Elektrisch leitfähige...

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784 GAK 12/2008 – Jahrgang 61 Formgedächtnispolymere Elektrisch leitfähige Formgedächtnispolymere X. Lan, W. M. Huang, J. S. Leng, N. Liu, L. S. J. Phee, Q. Yuan * * Xin Lan, Research student Prof. Dr. Jin Song Leng, Center for Composite Materials and Structures, Harbin Institute of Technology, PR China Dr. Wei Min Huang, Associate Professor [email protected] Na Liu, Research student Dr. Louis Soo Jay Phee, Assistant Professor Quan Yuan, Undergraduate student School of Mechanical and Aerospace Engineering, Nanyang Technological University, Singapore Vortrag, “Polymers in Defence and Aerospace Ap- plications”, 18. - 19. September 2007, Toulouse, Frankreich, Smithers Rapra Technology Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Smithers Rapra Technology Ltd., Shropshire, UK Applied Physics Letters 92, 1 (2008), American Institute of Physics Formgedächtnispolymere (shape-memory polymers, SMPs) haben eine wiedererlangbare Spannung von einigen 100 %. In ihnen steckt großes Potenzial für vielfältige Anwendungs- möglichkeiten. Beispielsweise könnten sie die besten Werkstoffe zur Steuerung unbemann- ter Fluggeräte werden. Unter den verschiedenen Formgedächtnispolymeren (SMPs) sind die thermoreaktiven Varianten die vielversprechendsten. Da SMPs eigentlich elektrisch nichtlei- tend sind, ist eine externe Wärmequelle erforderlich um damit zu arbeiten. Versetzt man sie jedoch mit leitfähigen Zuschlagstoffen, so kann das Polymer einfach durch Joule´sche Wär- me (Joule´sche Erwärmung ist die Wärme, die entsteht, wenn ein Strom durch einen Leiter fließt.) aufgeheizt werden, genauso wie bei Formgedächtnislegierungen. Diese Methode ist zwar elegant, aber nicht ganz unproblematisch, denn die Zuschlagstoffe können die Eigen- schaften (z. B. Wiedererlangung der ursprünglichen Form, Festigkeit, Übergangstemperatur, usw.) der Mischungen erheblich beeinträchtigen. In diesem Beitrag berichten wir über die Herstellung und Charakterisierung von elektrisch leitfähigen SMPs mit anisotropen elektro- thermomechanischen Eigenschaften. Das Herstellungsverfahren eröffnet einen Weg zu elek- trisch leitfähigen SMPs mit gezielt gestalteten, richtungsgebundenen Eigenschaften. Shape-memory polymers (SMPs) have a recoverable strain of a few 100 %. They have great potential for many applications. For instance, they might be the best material for morphing of unmanned aviation vehicles. Among different types of SMPs, thermo-responsive SMPs are more promising. Since SMPs are intrinsically electrically non-conductive, an external heating system is required for their operation. By blending with conductive particles, the polymer can be conveniently heated up by Joule heat, just like that in shape-memory alloys. This approach is convenient but not without problems. The additives may affect the pro- perties (e. g., shape recovery, strength, transition temperature, etc.) of the resulted compo- sites significantly. In this paper, we report the fabrication and characterization of electri- cally conductive SMPs, which have anisotropic electro-thermo-mechanical properties. This technique provides a way for realizing electrically conductive SMPs with designed properties along the particular directions. 