren müssen, umes den T-Zellen präsentieren zu können. Diese dendri-tischen Zellen werden in der Regel mit Hilfe sehr un-terschiedlicher Protokolle kurzzeitig in vitro kulti-viert. Zur Expression des gewünschten Antigens wirdin den meisten Fällen ein entsprechend gestalteterGenvektor eingesetzt. Allerdings proliferieren dendri-tische Zellen in vitro nicht und stehen auch bei Pa-tienten mit beeinträchtigtem Immunsystem, etwa imVerlauf einer fortgeschrittenen Tumorerkrankung,nur eingeschränkt zur Verfügung.Wie dendritische Zellen auch besitzen mini-EBV im-mortalisierte B-Lymphocyten die nötigen costimula-torischen Zelloberflächenmoleküle, die sie als APCscharakterisieren. Da mini-EBVs so konstruiert wer-den können, daß sie Tumorantigene von Interesse ex-primieren, stellen mini-EBV immortalisierte B-Zelleneine sichere, unbegrenzt prolifierende Zellpopulationdar. Vom jeweiligen Patienten können solche APCsschnell und in einem Schritt etabliert werden, so daß .sie zur Generierung von zytotoxischen T-Zellen prak-tisch unlimitiert zur Verfügung stehen. Mit dem Mo-dellantigen Mucin-1 ist es uns vor kurzem gelungen,das vorgestellte Prinzip zu verwirklichen [4], das si-cher auch für andere bereits erwähnte TumorantigeneVerwendung finden kann. Prinzipiell könnten diesepatienteneigenen B-Zellen auch als Zellvakzine zurImmuntherapie der angesprochenen Tumorerkran-kungen dienen, wobei sicherlich Diskussionsbedarfzu den möglichen Risiken besteht.

EBV-GenvektorenEines der größten Probleme der Gentherapie ist dieÜbertragung des Gens selbst. Verschiedene Vektor-systeme und Methoden sind in den letzten Jahren ent-wickelt worden, die eine Optimierung des Gentrans-fers zum Ziel haben. Dabei sind Entwicklungen zuverzeichnen, die zum einen den Transfer rekombinan-ter ,,nackter“ Vektor DNA in Zielzellen favorisieren,zum anderen aber die stabile Übertragung dieser Vek-toren in bestimmte Zellen des jeweiligen Patientenvorsehen. Dieser sogenannte ex vivo Gentransfer fin-

Arzneim.-Forsch./Drug Res.Hammerschmidt - Therapie

49 (I), Nr. 2 (1999)mit Blutprodukten 175

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det sowohl bei der ,,gene correction therapy“ als auchbei der genetischen Modifikation von Tumorzellenzur Immuntherapie und bei Knochenmarkstammzel-len Anwendung.Besonders der menschliche B-Lymphozyt ist als Ziel-Zelle der Gentherapie bisher ohne Bedeutung geblie-ben. Hauptproblem ist dabei das Fehlen von Genvek-toren, da ,,nackte“ Vektor-DNA in diese Zellen nichteffizient genug übertragen werden kann. Wir habenuns zur Aufgabe gemacht, dieses Problem mit Hilfevon Genvektoren zu lösen, die auf EBV-Komponen-ten beruhen. Solche EBV-Genvektoren haben denVorteil, daß sie - wie EBV selbst - sehr effizient auchruhende B-Lymphozyten des Menschen infizierenund dabei therapeutisch interessante Gene übertra-gen können.Verschiedene Hürden galt es zu überwinden, um eineerste Generation von EBV-Genvektoren zu konstruie-ren und sie in eine virale, von EBV abgeleitete Hülleverpacken zu können. Das Haupthindernis war dasFehlen einer sogenannten Verpackungszellinie, die dieEBV-Genvektoren verpackt, aber kein Wildtyp-EBVfreisetzt. Mit der Klonierung des Gesamtgenoms vonEBV in E. coli in Form eines einzigen, sehr großenPlasmids (über 180 kbp) war die Voraussetzung fürdie Manipulation des Virusgenoms realisiert [5]. Wirhaben nun dieses Virusgenom so verändert, daß es -nach Überführen in eine geeignete etablierte Zell-linie - die gewünschten Eigenschaften einer Verpak-kungszellinie für EBV-Genvektoren hat. Diese Ver-packungszellinie stellt zwar die erste ihrer Art fürHerpesvirusvektoren dar, bedarf aber noch einigerVerbesserungen. So müssen Aspekte der Sicherheitund Effizienz angegangen werden zusammen mit der

