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BULLETIN 2006 ZUR SCHWEIZERISCHEN SICHERHEITSPOLITIK LEHREN AUS DEN SCHWEIZER MEDIATIONS- UND FAZILITATIONSDIENSTEN IM SUDAN von Simon A. Mason EINLEITUNG Wenn die Schweiz in der Lage ist, in einem Land wie dem Sudan ei- nen Beitrag zum Frieden zu leisten, hat sie das Recht, dies nicht zu tun? Dieser Artikel kann die ethischen Aspekte des Problems nicht aufgrei- fen, aber er kann den ersten Teil der Fragestellung beantworten helfen, indem er untersucht, wie sich die Schweiz seit Mitte der 1990er Jahre an friedensunterstützenden Massnahmen im Sudan beteiligt hat. Die vorliegende Untersuchung belegt, dass Schweizer Diplomaten und Ex- perten unter bestimmten Voraussetzungen einen erheblichen Beitrag zu Frieden und Stabilität leisten können. Das Beispiel Sudan zeigt aber auch, dass die Schweiz ihr Potential zur Friedensunterstützung noch nicht voll ausschöpft – selbst unter Berücksichtigung der zahlreichen Beschränkungen, die einem kleinen Land wie der Schweiz auferlegt sind. Warum ist das so? Zwei Gründe liegen nahe: Zunächst hat die Schwei- zer Bevölkerung ein recht zwiespältiges Verhältnis zu einer aktiveren Aussenpolitik. 1 Man unterstützt das Engagement für den Frieden, 2 aber * Der Autor bedankt sich bei Julian T. Hottinger, Conradin «Kwacakworo» Perner, Josef Bucher, Salman Bal, Jean-Daniel Biéler, Atta El Battahani und Mey Ahmed für ihre sehr hilfreiche Unterstützung – und ebenso beim Eidgenössischen Departement für Auswär- tige Angelegenheiten (EDA) für die Finanzierung der Forschung im Rahmen des Media- tion Support Project der Forschungsstelle für Sicherheitspolitik (CSS) der ETH Zürich und Swisspeace. Besonderer Dank gebührt Christopher Findlay, Rea Bonzi und Yvonne Rosteck für die Übersetzung ins Deutsche und Anna Locher für die stilistische Überarbeitung. Die in diesem Artikel dargelegten Ansichten geben die Meinung des Autors wieder und nicht notwendigerweise die der Forschungsstelle für Sicherheitspolitik der ETH Zürich oder des EDA. 1 Bucher, Josef. Eine Nische für den Frieden. In: Altwegg, Jürg (Hrsg.) Helvetia im Aussendienst, was Schweizer in der Welt bewegen. München, Wien: Nagel & Kimche, 2004, S. 45–59, 54. 2 Vgl. Bundesrat. Botschaft über einen Rahmenkredit für Massnahmen zur zivilen Konflikt- bearbeitung und Menschenrechtsförderung vom 23. Oktober 2002, BBl 2002 7975, hier S. 8009ff. (künftig zitiert als Botschaft zum Rahmenkredit). Vgl. weiter auch http://www. admin.ch/ch/d/ff/2002/7975.pdf.

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lehren aus Den schweIzer meDIatIons- unD fazIlItatIonsDIensten Im suDan

von Simon A. Mason

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WenndieSchweizinderLageist,ineinemLandwiedemSudanei-nenBeitragzumFriedenzuleisten,hatsiedasRecht,diesnichtzutun?DieserArtikelkanndieethischenAspektedesProblemsnichtaufgrei-fen,abererkanndenerstenTeilderFragestellungbeantwortenhelfen,indemeruntersucht,wiesichdieSchweizseitMitteder1990erJahreanfriedensunterstützendenMassnahmenimSudanbeteiligthat.DievorliegendeUntersuchungbelegt,dassSchweizerDiplomatenundEx-pertenunterbestimmtenVoraussetzungeneinenerheblichenBeitragzuFriedenundStabilitätleistenkönnen.DasBeispielSudanzeigtaberauch,dassdieSchweiz ihrPotentialzurFriedensunterstützungnochnichtvollausschöpft–selbstunterBerücksichtigungderzahlreichenBeschränkungen,dieeinemkleinenLandwiederSchweizauferlegtsind.Warumistdasso?ZweiGründeliegennahe:ZunächsthatdieSchwei-zerBevölkerungeinrechtzwiespältigesVerhältniszueineraktiverenAussenpolitik.1ManunterstütztdasEngagementfürdenFrieden,2aber

* DerAutorbedanktsichbei JulianT.Hottinger,Conradin«Kwacakworo»Perner, JosefBucher,SalmanBal,Jean-DanielBiéler,AttaElBattahaniundMeyAhmedfürihresehrhilfreicheUnterstützung–undebensobeimEidgenössischenDepartement fürAuswär-tigeAngelegenheiten(EDA)fürdieFinanzierungderForschungimRahmendesMedia-tion SupportProjectderForschungsstellefürSicherheitspolitik(CSS)derETHZürichundSwisspeace.BesondererDankgebührtChristopherFindlay,ReaBonziundYvonneRosteckfürdieÜbersetzunginsDeutscheundAnnaLocherfürdiestilistischeÜberarbeitung.DieindiesemArtikeldargelegtenAnsichtengebendieMeinungdesAutorswiederundnichtnotwendigerweisediederForschungsstellefürSicherheitspolitikderETHZürichoderdesEDA.

1 Bucher,Josef.EineNischefürdenFrieden.In:Altwegg,Jürg(Hrsg.)Helvetia im Aussendienst, was Schweizer in der Welt bewegen. München,Wien:Nagel&Kimche,2004,S.45–59,54.

2 Vgl.Bundesrat.BotschaftübereinenRahmenkreditfürMassnahmenzurzivilenKonflikt-bearbeitungundMenschenrechtsförderungvom23.Oktober2002,BBl20027975,hierS.8009ff.(künftigzitiertalsBotschaftzumRahmenkredit).Vgl.weiterauchhttp://www.admin.ch/ch/d/ff/2002/7975.pdf.

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scheut–andersalszumBeispielinNorwegen–eineFührungsrolleoderechteRisiken.DieseAmbivalenzistteilweiseaneinenzweitenPunktgeknüpft,nämlichdiemangelndeKlarheitderSchweizerBevölkerungdarüber,wasdieSchweizimBereichderFriedensförderungtutundwassietunkönnte,3sowieüberdieGründefüreinsolchesEngagement.DiefolgendeUntersuchungsolleinigeSchlussfolgerungenausdenErfah-rungenderSchweizimSudanziehen.SiewilleinenBeitragleistenzueinembreiterenDialogüberdieRolle,diedieSchweizbeifriedensstif-tendenAktivitätenspielenkannundsoll–sowohlaufzivilemalsauchaufmilitärischemGebiet–sowieeinenmethodologischenFortschrittimBereichderMediationundFazilitationerbringen.

DiefolgendegenerelleDefinitionvon«Mediation»wirdverwendet,umdieverschiedenenAnsätzezuerfassen,dieheuteindieMediationeinfliessen:«MediationwirdallgemeindefiniertalsdieInterventioninVerhandlungenoderineinemKonfliktdurcheinefürbeideSeitenak-zeptabledrittePartei,dienurbeschränktodergarnichtzurEntschei-dungsfindungberechtigt ist, sonderndenbeteiligtenParteiendabeihilft,freiwilligeinefüralleSeitenakzeptableLösungderStreitfragenzufinden.NebenderLösungvonKernfragenkanndieMediationauchdasVertrauenunddenRespektderbeidenParteienfüreinanderbestär-kenoderBeziehungensobeenden,dassdieKostenundderpsycholo-gischeSchadenminimiertwerden.»4DieAufgabeeinesMediationsteams(meistenssindmehrereMediatorenbeteiligt)ist,denVerhandlungspro-zesszustrukturierenundzubegleiten,dieKommunikationzuerleich-tern,alleParteiendarinzubestärken,ihreInteressenundBedürfnisseauszudrücken,ihnenbeiderSuchenachGemeinsamkeitenzuhelfen,

3 Vgl.Greminger,Thomas.Vermittlungs-undVerfassungskompetenzen,ErfolgsfaktorenderSchweizerFriedensförderung.In:Neue Zürcher Zeitung,5.Juli2005.

4 Moore,Christopher.The Mediation Process: Practical Strategies for Resolving Conflict. (3rdedition).SanFrancisco:Jossey-BassPublishers,2003,S.15.Esistbeachtenswert,dasseinefrühereDefinitionstatt«akzeptabledrittePartei»denAusdruck«neutraledrittePartei»ver-wendete.DiesscheinteinsichallgemeinwandelndesVerständnisderRolledesMediatorswiderzuspiegeln–vonderNotwendigkeitderNeutralitätinfrühererwestlicherLiteraturzurMediationüberunparteiisch,allparteiischodervielparteiischbishinzuakzeptabel.InvielenFällenträgtdieVielparteilichkeitzurAkzeptanzbei,aberinanderenFällenistdasinderTatnichtnotwendig.Oftscheintes,dassdieFähigkeiteinesMediators,sichfürdieInteressenderKonfliktparteienzuengagieren,wichtigeristalsdieUnparteilichkeit.

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undganzallgemeindieStreitparteienbeiderSuchenachLösungenzuunterstützen.

DerBegriffder«Fazilitation»istbreitergefasstalsjenerderMedia-tion,obwohlermeistähnlicheAktivitätenumfasst.ImGegensatzzurMediationistdieFazilitationimAllgemeinenwenigerinterventionis-tisch.ZumBeispielsprechenbeieinerMediationdieKonfliktparteienanfangsnichtdirektmiteinander,sondernkommunizierenzunächstüberdenMediator(sogardann,wennsieimgleichenRaumsitzen).BeiderFazilitationgibtesvergleichsweisemehrdirektenDialogzwischendenKonfliktparteien.WährenddieMediationoftzurUnterstützungvonVerhandlungeneingesetztwird,dieaufdasErgebniseinerkonkretenEntscheidungsfindungausgerichtet sind,konzentriert sichdieFazili-tationnichtunbedingtaufEntscheidungen,sondernhatdasZiel,einbesseresVerständnisfürdieSichtderjeweiligenGegenseitezuschaffenodereingemeinsamesProjektzurealisieren.5DasMandateinesMedi-atorsistumfassenderalsdaseinesFazilitators.EinanderesModelldes«Fazilitators»istdasdes«Über-Fazilitators»,dieRolleeinesmoralischenGaranteneinesProzesses.EinesolcheRollehabenzumBeispielNelsonMandelainBurundioderGeneralSumbeiywoimSudangespielt.IndiesemZusammenhangistderMediatoreherfüroperationelleFragenzuständig,währendder«Über-Fazilitator»alsbekanntePersönlichkeitdenProzessüberwacht.

MethodologischwirdimFallSudansvorallemdieBedeutungdesDialogsfürdieTransformationvonKonfliktendeutlich.InbereitsstarkeskaliertenKonfliktenmussderDialogdurchDruckmittelergänzt,darfabernichtdurchdieseersetztwerden.DieLogik,diedemDialogzu-grunde liegt,besagt,dassPositionenoderForderungen inAbhängig-keitvonderWahrnehmungderGegenpositionformuliertwerden.WerdiePositionderGegenseiteanhörtundsichbewusstwird,dassdieGe-genpositionvondenErwartungenabweicht,kanndieeigeneHaltungverändern;soentstehteinSpielraumfürOptionen,deresermöglicht,

5 Fisher,Ronald.Interactive Conflict Resolution.Syracuse,NY:SyracuseUniversityPress,1997.Vgl.auch:Kelman,Herbert.Experiencesfrom30YearsofActionResearchontheIsraeli-PalestinianConflict.In:Spillmann,Kurt/WengerAndreas(eds.).Nr.54:Zeitgeschichtliche Hintergründe aktueller Konflikte VII.Zürich:CenterforSecurityStudies,ETHZurich.http://www.isn.ethz.ch/pubs/ph/details.cfm?lng=en&v33=60129&size51=20,20&id=838.

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KonflikteimbeiderseitigenEinvernehmenzulösen.6ZurEinordnungderunterschiedlichenAspektederMediationundFazilitationscheinteinechronologischeEinteilunginPhasen(Vorverhandlungen,Verhand-lungen,Umsetzung)nützlicheralseineUnterteilung insogenannte«tracks» (z.B.Regierungs-oderNichtregierungsebene).7DasBeispielSudanscheintzubelegen,dasseineasymmetrischeMachtverteilungzumindest teilweisedurch innerenoderäusserenDrucksowiedurchdieGestaltungdesVerhandlungsprozessesausgeglichenwerdenkann.SchliesslichzeigtderFallSudaneinedergrösstenHerausforderungenfürdieZukunftauf,dassnämlichdieMediationvonFriedensabkom-mendurcheineReihevonanderenAspekteneinesFriedensprozessesabgesichertwerdenmuss,z.B.indenBereichenGovernanceoderAuf-bauvonKapazitäten.WährenddasComprehensivePeaceAgreement(CPA,UmfassendesFriedensabkommenvom9.Januar2005)seineZieleerreichte,nämlichdenKriegzwischendemNordenunddemSüdendesLandeszubeenden,bestehtweiterhindieHerausforderung,diesenFriedenzuschützenunddasCPAumzusetzen.AndereKonflikteimSudan,wieinDarfurundinBeja,gehenweiterundwerdenvomCPAnichtabgedeckt.

DieserArtikelbietetkeineAnalysederKonflikteimSudan,sondernkonzentriertsichaufdasSchweizerEngagementfürdenFriedenimNord-Süd-Konflikt,vorallemfürdenWaffenstillstandindenNuba-Bergen,dieVerhandlungen,diezumCPAführten,unddieBemühungenumdieEinrichtungeines«HausesderNationalitäten»/«ForumTraditionellerFührer»8imSüdsudanundindenNuba-Bergen.EinigeAspektedesSu-dan-KonfliktswerdenandieserStelleknappskizziert,umdieHinter-gründediesesEngagementszuverdeutlichen.WährenddesletztenBür-gerkriegszwischendemNordenunddenSüdenwurdenzwischen1983

6 InterviewdesVerfassersmitJulianT.Hottinger,29.März2006.7 Track1=offiziell,Track2=inoffiziell,abereinflussreich,Track3=aufderEbenevonBa-

sisorganisationen.Vgl.Montville,JosefV.TheArrowandtheOliveBranch,theCaseforTrackTwoDiplomacy.In:McDonald,JohnW.&Bendahmane,DianaB.(eds.)Conflict Resolution: Track Two Diplomacy.WashingtonD.C.:ForeignServiceInstitute,U.S.Depart-mentofState,S.5–20.

8 Artikel173derDraftInterimConstitutionofSouthernSudan2005verwendetdenAus-druck:«CouncilsofTraditionalAuthorityLeaders»,siehehttp://www.gurtong.org/consti-tution.asp.

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und2005übervierMillionenMenschenvertrieben,600000Flücht-lingeverliessendasLand,undüberzweiMillionenMenschenkamenumsLeben–entwederunmittelbarwährendderKämpfeoderindirektaufgrundandererKriegsfolgenwieHungersnöteoderKrankheiten.9

EinzentralerFaktor fürdieEntstehungdesKonfliktswardiege-trennteEntwicklungdesSüdensvomNordendesLandes,dieschonvorderUnabhängigkeitimJahr1956begann.Derdarauffolgende«KriegderVisionen»,kulturelleUnvereinbarkeitenundungleicheEntwicklunginNord-undZentralsudaneinerseitssowieimSüdsudanundanderenRegionen(z.B.BejaimOstenundDarfurimWesten)andererseitswa-rendiewichtigstenGründe,weshalbderSudanindenletzten50Jahrennuretwa10JahreFriedenerlebthat10.DievondersudanesischenZen-tralregierunginKhartumverfolgtePolitikderkulturellen,politischenundökonomischenUnterwerfunghatdieseDifferenzenseitderUnab-hängigkeitdesLandesnochweiterzementiert,zumSchadendermar-ginalisiertenGebiete.11KonflikteumdieErschliessungvonErdölunddieNutzungvonBodenundWasservorkommenmüssenvordemHin-tergrunddieser regionalunterschiedlichenEntwicklunggesehenwer-den.12Dieseitden1970erJahrenzunehmendeDürreinderSahel-ZonehatdasLebenderMenschendortnachhaltigbeeinträchtigtundzueinerZunahmevonMigrationundKonfliktengeführt.13Konfliktursachewa-rennichtethnischeUnterschiede,sonderneinmangelnderRespektfürkulturelleVielfaltunddie«Ethnisierung»derAuseinandersetzungen,in

9 UN2005.UNSudan,UnitedNationsMissioninSudan(UNMIS)Background.http://www.un.org/Depts/dpko/missions/unmis/background.html.

10 «Itgoeswithoutsayingthatthelongcostlywarthatourpeoplewagedintermittentlysinceindependencehalfacenturyago,hasbeenawarofconflictingvisions.Andwhereaswealthandpowersharingappearedtocapturethelimelight,issuesofcultureandculturalincom-patibilitieshavereallyalwaysconstitutedthedeepunderlyingcauseoftheconflict.»SalvaKiirstatementbeforeSouthSudanparliament,10.April2006,http://www.gurtong.org/Re-sourceCenter/weeklyupdates/wu_contents.asp?wkupdt_id=299.

11 Rogier,Emeric.Designing an Integrated Strategy for Peace, Security and Development in Post-Agree-ment Sudan.TheHague:NetherlandsInstituteofInternationalRelations«Clingendael»Con-flictResolutionUnit,April2005.http://www.clingendael.nl/publications/2005/20050400_cru_paper_rogier.pdf.

12 Suliman,Mohamed.The Sudan: A Continent of Conflicts. A Report on the State of War and Peace in the Sudan.Berne:FASTCountryRiskProfiles1999.swisspeace,1999.http://www.swisspeace.org/uploads/FAST/CPs/The%20Sudan%201999.pdf.

13 Suliman,TheSudan.

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deneneinzelneBevölkerungsgruppennachethnischenGesichtspunktenmobilisiertwurden,umfürdieInteressenunddenNutzeneinigerwe-nigerzukämpfen.14AuchimSüdsudanistdieSituationsehrheikel,daesdorteineVorgeschichtevonSüd-Süd-KonfliktenzwischeneinzelnenStämmenoderrivalisierendenRebellengruppengibt,soz.B.zwischenverschiedenenFraktionenderSudanesischenVolksbefreiungsbewegung/Armee(SPLM/A,SudanPeople’sLiberationMovement/Army)indenfrühen1990erJahren.