1. Einleitung Formgedächtnispolymere (shape-memory polymers, SMPs) haben eine wiedererlang- bare Dehnung in der Größenordnung von 100 %. Das ist sehr viel mehr als bei ande- ren Spezialwerkstoffen, z. B. Formgedächt- nislegierungen [5, 2, 22]. Die Rückstellung zur Ausgangsform kann durch verschiede- ne Maßnahmen ausgelöst werden. Deshalb können SMPs gemäß ihrer Stimulationsmög- lichkeiten klassifiziert werden [2, 3, 7, 9, 16, 20]. Unter ihnen ist derzeit insbesondere die Entwicklung der wärmereagierenden SMPs weit fortgeschritten. Für diese SMPs wurden bereits einige Anwendungsgebiete erschlos- sen. [19, 6]. Im Gegensatz zu Formgedächtnislegierun- gen, die sich bereits beim Anlegen eines elek- trischen Stroms erwärmen [5], sind SMPs von Natur aus elektrisch nicht leitend. Es wurden bereits verschiedene Methoden vorgeschla- gen, wärmereagierende SMPs ohne zusätz- liche Heizvorrichtungen zu erwärmen. So wurde die Erwärmung mittels Laserstrahlung [13, 17] oder Infrarotquelle [10] vorgeschla- gen. Eine weitere Möglichkeit besteht dar- in, dem Polymer leitfähige Zuschlagstoffe, z. B. Ruße, Kohlenstoff-Nanofasern/-röhr- chen, beizumischen um es dann elektrisch anzuregen [3, 4, 21, 22]. Neuerdings wur- den auch magnetische Füllstoffe zugesetzt, als Voraussetzung für eine induktive Erwär- mung [14]. Allerdings sind bislang alle diese Zusätze (sowohl leitfähige als auch magne- tische Teilchen) zufällig im Polymer verteilt mit dem Ziel, höchste Homogenität und/oder höhere Leitfähigkeit zu erreichen, genauso wie derzeit bei der Entwicklung leitfähiger Polymere mit einer Perkolationsschwelle für die elektrische Leitfähigkeit, die so niedrig wie möglich sein soll [15, 18, 24]. Bislang haben wir dünne SMP-Filme mit magnetischen Strukturen durch Zugabe von Fe 3 O 4 Pulver (nominelle Teilchengröße, <5 μm, Reinheit 98 %) entwickelt. Diese Strukturen wurden in drei Schritten erzeugt. Erstens, Fe 3 O 4 Pulver wurde in eine Polyure- than SMP Lösung (MS-5510, von Diaplex Co. Ltd., Japan mit 30 Gew.-% Polyurethan Harz und 70 Gew.-% Dimethylformamid) einge- mischt. Die gut gemischte Lösung wurde auf eine Glasplatte gegossen. Über eine be- stimmte Zeit wurde mit Hilfe zweier Magne- ten ein Magnetfeld angelegt. Zuletzt wurde der dünne Film bei 80 °C getrocknet. Ab- bildung 1 zeigt die Ausbildung kettenarti- ger Strukturen bei unterschiedlicher Füllung mit Fe 3 O 4 Pulver und unterschiedlich langer Magnetisierung. Mit zunehmender Füllung und steigender Magnetisierungszeit werden die kettenartigen Strukturen durchgängiger und dicker. Bei Erwärmung auf 180 °C, dem Schmelzpunkt dieses Polymeren, drehen sich die Ketten teilweise um 90 °, sofern ein ver- tikales Magnetfeld senkrecht zur bisherigen Anordnung angelegt wird (Abb. 2). Der elek- trische Widerstand dieser dünnen Filme ist hoch, denn Fe 3 O 4 ist ferromagnetisch, aber nicht elektrisch leitend. Durch diese Arbeit angeregt und aufgrund unserer bisherigen Erfahrungen mit rußge- fülltem SMP erwogen wir, weitere ferroma- gnetische und elektrisch leitfähige Füllstoffe

