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Einführung in die Literaturwissenschaft

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Einführung in die Literaturwissenschaft

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Themenübersicht

1 Literarizität

2 Zeichen und Referenz

3 Rhetorik

4 Narration

5 Autorschaft und sprachliches Handeln

6 Intertextualität und Intermedialität

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Die Frage nach dem Zeichen

Sofern Jakobsons Konzept der poetischen Funktion die

Kluft zwischen Zeichen und Objekten vertieft, stellt sich

die Frage, wie Zeichen überhaupt auf Objekte Bezug

nehmen.

Wie stellt sich diese Bezugnahme von Zeichen auf

Dinge (Referenz) in literarischen Texten dar?

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Saussure: Die Natur des sprachlichen Zeichens

»Für manche Leute ist die Sprache im Grunde eine Nomenklatur, d. h. eine Liste von Ausdrücken, die ebensovielen Sachen entsprechen.«

»Diese Ansicht gibt in vieler Beziehung Anlaß zur Kritik. Sie setzt fertige Vorstellungen voraus, die schon vor denWorten vorhanden waren«.

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Saussure: Die Natur des sprachlichen Zeichens

Saussures Ausgangsthese bezieht sich auf die Doppelseitigkeit des sprachlichen Zeichens.Diese Doppelseitigkeit besteht aber NICHT in der Gegenüber-stellung von ›Worten‹ und ›Dingen‹, ›Zeichen‹ und ›Objekten‹.

»Das sprachliche Zeichen vereinigt in sich nicht einen Namen und eine Sache, sondern eine Vorstellung und ein Lautbild.«

die Einheit des sprachlichen Zeichens:

Vorstellung Bezeichnetes signifié SignifikatLautbild Bezeichnendes signifiant Signifikant

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Saussure: Die Natur des sprachlichen Zeichens

Das Signifikat, die eine Seite des Zeichens, ist keine ›wirkliche‹ Sache, sondern eine mentale Vorstellung. Diese Vorstellung ist psychisch als ein Bestandteil des Zeichens gegeben.

Der Signifikant, die andere Seite des Zeichens, ist kein tatsächlicher physikalischer Laut, sondern der psychische Eindruck eines solchen Lautes. Saussure: »Der psychische Charakter unserer Lautbilder wird ganz klar, wenn wir uns selbst beobachten. Ohne die Lippen oder die Zunge zu bewegen, können wir mit uns selbst sprechen oder uns im Geist ein Gedicht vorsagen.«

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Saussure: Die Natur des sprachlichen Zeichens

Wenn das Zeichen sich aus zwei Bestandteilen zusammensetzt,die beide ›geistig‹ gegeben sind, wie kann dann noch ›Referenz‹ gedacht werden?

Ausgehend von sprachlichen Äußerungen hat es Saussure immer nur mit Beziehungen zwischen Lautbildern und Vorstellungen zu tun. Über Bezüge auf außersprachliche Sachverhalte,

sogenannte Referenzobjekte, läßt sich nichts sagen.

Auch für Jakobson ist die ›referentielle Funktion‹ der Sprache streng genommen keine Bezugnahme auf ›Realität‹, sondern auf Kontexte, das heißt auf andere sprachliche Äußerungen.

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Wie kommt die Einheit von Signifikat und Signifikant, von Bezeichnetem und Bezeichnendem, zustande?

zwei Grundsätze:

1. Arbitrarität des Zeichens2. Linearität des Zeichens

Saussure: Die Natur des sprachlichen Zeichens

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Saussure: Arbitrarität des Zeichens

Die Beziehung zwischen Bezeichnetem und Bezeichnendem beruht auf kultureller Gewohnheit, auf Konventionen. Sie ist eine bloße Übereinkunft. Verschiedene Sprachen haben für verschiedene Vorstellungen verschiedene lautliche Ausdrücke. Deshalb kann Saussure sagen: »Das sprachliche Zeichen ist beliebig« (arbiträr).

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Saussure: Arbitrarität des Zeichens

Das bedeutet nicht, das die Zuordnung von Bezeichnendem und Bezeichnetem in das Belieben jedes Einzelnen gestellt ist!