DerSudanistauchfürandereMächteinteressant,etwafürÄgypten,dasaufdasWasserdesNilsangewiesenist,derdurchdenSudanfliesst.ÄgyptenistaneinemvereinigtenSudaninteressiert,ebensowieamBaudesJonglei-KanalsdurchdieFeuchtgebietedesSüdsudan,undstrebtgenerellnacheinemgrösserenEinflussaufdiesudanesischePolitik.15NacheinemAttentatsversuchaufdenägyptischenPräsidentenHosniMubarakdurchsudanesischeAgentenam26.Juni1995wurdedasLandisoliertundvon1996bis2001vonderUNOmitSanktionenbelegt.16ChinaundMalaysia–welchediesudanesischeRegierungunterstützen,umihregeschäftlichenBeziehungennichtzugefährden–kommteben-fallseineSchlüsselrollezu,dasieanderErdölförderungbeteiligtsind.DieUSAhabengegenüberdemSudanofteinenambivalentenKursver-folgt,dergekennzeichnetwardurchinnenpolitischeUnterstützungfürdieChristenimSüdendesSudansowiedurchBefürchtungen(sowohlvoralsauchnachdem11.September2001),derSudankönnesichzueinempotentiellen«Schurkenstaat»entwickeln(daderSudanOsamabinLadeninden1990ernUnterschlupfgewährthatte).DieClinton-AdministrationverhängteimNovember1997Handelssanktionenüber

14 Perner,Conradin.The Human Rights of Cultures, Lessons from Experiences with Traditional South Sudanese Cultures.Nairobi:ConferenceonEmergentHumanRightsThemesinEastAfrica,ChallengesforHumanRightsNGOs,October2004.Und:Suliman,TheSudan.

15 Mason,Simon.From Conflict to Cooperation in the Nile Basin.Zürich:CenterforSecurityStudies,SwissFederalInstituteofTechnology,ETHZurich,2004.http://www.isn.ethz.ch/pubs/ph/details.cfm?id=7387.

16 UN.UseofSanctionsUnderChapterVII,oftheUNCharterSudan,OfficeoftheSpokes-manfortheSecretary-General,UpdatedJanuary2006.http://www.un.org/News/ossg/sudan.htm.

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denSudan.17GleichzeitigjedochunterstütztedieCIAdiesudanesischeRegierung,umanderenInformationenüberterroristischeAktivitätenheranzukommen.18

DieserArtikel stützt sichaufInterviewsmitExpertendesEDA,die imSudanaktivgewesensind, insbesondere (inderReihenfolgeihresEngagementsimSudan)19BotschafterJosefBucher20,Conradin«Kwacakworo»Perner21,JulianThomasHottinger22,SalmanBal23,undBotschafterJean-DanielBiéler24.ZweitenswurdenzweisudanesischeSichtweisenherangezogen,nämlichdievonAttaElBattahani25undMeyAhmed.26DieseInterviewswurdendurchdiegenanntenQuellenundLiteraturangabenergänzt.DieRecherchenfürdiesenArtikelwur-

17 Dagne,Ted.Sudan: Humanitarian Crisis, Peace Talks, Terrorism, and U.S. Policy.CRSIssueBriefforCongress.Washington,DC:ForeignAffairs,DefenceandTradeDivisionupdated12April2006.http://www.fas.org/sgp/crs/row/IB98043.pdf.

18 Booker,Salih/Colgan,Ann-Louise.AfricaPolicyOutlook2006.Foreign Policy In Focus(FPIF),17.März2006.

19 AndereSchweizerDiplomatenundExperten,dieimSudanengagiertwaren,wieAndreaSemadeni,ThierryRegenass,PietroPiffaretti,JeremiasBlaserundAndreaReichlin(Chargéd’AffairesinKhartum)konntennichtinterviewtwerden.

20 JosefBucher:SchweizerBotschafterinLibyen1994–1997,inKenia1997–2001undSonder-beauftragterfürKonfliktbearbeitung2001–2005.ZurZeitistBucherSchweizerBotschafterinFinnland.2002haterdasamerikanisch-schweizerischeMediationsteamgeleitet,dasdieNuba-Berge-Waffenstillstandsverhandlungenermöglichthat.

21 ConradinKwacakworoPerner:SchweizerWissenschaftlermitErfahrungenindenBereichenLiteratur,EthnographieundhumanitärerArbeit.NebenseinenStudienzudenAnyuakimSüdsudanwarerfürdasInternationaleKomitteevomRotenKreuztätigundUNICEF-De-legierter.Seit2001istermitdemExpertenpooldesEDAassoziiert.

22 JulianThomasHottinger:Mediations-undFazilitations-Experte,assoziiertmitdemEx-pertenpooldesEDA.IndenletztenJahrenhaterbeiFriedensprozesseninBurundi,Liberia,SierraLeone,Somalia,SudanundAcehinIndonesienmitgearbeitet.ErwarindieNuba-Berge-WaffenstillstandsverhandlungeninvolviertundindieNord-Süd-Verhandlungen,diezumUmfassendenFriedensabkommen(CPA)geführthaben.

23 SalmanBal:SchweizerDiplomat,vonMai2003bisOktober2005AssistentBotschafterBuchersundseitOktober2005BotschafterBiélersmitderAufgabe,dieKonflikteindenverschiedenenFriedensprozessenimSudanzubearbeiten.

24 Jean-DanielBiéler:Sonderbotschafter fürdieKonfliktbearbeitung imSudan, seitOkto-ber2005BotschaftermitderbesonderenMissionfürFragendermenschlichenSicherheit(hauptsächlichimSudan).DavorSchweizerBotschafterinderDemokratischenRepublikKongo,inCostaRicaundinBrüssel(Stabilitätspakt).

25 AttaElBattahani:ProfessorundLeiterdesInstitutsfürPolitikwissenschaftderUniversitätKhartum.

26 MeyAhmed:DoktorandinanderUniversitätKhartum,MitarbeiterinimProjekt«Environ-mentalchangeandconflicttransformation»desNCCRNordSüd.

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denimRahmendesMediationSupportProject(MSP)27vorgenommen,einemgemeinsamenProjektderForschungsstellefürSicherheitspolitikderETHZürichundswisspeace,gefördertvonderPolitischenAbtei-lungIVdesEDA.

DervorliegenderArtikelistwiefolgtaufgebaut:DasersteKapiteldiskutiertdiepolitischeBegründungBernsfürdieUnterstützungdesEngagementsimSudanunddenBeginnderSchweizerAktivitäten.Ka-pitelzweibeschreibtdasProjekt«HausderNationalitäten»,wobeidasHauptaugenmerkaufdemSüdsudanunddenNuba-Bergenliegt.KapiteldreiuntersuchtdieWaffenstillstandsverhandlungenfürdieNuba-BergeaufdemBürgenstock.ImviertenKapitelwerdendievonderIntergovern-mentalAuthorityonDevelopment (IGAD)geleitetenCPA-Verhand-lungennachdemWaffenstillstandindenNuba-Bergenbesprochen,andeneneinSchweizerExpertealsVermittlerteilnahm.ImfünftenKa-pitelwirddieFrageaufgegriffen,wieKonfliktedurchMediationundFazilitationtransformiertwerdenkönnen.DasletzteKapitelfasstdiewesentlichenSchlussfolgerungenzusammen.

1 begInn unD begrünDung Des schweIzer engagements Im suDan

WiekameszumSchweizerEngagementimSudan?BotschafterBucher,von1994bis1997inLibyen,sprachArabisch,hatteengenKontaktmitdemsudanesischenBotschafterundwurdevondiesemangefragt,obdieSchweizdieGesprächezwischenderRegierungdesSudaninKhartumimNordenundderSPLM/AimSüdenunterstützenkönne.DieZusagedesEDAlegtedenGrundsteinfüreineReihevonbilateralenGesprächenzwischendenVertreternderSchweizundderSPLM/AeinerseitsundderRegierungderSchweizunddesSudanandererseits.BeidiesenGe-sprächen,überJahrehinweginderSchweizdurchgeführt,wurdenver-

27 ZieldesProjektesist,dasLeistungsvermögenindenBereichenMediationundFazilitationinFriedensprozessenzuerhöhen,insbesondereum:1)LehrenausderpraxisorientiertenFor-schungzuziehen,2)Ausbildungsmodulezuentwickelnund3)einNetzwerkzwischenderWissenschaft,Nicht-Regierungsorganisationen,RegierungenundPersonenausderPraxisaufzubauen.

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schiedeneThemendiskutiert.BotschafterBucherreistewährenddieserZeitregelmässignachKhartumundindenSüdsudan.DadurchhattedieSchweizGelegenheit,sichmitdenSchlüsselfragenvertrautzumachensowiemöglicheLösungenauszuloten.DiesudanesischenDiplomateninLibyenmachtenspäterinnerhalbderRegierungKarriere–wodurchBotschafterBucherpersönlicheKontaktezuSchlüsselfigureninderRe-gierunghatte.Von1997bis2001warBucherSchweizerBotschafterinNairobi,wodergrössteTeildersüdsudanesischenDiasporaangesiedeltwar,waszuintensiverenKontaktenzwischenihmunddiesemBevöl-kerungsteilführte–unddem«HausderNationalitäten».VonZeitzuZeitnahmandiesenUnterredungeninderSchweizaucheinSchweizerBundesratteil,umdersudanesischenSeitezudemonstrieren,dassdieSchweizdenProzessaufhöchsterpolitischerEbeneunterstützte.Insge-samtgingendieGesprächejedochdiskretvonstatten.BotschafterBucherwurdedaraufhinimJahr2000zum«SonderbeauftragtenfürKonflikt-bearbeitung»mitbesonderemAugenmerkaufdenSudanernannt.28

Die Gespräche zwischen 1994 und 2002 können als vertrauens-bildendeUnterredungengesehenwerden, indenensichdieKontra-hentenabtastenundfeststellenkonnten, inwieferndieGegenseitezuZugeständnissenbereitwar, indenenaberauchderPreisernsthafterVerhandlungenunddiedamitverbundenenSchwierigkeitendeutlichwurden.DieseGesprächefandennichtdirektzwischendenKonflikt-parteien,sondernimmerindirektüberdieSchweizerDelegationstatt.NebenvertrauensbildendenMassnahmenundpersönlichenKontaktenerzieltediesePhaseauchein«non-paper»(doc160)derSchweizerDe-legation, indemkonkreteOptionenbesprochenwurden,wiediehei-kelstenFragenangegangenwerdenkönnten.IndiesemPaperwurdedieIdeeeines«asymmetrischenFöderalismus»formuliert,beidemeineRe-gionmehrEinflusshättealsandere.Esistplausibel,dassdieSudanesensichbeidenVerhandlungenfürdenWaffenstillstandindenNuba-Ber-gennichtnurdeshalbfürdieSchweizentschieden,weilsieBotschafterBucher,sondernauch,weilsiedieHaltungderSchweizimHinblickaufdieMachtverteilungimSudankannten,wonachderSüdendesLandeszwareinhohesMassanAutonomieerhalten,sichjedochnichtabspal-

28 Bucher,EineNischefürdenFrieden,S.46.

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tensollte.29JulianHottingerwarandenVerhandlungenfürdenWaf-fenstillstandindenNuba-Bergenbeteiligt,waszuseinemEngagementindemnachfolgendenIGAD/Naivasha-Prozessführte.DerErfolgvonIGAD/NaivashalässtsichanderUnterzeichnungdes«ComprehensivePeaceAgreement»imJanuar2005demonstrieren,mitdemseithergel-tendenFriedenzwischenNord-undSüdsudan.

WelcheMotivationhatdieSchweiz,denFriedenimSudanzuunter-stützen?DeraussenpolitischeBerichtderSchweizfürdasJahr200030bezeichnetedieFriedensförderungalseinesder fünfHauptzielederSchweizerAussenpolitik.DiesePriorisierungwirdunteranderembe-gründetdurch:MehrSicherheit inderSchweizdurchStabilitätundFriedenimAusland,ausgehendvonderErkenntnis,dassdieSchweizinhohemMassevonanderenLändernabhängig istunddassStabili-tätimAuslandauchStabilitätimeigenenLandbedeutet.EineStudiederWeltbank31gehtdavonaus,dassMenschenhandelundMenschen-schmuggel,Drogenhandel,Terrorismus,Infektionskrankheitenundor-ganisiertesVerbrechenzudenindirektenAuswirkungenvoninstabilenLändernauf«entwickelte»Ländergehören.DarüberhinauswirddasEngagementderSchweizbegründetmitden(direktenundindirekten)wirtschaftlichenundpolitischenInteressendesLandes.EinFriedensab-kommenkannbeispielsweisedieTürzuandereneinflussreichenStaatenundOrganisationen(z.B.derUNO)öffnenundsodasinternationaleProfildesLandeserhöhen.AuchhumanitäreTraditionderSchweizspielteineRolle.DadieSchweizvonderwirtschaftlichenGlobalisie-rungderWeltprofitiert,musssieauchalsBestandteildes internatio-nalenStaatensystems,daszunehmendinwechselseitigeAbhängigkeitgerät,einenTeilderdamitverbundenenNegativlastenübernehmen.DieVerhinderungerzwungenerMigrationisteinweitererwichtigerPunkt;

29 Ebd.,48sowieInterviewdesVerfassersmitBotschafterBuchervom26.Mai2006.30 AussenpolitischerBericht2000,PräsenzundKooperation:Interessenwahrungineinerzu-

sammenwachsendenWelt.Bundesrat,15.November2000.http://www.eda.admin.ch/eda/g/home/recent/rep/forpol.html.

31 Collier,Paul/Elliott,V.L./Hegre,Havard/Hoeffler,Anke/Reynal-Querol,Marta/Sambanis,Nicholas.Breaking the Conflict Trap - Civil War and Development Policy. WashingtonDC: WorldBank/OxfordUniversityPress,2003.http://econ.worldbank.org/prr/CivilWarPRR/.

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dieSchaffungvonStabilitätinpolitischlabilenLändernistdiebesteArt,Zwangsmigrationzuverhindern.32

AufderoperationellenEbenewerdendieKriterien fürdasEnga-gement in friedensschaffendenEinsätzen inderBotschaftzumRah-menkredit2002beschrieben.33Dabeiistnichtzuvergessen,dassdieseBotschafterstgeschriebenwurde,alsüberdasSudan-Engagementent-schiedenwurde.DieAnwendungdieserKriterienfolgtentwederdemOpportunitätsprinzip,wonachversuchtwird, sichbietendeGelegen-heitenoptimalzunutzen,odereinem«strategischen»Ansatz,derPrio-ritätensetztundsichaufdiesekonzentriert.ImFalldesSudanfanddasersteModellAnwendung.AlssudanesischeDiplomatendieSchweizumHilfeersuchten,nutztedasEDAdieGelegenheit,umdieessichabernichtproaktivbemühthatte.DerSudanbefandundbefindetsichnochimmerineinerernstenKrise.AlsdasgrössteLandAfrikasgrenztesanneunNachbarstaaten:anEritrea,Äthiopien,Kenia,Uganda,dieDemokratischeRepublikKongo,dieZentralafrikanischeRepublik,denTschad,LibyenundÄgypten(s.Karte1).DieGefahreinerregionalenAusbreitungdesKonfliktsistsehrreal.BeispieledafürsindDarfur,Su-dan-TschadsowiederNord-Süd-Konflikt,dersichaufUgandaauswirkt(Lord’sResistanceArmy),oderdieSpannungenzwischenEritreaundSudanwegenderBeja-Region.Zudenpotentiellengrenzüberschreiten-denEffektengehörenWaffenhandel,VertreibungundMilizen,dieausverschiedenenQuellenfinanziellunterstütztwerdenundgelegentlichStellvertreterkriege imNachbarland führen.FriedenzuschaffenundKonfliktezuvermeiden,istdaheraushumanitärenGründengeboten,

32 BerichtüberMassnahmenzurKonfliktbearbeitungundMenschrechtsforderung,EDA,2004.http://www.eda.admin.ch/eda/g/home/recent/focus/050524.ContentPar.0011.UpFile.tmp/re_050518_humrights_g.pdf.

33 BotschaftzumRahmenkredit2002:DiePolitischeDirektiondesEDAorientiertihrEnga-gementanzehnGrundsätzen:1)GewaltkonfliktemithohemEskalationspotential,2)ObereundmittlereHierarchiestufe,3)ThematischeundgeographischeKonzentration(aussenpo-litischeInteressen,Nachfrage,Einstiegspunkte,internationaleZusammenarbeit,Synergien,kalkuliertesRisiko),4)MittelfristigerPlanungshorizont,5)BedürfnissedervomGewalt-konfliktbetroffenenMenschen,6)UnparteilichkeitundTransparenz,7)PartizipationundRespektvorkulturellerundreligiöserVerschiedenheit,8)Gender-Perspektive:dieRollevonFrauenundMännerninGewaltkonflikten,9)Partnerwahl:multilateraleundbilateralezi-vileKonfliktbearbeitung,10)NotwendigkeitinstitutionellenLernens.

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aberauchdeshalb,weildienegativenAuswirkungeneinesKonfliktsineinerinstabilenRegionoftweitabvonihremUrsprungzuspürensind.