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  • 784 GAK 12/2008 – Jahrgang 61

    Formgedächtnispolymere

    Elektrisch leitfähige FormgedächtnispolymereX. Lan, W. M. Huang, J. S. Leng, N. Liu, L. S. J. Phee, Q. Yuan *

    * Xin Lan, Research student

    Prof. Dr. Jin Song Leng,

    Center for Composite Materials and Structures,

    Harbin Institute of Technology, PR China

    Dr. Wei Min Huang, Associate Professor

    [email protected]

    Na Liu, Research student

    Dr. Louis Soo Jay Phee, Assistant Professor

    Quan Yuan, Undergraduate student

    School of Mechanical and Aerospace Engineering,

    Nanyang Technological University, Singapore

    Vortrag, “Polymers in Defence and Aerospace Ap-

    plications”, 18. - 19. September 2007,

    Toulouse, Frankreich, Smithers Rapra Technology

    Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung

    von Smithers Rapra Technology Ltd., Shropshire, UK

    Applied Physics Letters 92, 1 (2008),

    American Institute of Physics

    Formgedächtnispolymere (shape-memory polymers, SMPs) haben eine wiedererlangbare Spannung von einigen 100 %. In ihnen steckt großes Potenzial für vielfältige Anwendungs-möglichkeiten. Beispielsweise könnten sie die besten Werkstoffe zur Steuerung unbemann-ter Fluggeräte werden. Unter den verschiedenen Formgedächtnispolymeren (SMPs) sind die thermoreaktiven Varianten die vielversprechendsten. Da SMPs eigentlich elektrisch nichtlei-tend sind, ist eine externe Wärmequelle erforderlich um damit zu arbeiten. Versetzt man sie jedoch mit leitfähigen Zuschlagstoffen, so kann das Polymer einfach durch Joule´sche Wär-me (Joule´sche Erwärmung ist die Wärme, die entsteht, wenn ein Strom durch einen Leiter fließt.) aufgeheizt werden, genauso wie bei Formgedächtnislegierungen. Diese Methode ist zwar elegant, aber nicht ganz unproblematisch, denn die Zuschlagstoffe können die Eigen-schaften (z. B. Wiedererlangung der ursprünglichen Form, Festigkeit, Übergangstemperatur, usw.) der Mischungen erheblich beeinträchtigen. In diesem Beitrag berichten wir über die Herstellung und Charakterisierung von elektrisch leitfähigen SMPs mit anisotropen elektro-thermomechanischen Eigenschaften. Das Herstellungsverfahren eröffnet einen Weg zu elek-trisch leitfähigen SMPs mit gezielt gestalteten, richtungsgebundenen Eigenschaften.

    Shape-memory polymers (SMPs) have a recoverable strain of a few 100 %. They have great potential for many applications. For instance, they might be the best material for morphing of unmanned aviation vehicles. Among different types of SMPs, thermo-responsive SMPs are more promising. Since SMPs are intrinsically electrically non-conductive, an external heating system is required for their operation. By blending with conductive particles, the polymer can be conveniently heated up by Joule heat, just like that in shape-memory alloys. This approach is convenient but not without problems. The additives may affect the pro-perties (e. g., shape recovery, strength, transition temperature, etc.) of the resulted compo-sites significantly. In this paper, we report the fabrication and characterization of electri-cally conductive SMPs, which have anisotropic electro-thermo-mechanical properties. This technique provides a way for realizing electrically conductive SMPs with designed properties along the particular directions.

    1. Einleitung

    Formgedächtnispolymere (shape-memory polymers, SMPs) haben eine wiedererlang-bare Dehnung in der Größenordnung von 100 %. Das ist sehr viel mehr als bei ande-ren Spezialwerkstoffen, z. B. Formgedächt-nislegierungen [5, 2, 22]. Die Rückstellung zur Ausgangsform kann durch verschiede-ne Maßnahmen ausgelöst werden. Deshalb können SMPs gemäß ihrer Stimulationsmög-lichkeiten klassifi ziert werden [2, 3, 7, 9, 16, 20]. Unter ihnen ist derzeit insbesondere die Entwicklung der wärmereagierenden SMPs weit fortgeschritten. Für diese SMPs wurden bereits einige Anwendungsgebiete erschlos-sen. [19, 6].

    Im Gegensatz zu Formgedächtnislegierun-gen, die sich bereits beim Anlegen eines elek-trischen Stroms erwärmen [5], sind SMPs von Natur aus elektrisch nicht leitend. Es wurden

    bereits verschiedene Methoden vorgeschla-gen, wärmereagierende SMPs ohne zusätz-liche Heizvorrichtungen zu erwärmen. So wurde die Erwärmung mittels Laserstrahlung [13, 17] oder Infrarotquelle [10] vorgeschla-gen. Eine weitere Möglichkeit besteht dar-in, dem Polymer leitfähige Zuschlagstoffe, z. B. Ruße, Kohlenstoff-Nanofasern/-röhr-chen, beizumischen um es dann elektrisch anzuregen [3, 4, 21, 22]. Neuerdings wur-den auch magnetische Füllstoffe zugesetzt, als Voraussetzung für eine induktive Erwär-mung [14]. Allerdings sind bislang alle diese Zusätze (sowohl leitfähige als auch magne-tische Teilchen) zufällig im Polymer verteilt mit dem Ziel, höchste Homogenität und/oder höhere Leitfähigkeit zu erreichen, genauso wie derzeit bei der Entwicklung leitfähiger Polymere mit einer Perkolationsschwelle für die elektrische Leitfähigkeit, die so niedrig wie möglich sein soll [15, 18, 24].