Saussure: »Das Wort ›beliebig‹ erfordert hierbei eine Bemerkung. Es soll nicht die Vorstellung erwecken, als ob die Bezeichnung von der freien Wahl der sprechenden Person abhinge (weiter unten werden wir sehen,daß es nicht in der Macht des Individuums steht, irgend etwas an dem einmal bei einer Sprach-gemeinschaft geltenden Zeichen zu ändern); es soll besagen,daß es unmotiviert ist, d. h. beliebig im Verhältnis zum Bezeichneten, mit dem es in Wirklichkeit keinerlei natürliche Zusammen-gehörigkeit hat.«

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Saussure: Linearität des Zeichens

Ebenso wichtig wie die Arbitrarität des Zeichens ist seine Linearität. Es ist jeweils organisiert durch eine Abfolge.Die Beziehung zwischen Bezeichnendem und Bezeichnetem wird nicht nur bestimmt durch die kulturelle Übereinkunft, sondern auch durch das Verhältnis des Zeichens zu den anderen Zeichen, die ihm vorausgehen oder ihm nachfolgen.

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Saussure: Linearität des Zeichens

„Sie treffen sich im Fußballstadion. Er hat eine Fahne.“

„Sie treffen sich im Fußballstadion. Er hat eine Fahne dabei.“

Linearität des Zeichens heißt: Ein einziges Element in einer Kette von Zeichen kann genügen, um die Bedeutung einer Aussage zu verändern.

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Modellierungen von Referenz

›Referenz‹ ist ausgehend von Saussure immer nur zu denken als zeicheninterne, durch Konventionen begründete Beziehung zwischen ›Vorstellung‹ und ›Lautbild‹ oder als Beziehung zwischen Zeichen.

›Referenz‹ kann aber in diesem Zusammenhang je anders modelliert werden.

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Charles S. Peirce: Ikon, Index, Symbol

Ikon: Das ikonische Zeichen beruht auf Ähnlichkeit. Es ist nicht darauf angewiesen, das es die Sache wirklich gibt, auf die es verweist.

Beispiel:Ein Straßenverkehrsschild warnt vor Tieren auf der

Fahrbahn. Es zeigt das Bild einer Kuh (= Ähnlichkeit mit dem gefährlichen Objekt, auf das verwiesen wird). Es befindet sich aber gar keine Kuh auf der Fahrbahn.

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Charles S. Peirce: Ikon, Index, Symbol

Index: Das indexikalische Zeichen beruht auf Kontiguität (Berührung, Nachbarschaft, kausaler Zusammenhang). Es besagt, daß da wirklich etwas ist oder gewesen sein muß.

Beispiel:Die Spuren am Tatort eines Verbrechens verweisen auf

das, was dort geschehen ist. Sie hängen mit dem Tathergang kausal zusammen. Die Spuren beziehen sich auf etwas, was sich tatsächlich ereignet hat.

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Charles S. Peirce: Ikon, Index, Symbol

Symbol: Das symbolische Zeichen funktioniert allein aufgrund der Annahme, daß man davon

ausgehen kann, daß es in einer bestimmten Weise als Zeichen aufgefaßt wird.

Beispiel: Alle sprachlichen Zeichen sind symbolische

Zeichen, sofern sie nur dann auf etwas verweisen können, als eine Gemeinschaft von

Sprechenden sich auf sie als Zeichen bezieht.

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An der Quaimauer unseres Flusses hatte sich eine sehrgroße Menschenmenge gesammelt. In den Fluß gefallen war der Regimentskommandeur Sepunov. Er verschluckte sich in einem fort, sprang bis zum Bauch aus dem Wasser, schrie und versank wieder im Wasser. Er schlug mit den Armen nach allen Seiten und schrie wieder um Hilfe.Die Menge stand am Ufer und schaute mit finsterer Miene zu.- Er geht unter, - sagte Kuzma.- Klar geht er unter, - bestätigte ein Mann mit einer Schirm-Mütze. Und tatsächlich, der Regimentskommandeur ging unter.Die Menge begann sich zu verlaufen.

Daniil Charms: ». . .«

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Daniil Charms: ». . .«Charms‘ Text läßt sich lesen als der Prozeß der Verständigungüber die Natur der Zeichen, die gegeben werden.Sind es ikonische Zeichen? Dann können sie sich auf etwas reinImaginäres beziehen. (Sepunov sieht einem Ertrinkenden ähnlich,aber ertrinkt nicht wirklich.) Sind es symbolische Zeichen? Dann muß der behauptete Sach-verhalt keineswegs zutreffen. (Die Zuschauer denken sich: „Das kann ja jeder sagen.“)Oder sind es indexikalische Zeichen? Dann geschieht da wirklich etwas.»Klar geht er unter.« Also waren es indexikalische Zeichen!