DasSchweizerEngagementimSudanbestehtaushumanitärerHilfe,UnterstützungfürdieUN-MissionimSudan(UNMIS)undzivilenfrie-densförderndenMassnahmenimengerenSinne,wobeidervorliegendeArtikelsichaufletzterekonzentriert.DerhumanitäreEinsatzimSudan

Weisser

Nil

Addis Abeba

Khartum Asmara

Bahr al-Arab

DEMOKR. REPUBLIK KONGO

ZENTRALAFRIK.REPUBLIK

TSCHAD

LIBYEN

ÄGYPTEN

SUDANERITREA

ÄTHIOPIEN

KENIAUGANDA

asch-Schamaliyya

NorthDarfur

North Kordufan

Nile

Red Sea

Kassala

South Darfur

West Darfur

WestKordufan South Kordufan Blue

Nile

UpperNile

Jungali

West- Bahr-

al-Ghazal Warab

al-Buhairat

EastEquatoria

WestEquatoria

Sennar

al-Quadarif

1

2

3

4

5

Hala’ibDreieck

6

Port Sudan

Wadi Halfa

Atbara

OmdurmanBahri

Wad Madani

Kassala

al-Qadarif

Kusti

Nyala

al-Faschir

Waw

Juba

Bur

Malakal

al-Ubayyid

an-Nahud

Nil

Atbara

Blauer Nil

Omo

Bahr al-Jebel

Bahral-Ghazal

Rotes Meer

Turkana-See

Torit

Sobat

Abyei

Nuba-Berge

Be

j a- R e g i o n

1 = Khartoum2 = Gezira3 = White Nil4 = North Bahr-al-Ghazal5 = Central Equatoria6 = al-Wahda

0 km 400 km200

© ETH Zürich, M. Zanoli 2006

Bundesstaatendes Süd-Sudan

deshalb nur zur groben Orientierung dienen.Karte 1: Sudan. Die politischen Grenzen sind z.T. umstritten, und sollen

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begann1994mitderUnterstützungder«OperationLifelineSudan»undindenNuba-Bergen–vorallemimRahmenvonWasser-undHygiene-projektenderUNICEFsowiedesWelternährungsprogrammsinFormvonNahrungshilfe,StrassenbauundhumanitärerMinenräumung.DieKostenfürdenhumanitärenEinsatzderSchweizbeliefensichzwischen2004und2005jährlichauf5MillionenSchweizerFrankenfürdenSüd-sudanund10MillionenFrankenfürDarfur.34DieSchweizunterstütztdenSudanzusätzlichmitca.15MillionenFrankenimJahr2006(ersteZahlungMai2005)überdieUNO-MissionimSudan(UNMIS)–demobligatorischenBeitragvon1,197ProzentalsUno-Mitgliedstaat.35FürdieFriedenspolitikwirdvergleichsweisewenigausgegeben,nämlichca.1,5MillionenFrankenimJahr2006.36ZuderlaufendenSchweizerUn-terstützungfürdenFriedenimSudangehörendasProjekt«HausderNationalitäten»,dasimFolgendenvorgestelltwird,sowieandereIniti-ativen,diehierausPlatzgründennichtbeschriebenwerden,soz.B.dasGurtong-Friedensprojekt37,dasErstellenvonLandkarten fürdenge-samtenSüdsudan,dieNuba-Berge,Darfur,denBlauenNilundAbyei,einStipendiatenprogrammzugunstenvonStudentenausdemSüdsudan,derBesucheinersüdsudanesischenMilitärdelegationinderSchweizimJuni2005,UnterstützungimSicherheitssektorundHilfebeiderEnt-wicklungeinesHausesderKulturenimSüdsudan.38

34 Deza,SchweizerischeDirektionfürEntwicklungundZusammenarbeit,Sudanhttp://www.deza.admin.ch/index.php?langID=6&navID=21093.

35 ZumVergleich:SchweizerBeitraganUnmisJuli06bisJuli0717MillionenCHF.TotalUnmis-KostenimJahrJuli05/Juli06ca.1,2MilliardenCHFundtotalUN-PeacekeepingweltweitimselbenJahrca.4,2MilliardenCHF.Angabenwww.un.org;undUno-Koordi-nationdesEDA.

36 InterviewdesAutorsmitBotschafterJean-DanielBiéler,Bern,26.April2006.37 DasGurtong-Friedensprojekt,dasvonNapoleonAdokGailanciertundvonderSchweizer

unterstütztwurde,hatzumZiel,unterderDiasporaimSüdsudaneineKoalitionfürdenFriedenzuschaffen,dadieseKriegofteherunterstütztalsFrieden.SeitdemProjektstart2001hatsichdieWebsite<www.gurtong.org>zueinemwichtigenInformationsportalent-wickelt,dasentscheidendeDokumentezurVerfügungstellt,GerüchtenentgegenwirktundDiskussionundMeinungsbildungermöglicht.

38 DerKerndesKulturzentrumswärederSitzungssaalfürdieTreffendertraditionellenFüh-rer,umdenherumandereBegegnungsstättenerrichtetwerdenwürden(z.B.Museum,For-schungszentrum,BibliothekundArchive,SchulefürKunstundMusik,Dialog-undFrie-denszentrum,Berufs-undAusbildungszentren,Sportzentrum,usw.).DasProjektversucht,mitderUnterstützungderUNESCO,dasHoNineinekulturelleundwissenschaftlicheUmgebungeinzufügen.EineMachbarkeitsstudiewurdevonKwacakworoausgearbeitet.

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2 Das haus Der natIonalItäten

ImNovember2000organisierteBotschafterBuchereinendreitägigenWorkshopinAberdare(Kenia),umzuerkunden,welcheRegierungs-formfürdenSüdsudaninFragekommenkönnte.DerKriegzwischenNordundSüdhieltan,undFriedenwarnicht inSicht.UngeachtetdessenwarBucherüberzeugt,dassdieFragederRegierungsgewaltfürdenSüdsudandringendangesprochenwerdenmusste.DieIdeeeinesHausesderNationalitätenwurdeindiesemWorkshopinAberdarege-boren.DerfolgendeAbschnittuntersuchtdieBegründungfüreinsol-chesInstrumentderFriedensförderungundKonflikttransformationimZusammenhangmitdemSüdsudan,seinZustandekommenundseineweitereEntwicklung.MethodischistdieseArtderFriedensförderungeinetypischeFazilitationundnichteineMediation.

2.1

SeitderZeitvorderUnabhängigkeitdesLandesimJahr1956warderSüdenvomNordengetrennt;esgabwenigGelegenheit fürdieEnt-wicklungstaatlicherStrukturen imSüden.Dieetwa62ethnischenGemeinschaftendesSüdsudanwurdenvonihrenHäuptlingenauftra-ditionelleWeiseregiert.NachdemAusbruchdeszweitenBürgerkriegswurdedieseRegierungsformüberlagertvondenbewaffnetenOpposi-tionsgruppen(z.B.SPLM/AundMilizen),diewiederumstarkeBin-dungenangrössereStämme(z.B.dieDinkaoderdieNuer)vorweisenkonnten.WährendinderVergangenheitimRahmenvonStammeskrie-geneinigedurchdenEinsatzvonSpeerengetötetwordenwaren,star-bennunHundertedurchdenEinsatzmodernerWaffen.EsgabzwarzahlreicheFriedenskonferenzenzwischendeneinzelnenStämmen(s.Anhang),dochhandelteessichdabeiumAd-hoc-Gespräche.ObwohlvorübergehendRuhegeschaffenwerdenkonnte,wurdenRaubzügeundStammeskriegeanschliessendhäufigwiederaufgenommen.Friedens-konferenzenkonntendiestrukturellenProblemedesSüdsudansnichtlösen.Die traditionellenkulturellenNormenfürKonfliktlösungundVersöhnungwarenverlorengegangen,dadiemodernenKriegenichtin

BegrÜndung fÜr dAs HAus der nAtionAlitäten

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dasmoralischeGefügederjeweiligenKulturfielen.39EsbliebalsodiedringlicheFrage,wiemitdenStammeskonflikten imSüdsudanum-gegangenwerdensollte.KonflikteimSüdendesLandeshabenhäufigeinevieldirektereAuswirkungaufdasÜberlebenderMenschenalsdieSpannungenzwischendemSüdenunddemNorden.

ImGegensatzzueinemausdemWesten40importiertenRegierungs-modellsolltedasHausderNationalitäten,sodieVorstellung,eineInsti-tutionaufderBasisdesexistierendenRegierungsmodellsentwickeln,diederRealität,denBedürfnissenunddenKulturendesSüdsudanRech-nungträgt.41DemHausderNationalitätenliegtdieEinsichtzugrunde,dassdieDiversitätseinerKultureneinendergrösstenReichtümerdesLandesdarstelltunddassdieRechtederethnischenundkulturellenGe-meinschaftengeschütztwerdenmüssen,umFriedenundGerechtigkeitzusichern.DieKulturistdieGrundlagederIdentität,undohneWert-schätzungundRespektgegenüberderWürdeallerkulturellenIdentitätenkanneskeinenFriedenundkeineharmonischekulturelleEntwicklunggeben.FehltderRespektfürdieKultureinerPerson,kanndiesePersonzurückschlagen,umseelischundkörperlichzuüberleben.EinMangelanRespekt fürkulturelleVielfaltkannzumKrieg führen:AlleBür-gerkriegeimSudanwurzeltenundwurzelnimfehlendenRespektderkulturellenIdentitäten.42JedeKulturhatihrenegativenSeiten,undderRespekt fürandereKulturenbedeutetnicht,davordieAugenzuver-schliessen;vielmehrstelltsichdieFrage,wiemansieansprechenkann.DieAntwortlautet:durchDialog–basierendaufVerständnisundRe-spekt.DaherbrauchteseinePlattform,dieeinenDialogzwischenden

39 Perner,The Human Rights of Cultures,S.10.40 Ebd. zeigtdies imFallvonFolter: ineinigenKulturen imSüdsudanwirdesalsvielun-

menschlicherangesehen,einePersoninsGefängniszusperrenstattsiezuschlagen,wennsiediegesellschaftlichenNormenüberschrittenhat.WennwestlicheVorstellungenvonMen-schenrechtenexportiertwerden,bestehtdieGefahreineskulturellenKolonialismus.DieNeigungdesWestens,Menschenrechtezupredigen,istoftkontraproduktiv.DennwennmanMenschenPredigtenhält,wennsiekritisiertwerden,findetkeinDialogstatt,siehörennichtmehrzuunddieKommunikationbrichtzusammen.Vgl.:Perner,The Human Rights of Cultures.

41 Bucher,Josef.InnovativeAnsätzefürdieFriedenspolitik,zurRollevonInstitutioneninderKonfliktbewältigung.In:Neue Zürcher Zeitung,16.Januar2004.

42 Conradin«Kwacakworo»PernerineinemEmailandenAutorvom3.Juni2006.

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verschiedenenKulturendesSüdsudanermöglicht;dieseIdeeliegtdemHausderNationalitätenzugrunde.43

2.2 ABlAuf Bei der umsetZung des projekts «HAus der nAtionAlitäten»

DieRealisierungdiesesProjektskannindreiPhasenunterteiltwerden:dieerstePhasevomBeginndesJahres2000biszurAusweitungaufeinengrösserenPublikumskreis2003;diezweitePhase,diedurchWorkshopsundKonferenzengeprägtist;unddiedrittePhaseder«NubaMountainsTraditionalLeadersConference»seitJuli2005.

2.2.1 erste pHAse: Beginn und entwicklung der idee44

ImNovember2005eröffneteBotschafterBucheroffizielldieKonferenzinAberdare,welchevonIntellektuellendesSüdsudansbesuchtwurde.BucherzogsichnachderEröffnungzurück,umdieLeitungderWork-shopsindenHändenderSüdsudanesenzubelassenundderKonferenznichtdenEindruckeiner«hochkarätigendiplomatischenSchweizerVeranstaltung»zugeben.ZweiSchweizernahmenanderVeranstaltungteil:AndreaSemadenialsadministrativeFachkraftundConradin«Kwa-cakworo»PerneralsExpertedesSüdsudans.KwacakworowirdvondenmeistenSüdsudanesenakzeptiert;erbeschäftigtsichseit1974intensivmitdemLand,hatfünfJahremitdemStammderAnyuakgelebtunddabeiihreSpracheundKulturgelernt.WährenddesWorkshopshieltersichalsZuhörerimHintergrundauf,warjedochjederzeitbereiteinzu-greifen.DieDivergenzenzwischendenTeilnehmernwarengross.DerkenianischeMenschenrechtsaktivistDr.WillyMutungamoderiertedenAnlass.WährenddesBrainstormingsbrachteeinStammesältesterausdemSüdsudandieIdeeeines«HausesderNationalitäten»(HoN)auf.HoNsolltealsForumfürallesüdsudanesischenStämmedienen,indemmansichgleichberechtigtüberungelöstepolitischeundkulturelleProblemeunterhaltenkonnte.Dr.PeterAdwokNyabawurdedamitbe-auftragt,dieseIdeeinWortezufassen.ImJanuar2001unterbreiteteereinGrobkonzeptfürdasHoN,welchesjedochnichtunbedingtin

43 Perner,The Human Rights of Cultures.44 GemässdenInterviewsmit«Kwacakworo»,SalmanBalundJosefBucher,Mai2006.

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diplomatischerSpracheverfasstwar.DaPeterAdvokbekanntwarfürseinekritischeEinstellunggegenüberderFührungderSPLM/A,wurdedasHoNvonAnfanganfälschlicherweisealsAnti-SPLM/AProjektbetrachtet.UmdasKonzeptkonsensfähigerzumachen,wurdeesimnachhineinvonmehrerenPersonenüberarbeitet.

ImDezember2001fandinNairobieineintägigerWorkshopstatt,beidem30prominenteSüdsudanesendieIdeedesHoNguthiessen.DaraufhinwurdeimJanuar2002dieendgültigeVersiondesHoN45ineinemkleinenBlauenHeftfestgehalten;seineZielewerdendarinwiefolgtbeschrieben:

1.einen Ort zur Verfügung stellen, an dem sich alle ethnischenGemeinschaftendesSüdsudanstreffenkönnen,

2.dieWürdeallersüdsudanesischenGesellschaftenanerkennenundfördern,

3.eine Institution darstellen, die als erste Ansprechpartnerin derRegierung bei der Ausarbeitung von Gesetzen und RichtlinienbetreffendderGemeinschaftendient,

4.eine Grundlage bilden für die Identität eines Sudans «alsSchmelztiegel der kulturellen Vielfalt», was dem Konzept derVorherrschaftdurcheineeinzigeGruppierungwiderstrebt,

5.alsTreffpunktzurBeilegungvonStreitigkeitendienen.IndennachfolgendenJahrenwurdenzahlreicheWorkshops,Konfe-renzenundweitereAnlässeorganisiert,durchdiedasHoNbekanntwurde.EineSchlüsseldynamikentwickeltesichdabeiüberdieVerbrei-tungderIdeenineinemweiterenKreisvonStakeholdern,z.B.beiJu-gendlichen,Frauen,derDiaspora,StammesführernundderSPLM/A.DerdritteHoN-WorkshopfandimJanuar2003imHotelPanafricinNairobistatt;ungefähr80Personen,welcheamEndedasKonzeptaus-drücklichunterstützten,nahmendaranteil.46EinHoN-Komitee,beste-hendausVertreternderdreisüdsudanesischenRegionen,derKircheund

45 Vgl.HausderNationalitätenhttp://www.houseofnationalities.org/.46 DarunterwarenVertreterderZivilgesellschaft,Nichtregierungsorganisationen,SPLM,ver-

schiedenesudanesischePersönlichkeitenundVertretervonUNICEF.AufSchweizerSeitewarenesBotschafterBucher,«Kwacakworo»undThierryRegenass.

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derdieZivilgesellschaftvertretendenNGOswurdegegründet.AufgabedesKomiteeswares,eineKonferenzzuorganisieren,anderdieFührerundKönigeallerethnischenGemeinschaftendesSüdsudansteilnehmenwürden.DasKomiteekonntedieseAufgabeaufgrundinternerDiver-genzenundwegendesWiderstandesgegendieIdeedesHoNseitensderSPLM/A-Führungnichterfüllen.DieSPLM/Aihrerseitswarin-terngespalteninderFragedesHoN.JohnGarang,dieNummereinsinderSPLM/A,wardemHoNgegenüberkritischeingestellt.SalvaKiirMayarditundRiekMacharTeny,NummerzweiunddreiinderSPLM/A,warendemHoNwohlgesinnter,aberihreEinstellungwurdelangeZeitnichtöffentlichkommuniziert.ObmanfürodergegendasHoNwar,hingalsoauchdavonab,mitwelcherPersonmansympathi-sierte.NebendieserzwischenmenschlichenDimensiongingendieMei-nungenauchbetreffendInhaltauseinander:InwiefernsolltedieBasisinderStaatsführungsstrukturmiteinbezogenwerden,undwiekonntedasdelikateKräftegleichgewichtzwischendentraditionellenFührernundderpolitischenElitederSPLM/Aineinem«neuenSudan»stabi-lisiertwerden?DieSPLM/Awarunschlüssig,obsiedembottom-up-KonzeptderRegierungsführungzustimmensollteodernicht.AuchdieumstrittenePersonPeterAdvoksspaltetedieSPLM/A,woraufdieserseinEngagementreduzierte.

2.2.2 Zweite pHAse: konferenZen fÜr die jugend und fÜr die frAuen47

NachdemderVersuchdesHoN-Komitees,eineKonferenzfürdieAn-führerzuorganisieren, fehlgeschlagenwar,entschiedensichdiedemProjektwohlgesinntenSüdsudanesenundBotschafterBucherund«Kwa-cakworo»aufSchweizerSeite,neueWegeaufeinerwenigeroffiziellenEbeneeinzuschlagen.ImfolgendenwerdenexemplarischdieTreffenderJugendundderFraueninundausserhalbdesSudanbesprochen.

AufdieInitiativevonjugendlichenSudanesenausNairobiwurdenvierJugend-Workshopsorganisiert,einerimJahr2003inKeniaunddreiweitereimSüdsudan:2003inAkon,Bahr-el-GhazalundinÄquatoria

47 BasierendaufInterviewsmit«Kwacakworo»sowieauf:Perner,Conradin:InternerArbeits-berichtüberdenAufbaudesgeplanten«HouseofNationalities»imSüd-Sudan,währenddesJahres2003unddenerstenMonatendesJahres2004.

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und2004inderoberenNil-Region.DieJugendlichenwarenmotiviert,aktivandenpolitischenDiskussionenteilzunehmen.Siefühltensichallgemeinmarginalisiert,danurdieStammesältestenEinflussaufdenpolitischenProzessausübenkonnten.WährenddesAkon-WorkshopsgingesnichtzuletztwegengrosserinternerUnterschiederechtturbu-lentzu.ZumindestaberverhalfdieserAnlassdemHoNzugrosseröf-fentlicherBeachtung.DiebeidenfolgendenWorkshopswarenharmo-nischerundvielproduktiver,dadielokalenJugendgruppendieAnlässegutorganisierthatten,undselbsthohepolitischeFührerderSPLM/AwieJohnsonJumaOkot(StellvertretenderPräsidentderRegionÄqua-toria)undRiekMacharTeny,nahmendaranteil.DieAnlässewurdenzueinemForumdesDialogszwischenJugendlichenundwichtigenpo-litischenPersönlichkeitenderRegion.