    Bislang haben wir dünne SMP-Filme mit magnetischen Strukturen durch Zugabe von Fe3O4 Pulver (nominelle Teilchengröße,

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    Formgedächtnispolymere

    mit dem Ziel zu untersuchen, zu Ketten mit deutlich höherer elektrischer Leitfähigkeit zu kommen. Da sich die leitfähigen Teilchen gut ausrichten lassen, sollte die Perkolati-

    0 Stunden 1 Stunde 2 Stunden 4 Stunden 1 Tag 2 Tage

    0,2

    %1

    %3

    %5

    %

    Abb. 1: Bildung magnetischer Ketten

    0 Stunden 1 Stunde 2 Stunden 4 Stunden 1 Tag 2 Tage

    0,2

    %1

    %3

    %5

    %

    Abb. 2: Umpolung magnetischer Ketten

    60 mm

    40 mmSMP Lösung

    Petrischale

    MagnetN S

    1,5-

    2,0

    mm

    20 m

    m

    12 m

    m

    Abb. 3a:Darstellung der Ver-suchsanordnung

    onsschwelle der elektrischen Leitfähigkeit in Kettenrichtung geringer sein als bei gleich-mäßig dispergierten Teilchen. Einerseits er-warteten wir durch kettenförmige, leitfä-

    hige Strukturen eine erheblich verbesserte elektrische Leitfähigkeit in Kettenrichtung, andererseits könnte das Polymer durch die-se Ketten auch elektrisch und mechanisch anisotrop werden.

    Diese Arbeit verfolgte daher zwei Zie-le. Zunächst galt es, dünne SMP-Filme mit eingebetteten leitfähigen Ketten herzu-stellen und danach die elektrothermome-chanischen Eigenschaften dieser Filme zu untersuchen.

    2. Experimentelles

    Die Polyurethan-SMP-Lösung (MS-5510) von Diaplex Co. Ltd, Japan wurde bei dieser Arbeit verwendet. Sie besteht zu 30 Gew.-% aus SMP und zu 70 Gew.-% aus DMF. Nik-kelpulver, das ferromagnetisch und elektrisch leitfähig ist, mit einer mittleren Teilchengrö-ße von 3 bis 7 µm und einer Reinheit von 99,8 %, wurde von Goodfellow Cambridge Ltd, UK, geliefert.

    Dünne SMP-Filme mit unterschiedlichen Volumenanteilen an Nickelpulver wurden angefertigt. Dazu wurde Nickelpulver zu-erst sehr gut in SMP/DMF eingerührt und gleichmäßig dispergiert. Die hochviskose Mischung wurde dann auf eine Petrischa-le mit 40 mm Durchmesser gegossen (die Flüssigkeit stand darin 1,5 bis 2 mm hoch) (Abb. 3a). Zwei Magnete (aus Abb. 3b sind Dimension und Feldstärke der Magnete zu entnehmen) wurden, wie in Abbildung 3a dargestellt, im Abstand von 60 mm ange-ordnet. Die Petrischale wurde 12 mm über den beiden Magneten platziert. Die kom-plette Versuchsanordnung (einschließlich der Petrischalen ) kam in ein luftdichtes Gefäß und wurde bei konstant 80 °C 24 h lang ge-lagert. Nach Abdunstung des DMF verblieb ein dünner SMP-Film mit eingebetteten Nik-kelketten. Um alle während der Verarbeitung aufgenommene Feuchtigkeit vollständig zu entfernen, wurde der dünne, vernetzte Film (ca. 0,5 – 1 mm dick) für weitere gut drei Stunden bei 160 °C getrocknet (Yang et al. 2006). Aus diesem Film wurden unterschied-lich große Prüfkörper ausgestanzt. In der weiteren Folge dieses Beitrags werden sie als kettenhaltige Präparate bezeichnet. Weitere dünne Filme wurden präpariert, ohne dass

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    Formgedächtnispolymere

    dabei ein Mag netfeld angelegt wurde. Die Nickelteilchen lagen hier zufällig aber mög-lichst gleichmäßig in der SMP-Matrix verteilt vor. Sie werden nachfolgend als gleichmäßi-ge Präparate bezeichnet.