Konstruktion von EBV-Genvektoren, die für die ver-schiedenen therapeutischen Anwendungen geeignetsind. Wir sind allerdings zuversichtlich, daß diesetechnisch-methodischen Probleme gelöst werden kön-nen, so daß in den nächsten Jahren hier mit den er-sten klinischen Versuchen begonnen werden kann.Optimistisch sind wir auch hinsichtlich neuer virus-freier Genvektoren auf der Grundlage anderer Her-pesviren, die neben B-Lymphozyten auch T-Zellen,hämatopoetische Stammzellen, Nervenzellen undEndothelzellen effizient und teilweise hochselektiv in-fizieren können. Auf jeden Fall ist damit zu rechnen,daß mit weiteren Innovationssprüngen die bisherigenLimitationen der Gentherapie beim Menschen erfolg-reich überwunden werden können.

Literatur[l] Rickinson, A. B., Kieff, E., Epstein-Barr Virus, in Vi-rology. B. N. Fields, D. M. Knipe, P. M. Howley et al.(eds.), pp. 2397-2446, Lippincott-Raven Publishers, Phil-adelphia (1996)[2] Pisani, P. Parkin, D. M., Munoz, N. et al., Cancerand infection: estimates of the attributable fraction in1990. Cancer Epidemiol. Biomarkers Prev. 6, 387 (1997)[3] Kempkes, B., Pich, D., Zeidler, R. et al., Immortaliza-tion of human primary B-lymphocytes in vitro withDNA. Proc. Natl. Acad. Sci. USA 92, 5875 (1995)[4] Kilger, E., Pecher, G., Schwenk, A. et al., Expressionof mucin (MUC-1) from a mini-Epstein-Barr Virus plas-mid in Virus-free immortalized B-cells. (submitted)[5] Delecluse, H. J., Hilsendegen, T., Pich, D. et al., Pro-pagation and recovery of intact, infectious Epstein-BarrVirus from prokaryotic to human cells. Proc. Natl. Acad.Sci. USA 95, 8245 (1998)

176 Arzneim.- Forsch. /Drug Res. 49 (I), Nr. 2 (1999)Kiefel - Therapie mit Blutprodukten

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Therapie mit Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentraten:Indikation und Sicherheit

Volker Kiefel

Universitätsklinikum Leipzig, Institut für Klinische Immunologie und Transfusionsmedizin

Anwendung von ErytrozytenkonzentratenZustände einer akuten oder chronischen Anämie, diezu einer Gefahrdung des Patienten führen, sind Indi-kation für eine Erythrozytentransfusion. ,,Trigger“-Werte (minimale Hämoglobinkonzentrationen oderHämatokritwerte, die zur Erythrozytentransfusionveranlassen) sind nach wie vor umstritten. Sie hängenstark von den Erkrankungen der Patienten ab, sowievon der Geschwindigkeit, mit der die Anämie ent-stand. Vollblut wird praktisch nicht mehr verwendet,stattdessen werden Erythrozytenkonzentrate in Stabi-lisatorlösung wie z. B. SAGM eingesetzt. Zur Vermei-dung einer HLA-Alloimmunisierung oder zur Be-herrschung von Transfusionsreaktionen bei bereits

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immunisierten Patienten werden durch Filtration leu-kozytendepletierte Erythrozytenkonzentrate verab-reicht, in seltenen Fällen werden gewaschene Erythro-zytenkonzentrate eingesetzt zur Vermeidung anaphy-laktischer Reaktionen.

