Elinor Ostrom Was mehr wird, wenn wir teilen · 2017-03-08 · Elinor Ostrom Was mehr wird, wenn...

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Elinor Ostrom Was mehr wird, wenn wir teilen Vom gesellschaftlichen Wert der Gemeingüter Herausgegeben, überarbeitet und übersetzt von Silke Helfrich

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Elinor Ostrom

Was mehr wird,wenn wir teilen

Vom gesellschaftlichen Wert der Gemeingüter

Herausgegeben, überarbeitet und übersetzt von Silke Helfrich

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7 Vorwort Wie Kastanien, die vom Himmel fallen

11 EinführungGemeingüter sind nicht, sie werden gemacht

21 Gemeingüter fordern uns heraus

47 Gemeingüter pflegen – lokal und global

85 Wenn’s funktionieren soll: Gestaltungsprinzipien für Gemeingüter

89 Glossar

124 Literatur

126 Über die Autorin und die Herausgeberin

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VorwortWie Kastanien, die vomHimmel fallen

Es ist die Jahreszeit, in der im Pfälzer Wald Gefahr vonoben droht. Im Oktober 2009 prasseln die Esskastanien aufuns herab, sie pflastern die Waldwege und wandern vondort – die größten voran – in die pfälzische Käschdesupp,in Braten mit Rotkraut. Die Köstlichkeit gibt der Regionihre besondere kulinarische Note. Im Pfälzer Herbstwaldzeigt sich die Allmende von ihrer großzügigen und unkom-plizierten Seite.

Wir sind auf dem Weg in einen Kurzurlaub. Sobald diePfalz in Sichtweite ist, soll das Handy verstummen. Das istein sehr fester Vorsatz. Doch schon schrillt es. Eine Presse-referentin fragt: »Kennst du jemanden, der mir etwas überdie frisch gebackene Wirtschaftsnobelpreisträgerin sagenkann? Ein Sender fragt an …«

»Ich?«, frage ich überrascht ins Telefon. Woher kommtder Gedanke, ich sei für dieses Anliegen eine geeigneteAdresse? Bevor ich abwehre – die Pfalz rückt näher –,schiebe ich hinterher:

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»Wie heißt sie denn?« »Elinor Ostrom«, höre ich dieAntwort, und ich bin ebenso verblüfft wie begeistert. Man-che Nachrichten fallen vom Himmel wie Kastanien vonden Bäumen. »Ja«, wendet sich das Telefonat, »zumindestkann ich dir sagen, dass das eine grandiose Nachricht istund dass nun eine Nobelpreisträgerin zu den Autorinnen desSammelbandes gehört, den wir jüngst über Gemeingüter ver-öffentlicht haben.« Die Rede ist von Wem gehört die Welt?Zur Wiederentdeckung der Gemeingüter (oekom, 2009).

Auch sehr feste Vorsätze schmelzen. Statt in die Pfalz zufahren, bestellen wir uns im Darmstädter Guantaname ra ei-nen Teller Pinchos (argentinische Fleischspieße), setzen eineGlückwunschmail ab und entwerfen eine Pressemitteilung.Eine knappe Stunde später gebe ich erste Radiointerviews.Natürlich gibt es auf der gesamten Reise neben dem PfälzerSaumagen und den Kastanien nur ein Thema: Elinor Ostrom.

Monate später entsteht die Idee zu diesem kleinen Buch.Es soll die Welt der Gemeingüter und die Ideenwelt von Elinor Ostrom auch außerhalb der Universitätsbibliothekenzugänglich machen. Doch mit Nobelpreisen ist es wie mitguten Vorsätzen zu Neujahr. Es gibt ein Davor und ein Danach. Ostrom kann keinen neuen Text für ein deutschesPublikum herausbringen – ihr Terminkalender ist für zweiJahre völlig ausgebucht. Aber sie stimmt der Kooperation inder denkbar großzügigsten und unkompliziertesten Weisezu, die man sich vorstellen kann.

»Eine wunderbare Idee, die beiden Texte in einem Bandzusammenzubringen«, kommt prompt die Ermutigung aus

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Vorwort Wie Kastanien, die vom Himmel fallen

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Vorwort Wie Kastanien, die vom Himmel fallen

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Bloomington, »klären Sie die Rechtsfragen und legen Sie los.Cheers Lin.«

Schon während der Entstehung von Wem gehört dieWelt? tauschte ich mit »Lin« E-Mails aus, in denen wirwichtige konzeptionelle Fragen zur Übertragung ihres Textes diskutierten. Schließlich wird die führende Gemein-gutforscherin der Welt nicht müde darauf hinzuweisen,dass es ein Unterschied ist, ob man von Ressourcen sprichtoder von Eigentumsverhältnissen. Oder ob man sich gar aufdie komplexen sozialen Systeme bezieht, die Regelwerke, dieNormen und Institutionen, die es braucht, um kollektiv ge-nutzte Ressourcen zu verwalten, die Dinge also, die keinEinzelner gemacht hat, die niemandem allein gehören undauf die wir alle in der ein oder anderen Weise angewiesensind – die Gaben der Natur, wie Wasser, Landschaft und biologische Vielfalt. Die kollektiv geschaffenen kulturellenRessourcen, die wir gemeinsam nutzen, wie die Sprache, derdigitale und genetische Code oder die Wissensbestände, aufdenen unsere Forschung basiert.

Wie also soll man sie nennen, die Common Pool Resour -ces im Unterschied zu den Commons?

Am Ende entschieden wir uns für Gemeinressourcen(oder Allmendressourcen) einerseits und für Gemeingüter(oder Allmende) andererseits. Commons, Gemeingüter undAllmende werden demnach in diesem Band synonym ver-wendet.

Dem Text liegen zwei Schriften Elinor Ostroms zu-grunde. The Challenge of Common-Pool Resources (Die

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Vorwort Wie Kastanien, die vom Himmel fallen

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Herausforderung der Gemeinressourcen), veröffentlicht inEnvironment. Science and Policy for Sustainable Develop-ment in der Juli/August-Ausgabe 2008 sowie Rethinking In-stitutional Analysis (Institutionenanalyse neu denken), einvon Vernon Smith und Gordon Tullock geführtes Inter-view, welches bereits im November 2003 erschien und in einem Sammelband von Paul Dragos Aligicia und PeterJ. Boettke (Challenging Institutional Analysis and Develop-ment) veröffentlicht wurde.

Aus dem Interview entstand ein Fließtext. Danach wur-den beide Texte für die vorliegende deutschsprachige Fas-sung bearbeitet, aktualisiert und zusammengeführt. Dies sowie die neue Gliederung verantworte ich gern. Auf diezahlreichen Verweise zu weiterführender Fachliteratur inden Fußnoten der Originaltexte haben wir zugunsten derLesbarkeit verzichtet. Falls in den Fußnoten jedoch Gedan-ken ausgeführt wurden, so sind sie in den Text eingeflossen.

Ein detailliertes Glossar ergänzt den Band. Begriffe, diedort erläutert werden, sind im laufenden Text markiert (*).Es soll Fachbegriffe veranschaulichen sowie Hintergrundin-formationen zu Problemen und Phänomenen liefern, auf diesich die Nobelpreisträgerin bezieht. Auch zur Einordnung ei-niger Aussagen Ostroms findet sich dort Lesens wer tes.

Wetten, dass Sie beim Anblick von Kastanien fortan andie Allmende denken? Es würde mich freuen.

Jena, im Januar 2011 Silke Helfrich

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EinführungGemeingüter sind nicht,sie werden gemacht

Ressourcen sind frei. Sie kennen kein Eigentum undkeine Staatsgrenze. Ressourcen wissen nicht, ob wir siezum Leben brauchen oder nicht. Wir hingegen sind in dereinen oder anderen Weise an diese Dinge gebunden: anGrenzen, an Eigentum und – vor allem – an die Ressour-cen selbst.

Das alte Wort für Gemeingüter, »Allmende«, hat dieseBindung für uns bewahrt, denn »Allmende« setzt sich zu-sammen aus all(e) + gemeinde, so glauben die Sprachhis -tori ker. Der Begriff erfasst damit den Kern der Auseinan-derset zung mit den Gemeingütern: Alle, die zu einerbestimmten Gemeinschaft gehören und Ressourcen ge-meinsam nutzen, müssen sich darüber verständigen, wiesie das tun. Regeln der Ressourcennutzung zu vereinbarenund deren Einhaltung zu kontrollieren, ist alles andere alsein Kinderspiel. Wie komplex es ist, funktionierende Insti-tutionen für Gemeingüter aufzubauen, beschreibt ElinorOstrom im vorliegenden Band sehr konkret. Komplexität,

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so erkärt sie immer wieder, ist aber etwas anderes als Chaos.Ostrom hat in den vergangenen 40 Jahren die Welt durch-kämmt und unzählige Beispiele ken nen gelernt, wie es Men-schen gelingt, kollektive Ressourcen miteinander zu nutzenund sie dabei zu erhalten. Und wie es misslingt. In den fürdiese Veröffentlichung ausgewählten Texten geht es vor al-lem um globale Gemein ressourcen – die Fischbestände inunseren Ozeanen einerseits und die Wälder andererseits.

Wenn Schleppnetze, Motorsägen, Exportgelüste undKurzfristinteressen den Ressourcen begegnen, ist es wahr-scheinlich, dass diese gefangen, gefällt oder geplündert werden. Dies geschieht natürlich selten im Sinne derer, dieseit jeher von ihnen leben. Mitunter aber, auch wenn das widersprüchlich scheint, tragen auch die Nutzer selbst zurRessourcenzerstörung bei.

»So sind die Menschen eben«, schallt uns sofort der Widerspruch entgegen. Doch der knappe Verweis auf das»So-Sein« des Menschen überzeugt schon lange niemandenmehr. Der Mensch ist mehr als nur ein individueller Nut-zenmaximierer. Der Mensch ist ein auf Kooperation an -gelegtes soziales Wesen. Wem die Belege des Alltags dafürnicht reichen, der informiere sich unter anderem über die Ergebnisse der aktuellen Hirnforschung. Es gibt Wissen-schaftler, welche die Entwicklung der Sprache für den ent-scheidenden Schritt der Menschwerdung halten. Die Spra-che aber ist das Mittel der Kooperation. Konkurrenz undEgoismus hingegen existieren selbst bei Insekten. Und imÜbrigen gilt: »Die Frage ist nicht, ob Menschen kooperie-

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ren wollen, sondern wie ihnen geholfen werden kann, daszu tun«, so Elinor Ostrom während eines öffentlichen Auf-tritts Mitte 2010 in Berlin. Es geht demnach in OstromsWerk darum, die Bedingungen für Kooperation auszuloten.

Wie also gestalten wir ein Leben, in dem Gemeingütergedeihen? Und wie tun wir das inmitten einer Welt, in deres viel Ansporn gibt zu konkurrieren, statt zu kooperieren?Denn allem Anschein nach wissen wir sehr viel darüber, wieder Wettbewerb funktioniert und wie Ressourcen zur Warewerden, aber zu wenig darüber, wie unser gemeinsamesErbe für die Allgemeinheit zu erhalten ist.

Wie ein Mantra geht die Rede von der Tragik der All-mende. Die wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Lehr-bücher beten seit Jahrzehnten diese grobschlächtige TheseGarrett Hardins nach, nach der der Mensch als geborenerNutzenoptimierer jede gemeinschaftlich genutzte Ressourcezugrunde richtet, es sei denn, sie wird durch Privatbesitzoder staatliche Maßnahmen davor bewahrt. Hier scheinteine Weltsicht durch, die zu unsensibel ist, um jenseits vonMarkt und Staat noch anderes wahrzunehmen. Es dominiertdie Idee, dass Menschen immer externe Autoritäten brau-chen.

Doch weit gefehlt: Gemeingutforschung kann be legen,dass es diesen »Dritten Weg« gibt und dass Hardin in zen-tralen Punkten – salopp gesagt – danebenliegt. Millionenvon Menschen auf der ganzen Welt sind in der Lage, so miteinander umzugehen, dass ihre Lebensgrundlagenrespektiert werden. Nicht unbedingt der Ressourcen wegen,

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sondern um ihrer selbst willen. Dafür brauchen diese Men-schen Ermutigung, Unterstützung und Räume zum Experi-mentieren. Sie brauchen Institutionen, die es ihnen leicht(er)machen, vor Ort zu kooperieren, statt im weltweiten Wett-bewerb zu verlieren. Sie brauchen Aufmerksamkeit für ihreBedürfnisse und Ideen. So vielgesichtig Ressourcenmanage -ment auch aussehen kann, die Forschungsergebnisse bestä-tigen das Offensichtliche: Ohne die Nutzer selbst, nur mitStaat und Markt allein, gibt es keine Entfaltung der Poten-ziale der Allmende und auch keine Lösung ihrer Probleme.Nutzergruppen in aller Welt haben vielschichtige Eigen-tums- und Bewirtschaftungsformen entwickelt, um das, wassie zum Leben brauchen, weitgehend selbst zu kontrollieren.In den Ländern des Südens und hier bei uns.

Die unzähligen Feldforschungen der »Ostrom-Schule«belegen, dass das Vorschreiben detallierter Regeln oft we-niger erfolgreich ist, als das gemeinsame Erarbeiten

Die Gemeingüter machen Karriere. So würde man in derSprache des Wettbewerbs vermutlich sagen. Tatsächlich istdie Wiederentdeckung der Gemeingüter in vollem Gange.Kennen Sie das Mietshäusersyndikat oder die Mundraub -initiative? Wissen Sie vom Boom der urbanen Gärten, inHamburg und Leipzig oder in den Großstädten Chinas?Freut auch Sie die Vielzahl freier Lizenzen, deren mil lionen-fache Anwendung die Wissensallmende täglich be reichert?Haben Sie sich schon inspirieren lassen von der Transition-Town-Bewegung, den Beteiligungsmodellen im Energie -bereich (hin zu mehr Energieautonomie) oder von Open-

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Hardware- und Open-Design-Projekten? Sie alle entspre-chen dem Grundgedanken moderner Gemeingüter: das Le-ben in die eigenen Hände nehmen, im Bewusstsein darüber,dass der eigene Vorteil auch auf dem Vorteil der anderen beruht.

Gemeingüter ganz praktisch herzustellen und zu pflegen,kostet viel Kraft, Energie und Kommunikation. Viel Arbeitwird erforderlich sein, um ihnen zum gesellschaftlichenDurchbruch zu verhelfen.

Auch der Begriff »Gemeingüter« bedarf noch gründli-cher Reflexion. Heute wird er auf vielfältige Phänomene be-zogen, und in dieser Ausdehnung zugleich geschärft. In deraktuellen politischen Diskussion meinen »Commons«, »Ge-meingüter« oder »(Wissens-)Allmende« oft, dass das, waswir »bewirtschaften«, auch Gemeingut bleiben, und das, waswir herstellen, Gemeingut werden soll. Wie Wikipedia oderfreie Software, wie erneuerbare Energien in Bürgerhandoder städtischer Wohnraum, der nicht mehr verspekuliertwerden kann. Hier und in den Arbeiten Ostroms zeigt sichdeutlich, dass Gemeingüter pflegen weit mehr bedeutet alsnur Ressourcenschutz.

Zugespitzt formuliert: Es geht nicht um die Ressourcenper se. Es geht um uns, darum, wie wir die gesellschaftli-chen Verhältnisse regeln und welche Institutionen wir dafürbrauchen. Institutionen beeinflussen unsere Art zu handelnund zu denken. Institutionen machen den Menschen, aberInstitutionen werden umgekehrt auch vom Menschen ge-macht. Darin liegt eine große Chance.

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Elinor Ostrom erklärt im folgenden Text, dass selbstzeitgenössische Unternehmen Eigenschaften mit Commons-Institutionen teilen. Die beschriebenen Gemeinsamkeitensind unübersehbar, aber die Unterschiede sind es auch. DiePrinzipien, die den Markt dominieren, sind darauf ausge-legt, Ressourcen so optimal wie möglich in Waren zu ver-wandeln – und dabei in immer tiefere Schichten vorzudrin-gen. Gen für Gen. Nanopartikel für Nanopartikel. Bit fürBit. Patent für Patent. Hier steht nicht die Frage im Mittel -punkt, wie Gemeingüter als solche erhalten bleiben oder ver-mehrt werden können – und das ist ein Fehler im System.

Gemeingüter hingegen machen Mut. Sie zeigen, dassMenschen in ihren verschiedenen sozialen Netzen über einschier unerschöpfliches Reservoir an Wissen, Erfahrungen,formellen und informellen Regeln verfügen, an dem wir alleteilhaben können – wenn wir unsere Aufmerksamkeit da-rauf richten. Der Aufmerksamkeit folgt Energie. Wohl des-halb ist für mich das Nachdenken über Gemeingüter einEnergiespender geworden. Wer immer in der Öffentlichkeitüber Gemeingüter spricht, und ich tue das häufig, erfährtden intuitiven Zugang, den fast jeder Mensch zur Welt derGemeingüter hat. Der Grund ist einfach. Es gibt keine»Commons ohne Commoning«, hat der Historiker Peter Linebaugh einmal gesagt. Es gibt keine Gemeingüter ohnegemeinsames Tun. Jeder weiß das, weil es Teil unseres Lebens ist. Im Kern dieser Debatte stehen die Dinge, die Sozialbeziehungen robuster und das Leben lebenswert ma-chen. Wem würden nicht Begriffe wie Kommunikation,

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Vertrauen, Kooperation und Vielfalt in den Sinn kommen,wenn die Frage nach den Grundlagen einer guten Lebens-qualität gestellt wird? Um diese Themen dreht sich die All-mende, die so alt ist wie die Menschheit und so modern wiedas Internet.

Elinor Ostrom durchdringt wie kaum jemand sonst dasGeheimnis der Allmende. Sie kann uns erklären, warum»Entwicklungsprojekte« scheitern. In Nord und Süd. Wie-der und wieder. Doch sie weiß auch, was getan werdenkann, damit sie gelingen: genau hinschauen, Kommunika-tion von Angesicht zu Angesicht ermöglichen, Vertrauenaufbauen, Regeln und Sanktionen gemeinsam entwickeln,Monitoring ernst nehmen und Ausstiegsmöglichkeiten bie-ten, wenn die einen kooperieren, die anderen aber nicht.Denn »Menschen stehen nicht gern als Trottel da«, wie Ost-rom gern betont. Ganz oben auf der Hitliste der Ideen fürmehr Selbstbestimmung steht der Verzicht auf Patentre-zept, diese seien »potentiell dysfunktional«. Stattdessen be-schreibt die unermüdliche Politikwissenschaftlerin »poten-tiell produktive Arrangements«. Die konkreten Ergebnissesolcher Arrangements hat sie anhand von zahllosen Bei-spielen aus aller Welt beschrieben. Damit zeigt sie, dassMenschen überall willens und in der Lage sind zu koope-rieren. Die Commoners vor Ort geben dem Begriff »Selbst-verwaltung« eine unerwartete Buntheit und Kraft.

Das Hauptwerk Ostroms Die Verfassung der Allmende.Jenseits von Staat und Markt erschien 1999 bei Mohr Sie-beck in deutscher Sprache. Die englische Original fassung

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wurde bereits 1990 unter dem Titel Governing the Com-mons veröffentlicht. Der deutsche Titel offenbart einen be-sonderen Charme, denn er trifft den Kern des Werks, dasviele jener (Rechts-)Normen beschreibt, die die Strukturenund Wirkmächtigkeit von Gemeingütern fassen. Ostromskizziert in der Verfassung der Allmende gewissermaßen dasRückgrat der Commons. Sie veröffentlicht darin zum ers-ten Mal die heute vielfach zitierten Prinzipien gelingendenGemeingutmanagements (siehe Seite 85ff). Diese wurdenseither in Zusammenarbeit mit ihren Kolleginnen und Kol-legen fortentwickelt. Die hier veröffentlichte deutsche Zu-sammenfassung der Prinzipien bezieht sich auf eine aktua-lisierte Version, so wie sie Ende 2009 in der Nobelpreisredeveröffentlicht wurde.

Die Verfasstheit der Allmende spricht Bände über dieVerfasstheit unserer Sozialbeziehungen, denn Gemeingüterfallen nicht vom Himmel, sie werden aktiv gestaltet. Wiederund immer wieder, sie sind kein »Relikt der Vergangenheit«,wie Ostrom treffend ausführt. Sie sind ein wichtiger Teil unserer Zukunft. Deshalb gehören die Dinge »jenseits vonMarkt und Staat« ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit.Und was sich dort befindet, braucht einen starken Be-griff. Dass die deutsche Übersetzung der »Commons« soviele Schwierigkeiten bereitet, kommt auch daher, dass unser Aufmerksamkeitsraum überladen ist: mit Werbung,Anstiftung zum Wettbewerb, Fixierung auf Wachstum undBruttoinlandsprodukt und auf die Idee, dass derjenige Gewinner sei, wer am besten konkurriert. Wer den Ballast

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abschütteln möchte, der kann sich in die Commons oder Ge-meingüter vertiefen. Wenn die Sache erst einen Namen hatund in aller Munde ist, wird sie mächtig.

Ein Wort noch zur Person von Elinor Ostrom: Die Theo-retikerin lebt ihre Theorie. Kaum eine Akademikerin ist beiStudierenden und Kollegen so beliebt wie die Mitbegrün-derin des Bloomington Workshops für Politische Theorieund Analyse. Warum, ist schnell erklärt. Die Grande Dameder Gemeingüterforschung ist unaufhörlich damit beschäf-tigt, zu motivieren und Kooperation zu stiften. Auch das istein Schlüssel zu ihrem Erfolg.

Und ein Weiteres ist ihr eigen. Man kann es Demut nen-nen. »Wir sind fehlbare Menschen und studieren fehlba-res menschliches Verhalten in Institutionen, die wiederumvon anderen fehlbaren Menschen gestaltet wurden.« Dessenist sich Ostrom immer bewusst.

Dieses Buch soll Einblick in eine komplexe Materie ge-währen, mit der wir alle täglich in Berührung sind. Deswe-gen wünsche ich ihm viele Leserinnen und Leser.

Mein Dank gilt dem oekom Verlag für die gelungene Kooperation und das beharrliche Verfolgen der Publika -tionsidee sowie Jacques Paysan für den kreativ-kritischenBlick des Naturwissenschaftlers und »Commoners« auf denTextentwurf.

Silke Helfrich

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Gemeingüter fordern uns heraus

Gemeingüter. Forschung für die Zukunft

Für die meisten Menschen verbindet sich die Idee derGemeingüter (Commons) zunächst mit Ressourcen, die wirgemeinsam nutzen; mit Wassereinzugsgebieten zum Bei-spiel, oder mit Bewässerungssystemen, Fischbeständen, Wei-deflächen und Wäldern. Fehlen klare Vereinbarungen fürden Umgang mit solchen Ressourcen, so laufen sie Gefahrübernutzt, überweidet und ausgeplündert zu werden. SeitJahrzehnten erforschen wir im Bloomington Workshop fürPolitische Theorie und Analyse, wie solche Vereinbarungenzustande kommen. Der Workshop gilt mitunter als Modellfür innovative sozialwissenschaftliche Forschung. Tatsäch-lich ist die Arbeit dort methodisch sehr vielfältig, sie bringtstets sehr unterschiedliche Wissenschaftsdisziplinen zusam-men, sie bleibt immer auf konkrete Erfahrungen konzen-triert und sie geht zugleich theoretischen Fragen zur Poli-tikgestaltung nach.

Jedes Forschungsvorhaben ist in ein breiter angelegtesForschungsprogramm eingebettet, welches die bestehendenGrenzen zwischen den Forschungsdisziplinen überschreitet

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und die Erforschung des kollektiven Handelns vorantreibt.Es geht uns um die Entwicklung einer empirisch ge-

stützten Theorie des kollektiven Handelns, die auf Selbst-organisation und Selbstverwaltung beruht.

Viele Politikerinnen und Politiker neigen dazu, dieMarktordnung nach Adam Smith für alle privaten Güterund den Leviathan* des Thomas Hobbes – den wir heute als »souveränen Staat« kennen – für alle gemeinschaftlichgenutzten Güter zu empfehlen.

Doch diese Gegensätze – privat gegen öffentlich, Marktgegen Staat – sind ärmlich. Das Denken in Gegensätzenkommt auch daher, dass sich die Politische Ökonomie inzwei Disziplinen geteilt hat: die Politik- und die Wirt-schaftswissenschaft. Beide haben sich eigenständig weiter-entwickelt. Das Problem dabei ist, dass wissenschaftlicheSpezialisierung zwar gewisse Vorteile bringt, aber Überspe-zialisierung birgt eher Gefahren. Zum bedauerlichen Erbedieser Überspezialisierung gehört auch, dass in der Politikin der Regel weit reichende Vorschriften gemacht werden,die oft auf sehr stilisierten Vorstellungen über die starke Wirkung von Institutionen beruhen.

Und als wäre dies nicht genug, hat die gängige Theoriedes kollektiven Handelns die Idee verstärkt, der Staat sei dieeinzige Alternative zum Markt. Diese Annahme unterstellt,dass freiwillige Selbstorganisation zur Bereitstellung öf-fentlicher Güter* oder zur Verwaltung von Gemeinressour-cen höchst unwahrscheinlich ist. Die Ökonomen empfehlendeshalb auf der einen Seite immer schnell, der Staat solle sich

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kümmern, sobald sie merken, dass marktbasierte Lösungenscheitern. Dabei fragen sie nicht, was in staatlichen Insti -tutionen getan werden kann und muss, um sie für die Be-wältigung dieser Aufgaben leistungsfähiger zu machen. Aufder anderen Seite setzen Politikwissenschaftler und Berateraber auf »Privatisierung«, sobald sich zeigt, dass zentra -lisierte staatliche Institutionen an ihre Grenzen kommen.Auch sie mogeln sich um die Frage herum, wie konkrete Anreize zu schaffen sind, die die Beiträge und Verantwor-tungsübernahme der Einzelnen verbessern.

In den 70er-Jahren und Anfang der 80er-Jahre führten wirsehr umfassende Feldstudien durch. Es ging um die Folgen in-stitu tioneller Regelungen für die Effizienz und Anpassungs-fähig keit städtischer Dienstleistungen in amerikanischenGroßstäd ten. Unsere jüngeren Forschungen zur gemein-schaftlichen Nutzung von Gemeinressourcen sind sehr be-kannt, aber die theoretische Dimension des Ganzen ist es weniger.

Meine Hoffnung ist, dass unsere theoretischen Analy-sen sowie die Arbeit in der Praxis und im Laboratorium zueiner empirisch belastbaren Theorie von Selbstorganisationund Selbstverwaltung beitragen. Diese beiden Dinge prägendie Gemeingüter.

Gemeingüter. Ein Raum für Kooperation

Viele Menschen denken auch, bei Gemeingütern ginge esum gestrige Formen gemeinschaftlicher Selbstorganisation

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und Selbstverwaltung von natürlichen Ressourcen. Die Ge-meinschaften, von denen dann die Rede ist, bekommen ausdieser Perspektive einen archaisch-exotischen Zug. Andereglauben, Commons würden allmählich verschwinden – wieReliquien der Vergangenheit, die von modernen Institutio-nen ersetzt werden. All jenen aber, die an der Vitalität derGemeingüter zweifeln, sei ins Stammbuch geschrieben, dassauch heute zahlreiche Commons-Institutionen existieren undgedeihen. Und dabei geht es beileibe nicht nur um die Be-wirtschaftung natürlicher Ressourcen. Selbst moderne Un-ternehmen sind dafür ein Beispiel. Seit den Arbeiten des Briten Ronald Coase, der 1991 den Wirtschaftsnobelpreiserhielt, beginnen die Experten für Industrieorganisation zuverstehen, dass auch ein modernes Unternehmen einige Eigenschaften mit Commons-Institutionen teilt. So wie einmoderner Komplex von Eigentumswohnungen sozusageneine Commons-Institution ist. Während die Familien Eigen-tümer ihrer Wohnungen sind, haben sie gemeinsame Rechteund Pflichten für den Umgang mit dem Gebäude oder derWohnanlage. Einige der originellsten Projekte zur Verbesse-rung der Stadtquartiere und der nachbarschaftlichen Bezie-hungen beabsichtigen deshalb, Mietern von Sozialwohnun-gen den Kollektivbesitz und die gemeinschaftliche Verwal-tung ihrer Wohnhäuser zu sichern. Hier wird also staatlichesEigentum in gemeinschaftliches Eigentum überführt.

Auch das Internet ist ein Gemeingut. Es spielt im moder -nen Leben eine unglaublich wichtige Rolle. Die Allmende istalso sehr aktuell und keineswegs ein Relikt der Vergangenheit.

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Selbstverwaltung. Der Schlüssel für Gemeingüter

In unserer Forschung spielen lokale, selbst organisierteInstitutionen eine große Rolle. Sie sind ein wichtiger Be-standteil des Institutionengefüges einer Gesellschaft undich bin davon überzeugt, dass sie auch im 21. Jahrhundertbestehen müssen. Viele Institutionen indigener Gemein-schaften haben bewiesen, dass sie es den Einzelnen er -möglichen, Gemeinressourcen über einen langen Zeitraumhinweg sehr intensiv zu nutzen. Einige überdauerten Jahr-hunderte, manche sogar Jahrtausende, ohne die empfind -liche Ressourcenbasis zu zerstören, auf die die Menschen angewiesen sind.

Im Namen der Umwelt haben internationale Institutio-nen für Entwicklungszusammenarbeit, NGOs, Regierungenund Hilfsorganisationen vieles auf den Weg gebracht unddabei oft unwissentlich jenes Sozialkapital* der Nutzer zer-stört, das entscheidend für den Erhalt natürlicher Ressour-cen war: Beziehungsnetze, Normen, Wissen und Vertrauen.

Der Schutz der biologischen Vielfalt darf aber nicht dieZerstörung institutioneller Vielfalt zur Folge haben. Wirmüssen deshalb noch viel mehr darüber in Erfahrung brin-gen, wie die enorme Vielfalt von Regeln, die die Menschensich über Jahrhunderte überall in der Welt und unter sehrverschiedenen Bedingungen erarbeitet haben, lebenswichtigeRessourcen schützt.

Commons-Institutionen sind vor allem dann in Gefahr,wenn Funktionäre davon ausgehen, dass sie gar nicht exis-tieren (oder dass sie nichts bewirken), nur weil sie nicht von

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der Regierung selbst initiiert wurden. Dabei ist ein robusterGemeingutsektor von enormer Bedeutung für das Leben derMenschen. Wenn wir keine Wege finden, die Verfasstheit derGemeingüter zu verbessern; wenn wir nicht lernen, bessermit unseren kollektiven Ressourcen umzugehen, werdenfehlende Commons-Institutionen im 21. Jahrhundert zu tiefgreifenden sozialen und wirtschaftlichen Problemen führen.Noch einmal: Commons-Institutionen sind kein Relikt derVergangenheit.

Je mehr wir über sie lernen, umso besser können künf-tige politische Entscheidungen auf die Kraft der Gemein-güter aufbauen und Fehler der Vergangenheit vermiedenwerden. Dabei hilft zunächst ein Abgleich der üblichenModelle und Metaphern mit dem, was im Leben wirklichgeschieht. Wir haben in den letzten Jahrzehnten immer wie-der darauf hingewiesen, dass die Modelle und Metaphern,mit denen Probleme der Gemeingüter und des kollektivenHandelns derzeit beschrieben werden, zumindest irrefüh-rend sind.

Gegen Modelle ist im Allgemeinen nichts einzuwenden.Sie können in der Analyse politischer Prozesse sehr nütz-lich sein. Aber es ist nicht klug, immer wieder auf das »Ge-fangenendilemma«* oder die Metapher von der »Tragik derAllmende«* Bezug zu nehmen.

Jahrzehntelange Forschung im Labor und in der Praxisstellt die Allgemeingültigkeit des Gefangenendilemma-Mo-dells und der Metapher von der »Tragik der Allmende« in-frage. Forscher, die sich auf diese Bilder stützen, kommen

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schnell zu dem Schluss, dass Nutzer der Allmende unaus-weichlich in eine Klemme geraten, aus der sie sich nichtselbst befreien können. Daraus folgert man, dass externeAutoritäten Verordnungen zur Nutzung lokaler Ressourcenerlassen und durchsetzen müssen. Als wären die Nutzernicht selbst dazu in der Lage. Diese Sicht der Dinge, nachder die Ressourcennutzer in einer selbst verschuldeten Tra-gödie gefangen sind, steht im Einklang mit überholten Lehr-meinungen der Ressourcenökonomie und mit den Grund-annahmen der nicht-kooperativen Spieltheorie*. Auchmoderne Analysen der Politikwissenschaft gehen häufigvon der Vorstellung aus, dass optimale Regeln zur Res-sourcennutzung von oben nach unten durchgesetzt werdenmüssen. Hierbei schert man die unterschiedlichen Gemein-ressourcen und vielfältigen Nutzergruppen über einenKamm, was ungerechtfertigt ist. Man nutzt vereinfachendeModelle, die zu der Grundannahme verleiten, staatlicheBehörden seien in der Lage, eine wirkungsvolle Lösung füreine gesamte Region zu entwickeln, immer in der Annahme,der Staat handele stets im Interesse der Allgemeinheit. AmEnde stehen politische Empfehlungen zum Ressourcenma-nagement im Einklang mit den Kernaussagen solcher For-schungseinrichtungen. Dadurch wird versucht, staatlichesHandeln wissenschaftlich zu legitimieren.

Unsere Forschung zeigt hingegen, dass es ein Irrweg ist,zentrale Lösungen für die Ressourcennutzungsprobleme ei-ner großen Region von oben nach unten durchzusetzen.Feldstudien in aller Welt belegen, dass lokale Nutzergrup-

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pen mitunter ganz allein, manchmal auch mit Unterstützungvon außen, vielfältige Regeln für die kooperative Nutzungihrer Ressourcen entwickeln. Natürlich gibt es auch etlicheFälle, in denen derartige Selbstorganisation scheitert. Dochdas veranlasst uns nur zur Schärfung unserer Fragestellung,die lautet:

Warum ist Selbstorganisation in einigen Fällen erfolgreichund in anderen nicht?