    Die Strukturen der kettenhaltigen Präpa-rate wurden optomikroskopisch untersucht. Um die Relation zwischen Wärmefl uss und Aufheiztemperatur zu ermitteln, wurden die kettenhaltigen Präparate einem DSC-Test (Differenzial Scanning Calorimetrie) mit dem DSC-2920 (Modulierendes DSC) unterzogen. Die Prüfkörper (ca. 15 mg schwer) wurden von –50 oC bis 160 oC mit einer Aufheizge-schwindigkeit von 20 oC/min geprüft. Beide Präparate wurden mittels dynamisch mecha-nischer Analyse (DMA) mit einem DMA 2980 (TA Instrument) untersucht um Unterschiede des Speichermoduls in Abhängigkeit von der Temperatur festzustellen. Dabei wurde die Temperatur um 5 oC/min erhöht, bei konstant gehaltener Frequenz von 1 Hz. Der elektri-sche Durchgangswiderstand beider Präpa-rate wurde mit einem Multimeter (IDM91E) gemessen.

    3. Ergebnisse und Diskussion

    Abbildung 4 zeigt optische Bilder der ket-tenhaltigen Präparate. Deutlich geht daraus hervor, dass sich schon bei geringer Füllung mit Nickelpulver Ketten bilden. In der Pe-trischale mit 40 mm Durchmesser können die Ketten immerhin maximal 35 mm lang werden. Bei hoher Füllung mit Nickelpulver werden die einzelnen Ketten nahezu unsicht-bar. Wie zu sehen, nimmt die Breite der Ket-ten mit zunehmender Volumenfüllung mit Nickelpulver zu und letztlich verbleibt kein deutlicher Abstand mehr zwischen den ein-zelnen Ketten.

    Abbildung 5 zeigt die Ergebnisse der DSC-Messungen an den kettenhaltigen Präparaten. Mit zunehmendem Nickelge-halt zeigt sich ein leichter Trend der Über-gangstemperatur zu niedrigerem Tempe-raturniveau. Abbildung 6a und 6b zeigt den Speichermodul in Abhängigkeit von der Temperatur der gleichmäßigen und der ket-tenhaltigen Präparate (in Kettenrichtung). Abbildung 7 zeigt den Zusammenhang zwi-schen Speichermodul und Füllgrad mit Nik-

    (a) 1 % (b) 2 % (c) 5 %

    (d) 10 % (e) 15 % (f) 20 %

    0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100-0,35

    -0,3

    -0,25

    -0,2

    -0,15

    -0,1

    -0,05

    0

    0,05

    20%15%10%5%2%1%0%

    Temperatur (°C)

    Wär

    mef

    luß

    (W/g

    )

    Abb. 4: Optische Darstellung der Ketten (Skalierung ist 200 µm).

    Abb. 5: DSC-Ergebnisse derkettenhaltigen Präparate.

    N

    0 10 20 30 40 50 600,44

    0,45

    0,46

    0,47

    0,48

    0,49

    0,5

    0,51

    Länge (mm)

    0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20-0,8

    -0,6

    -0,4

    -0,2

    0

    0,2

    0,4

    0,6

    0,8

    Breite (mm)

    S N

    NS

    20 m

    m

    20 mm

    60 mm

    Mag

    netf

    elds

    tärk

    e (T

    )

    Mag

    netf

    elds

    tärk

    e (T

    )

    Abb. 3b: Feldstärke der Magnete

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    Formgedächtnispolymere

    0 10 20 30 40 50 60 70 800

    1000

    2000

    3000

    4000

    5000

    6000

    20%15%10%

    5%2%1%0%

    Spei

    cher

    mod

    ul (M

    Pa)

    Temperatur (°C)

    0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 202000

    2500

    3000

    3500

    4000

    4500

    5000

    5500

    6000

    Kettenrichtunggleichmäßig verteilt

    Spei

    cher

    mod

    ul (M

    Pa)

    Volumenanteile Ni (%)

    Abb. 6b: Abhängigkeit des Speichermoduls von der Temperatur bei einem ketten-haltigen Präparat (Kettenrichtung)

    Abb. 7: Abhängigkeit des Speichermoduls von der Volumenfüllung mit Ni bei 0 °C

    kelpulver bei 0 °C von gleichmäßigen und kettenhaltigen Präparaten. Bei geringer Nickelfüllung gibt es kaum einen Unter-schied zwischen beiden Präparaten. Steigt der Nickelgehalt jedoch über 5 %, wird bei jeweils gleichem Nickelgehalt der Speicher-modul des kettenhaltigen Präparats höher als der des gleichmäßigen Präparats. Der Anstieg des Speichermoduls bei den ket-tenhaltigen Präparaten fl acht aber ab ca. 12 % Nickelgehalt wieder ab.