Mit der unverhältnismäßigen Ausrichtung auf die Beschaffenheit der Mitteilung ironisiert der Text die poetische Funktion, das heißt seine eigene literarische Dimension, durch die die Bezugnahme auf ‚Wirk-lichkeit‘ fraglich wird.

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konstitutive Beschaffenheit des Zeichens

Existenz des Objekts

Verwendung als Zeichen

ikonisches Zeichen

Ähnlichkeit nicht notwendig

nicht notwendig

indexikalisches Zeichen

Nachbarschaft notwendig nicht notwendig

symbolisches Zeichen

Konvention nicht notwendig

notwendig

Modellierungen von Referenz (1):Ikon – Index – Symbol nach Peirce (1839-1914)

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Ikon – Index – Symbol nach Peirce

»Ein Zeichen [...] ist alles, was in einer solchen Beziehung zu einem Zweiten steht, das sein Objekt genannt wird, daß es fähig ist ein Drittes, das sein Interpretant genannt wird, dahingehend zu bestimmen, in derselben triadischen Relation zu jener Relation auf das Objekt zu stehen, in der es selbst steht. Dies bedeutet, daß der Interpretant selbst ein Zeichen ist, das ein Zeichen desselben Objekts bestimmt und so fort ohne Ende.«

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»... und so fort ohne Ende«:die Kette der Zeichen nach Peirce

Zeichen

Zeichen

Zeichen Objekt

Zeichen

Objekt Objekt

Objekt

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»... und so fort ohne Ende«:die Kette der Zeichen nach Peirce

Zeichen existieren bei Peirce nur – seien sie ikonisch, indexikalisch oder symbolisch –, insofern sich andere Zeichen auf sie beziehen können. Man könnte auch sagen:

Als Zeichen fungieren kann etwas nur, wenn sich ein sprachliches Zeichen darauf bezieht.

Beispiel: ›Fieber‹ ist ein Symptom, ein indexikalisches Zeichen (›da muß etwas sein‹). Es funktioniert als Zeichen aber nur, wenn jemand dieses Symptom feststellt: »Sie haben Fieber.«

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Peirce und Saussure: Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Peirce ist Mathematiker, Logiker, Philosoph. Seine Unterscheidung von Ikon, Index und Symbol bezieht sich auf Zeichen im allgemeinen. Saussure ist Sprachwissenschaftler. Seine Analyse ist beschränkt auf die sprachliche Zeichen.

Peirce und Saussure verfolgen unterschiedliche Ansätze. Sie haben sich nicht aufeinander bezogen. Es gibt aber folgende Überschneidungen:

Alle sprachlichen Zeichen im Sinne Saussures sind symbolisch im Sinne von Peirce (Saussures Grundsatz der Arbitrarität).Die Beziehung von Zeichen zu Zeichen erhält bei Peirce eine ebenso große Relevanz, wie Saussure sie herausgestellt hat (Grundsatz der Linearität der sprachlichen Zeichen). Ikon, Index und Symbol müssen, um als Zeichen zu fungieren, zu Objekten weiterer Zeichen werden können.

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Ikon, Index, Symbol im Zusammenhang der poetischen Funktion

Wenn Literatur auf die Art und Weise der Botschaft ausgerichtet ist (Jakobsons poetische Funktion), dann macht sie nicht zuletzt auf das jeweilige Vorkommen von ikonischen, indexikalischen und symbolischen Zeichen aufmerksam. Hervorgehoben wird auch die Weise, in der die verschiedenen Arten von Zeichen jeweils auf Objekte Bezug nehmen.

Eine literarische Gattung wie der Detektivroman etwa zeichnet sich wesentlich dadurch aus, daß er indexikalische Zeichen ins Spiel bringt.

In diesem Sinne läßt sich fragen: Wie stellen literarische Texte den Bezug sprachlicher Äußerungen auf Wirklichkeit dar?

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Texte und Folien im Netz unter:

www.uni-erfurt.de/literaturwissenschaft/

(jeweils ab Dienstag nach der Vorlesung)

Paßwort für die Texte: