Einsatz von Prüfsteckdosen für Messen und Prüfen ... · PDF file4 Heft...

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2 Heft 11-12/2002 • Mittels geeigneter Prüfeinrichtung wer- den – vor jeder Inbetriebnahme und bei den periodischen Prüfungen – dem Schutzrelais Prüfgrößen im Strom- und Spannungspfad zugeführt und die Reak- tion des Relais getestet. Dazu gehören: • Ermittlung der Anrege- und Abfall- werte, • Messung der Kommandozeit, • Prüfung der Richtungsglieder und • Überprüfung der Meldungen am Re- lais, am Naharbeitsplatz in der Warte und über die serielle Schnittstelle in der Netzleitstelle. Um ein sicheres und schnelles An- schließen der Prüfeinrichtung zu errei- chen, hat sich der Einsatz von Prüfsteck- vorrichtungen bewährt. Die nachstehend beschriebene Steckvorrichtung besteht aus einer Prüfsteckdose, die im Schutzwartenfeld oder Niederspannungs- schrank der Schaltzelle eingebaut und zwischen Schaltanlage und Schutzrelais geschaltet wird und dem Prüfstecker, der dem Prüfgerät zugeordnet ist. In einem Arbeitskreis, bestehend aus Verbund- und Energieversorgungsunter- nehmen, Planern und Herstellern, wurden 1976 [2] unter Federführung des Instituts für Energieversorgung Dresden Untersu- chungen durchgeführt, die bei den ver- schiedenen Anwendungsfällen zu einer optimalen Polzahl von 19, 14 und 7 führten. In [3] wurden besonders die Außenschaltungen dem Stand der Tech- nik angepasst und in [4] die Anschluss- varianten neu abge- stimmt. Im Bild 1 ist die Steckdose und der Stecker Typ B14 abge- bildet. Durch die Kon- struktion des Prüf- steckers werden beim Einführen die Strom- wandlerkreise so über- brückt, dass auch während des Einfü- gens keine offenen Stromwandler entste- hen. Die Kurzschluss- brücken sind im Stecker untergebracht. Verlängerte Stifte in den Steuerkreisen ver- hindern sicher eine ungewollte Signal- übertragung, z. B. Leistungsschalteraus- lösung. Zwei Codierstifte im Stecker und entsprechende Codierbuchsen in der Prüfsteckdose sorgen für eine Unver- wechselbarkeit. Mit dem ersten Führungsstift wird die richtige Strom- wandlerbrückung, z. B. gemeinsame Kurzschließung aller drei Ströme bei Va- riante B14 oder einzelne Brückung der durchgeschleiften Ströme bei C19, gesi- chert. Der zweite Führungsstift kenn- zeichnet die Polzahl. Die Prüfsteckdose wird als Ein- oder Aufbauvariante in unmittelbarer Nähe der Schutzeinrichtung so eingebaut, dass die a-Anschlüsse immer unten oder links liegen. In der Tabelle sind Anwendungsbei- spiele für die verschiedenen Prüfsteckdo- sentypen aufgeführt. Die Kontaktbele- gung ist in [4] zusammengestellt. Im Bild 2 ist der Anschluss einer Prüfsteck- dose am Beispiel eines digitalen Distanz- schutzes dargestellt. Mit dem Einstecken des Prüfsteckers werden: • die Stromwandler kurzgeschlossen (-X301P:1a bis :4a) und abgetrennt, • die Spannungswandler abgetrennt (-X301P:5a bis 8a), • der Aus- und der Ein-Impuls zum Leistungsschalter unterbrochen (-X301P:9a bis :11a), • die Meldung abgesteckt (-X301P:12a) und • die serielle Schnittstelle Schutzrelais/ Leittechnik (VDEW/ZVEI) durch Absteuerung eines Binäreinganges im Schutzrelais (-F301) blockiert (-X301P:13a und :14a). An den jeweils außenliegenden Kontak- ten (bei der 14-pol. –X301P:13 und :14) liegt an der b-Seite die Hilfsspannung zum Abgriff für die Prüfeinrichtung an und über die a-Seite wird durch die Ab- meldung des Schutzrelais „Relais in Test- betrieb“ eine ungewollte Signalisierung zur Netzleitstelle während des Prüfvor- ganges verhindert. Über die b-Seite der Prüfsteckdose wer- den dem Schutzrelais die Prüfgrößen Strom und Spannung bzw. die abgeleite- ten Größen Leistung, Impedanz oder Fre- quenz zugeführt und der Prüfeinrichtung die Aus- und Ein-Signale zur Messung der Kommandozeiten übergeben. Nach Abschluss der Prüfung oder zu einer ver- sorgungstechnisch günstigen Zeit kann – bei gezogenem Prüfstecker – eine Schal- Dipl.-Ing. (FH) Walter Schossig war bis zum Eintritt in den Vorruhestand als Ingenieur für Relaisschutz bei der TEAG Thüringer Energie AG, im VDEW-AA „Relais- und Schutztech- nik“ und in der Deutschen Elektro- technischen Kommission (DKE) K434 „Messrelais und Schutzeinrich- tungen“ tätig. Er ist Mitglied des VDE-AK „Netzschutz Thüringen“. E-Mail: [email protected] Einsatz von Prüfsteckdosen für Netzschutzeinrichtungen Walter Schossig Im Mittel- und Hochspannungsnetz kommen Schutzrelais zur Anwendung, deren Messgrößen über Strom- und Spannungs- wandler zugeführt werden und bei Überschreitung von fest- gelegten Grenzwerten infolge Fehlereinwirkung im Kurzschlussfall Leistungsschalter zur Auslösung bringen. Diese Schutzrelais müssen vor der Inbetriebnahme sowie periodisch einer Prüfung unterzogen werden [1]. Messen und Prüfen Bild 1. Prüfsteckvorrichtung Typ B14; links Steckdose und rechts Stecker

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2 Heft 11-12/2002 •

Mittels geeigneter Prüfeinrichtung wer-den – vor jeder Inbetriebnahme und beiden periodischen Prüfungen – demSchutzrelais Prüfgrößen im Strom- undSpannungspfad zugeführt und die Reak-tion des Relais getestet. Dazu gehören: • Ermittlung der Anrege- und Abfall-

werte,• Messung der Kommandozeit,• Prüfung der Richtungsglieder und • Überprüfung der Meldungen am Re-

lais, am Naharbeitsplatz in der Warteund über die serielle Schnittstelle inder Netzleitstelle.

Um ein sicheres und schnelles An-schließen der Prüfeinrichtung zu errei-chen, hat sich der Einsatz von Prüfsteck-vorrichtungen bewährt. Die nachstehendbeschriebene Steckvorrichtung bestehtaus einer Prüfsteckdose, die imSchutzwartenfeld oder Niederspannungs-schrank der Schaltzelle eingebaut undzwischen Schaltanlage und Schutzrelaisgeschaltet wird und dem Prüfstecker, derdem Prüfgerät zugeordnet ist.

In einem Arbeitskreis, bestehend ausVerbund- und Energieversorgungsunter-nehmen, Planern und Herstellern, wurden1976 [2] unter Federführung des Institutsfür Energieversorgung Dresden Untersu-chungen durchgeführt, die bei den ver-schiedenen Anwendungsfällen zu eineroptimalen Polzahl von 19, 14 und 7führten. In [3] wurden besonders dieAußenschaltungen dem Stand der Tech-

nik angepasst und in[4] die Anschluss-varianten neu abge-stimmt. Im Bild 1 istdie Steckdose und derStecker Typ B14 abge-bildet.

Durch die Kon-struktion des Prüf-steckers werden beimEinführen die Strom-wandlerkreise so über-brückt, dass auchwährend des Einfü-gens keine offenenStromwandler entste-hen. Die Kurzschluss-brücken sind imStecker untergebracht.Verlängerte Stifte inden Steuerkreisen ver-hindern sicher eineungewollte Signal-übertragung, z. B. Leistungsschalteraus-lösung. Zwei Codierstifte im Stecker undentsprechende Codierbuchsen in derPrüfsteckdose sorgen für eine Unver-wechselbarkeit. Mit dem erstenFührungsstift wird die richtige Strom-wandlerbrückung, z. B. gemeinsameKurzschließung aller drei Ströme bei Va-riante B14 oder einzelne Brückung derdurchgeschleiften Ströme bei C19, gesi-chert. Der zweite Führungsstift kenn-zeichnet die Polzahl.

Die Prüfsteckdose wird als Ein- oderAufbauvariante in unmittelbarer Näheder Schutzeinrichtung so eingebaut, dassdie a-Anschlüsse immer unten oder linksliegen.

In der Tabelle sind Anwendungsbei-spiele für die verschiedenen Prüfsteckdo-sentypen aufgeführt. Die Kontaktbele-gung ist in [4] zusammengestellt. ImBild 2 ist der Anschluss einer Prüfsteck-dose am Beispiel eines digitalen Distanz-schutzes dargestellt.

Mit dem Einstecken des Prüfsteckers werden: • die Stromwandler kurzgeschlossen

(-X301P:1a bis :4a) und abgetrennt,• die Spannungswandler abgetrennt

(-X301P:5a bis 8a),• der Aus- und der Ein-Impuls zum

Leistungsschalter unterbrochen (-X301P:9a bis :11a),

• die Meldung abgesteckt (-X301P:12a)und

• die serielle Schnittstelle Schutzrelais/Leittechnik (VDEW/ZVEI) durch Absteuerung eines Binäreinganges imSchutzrelais (-F301) blockiert (-X301P:13a und :14a).

An den jeweils außenliegenden Kontak-ten (bei der 14-pol. –X301P:13 und :14)liegt an der b-Seite die Hilfsspannungzum Abgriff für die Prüfeinrichtung anund über die a-Seite wird durch die Ab-meldung des Schutzrelais „Relais in Test-betrieb“ eine ungewollte Signalisierungzur Netzleitstelle während des Prüfvor-ganges verhindert.

Über die b-Seite der Prüfsteckdose wer-den dem Schutzrelais die PrüfgrößenStrom und Spannung bzw. die abgeleite-ten Größen Leistung, Impedanz oder Fre-quenz zugeführt und der Prüfeinrichtungdie Aus- und Ein-Signale zur Messungder Kommandozeiten übergeben. NachAbschluss der Prüfung oder zu einer ver-sorgungstechnisch günstigen Zeit kann –bei gezogenem Prüfstecker – eine Schal-

Dipl.-Ing. (FH) Walter Schossig warbis zum Eintritt in den Vorruhestand

als Ingenieur für Relaisschutz beider TEAG Thüringer Energie AG, im

VDEW-AA „Relais- und Schutztech-nik“ und in der Deutschen Elektro-

technischen Kommission (DKE)K434 „Messrelais und Schutzeinrich-

tungen“ tätig. Er ist Mitglied desVDE-AK „Netzschutz Thüringen“.E-Mail: [email protected]

Einsatz von Prüfsteckdosen fürNetzschutzeinrichtungen Walter Schossig

Im Mittel- und Hochspannungsnetz kommen Schutzrelais zurAnwendung, deren Messgrößen über Strom- und Spannungs-wandler zugeführt werden und bei Überschreitung von fest-gelegten Grenzwerten infolge Fehlereinwirkung im KurzschlussfallLeistungsschalter zur Auslösung bringen. Diese Schutzrelaismüssen vor der Inbetriebnahme sowie periodisch einer Prüfungunterzogen werden [1].

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Bild 1. Prüfsteckvorrichtung Typ B14;links Steckdose und rechts Stecker

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terfunktionsprüfung vorge-nommen werden.

Während der Prüfung desSchutzrelais wird also erreicht,dass ungewollte Steuerfunk-tionen – wie Auslösung vonLeistungsschaltern – und Sig-nalanregungen vermiedenwerden. Ein rationelles Prüfender Schutzrelais ohne jeglicheKlemmenarbeiten ist möglich.Ein versehentliches Öffnenvon Stromwandlerkreisen mitder Gefahr für Personal undAnlage wird vermieden. Nachdem Beenden des Prüfvor-gangs (Ziehen des Steckers)wird das Schutzrelais auto-matisch mit den Betriebs-größen verbunden und dieSignale werden freigegeben.Ein Vergessen des Schließensvon Klemmenbrücken, wiedies bei Einschleifungen überdie Klemmenleiste erforder-lich ist, wird verhindert.

Die in Segmentbauweisehergestellten Prüfsteckvor-

richtungen werden seit über25 Jahren besonders in denEVU der neuen Bundesländersowie dem Verbundunterneh-men VEAG mit Erfolg einge-setzt. Im Bild 3 ist links untender Einbau einer B14-Prüf-steckdose, Form Aufbau, undim Bild 4 die Form Einbau imNiederspannungsraum derMittelspannungsschaltzelleabgebildet. Die A7-Prüfsteck-dose dient der Erfassung desNullstromes über einen sepa-raten Kabelumbauwandler.

Prüfsteckvorrichtungmacht Schutzeinrichtungzuverlässiger

Durch den Einsatz vonPrüfsteckvorrichtungen sindkeinerlei Klemmarbeiten beiPrüfungen erforderlich, eswird ein wesentlicher Beitragzur Erhöhung der Versor-gungszuverlässigkeit geleistetund ein gefahrloses Prüfender Schutzeinrichtungen bei

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Bild 3. Einsatz einer Prüfsteckdose in der Relaisnische

Bild 4. Einbau der Prüfsteckdose in der Nischentür

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4 Heft 11-12/2002 •

gleichzeitiger Zeiteinspa-rung erreicht. Zur Vermei-dung von Fehlauslösung istdurch die Verhinderung derAnregung und die Unterbre-chung der Auslösung einedoppelte Sicherheit gewähr-leistet. Mit dem Wegfall vonKlemmenarbeiten ist die Ge-fahr des Vergessens, z. B.schließen der AUS-Brücke,beseitigt, so dass die Zuver-lässigkeit der Schutzeinrich-tung mit der Verwendung

von Prüfsteckvorrichtungenerhöht wird.

Literatur[1] Prüfempfehlungen für digitale

Schutzeinrichtungen mit Selbstü-

berwachung. Stand April 1995.

Frankfurt/M VDEW-AA „Relais-

und Schutztechnik“

[2] Müller, H. u.a.: Anschaltung von

Prüfsteckvorrichtungen 19-, 14-

und 7-polig an Schutzrelais. Be-

richt-Nr. 74-1215[1976]BE, IEV

Dresden v. 3.9.1975

[3] Müller, H. u.a.: Der Anschluss

von Prüfsteckvorrichtungen für

Schutzrelais und Schutzrelais-

kombinationen. Ber.-Nr. 74-

2498-(1985)FE, IEV Dresden v.

30.03.1985. Ergänzung: Einsatz

von Prüfsteckdosen für digitale

Schutzrelais. TEAG Thüringer En-

ergie AG, Erfurt, 11.07.1994

[4] Kretschmar, G.; Hauschild, J.;

Krös, W.; Wolf, R.; Schossig, W.:

Richtlinie Prüfsteckvorrichtungen

für Schutzeinrichtungen. VDE Be-

zirksverein Dresden, AK „Relais-

und Schutztechnik“, AG „Hoch-

spannungs-“ und „Mittelspan-

nungsschutztechnik“ Dresden:

2002 �

Bild 2. Anschaltung einer Prüfsteckdose B14

12a

14a11a

IL3I0 IL1 IL2

1a

1b

2a

2b

3a

3b

4a

4b

5a

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6a

6b

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7b

8a

8b

UL1 UL2UL3N

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L1

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S1(k)–T1

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weitereGeräte

a(u)

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L1 L2 L3

–T5

Hilfs-span-nung

12b

9b

9a

AUS

L+A

L–

–X301P

10b

10a

EIN

L+E

L–E

–X301P

11b

–F301

14b

13b

13a–X301P

Signal

Signal-kreis

BlockadeVDEW/ZVEIL+

–X301P–X301P

–F301

L–

–Q0

Tabelle 1. Typische Beispiele für die Anwendung von Prüfsteckdosen

Typ Verwendungszweck

B19 Distanzschutz für HS

C19 Distanzschutz als Anlagen- und Sammelschienenschutz, Überstromrichtungszeit-Schutz,Stromvergleichsschutz für Leitungen

D19 Elektromechanischer Differentialschutz für Zwei- und Drei-Wickler-Transformatoren

F19 Elektromechanischer Differentialschutz für Zwei-Wickler-Transformatoren, Generatoren, Moto-ren und Leitungen

G19 Digitaler Differentialschutz für Zwei- und Drei-Wickler-Transformatoren

A14 Dreistufige Automatische Frequenzentlastung (AFE), Nullstromvergleichs-Schutz, Ständer- undRotorerdschluss-Schutz

B14 Distanzschutz für HS u. MS, Überstromrichtungszeit-Schutz, Spannungsregelung

C14 Überstromzeitschutz, Schieflastschutz, Ständererdschluss-Schutz für SS-Betrieb

A7 Einsystemige Strom-, Spannungs- und Leistungsrelais, wattmetrische und Erdschlusswischer-relais, Verstimmungsgradregler, Rückleistungsschutz für Generatoren

B7 Zusatz zur F19 für Drei-Wickler-Transformatoren

E7 Einstufige Automatische Frequenzentlastung (AFE), Rotorerdschluss-Schutz