AufbauendaufdemJugend-Workshop inKarenvon2003organi-siertedas«ForumJungerFrauen»imNovember2003einenAnlassfürFrauen;dabeiberiefensiesichaufdieIdeedesHoN.DieFrauenbe-tonten,dasssieinderGesellschaftamstärkstenmarginalisiertwürdenunddassdahergrosserBedarfbestehe,sieaktiverindenProzessfürdieZukunftdesSüdsudanseinzubinden.FrauenallerAltersschichtenundausallenRegionendesSüdsudanssowieausUgandaundKenianah-menteil.ZuBeginneinesjedenTageswurdenTänzeaufgeführt,undeswurdegesungen,wasRaumschuffüreinekreativeunderbaulicheDiskussion.MamaKezia,dieBeauftragtederSPLMfürFrauenundGender-Angelegenheiten,eröffnetejeweilsdasTreffenundbetonteda-beidieWichtigkeitdesHoNalsfriedensstiftendesInstrumentfürver-antwortungsbewussteRegierungsführung.AngelinaTeny,dieFrauvonRiekMachar,wardieFazilitatorindesWorkshops.WährenddiedemHoNwohlgesinntenMännerderSPLM/AsichübereinelängereZeithinwegvorsichtigverhieltenundkeineöffentlichenAussagenmachten,triebendieSPLM-FrauendasVorhabendesHoNzügigvoran.AusihrerSichtwareinklaresBedürfnisda,jeneAspekteihrerKulturöffentlichanzusprechen,unterdenenFrauenzuleidenhaben.DasHausderNati-onalitätenbildetedazudasgeeigneteForum,dennaneinemglaubwür-digenDialogüberGender-AnliegenmusstenauchdieStammesführerbeteiligtsein.DerName«HausderNationalitäten»wurdeeinem«HausderFührer»bewusstvorgezogen,umaufdieBeteiligungallerinderGe-

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sellschafthinzuweisen.DasHausderNationalitätengehörtdemVolk,allenNationalitätendesSüdsudans.AufArabischwurdederName«el-Mazallael-kawmiya»verwendet,was«Schirm»oder«Balkon»bedeu-tet.WährenddieserZeitorganisierteJeremiasBlasereineStudienreisenachBotswana,wobeizehnSüdsudanesendieGelegenheiterhielten,dietraditionelleRegierungsstrukturvorOrtkennenzulernenundübereinemöglicheExtrapolationaufdasBeispielSudanzudiskutieren.

GegenEndedieserPhase,indersichdasHoNlangsamzuetablierenbegannundinganzSüdsudanbekanntwurde,bekundeteneinigeFührerderSPLM/AihrenUnmutdarüber,undAnhängerdesHoNwurdenzumTeilbedrohtodersogardazugezwungen,denSüdsudanzuver-lassen.DievonderSPLM/AorganisierteundvonUSAIDfinanzierteKamuto-KonferenzvonJuni/Juli2004,zuderungefähr300KönigeundStammesführereingeladenwaren,kannalsVersuchgewertetwerden,dieStammesführerzuvereinen.DieSPLM/AhandeltealsoeinerseitsgemässdenIdealendesHoN,indemsiedieStammesführerSüdsudanszusammenbringenwollte,beanspruchteandererseitsaberimmernochdieHauptkontrollefürsich.AufgrundderablehnendenStimmungderSPLM/AgegenüberdemHoNmusstenalleAktivitätendesHoNnachderKamuto-Konferenzabgeschwächtwerden. ImmerhindeutetedieKonferenzan,dassdieSPLMA/Aerkannthatte,dassdietraditionellenStrukturenineineFührungsstrukturdesSüdsudanseingebundenwer-denmüssen–auchwenndiegenaueForm,derNameunddieRollederbeteiligtenParteiennochzudiskutierenwaren.

2.2.3 dritte und Aktuelle pHAse: konferenZ fÜr die trAditionellen AnfÜHrer in den nuBA-Bergen 48

DiedrittePhase istdurcheinezunehmendepolitischeAnerkennungderwichtigenRolledertraditionellenAutoritätenseitensdersüdsuda-nesischenRegierungundinternationalerOrganisationen(z.B.UNDP)charakterisiert.DasHoNkonntenachdemTodvonJohnGarangam

48 BasierendaufInterviewsmit«Kwacakworo»und:Perner,Conradin,KwacakworosinternerArbeitsberichtüberdenAufbaudesgeplanten«HouseofNationalities»imSüdsudan,imSommerundHerbstdesJahres2004.Sieheauch:Perner,Conradin,Kwacakworosinter-nerArbeitsberichtüberdenAufbaueines«HouseofNationalities»imSüdsudanundindenNubaBergenJanuar-Oktober2005,Dezember2005.

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30.Juli2005miteinerbreiterenUnterstützungderSPLM/Arechnen.NurwenigeMonatevordemtödlichenHelikopterabsturz fandvom14.bis16.AprilinNeuchâtelinderSchweizeineKonferenzüberdasHoNstatt.DieserAnlasskannaufeineInitiativederSchweizerAus-senministerinMichelineCalmy-Reyzurückgeführtwerden,welchedenSudanimJuni2004besuchthatteundsichnachdemFriedensabkommenvomJanuar2005füreineEntwicklungderIdeedesHoNunterinter-nationalerBeteiligungstarkmachenwollte.DieTeilnehmerderKonfe-renzinNeuchâtelwarenhochrangigeDiplomaten,prominenteWissen-schaftler,SPLM-Persönlichkeiten,sudanesischeIntellektuelleundzumerstenMalauchtraditionelleAnführerausBotswanaunddemSüdsudan.AlsErgebnisderKonferenzkannfestgestelltwerden,dassdieIdeedesHoNklarunterstütztwird,unterdemVorbehaltspezifischerEmpfeh-lungenbetreffendseinerBedeutungundFunktion.DavonSeitenderSPLM/AsowohlBefürworteralsauchGegnerdesHoNanderKon-ferenzteilnahmen,konntedasKonzeptauchparteiinterngeklärtwer-den.NachdemTodJohnGarangswurdeSalvaKiirneuerAnführerderSPLM/A,waszueinerkonstruktiverenHaltungderBewegunggegenü-bertraditionellenFührungsstrukturenführte.UnteranderemdankderKonferenzinNeuchâtelsichertesichdasHoNaucheinengutenNamenbeiInternationalenOrganisationenwieUNDP,UNESCO,etc.

Vom17.bis22.Juli2005wurdeindenNuba-Bergen,inJulud,eineKonferenzder traditionellenStammesführerorganisiert,ander150FührerderNubateilnahmen,diejezurHälfteausSPLM/A-undre-gierungskontrolliertenGebietenkamen.NubawirdzwarnichtzumSüdsudangezählt,stelltabereinederdreiumstrittenenRegionenimKonfliktzwischendemNordenunddemSüdendesLandesdar.AnderKonferenzwurdedieschwacheEinheitderRegionalsHauptproblemerkannt:dieRegionistvonderRegierunginKhartumundderSPLM/Aleichtmanipulierbar.Organisiertvon«NubaRelief,RehabilitationandDevelopmentOrganization»(NRRDO,OrganisationfürHilfe,Wie-dereingliederungundEntwicklunginNuba),wurdedieKonferenzvonderSchweizerRegierungfinanziert.ZuletztkonntenEmpfehlungenvorgelegtwerden,dieRollederStammesführer,dieUnterstützungfüreinefriedlicheKoexistenzunddasManagementderknappenRessourceLandzuklären.Esistbemerkenswert,dassfür2006eineweitereKon-

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ferenzindenNuba-Bergengeplantist,diesesMaljedochmitdemZiel,ein«HouseofChiefs»(einHausderStammesführer)zugründen–eineWeiterführungderIdeedesHoN,dieaufdieNuba-Regionzugeschnittenist.SolltedieseKonferenzerfolgreichsein,kannsiealsMeilensteininderGeschichtederEntwicklungdesHoNzitiertwerden.ImSüdsudanwirdderzeitimmernochüberdieUmsetzungdesHoNdiskutiert,z.B.überFragenzurAusgestaltungdesTagungsortesoderzumGleichge-wichtzwischenpolitischenundkulturellenDimensioneneinessolchenForums.Einigestellensichvor,dassjederderzehnStaatendesSüdsudanseineigenes«Haus»erhältunddieVersammlungallerNationalitätenimTurnusindeneinzelnenHäusernabgehaltenwird.ImlaufendenJahristaucheineStudienreisefürdieStammesführergeplant.Dabeiwerdenmehrals20FührerausdemSüdsudan,denNuba-Bergen,AbyeiunddemSüdlichenBlauenNilvonSüdafrika,BotswanaundGhanaeinge-laden,umvorOrtvondenpositivenErfahrungenvonanderentraditi-onellenRegierungsstrukturenAfrikaszuprofitieren.

GrundsätzlichwurdedieIdeedesHoNvonallenParteienangenom-men.DasHoNwirdjetztvermehrt«TraditionalLeadersForum»(Fo-rumdertraditionellenFührer)oder«CouncilofTraditionalAuthorityLeaders»(RatdertraditionellenStammesführer)genannt.DasKonzeptistverankertinderInterimsverfassungdesSüdsudanundanerkenntdieRolledertraditionellenStammesführerunddieRechtevonethnischenundkulturellenGesellschaften49.DerAnsatzdesHoNwirdauchvonpolitischenFührerndesSüdsudans,z.B.demPräsidentenderRegion,50undInternationalenOrganisationenwieUNDPunterstützt.Trotzdembleibtnochvielzutun,umdieIdeeweiterindiePraxisumzusetzen.DasHoNkannalswichtigerBausteininderRegierungsführungdesSüdsudanverstandenwerden,daesdieBevölkerungmitdempolitischenProzessvernetzt.DerpolitischeProzess seinerseitswurdedurchdieFriedensverhandlungenunddiedarauffolgendeInterimsverfassungderRegierungderNationalenEinheitimSudaninGanggesetzt.

49 Article37,172and173intheInterimConstitutionofSouthernSudan,2005,http://www.gurtong.org/constitution.asp.

50 Vgl.dieRededesPräsidentendesSüdsudanvordemsüdsudanesischenParlament.Lt.Gen.SalvaKiirMayardit,vom10.April2006,http://www.gurtong.org/ResourceCenter/week-lyupdates/wu_contents.asp?wkupdt_id=299life».

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3 DIe waffenstIllstanDsverhanDlungen für DIe nuba-berge

DerDruckderUSAaufdiesudanesischeRegierungtrugdazubei,dassletzterezuWaffenstillstandsgesprächenfürdieNuba-Bergeeinwilli-gte–einProzess,derimfolgendengenauerbeschriebenwird.Am20.August1998beschossen13US-MarschflugkörpereinepharmazeutischeFabrikinKhartumalsVergeltungsmassnahmefürBombenanschlägeaufUS-BotschafteninNairobi,KeniaundDar-es-Salaam,Tansaniaam7.AugustdesselbenJahres,beidenen301Menschengetötetwordenwa-ren.51DieUSAwarenüberzeugt,dassal-QaidaunterOsamabinLadenhinterdenBotschaftsanschlägensteckte.BinLadenhattesichvon1992bis1996imSudanaufgehalten,52unddieUSAwarenüberzeugt,dasseseineVerbindunggabzwischenbinLadenundderAl-Shifa-Chemiefa-brik,dadieFabrikangeblichanderHerstellungvonChemiewaffenbe-teiligtwar.DieStichhaltigkeitderBeweisewurdeallerdingsinZweifelgezogen,53unddieEntscheidungWashingtonsimJahr1999,dasVer-mögendesFabrikbesitzerszuentsperren,wirdalsstillschweigendesEin-geständniseinesgrobenFehlersderUS-Regierungverstanden.54Den-nochhegtendieUSAaufgrundvonbinLadensVerbindungenindenSudanundwegenderfundamentalistisch-islamischenAusrichtungdersudanesischenRegierungweiterhinstarkenVerdachtgegendenSudan.NachderAmtseinführungderBush-AdministrationimJahr2001understrechtnachdem11.September2001wolltendieUSAherausfinden,aufwelcherSeitesichdiesudanesischeRegierungpositionierte.Zudie-semZweckbeauftragtePräsidentBushUS-SenatorJohnDanforth,denSondergesandtenfürdenFriedenimSudan,dengutenWillenderSu-danesenaufdieProbezustellen.Einerder«Tests»warderAufrufandieParteien, sichaufeinenWaffenstillstand ineinerbegrenztenRe-

51 BBCNews,World:Africa,Sudan:US«mistaken»inbombing,5.May1999http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/africa/335821.stm.

52 BinLadenheirateteimSudandieNichtedesFührersdersudanesischenMuslim-BruderschaftundsehreinflussreichenPolitikersHassanal-Turabi.Wikipedia,27.Mai2006http://de.wikipedia.org/wiki/Osama_bin_Laden#1992.E2.80.931996_Hauptquartier_Khartum.2C_Sudan.

53 Risen,James.ToBombSudanPlant,orNot:AYearLater,DebatesRankle.In:The New York Times,27.October1999.

54 BBCNews,World:Africa,Sudan:http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/africa/335821.stm.

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giondesSudanzueinigen.55ManeinigtesichaufdieNuba-Berge.DerPlanwar,sichaufeinGebietzukonzentrieren,dasvomKriegverheertundwoderHungeralsWaffeeingesetztwordenwar,das jedochzu-gleichfürkeinederzweiwichtigstenKonfliktparteienvonstrategischerBedeutungwar.DiesesVorgehenmachteKompromisslösungenwahr-scheinlicher.56DieBeteiligungdersudanesischenRegierungandiesenGesprächenistwohldaraufzurückzuführen,dasssiebefürchtenmusste,vondenUSAbombardiertzuwerden,wennsienichteinZeichendesgutenWillenssetzte.

ImJahr2002vermittelteeinTeamausSchweizernundUS-Amerika-nern,angeführtvonBotschafterBucher,einenWaffenstillstandfürdieNuba-BergeimSudan.FürdieDurchführungderVerhandlungenhattendieUSAauchLändermitgrösserenfinanziellenRessourcenundgrös-serempolitischemWillenfüreinEngagementimSudanalsdieSchweizinBetrachtgezogen.Aufgrund ihres langjährigenVertrauensverhält-nisseszuBotschafterBucherentschiedensichdieSudanesenjedochfürdieSchweiz.AuchdenUSAwardieEinbindungderSchweizgenehm,dadieAusgliederungdesersten«Tests»aneinanderesLandWashing-tonerlaubte, sichvondemVersuchzudistanzieren, fallserscheiternsollte.57BemerkenswertwarauchdersehrkurzeVorbereitungszeitraumzwischenDezember2001,alsdieFragedesVerhandlungsortesdisku-tiertwurde,undMitteJanuar2002,alsdieDelegierteninderSchweizeintrafen.58NebenallgemeinenVorbereitungenstelltendieSchweizerwährenddieserZeiteineLandkarteaufderGrundlagealterrussischerKartenher.DiesewarvonbessererQualitätalsdieKarten,diediesu-danesischeDelegationmitbrachte.SpäterunterstütztendieSchweizeraucheinProjektderUniversitätBernzurHerstellungeinesKartenwerksaufderGrundlagevonSatellitenbildern.59

55 Die«Tests»vonDanfurthwaren:«(1)aceasefireintheNubaMountainsregiontofacili-tatereliefassistance;2)thecreationof«daysoftranqility»toadministerimmunizationsandprovidehumanitarianreliefassistance,3)anendtoaerialbombardmentofciviliantargets,and4)thecreationofanEminentPersonsGrouponslaveryinSudan.»Dagne,Ted.Sudan:HumanitarianCrisis,PeaceTalks,Terrorism,andU.S.Policy.

56 Bucher,EineNischefürdenFrieden,S48.57 Ebd.,S.49.58 Ebd.59 Ebd.

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DieMitgliederdesMediationsteamskamenausdenUSAundderSchweiz.BeideRegierungenstelltenjedreiOffiziere,einenRechtsbe-raterundzweiDiplomaten.AmerstenTagwurdenVerfahrensfragenbesprochen.Maneinigtesichdarauf,eingangsdirekteKontaktezwi-schendenKonfliktparteienzuvermeidenundparalleleTreffenabzuhal-ten,wobeidieeineSeitesichzunächstmitmilitärischenunddieandereSeite sichmitpolitischen/juristischenFragenbeschäftigensollteundanschliessendgewechseltwurde.AmzweitenTaglegtendieParteien,immernochingetrenntenSitzungen,dieStellungenihrermilitärischenStreitkräfteoffen.GleichzeitigwurdenverschiedeneOptionenfüreineinternationaleBeobachtermissionausgelotet.AmdrittenTagwurdendieVerhandlungenschwieriger,dadiesudanesischeRegierungsoforteinallgemeinesWaffenstillstandsabkommenunterzeichnenunddieDetailsspätervorOrtregelnwollte.DasTeamausSchweizerundUS-amerikanischenVermittlerliesssichjedochaufdiesenVorschlagnichtein,weilbeieinerEntflechtungvonTruppenderTeufelimDetailstecktundweildiemangelndeKlarheiteineinternationaleBeobachtermissionunmöglichgemachthätte.DaherunterbreitetediesesTeameinenkon-kretenVorschlagbezüglichderRückzugsgebietefürdieverschiedenenTruppen.DerVorschlagwarsowohlfürdiesudanesischeRegierungalsauchfürdieSPLM/AeinSchock.DadurchwurdejedochamviertenTageineneueEntwicklungmöglich,dadieParteienzurKorrekturdesEntwurfszuweiterenOffenlegungengezwungenwaren.DervierteVer-handlungstagbestandausweiterenseparatenGesprächen.DasMediati-onsteammachtedaraufhineinennochkühnerenVorschlagfürweiterge-hendeTruppenentflechtung,derauchdasRechtderSPLM/AaufeineZivilverwaltunginihremGebietbeinhaltete.DerVorschlagwurdedenParteienangetragenundstiessaufeisigesSchweigen.AmfünftenTagwardennochklar,dasssiesichprinzipiellaufdenVorschlageinlassenwürden.DieDetailswurdenwährenddiesesTagesundinderfolgendenNachtdiskutiert,bismansichum7UhrmorgensamsechstenTagaufdieendgültigeVersioneinigte.DaraufhinwurdeamMittagdes19.Ja-nuar2002dasWaffenstillstandsabkommenmiteinerLaufzeitvonsechs

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Monaten(späterverlängert)unterzeichnet.DieReaktionenimSudanfielenpositiverausalserwartet.60

WaffenstillstandsverhandlungensindmeistvonkurzerDauer:WennsielängeralszweiWochendauern,deutetdiesaufProblemehin.DerAblauferfolgtmeistindenfolgendenSchritten:1)DieKämpfewerdenbeendet;2)dieTruppenwerdenausderGefechtszoneverlegt;und3)haltenihreneueStellung.IndiesemZusammenhangwerdenalleBe-teiligtenmitvielenmilitärischenundtechnischenFragenkonfrontiert.HierbestehteindeutlicherGegensatzzuVerhandlungenimHinblickaufFriedensabkommen,diemehrOptionenoffenhalten.Friedensver-handlungenkönnendaherJahredauernundsetzendenAufbaueinergesellschaftlichenVisionvoraus61,wie imFalldesIGAD-Prozesses,derimfolgendenbeschriebenwird.DerWaffenstillstandfürdieNuba-BergehieltundwurdespäterdurchdasCPAersetzt.OhnedenIGAD-ProzessüberpolitischeFragenhättenaufdenWaffenstillstandindenNuba-BergensehrwahrscheinlichweitereVerhandlungenüberpolitischeFragenfolgenmüssen.

DerWaffenstillstandindenNuba-BergenwareinwichtigerSchrittinRichtungeinesFriedensfürdenSudan.AlleinschondieVorstellung,diemilitärischeKontrolleübereinTerritoriumabzugeben,einigederTruppen ineinembestimmtenGebietabzuziehenunddiese in ihrenneuenStellungenzubelassen,währendanderswonochGefechtestatt-finden,istverblüffend.DieUmsetzungdesAbkommenswurdevonderGemeinsamenMilitärkommission(JointMilitaryCommission,JMC),einemgemischteninternationalenTeamunterderLeitungdesNorwe-gersJanErikWilhelmsen,erfolgreichdurchgeführt(vomsudanesischenStandpunktkameineBeteiligungderUNOnichtinFrage).DieUSAkonntendieFührungsrollenichtübernehmen,dadiesgegenihreeigenenSanktionengegendenSudanverstossenhätte,unddieSchweizverzich-tete,dadasschweizerischeMilitärgesetzdenEinsatzvonMilitärperso-nalnichterlaubt,wennsienichtvoneinemUNO-oderOSZE-Man-datgedecktwerden.SoversäumtedieSchweizeineGelegenheit,ihre

60 DieserAbschnittisteineZusammenfassungdesBerichts,wieerbeiBucher,EineNischefürdenFrieden,S.49–52,dargestelltist.

61 InterviewdesVerfassersmitJulianThomasHottingervom4.Mai2006.

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zivileFriedensarbeit(MediationbeiVerhandlungen)durchmilitärische(UmsetzungdesWaffenstillstandsabkommens)zuergänzen.DennochstelltedieSchweizeinigezivileExpertenzurVerfügung,soz.B.Conra-din«Kwacakwaro»Perner,denerstenSektor-KommandantendesJMCimSPLM/A-Sektor(einervondrei,späterfünfJMC-Sektoren).Rück-blickendwarenvieleNubierglücklichermitdemJMCundderUmset-zungdesWaffenstillstandesfürdieNuba-BergealsmitderUmsetzungdesspäterenCPA.62DasCPAerlaubtekeinesolchmassgeschneiderteLösungfürdieNuba-Region,undwederdieSPLM/AnochdieRegie-rungdesSudanwarenandengemeinsamenÜberwachungsteamsbe-teiligt,sowiesieeszuvorimRahmenderJMC-Teamsgewesenwaren(dieausinternationalenExperten,derSPLM/A,unddersudanesischenRegierungbestanden).

WaskannmanmethodischausdemWaffenstillstandsabkommenfürdieNuba-Bergelernen?WichtigeSchrittesinderstens,einVertrauens-verhältnisherzustellen,undzweitenszuzeigen,wasmananbietenkannundwasnicht,ohnedieGegenseitezubedrängen.Diesbedeutetjedochnicht,dassLeisetretennotwendigist–indenVerhandlungenkamenDruckmittelundDurchsetzungsfähigkeitzumZug,aberbegleitetunderträglichgemachtdurcheineVertrauensbasis,diebereitsindenVor-verhandlungenaufgebautwordenwar.DierichtigeDosierungdesVer-handlungsdrucksisteineähnlicheHerausforderungwiedieEinfassungeinesFlussufers:SinddiebeidenUferzuweitauseinander,fliesstdasWassernichtab;sindsiezunaheaneinander,sofliesstdasWasserzuschnellundbeschädigtdieBöschung.

ObgleichkonkreteLösungswegevorgeschlagenwurden,undzwaruntypischerweiseschoninderVorverhandlungsphaseim«doc160»,ge-schahdieserstnachsorgfältigerRechercheundnachAnhörungallerKonfliktparteien–einProzess,dervieleJahredauerte.Dahergehtesum

62 MeyAhmed,ineinemEmailandenAutor(17.Mai2006):«TheSwissinvolvementintheNubaMountainsCeasefireiswellappreciatedbytheconflictingpartiesandSudanesepoli-ticians.ItledtobridgebuildingbetweenthefightersintheNubaareas.TheSwissinterven-tionaimedatdevelopingrelationsbetweenthedisputinggroupsthroughregularmeetinginTillo(Kadugli).TothisdatetheCPA,however,isstilljustanagreement.TheNubapeoplemisstheSwissinterventionduringtheJMCperiod,especiallytheurgentactionifanyclas-heshappened,aswellastheperiodicalnewsdisseminationconcerningthedevelopmentinthepeaceprocess.»

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einenAnsatz,deraufAufmerksamkeit,Zuhören,Verständnisberuht,wobeiderVermittleranschliessendaufdievernommenenGemeinsam-keitenzurückkommt–undauchoffenlässt,wiedieKonfliktparteiendieseweiterentwickeln.DerAustauschvonStandpunktenundEinfüh-lungsvermögenindieSichtderBeteiligtenaufProblemeundOptionensinddieBasis fürdieEntdeckungvonmöglichengemeinsamenInte-ressenderAkteure.

DerFalldesSudanzeigtauch,dasseinBotschafterzuBeginneinezentraleRollespielenkannunddassseinpolitischerStatuszudiesemZeitpunktvonBedeutungseinkann,dassjedochbeieinemintensiverenEngagementdieNotwendigkeitbestehenkann,diesePersonvonihrenklassischenAufgabenalsBotschafterderSchweizzuentbindenundvoll-zeitigfürdieAufgabedesFriedensaufbausabzustellen.DieErnennungvonBotschafterBucherkannalssinnvolleFormderRotationgesehenwerden,daerdieaneinemDienstort(Libyen)gewonnenenErfahrungenundKontakteinseinerzweiten(Kenia)unddrittenStelle(Konfliktbe-arbeitung,mitSchwerpunktSudan)nutzenundausbauenkonnte.

4 DIe meDIatIon Des comprehensIve peace agreement (cpa)

Zwischen1972und2005gabesmindestens25AnsätzefürdirekteoderdurchDrittevermittelteGesprächezwischendenverschiedenenKon-fliktparteienimNord-undSüdsudan.DarunterwarenauchMediati-onsversuchedurchmindestenssiebenverschiedeneMediatorenoderMe-diatorenteams(s.dieÜbersichtsdarstellungimAnhang).DerfolgendeAbschnittbeschäftigtsichmitdenvonderIntergovernmentalAuthorityonDevelopment(IGAD)63geleitetenGesprächen,dieaufdasWaffen-stillstandsabkommenfürdieNuba-Bergefolgten.DerersteAbschnittbeschreibtdenIGAD-Prozess,derzweitedasdarausresultierendeum-fassendeFriedensabkommen(CPA),derdritteuntersuchtdenMediati-onsprozessuntermethodischenGesichtspunkten.

63 DieIGADistdieehemaligeZwischenstaatlicheBehördefürDürreundEntwicklung(In-tergovernmentalAuthorityonDroughtandDevelopmentIGADD)inOstafrika.Vgl.http://www.igad.org.

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4.1 der igAd-proZess

DerIGAD-ProzesskanninfünfPhasenunterteiltwerden:1)DieGe-sprächezwischen1994und1997,diewenigegreifbareErgebnissebrach-ten;2)dieIGAD-Gespräche,die2002begannenundimJulidesselbenJahreszurUnterzeichnungdesMachakos-Protokollsführten,daseinenwichtigenDurchbruchdarstellte;3)dieNakuru-GesprächevonOkto-ber2002bisJuli2003,wobeinurwenigeFortschrittezuverzeichnenwaren;4)diedarauffolgendenVerhandlungeninNaivasha,diezurUn-terzeichnungderSicherheitsabkommenam4.September2003führten;und5)dieGesprächeimJahr2004,diezurUnterzeichnungdesCPAimJanuar2005führten.64

ErstePhasevon1994–1997:DieIGAD,eineregionaleOrganisationzurFörderungder regionalenStabilität,hatteausSorgevorderVer-breitungdespolitischenIslamundimInteressederEinheitdesSudanbereitsimJahr1994einenProzesszwischenderSPLM/A,derSPLM/A-UnitedunddersudanesischenRegierungangestossen.65DieParteienkamenandenVerhandlungstisch,weilsieSanktionenundIsolierungdurchdieIGAD-Länderbefürchtenmussten.DieseGesprächeführtenam20. Juli1994zuderDeclarationofPrinciples (DOP,Grundsatz-erklärung)überdasRechtdesSüdsudanaufSelbstbestimmung,dievorrangigeBedeutungderEinheitdesSudanunddasVerhältniszwi-schenStaatundReligion.DieDOPboteinennützlichenRahmen,warjedochunverbindlichundunklarbezüglichderImplementierungundwurdevondersudanesischenRegierung imJahr1997nurunterVor-behaltakzeptiert.66

ZweitePhaseimJahr2002:Ab2002wurdendieIGAD-GesprächevomkenianischenSondergesandten,GeneralLazaroSumbeiywo,gelei-tet.JulianThomasHottinger,derzuerstamInstitutfürFöderalismus67unddannabDezember2003alsExpertedesEDAarbeitete,wurdegebeten, sichdemIGAD-Mediationsteamanzuschliessen,nichtzu-letztwegenderErfahrung,dieerinderVermittlungdesWaffenstill-

64 Rogier,NoMoreHillsAhead?S.86–90.65 Ebd.,S.36.66 Ebd.,S.41.67 UniversityofFribourg,http://www.federalism.ch.

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standsabkommensfürdieNuba-Bergegesammelthatte.DarüberhinauswurdeNicholas«Fink»HaysomausSüdafrikaindasMediationsteamgeholt.DasIGAD-TeambestandweiterhinausdreiIGAD-Sonderge-sandten(ausEritrea,Äthiopien,undUganda),diedieVerhandlungs-parteienausgesprochengutkannten,sowieeinemSekretariatmitfünfMitarbeitern.GeneralSumbeiywowarder«Über-Fazilitator»unddiemoralischeInstanz,diedasAnsehendesProzessesgarantierte,indemeralleParteienbeiderStangehieltundindenentscheidendenMomentenintervenierte.DiebeidenMediatorenJulianHottingerundFinkHay-somwarenbeidenVerhandlungenmehrfürpraxisbezogeneDetailfra-genzuständig.WeiterhinwurdederIGAD-ProzessdurchdieTroikaUSA,GrossbritannienundNorwegenunterstützt.DieFinanzierungdesProzesseswurdehauptsächlichvonderEUundNorwegenüber-nommen.FürdieEUwardiesesEngagementineinemafrikanischenLandausserhalbderMittelmeerregioneineneueRolle.EinwichtigesVerfahrensprinzipimIGAD-Prozesswares,dieÜbereinkunftfürje-desProtokolleinzelnauszuhandeln,wobeijedesProtokollunterzeichnetwurde,sobaldmansichgeeinigthatte.ObwohldiesesVorgehendemWunschderVerhandlungsparteienentsprach,stellteeseineHerausfor-derungfürdenGesamtprozessdar,denneserlaubtekeineKompromisseübereinzelneProtokolle,wenndieseersteinmalunterzeichnetwordenwaren.DieRegierungdesSudanunddieSPLM/AunterzeichnetendasMachakos-Protokollam20.Juli2002,waseinenwichtigenDurchbruchimFriedensprozessdarstellte.ZudenSchlüsselfaktoren,diedieUnter-zeichnungermöglichten,gehörtenlautRogier68dasneueUmfeldnachdem11.September2001,internepolitischeundmilitärischeEntwick-lungenimSudan,einegrössereinternationaleBeteiligungamIGAD-ProzessundeinvoneinemqualifiziertenMediationsteamformulierterneuerVorschlag,derauffrüherenInitiativenaufbaute.DasMachakos-Protokoll69wareinvorläufigesFriedensabkommen,einKompromiss,derdemSüdendasRechtaufSelbstbestimmunggabunddemNordendasGesetzderSharia.EinweiteresVerhandlungsprinzipdesMachakos-

68 Rogier,NomoreHillsAhead?S.45.69 CPA,ComprehensivePeaceAgreementBetweentheGovernmentoftheRepublicofSudan

andtheSudanPeople’sLiberationMovement/SudanPeople’sLiberationArmy,MachakosProtocol,20.Juli2002,http://www.unmis.org/english/documents/cpa-en.pdf.

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ProtokollswardiezentraleBedeutungderEinheitdesSudan,ohneje-dochdieMöglichkeiteinerAbspaltungauszuschliessen,fallsderProzessscheiternsollte.DerVorteildesMachakos-Protokollswar,dasseseinenbreitenRahmenabsteckte,innerhalbdessendieDetailsnachgetragenwerdenkonnten.OhnediesenRahmenwärendiedarauffolgendenVer-handlungensehrwahrscheinlichvielschwierigerausgefallen.

DrittePhase,dieNakuru-Gespräche:DieGespräche,dieaufdasMachakos-Protokollfolgten,gingennichtglattüberdieBühne.DieskannteilweiseaufdieGegenwehrvonHardlinernaufbeidenSeitenzu-rückgeführtwerden,diedasMachakos-Protokollablehnten,wieauchaufdieArtdesinternationalenEngagementsunddiebeschränktenEnt-scheidungsbefugnissederVerhandlungsdelegationen.

ViertePhase,dieNaivasha-Gespräche:DernächsteMeilensteinwardasGipfeltreffenzwischendemVorsitzendenderSPLM/A,JohnGa-rang,unddemVizepräsidentendesSudan,AliOsmanMohamedTaha,inNaivasha(Kenia)am4.September2003,welcheszuderUnterzeich-nungdesRahmenabkommensüberSicherheitsmassnahmenam25.Sep-tember2003führte.70AbdiesemZeitpunktwurdederIGAD-Pro-zessunumkehrbar.NachdenSchwierigkeitenderNakuru-GesprächekonntederProzessnurdurcheinhöheresMassanpolitischemEinsatzundgrössereEntscheidungskompetenzderVerhandlungsführerGarangundTahabeschleunigtwerden.71NachdemerfolgreichenAbschlussdesSicherheitsabkommens,das freudigbegrüsstwurde,warendieKon-fliktparteiensowiedieinternationaleGemeinschaftoptimistisch,dassdieVerhandlungenbisEndedesJahres200372erfolgreichabgeschlos-senwerdenkönnten–dennochdauerteesnochmehralseinJahr,bisessoweitwar.

DiefünftePhase,dieNaivasha-GeprächevonSeptember2003bisJanuar2005:WeitereMeilensteinebeidenVerhandlungenwarendieUn-terzeichnungdesProtokollsüberdiegemeinsameNutzungderRessour-cenam7.Januar2004sowiedasProtokollüberdieMachtverteilungin

70 CPA,ComprehensivePeaceAgreement,SecurityArrangements,25.September2003.71 JusticeAfrica.ProspectsforPeaceinSudanBriefing,30.September2003http://www.ju-

sticeafrica.org/Sep03.htm.72 JusticeAfrica.ProspectsforPeaceinSudanBriefing,30.Oktober2003http://www.justi-

ceafrica.org/october03.htm.

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dendreiumstrittenenRegionen(Abyei,Nuba-BergeundBlauerNil)am26.Mai2004.DieZusatzprotokolleüberdetaillierteSicherheitsvorkeh-rungen,denWaffenstillstandundMassnahmenfürEntwaffnung,De-mobilisierungundWiedereingliederung(Disarmament,Demobilisation,Reintegration–DDR)wurdenebensowiedasUmsetzungsabkommenam31.Dezember2004unterzeichnet.MenschenrechtsfragenwurdenteilweiseimAbkommenüberMachtverteilungundteilweiseindenan-derenCPA-Dokumentenbehandelt.SchliesslichwurdedasGesamtpaketam9.Januar2005unterzeichnet.DerKonfliktinDarfurhattezudembereitsimJahr2004begonnen,dieNaivisha-Gesprächezuüberschat-ten.73DasMandatderIGADwaraufdieLösungdesNord-Süd-Kon-fliktesbeschränkt74,undKhartumlehntedieAusweitungdesMandatsaufdenDarfur-Konfliktab.WeiterhingabesAnzeichen,dassdiesu-danesischeRegierungdenIGAD-ProzessimJahr2004verlangsamte,umdeninternationalenDruckwegenderDarfur-Kriseabzuschwächen.75DiesesBildwirdvervollständigtdurchdenStandpunktderUSAgegen-überdemSudan:Druck,abernichtzuvielDruck.DieRegierungdesSudanerkannte,dassdurchdieQualitätderZusammenarbeitmitdenUSAimBereichdesInformationsaustauschsüberdieal-Qaida-GruppederDruckWashingtonsaufKhartumabgeschwächtwerdenkonnte.76Diestrugmöglicherweisedazubei,dassdiesudanesischeRegierungdasThemaDarfurausdemIGAD-Prozessausklammernkonnte.

4.2 dAs umfAssende friedensABkommen (compreHensiVe peAce Agreement, cpA)

EsgibtunzähligeHerausforderungen,dieeinemFriedensprozessodereinemFriedensabkommenimWegstehenkönnen.Dazugehören,umnureinigezunennen:1)DieVerhandlungsdelegationenmüssenzuei-

73 HumanRightsWatch.TooLittle,TooLate:SudaneseandInternationalResponse2004,Mai2004,http://hrw.org/reports/2004/sudan0504/8.htm.

74 Mulama,Joyce.DarfurovershadowsthepeaceprocessinsouthSudan.SudanTribune,2.September2004,http://www.sudantribune.com/article.php3?id_article=5175.

75 ICGAfricaBriefingNr.19.Sudan’sDualCrises:RefocusingonIGAD.InternationalCrisis Group, 5. Oktober 2004. http://www.crisisgroup.org/home/index.cfm?id=3043&CFID=20255721&CFTOKEN=33483814

76 Booker,Salih/Colgan,Ann-Louise.AfricaPolicyOutlook2006.ForeignPolicyInFocus(FPIF),17.März2006.

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nerEinigungkommenundmüssenvonihrerRegierungunddenen,diesievertreten,Unterstützungdafürbekommen.2)IndemAbkommenmussklarfestgelegtsein,wieesumgesetztwerdensoll,d.h.werwaswannwowietut.3)EsmüssendurchdasAbkommenMechanismengeschaffenwerden,umweitereAkteureundThemenzueinemspäterenZeitpunktindenProzesszuintegrieren,dadieVerhandlungsparteienoftmalsnichtdaskompletteSpektrumderverschiedenenpolitischenGruppierungenrepräsentieren.4)DieinternationaleGemeinschaftmussdasAbkommenunterstützen,dasonstdieUmsetzungschwierigwerdenkönnte(z.B.Finanzierung).DarausergebensichverschiedeneKonse-quenzen,z.B.wieMenschenrechtsfragenangegangenwerden.UmdiesenHerausforderungenzubegegnen,musstenimCPA-AbkommeneinigeThemenbis insDetailausgearbeitetwerden,währendfüranderePro-blemeeinflexiblererMechanismusangezeigtwar.DesweiterenmussteeindetaillierterZeitplanfürdieUmsetzungerstelltwerden,derauchklareVorgabenenthielt,wasgeschehensollte,wenneinSchrittnichtausgeführtwürde.DerzugrundeliegendeZeitplanwar:InkrafttretenderÜbergangsverfassung(aufderGrundlagedesCPA)sechsMonatenachUnterzeichnungdesCPA;WahleninnerhalbvonvierJahrennachderUnterzeichnung;undeineVolksabstimmungüberdieEinheitdesSudansechs JahrenachderUnterzeichnung.DasDatumderVolks-abstimmungkonnte jedochdurcheinengemeinsamenEntscheidvonSPLM/AundNCP(NationalCongressParty–dieRegierungsparteidesNordens,ehemalsNationalIslamicFront(NIF))nachhintenver-legtwerden.77ImfolgendenAbschnittwerdeneinigederHauptelementedesCPAdargelegt.

Sicherheit:DerNordenundderSüdenunterhaltengetrennteStreit-kräfte,dieaberzahlenmässigreduziertwerden.Zusätzlichgibtesge-meinsame integrierteEinheiten,diezugleichenTeilenausSoldatendersudanesischenStreitkräfteundderSPLM/AbestehenunddiezumSchutzderGrenzenundvonumstrittenenGebieteneingesetztwerdensollen.78DasSystemderMassnahmenfürEntwaffnung,Demobilisie-

77 Art.2.6desCPA:«ThePartiesshallrefrainfromanyformofunilateralrevocationorabro-gationofthePeaceAgreement».

78 Rogier,NomoreHillsAhead?S.121.

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rungundWiedereingliederung(Disarmament,Demobilisation,Rein-tegration–DDR)versuchte,einigederProblemezuvermeiden,dieinvergleichbarenProgrammenaufgetretenwaren,z.B.,dassdasGelddirektandieehemaligenKombattantenausgezahltwurde,dieesaufbrauchtenundanschliessendgenausodastandenwiezuvor.DasCPAsahvor,dassdasGeldandieKommunengehensollte,dieesfürAusbildungs-undIntegrationsprojekteverwendensollten.EinederLeitvorstellungenimBereichderMenschenrechtewardieIndividualisierungderSchuldfrage,sodasszwarEinzelne,abernichtganzeGruppenfürVerbrechenhaft-bargemachtwerdenkonnten.DemOberstenGerichtshofwurdeeineKategorisierungschwererVerbrechenvorgelegt.

Machtverteilung:ZueinemfrühenZeitpunkthattensichdiePar-teienaufeinföderalesRegierungssystemgeeinigt,wobeidieHauptfragebeidenVerhandlungenwar,welcheFormdiesesannehmensollte.DergemeinsameVorsitzoblageinemPräsidentenundzweiVizepräsidenten.InderÜbergangsphasesolltedasPräsidentenamtindenHändenderNCPliegen,dasAmtdeserstenVizepräsidentenbekamdieSPLM/AunddasAmtdeszweitenVizepräsidentenwiederumdieNCP.Bedeu-tendeEntscheidungenmusstenimRahmeneiner«kollegialenEntschei-dungsfindung»79durchdasgemeinsameGremiumgetroffenwerden.InderÜbergangsphaseamtiertederersteVizepräsidentgleichzeitigalsPräsidentdesSüdsudan.AufdernationalenEbenebestehtdieLegis-lativeausderNationalversammlung(mitbereitsvordenWahlenfest-gelegtenQuotenfürNCP,SPLMundanderepolitischeParteien)unddemStaatsrat(wojederGliedstaatmitzweiDelegiertenvertretenist).80

79 Art.2.3.4imCPA«PowerSharingProtocol».80 Art.2.2&2.2.3.2&2.2.5desCPA-ProtokollszurTeilungderMacht(«PowerSharing

Protocol»).AufderEbenederGliedstaatenwurdendieQuotenwährendderZeitvordenWahlenfürdieLegislativeundExekutivewiefolgtzugeteilt:NCP(70%imNorden,10%imSüden),SPLM(70%imSüden,10%imNorden)und20%ananderepolitischeParteien(Art.4.4.2und4.5.1CPAPowerSharingProtocol).DiebeidenumstrittenenGebiete(BlauerNilundNuba-Berge)hatteneineQuotevon45%SPLMund55%NCPbiszudenWahlenamEndederÜbergangsphase(Art.11.1.1DieLösungdesKonfliktsumSüd-KordufanunddieStaatenamBlauenNil,CPA).DieRegionAbyeierhielteinenbesonderenVerwaltungsstatus.DasCPAsiehteinseparatesReferendumvor,indemüberdenBeibehaltdesSonderstatusunddieZugehörigkeitzumNorden,bzw.übereinenBeitrittzumSüdenabgestimmtwird.Art.2.2ProtokollzurLösungdesAbyei-Konflikts,CPA.

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IndergemeinsamenHauptstadtKhartumunterlagenNicht-MuslimenichtdemGesetzderSharia.81

GemeinsameRessourcennutzung:ZudenumstrittenstenFragengehörtedieNutzungderÖlvorkommen.Esginghiervorallemdarum,dieNettogewinneausderÖlförderungaufzuteilen,undnichtsosehrumdasÖlperse,damannichtgenauwusste,wievielÖlinsgesamtvorhandenwar,wogegendieGewinnevergleichsweiseleichtgemessenundüberwachtwerdenkonnten.DieÖlgewinnewurdenjezurHälftedemNordenunddemSüdenzugeschlagen,nachdemdieFörderregionihrenAnteilvonzweiProzenterhaltenhatte. ImProtokollüberdiegemeinsameNutzungderRessourcenwurdeweiterhineinzweiglei-siges Bankensystem bestimmt, das sogenannte «Doppelfenster-Mo-dell»:eindemGesetzderShariaentsprechendes,sowieeinklassischesHandelsbanksystem.82

DurchdieUnterzeichnungdesCPAwurdeeinzentralerSchrittinRichtungFriedenfürdenSudanunternommen,daesdieKämpfebe-endete,beidenenüberzweiMillionenMenschenumsLebenkamen.ImRahmenderUN-MissionimSudan(UnitedNationsMissioninSu-dan,UNMIS)könnenbiszu10000SoldatenentsandtwerdenmitdemMandat,beiderImplementierungdesCPAzuhelfenundunterKapitelVIIderUNOChartadienötigenAktionenzuunternehmen,umUNO-PersonalundZivilistenzuschützen.83JedochbleibennochweitereHe-rausforderungenbestehen,dieimCPAnichtangegangenwurden,wozuauchdieKonflikteinDarfurundBejagezähltwerdenmüssen.Deswei-tereneinigtensichdieParteienimCPAdarauf,sichvorrangigaufdieEinheitdesSudanzukonzentrieren,wobeidasAbkommendemSüd-sudanauchdienötigenWerkzeuge(z.B.eineArmee,RessourcenundeineGrenze)bot,fallsersichfürdieUnabhängigkeitentscheidensollte.DieWahlen,diespätestensvierJahrenachderUnterzeichnungstattfin-densollen,könntendieMachtverhältnisseinderRegierungverändern,wobeidieEntscheidung,obdasReferendumverschobenwerdensollte,beiNCPundSPLM/Alag,undzwarvölligunabhängigvomAusgang

81 Art.2.4.5.4imCPA«PowerSharingProtocol».82 Art14.1imCPA«WealthSharingProtocol».83 UnitedNationsMissionintheSudan–Mandatehttp://www.un.org/Depts/dpko/missions/

unmis/mandate.html.

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dieserWahlen.LetztendlichmüsstenvielePunktedesCPAneuver-handeltwerden,wenndasReferendumzueinerAbspaltungdesSüdensführensollte.WeitereHerausforderungensinddieSpannungenunddiefehlendenRegierungsstrukturenimSüden;dieFrage,wiedieOpposi-tionimNordenwirklichintegriertwerdenkann;dasKorruptionspoten-tialdurchdiegrossenGeldtransfersindenSüden(undauchdurchdiehumanitäreHilfefürDarfur);undderpolitischeWillederNCP,dasAbkommenumzusetzen.

Abschliessendkannmansagen,dassFriedensabkommennichtalsIdeallösungengesehenwerdensollten,sondernalsBeispieledafür,wiemanauseinerschlechtenSituationdasbestemachenkann.Dieskannnurgeschehen,wennmandasAbkommenaufeinerbestehenden(z.B.militärischen)Machtkonstellationaufbaut,wobeigleichzeitigMecha-nismenfürVeränderunggeschaffenwerdenmüssen,z.B.durchQuotenfürParteien,dienichtandenVerhandlungenteilgenommenhaben.

4.3 metHodiscHe Aspekte des cpA-proZesses

JohnGarangsagtedemSender«VoiceofAmerica»am30.Mai2004:«DiesesFriedensabkommenwurdenichtunbedingtdeshalbabgeschlos-sen,weildieParteieneswollten,sondernweilsiedazugezwungenwur-den.»Erfuhrfort:«WirhabeneinAbkommenausgehandelt,weilwirdurcheinGeflechtvonDruckmittelndazugezwungenwurden.BeideSeitenspürten,dassderPreisfüreineFortführungdesKriegesvielhöherwärealsderPreisfürseineBeendigung.AlsohabenwirdenKriegbeen-det.»84UnterdemGesichtspunktderkomplementärenRollenvonDialogundDrucksollenindenfolgendenAbschnittendieVerhandlungenüberNakuruundNaivashamethodologischuntersuchtwerden.85

HäufigmussDruckausgeübtwerden,umdieKonfliktparteienanei-nenTischzubringen,unddieKontrahentenführenimallgemeinenihreGefechteamVerhandlungstischfort–mitWortenstattWaffen.DahermussderVerhandlungsprozess sogestaltetundgeleitetwerden,dass

84 JusticeAfrica,ProspectsforPeaceinSudanBriefingJune-July2004,5.Juli2004,http://www.justiceafrica.org/June_July04.htm.

85 DiefolgendenmethodologischenDarlegungenbasierenaufeinemInterviewdesAutorsmitJulianT.Hottingervom29.März2006.

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sichdieErkenntnisdurchsetzt,dassmanzwarKompromisseeingehenmuss,aberdassmandennochdurchVerhandlungenundKompromisseunterUmständenmehrerreichenkannalsdurchKrieg.WiekönnendieMediatorendieseErkenntnisunterstützen?ZuallererstmüssensiedieganzeZeitüberihrenRespektfürdieKonfliktparteienbewahren.VerlierensiedenRespekt,könnensiemitdenKontrahentennichtmehrzusammenarbeiten,undeineUmgestaltungwirdunmöglichgemacht.«Respekt»bedeutetdabeinicht,dassdiegewalttätigeVorgeschichtederKonfliktparteienignoriertwerdenmuss,diesolchenKonfliktenzugrundeliegt;derRespektvorallenEinzelpersonenjedochmussungeachtetihrerHandlungengewahrtwerden.JederFriedensprozessisteinmalig,undwasindemeinenFallfunktioniert,mussbeimnächstenMalnichtge-lingen;deshalbisteinhohesMassanmethodischerFlexibilitäterfor-derlich.DennochkönnenderIGAD-ProzesssowievergleichbareFrie-densprozesseindreiHauptphasenunterteiltwerden(Vorverhandlungen,Verhandlungen,Umsetzung),86unddieVerhandlungsphasekannnocheinmalinetwasiebenidealtypischeUnterabschnittegegliedertwerden,dieimfolgendenskizziertwerden:

DieersteAufgabedesMediatorsistes,einsolidesGerüstaufzubauen,wozuklareVorgabenüberdieZeit,denVerhandlungsort,dieAusfüh-rung,dieRegeln,dieTeilnehmerunddieRollenverteilunggehören.DieGesprächekönnenerstbeginnen,wenndieserRahmenfestgelegtundkonsolidiertwordenist.DieGrundsatzerklärung(DeclarationofPrin-ciples,DOP)unddasMachakos-Protokolldiententeilweiseauchdazu,eininhaltlichesGerüstfürdieGesprächefestzulegen.EinSchlüsselfak-torfürdenErfolgsolcherVerhandlungenist,dassdasVerhandlungsge-rüststabilseinmuss,bevordieeigentlichenGesprächeüberinhaltlichePunktebeginnen.DieserSchritt,deroftbereits indenVorverhand-lungenmit«GesprächenüberGespräche»inAngriffgenommenwird,kannsehrlangedauern.

DiezweiteHauptaufgabederMediatorenindernächstenPhaseistes,zuzuhörenundThemenzusammeln.DieKonfliktparteienmüssendie

86 InderRegelwirddringendempfohlen,denMediatorindenverschiedenenPhasenauszutau-schen,insbesonderebeimÜbergangvonderVerhandlungs-indieImplementierungsphase.Hottinger,JulianThomas.Aufdasachten,wasnichtgesagtwird.In:Schweiz Global4,2005,S.32–33.

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Gelegenheithaben,ihreSichtweisendarzulegen,undmüssenangehörtwerden.Vertrauenentsteht,wenneinedritteParteisieüberdieseThe-menbefragtundversucht,siezuverstehen.DiesgestattetesdenKon-trahentenauch,neuePerspektivender jeweiligenGegenseitewahrzu-nehmen,dadiebeidenSeitenoftbiszudeneigentlichenVerhandlungennichtindirektemKontaktmiteinanderstehen.ObwohlimallgemeinenbeideSeitenglauben,siewürdendieSichtweisedesGegnerskennen,könnensiedurchZuhörenNuanceninderSichtweiseundindenInte-ressendesGegenüberswahrnehmen,dieihnenvorherverborgenwaren.AuchimHinblickaufihreeigenenPrioritätenfindeteinLernprozessstatt,dadieKonfliktparteiensichoftzwarüberihreInteressenimkla-rensind,abernichtüberihrePrioritäten.UmdiesenProzesszuunter-stützen,kanneinMediatordieParteienbitten,diefolgendenPunkteaufzulisten:1)Punkte,diegeändertwerdenmüssen;2)Punkte,diezueinemspäterenZeitpunktausgehandeltwerdenmüssen,abernichtvonvitalemInteressesind;3)Punkte,dienichtlebenswichtigsindunddieleichtgeklärtwerdenkönnen,wenndieSchlüsselfragengelöstwerden.DadurchwerdenzwarnochnichtdieMinimalforderungenderParteienzuverschiedenenFragensichtbargemacht,aberdiePrioritätenwerdenaufgezeigt.

DrittenswirdnachKlärungderVerhandlungspunktedieReihenfolgederTraktandenfestgelegt.Dasistoftsehrschwierig.DieMediatorenkönneneinenVorschlageinbringen,dermeisteineMischungvonhar-tenundweichenThemendarstellt,abermanwirdnormalerweisenichtmiteinemheiklenThemabeginnen.WenndieKontrahentennichtmitdemVorschlagfürdieAgendaeinverstandensind,kannderMediatorsiebitten,1)sichaufeinealternativeAgendazueinigen,diefürbeideSeitenbefriedigendist(undeswirdfürsiesehrschwierigsein,sichaufirgendetwaszueinigen),oder2)zuerklären,mitwelcherThemenfolgesienichteinverstandensind,und/oderweiteregewünschtePunkteaufdieTagesordnungzusetzen.EssollteEinvernehmendarüberbeste-hen,dasseineAngelegenheit,diefüreineSeiteeinwichtigesThemaist,auchalsTagesordnungspunktaufgeführtwird.Werden immermehrPunktehinzugefügtundwirddieListeimmerlänger,sokannderMe-diatoranbieten,dievondenMediatorenzuerstgenanntenPunkteaufderListezustreichen;wenndasThemafürdieParteienwichtigge-

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nugist,werdensiedaraufbeharren,esweiterhininderTraktandenli-steaufzuführen.EinebesondereHerausforderunginderMediationistjedochdieDeutungvonSchweigen.SchweigteineKonfliktparteizueinemThema,sokanndiesbedeuten,dassdasThemaunbedeutendistoderdasseswichtigistunddieDelegationeinverstandenistoderdasseswichtigistunddieParteiüberhauptnichteinverstandenist,abererstspäterhierzureagierenwird.

ImviertenSchrittbeginnendieMediatorendamit,dieAgendadurch-zuarbeiten,wobeisieThemenausklammernundaufeinenspäterenZeit-punktverschiebenkönnen,wenndeutlichwird,dassesindiesemThe-menbereichzudiesemZeitpunktkeineBewegunggebenwird.DaswirddieParteienmöglicherweiseverärgern,aberesmachtkeinenSinn,sichmiteinemThemazubeschäftigen,beidemesfürbeideSeitenkei-nenVerhandlungsspielraumgibt.WennsichdieKontrahentennichtaufeinSachgebieteinigenkönnenoderwennesindemzubehandeln-denThemenbereichkeineBewegunggibt,bietensichunteranderemdiefolgendenAlternativenan:1)sichmiteinemThemabeschäftigen,dasbeideParteienlieberausklammernwürdenoder2)zweiThemenparal-lelbehandeln.WährenddieStreitfragenbereitsindererstenPhasezurSprachegekommensind,inderdieThemengesammeltwurden,hörendieMediatorennundiejeweiligenPositionenundInteressenderbeidenSeitendazu,jedochausführlicheralszuvor.DieMediatorenhörenzuundsammeln«Haken»(Schlüsselfragen,diediskutiertwerdenmüssen).AusserdemlernensiedieMitgliederderjeweiligenDelegationenken-nenundstellenfest,welchevonihnenExpertensind,welcheeher«leereHüllen»sind,welchedie«Schwäne»sind,diedieGruppezusammen-halten,undwelcheDelegiertensichunverblümtäussernundsoeiner-seitsSchwierigkeitenmachenkönnen,andererseitsaberauchmitihrerdirektenArtganzunvermitteltdiezentralenPunktezurSprachebringen.NormalerweisebittetderMediatorumweitereklärendeInformationen.IndemdasThemaeingekreistundvonverschiedenenGesichtspunktenausbeleuchtetwird,hörendieParteienneueAnsichten–derÜberra-schungsfaktorkannseineWirkungtun.Esisthilfreich,dieGesprächeineinemfensterlosenRaumabzuhalten,damitdieParteiennichtdurchdieLandschaftabgelenktwerden.DieserProzessdesZuhörensführtdazu,dassdieursprünglicheWahrnehmungderGegenseiteleichtgeän-

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dertwird.DenndieFormulierungdereigenenPositionistimmerdavonbeeinflusst,wiemandiePositionenderGegenseitewahrnimmt;wennsichdieserFaktorändert,ändertsichauchdieeigenePosition.Zudie-semZeitpunktbietendieMediatorennochkeineZusammenfassung,87damansichnochinderanfänglichenPlenarphasebefindet,indersichalleBeteiligtenhinter ihrenMaximalpositionenverschanzen.WennderMediatoreineZusammenfassungversucht,wirddiese sehrwahr-scheinlichmitFehlernbehaftetsein;dieParteienhörendannnur,wassiehörenwollen,undwerdensichgegendenMediatorstellenundihmParteilichkeitvorwerfen.AusähnlichenGründenwerdenbilateraleUn-terredungenzwischendenMediatorenunddenKonfliktparteienindie-semStadiumgenerellvermieden,aussereineParteiersuchtausdrücklichumeinsolchesTreffenunddieGegenseiteistdamiteinverstanden.Ei-nerseitskönnenbilateraleTreffenbeidernichtbeteiligtenParteiArg-wohnerregen,andererseitssinddieWirkungunddieAuthentizitätim-mergrösser,wennmanetwasdirektvonderGegenseitehört,alswennmanesüberdenMediatorerfährt.DeshalbmachtesauchSinn,wenndieZusammenfassungetwaigerbilateralerGesprächeimPlenumderbeteiligtenKonfliktparteiüberlassenwirdundnichtdenMediatoren.DiePendelmediationalsMethodeindieserPhasestammteherausderförmlicherenDiplomatie,inderdasVertrauenstärkerist.IndieserArtVerhandlungenbestehtjedochoftsehrwenigVertrauen,oderwieesineinemgeflügeltenWortheisst:«NichtderLügneristderTrottel,son-dernder,derdieLügeglaubt.»

FürgewöhnlichwarenbeidenGesprächeninNaivashadieDelega-tionsleiteranwesend,samtihrenDelegationenvonjeungefähr12Per-sonen,jenachTagesordnungspunkt.MeldetsicheinDelegationsmitgliedzuWort,kannderDelegationsleiterdessenÄusserungspäternegierenundsodasWassertesten.DerChefunterhändlermussvorsichtigerseinundistinsgesamtwenigerflexibel.DieDelegationenundauchdieDe-legationsleiterkönnensichimLaufederZeitverändern–einsichent-wickelnderProzesssolltemitweitergehendenEntscheidungsbefugnis-

87 ImGegensatzdazuistdieZusammenfassunginwenigeskaliertenKonfliktenoderbeiderMediationaufMikro-Ebene(z.B.zwischenIndividuenoderOrganisationen)einesderwich-tigstenInstrumente.

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seneinhergehen,wiemanbeimWechselvonNakurunachNaivashabeobachtenkonnte.WenneineSeiteübereinThemanichtdiskutierenwill,kannesauchsein,dasssieeinenVerhandlungsführerentsendet,dervollkommenunbeweglichaufseinerPositionverharrt–dieskannzuSchwierigkeitenführen,gehörtaberalleszumSpielmitwechseln-denDelegationendazu.

NachdemalleSeitenangehörtwordensind,beginnt fünftensdieAusarbeitungvonLösungenundGemeinsamkeiten.ZudiesemZeit-punkthatnormalerweisebereitseingewissesUmdenkenstattgefun-den.DieKontrahentenhabenjetztdiejeweiligeGegenseitezwarnochnichtverstanden,abersiehabenihrzugehört.ZuderMeinung,diemansichvorherüberdenGegnergebildethatte,kommtjetztetwasneueshinzu.Eswärevölligaussichtslos,beideParteienzubitten,zueinembestimmtenThemaeinenvorläufigenEntwurfzuverfassen;dieserwirdschlichtdiebestehendenPositionenwiedergeben.ZweiEntwürfe,einervonjederPartei,bringeneinenauchnichtweiter.UnterdemgleichenGesichtspunktwäreesvölligkontraproduktiv,wenneinMediatordieKontrahentendarumbittenwürde,diebestehendenDifferenzendar-zulegen.EsgibtjedochvieleOptionenfüreinweiteresVorgehen,z.B.:1)ManbittetdieParteienzuversuchen,zumTagesordnungspunktXGemeinsamkeiten festzustellen.2)AufdieserGrundlagewerdendieParteiengebeten,einenVorschlagzuentwerfen,vondemsieglauben,dasserbeidenSeitenentgegenkommt.GlaubtdieeineSeite,dassdieanderemitdiesemPunktnichtvollkommeneinverstandenseinwird,solltesiediezweitbesteOptionnennen,diedieGegenseitezufriedenstellenwürde(siemüssenangehaltenwerden,«sichindieLagederGe-genseitezuversetzen»).3)IstdieserAnsatzwenigerfolgversprechend,entwirftderMediatoreineneueVersion.WennsichdiesegenauinderMittezwischendenbeidenPositionenbefindetundvonbeidenSeitengleichermassenabgelehntwird,istsieerfolgreich.DieParteienwerdensichaufdenEntwurfnichteinigenkönnen,sodassalsVorbedingungfürdasweitereVorgehendieNotwendigkeitbesteht,dasssiesichaufÄnderungenineinembestimmtenPunkteinigenmüssen.AufdieseArtwerdenThemenkonkretisiert;dieParteiensindgezwungen,einzelneProblemkomplexedurchzukauenundaufdieseWeisedieSchnittmen-genihrerInteressenaufzudecken.BiszudiesemZeitpunktgeschiehtal-

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lesalsTeilderPlenarversammlung.DieDelegationensindaus«Falken»und«Tauben»zusammengesetzt.SiehabenGelegenheitgehabt,einanderzuzuhören,aberdieFalkentendierendazu,dieTaubenzudominieren(letzteresindmeistTechniker,welchekonstruktiveOptioneneinbrin-genkönnen),deshalbfindetdienächstePhasevorwiegendinArbeits-gruppenundnichtimPlenumstatt.

SechstenswirdnunmehrimRahmenvonArbeitsgruppen(themen-bezogen)undClustern(DetailsinnerhalbeinesThemenkomplexes)ge-arbeitet.IneinemClusterarbeitethäufigaucheinexternerExpertemit.DerClustererstellteinenBericht,derdemPlenumvorgelegtwird.DieSitzungenausserhalbdesPlenumssindnötig,umdenTechnikernunddenVertreternderweichenLiniedenRaumzugeben,densiebrauchen,umOptionenauszuarbeiten–zudemmüssensiedieDelegationschefsüberzeugen.DieDelegationschefsihrerseitsbedenkenimmer,wiesieeineEntscheidungeinerVerhandlungsrundenachHausebringenkön-nen,sodasssieakzeptiertwerdenkann.EinewichtigeVorgehensweiseistdiederkreativenZweideutigkeit.WenneinThemaeinHindernisdarstellt,gibtesdieMöglichkeit,eszuüberwinden,indemmandiebe-absichtigteVorgehensweiseindieserAngelegenheitzweideutigformu-liert.Diessolltejedochvermerktwerden,unddieMediatorenmüssendenParteienklarmachen,dasssiezueinemspäterenZeitpunktnocheinmaldaraufzurückkommenmüssen.EingravierenderFehler,denMediatorenoftbegehen,istes,diekreativeZweideutigkeitimSchluss-abkommennichtaufzuheben,wodurchdasScheiterndesAbkommensindieUmsetzungsphaseverlegtwird.DieMediatorensindnichtver-pflichtet,Zeitdruckaufzubauen;dieserkannvondenParteienselberodervonderinternationalenGemeinschaftaufgebautwerden.DemMedia-torobliegtesvielmehr,denProzessmitBlickaufeinrealistischesZielinGangzuhalten.ZeitdruckgehtoftwenigervondenVerhandlungs-parteienalsvonderinternationalenGemeinschaftaus–undkanndemProzessoftabträglichsein.

SiebtenserreichtmanirgendwannimVerlaufderVerhandlungendenZeitpunkt,abdemeskeinZurückmehrgibt.DiesistehereinMeilen-steinalseineeigentlichePhase:EinwunderbarerMoment,abdemessehrvielunwahrscheinlicherwird,dassdieParteiendieVerhandlungenabbrechenwerden.Er tritt imallgemeinendannein,wenn1)einige

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substantielleFragengeklärtundeinigeschwierigeFragenangesprochenwordensind;2)imUmgangmitdenFrageneinegewisseReifeerreichtwird;3)dieKonfliktparteienderMeinungsind,dassmanschondieHälftedesWegeszurückgelegthat;4)dieDelegationenmehrlächelnundwenigerListanzuwendenversuchen,undmehrdirekteKontaktezwischendenSeitenstattfinden.AlsMediatorerkenntmandiesenZeit-punktsowohlintuitivalsauchanhandbestimmterkonkreterMerkmale.WennesindenVerhandlungenkeinZurückmehrgibt,kannderMe-diatoreinewenigerbeherrschendeundwenigerstrengeRolleeinneh-men.ObgleichkreativeZweideutigkeitvordiesemZeitpunktvonNut-zenseinkann,solltenvonjetztandiesePunktenocheinmalinAngriffgenommenwerden.

NachdiesergrobenÜbersichtüberdiePhasensollenimfolgendeneinigeallgemeinemethodischeÜberlegungenzudieserArtvonVer-handlungenvorgelegtwerden.EinMediatorkanndieParteiennichtzwingen,dadiesemitdenErgebnissenlebenmüssen,dieOberhoheitsolltebeidenParteienverbleiben.PolitischeundmilitärischeEntwick-lungenausserhalbdesProzesseskönnendiesenauchstarkbeeinflussen.VomStandpunktdesMediatorentritteinesderschlimmstenSzenarienein,wenndieBeteiligtendenVerhandlungsortverlassen–nichtalstaktischeMassnahme,wasöftervorkommt,sondernalsSignalfürdasScheiterndesGesamtprozesses.AlsdieSPLM/AimSeptember2002Toriteinnahm,verliessdiesudanesischeRegierungdieGespräche,undesbedurftederUnterzeichnungeinesMemorandumsüberdasEinstel-lenderFeindseligkeiten,bevordieGesprächeweitergehenkonnten.88GenerellerfordernVerhandlungeneingewissesMassanMachtsym-metrie,wassichoftaufeinzelneThemenundnichtsosehraufdasge-samteMachtpotentialderjeweiligenParteibezieht.WenneineAsym-metrieinderMachtverteilungdeutlichwird,könnendieMediatorendenProzessverlangsamenunddadurchdenParteiendieGelegenheitgeben,sichmehrInformationenzuverschaffenunddadurchgleicheBe-dingungenfüralleBeteiligtenherstellen.FürdieVerhandlungenüberdieÖlressourcenimSudankonfliktwargewaltigestechnischesKnow-howerforderlich,undesmusstenExpertenhinzugezogenwerden,um

88 Rogier,NomoreHillsAhead?S.72.

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dieVoraussetzungenzuschaffen,damitbeideSeitendieseFragenaufAugenhöheaushandelnkonnten.EsliegtinderNaturderSache,dassbeiFriedensverhandlungendieMenschenrechtsfragenvonBeginnaneineRollespielen.Eskannjedochwichtigsein,dasThema«Menschen-rechte»erstdannalssolcheszubenennenundinAngriffzunehmen,wennderPunktohneWiederkehrerreichtist,dadieParteiensonstdieVerhandlungenabbrechenkönnten.SolcheVerhandlungenwerdenzu-nehmendvoninternationalenStandardsbeeinflusst,dieeinMediatorbeachtenmuss;sokannerbeispielsweisekeinePauschalamnestiener-lassen,sosehrdieParteiendiesauchwünschenmögen.DerMediatorkannjedochKommissionenvorschlagen, internationaleExpertenbei-ziehenundLösungsmöglichkeitenfürsolcheFragenineinembreiterenKreisdiskutieren.NebendeneigentlichenVerhandlungenerwiesensichgemeinsameAktivitätenwiedasVerfolgeneinesFussballspielsamFern-seherodereingemeinsamesPicknickalsunabdingbarfürdenAufbauvonVertrauensverhältnissen.

Insgesamtlässtsichsagen:ObwohleskeinenvorgegebenenWeggibt,könnenbestimmtePhasenundMethodeneinenProzessbegünstigen,unddiesekannmanerlernen.DiewahreKunstistesjedoch,«dasTref-fenzulesen»,Vertrauenaufzubauenundzuwissen,waswannzutunist–eineFähigkeit,diesowohlinderPersönlichkeitdesMediatorswieauchindessenErfahrungenwurzelt.

5 methoDologIsche DIsKussIon

EsgibtÄhnlichkeitenundUnterschiedezwischendendreiobenbe-schriebenenSchweizerEngagementsfürdenFriedenimSudan.ZuerstzudenÄhnlichkeiten:AlledreiEngagementsbedientensicheinesAn-satzes,deraufDialogbasierte.DieGrundlagediesesAnsatzes ister-stens,dasseinePerson,ihreIdentitätundihreinnerenWerteakzeptiertwerden.Zweitenskann, sobaldeineBeziehungundVertrauenherge-stelltsind,einDialogdarüberstattfinden,wasverändertwerdensollte.JedochsolltenkeineAussagengemachtwerden,wiesichdieDingever-haltensollten,vielmehristeseineFormderKommunikation,beiderbeideSeitenfürVeränderungenoffenseinsollten.

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DasZuhörenundderAustauschvonverschiedenenSichtweisenspie-lenbeimDialogansatzeinezentraleRolle:OftistesKonfliktparteiennurdannmöglich,miteinandervereinbareOptionenzuentwickeln,wennsieihreSichtweisendargelegtunddasProblemausderPerspektivederanderenParteibetrachtethaben.EsistdeshalbeinezentraleAufgabedesMediators,sichdieunterschiedlichenSichtweisenklarzumachen,sicherzustellen,dassdieKonfliktparteiendiesediskutierenundGemein-samkeitenaufzuzeigen,diedieKonfliktparteienselbstnichtsehen.VieleMediatorenwechselndeshalbständigdieBetrachtungsweisenundstel-lensichdabeivor,wiesiesichfühlenundwiesieargumentierenwürden,wassiewollenwürdenundweshalb,wennsieKonflitktparteiwären.

DerDialogansatzunterscheidetauchzwischenAblaufundInhalt.UmesindenWortenvonNicolas«Fink»Haysomzusagen:«Therightanswerinthewrongprocesssinkslikeastone.»DeshalbwidmetsichderMediatoroderderVermittlerdemAblauf,währendsichdieKon-fliktparteienmitdemInhalt(denThemen,diezurDiskussionstehen)beschäftigen.DemAblaufkommtbeiderEntflechtungeinesKonfliktseineentscheidendeRollezu,daderMediatorüberdieGestaltungundBeeinflussungdesAblaufsSpannungenreduziertundneueOptionenschafft.

NunzudenUnterschieden:UmdiedreiobenbeschriebenenEnga-gementsderMediationundFazilitationzuvergleichenundzusehen,wiesiesichergänzen,ziehenwireinigeDimensionenheran,dieinTa-belle1aufgelistetsind:

1)Eskalation:WährendalledreiEngagementssichmitstarkeska-liertenKonfliktenbefassten,weisendieSüd-Süd-StammeskriegeeinetiefereEskalationalsderNord-Süd-Konfliktauf.

2)Tracks/Entscheidungsebenen:Der«track»-Ansatzwurdeentwi-ckelt,umdieBeziehungenzwischenzweiLändernzubeschreiben.KannderSPLM/AalsTrack1-Akteurbetrachtetwerden?UndwasdasHoN-Projektbetrifft:SindtraditionelleHäuptlingeundKönige,dieseitjeherinihremGebietdieEntscheidungentreffen,Track1-Akteure?DieseFragenzeigendieBegrenztheitdes«track»-Ansatzesauf.DerFallSudanmachtdeutlich,wiewichtigesist,mitallenSchichtenderGesellschaftinKontaktzusein.DadurchkönnenVerbindungengeschaffenwerdenzwischenderbreitenBevölkerungundderpolitischenElite.Diesbedeu-

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tetnicht,dassProjekteaufallenEbenendurchgeführtwerdensollten.EinBewusstseinfürdiespezifischeSituationsollteabervorhandensein,damitEntscheidungengetroffenwerdenkönnen,woeinEngagementamwirkungsvollstenseinkönnte.DiesernachfrageorientierteAnsatzstehtimGegensatzzumangebotsorientierten,wonachGeldgeberundEntscheidungsträgerihrEngagementdanachausrichten,obbestimmteThemenwieGleichberechtigungundMenschenrechteadressiertwer-den,ungeachtetderrealenGegebenheitenundderEntwicklungsstufeindemjeweiligenBereich.

3)PhasendesEngagements:DieEinteilung inPhasen ist fürdieUnterscheidungsehrnützlichunddieMischungderMediations-undFazilitationsmethodenwandelt sich jenachPhasestark.DieWaffen-stillstandsverhandlungen fürdieNuba-BergebasiertenaufeinerVor-verhandlungsphasevonca.siebenJahren,inderBucherkontinuierlichKontakteundVertrauenzwischenverschiedenenAkteurenaufbaute,dauertenselbstabernurfünfTage.DieCPA-Verhandlungenbenötigtenmitca.dreiJahrenviellängeralserwartet.KeinerderSchweizerExper-tenwarindieVorverhandlungsphasederIGAD-Gesprächeeingebun-den.DieimAnhangaufgelistetenzahlreichenGesprächegebeneinenHinweisdarauf,wielangdiesewaren,inklusiveallderverschiedenenBemühungen,diebereitsvor1994gemachtwurden.ImweitestenSinnebefindetsichdasHoNimmernochinderVorverhandlungsphase–ob-wohleskeineVerhandlungimklassischenSinneist.FallssichdieIdeeaufderzweitenKonferenzindenNuba-Bergeninstitutionalisierensollte,kanndiesalseinekonkreteVerhandlungsphasebetrachtetwerden.Ob-wohldieVorverhandlungsphaseeinengewissenDruckbenötigt,istesnichtdieAufgabedesMediatorsoderFazilitators,diesenzuerzeugen.Denndieseristdarumbemüht,eineBeziehungundVertrauenzwischendenKonfliktparteienaufzubauenunddieProblematikzuverstehen.UmVertrauenherzustellenundgleichzeitigdenDruckzuerhöhen,istoftTeamarbeitnotwendig.VonallendreiPhasenbrauchtdieImplementati-onsphasedenmeistenDruck.ImFalldesCPAwarendieVereintenNa-tionendieeinzigeOrganisation,diehierzuinderLagewar.ZuBeginneinerVerhandlungsolltebekanntsein,welcheArtderImplementationgarantiertwerdenkann,fürdenFall,dassdieParteiensicheinigen.

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4)Vorgehen:DieEinteilunginPhasenerleichtertdieMethodenwahlauch,weilderGradderDurchsetzungsfähigkeitdesMediators/Fazili-tatorsjenachPhasesehrvariiert.DerAnsatzderFazilitation,derwe-nigerinterventionistischundwenigerstrukturiertist,isttypischfürdieVorverhandlungsphase.WährendderVerhandlungenwirdeherMedi-ationangewendet,dasiedenAblaufsteuertundKommunikationför-dert.GemässderEinschätzungvonAttaElBatthaniistdasSchweizerEngagementimFriedensprozessimSudan«moreofasoft,lowprofiletypeofengagement,unlikethemodeofengagementbyotherEuropeanandWesterncountries.»89

5)Mediationsmodell:DieMediatorenderWaffenstillstandsverhand-lungenindenNuba-BergenundderCPA-Verhandlungenwareneher«outsider/neutral».DasHoNhingegenorientiertesicham«insider/par-tial»-Modell,indemhäufigeinePersönlichkeitausdemSüdsudandenProzessunterstützte. JedochbestandenalleuntersuchtenMediations-undFazilitationsbemühungenausTeamarbeitvonPersonenausAfrikaundausdemWesten.DerTeamcharakter solcherProzesse istbeach-tenswert:Mindestens10PersonenwarenindenNuba-Waffenstillstandinvolviert,11indieCPA-Verhandlungenund4–20indieHoN-Bemü-hungen.VerschiedeneRollenwerdendabeiübernommen:z.B.diedesFazilitators inderVorverhandlungsphase,der sichdiskret imHinter-grundhält;diedes«Über-Fazilitators»,deralsmoralischeInstanzinderVerhandlungsphaseagiert,zusammenmitderdesMediators,dersichaufdiePraxis-AspektederVerhandlungenkonzentriert.

ZusammenfassendzeigtdiesemethodischeUntersuchungwiesichdiedreiEngagementsderSchweizzeitlichundhierarchischergänzten:dieNuba-VerhandlungenbereitetendenWegfürdieCPA-VerhandlungenaufderoberstenpolitischenEbene,paralleldazuunterstütztedasHoN-ProjektdieVerbindungzwischenderpolitischenEbeneundderBasis.

89 EmailandenAutorvom20.Mai2006.

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Tabelle 1: Vergleich von drei Schweizer Mediations- und Fazilitationsdiensten im Sudan

waffenstillstands-verhandlungen in den nuba Bergen

nakuru/naivasha Friedensverhandlungen

entwicklung des «haus der nationa-litäten»

eskalation hoch hoch Mittel bis hochtracks ebene der

entscheidungs­findung

ebene der entscheidungsfindung

Zwischen der Zivilgesellschaft und der ebene der ent­

Phase des schweizer engagements

Vorverhandlungen, Verhandlungen und umsetzung

Verhandlungen und umsetzung (finanz. unterstützung unmis)

Vorverhandlungen

Vorgehen Mediation Mediation Fazilitation eines Dialogs

Mediations­modell

outsider/neutral outsider/neutral insider/parteiisch

ZumAbschlusssollennocheinigeBemerkungenzumProfilderSchwei-zergemachtwerden:Dadurch,dasseineGruppevonSchweizerExper-tenundDiplomatenindieverschiedenenBemühungeninvolviertwar,wareinerseitsdiplomatischeExpertisevorhanden,wasProfilundZu-gangzuRegierungenunddiplomatischenKreisenmitsichbrachte.Di-eseExpertisewurdeverkörpertdurchBotschafterJosefBucher,ineinerfrühenPhaseauchdurchdieSchweizerDiplomatenPietroPiffarettiundAndreaSemadeni,ThierryRegenassundSalmanBalinderzwei-tenPhasesowieabOktober2005durchBotschafterJean-DanielBiéler.AndererseitswardurchdieBeteiligungvonExpertenwie«Kwacakworo»einesehrausgeprägteSudan-Expertisevorhanden,dieZugangzuWis-senvorOrtermöglichte,dieeinschätzenkonnte,obeineIdeerealistischunddurchführbarwar,unddievonderBasiswegVertrauenaufbauenundBefürchtungenzerstreuenkonnte.SchliesslichwardurchdiePer-sonJulianHottingers,derErfahrungeninBurundiundinähnlichenFriedensprozessengesammelthatte,auchmethodologischeExpertisevorhanden.DieseRollenundBereichederExpertisewarennatürlichnichtvölligfestgelegt.JosefBucher,JulianHottingerundanderehattenauchdetaillierteSudan-Expertise,diesieinvielenJahrendesKontaktes

scheidungsfindung

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zumLandaufgebauthatten.UndExpertenwie«Kwacakworo»sindge-boreneFaziliatoren,dieinderLagesind,BrückenzwischenMenschenzubauen,diediesealssolideundstabilempfinden.

schlussfolgerungen

DiedreiuntersuchtenFällezeigen,dasseineVielzahlvonMethodenindenverschiedenenPhasenundaufdenverschiedenenEbenennot-wendigist,umderkomplexenSituationeinesKonflikts,wieerimSu-danvorliegt,gerechtzuwerden.Diesbedeutetabernicht,dasseindrit-terAkteuraufallenEbenenmitallenMethodenarbeitensollteundamEndedannwomöglichaufkeinerEbeneErfolgerzielt.Vielmehrerfor-derlichisteinBewusstseinfürdieverschiedenenEbenenundAkteureundeineEntscheidungfürodergegeneinEngagementaufderGrund-lagederjeweiligenPhaseundderpolitischenRealität,mitdermansichkonfrontiertsieht90.WährendinderZwischenzeitzunehmendein«sy-nergic»91,holistischerer,integriertereroder«systemischer»92AnsatzbeifriedenssschaffendenAktivitätenpropagiertwird, teilweiseaufgrunddesScheiternsvonFriedensvereinbarungen,habendieSchweizerBe-mühungenimSudandiesenWegschonseitMitteder1990erJahreein-geschlagen.DiesermehrstufigeundsowohlinBezugaufThemenalsauchaufAkteurevielfältigeAnsatzerforderteinprofundesWissenüberdenjeweiligenFallsowieFreiheitvonbürokratischenSachzwängenwieaufgesplitterteEntscheidungsprozesseodervordefinierte Jahres-oderMehrjahresprogramme.ImFallSudanvereintesichdasWissenüberdieverschiedenenAktivitätenundAkteure indeneinzelnenPhaseninderPersonBotschafterBuchers.DiesermöglichtedenSchweizern,einempolitischenInstinktzufolgen,aufEreignisse,diesichimLaufedesProzessesergaben,flexibelzureagieren,einerklarenVisionzufolgenundsomitdichtamWindzusegeln.DieschweizerischenBemühungen

90 InterviewdesVerfassersmitBotschafterBucher,26.Mai2006.91 Zuppi,Matteo/Cannelli,Ricardo.Sant’Egidio,lamédiation&lapaix.Entretiensréalisés

parEricMorier-Genoud.In:Missions et science sociales,13Oktober.2003,S.119–145.92 Siehez.B.denAnsatzdersystemischenKonflikttransformationdesBerghof-Forschungs-

zentrumsfürKonstruktiveKonfliktbearbeitung.

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warenvonErfolgundzeitweiseauchRückschlägengeprägt,siehabenabervorallemgezeigt,dassBeharrlichkeitundEngagementderbetei-ligtenExpertenfürdieSchaffungvonFriedenvonenormerWichtigkeitist,ebensowiediekontinuierlicheRückenstärkungdurchdieSchwei-zerRegierung.Letzterekannabernurauftrechterhaltenwerden,wenninderSchweizerÖffentlichkeiteinstarkerKonsensfürdieseArtvonBemühungenexistiert.DervorliegendeArtikelzeigtauch,dassvielederAnstrengungennichtzudemberühmtenHändeschüttelnführen,dasmanausCNN-Berichtenkennt.JahreodersogarJahrzehntehar-ter,unspektakulärerArbeitsindnotwendig,bevorkleineSchritteihreWirkungzeigen.

DasCPAbeendeteeinenKrieg,der2MillionenMenschendasLe-bengekostethat.NichtdieSchweizhatdiesenbeendet,aberdieSchweizhatdenBodenbereitetmitderNuba-Berge-Waffenstillstandsvereinba-rung,undsiehatdieCPA-VerhandlungendurcheinenihrerExpertenunterstützt.DieUnterzeichnungeinerFriedensvereinbarungistnichtdasEndeeinesFriedensprozesses, sondernderBeginnseinerUmset-zung.DeshalbhatdieSchweizbereits frühdamitbegonnen,MittelundWegezuunterstützen,dieFragenthematisieren,welchesich imZusammenhangmitdemRegierenstellenunddieinVereinbarungenwiedemCPAnichtgelöstwerden.DasHausderNationalitäten-Pro-jektisteinBeispiel.

DerDarfur-KonfliktwirfteinendunklenSchattenüberdieErfolgedesCPA–eineoptimistischeSichtist,dassdasCPAzumindesteinigedenkbareMechanismenaufzeigt,diefürdieNuba-Berge,AbyeiunddieRegiondesBlauenNilsentwickeltwurden,derenAnwendungbeiderDarfurundBeja-Kriseaberebenfallshelfenkönnte.Optimismusistjedochschwierig,solangedieinternationaleGemeinschaftkeinegrös-serenAnstrengungenunternimmt,demFallDarfurmiteinemsorgfältigkombiniertenAnsatzzubegegnen,dersowohleindeutigDruckausübtalsauchdenDialogerleichtert.

DieSchweizerBemühungen imSudanzeigeneinigederpotenti-ellenStärkendesSchweizerProfilsauf:derbescheidene,aberklareStildesEngagements;diehohePriorität,diederKooperationmitanderendrittenAkteurenbeigemessenwird;dieLangfristigkeitdesEngage-ments;undderintegrierteAnsatz,derimFriedensprozessangewendet

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wird.DieVertrautheitderSchweizerExpertenmitdemFöderalismuskönnteauchalsVorteilgesehenwerden,auchwenndieasymmetrischeföderaleStruktur,aufdiesichdieSudanesengeeinigthaben,nichtjenerdesföderalenSystemsderSchweizentspricht.FürdieZukunftkannan-genommenwerden,dassdieSchweizweiterhinErfahrungenindiesemBereichsammelnwird,währendimeigenenLandeinDialogüberdieRollederSchweizinFriedensprozessenstattfindenwird.EinErgebnisdiesesProzesseskönntedieVisionsein,dassdieSchweizeineaktivereRolleauf internationalerEbeneübernimmt,eineklarere langfristigeStrategieentwickeltundsomitihrezivilenwiemilitärischenRessour-cenbessernutztfürdieSchaffungvonFriedenundStabilität-sowohlausEigeninteressewieauchausSolidarität.

anhang: übersIcht über DIe frIeDensgespräche unD -abKommen Im norD-süD-KonflIKt suDans93

1965 Khartum-KonferenzamrundenTisch94

1972 AddisAbeba–Abkommen,beendetedenerstensudanesischenBürgerkrieg

1986 KokoDam-ErklärungderNicht-Regierungsorganisationen(SPLA/MundNationaleAllianzdernationalenRettungdesLandes–NationalAllianceoftheNationalSalvationoftheCountry)

31.7.1986 GesprächezwischenSadiqAl-MahdiundJohnGarang

März1988 GesprächezwischenMirghani(DUP)undGarang(SPLM)inHarare,diezueineram16.NovemberinÄthiopienab-geschlossenenVereinbarungführten,unterstütztdurchden

93 Fallsnichtandersmarkiert,istdieQuelle:TheSudanPeaceProcessesandDocuments,Nor-wegianSupportGroupForSudan,http://www.sudansupport.no/english_pages/peace-pro-cesses.html.

94 ChronologyofConflictResolutionInitiativesinSudan,GeorgeMasonUniversity,InstituteforConflictAnalysisandResolution,1991.

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GlobalInter-ActionCouncilofFormerHeadsofStateandGovernment

19./20.8.1989 TreffenderSPLA/MundGoS(GovernmentofSudan)inAddisAbeba(Äthiopien),ohneexternenMediator

1.–5.12.1989 TreffenderSPLA/MundGoSinNairobi(Kenia),erstedi-rekteGespräche, späterunterstütztdurchdenehemaligenUSPräsidentenJimmyCarter

25.1.1992 GesprächezwischenSSIM/A(ehemalsSPLM/A-United)undGoSinFrankfurt95

Mai/Juni1992 TreffenzwischenSPLA/MundGoSinAbuja(Nigeria),derehemaligenigerianischePräsidentIbrahimBabangida,Vor-sitzenderderOAU,agiertalsMediator

April/Mai1993 TreffenderSPLA/MundGoSinAbuja(Nigeria),derehe-maligenigerianischePräsidentIbrahimBabangida,Vorsit-zenderderOAU,agiertalsMediator

1993 TreffenderSPLA/MundGoSinNairobi,Kenia

7.September1993EinrichtungdesIGAD(D)StandingCom-mitteeonPeaceimSudan

1994 BeginndesIGAD(D)-ProzesseszwischenSPLM/A,SPLM/A-UnitedundGoS,vierGesprächsrunden,diezueinerPrin-zipienerklärung(DeclarationofPrinciplesDOP)führten

Juni1995 AsmaraErklärung,AllianzzwischenderNationalDemo-craticAlliance(NDA)undSPLM/A

1996 GesprächezwischenGoSundSPLA-BahrEl-GhazalGruppe,diezurSudanesischenPolitischenCharta(SudanesePoliticalCharter)führten

1997 Khartum-ProzessmitGesprächenzwischenGoSundver-schiedenenRebellengruppen,jedochohneSPLA/M.Führte

95 Machar,Riek.SouthSudan:AHistoryofPoliticalDomination–ACaseofSelf-Determi-nation.UniversityofPennsylvania,AfricanStudiesCenter,http://www.africa.upenn.edu/Hornet/sd_machar.html.

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zurKhartum-Vereinbarungvom21.April1997,zurNuba-Berge-Vereinbarung(NubaMoutainsAgreement)vom21.April 1997 zwischen GoS und Nuba Mountains UnitedSPLM/AsowiezumFashodaAgreementvom20.Septem-ber1997zwischenGoSundSPLM/AUnitedunterderFüh-rungvonLamAkol

1997 FortsetzungderIGAD(D)VerhandlungenzwischenGoSundSPLM/A,jedochohnegrossenErfolg

1999 GesprächezwischenGoSundderBürgerfrontdesBlauenNils(BlueNileCitizensFront),führtezurVereinbarungdesBlauenNils(BlueNileAgreement)

1989–2000 Reihevon«people-to-people»-KonferenzenunterderFeder-führungdesNeuenSudanesischenKirchenrats(NewSudanCouncilofChurches)undanderenOrganisationenzudenverschiedenKonfliktenderSüdsudanesischenGruppen,z.B.LokiDinka-NuerAccordof1998,WunlitDinka-NuerCo-venant1999,WaatLouNuerCovenant1999,LiliirCovenant2000,Kisumudeclerations2001,WashingtonDinka-Nuerdecleration2002

1999–2001 InitiativeLibyensundÄgyptenszurFazilitationvonGe-sprächenzwischenGoSunddenOppositionsparteien imNorden,führtezumägyptisch-lybisch-sudanesischenKom-muniquévon2000unddemMemorandumvon2001

Nov.2000 Workshop in Aberare, Anstoss zur Idee des Hauses derNationalitäten

Januar2002 Nairobi Erklärung nach den Gesprächen zwischen RiekMachar (SPDF)undJohnGarang(SPLM/A) inNairobi,diediebeidenRebellengruppen,diesich1991voneinandergetrennthatten,wiedervereinten

Januar2002 schweizerisch-amerikanischeInitiativeaufdemBürgenstock,führtezumWaffenstillstandindenNuba-Bergen

Juli2002 IGAD(D)-Prozess,führtezumMachakos-Protokoll,einemvorläufigenFriedensabkommen

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Nov.2002 IGAD(D)-Prozess, führte zum Memorandum über dieRegierungsstruktur

Juli2003 IGAD-ProzessführtzumNakuru-Entwurf

Sept.2003 BeginnderNaivasha-TreffenzwischenTahaundGarang,diesichmitdenThemenSicherheit,demTeilenvonWohlstandundMacht,diedreiumstritteneRegionen,beschäftigt

Nov.2003 Frauen-KonferenzimHausderNationalitäten,Lokichokio

Juni/Juli2004 SPLM/A-KonferenzimSüdsudan,ander300Könige,Häupt-lingeandspirituelleFührerteilnehmen

9.1.2005 ComprehensivePeaceAgreement

9.7.2005 Übergangs-StaatsverfassungderRepublikSudan