    Der Glasübergang bei Polymeren ver-läuft in einem Temperaturbereich. Die Be-stimmung der Glasübergangstemperatur Tg kann nach vielen unterschiedlichen Mess-methoden erfolgen. Um hier Missverständ-nissen bei der Festlegung von Tg vorzubeu-

    gen, defi nieren wir Tg als den Höchstwert im Temperaturverlauf der DSC- oder DMA-Kur-ven. Abbildung 8 vergleicht Tg aus DMA- und DSC-Messungen an gleichmäßigen und kettenhaltigen Präparaten. Gemäß der DMA-Prüfergebnisse gilt generell:

    • Bei gleichem Nickelgehalt ist Tg der gleich-mäßigen Präparate niedriger als bei den kettenhaltigen Präparaten (in Kettenrich-tung).

    • Der Einfl uss des Nickelgehalts auf Tg des SMP verläuft nicht gleichmäßig. In beiden Präparaten scheint mit steigendem Nickel-gehalt Tg zunächst bis zu einem Höchst-wert anzusteigen, um dann auch bei wei-ter zunehmendem Nickelgehalt wieder ab-zufallen.

    Wie schon 2006 von An und Huang be-richtet [1], steigt die Phasenübergangstem-peratur von Formgedächtnislegierungen mit zunehmender Aufheizgeschwindigkeit im DSC-Test an. Da diese DSC-Untersuchungen an SMPs mit höherer Aufheizgeschwindig-keit erfolgten als die der DMA-Prüfungen nehmen wir an, dass die Übergangstempe-ratur höher ist als die mittels DMA aktuell ermittelte Temperatur. Abbildung 8 unter-stützt teilweise diese Annahme. Viel wichti-ger ist uns, dass der Zusammenhang von Tg der DSC-Messungen an kettenhaltigen Prä-paraten mit dem Nickelgehalt deutlich wird, der anscheinend demselben Trend folgt wie bei den DMA-Untersuchungen der beiden (gleichmäßigen und kettenhaltigen) Präpa-rate gefunden.

    0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 2030

    35

    40

    45

    50

    55

    DSCDMA (Kettenrichtung)DMA (gleichmäßig verteilt)

    Volumenanteile Ni (%)

    Tg (°

    C)

    Abb. 8: Vergleich von Tg, ermittelt mittels DSC und DMA.

    0 10 20 30 40 50 60 70800

    1000

    2000

    3000

    4000

    5000

    6000

    15%10% 5% 2% 0%

    Spei

    cher

    mod

    ul (M

    Pa)

    Temperatur (°C)

    Abb. 6a: Abhängigkeit des Speichermoduls von der Temperatur bei einem Präparat mit gleichmäßiger Verteilung

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    Formgedächtnispolymere

    5. Dank

    Wir danken S. Y. Siew und C. S. Chan für die Durchführung einiger Untersuchungen als Teil ihrer Jahresabschlussarbeit. Unter-stützt wurde diese Arbeit auch durch ein BPE Cluster SEED Grant (SFP 011-2005, NTU) und das Programm “Introducing Talents of Disci-pline to Universities, PR China”. Wir danken auch für die Finanzierung durch The Nati-onal Natural Science Foundation of China (NSFC 90505010) und das Harbin Institute of Technology.

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    Abb. 10:Verbund aus zwei Lagen.

    Da die Nickelteilchen in den kettenhal-tigen Präparaten in der SMP Matrix linear ausgerichtet sind wurde angenommen, dass bei diesen Präparaten die elektrische Leitfä-higkeit in Kettenrichtung höher ist als bei gleichmäßiger Verteilung. Abbildung 9 zeigt deutlich, dass der elektrische Widerstand der kettenhaltigen Präparate in Kettenrichtung bei gleicher Volumenfüllung mit Nickel tat-sächlich geringer ist als bei gleichmäßiger Verteilung. Die Perkolationsschwelle des elektrischen Widerstands der SMP mit ket-tenförmigem Nickelpulver ist ca. 5 % gerin-ger als die von SMP mit gleichmäßig verteilt vorliegenden Nickelteilchen.