Anwendung von ThrombozytenkonzentratenHäufigste Indikationen für den Einsatz von Throm-bozytenkonzentraten sind meist durch eine einge-schränkte Thrombozytopenie verursachte Thrombo-zytopenien, seltener massive Thrombozytenfunk-tionsstörungen. Eine bei Erwachsenen therapeutischwirksame Dosis (mindestens 4 x 1011Thrombozyten)

Arzneim.-Forsch./Drug Res. 49 (I), Nr. 2 (1999)Kiefel - Therapie mit Blutprodukten

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kann mit Thrombozytapherese von Einzelspenderngewonnen werden oder als ,,gepooltes“ Thrombozy-tenkonzentrat aus Vollblutspenden von 4-8 Einzel-spendern. Als Trigger für prophylaktische Thrombo-zytentransfusionen bei Patienten mit hämatologi-schen oder onkologischen Erkrankungen werdenThrombozytenzahlen zwischen 5000-10 000 Throm-bozyten/µl diskutiert.

Nebenwirkungen/RisikenDie gegenwärtig meistdiskutierten potentiellen Risi-ken stellen durch Transfusion bedingte Übertragun-gen von Viruskrankheiten wie Hepatitis C, HepatitisB, sowie HIV-Infektionen dar. Cytomegalie-Virus(CMV)-lnfektionen sind dagegen vor allem für im-munsupprimierte Patienten (z. B. nach allogenerKnochenmarktransplantation) gefährlich, zelluläreBlutkomponenten können durch Filtration ,,CMV-si-cher“ gemacht werden. Akute Bedrohungen gehenvon bakteriell verkeimten Blutkonserven aus.Die Alloimmunisierung von Patienten gegen erythro-zytäre Antigene geht mit dem potentiellen Risiko ei-ner akuten hämolytischen Transfusionsreaktion ein-her. Zu einer nicht immer vermeidbaren verzögertenhämolytischen Transfusionsreaktionen (,,DHTR: de-layed hemolytic transfusion reaction“) kommt es bei

früher alloimmunisierten Patienten, die zu einemZeitpunkt transfundiert wurden, an dem der zuvorbestehende Alloantikörper nicht nachweisbar war.Febrile, nichthämolytische Transfusionsreaktionensind meist Folge von Antikörpern gegen HLA-Anti-gene, bei Thrombozytentransfusionen bewirkenHLA-Antikörper und Antikörper gegen plättchen-spezifische Antigene darüber hinaus das Problem desRefraktärzustands gegenüber Thrombozytentransfu-sionen.Plasmahaltige Blutprodukte, die Antikörper gegenneutrophile Granulozyten enthalten, können ein demARDS ähnliches Krankheitsbild: TRALI (transfu-sion related acute lung injury) verursachen. Die(meist weiblichen) Spenderinnen der entsprechendenBlutprodukte sollten von der Spende ausgeschlossenwerden. Durch passive Übertragung von thrombozy-tären Alloantikörpern im Plasma können passagerealloimmune Thrombozytopenien beim Empfangerausgelöst werden. Durch Ubertragung allogenerLymphozyten bei immunsupprimierten Patienten(z. B. nach Transplantationen) kann es zur transfu-sionsassoziierten Graft-versus-Host Reaktion (TA-GvHR) kommen, die im Gegensatz zur ,,Transplanta-tions-GvHR” eine hohe Letalität aufweist. Die geeig-netste Maßnahme zu ihrer Vermeidung besteht in der(y-) Bestrahlung (30 Gy) der zu transfundierendenzellulären Blutprodukte.

Arzneim. -Forsch./Drug Res. 49 (I), Nr. 2 (1999)Pfreundschuh et al. - Therapie mit Blutprodukten 177

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Bispezifische Antikörper zur Tumortherapie

Michael Pfreundschuh, Frank Hartmann und Christoph Renner

Universitätskliniken des Saarlandes, I. Medizinische Klinik, Homburg

Bispezifische monoklonale Antikörper (Bi-Mab) kön-nen so konstruiert werden, daß sie immunologischeEffektorzellen an Tumorzellen binden und diese insitu aktivieren. Unsere Arbeitsgruppe hat zwei Mo-delle zur Therapie von Hodgkin-Lymphomen entwik-kelt ..1. den natürlichen Killer (NK)-Zellen-aktivierenden

anti-CD 16/CD30 Bi-Mab A9/HRS-3, der durchFusion aus den parentalen monoklonalen Anti-körpern A9 und HRS-3 etabliert wurde, die an dasNK-Zell-Triggermolekül CD16 bzw. an das Hodg-kin-assoziierte CD30 Antigen binden.

2. Zur spezifischen Rekrutierung und Aktivierungvon T-Zellen gegen Hodgkin-Zellen wurden diebeiden anti-CD3/CD30 und antiCD2WCD30 Bi-Mab entwickelt, die die beiden für die Aktivierungvon T-Zellen notwendigen Signale spezifisch undausschließlich durch Kreuzvernetzung der Trigger-moleküle an der Tumorzelle vermitteln.

In präklinischen Studien beider Bi-Mab-Strategienkonnte das kurative Potential dieser Immuntherapie

bei SCID-Mäusen mit heterotransplantierten menschli-chen Hodgkin-Tumoren gezeigt werden, die die ent-sprechenden Bi-Mab zusammen mit unstimuliertenmenschlichen Lymphozyten erhielten, beweisen.Auch Tiere mit disseminiert wachsenden Tumorenkonnten geheilt werden. Untersuchungen mit NK-Zellen und T-Zellen von Hodgkin-Patienten belegtenden bekannten ausgeprägten Defekt dieser immuno-logischen Effektorzellen bei dieser Patientengruppe.Eine Behandlung mit den jeweiligen Bi-Mab führtejedoch zu einer vollständigen Rekonstitution der ent-sprechenden zellulären Defekte. Bei den T-Zellen, woder Defekt mit einer verminderten Expression der c-Kette des T-Zell-Rezeptor-CD3-Komplexes assoziiertist, kam es zu einer Anhebung des Expressionsni-veaus auf normales Niveau. In einer Phase-IIII-Stu-die mit dem NK-Zellaktivierenden CD 16/CD30 Bi-Mab bei 15 Patienten mit therapierefraktärem Mor-bus Hodgkin wurden keine signifkanten Nebenwir-kungen und eindeutiges Ansprechen auf die Immun-therapie mit 1 kompletten Remission (CR), 1 partiel-

Arzneim.-Forsch./Drug Res. 49 (I), Nr. 2 (1999)Pfreundschuh et al. - Therapie mit Blutprodukten 177

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len Remission (PR) und fünf ,,minor responses“(MR) beobachtet. In einer anschließenden Phase-II-Studie wurden die Patienten randomisiert für eineTherapie mit 25 mg CD1 6/CD30 pro Tag als kontinu-ierliche Infusion über 4 Tage oder vier i.v. Bolus-Infu-sionen jeden 2. Tag. Bei 16 Patienten wurden 1 CR(Dauer: 6 Monate), 2 PR (6+ und 6 Monate), sowie3 stabile Verläufe (6+, 4 und 3+ Monate) beobachtet.Bei 4 Patienten wurde vor einem 2. Zyklus der Bi-Mab-Gabe eine Therapie mit Interleukin-2 durchge-führt. Diese führte zu einer deutlichen Zunahme zir-kulierender NK-Zellen bei allen Patienten und zu ei-

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ner Konversion von einem stabilen Verlauf in einekomplette Remission bei einem Patienten. Nebenwir-kungen der Therapie mit Bi-MAb A9/HRS-3 be-schränkten sich auf Fieber I°/II° bei 6 Patienten.Unsere Ergebnisse bestätigen die klinische Wirksam-keit und Sicherheit dieses immuntherapeutischen An-satzes und lassen einen zusätzlichen Benefit einer ad-ditiven Zytokintherapie als wahrscheinlich erschei-nen. Die Verfügbarkeit ausreichender Mengen huma-nisierter Bi-Mab wird es erlauben, den Stellenwertvon Bi-Mab in der Therapie des Morbus Hodgkinzu sichern.

Arzneim.-Forsch./Drug Res. 49 (I), Nr. 2 ( 1999)Aguzzi - Therapie mit Blutprodukten

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Prionen - zwischen Neuropathologie und Immunologie

Adriano Aguzzi

Universitätsspital, Institut für Neuropathologie, Zürich

Vieles spricht dafür, daß PrPsc identisch ist mit demPrion, dem übertragbaren Erreger der spongiformenEnzephalopathien [l-3]. Um die Frage der Pathoge-nese im Zentralnervensystem zu bearbeiten, wurdeNeuroektodermüberexprimieren

aus transgenen Mäusen, welche PrPc

das Gehirn von Scrapie-unemp-findlichen PrP-defizienten Mäusen transplantiert undmit Prionen inokuliert. Infizierte Transplantate ent-wickelten Scrapie und enthielten hohe Mengen anPrPsc und Infektiösität, während benachbarte-Zellengesund blieben. Die Lebenserwartung der Wirt-Mäuse war nicht reduziert. Daraus ist zu schließen,daß die Verfügbarkeit an endogenen PrPC für die vomErreger katalysierte Umwandlung mit der Neurotoxi-zität des Scrapie-Erregers in vivo korreliert [4, 5]. Eswurde dann die Frage des Transports von Prionenaus der Peripherie in das Zentralnervensystem unter-sucht, indem Neuroektoderm wiederum in das Ge-hirn PrP-defizienter Empfänger transplantiert wurde.Scrapie entwickelte sich nicht in Transplantaten nachintraokulärer, intraperitonealer oder subkutaner Ino-kulation. Eine Immunantwort gegen PrP entwickeltesich in mehreren Tieren kurze Zeit nach der Trans-plantation, aber anti-PrP-Titer schienen den Verlauf-der Erkrankung nicht zu beeinflussen, und keinTransport der Infektiösität nach intraokulärer Ver-abreichung wurde in Tieren detektiert, welche gegen-über PrP tolerant waren [6]. Ein adoptiver TransferPrP-exprimierender hämatopoetischer Zellen stellte

die Akkumulation von Prionen in der Milz wiederher, jedoch nicht die Neuroinvasion über die intrape-ritoneale Route [7]. Diese Ergebnisse zeigen, daß PrPC

die Übertragung des Erregers von der Peripherie indas Zentralnervensystem unterstützt, und daß dieNeuroinvasion von einer Neuroimmun-Schnittstelleabhängig ist [8]. Da B-Lymphozyten für diese Neu-roinvasion von essentieller Bedeutung sind [9], könn-ten diese eine potentielle Angriffsfläche für eine Post-

.expositionsprophylaxe darstellen [10]

Literatur[l] Aguzzi, A., Nature 381, 734 (1996)[2] Aguzzi, A., Weissmann, C., Nature 383, 666 (1996)[3] Aguzzi, A., Weissmann, C., Nature 389, 795 (1997)[4] Brandner, S., Isenmann, S., Raeber, A. et al., Nature379, 339 (1996)[5] Brandner, S., Isenmann, S., Kuhne, G. et al., BrainPathol. 8, 19 (1998)[6] Brandner, S., Raeber, A., Sailer, A. et al., Proc. Natl.Acad. Sci. USA 93, 13148 (1996)[7] Blättler, T., Brandner, S., Raeber, A. J. et al., Nature389, 69 (1997)[8] Aguzzi, A., Lancet 349, 742 (1997)[9] Klein, M. A., Frigg, R., Flechsig, E. et al., Nature390, 687 (1997)[10] Aguzzi, A., Collinge, J., Lancet 350, 1519 (1997)

178 Arzneim.-Forsch. /Drug Res. 49 (I), Nr. 2 (1999)Aguzzi - Therapie mit Blutprodukten

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Transplantation peripherer Blutstammzellen — Indikation und Finanzierung

Wolfgang Hiddemann

Klinikum Großhadern der Ludwig-Maximilians-Universität, Medizinische Klinik Ill, München