    4. Folgerungen

    Wir konnten zeigen, dass gut ausgerich-tete Nickelketten (verwendet wurde mikro-nisiertes Nickelpulver) in Polyurethan-SMP dargestellt werden können. Daraus wurden dünne Filme hergestellt. Mittels DSC- und DMA-Untersuchungen wurden deren Tg und Speichermoduln bestimmt. Der Speichermo-dul ist ein Maß für die Steifi gkeit. Die Perko-lationsschwelle des elektrischen Widerstands von kettenhaltigen Präparaten ist in Ketten-richtung 5 % geringer als die der gleichmä-ßigen Präparate. Die kettenhaltigen Präpara-te sind also elektrisch leitfähiger. Um diesel-be elektrische Leitfähigkeit zu erreichen sind etwa 1/3 (ca. 5 %) weniger Zuschlagstoffe erforderlich.

    Fügt man mit Hilfe von DMF (Dimethyl-formamid) zwei Lagen der kettenhaltigen dünnen Filme zusammen (z. B. lotrecht, wie in Abb. 10), erhalten wir Schichtverbund-werkstoffe. Diese Art von Verbundwerkstof-fen können isotrope elektrothermomechani-sche Eigenschaften aufweisen. Sie können beispielsweise zur Abschirmung elektroma-gnetischer Strahlung eingesetzt werden (Hu-ang et al. 2007).

    Dieser Ansatz sollte auch auf andere leit-fähige Polymeren zur Verbesserung ihrer elektrothermomechanischen Eigenschaften übertragbar sein.

    0 5 10 15 20 25-1

    0

    1

    2

    3

    4

    5

    6

    7

    Volumenanteile Ni (%)

    Kettenrichtunggleichmäßig verteilt

    Wid

    erst

    and,

    log

    (ohm

    xcm

    )

    Abb. 9:Widerstand von der Vo-lumenfüllung mit Ni.

    www.gak.de

  • GAK 12/2008 – Jahrgang 61 789

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    Antibakterielle Textilien, wasserabwei-sende Beschichtungen, UV-Strahlen ab-sorbierende Sonnencreme oder gesteigerte Speicherkapazitäten von Festplatten – die Nanotechnologie bietet eine Vielzahl von Anwendungs- und Verbesserungsmöglich-keiten. Den wirtschaftlichen Chancen dieser Zukunftstechnologie stehen allerdings Risi-ken gegenüber.

    In den Jahren 2006 und 2007 haben die Innovationsgesellschaft St. Gallen zusammen mit der TÜV Süd AG im Auftrag eines Nano-technologieunternehmens mit dem „Certi-fi able Nanospecifi c Risk Management and Monitoring System (Cenarios)“-Standard das erste zertifi zierbare Risikomanagement- und Monitoringsystem entwickelt und imple-mentiert.

    Standard für freiwillige Nano-Zertifi zierung

    Die beiden Partner bieten nun das Mas-terdokument für die Zertifi zierungsgrund-lagen öffentlich zugänglich an. Hersteller, Verarbeiter oder Vertreiber von Nanomate-rialien in der Chemie-, Textil-, Verpackungs-, Kosmetik- oder Automobilindustrie haben damit die Möglichkeit zu einer freiwilligen standardisierten Risikobewertung und Risi-koüberwachung.

    Angesichts fortschreitender Entwicklung in der Nanotechnologie stoßen vorhandene Regulierungen an ihre Grenzen, so die Un-ternehmen. Um die sichere Herstellung und Nutzung von Nanomaterialien zu gewähr-leisten, müssen regulatorische Vorgaben und freiwillige Maßnahmen zusammenwirken, so heißt es. Der Cenarios-Standard soll als frei-willige Maßnahme zur Erfassung, Bewertung

    und Kontrolle von Sicherheitsrisiken dienen und für mehr Transparenz beim Risikoma-nagement in der Nanotechnologie sorgen.

    Den Kern des Cenarios-Systems bilden vier aufeinander abgestimmte Komponenten: die Risiko-Standortbestimmung, das Risiko-Monitoring, das nachhaltige Krisenmanage-ment und die Zertifi zierung. Der Einsatz dieser Komponenten bietet die Möglichkeit, Gefähr-dungspotenziale entlang der gesamten Wert-schöpfungskette frühzeitig aufzudecken, den sicherheitsrelevanten Handlungsbedarf rea-listisch zu bewerten und mögliche Gefahren systematisch durch präventive Maßnahmen zu reduzieren, so die Unternehmen.

    Der frei zugängliche Cenarios-Standard ist zu fi nden unter:

    www.tuev-sued.de/technische_anlagen/risikomanagement/nanotechnologie