Basierend auf der Annahme einer Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen bestimmten zytostatischen Sub-stanzen und malignen Erkrankungen ist in den letz-ten Jahren zunehmend versucht worden, die Intensi-tät der antineoplastischen Chemotherapie zu steigernum die Tumoreffektivität zu erhöhen. Wesentlicher li-mitierender Faktor dieses Konzeptes ist die Hämato-toxizität. Diese kann in Grenzen durch den postthe-rapeutischen Einsatz hämatopoetischer Wachstums-faktoren, in jüngster Zeit jedoch vor allem durch dieprätherapeutische Gewinnung von Blutstammzellenausgedehnt werden. Insbesondere durch die Retrans-fusion peripherer Stammzellen ist der Einsatz myeo-loablativer Therapieregime in vielen Indikationsberei-chen möglich geworden. Durch diese Therapiekon-zepte eröffnen sich neue Perspektiven bei Tumor-erkrankungen mit ungünstiger Prognose wie bei-spielsweise den niedrig malignen Lymphomen, dentherapieresistenten hochmalignen Lymphomen, demredizivierten Morbus Hodgkin, aber auch soliden Tu-moren wie bei Patientinnen mit Hochrisiko Mamma-karzinom, bei Patienten mit rezidivierten Hodentu-moren und Weichteilsarkomen. Für diese und weitereIndikationsbereiche liegen vielversprechende Ergeb-nisse klinischer Phase II-Studien vor. Allerdings be-darf es zum endgültigen Beweis der Effektivität po-spektiv randomisierter Vergleichsstudien, die bis aufwenige Ausnahmen bisher nicht abgeschlossen sind.

Vor diesem Hintergrund erscheint es dringend erfor-derlich, Hochdosiskonzepte mit nachfolgender Stamm-zelltransplantation überwiegend im Rahmen klini-scher Studien durchzuführen.Dieser klinischen und wissenschaftlichen Notwendig-keit stehen die zur Zeit unsichere Rechtslage sowieungeklärte Fragen der Finanzierung entgegen. So un-erliegt die Durchführung klinischer Studien derzeitdem Arzneimittelgesetz, das in erster Linie jedochmehr für Zulassungsstudien entwickelt wurde. Dar-über hinaus besteht eine Unsicherheit, inwieweit kli-nische Studien von den Kostenträgern, d. h. den ge-setzlichen Krankenkassen übernommen werden kön-nen.Ein vielversprechender Ansatz zur Lösung dieser of-fenen Fragen besteht in der Etablierung des ClearingHouses, das als konzertierte Aktion und gemeinsameEinrichtung von Fachvertretern der DeutschenKrebsgesellschaft, den Kostenträgern, dem medizini-schen Dienst der Krankenkassen unter Beteiligungder Deutschen Krebshilfe sowie der Bundesministe-rien für Gesundheit und Forschung und Technologieeingerichtet wurde. Diese Institution verfolgt das Ziel,im gemeinsamen Dialog und Bewertung sowohl einehöhere Transparenz herzustellen als auch die Finan-zierung klinischer und wissenschaftlicher aber auchfür das Allgemeinwohl relevanter Studien langfristigabzusichern.

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Qualitative Anforderungen an Zelltherapie-/Gentherapieproduktefür den klinischen Einsatz aus industrieller und behördlicher Sicht:Notwendigkeit der Interaktion zwischen Industrie und Klinik

Peter Heinrich und Irene Gander

MediGene AG, Martinsried bei München

Die Zeit, in der Gentherapie-Zelltherapie-Behand-lungen unter der Rubrik ,,Heilversuche“ einzuordnenwaren, ist vorüber. Die ersten gentherapeutischenStudien 1994 in Freiburg und Berlin wurden unterdieser Kategorie durchgeführt. Nach der Definitionaus §§ 40 ff AMG sind die neuen Studien jedoch nichtmehr als Einzelfallbehandlungen anzusehen. Es han-delt sich jetzt vielmehr bei klinischen Prüfungen umeine Hypothesengenerierung im Hinblick auf ein Arz-neimittel. Zellen als Therapeutikum müssen damithohen Qualitätsanforderungen gerecht werden. Glei-

ches gilt für Vektoren, die in Zellen eingebracht we-den.Damit unterliegen klinische Studien und genthera-peutisches Material nun Gesetzen und Richtlinien,wie herkömmliche Therapieformen. In den letztenJahren sind eine Fülle von Richtlinien herausgegebenworden, die sich speziell mit den Themen BiologischeWirkstoffe und Gentherapie beschäftigen. So gab esin Deutschland eine Bund-Länder-Gruppe zumThema ,,Somatische Gentherapie“, in denen die Stan-dards für diese Therapieform und die Qualitätsanfor-

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derungen erarbeitet wurden. Ein Abschlußbericht er-schien 1997 unter fachlicher Beratung zwischen Bun-desinstitut für Arzneimittelhersteller, dem Paul-Ehr-lich-Institut und dem Robert-Koch-Institut. Es seiauch auf die Richtlinien der Bundesärztekammerzum Gentransfer in menschliche Körperzellen von1995 hingewiesen.Im Hinblick auf die Zulassung eines gentherapeuti-schen Wirkstoffs liegen wir im Geltungsbereich derEMEA. Um internationalen Standards gerecht zuwerden, sollten die ICH-Guidelines berücksichtigtwerden sowie die Richtlinien der FDA.Es ist nicht einfach, aus dieser Fülle von Dokumen-ten klar die Voraussetzungen für ein bestimmtes Zell-/Gentherapeutikum zu entnehmen, bevor dieses in derKlinik eingesetzt werden darf, ins Besondere im Hin-blick auf präklinische Tests und die Sicherheits-aspekte des Therapeutikums.Eindeutig ist, daß ein gentherapeutisches Arzneimit-tel unter ,,Good Manufacturing Practices“ (GMP)hergestellt werden muß. Die Zellen sind als ein steri-les Produkt einzustufen und müssen unter hochreinenBedingungen behandelt werden. Dies erfordert ent-sprechende Räumlichkeiten (laut Betriebsverordnungpharmazeutischer Unternehmer), mit einem Lüf-tungssystem, daß hochreine Bedingungen ermöglicht.Es müssen zu diesem Zweck GMP-Labors errichtetwerden. Eine andere Möglichkeit ist die Isolatortech-nik. Die Räumlichkeiten sind aber nur eine kleine,wenn auch kostspielige Komponente des GMP-Sy-stems. Es werden hohe Anforderungen an alle Aus-gangsstoffe gestellt. So müssen z. B. die Seren, die fürdie Zellkultur verwendet werden, aus Ländern kom-men, die bisher BSE-frei waren. Die Seren müssenauf Rinderviren getestet und zertifiziert sein. Es mußein Dokumentationssystem aufgebaut werden. Stan-dard Operating Procedures (SOPs) müssen geschrie-ben werden. Es muß bindend beschrieben werden, wieArbeitsschritte durchgeführt werden, wie genau Ge-räte benutzt und geeicht werden. Es müssen genaueVorgaben für die Wartung gemacht werden. Benötigtwerden ferner SOPs für die Reinhaltung der Räum-lichkeiten und SOPs für die Kontrolle der Reinhal-tung, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Es bestehtdie Pflicht, daß Personal in der Einhaltung der SOPszu schulen.Will man ein Gen-Zelltherapeutikum herstellen, sobedarf man zudem einer Herstellerlaubnis der zustän-digen Landesbehörde (§ 13 AMG), sofern das Gen-therapeutikum nicht vom behandelnden Arzt selbsthergestellt wird. Bei Gentherapeutika, die Impfstoffeoder Blutzubereitungen sind, entscheidet das Paul-Ehrlich-Institut im Benehmen mit der Landesregie-rung über diese Erlaubnis.Der Leiter und Verantwortliche der Herstellung mußspezifische Voraussetzungen mitbringen. Hier unter-scheidet der Gesetzgeber zwischen Blutproduktenund Produkten der somatischen Gentherapie. FürBlutprodukte muß der Herstellungsleiter unter ande-rem eine mindestens dreijährige Erfahrung auf demGebiet der medizinischen Serologie oder medizini-schen Mikrobiologie nachweisen können. Den Her-stellungsprozeß muß ein Kontrolleiter begleiten mitvergleichbarer Qualifikation. Für die somatischeGentherapie kann der Herstellungsleiter zugleichKontrolleiter sein. Als praktische Erfahrung wird hiereine zweijährige Tätigkeit auf einem medizinisch rele-vanten Gebiet der Gentechnik, insbesondere der Mi-krobiologie, Virologie oder Molekularbiologie erwar-tet.

Das gentherapeutische Produkt muß während seinerEntwicklung eine Reihe von Sicherheitstests durchlau-fen. Das bedeutet für Vektoren, die ein therapeutischwirksames Gen einschleusen sollen z. B., daß dieDNA-Sequenz sowohl von dem betreffenden Gen, vonden Gen-/Vektorübergängen als auch von dem die Ex-pression regulierenden Promoterbereich, zu kontrollie-ren ist. Ferner muß die genetische Stabilität gewährlei-stet sein. Eukaryontische Zellen, die für die Vervielfäl-tigung der Vektor-DNA benutzt werden, müssen zu-nächst unter GMP-Bedingungen herangezogen wer-den. Von der Zellinie müssen sogenannte Master-Zell-Bänke angelegt werden. Diese müssen zertifiziert wer-den Das bedeutet, daß sie zunächst auf Sterilität undMykoplasmenfreiheit getestet werden müssen. DieIdentität muß mittels Isoenzym-Tests nachgewiesenwerden. Des weiteren muß sichergestellt werden, daßdie Zellen nicht mit eventuell für den Menschen schäd-lichen Viren verunreinigt sind. Hierzu müssen eineReihe von In-vitro- und In-vivo-Tests durchgeführtwerden. Handelt es sich bei den Zellen um menschlichebeziehungsweise andere Primatenzellen, so sind dieAnforderungen hier besonders hoch.Nur Zellen aus einer zertifizierten Masterzellbank dür-fen während der Produktion eingesetzt werden. BeimEinsatz von allogenen Zellen für die Gentherapie sindfür diese entsprechende Tests erforderlich. Alle Testsmüssen unter GLP-Bedingungen durchgeführt werden.Etwas anders gestaltet es sich, wenn autologe Genthe-rapie angewendet wird. Hier kann man an den Patien-tenzellen die zum Teil sehr zeitaufwendigen Tests nichtdurchführen. GMP-Bedingungen müssen natürlichauch hier unbedingt eingehalten werden, um eine Kon-tamination mit z. B. Rhino- oder Adenoviren währendder Bearbeitung auszuschließen.Neben diesen Sicherheitstests müssen präklinischeVersuche durchgeführt werden. So sollte z. B. nebender Toxizität, wenn möglich auch gezeigt werden, wo-hin die Zellen nach der Aplikation wandern.Welche der Tests im Detail für ein bestimmtes Zell-/Gentherapieprodukt erforderlich sind, sollte im Ein-vernehmen mit der Behörde, dem Paul-Ehrlich-Insti-tut oder BfArM entschieden werden. Rat kann auchbei der zuständigen europäischen Behörde, derEMEA eingeholt werden.Durch alle die genannten Auflagen wird der Entwick-lungsprozeß von zell-/gentherapeutischen Produktensehr aufwendig, sowohl was die Zeit, die Räumlich-keiten, das Personal als auch was die Kosten betrifft.Die Etablierung der kompletten Sicherheitstestung imeigenen Haus, sei es nun Klinik- oder Industrielabor,ist zudem sicher nicht rentabel. Für die Entwicklungist somit das ,,Outsourcing“ im Allgemeinen ein,,muß”. Insgesamt ist die Durchführung der Entwick-lung, zumal bis zur Marktreife, für ein Klinikum al-lein nicht möglich. Es ist hier eine enge Kollaborationzwischen Klinik und Industrie erforderlich.

LiteraturAbschlußbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe ,,So-matische Gentherapie“, Bundesministerium für Gesund-heitU. Kleeberg, A. G. Hildebrandt in: Arzneimittel undMedizinprodukte, Bewertung - Verahren - Perspekti-ven, Hrsg. T. Ott, F.-W. Hefendehl und P. Grosdanoff,Bundesministerim für Arzneimittel und Medizinpro-dukteInternetadressen für Guidelines: FDA: http://www.fda.-gov/cber, EMEA: http://www.eudra.org, GMP allge-mein, mit weiterführenden Links z. B.: http://www.gmp-navigator.com

180Arzneim.-Forsch./Drug Res. 49 (I), Nr. 2 (1999)

Heinrich et al. - Therapie mit Blutprodukten

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