Wenn wir mehr darüber in Erfahrung bringen, welcheFaktoren Selbstverwaltung stärken und welche sie schwä-chen, dann können wir auch wirkmächtigere Institutionenentwickeln. Institutionen, die präzise Informationen liefernund transparente und faire Konfliktlösungsmechanismenanbieten, die die Risiken fair verteilen und die Bemühungender Nutzerinnen und Nutzer vor Ort gezielt unterstützen.

Dazu benötigen wir Fallstudien. Konkrete Fallstudienzeigen, dass die Übernutzung von Gemeinressourcen kei-neswegs unvermeidbar ist. Nehmen wir folgendes Beispiel.In zahlreichen Studien über nepalesische Bewässerungssys-teme konnten wir zeigen, dass Systeme, die von den Bauernselbst gebaut und gepflegt werden, im Durchschnitt besserin Schuss sind und mehr Wasser für die Landwirtschaft lie-fern als jene, die vom Staat verwaltet werden. Auch die Was-serzuteilung ist in den traditionellen, selbst verwalteten Sys-temen gerechter als in moderneren Systemen, die von einerBehörde kontrolliert werden. Also stellt sich die Frage: Wieist es möglich, dass »primitive« Bewässerungssysteme ein-deutig mehr leisten als moderne? Immerhin wurden Letztere

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durch unverwüstliche Stahlbetonkonstruktionen stabilisiert,sie wurden bis in jedes Detail finanziert und geplant sowievon professionellen Ingenieurbüros gebaut.

Viele Faktoren kommen hier ins Spiel. Zu den wichtigs-ten gehören die unterschiedlichen Anreize für die Beteiligten,sowohl in den selbst als auch in den fremd organisierten Sys-temen. Dies gilt im gesamten Prozess: in Finanzierung, Pla-nung, Bau, Betrieb und Wartung. In den selbst verwaltetenBewässerungsanlagen bestimmen die Bauern, die zugleich dieRessourcennutzer sind, ihre Regeln selbst. Diese Regeln set-zen externe Anreize oft außer Kraft, insbesondere dann,wenn sie im konkreten physischen und kulturellen Umfeldperverse Auswirkungen haben. Selbstbestimmte Regeln kön-nen für Außenstehende nahezu unsichtbar sein, vor allem,wenn sie von den Nutzern sehr gut angenommen werden. Siehalten sie dann einfach für wenig bemerkenswert. Wennman also wissen will, wie vielfältig Selbstorganisationsfor-men heute sind, und wenn man verstehen will, wie Com-mons-Institutionen unter den jeweiligen Umweltbedingungenund in ihrer jeweiligen Kultur funktionieren, dann gibt es nureinen Weg: hingehen und Feldstudien durchführen.

Ich war und bin mit zahlreichen Kontakten zu wunder-baren Kollegen und Studenten gesegnet, die jahrelang dieWelt bereist haben, um solche Untersuchungen durchzu-führen. Inzwischen haben wir ein großes Netzwerk vonForschungsinstitutionen in Afrika, Asien und Lateiname-rika. Viele von diesen gehören zum Internationalen Verbandfür die Erforschung der Gemeingüter (IASC, International

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Association for the Study of the Commons), der alle zweiJahre zu einem großen Treffen von Wissenschaftlerinnenund Wissenschaftlern weltweit lädt. Zahlreiche Kollegensind mit der Untersuchung von Regulierungsformen in staat-lichen, privaten oder selbst verwalteten Wäldern und denAuswirkungen dieser Regulierungen auf die nachhaltigeEntwicklung befasst. Die Einsichten aus diesen Forschungenhaben ganz erhebliche Konsequenzen für das Verständnisvon Entwicklungs- und Wirtschaftspolitik. Akademiker,Entwicklungspolitiker, Geldgeber, internationale Organisa-tionen, Regierungen und die Bürger selbst müssen sich einesimmer wieder aufs Neue vor Augen führen: Keine Regierungder Welt kann die ganze Palette an Wissen, Instrumentenund Sozialkapital entwickeln, die nötig ist, um nachhaltigeEntwicklungsprozesse zu fördern.

All diese Dinge müssen ständig an die kulturellen undökologischen Verhältnisse vor Ort angepasst werden. Das isteine gewaltige Aufgabe, weshalb ich Folgendes zu behaup-ten wage: Jeder noch so umfassende Maßnahmenkatalog,der in einem große Territorium Anwendung finden soll, istzum Scheitern verurteilt. Denn große Territorien haben im-mer ökologische Nischen. Die Bedingungen an einem Ortdieses Territoriums können von denen an einem anderen Ortdesselben Territoriums sehr verschieden sein.

Eine wesentlich erfolgreichere Strategie besteht dem-nach darin, die Fähigkeiten der Menschen zur Selbstorga-nisation und zur Kooperation zu stärken. Es sind nämlichdie Nutzer selbst, die vor Ort den besten Einblick in die

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konkreten Bedingungen haben. Dieses Vorgehen ist sinn-voller, als nach theoretisch optimalen institutionellen Lö-sungen zu suchen.

Institutionen. Oder was Gemeingüter brauchen

Der Staat kann eine Menge tun, um Selbstverwaltung zuunterstützen. Er kann effiziente und faire rechtsstaatlicheVerfahren absichern. Er kann wirksame Eigentumsrechtedurchsetzen oder Infrastrukturprojekte durchführen, dieden lokalen Rahmen sprengen, etwa Bundesstraßen bauen.Am Beispiel der Bewässerungssysteme lässt sich das gut be-obachten. Solche Systeme haben entscheidenden Einfluss aufdas wirtschaftliche Vorankommen der Entwicklungsländer.Doch oft wird in der Planung und Durchführung die meisteKraft in das Sachkapital gesteckt. Da geht es um Dämmeund Wasserleitungen, um Überläufe und Kanäle. DieseDinge sind für die Gesamtleistung eines Bewässerungs -systems natürlich auch wichtig, und trotzdem sind wir mitder Tatsache konfrontiert, dass die technisch sehr weit entwickelten Systeme oft nicht nachhaltig sind, weil die geschaffenen Anreize und die zum Erhalt dieser Systeme geschaffenen Institutionen in vielerlei Hinsicht versagen.Die Planer großer Bewässerungsprojekte in Entwicklungs-ländern – große Projekte werden in der Regel den kleinenvorgezogen – sind fast ausschließlich mit ingenieurtechni-schen Fragen befasst. Dabei vernachlässigen sie häufig dieorganisatorischen Aspekte. Projektingenieure stehen zudem

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oft unter erheblichem Druck, die technischen Fragen raschzu lösen. Dabei missachten sie die vorhandenen Sozial-strukturen. Nur wenige Ingenieurschulen bieten überhauptKurse zu Themen wie Eigentumsrecht oder zu institutio-nellen Fragen an. Ingenieure werden in der Regel so ausge-bildet, dass sie am Ende denken, die physische Infrastruk-tur sei bereits »die ganze Miete«.

Diese technische Schlagseite führt zu völlig falschen An-reizen, weswegen die Bauern in diesen Großprojekten amEnde nicht selten mit bizarren Verlockungen konfrontiertsind. Weil es keine Kontrolle über die verfügbare Wasser-menge gibt, ist zum Beispiel die Versuchung groß, nichts zur Systemwartung beizutragen. Außerdem fließen hoheInvestitionssummen oft durch die Hände von Politikern, diedamit ihre Macht sichern und ihren Wohlstand mehren. Esist nicht davon auszugehen, dass hier konkrete, lokale Ent-wicklungsbedingungen besondere Berücksichtigung finden.Eine Region mit finanziellen Mitteln auszustatten ist eineschlechte Investition, wenn das Geld hauptsächlich dazudient, politische Karrieren zu befördern.

Wenn darüber hinaus die für den Betrieb und die War-tung der Anlagen zuständigen Ingenieure einen geringen So-zialstatus besitzen und schlecht bezahlt werden, wenn sie weder für ihr berufliches Fortkommen noch finanziell in irgendeiner Weise auf die Bauern angewiesen sind, kannniemand wirklich erwarten, dass groß angelegte Bewässe-rungssysteme gut funktionieren. Und abgesehen davon: Sol-che Umstände sind ein idealer Nährboden für Korruption.

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Das Gegenmodell lässt sich wie folgt skizzieren: DieAnreize sind so gestaltet, dass es sich für die beteiligten Ingenieure lohnt, sich auf lokal verfügbares Wissen zu stüt-zen und direkt mit den Bauern zusammenzuarbeiten.

Ähnliches gilt für die Wartung: Wenn Gebühren nur proforma erhoben werden und keine relevante Einnahmequellefür Betrieb und Wartung darstellen, wenn Einstellung undBeförderung von Mitarbeitern in keiner Hinsicht mit der Gesamtleistung des Systems verknüpft sind, dann werden dieGemeinschaften auf Dauer von den Entscheidungen derFunktionäre abhängig bleiben. Dies ist demotivierend.

Eine verbesserte physische Infrastruktur ist wichtig.Noch wichtiger aber ist, über die Handlungsmotivationenund damit über die Anreize für die Projektmitarbeiter undvor allem für die Nutzer nachzudenken. Wir müssen dienächsten Jahrzehnte vor allem Fragen zur Gestaltung vonInstitutionen widmen. Es müssen Regelwerke entwickeltwerden, die die Betroffenen auch wirklich verstehen und denen sie folgen können, sofern sie wissen, dass die meistenanderen Nutzer dies auch tun oder dass Regelverletzungenentsprechend geahndet werden.

Wer Institutionen für Gemeingüter gestalten will, mussdie Nutzerinnen und Nutzer in den gesamten Prozess ein-beziehen. Im Wort »gestalten« drückt sich etwas Wichtigesaus, nämlich dass wir von einer Handwerkskunst reden.Von der Kunst Institutionen zu formen, die zweierlei leis-ten: einerseits das einzigartige Zusammenspiel von Faktorenzu berücksichtigen, das jedes System prägt, und sich ande-

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rerseits an die stete Veränderung dieser Faktoren immer wie-der anzupassen.

Die direkte Einbindung der Nutzer und die Berücksich-tigung ihrer Interessen erhöht die Wahrscheinlichkeit, dassInstitutionen gut auf das lokale physische, wirtschaftlicheund kulturelle Umfeld abgestimmt sind. Die Erfahrung hatgezeigt, dass man den Menschen nicht einfach Blaupausenin die Hand drücken und dann erwarten kann, dass sich ihreHandlungsmotivationen und ihr Verhalten ändern werden.

Es geht auch nicht einfach darum, sie – zum Beispiel dienepalesischen Bauern – zu organisieren. Wenn Nachhaltig-keit und soziale Organisation nicht gelingen, ist das meistAusdruck des Unvermögens, sinnvolle Institutionen zu ge-stalten und dabei den Geberorganisationen und dem Staatdie richtigen Rollen zuzuweisen.

Institutionelle Entwicklung voranbringen heißt, dasHandwerk langfristiger Prozessgestaltung zu beherrschen, indie die Nutzer direkt einbezogen sind. Top-down-Ansätzeund Blaupausen haben hier nichts zu suchen.

Es heißt auch, ständig in die Fähigkeiten der einzelnenAkteure zu investieren, damit sie ihre eigenen Institutionengestalten können. Die richtige Motivation für Bauern, Dorf-bewohner und Projektmitarbeiter oder Funktionäre ist fürdie langfristige Stabilität eines Systems wichtiger als dieGestalt und Weiterentwicklung der physischen Aspekte ei-nes Projekts. Wenn beispielsweise die Bauern für die sich inihrem Besitz befindlichen Bewässerungssysteme ihre eigenenVertreter und Beauftragten wählen und sie auch honorieren,

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dann nutzen sie Anreizsysteme, mit denen sie vertraut sind.Darüber hinaus wird ein direkter Zusammenhang zwischender Leistung des Gesamtsystems und der Tätigkeit derjeni-gen hergestellt, die sich um die Belange und Anforderungendes Systems kümmern. In vielen regierungsbetreuten Sys -temen gibt es diesen direkten Zusammenhang nicht. Dasmüssen Geberorganisationen verstehen lernen. Entwick-lungspolitische Arbeit sollte sich bemühen, die Fähigkei-ten lokaler Gemeinschaften zur Selbstverwaltung zu unter-stützen, statt primitive Infrastrukturen durch technisch an-spruchsvolle Ausrüstungen zu ersetzen.

Kooperation. Eine experimentell erlernbare Kunst

Noch einmal: Gefördert werden muss die Fähigkeit loka -ler Gemeinschaften zum gemeinsamen Handeln. Sie müssensich selbst bewegen, sich selbst organisieren, selbst mitei-nander und mit anderen zusammenarbeiten. Sie müssen auflokaler Ebene regelrecht unternehmungslustig sein. Schließ-lich ist unternehmerisches Handeln nicht nur pri vaten Un-ternehmen vorbehalten. Wenn das Umfeld es vereinfacht,sich zu organisieren, aktiv zu werden und in öffentliche Be-lange zu investieren, dann ist es für lokale Entre preneurs*einfacher, mit den typischen Problemen kollektiven Handelnsumzugehen. Manchmal können Geldgeber die Regierungenermutigen, die Hürden für die Gründung lokaler Organisa-tionen aus dem Weg zu räumen, ebenso für die Einrichtunglokaler Fonds oder die Durchführung konkreter Entwick-

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lungsprojekte. Es erleichtert das Lernen voneinander, wennNutzergruppen zur Vernetzung ermutigt werden. Auch diesist ein wichtiger Aspekt, denn sie sehen dann, was funktio-niert und was nicht.

In der Vergangenheit wurde oft kurzfristig in die Betei-ligung der Bürgerinnen und Bürger an lokalen Projekten investiert. Dass dies vergeblich ist, ist nicht weiter verwun-derlich, denn es ist kosten- und zeitaufwändig, Probleme des kollektiven Handelns zu überwinden. Wenn es gelingensoll, müssen auf verschiedenen Ebenen – lokal, regionalund national – neben der konkreten Projektarbeit auch so-lide Institutionen entstehen.

Viele so genannte Partizipationsprogramme von Ge-bern, Regierungen oder Nichtregierungsorganisationen bestehen vorwiegend aus Sitzungen. Sie zielen kaum daraufab, die Verantwortung wirklich an die Betroffenen zu über-tragen. Aber nur an Sitzungen teilzunehmen ist langweilig.Es ist teuer und es lohnt sich nicht!

Daraus können wir für Politikgestaltung zweierlei lernen:Erstens können Menschen Probleme kollektiven Han-

delns auf sehr kreative Weise lösen und benötigen dafürnicht unbedingt einen Leviathan. Zweitens ist Selbstverwal -tung kein einfacher Prozess und es gibt kein universell gültiges Rezept dafür, dass sie funktioniert.

Nach besseren Wegen, Institutionen und Regelwerken zusuchen, ist alles andere als einfach. Es gibt so unfassbar vieleKombinationsmöglichkeiten von Regeln, die sich in ver-schiedenen ökologischen und sozialen Umgebungen sehr

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unterschiedlich auf einzelne Aspekte der Lebensrealität aus-wirken. Wir brauchen also viel mehr Zeit und Ressourcenals bislang angenommen, um die konkreten Verhältnisseund Institutionen vor Ort zu analysieren. Das ist keine Auf-gabe, die von einem Expertenteam in der Hauptstadt odervom Schreibtisch einer internationalen Organisation auserledigt werden kann. Vielmehr erfordert das Design poli-tischer Prozesse und Verfahren die Möglichkeit, mit den vie-len Variablen komplexer Systeme* zu experimentieren.

Wenn wir die Politik ändern, wenn wir also eine Regelhinzufügen, sie streichen, verändern oder neue Regeln er-proben, dann führen wir solche Experimente durch. Undwir erwarten dabei bestimmte Ergebnisse, wohl wissend,dass die sich ständig verändernden ökologischen und sozio -kulturellen Bedingungen und die Komplexität der Regelndiese Erwartungen oft enttäuschen. Trotzdem ist es notwen -dig, experimentieren zu dürfen und dabei fehlerfreundlichzu sein.

Dabei zeigt sich, wie Redundanz* und das Vorhanden-sein paralleler Zuständigkeiten oder Institutionen eine sehrpositive Seite haben können. In jedem wirklich fehler-freundlichen Planungsprozess wiederholen dieselben Teamseine Aufgabe ein ums andere Mal. Immer wieder und wie-der. Das reduziert potenzielle Fehlerquellen, deren möglichenegative Auswirkungen erheblich sein können; und es redu -ziert die damit verbundenen zukünftigen Kosten. Wenn esnun innerhalb eines Gebietes ähnliche oder parallele Insti-tutionen mit autonomen Zuständigkeitsbereichen gibt, kann

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jede Institution simultan mit anderen im eigenen Umfeldmit Ideen und Regeln experimentieren. Das vervielfacht dasHandlungswissen.

Um dies zu unterstützen, können Regierungen Pilot-programme auf die Beine stellen. Doch wenn sie dies tun, suchen sie normalerweise nach den Regeln, die für großeTerritorien anwendbar sind, aber genau das geht am Pro-blem vorbei.

Womit wir bei zwei weiteren Schlüsselkonzepten derGovernance*-Debatte des Forschungsprogramms von Bloo-mington angekommen sind: »Polyzentrische Systeme«* und»komplexe adaptive Systeme«*.

Polyzentrische Regierungsführung. Nicht ein, sondern viele Zentren

Für viele Wissenschaftler ist das Konzept »Organisa-tion« eng mit der Vorstellung verbunden, dass eine Leitungdie Organisation entwickelt und voranbringt. Folglich sindselbst organisierte Systeme für sie nicht selten unsichtbar.Selbst organisierte Systeme lassen sich treffender als »kom-plexe adaptive Systeme« beschreiben. Sie bestehen aus zahl-reichen Komponenten, die aus reichen Interaktionsmög-lichkeiten heraus emergente Eigenschaften* entwickeln.Das heißt, die Eigenschaften selbst organisierter Systeme lassen sich nicht durch die Analyse der Eigenschaften derEinzelteile vorhersagen. Es sind Systeme, die aus Regeln undAkteuren bestehen, die vielfache Beziehungen zueinander

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haben und die – durch Erfahrung – in der Lage sind, sich immer wieder neu den sich permanent ändernden Bedin-gungen anzupassen.

Komplexe anpassungsfähige Systeme unterscheiden sichalso erheblich von einfachen physischen Systemen, die inder Regel im Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interes-ses stehen. Sozialwissenschaftler brauchen künftig ein bes-seres Instrumentarium, um die Anpassungsfähigkeit solcherSysteme zu begreifen. Es gibt auch noch keine allgemeineTheorie komplexer adaptiver Systeme, weswegen wir nichtschlüssig erklären können, welche Prozesse und Eigen-schaften all diesen Systemen gemein sind.

Viele ihrer Funktionen können mit einem polyzentri-schen Ansatz beibehalten werden. Unter »polyzentrisch«verstehe ich ein System, in dem die Menschen die Möglich-keit haben, auf verschiedenen Ebenen nicht nur eine, son-dern mehrere öffentliche wie private Verwaltungseinheitenzu schaffen.

Jede dieser Einheiten muss so unabhängig wie mög-lich sein, um innerhalb eines bestimmten Gebiets und Zu-ständigkeitsbereichs spezifische Regeln zu entwickeln unddurchzusetzen. In einem polyzentrischen System haben ei-nige Einheiten allgemeine Aufgaben zu erfüllen, währendandere hoch spezialisiert sind. Ressourcenverwaltung kannin solch einem Kontext von besonderen territorialen Ver-waltungseinheiten, von Vereinen oder von Abteilungen derKommunalbehörden getragen werden.

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Freundlich zu Fehlern. Von Versuch und IrrtumDie einzelnen Einheiten polyzentrischer Systeme sind

auf verschiedenen Ebenen mit den staatlichen Institutionenverzahnt, die für gerechte Teilhabe und Rechtsprechungsorgen müssen. Polyzentrische Systeme sind also auchselbst komplexe adaptive Systeme. Sie haben keine domi-nierende Zentralinstanz. Es gibt keine Garantie, dass sol-che Systeme für alle Kontexte optimale Regelkombina -tionen finden. Das klingt zunächst wenig attraktiv, manmuss sich aber Folgendes bewusst machen: Ohnehin ist da-von auszugehen, dass Governance-Systeme gleich welcherArt – immer suboptimal funktionieren. Schließlich sind dieSchwierigkeiten in der Feinabstimmung und -steuerungkomplexer sozialer Systeme immens. Aber in polyzentri-schen Systemen gibt es Einheiten, die sich überlappen. Sokönnen Informationen über das, was an dem einen Ort gut funktioniert, für andere Orte nutzbar gemacht wer-den. Wenn kleinere Einheiten versagen, gibt es größere, die einspringen können, und umgekehrt. Auch das ist einRedun danzvorteil.

Überhaupt spielen die Begriffe »Versagen«, »Fehler«und »Zerbrechlichkeit« im Ansatz der Bloomington Schooleine wichtige Rolle. Mein Mann, Vincent Ostrom, hat einganzes Buch über die Zerbrechlichkeit demokratischer Ge-sellschaften geschrieben. Demokratische, selbst verwalteteSysteme sind immer zerbrechlich. Auch in meiner Arbeit legeich besonderes Augenmerk auf die Gefährdung sozioöko-logischer Systeme.

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Angesichts der Komplexität von Regelsystemen und derKomplexität der Welt, die wir zu regeln versuchen, sind Be-mühungen, wirksame Regulierungsformen zu entwickeln,vor allem eines: scheinbar endlose Runden von Versuch undIrrtum. Und das ist alles andere als trivial.

Redundanz. Für ein starkes soziales Immunsystem

Wenn ein System anfällig für äußere Störungen ist, etwadurch einen Hurrikan oder eine militärische Invasion, dannsteigt die Fehlerquote sehr wahrscheinlich erheblich an.Häufig wird kritisiert, polyzentrische Systeme seien unnö-tig komplex, ihnen würde die Richtung fehlen. Sie haben alsdynamische, komplexe Systeme aber große Stärken – vor allem senken sie die Störanfälligkeit bei starken Einwirkun -gen von außen. Jede einzelne Einheit in solch einem Systemverfügt über weitgehende Autonomie über die Ressour cen,über die sie zu entscheiden hat. Und wo mit unterschied -lichen Regelungen experimentiert werden kann, da werdenauch unterschiedliche Fähigkeiten entwickelt, auf externeEinflüsse zu reagieren. In diesen Experimenten bekommenBürger und Funktionäre Zugang zu lokalem Wissen, sie er-halten schnelles Feedback über die Auswirkungen der vonihnen erprobten Veränderungen und sie können von den Erfahrungen anderer in Paralleleinheiten lernen. Statt dieLeistung des Gesamtsystems zu mindern, sorgt Redundanzalso dafür, dass sie erheblich zunimmt. Wenn hingegen nureine Institution, etwa die Regierung, für einen großen geo-

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grafischen Raum zuständig ist, und wenn diese Institutiondann nicht den Mut hat, auf Bedrohungen von außen ange -messen zu reagieren, kann das zu einer Katastrophe größe-ren Ausmaßes führen. Wenn es auf verschiedenen Ebenenmehrere, unterschiedliche Steuerungseinheiten für eine geo-grafische Region gibt, dann wird die Katastrophe geringersein, wenn eine oder mehrere dieser Einheiten nicht ange-messen auf eine Bedrohung reagieren oder ganz ausfallen.Ausgleich kann stattfinden.

Redundanz spielt in der Gestaltung robuster physischerSysteme, egal ob Bewässerungssysteme, Trinkwasser- oderGesundheitsversorgung, eine sehr wichtige Rolle. Hier kanndie politische Beratungsbranche viel lernen. So wie man vieldurch das gründliche Studium des menschlichen Immun-systems lernen kann; etwa wie das Immunsystem es schafft,mit externen Bedrohungen durch Viren umzugehen. Das Immunsystem verfügt über eine große Zahl scheinbar re-dundanter Systeme, die in der Lage sind, immer wiederNeues zu kombinieren und zu rekombinieren. So wehrt dermenschliche Körper Infektionen ab. Redundanz ist ein Mit-tel, um Systeme auch bei negativen äußeren Einflüssen oderinneren Funktionsstörungen am Laufen zu halten.

Früher haben politische Analysten polyzentrische Sys-teme oft als »höchst ineffizient« kritisiert, weil sie zu redun -dant seien. Diese Kritik beruht meiner Ansicht nach auftheoretischen Überlegungen, die sich wiederum auf »un -verrückbare« Annahmen darüber stützten, wie eine optimaleVerwaltungs praxis auszusehen habe. Sie konnten das in der

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Praxis nicht belegen. Schon die reine Aufzählung der Regu -lierungsinstan zen in einer Region wurde von einigen Wis-senschaftlern als ausreichend angesehen, um »ineffizienteRegierungsfüh rung« nachzuweisen. In den Vereinigten Staa-ten und in Westeuropa hat das im vergangenen Jahrhundertzu mas siven Konsolidierungskampagnen geführt. Andersausgedrückt: Es ging darum, den Staat zu »verschlanken«und «überlappende, redundante Verwaltungseinheiten« ab-zuschaffen, selbst wenn diese von der Bevölkerung energischverteidigt wurden. Die praxisbezogene Forschung hat jetztgezeigt, dass polyzentrische Systeme bei ähnlichen oder geringeren Kosten in der Steuerung ökologischer, städte-baulicher und sozialer Systeme mehr leisten als vergleichbaremonozentrische Systeme.

Für die Entwicklung einer besseren Theorie zur Regie-rungsführung müssen wir also die Störanfälligkeit von Governance-Systemen genauer untersuchen. Das ist sehrwichtig. Die Entwicklung dieser Theorie ist von der Er-kenntnis geleitet, dass soziobiophysikalische Systeme nie statisch sind und wir daher für robuste Systeme ein gehö -riges Maß an Redundanz benötigen, damit sie auf starkeEinwirkung von außen reagieren können und damit Lern-prozesse in Gang kommen.

Interdisziplinarität. Ohne sie ist alles nichts

Betrachtet man also die analytischen Herausforderungenaus der Perspektive polyzentrischer Governance-Systeme

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und vergegenwärtigt man sich, dass wir es dabei mit kom-plexen adaptiven Systemen zu tun haben, so wird deutlich:Interdisziplinarität ist nicht nur eine Option unter vielen. Sieist schlicht unvermeidlich.

Und das gilt in unserem Forschungsbereich weit über dieSozialwissenschaften hinaus. In Die Verfassung der All-mende habe ich zum Beispiel die Ansätze von Wissen-schaftlern, die den »neuen Institutionalismus«* vertreten,mit den Ansätzen der Biologen in ihren praktischen Unter-suchungen kombiniert. Die Institutionalisten gehen davonaus, dass jeder Einzelne versucht, Probleme so effektiv wiemöglich zu lösen und dabei bemüht ist zu verstehen, wel-che Faktoren dies befördern und welche Faktoren effektiveProblemlösung eher behindern. Wenn aber die Probleme, diewir im Blick haben, unvorhersehbare Dinge einschließen,wenn es an korrekten Informationen fehlt oder mangeln-des Vertrauen herrscht, und wenn diese Probleme zudemhochgradig komplex sind, dann müssen wir das im Heran-gehen an die Problemlösung berücksichtigen. Wir könnenKomplexität nicht über vereinfachende Grundannahmenausblenden. Wir müssen lernen, mit ihr umzugehen.

Die Strategie der Biologen besteht darin, den denkbareinfachsten Organismus zu identifizieren, in dem der zu un-tersuchende Prozess sich in reinster oder gar übertriebenerForm darstellt. Die Biologen nennen dies einen Modell -organismus. Ein Modellorganismus wird nicht etwa ausge-sucht, weil er für alle Organismen repräsentativ ist, sondernweil bestimmte Prozesse in ihm effizienter analysiert werden

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können als in anderen Organismen. Es ist auch keine »zu-fällige« Auswahl, sondern es werden solche Organismen ge-wählt, die eine möglichst klare Auskunft über die beteilig-ten Prozesse liefern können. Von diesem Verfahren könnenwir Sozialwissenschaftler uns etwas abschauen, auch wennbei aller Interdisziplinarität und Verallgemeinerbarkeit klarbleibt, dass es wichtige Unterschiede zwischen den Sozial-und den Naturwissenschaften gibt. Das dürfen wir nicht ausden Augen verlieren.

Selbstorganisation. Neue Antworten auf alte Fragen

Mein »Organismus« war immer eine spezifische Formeiner sozialen Situation: die gemeinsame Nutzung einer Res-source.

Kollegen und ich haben viele dieser Situationen unter-sucht. Wir haben uns dabei unterschiedlicher Theorien undExperimente bedient, haben Fallstudien und vergleichendeStudien durchgeführt und uns auch auf statistische Erhe-bungen gestützt.

So konnten wir mehrere Methoden entwickeln, um et-was darüber auszusagen, warum es einigen Menschen ge-lingt, sich zu organisieren und ihre Ressourcen selbst zu verwalten und anderen nicht. Wir glauben, dass solche Aus-sagen einen Beitrag zur Entwicklung einer belastbaren all-gemeingültigen Theorie der Selbstorganisation und Selbst-verwaltung leisten.

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Komplexe adaptive Systeme beinhalten stets Lernpro-zesse. Wissen, bedingte Handlungen und die Fähigkeit vo-rauszuschauen spielen hier eine ganz wichtige Rolle.

Unsere wichtigsten Forschungsfragen haben das im Blick: – Wie gelingt es fehlbaren Menschen, selbst verwaltete

Institutionen zu unterhalten und ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen?

– Wie können Einzelne auf die Regeln, die ihrem LebenStruktur geben, Einfluss nehmen?

Ähnliche Fragen wurden schon von Aristoteles und anderen bedeutenden Philosophen gestellt. Sie entsprachenseit jeher den Anliegen der Madisons, Hamiltons und deTocquevilles. Heute sind es die Fragen, die Politologen,Ökonomen, Geografen, Soziologen, Psychologen, Anthro-pologen und Historiker zusammenbringen. Sie alle stu- dieren die Auswirkungen institutioneller Regeln auf mensch-liches Verhalten und sie tun das in sehr verschiedenenInstitutionen und Ländern sowie unter verschiedenen geo-grafischen Bedingungen.

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Gemeingüter pflegen –lokal und global

Wir begeben uns nun auf eine Reise durch die Zeit. Eli-nor Ostrom blickt auf gut zwei Jahrzehnte Ressourcenma-nagement zurück und analysiert im folgenden Text, wie esum die globalen Gemeinressourcen steht. Von der Kapazi-tät der Atmosphäre, Kohlendioxid oder Schadstoffemis-sionen aufzunehmen sowie von der Vielfalt der Lebensfor-men, die die Wälder und die Weltmeere uns bieten, sind wiralle abhängig, ganz gleich in welchem Land und in welcherWirtschaftsform wir leben.

Ostrom konzentriert sich hier auf globale Fischbeständeund Wälder. Das ist erhellend, denn auf diese Weise kön-nen wir auf der einen Seite eine Ressource betrachten, dietrotz verschiedener Regulierungsversuche nach wie vor alsNiemandsland behandelt wird (Ozeane und Fischbe-stände). Auf der anderen Seite steht eine Ressource, die inder Regel mit klaren, wenngleich verschiedenen Eigen-tumsrechten belegt ist. In anderen Worten: Die Rahmen-bedingungen könnten unterschiedlicher nicht sein.

»Während der offene Zugang zum Meer, […] eine derHauptursachen der Überfischung ist, kann man fehlende

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Eigentumsrechte nicht für […] die Entwaldung verant-wortlich machen«, schreibt Ostrom.

Die Erkenntnis ist: So wie »niemandes Eigentum« nichtmit den Commons zu verwechseln ist, so macht auch Ge-meineigentum allein noch kein Commons. Vielmehr kön-nen Gemeingüter in sehr unterschiedlichen, oft kombinier -ten Besitz- und Nutzungsformen ihr Potenzial entfalten.

Doch jedwede Besitz- und Verwaltungsform – wenn sieerfolgreich sein will – muss dafür sorgen, dass die Nutzerselbst die Kontrolle nicht verlieren, dass sie Verantwortungfür das Gemeingut übernehmen können und es ihnen leichtgemacht wird zu kooperieren.

Silke Helfrich

Am Anfang war eine Bestandsaufnahme

Im Jahr 1987 veröffentlichte die Weltkommission fürUmwelt und Entwicklung (WCED) den wegweisenden Be-richt Unsere gemeinsame Zukunft. Vorsitzende der Kom-mission war die ehemalige norwegische Ministerpräsi dentinGro Harlem Brundtland. Der Bericht ist für seine Defini-tion des Begriffs »Nachhaltige Entwicklung« bekannt. Er hateine ernsthafte Debatte darüber ausgelöst, wie wir uns fürnachhaltige Entwicklung engagieren können. Gegenstanddes Berichts waren unter anderem die globalen Allmend -ressourcen. Heute wissen wir, dass die Menschen es in denzwei darauf folgenden Jahrzehnten versäumt haben, die Tra-gödie der massiven Überfischung der Meere zu verhindern,

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der Abholzung unserer Wälder Einhalt zu gebieten und denKohlendioxidausstoß zu reduzieren. Immerhin, in ein paarNischen (die Hummerfischerei im US-Bundesstaat Maine istein wichtiges Beispiel hierfür) sind die Gemeingü ter heute inbesserem Zustand als noch vor ein oder zwei Jahrzehnten.

Ein Grund für diesen zwiespältigen Befund ist, dass sichdie betrachteten Ressourcen erheblich voneinander unter-scheiden. Ein weiterer Grund liegt darin, wie wir bereits ge-sehen haben, dass Funktionäre und Berater sich in SachenRessourcenmanagement oft für eine einzige idealisierte Lösung einsetzen. Solche Empfehlungen sind Teil des Pro-blems statt Teil einer Lösung. Und schließlich sind viele derdringendsten Probleme, denen künftige Generationen begeg -nen müssen, globaler Natur. Auf globaler Ebene aber ist essehr viel schwieriger als auf lokaler Ebene, sinn- und wir -kungsvolle Regulierungsformen zu entwickeln.

Wie die Weltkommission für Umwelt und Entwicklungin ihrem Bericht feststellte, werden im globalen Raum

»traditionelle Formen der nationalen Souveränität […]durch die ökologische und wirtschaftliche Verflechtungzu nehmend infrage gestellt. Nirgends gilt dies mehr alsmit Blick auf die globalen Ökosysteme, die wir uns alle teilen müssen.« (WCED, S. 261)

Daher forderte die Brundtland-Kommission Wissen-schaftler, Funktionäre und Bürger heraus, sich der Erkennt-nis zu stellen, dass es nur eine gemeinsame Zukunft gibt.

Diese Zukunft ist akut bedroht, wenn wir uns nicht da-

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rauf konzentrieren, unser gemeinsames Erbe zu schützenund zugleich die Menschen besser an den Erträgen teilha-ben lassen, die wir aus den Ressourcen schöpfen. Überall.

Die WCED verstand »Umwelt« als das, worin Menschenleben; mit dem Begriff »Entwicklung« beschrieb sie die An-strengungen, die sie unternehmen, um ihr Leben zu verbes-sern. Die Kommission schrieb:

»Die Menschheit kann Entwicklung nachhaltig gestal-ten und somit sicherstellen, dass die Bedürfnisse der heutigenGenerationen befriedigt werden, ohne die Möglichkeit künf-tiger Generationen aufs Spiel zu setzen, ihre Bedürfnisseebenfalls zu befriedigen.« (WCED-Bericht, Fußnote 1, S. 8)

Es folgte die erste Bilanz

Ein Jahrzehnt nach Veröffentlichung des Berichts werteteWilliam Clark von der Harvard Kennedy School of Govern -ment den Einfluss der Brundtland-Kommission auf das welt-weite Umweltengagement aus. Clark berichtete von denvielen Enttäuschungen, Rückschlägen und dem zunehmen-den Zynismus auf internationalen Konferenzen, die sich eigentlich mit dem Vorankommen in Richtung nachhalti-ger Entwicklung befassen sollten. Daneben identifizierte er aber auch positive Entwicklungen. »Um sie zu sehen«, soargumentiert er im Editorial eines Beitrags »Brundtland+10, Rio +5« im September 1997:

»ist ein Perspektivwechsel nötig; von der kurzfristigen,globalen Perspektive der internationalen Umweltdiplomatie

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zu langfristigen Perspektiven für konkrete Prozesse nach -haltiger Entwicklung vor Ort. Man findet sie nicht geballt aneinem Ort […]. Die Befunde, die sich dabei ergeben, sind natürlich gemischt. Da gibt es vor Ort Katastrophen, wirt-schaftliche Kurzsichtigkeit, Geiz und programmatische Män-gel. Aber verglichen mit der Situation vor 20, zehn oder garfünf Jahren ist es doch sehr erstaunlich, in welchem Maßesich die Idee der Nachhaltigkeit durchgesetzt hat.«

Nur wenige Jahre später, 2001 bis 2005, wurden für das von UN-Generalsekretär Kofi Annan in Auftrag ge -gebene Millennium Ecosystem Assessment (MEA) aktuelleDaten zum Zustand der weltweiten Ökosysteme erhoben.Das erste und wichtigste Ergebnis war, dass sich die Öko-systeme im vergangenen halben Jahrhundert schneller ver-ändert haben als in jedem vergleichbaren Zeitraum derMenschheitsgeschichte zuvor. Die zweite große Erkenntniswar, dass mit diesen Veränderungen zwar erhebliche wirt-schaftliche Fortschritte und Wohlstandsgewinne einhergin-gen, diese aber nur

»zu stetig wachsenden Kosten erreicht werden konnten.Dies äußerte sich in schlechteren Ökosystemleistungen, in er-höhten Risiken von nicht linearen Veränderungen (also sol -chen, die sich schwer oder überhaupt nicht voraussehen lassen) und in wachsender Armut. Wenn diese Probleme nichtgelöst werden, ziehen künftige Generationen erheblich weni-ger Nutzen aus der Umwelt als wir das heute tun«, so die imInternet veröffentlichte Kurzfassung des MEA-Berichts (S. 5).

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Der jüngste Überblick über den Zustand unserer gemein-samen Ressourcen und unserer gemeinsamen Zukunft waralso vor allem eine Warnung, dass diese Zukunft durch erheb -liche Veränderungen der Ökosysteme bedroht sei. Außerdemwird im MEA-Bericht darauf verwiesen, dass für konkreteProbleme auch zwingend konkrete politische Maßnahmen zu suchen sind, statt an standardisierten Lösungen für ver-allgemeinerte Problemlagen festzuhalten.

Lassen Sie uns einen genaueren Blick auf den langfris -tigen Umgang mit globalen Ressourcen werfen. Wie erfolg-reich waren die Bemühungen für den Schutz der Ozeane undder Wälder seit Veröffentlichung des Brundtland-Berichts?

Welche Rolle spielen multilaterale Strukturen für einenachhaltige Zukunft?

Was haben Wissenschaftler in den letzten 20Jahren überanpassungsfähige Verwaltungsstrukturen für die globale All-mende in Erfahrung gebracht?

Wie können ihre Erkenntnisse in den nächsten 20 Jahrenund darüber hinaus angewandt werden?

Von Gemeinressourcen und Gemeingütern.

Gemeinressourcen sind Syste me, bei denen es schwierig,aber nicht unmöglich ist, die legitimen Nutzer auszumachenund alle anderen auszuschließen. Zudem verringert bei die-sen Ressourcen die Nutzung des einen die Nutzungsmög-lichkeiten aller anderen. Wenn ich einen bestimmten Apfelesse, dann kann niemand denselben Apfel noch einmal essen.

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Globale Allmendressourcen sind sehr groß und im Prin-zip sind alle Menschen ihre legitimen Nutzer. Die Rede isthier oft vom »Erbe der Menschheit«*. Fischbestände, Meereund die Erdatmosphäre gehören dazu. Aber auch regionaleRessourcensysteme sind komplex: Wälder etwa oder Be-wässerungssysteme, Grundwassereinzugsgebiete, Weidenund Seen. Die globalen Ressourcen sind jedoch zweifellosmit besonderen Herausforderungen verbunden.

Gemeinressourcen können auf vielfältige Art und Weiseund in sehr unterschiedlichen institutionellen Formen be-wirtschaftet werden. Wir können sie grob in drei Gruppeneinteilen: staatliche, private oder gemeinschaftliche Eigen-tumsformen. Eine beträchtliche Anzahl von Ressourcen-sys temen wird zudem von staatlichen Behörden in Zusam-menarbeit mit den Nutzern verwaltet. Je nach Kontextkann der Umgang mit Ressourcen, egal ob diese sich inStaatseigentum, Privateigentum, Gemeineigentum oder ge-mischten Besitz- und Nutzungsformen befinden, hinsichtlichdes Substanzerhalts der Ressourcen und der Erwirtschaftungguter Erträge erfolgreich sein oder scheitern.

Die Tragik der Allmende. Eine tragische Verwechslung

Natürliche Ressourcen, zu denen alle freien Zugang ha -ben, werden bisweilen übernutzt oder sogar zerstört. In sei-nem klassischen Artikel The Tragedy of the Commons (DieTragik der Allmende) verwechselt der einflussreiche Öko-loge Garrett Hardin diese Situation, in der alle Zugang ha-

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ben (eine so genannte Open-Access-Situation*) mit Gemein-gütern, die in der Regel einer Gemeinschaft gehören. Es istwichtig zu verstehen, dass Gemeingüter kein Niemandslandsind und in der Regel klar definierte Nutzergruppen haben.Zwar hat Hardin zu Recht darauf verwiesen, dass wertvol leRessourcen übernutzt werden können, wenn der Zugang zuihnen unbegrenzt ist, aber wenn er das Fazit zieht, dies seieine unvermeidliche Tragödie, dann schert er alles über ei-nen Kamm. Und das ist viel zu pauschal.

Vor allem die Nutzer lokaler Ressourcen können sichRegeln geben und die Einhaltung dieser Regeln überwachen,um eine nachhaltige Ressourcenbewirtschaftung zu garan-tieren. Und sie tun es, überall auf der Welt. Bei globalen Res-sourcen ist das natürlich sehr viel komplexer.

In Kapitel 10 des Brundtland-Berichts wird der proble-matische Zustand der globalen Allmenden in den späten1980er-Jahren diskutiert. Wir nehmen nun eine Aktuali -sierung des Befundes vor. Zwei Beispiele sollen der Veran-schaulichung dienen. Die Fischbestände unserer Ozeaneund die Wälder.

Überfischung der Ozeane. Wessen Versagen, wessen Tragödie?

Kapitel 10 des Brundtland-Berichts zeichnet ein düsteresBild. Im Jahr 1979 wurden mehr als 70 Millionen TonnenFisch gefangen (Wildfang und Aquakulturen* zusammen -genommen). Der Bericht warnte davor, dass Überfischung

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viele Bestände bedrohe. Würde weiter mit dem gleichenMethoden und Praktiken gefangen wie bisher, sei die Wachs-tumsära der Fischerei bald vorbei, so die Voraussage Endeder 70er-Jahre.

Die Situation hat sich in den 20 Jahren seit Erschei-nen des Berichts nicht verbessert, obwohl es auf den erstenBlick scheinen mag, als sei die Voraussage nicht korrekt.Die Tabelle auf Seite 56 zeigt die Daten aus den wichtigs-ten Fischereiregionen von 1979 bis 2005. (WCED-Bericht,S. 266)

Das Gesamtvolumen des in den großen Fischereigebie-ten der Welt gefangenen Fischs hat sich zwischen 1979 und2005 von 70 Millionen Tonnen auf 141 Millionen Tonnenverdoppelt. Ein genauerer Blick zeigt auch, dass die Vor-hersage des Brundtland-Berichts stimmt – und zwar für dieentwickelten Länder, in denen das Fangvolumen seit 1979stetig gesunken ist. Seit 2005 werden nur 20 Prozent der ge-samten Fangmenge in den entwickelten Ländern erbracht.Dadurch hat sich mit nunmehr 80 Prozent der Anteil derEntwicklungsländer an der Gesamtfangmenge gewaltig er-höht. Aber diese Fänge werden nicht von den Kleinfischernin Küstengebieten gemacht. Auch der Anteil der Fische ausAquakulturen an der Gesamtfangmenge hat – insbesonde rein den Entwicklungsländern – ständig zugenommen.

Während sich also die Gesamtfangmenge verdoppelte,sind die Populationen vieler Arten, vor allem solcher, die der Ernährung dienten, deutlich geschrumpft oder ganz ver-schwunden. Das wissen wir aus zahllosen Untersuchungen,

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Weltweite Fangmengen in den wichtigsten Fischereiregionen 1979 bis 2005

Region Fang Veränderungen der Fangmengen in Prozent2 Fang(Tsd. t) 1980 1985 1990 1995 2000 (Tsd. t)

19791 bis 1984 bis 1989 bis 1994 bis 1999 bis 2004 20053

Nord-atlantik 14,667 –3,33 –6,5 5,17 –0,15 –3,69 13,276

Nord-pazifik 20,303 27,41 12,6 3,88 12,04 3,37 38,559

Zentral-atlantik 6,064 5,8 6,56 –5,22 3,34 –4,54 6,883

Zentral-pazifik 7,536 7,26 19,06 14,07 3,54 14,73 13,800

IndischerOzean 3,541 22,42 6,12 44,4 10,77 13,43 9,281

Süd-atlantik 4,420 0,53 13,55 2,87 5,71 –8,61 3,682

Süd-pazifik 7,242 33,22 43,43 44,23 –15,3 –0,56 16,166

Binnen-fischerei 7,240 30,96 31,24 29,44 35,82 24,01 37,921

Gesamt weltweit 71,013 14,96 16,61 19,23 8,56 7,02 141,403

Quellen 1 Nach Berichten der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (WCED), Unsere Gemeinsame Zukunft,

New York, Oxford University Press, 1987, S. 287.2 Basierend auf Daten der FAO (Organisation für Ernährung und Landwirtschaft der Vereinten Nationen).

Informationen und statistische Erhebungen zu Fischerei und Aquakulturen 1950 bis 2005 und Globale Fang-mengen, 1950 bis 2006 (Rom, FAO, 2007, http://www.fao.org/fishery/topic/16073, Zugriff 8. April 2008).

3 Spalte 2005 ist in der Summe aufgrund von Rundungsfehlern nicht korrekt. Daten für 1980 bis 2004 stam-men vom WCED-Bericht, Unsere Gemeinsame Zukunft, New York, Oxford University Press, 1987, S. 287 und FAO (Organisation für Ernährung und Landwirtschaft der Vereinten Nationen). Informationen und statistische Erhebungen zu Fischerei und Aquakulturen 1950 bis 2005 und Globale Fangmengen, 1950 bis2006 (Rom, FAO, 2007, http://www.fao.org/fishery/topic/16073, Zugriff am 8. April 2008).

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die unter anderem in den Wissenschaftsmagazinen Natureund Science veröffentlicht wurden. Ein grundlegendes Pro-blem, das zur massiven Überfischung in den Ozeanen bei-trug, ist das Fehlen jeglicher Eigentumsrechte für viele kom-merziell nutzbare Arten in den freien Weltmeeren. EinGroßteil der Gebiete, in denen Hochseefischerei betriebenwird, ist also wirklich Niemandsland, mit offenem Zugangfür jedermann. Art für Art wurde massiv überfischt. Das betrifft die Thunfische und Wale im Pazifik, ebenso wie denKabeljau im Atlantik, oder die Hummer und Muscheln inder Karibik.

Im Jahr 1982 nahm die UN mit dem Seerechtsüberein-kommen (siehe Glossar: »Gemeinsames Erbe der Mensch-heit«) rund ein Drittel der Weltmeere aus dem inter na tio -nalen Fangbereich, indem sie so genannte »Ausschließ licheWirtschaftszonen« (AWZ) ausgewiesen hat. Fortan dür-fen sich Hochseefischer nur bis auf 200 Meilen dem Fest-landssockel der Küstenländer nähern. Die AWZ in diesem200 Seemeilen breiten Küstenstreifen fallen unter das Ho-heitsrecht der Küstenstaaten, die somit in diesem Gebiet fürdas Ressourcenmanagement verantwortlich sind und Über-fischung verhindern können. Diese Idee wird im Prinzipvom WCED unterstützt, denn

»so haben Regierungen nicht nur die rechtliche Befugnisund das Eigeninteresse, sinnvolle Grundsätze für das Ressour -cenmanagement durchzusetzen, sondern sie haben auch diePflicht, dies zu tun.« (Brundtland-Bericht, S. 273)

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Kabeljau in Kanada. Vom Ende zurückDoch die Realität sieht anders aus. Viele Staaten haben

ihre Fangflotten kräftig finanziell unterstützt und aufgerüs -tet*. Das führte letztlich eher zu größeren als zu geringerenFangmengen. Zudem neigten die einzelnen Staaten in denAnfangsjahren dazu, relativ grobe Berechnungsmodelle zurEinschätzung der Dynamik im Fischereigewerbe einzuset-zen. Und sie hatten nur unzureichende Daten zur Verfügung,um die tatsächliche Größe der Bestände überhaupt ab-schätzen zu können.

In Kanada beispielsweise verwendete das Department ofFisheries and Oceans (DFO), die Staatliche Abteilung für Fischerei und Meere, eine Simulation der Reproduktions-kraft des nördlichen Kabeljaus, die von den Wissenschaft-lern später als »sehr fehlerhaft« eingeschätzt wurde. Zumnördlichen Kabeljau gehören Populationen des atlantischenKabeljaus vor dem südlichen Labrador und dem östlichenNeufundland. Er war über Jahrhunderte die Basis für das Fischereigewerbe in der Region. Obwohl einheimische Fi-scher den nahen Zusammenbruch der Bestände befürchte-ten, versicherte die DFO, dass sich der Kabeljau von derPlünderung der vergangenen Jahre gerade erholte.

Plötzlich gab es eine Kehrtwende in der kanadischen Fischereipolitik. Im Jahr 1992 erließ die DFO ein Mora -torium für den Fang von nördlichem Kabeljau in kanadi-schen Gewässern. Ein wichtiger Schritt. Doch die eigent licheTra gödie war, dass die einheimischen Fischer nun für denvon Funktionären verursachten Zusammenbruch bezahlen

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mussten. Sie waren bisher das Rückgrat der lokalen Wirt-schaft gewesen und in ihrem Einzugsbereich hatten sie Re-geln für die Ressourcennutzung festgelegt, die auch funk-tionierten – bevor die Regierung die Entscheidungshoheitzugewiesen bekam.

Die Kabeljaufischerei hat sich bis heute nicht erholt.Viele Fischer und ihre Familien mussten ihre Dörfer verlas-sen, um anderswo Arbeit zu suchen. Seit dem Niedergangder Kabeljaufischerei sind 40.000 Menschen aus diesemzusammengebrochenen Wirtschaftszweig auf Sozialhilfe an-gewiesen.

Freie Meere. Von Fangquoten und Banditen Es ist für die Behörden immer schwierig und sehr kon-

fliktreich, die von Wissenschaftlern empfohlenen Fangquo-ten für große Küstenfischereibetriebe durchzusetzen. Als dieEuropäische Union 2007 solche Quoten für den Kabeljau inder östlichen Ostsee bestimmte, setzte sie sich daher über dieWarnung des Internationalen Rates für Meeresforschung(ICES) hinweg. Der ICES berät die Europäische Union in derFischereipolitik und damit auch in der Festlegung der Fang-quoten. Er hatte dringend empfohlen, mindestens ein Jahrlang keinerlei Kabeljaufang zuzulassen. Auch die von der EUreduzierten Fangmengen für Kabeljau in der westlichenOstsee blieben noch 30 Prozent über der vom ICES empfoh -lenen Höchstmenge. Die Entscheidungsbefugnis der Behör -den geht nicht immer mit der Bereitschaft einher, tatsächlichim Sinne nachhaltiger Entwicklung zu handeln, vor allem

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dann nicht, wenn kurzfristig mit Belastungen für die Fische -reiwirtschaft zu rechnen ist (selbst wenn die notwendigenEntscheidungen im Langfristinteresse derselben liegen).

Ein Team des Instituts für Natürliche Ressourcen derUniversität von Manitoba in Kanada hat unter der Leitungvon Fikret Berkes eine weitere Nutzungsform dokumentiert.Die Rede ist von »Streunenden Banditen«, die regelmäßig dieFanggebiete verwüsten, auch innerhalb der AusschließlichenWirtschaftszonen. Im März 2006 veröffentlichen Berkesund Kollegen dazu einen Beitrag im Science-Magazin.

»Streunendes Banditentum verweist auf eine völlig andereArt von Commons-Dilemma, denn in der globalisierten Weltist eine ganz neue Dynamik entstanden. Märkte können sichso rasch entwickeln, dass die Geschwindigkeit der Ausbeutungder natürlichen Ressourcen die Institutionen vor Ort schlichtüberfordert. Sie sind gar nicht in der Lage zu reagieren«, so dieWissenschaftler.

Aufgrund der technologischen Entwicklungen ist esheute möglich, dass sich Hochleistungsboote in ein lokalesFanggebiet hineinzoomen, dort massiv eine spezifische Artabfischen, die auf dem internationalen Markt gerade Ge-winn bringt, und dann weiterziehen, noch bevor die lokalenBehörden sich der Situation überhaupt gewahr werden. Die-se Banden haben beispielsweise die Seeigelbestände in Japan,Korea, Mexiko, Chile, Russland, Alaska, vor der Ostküstevon Kanada und den nordwestlichen und nordöstlichenKüsten der Vereinigten Staaten bereits weitgehend erschöpft.

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Hummer in Maine. Hoffnung am FischereihorizontAber es sieht nicht an allen Küsten und für alle Fisch-

bestände so trostlos aus. Im US-amerikanischen Bundes-staat Maine ist es den lokalen Fischern in Zusammenarbeitmit den Behörden gelungen, die Hummerbestände zu stabi -lisieren.

Die Hummerfischerei erlebte 1930 einen harten Schlag.Damals gingen die Bestände aus ungeklärten Gründen er-heblich zurück. Seither sind sie wieder angestiegen undheute gibt es mehr Hummer als im 19. Jahrhundert. Das istgünstigen Umweltbedingungen und zahlreichen wirkungs-vollen Regeln zu verdanken.

Zunächst hat das Parlament Schutzgesetze erlassen. Daswaren erste Maßnahmen, die auf die unermüdliche Lobby-arbeit betroffener Fischer und ihrer Verbände zurückgingen.Diese Regeln schützten insbesondere die Jung- und Zucht-tiere. So wurde unter anderem die Anzahl der Hummer -fallen begrenzt. Ein weiteres Bündel von Maßnahmen kamvon den Fischern selbst. Sie haben jenen Fischern besondereFangplätze zugewiesen, die in der näheren Umgebung leb-ten und zudem vereinbart, dass die Fischer immer von einembestimmten Hafen ausfahren mussten. Diese Regelung er-möglicht es den Hummerfischern, sich gegenseitig im Blickzu haben; ein einfaches Verfahren, das von beachtlichem Erfolg gekrönt ist.

Das gut entwickelte System der Hummerfischerei inMaine befindet sich trotzdem in einem relativ empfindlichenGleichgewicht. James Wilson von der University of Maine

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hat mit seinen Kollegen eine sehr detaillierte Reihe konkre-ter Situationen simuliert. Er konnte zeigen, dass es schnellzur Überfischung kommen würde, wenn die Fischer sichnicht der Verantwortung stellten, die ausgehandelten Nut-zungsregeln auch zu überwachen. Dann würde die Hum-merfischerei erneut zusammenbrechen, wie das in vielen an-deren Gebieten derzeit der Fall ist. Ein Beispiel dafür ist dieKaribik. Dort haben internationale Organisationen, Funk-tionäre und die Fischer selbst versucht, die Hummerfische-rei zu regeln. Keine ihrer Bemühungen war von Erfolg ge-krönt. Niemand konnte sich dem Raubbau in der Karibikentgegenstellen.

Schildkröten auf den Phillipinen. Vom Absturz der Hoffnung In der November-Ausgabe 2007 der Zeitschrift Environ -

ment haben Raul Lejano und Helen Ingram von der Uni-versity of California in Irvine ein sehr erfolgreiches lokalesSystem dokumentiert, das seit über einem Jahrzehnt auf denSchildkröteninseln der Philippinen existiert. Zwar warenAußenstehende intensiv an der Suche nach geeigneten Kon-trollmechanismen beteiligt, um der unverantwortlichen Aus-beutung der Schildkröteneier Einhalt zu gebieten, aber sie arbeiteten eng mit den Fischern und Beamten vor Ort zu-sammen. Gemeinsam entwickelten sie das Pawikan Conser -vation Project, welches sehr gut auf das lokale wirtschaftli-che Umfeld abgestimmt war. Die Forscher konnten zeigen,wie die Anzahl der Schildkröteneier seit Beginn des Pawikan-

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Programms Mitte der 1980er-Jahre und über die gesamten1990er-Jahre hinweg stetig stieg, ohne dass es zwischen den Beteiligten zu größeren Konflikte kam.

Tragischerweise haben die Behörden diese lokalen Ver-einbarungen nicht anerkannt. Mit dem Schutzgesetz fürWildnis und natürliche Ressourcen von 2001 wurde dieJagd auf bedrohte Tierarten völlig verboten, das betraf auchdas Sammeln von Meeresschildkröteneiern. Das Gesetz be-rief sich weitgehend auf internationale Konventionen zumArtenschutz. Kurz nach Verabschiedung des Gesetzes,

»gab es auf ›Turtle Island‹ gar keinen Schutz mehr fürSchildkröteneier. Die Bestände schwanden in alarmierendemTempo. Nach vorläufigen Schätzungen sank der Anteil des geschützten Bestandes von etwa 80 Prozent auf 40 Prozent innerhalb eines Jahres«, so die Forscher in einem 2007 ver-öffentlichten Artikel.

Die Einführung eines externen Regelwerkes, das nichtdurchsetzbar war, hat die vorhandenen lokalen Vereinba-rungen zerstört.

Der von Lejano und Ingram in der Zeitschrift Environ -ment veröffentlichte Artikel bringt ein gewichtiges Gegen-argument zu der Vorstellung, dass nur Staatseigentum oderstaatliche Verwaltung das Allmendeproblem lösen könn-ten. Sie beschreiben, wie das Durchdrücken von Regeln von oben nach unten in Unkenntnis lokaler Normen, Re-geln und gewachsener Institutionen zur Katastrophe führenkann.

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Cap & Trade*. Erst die Kappung, dann der HandelMit der Ausweisung der Ausschließlichen Wirtschafts-

zonen konnten einige Küstenfischereien in Kanada, Neu-seeland und Island so genannte »Individuell TransferierbareQuotensysteme« (ITQ)* entwickeln. Mit diesen ITQs ge-lang es schließlich, die Fangmengen tatsächlich zu redu -zieren. Die Funktionsweise ist recht einfach. Die jeweiligenRegierungen definieren die erlaubte Fangmenge pro Fischeroder Fischereibetrieb und vergeben danach Quoten an dieeinzelnen Fischer. Diese können sie entweder ausschöpfenoder die ihnen per ITQ zugewiesene Fangmenge an andereFischer verkaufen (daher der Begriff »übertragbar«). Sehrwichtig ist, dass die Begrenzung der Gesamtfangmenge auchtatsächlich durchgesetzt wird, denn sonst kann das Systemfür den Ressourcenschutz nicht funktionieren.

In British Columbia, einer kanadischen Provinz an derKüste des Pazifischen Ozeans, hat der Staat bereits recht frühversucht, die Anzahl der Fischereifahrzeuge sowie die er-laubte Ausrüstung derselben zu begrenzen, um die Schlepp-netzfischerei* zu bekämpfen. Zugleich wurde mit Quotengearbeitet, welche die Gesamtmenge für alle Fischer definiert,sowie die Fangmenge, die ein Fischer pro Tour fangen durf-te. Die zulässige Gesamtfangmenge nennt man TAC, Total Allowed Catch. Dennoch brach Anfang der 90er-Jahre die Fischerei zusammen. Die DFO (Department of Fischeriesand Oceans) untersagte infolge dessen weitere Fangzüge.

Der Schock saß tief. Es war klar, dass eine völlig neueHerangehensweise gefunden werden musste. 1995 wurde

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die DFO mit der kanadischen Küstenwache zusammenge-legt, was ihre Befugnisse erheblich erweiterte. Zwei Jahrespäter erhielt die Behörde weitere Zuständigkeiten, um neueInstrumente für den Ressourcenschutz und zur Förderungnachhaltiger Entwicklung in Kanadas Gewässern zu er -proben – etwa Zertifizierungen zur besseren Orientierungder Verbraucher.

Die DFO erließ einige Jahre später neue Vorschriftenund erteilte neue Fanggenehmigungen, einschließlich einesjährlichen ITQ-Systems. Dazu gesellte sich ein strengesÜberwachungsprogramm, demzufolge Beobachter direktan Bord alle Fänge erfassen. Das neue ITQ-System kann sich auf aktuelle und präzise Daten stützen. Die Überkapa-zität der Flotte wurde abgebaut, Fangmengen, die den zu-geteilten Quoten nahe kamen, wurden registriert und derBeifang* unerwünschter Arten reduziert. Im Vergleich da-zu sind ITQ-Systeme, die kein wirksames Kontrollsystemhaben, kaum in der Lage auch nur die tatsächlichen Fang-mengen zu erfassen.

Regeln und Quoten. So glitschig und biegsam wie Fisch Neuseeland hat seine 200-Meilen-Zone 1983 ausgewie -

sen. 1986 hat der Inselstaat im Südpazifik als eines der ers-ten Länder ein marktbasiertes Regulierungssystem einge-führt. Damals wurden im Rahmen des neuen Kontingent-Management-Systems auch ITQs für einige einheimischeFischarten zugeteilt. Die neuseeländischen Behörden fan-den heraus, dass die Modelle, die der ursprünglichen Zu-

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teilung für feste Quoten zugrunde lagen, im Laufe der Zeitangepasst werden mussten. Infolgedessen erhielt das Fi-schereigewerbe seit 1990 keine festen Quoten mehr, son-dern nur noch Quoten, die einem Anteil der insgesamt zu-lässigen Fangmenge entsprachen. Mit der Zeit wurde ausder ursprünglichen ITQ-Verordnung ein System, in demsich die Fischer direkt an der Datensammlung und der Po-litikgestaltung beteiligten. Das System ist noch in der Ent-wicklung und mit diversen Problemen behaftet, die mit Unstimmigkeiten bezüglich der zeitlichen und räumlichenAusdehnung von Nutzungsrechten für die verschiedenenNutzergruppen zusammenhängen.

Im Jahr 1990 hat auch Island nach mehreren Krisen einITQ-System für die isländische Fischerei eingeführt. Ähnlichwie in Neuseeland, werden auch hier keine festen Quotenzugewiesen, sondern variable Quoten als Anteil der jährlichvon der Regierung zugelassenen Fangmenge berechnet. Mitdem isländischen ITQ-System scheint es gelungen zu sein,den Kollaps vieler wertvoller Fischbestände für die isländi-sche Fischerei abzuwenden. Die isländischen Kabeljaube-stände konnte es allerdings nicht wiederbeleben. In seinerAnalyse des langen und konfliktreichen Weges des islän -dischen ITQ-Systems hat der Politikprofessor Thráinn Eggertsson von der Universität New York eine wesentlicheErkenntnis formuliert. Die Einführung wichtiger institutio-neller Veränderungen ist im Vergleich zur Anwendung ein-facher Patentrezepte nach der Unisize-Formel one-size-fits-all (eine Größe passend für alle) eine »subtile Kunst«.

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Ein System zu entwerfen, das von »oben nach unten« gedacht ist und es den Nutzern überzustülpen, ist weit weniger vielversprechend als langfristig mit den Nutzern einer Gemeinressource zusammenzuarbeiten. Nur so kannman Managementsysteme entwickeln, die auf die ökologi-schen Bedingungen sowie auf die Praktiken, Normen undlangfristigen Bedürfnisse der Nutzer abgestimmt sind. Dasscheint zumindest in Neuseeland gelungen.

Raubbau an den Wäldern. Ganz gleich in wessen Eigentum

Auch der Wald hat in letzter Zeit für Schlagzeilen ge-sorgt, wenngleich er nicht im Mittelpunkt von Kapitel 10 des Brundtland-Berichts steht. Hauptaugenmerk liegt dortauf den Konsequenzen der Entwaldung für den globalen Klimawandel. Im MEA wurde später darauf hingewiesen,dass sich die bewaldete Fläche auf der Erde in den letztendrei Jahrhunderten halbiert hat.

In 25 Ländern sind die Wälder verschwunden, weitere29 Länder haben mehr als 90 Prozent ihrer Waldfläche ver-loren, dabei haben diese in der ein oder anderen Weise mitder Regulierung von 57 Prozent der gesamten Wasserzirku-lation an der Erdoberfläche zu tun. Die Wasserversorgungvon mehr als 4,6 Milliarden Menschen hängt zumindestteilweise von den Wäldern ab. Zwischen 1990 und 2000 ist die Gesamtfläche der Wälder der gemäßigten Breiten gestiegen, während in den letzten 20 Jahren in den Tropen

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pro Jahr durchschnittlich mehr als zwei Millionen Hektarabgeholzt wurden.

Wie die folgende Tabelle zeigt, ging weltweit zwischen1990 und 2005 die bewaldete Fläche ständig zurück. Deneinzigen wesentlichen Zuwachs gab es in Ostasien, wo Chinamassiv eingegriffen hat, um dem Kahlschlag Einhalt zu ge-bieten. Ebenso in der Karibik, wo die erhebliche Landfluchtzur Wiederbewaldung der Bergregionen in Puerto Rico undder Dominikanischen Republik beitrug.

Änderungen im Ausmaß bewaldeter Flächen 1990 bis 2005

Region in Millionen Hektar Änderung in Prozent

1990 2000 2005 1990 2000 1990bis 2000 bis 2005 bis 2005

Ost-/südliches Afrika 252,4 235 226,5 –6,86 –3,62 –10,23

Nordafrika 146,1 136 131 –6,94 –3,61 –10,30

West-/Zentralafrika 300,9 284,6 277,8 –5,42 –2,58 –7,67

Ostasien (inkl. China) 208,2 225,7 244,9 8,41 8,51 17,63

Süd-/Südwestasien 323,2 297,4 263,1 –7,98 –4,79 –12,39

West-/Zentralasien 43,2 43,5 43,6 0,79 0,18 0,95

Europa 989,3 998,1 1001,4 0,89 0,33 1,22

Karibik 5,4 5,7 6 6,65 4,7 11,66

Zentralamerika 27,6 23,8 22,4 –13,76 –5,98 –18,92

Nordamerika 677,8 678 677,5 0,03 –0,07 –0,05

Ozeanien 212,5 206 206,5 –2,11 –0,86 –2,95

Südamerika 890,8 652,8 831,5 –4,27 –2,49 –6,65

Welt 4.077,3 3.988,6 3.952 –2,17 –0,92 –3,07

Quelle: FAO, Organisation für Ernährung und Landwirtschaft der Vereinten Nationen, Abteilung Waldbewirtschaftung,http://www.fao.org/forestry/site/fra/en

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Während der freie Zugang zum Meer, verbunden mit»Streunenden Banden« und ineffizienter Verwaltung in denAusschließlichen Wirtschaftszonen, eine der Hauptursachender Überfischung ist, kann man fehlende Eigentumsrechtefür das maßlose Einschlagen von Nutzholz und für die Ent-waldung nicht verantwortlich machen. Die meisten Wälderbefinden sich in Staatseigentum, erst danach kommen dieWälder in Privateigentum und der Gemeinschaftswald. Ei-nige Politikberater plädieren unüberhörbar für zusätzlichestaatliche Schutzgebiete. Sie sehen darin den einzigen Weg,um die Biodiversität zu schützen und der Abholzung Einhaltzu gebieten. Andere stellen infrage, ob die Ausweisung wei-terer Schutzgebiete tatsächlich die beste Strategie sei. Die Internationale Union für Naturschutz (IUCN) schätzt, dassetwa zehn bis zwölf Prozent der bewaldeten Gebiete bereitsSchutzgebiete sind. Die Ernährungs- und Landwirtschafts-organisation der Vereinten Nationen (FAO) beziffert in ihrem Internationalen Waldzustandsbericht, dass sich 479Millionen Hektar Wald in Schutzgebieten befinden. Zwei-fellos wird in manchen Schutzgebieten erfolgreiche Arbeitgeleistet und die heimischen Wälder entsprechend gepflegt.Beispiele sind der Nationalpark Tikal in Guatemala oder dieMachadinho d‘Oeste Waldgebiete in Rondônia, Brasilien.Auf der anderen Seite sind viele dieser Schutzgebiete rundum die Welt von Entwaldung bedroht, da sie nicht ausrei-chend mit Geld und Sachmitteln ausgestattet sind.

Im vergangenen Jahrzehnt haben Kollegen aus einemDutzend Ländern im Rahmen eines internationalen For-

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schungsprogramms zahlreiche Studien zu Ressourcen desWaldes und zum Waldmanagement durchgeführt. Mit vielen von ihnen habe ich veröffentlicht, über Themen wieMenschen und Wälder: Gemeinschaften, Institutionen undRegierungsführung, die Transformationsprozesse im Wald-management aus interdisziplinärer Sicht oder dezentralesWaldmanagement.

Methodisch sind wir in diesem großen Forschungsvor-haben wie folgt vorgegangen: An jedem Standort hat ein interdisziplinäres Team Bäume, Sträucher und die Boden-decke vermessen. So wurden Stichproben aus sehr unter-schiedlichen Parzellen zusammengetragen. Wissenschaftler,die mit der lokalen Kultur und Geschichte vertraut waren,führten zudem Tiefenstudien über die Aktivitäten, Normenund Regeln der lokalen Nutzergruppen durch – unter ak -tiver Beteiligung derselben. Auf diese Weise wurden Datenaus insgesamt 163 Wäldern aufgenommen. Davon lagen76 Wälder in Schutzgebieten und gehörten dem Staat, wäh-rend sich 87 Wälder in staatlichem, privatem oder Gemein-eigentum befanden, nicht geschützt waren und auf ver-schiedene Weise bewirtschaftet wurden.

In den vergleichenden Studien kamen keine klassi-schen Parameter wie der Baumumfang in Brusthöhe oder die Grundfläche zur Anwendung, da er beim Vergleich ver-schiedener Ökosysteme irreführend ist. Diese Maße schwan-ken in Abhängigkeit von der Regenhäufigkeit, der Boden-beschaf fenheit, der Höhenlage und anderen Faktoren sehrstark. Deswegen wurden die Waldhüter oder Ökologen,

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die in den untersuchten Gebieten mit der Datenkontrolle be-fasst waren, gebeten, die Vegetationsdichte des Waldes aufeiner fünfstufigen Skala von »sehr spärlich« bis »sehr dicht«(abundant) einzuordnen und über die Zeit zu beobachten.Dieses Vorgehen erlaubte den direkten Vergleich der Ent-wicklung in sehr verschiedenen Regionen. Der Befund ist in-teressant: Es gab keinen statistisch relevanten Unterschiedzwischen der Vegetationsdichte in den Staatswäldern, die inSchutzgebieten lagen, und all den anderen nicht geschütztenWäldern in unterschiedlichen Eigentumsformen.

Waldbewirtschaftung. Das Kleine ganz groß

Ob die Überwachung eines Waldgebietes durch Verwal -tungsbeamte oder die Nutzer selbst gelingt oder nicht, dasist – in Staats- wie Gemeinschaftswald gleichermaßen – eingroßer Unterschied. Mehrere Studien zeigen, welch ent-scheidende Rolle ein funktionierendes Monitoring für dieStabilität der Institutionen spielt und wie wichtig Kohä-renz für den Erfolg von Initiativen zur Waldbewirtschaf-tung ist. Wenn Entnahmeregeln wirksam überwacht unddurchgesetzt werden – etwa wie viele und welche Bäume in welchem Zeitraum gefällt werden dürfen und welchenicht –, dann verhindern diese Regeln nicht nur Tritt-brettfahrer, sie festigen auch das Vertrauen in die Ge-meinschaft. Während viele politische Analysten denken,dass mehr Privateigentum an Gemeinressourcen ein si- cheres Verfahren sei, um Nachhaltigkeit langfristig zu si-

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chern, garantiert Privateigentum an Wald diesen langfris-tigen Schutz gerade nicht.

Ein Großteil der Abholzung in der ganzen Welt geht aufdas Konto privater Landwirte, die ihre ehemaligen Wald-grundstücke nun landwirtschaftlich nutzen. In einer Stu-die in drei Bundesstaaten des brasilianischen Amazonas-gebiets (Acre, Pará, und Rondônia) berechneten ProfessorEduardo Brondizio (Indiana Universität) und seine Kolle-gen den Anteil, den diese abgeholzten Landflächen zusam-mengenommen an der insgesamt abgeholzten Fläche proBundesstaat ausmacht. Sie verwendeten dafür die offiziel-len Daten aus dem Satellitenüberwachungsprogramm desbrasilianischen Nationalinstituts für Territorialforschung(Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais).

Die Untersuchung ergab, dass Einschläge auf kleinerenGrundstücken zwar in der Zahl dominierten, dass aber derEinschlag auf Grundstücken, die 2.000 Hektar oder mehrbetrugen, einen weit größeren prozentualen Anteil an derinsgesamt abgeholzten Fläche ausmacht und bei über 85Prozent liegt. Das gilt für alle drei Bundesstaaten (85,9 Pro-zent in Acre, 91,2 Prozent in Pará, und 94,5 Prozent inRondônia). Daher wird auch eine Politik, die die Abhol-zung durch Kleinbauern und in kleinen Gemeinden be-kämpfen will, hier und vermutlich auch anderswo weni-ger ausrichten, als würde sie sich auf die großflächigenprivaten Rodungen konzentrieren. Diese werden häufigvon der Dynamik auf den internationalen Warenmärktenvorangetrieben.

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Eine weitere Empfehlung für die Bekämpfung der Ent-waldung und damit der globalen Erwärmung sind Zahlun-gen für Umweltdienstleistungen* (Payments for Environ-mental Services, PES) zum Schutz der biologischen Vielfaltund der Wälder. Solche Programme sehen Zahlungen derBürger in der entwickelten Welt für den Schutz ökologischvielfältiger Standorte in der so genannten Dritten Welt vor.Die Idee dahinter ist, dass die ökologischen Leistungen derEntwicklungsländer der ganzen Welt dienen, während dieKosten des Erhalts derselben vor allem von den Menschenin der entwickelten Welt zu tragen sind. Die Befürworter be-tonen, dass dieser Ansatz eng mit nachhaltiger Entwicklungverknüpft ist, da die Zahlungen den ärmeren Bewohnerntropischer Wälder zugutekommen können, sie damit eine finanzielle Motivation für den aktiven Schutz der Wälderhaben, die gut mit ihrem Lebensstil zu verbinden ist.

Wie bei anderen Maßnahmen, die theoretisch gut klin-gen, ist es auch bei diesem Instrument schwierig, tatsäch-lich beide Ziele zu erreichen: höhere Einkommen für die Armen dieser Welt und Ressourcenschutz. Eine Studie überdie Verteilung der PES-Zahlungen in Costa Rica stellte zum Beispiel fest, dass solche Zahlungen vornehmlich anGroßgrundbesitzer gehen, die ohnehin schon über höhereEinkommen verfügen. Eine zweite Studie zur costa-rica -nischen PES-Erfahrung fand heraus, dass die Entwaldung in jenen Regionen, in die große PES-Zahlungen flossen,nicht wesentlich geringer war als anderswo. Diese Studienutzte Mittel der Fernerkundung* und geografische Infor-

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mationssysteme (GIS)*. Bleibt zu hoffen, dass neue Expe-rimente zu besseren Ergebnissen führen.

Globale Institutionen für Nachhaltigkeit. Eine Chimäre?

Komplexe internationale Probleme, wie die Verschmut-zung grenzüberschreitender Flüsse und Seen, die Luftver-schmutzung über weite Entfernungen, der Wettlauf um die Weltraumnutzung und die Ressourcen am Nord- undSüdpol zu Zwecken der Machtdemonstration oder desKommerzes, haben Wissenschaftler wie Politiker heraus -gefordert, internationale Abkommen und Institutionen fürdie nachhaltige Nutzung dieser vielfältigen globalen Ge-meingüter zu schaffen. Einige große Ressourcensystemekonnten durch geeignete internationale Vereinbarungen erfolgreich geschützt werden.

Beispiel dafür ist das Montreal-Protokoll über Stoffe, diezu einem Abbau der Ozonschicht führen. Es wurde 1987unterzeichnet, im Jahr der Veröffentlichung des Brundt-land-Berichts. Bis dahin wuchs die Konzentration von Stof-fen, die Ozon in der Atmosphäre abbauen, schneller als dieKohlendioxidkonzentration. Dieser Zuwachs hat sich inden frühen 1990er-Jahren verlangsamt, in den letzten Jah-ren scheint sich die Konzentration ozonabbauender Sub-stanzen sogar stabilisiert zu haben. Das Montreal-Protokoll,das den schädlichen Einfluss des Menschen auf die Stra -tosphäre begrenzen soll, gilt weithin als erfolgreiche Be -mühung um ein globales Gemeinschaftsgut.

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Das dringendste Problem auf globaler Ebene aber be-steht in der Notwendigkeit, die Konzentration von Treib-hausgasen erheblich zu reduzieren. Obwohl es bislang kei -ne internationale Regelung gibt, die wirklich alle Länderumfasst, werden auf allen Ebenen vielfältige Vorschläge ein -gebracht.

Eines der hinsichtlich seines räumlichen Geltungsbe-reichs größten Regulierungssysteme ist der EuropäischeEmissionsrechtehandel (ETS). Auch hier handelt es sich, wiebei den handelbaren Fangquoten in der Fischerei, um einso genanntes »Cap-and-Trade-Programm«. Das heißt, eswird zunächst eine Obergrenze für die Gesamtemissions-menge festgesetzt (der cap), um dann den Firmen – bis zudieser Grenze – handelbare Eigentumsrechte zuzuweisen.Ist die erlaubte Gesamtmenge jedoch zu hoch (die Kappungalso nicht drastisch genug), dann läuft der ganze Ansatz ausPerspektive des Ressourcenschutzes ins Leere.

Peter Barnes vom ehemaligen Tomales Bay Institut inMinneapolis (USA) hat mit seinen Kollegen eine »Him-mels-Treuhand«* vorgeschlagen, also ein globales Cap-and-Trade-System für alle Treibhausgasemissionen, das die Ver-antwortung für dieses Programm dem direkten Zugriff derStaaten entzieht. Die Mittel, die aus der Versteigerung derEmissionsgenehmigungen generiert werden, so schlägt Bar-nes vor, sollen in einen Treuhandfonds fließen.

»Der Fonds würde in neue Technologien investieren, umweitere Kohlenstoffemissionen zu vermeiden und er würde einen Teil der Einnahmen wieder an die Menschen zurück -

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geben«, schreibt Barnes in einem Beitrag, der im ›Science‹-Magazin im Februar 2008 veröffentlicht wurde (S. 724).

Weltweit wurden und werden zudem in sehr verschie-denen Kontexten viele freiwillige Programme etabliert. Ausvergleichenden Analysen ihrer Ergebnisse können wir Wich-tiges lernen. Selbst wenn man Ideen wie die der Himmels-Treuhand nicht akzeptiert, brauchen wir in nächster Zu-kunft viele fantasievolle Konzepte, die ernsthaft diskutiertwerden müssen, oder die Vision einer nachhaltigen Ent-wicklung wird durch die CO2-Emissionen vereitelt.

Erkenntnisse seit 1987. Auf dem beschwerlichen Weg zur Nachhaltigkeit

Obwohl viele ökologische und soziale Probleme sich inden letzten Jahrzehnten weiter zugespitzt haben, ist den Au toren des WCED-Berichts zu gratulieren, da sie den so wichtigen Dialog über Strategien für eine nachhaltigeEntwicklung in Gang setzen konnten – zwischen Wissen-schaftlern, Behörden, Nichtregierungsorganisationen undden Bürgern. Ohne aktiven Dialog dreht sich die Welt ein-fach weiter in eine unhaltbare, nicht nachhaltige Entwick-lung. Über den Austausch aber kann es gelingen, dass wirgemeinsam Wege suchen, um den Katastrophen zu begeg-nen, die die massive Überfischung der Meere, das Abholzender Wälder und das Ansteigen der Kohlendioxidemissionenmit sich bringen werden.

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1. Es gibt kein PatentrezeptWir verfügen inzwischen über sehr viele Forschungs -

ergebnisse, die uns helfen können, einiges besser zu ma-chen als bisher, aber wir wissen auch: Allheilmittel gibt esnicht.

Das ist die wichtigste Lektion! Wer einfache Patentre-zepte anbietet, um Allmendprobleme zu lösen, ganz gleich,ob sich die jeweiligen Ressourcen im Privatbesitz, im staat-li chen oder im Gemeinschaftsbesitz befinden, der mag in ei-nigen Fragestellungen damit Glück haben, in anderen wirder scheitern. Zu oft haben wir gesehen, dass schnelle Maß-nahmen mehr Schaden als Nutzen anrichten. Stattdessenmüssen Verwaltung und Bürger gemeinsam Institutionenaufbauen, die auf präzisen Daten beruhen und die auf dieentsprechenden Ressourcen abgestimmt sind. Solche Insti-tutionen müssen wir auf mehreren Ebenen ansiedeln, vonder kommunalen bis zur internationalen Ebene.

2. Daten erheben und Komplexität aushalten Ökosysteme sind vielfältig, komplex und unsicher und

deren nachhaltige Bewirtschaftung erfordert erhebliche In-vestitionen in die Erhebung präziser Daten. Nur dann kön-nen wir genug über die Interaktionsmuster im jeweiligenUmfeld lernen und nur dann ist es möglich, im Laufe derZeit Maßnahmen und Institutionen so zu verbessern undanzupassen, dass sie der konkreten Situation vor Ort gerechtwerden.

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3. Lokal und flexibel agieren ist TrumpfFerner müssen diese Steuerungsinstrumente auch auf

die Kultur und das institutionelle Umfeld jener abgestimmtsein, die für ihren Lebensunterhalt auf die Ökosysteme an-gewiesen sind. Jede Regel muss die räumlichen und zeitli-chen Bedingungen sowie den Charakter des Umgangs derMenschen vor Ort berücksichtigen. Es ist besser, über lokaleInstitutionen Kooperation zu stimulieren, als es mit Anord -nungen aus der Ferne zu versuchen.

Nutzer müssen die Regeln als legitim wahrnehmen undes ist wichtig, dass sie diese wirklich verstehen, andernfallswerden sie erhebliche Energie investieren, um sie zu um -gehen.

4. Vertrauen ist wichtig, Kontrolle desgleichenEin wirksames Monitoring durch die Verwaltung und

die Nutzer selbst ist ein wesentlicher Bestandteil nachhal -tiger Commons-Institutionen. Wie eine günstige und wirk-same Kontrolle der Einhaltung der Regeln im Einzelfall gelingen kann, das kommt ganz auf die konkreten Bedin -gungen vor Ort an. Aber ohne aktive Überwachung kannder Anreiz für Trittbrettfahrer, die von der Kooperations-leistung anderer profitieren, tatsächlich eine Tragik der All-mende auslösen.

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Fünf Elemente einer anpassungsfähigen Regierungsführung

Seit Garrett Hardins klassischem Ar tikel (siehe Seite 111und 120) gab es eine umfangreiche interdisziplinäre For-schung zum Studium der Gemeinressourcen. Viele Wissen-schaftler bestä tigen, dass einfache »ideale« Lösungen, dievon außen aufer legt werden, die Dinge eher verschlechternals ver bes sern.

Nachhaltige, komplexe, soziale Systeme zu gestalten, istimmer ein Kampf. Fünf grundlegende Anforderungen konn-te die Erforschung zahlreicher gescheiterter und erfolgreicherGemeingüter identifizieren.

Dazu gehören:

1. Die Verfügbarkeit präziser und relevanter Informationen

Die ökologischen, technologischen, ökonomischen undsozialen Faktoren, welche die Leistung von Gemeingutsys-temen beeinflussen, ändern sich ständig. Deshalb müssen Informationen über den Zustand der Ressourcen und überdie Nutzerinnen und Nutzer regelmäßig aktualisiert wer-den. Die Herausforderung ist, das wissenschaftlich fundier-te Verständnis eines Mensch-Umwelt-Systems und seinerDynamik mit jenen Informationen zusammenzubringen,über die nur die Nutzer selbst verfügen. Etwa mit Aussa-gen über die Zukunftsvorstellungen der Nutzer und die vonihnen erwarteten Änderungen der Ressourcennutzung und

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Verwaltungsstrukturen. Neue Herausforderungen ergebensich aus der höheren Geschwindigkeit, mit der mensch -liche Eingriffe heute Verbreitung finden. Hier bedarf esständiger Anpassungen basierend auf einem Mix von wis-senschaftlichem und lokalem Wissen. Neue Technologien,einschließlich der Fernerkundung und geografischen In-formationssysteme, können genauere Informationen überdie Orte liefern, die für eine bessere Entscheidungsfindunggenutzt werden können. Respektvolle Kooperationsbezie-hungen zwischen Nutzern, Funktionären und wissenschaft -lichen Experten aufzubauen, ist eine weitere wesentlicheVoraussetzung für anpassungsfähige (adaptive) Governance.

2. KonfliktmanagementIn einem sozioökologischen System, in dem permanent

Entscheidungen über die Ressourcennutzung gefällt werden,sind Konflikte über diese Entscheidungen und die Art ihrerDurchsetzung sehr wahrscheinlich. Governance-Systeme,die dies ignorieren, können die Konfliktwahrscheinlichkeitnoch erhöhen oder dazu beitragen, dass sie zu erheblich größeren Problemen führen. Streng hierarchische Systemeführen zwar mitunter zu schnelleren Entscheidungen, wennsie aber die Interessen einiger Teilnehmer ignorieren, kön-nen diese sich irgendwann Bahn brechen und möglicher-weise das gesamte System zerstören. Deshalb ist es uner-lässlich, in mehreren Stufen und Umgebungen Räume zuschaffen, die Konflikte schnell sichtbar machen und zu de-ren Lösung beitragen.

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3. Verbesserung der RegeleinhaltungDie Definition formeller Regeln sollte man nicht mit den

eher informellen Regeln verwechseln, die Entscheidungs-träger täglich anwenden, wenn sie Gemeinressourcen ver-walten. Formelle Regeln können wirksam werden, wenn dieTeilnehmer sie für legitim und fair halten, wenn sie durch-gesetzt werden und wenn die Leute erwarten, dass diese ihrZiel auch erreichen. Externe Vereinbarungen allein sindselten ausreichend, um eine Allmende zu überwachen. Viel-mehr müssen auch die Nutzer einer Gemeinressource, die jaoft weit voneinander entfernt leben, eine gewisse Verant-wortung für das Gemeingut und die Kontrolle der Regel-einhaltung übernehmen.

4. Bereitstellung von InfrastrukturEs bedarf der physischen, technologischen und institu-

tionellen Infrastruktur als wesentlicher Investition, um dieinternen Abläufe eines Gemeinguts besser zu gestalten, aberauch, um eine Ressource und ihre Nutzer mit anderen, grö-ßeren sozioökologischen Systemen und deren Institutionenzu verbinden. Eine Überbetonung großer Infrastrukturpro-jekte kann kontraproduktiv sein, beispielsweise wenn Auto -bahnen, Schienen, Stromnetze oder moderne Bewässerungs-systeme ohne Rücksicht auf konkrete soziale Prozesse ineiner spezifischen Umgebung konzipiert werden. Die viel-fältigen Infrastrukturen auf unterschiedlichen Ebenen müs-sen ineinandergreifen und sich miteinander über die Zeitverändern.

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5. Anpassungs- und Veränderungsfähigkeit fördernVeränderung ist allgegenwärtig. Institutionen, die dazu

bestimmt sind, nachhaltig zu sein, können im Prinzip nichtfür sehr lange Zeiträume konzipiert sein, denn sie müssensich ständig ändern, um die Fehler der Vergangenheit zu be-wältigen und um neuen Entwicklungen zu begegnen.

Es gibt keine Patentrezepte, um all diesen Anforde-rungen gerecht zu werden. Das spezifische Design stabilerSteuerungssysteme für Gemeinressourcen ist von Fall zuFall unterschiedlich, weil die Ressourcen selbst so unter-schiedlich sind und ebenso die sozialen und wirtschaftlichenBedingungen, unter denen sie genutzt werden.

Wir konnten aber eine Reihe von allgemeinen Design -prinzipien identifizieren, die kleine bis mittelgroße Institu-tionen charakterisieren, welche über lange Zeiträume funk-tionieren. Ich habe diese Prinzipien zum ersten Mal in mei-nem 1990 erschienenen Buch »Die Verfassung der Allmendejenseits von Markt und Staat« (Governing the CommonsBeyond Market and State) zusammengefasst. Sie sind nichtzu verwechseln mit spezifischen Regeln in den konkretenCommons. Sie werden zudem immer wieder anhand aktu-eller Forschungsergebnisse geprüft und fortentwickelt; siesind in diesem Buch auf den Seiten 85 bis 87 aufgeführt.

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Die Zukunft der Gemeingüter

Seit 1987 hat die Weltgemeinschaft einen langen Weg zu-rückgelegt und bemühte sich zu verstehen, wie Menschenmit kollektiven Ressourcen und mit anderen komplexenökonomischen und ökologischen Situationen umgehen, wiesie ihr Leben zu verbessern versuchen, das Leben ihrer Kin-der und das ihrer Kindeskinder. Wir sind damit befasst, bes-sere Analyseinstrumente zu entwickeln, um zu verstehen,wie sich Regeln, biophysikalische Strukturen und bestimmteEigenschaften der Nutzergemeinschaften auf den Zustandder Ressourcen selbst auswirken. Doch wir müssen uns inunseren Ansprüchen bescheiden, wenn wir komplexe Sys-teme verstehen und die besten Antworten für den Umgangmit ihnen finden wollen.

Wir sind fehlbare Menschen und studieren fehlbaresmenschliches Verhalten in Institutionen, die wiederum vonanderen fehlbaren Menschen gestaltet wurden. Wir soll-ten nicht so tun, als wüssten wir sicher, wie nachhaltige Ent-wicklung zu erreichen ist. Doch wir können uns unserewachsenden Fähigkeiten bewusst machen, sowie die Fähig-keiten der Menschen, mit Regeln zu experimentieren undaus diesen Experimenten zu lernen. Wenn das institutionelleUmfeld und das kulturelle Milieu dazu beitragen, wird esschrittweise Verbesserungen in Richtung Nachhaltigkeitgeben.

Wenn die Weltgemeinschaft diese Lehren berücksich-tigt, wenn sie in anpassungsfähige Regierungsführung in-vestiert und die institutionelle Vielfalt so hoch zu schätzen

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lernt wie die biologische Vielfalt, wenn sie politische An-sätze als Experimente versteht, die im Lichte aktueller In-formationen immer wieder aufs Neue ausgewertet werdenmüssen, dann können wir auf dem Pfad der Nachhaltigkeitvorankommen.

Wir alle müssen verstehen, dass jeder Einzelne an derpermanenten Gestaltung eines regelbasierten Gemeinwe-sens teilhat. Die Bürgerinnen und Bürger müssen die Kunstdes sich »Zusammentuns« erlernen. Wenn dies nicht gelingt,dann waren alle Forschung und alles theoretische Bemühenvergebens.

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Wenn’s funktionieren soll: Gestaltungsprinzipien fürGemeingüter

Die Designprinzipien hat Elinor Ostrom bereits in einemihrer Hauptwerke, Governing the Commons, 1990 veröf-fentlicht. Sie werden seit Jahren weiterentwickelt. In ihrerNobelpreisrede im Dezember 2009 in Oslo stellte sie einevon ihren Studenten Michael Cox, Gwen Arnold und Ser-gio Villamayor-Tomás präzisierte Fassung vor, die hier stich-punktartig übertragen und wiedergegeben wird:

1. Grenzen zwischen den Nutzern und Ressourcengrenzen

Es existieren klare und lokal akzeptierte Grenzen zwi-schen legitimen Nutzern und Nichtnutzungsberechtigten. Esexistieren klare Grenzen zwischen einem spezifischen Ge-meinressourcensystem und einem größeren sozio ökologi -schen System.

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2. Übereinstimmung mit lokalen Gegebenheiten (Kohärenz)

Die Regeln für die Aneignung und Reproduktion ei-ner Ressource entsprechen den örtlichen Bedingungen, sieüberfordern die Menschen nicht und sind aufeinander ab-gestimmt, das heißt müssen aufeinander bezogen sein. DieVerteilung der Kosten ist proportional zur Verteilung desNutzens.

3. Gemeinschaftliche Entscheidungen Die meisten Personen, die von einem Ressourcensystem

betroffen sind, können an Entscheidungen zur Bestimmungund Änderung der Nutzungsregeln teilnehmen.

4. Monitoring der Nutzer und Monitoring der Ressource Personen, die mit der Überwachung der Ressource und

deren Aneignung betraut sind, sind selbst Nutzer oder denNutzern rechenschaftspflichtig.

5. Abgestufte Sanktionen Die Bestrafung von Regelverletzungen beginnt auf nied-

rigem Nive au und verschärft sich, wenn Nutzer eine Regelmehrfach verletzen. Die Sanktionen sind glaubhaft.

6. Konfliktlösungsmechanismen Konfliktlösungsmechanismen müssen schnell, günstig,

direkt sein. Es gibt lokale Räume für die Lösung von Kon-flikten zwischen Nutzern sowie Nutzern und Behörden.

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7. Anerkennung Es ist ein Mindestmaß staatlicher Anerkennung des

Rechtes der Nutzer erforderlich, ihre eigenen Regeln zu be-stimmen.

8. Eingebettete Institutionen Wenn eine Gemeinressource eng mit einem großen Res-

sourcensystem verbunden ist, sind Governance-Strukturenauf mehreren Ebenen miteinander verknüpft (polyzentrischeGovernance, siehe Seite 113).

Nach: Elinor Ostrom: Beyond Market and States: Polycentric Governance of Complex Economic Systems.

Nobelpreisrede, 8. Dezember 2009. www.uga.edu/pol-sci/courses/2010/ostrom.pdf

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Glossar

Aquafarming/AquakulturenNicht nur Schweine, auch Meerestiere werden gemästet.

150 Fischarten, Muscheln und Krebse bringt man in künst-lich angelegten Teichen, Fließkanälen oder in Netzgehegenim Meer zur Schlachtreife. Ein Drittel des weltweiten Fangsstammt inzwischen aus solchen Züchtungen. Diese solltenursprünglich helfen, die Überfischung in natürlichen Ge-wässern zu verhindern. Doch Aquafarming (die vorgeblich»blaue Revolution«) trägt stattdessen zur Überfischung bei,denn Zuchtfisch braucht Futter. Und dieses Futter wird aus Fischmehl und Fischöl bereitet, welches wiederum ausnicht nachhaltiger Fischerei stammt. So werden die Wild-bestände zusätzlich belastet. Nach Angaben der Umwelt -stiftung World Wide Fund For Nature, WWF, benötigt manim Durchschnitt etwa drei Kilogramm Wildfisch, um eineinziges Kilogramm Lachs heranzuzüchten.

In Südostasien und Lateinamerika müssen Mangroven-wälder weichen, um den Zuchtfarmen Platz zu machen.Dort kommen erhebliche Mengen Chemikalien und Anti-biotika zum Einsatz, um Parasiten und Krankheiten zu be-kämpfen. Eingekoteter Meeresgrund und die daraus resul-

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tierende Überdüngung gefährden das Leben der Meeresbe-wohner in Küstennähe. Und das Einkommen der Menschenam Ufer sichern sie nur kurzfristig.

Aufrüstung von FangflottenFast ausnahmslos alle Politiker bekennen sich zum

Umweltschutz und reden über Nachhaltigkeit. Die Zah-len zeigen, warum. Der Rote Thun etwa ist vom Ausster-ben bedroht. Wie es um andere Fischbestände steht, istnicht immer klar. Nach Angaben der Europäischen Kom-mission sind 80 Prozent der Fischbestände im Nordost -atlantik entweder bedroht oder die EU-Kommission ver-fügt nicht über ausreichend Daten, um Genaues über denZustand der Bestände sagen zu können. Nach Informa-tionen des renommierten Wissenschaftsmagazins Naturevom Januar 2010 werden 91 Prozent der Fischbestände2015 »überfischt« sein. Was also tun? Die EU-Kommis-sion musste nach Anfragen von Parlamentariern die Zah-len offen legen. Zwischen 2000 und 2008 erhielten die europäischen Fischereiflotten 34,5 Millionen Euro für denAusbau der ohnehin überdimensionierten Thunfangflottenim Mittelmeer.

»Dabei wurden 23 Millionen Euro für den Bau neuerFangschiffe gezahlt, darunter modernste Ringwadenfisch-kutter, deren Netz eine Kapazität von 100 Tonnen proFischzug hat. Zur Modernisierung von Fischkuttern, insbe -sondere für die technische Aufrüstung zum Aufspüren vonThunfischschwärmen, zahlte die EU in den acht Jahren

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über zehn Millionen Euro. Demgegenüber steht die sehr be-scheidene Summe von einer Million Euro, die für die Still-legung und Verschrottung von Fangbooten eingesetzt wur-de. Meist handelte es sich hierbei allerdings um kleinere undlokal eingesetzte Kutter«, so berichtet Ulrich Karlowskivon der Gesellschaft zur Rettung der Delphine.

Nach Angaben von Greenpeace sind von den 3,5 Mil-lionen der weltweit eingesetzten Fischereischiffe nur etwaein Prozent industrielle Trawler. Diese schöpfen aber 50 bis60 Prozent der Bestände ab. Hochmoderne Echolote, Radar,Satelliten und sogar Hubschrauber erleichtern diese Frei-beuterei. Falls ein Kind Sie mal fragt, was Scheinheiligkeitist, Sie könnten von der Aufrüstung der europäischen Fang-flotten erzählen.

BeifangStellen Sie sich vor, Sie jäten das Unkraut in Ihrem Blu-

menbeet mit einem Mähdrescher. Die Blumen, die in derMaschine hängen bleiben, sind der Beifang, vergleichbar mitden Meerestieren, die versehentlich im Schleppnetz hängenbleiben.

Wikipedia zitiert, dass nach Angaben des WWF pro Jahrrund 300.000 Wale, 300.000 Seevögel, mehrere MillionenHaie und 250.000 Meeresschildkröten der Fischerei als Bei-fang zum Opfer fallen. In der Shrimpfischerei beträgt derBeifang bis zu 80 Prozent des Gesamtfangs. In der Nordseewird jährlich ein Drittel des Fangs als Müll über Bord ge-

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worfen, gemeint sind eine Million Tonnen toter Fisch undandere Meerestiere. Beifänge werden bei der Berechnungvon Fangquoten nicht berücksichtigt.

Greenpeace geht von weltweit 39 Millionen Tonnen Bei-fang jährlich aus, bei einem Jahresertrag von etwa 140 Mil-lionen Tonnen (2003). Darunter auch 650.000 Robben. Interessant ist zudem, dass in Südkorea hundertmal mehrDelfine und Wale als so genannter Beifang ins Netz gehenals in Ländern, die nicht mit Walfleisch handeln. Es gibtGrund zu der Annahme, dass die Südkoreaner so das Ver-bot des kommerziellen Walfangs umgehen.

Cap & TradeZum Schutz von Ressourcen können prinzipiell ver-

schiedene Strategien eingesetzt werden. Bei einer Cap-and-Trade-Strategie – egal ob es dabei um die Regelung vonEmissionen oder von Fangquoten geht – legen Staaten oderStaatengemeinschaften zunächst die Gesamtmenge an Treib-hausgasemissionen oder Fangmengen fest, die sie für ver-tretbar halten.

Dies ist die Kappungsgrenze (Kappung = cap). Sie solltenatürlich auf einer fundierten wissenschaftlichen Grundlageberuhen, da das ganze Instrument sonst ins Leere läuft.Wenn die Langfristziele sehr ehrgeizig sind, können ver-bindliche Zwischenschritte dafür sorgen, dass sie erreichbarwerden.

Nun folgt der zweite Schritt: Bleiben wir beim ThemaKlimastabilität. Wo die festgesetzte Menge an Treibhaus-

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gasen ausgestoßen wird, ist für das Klimasystem irrelevant.Es handelt sich ja um ein globales System, auch wenn wirdie Folgen des Klimawandels in sehr unterschiedlicher Weisespüren. In der Theorie sollen daher Emissionszertifikatege handelt werden können (Handel = trade), um die Einspa -rungen dort zu ermöglichen, wo sie günstig, einfach undrasch zu bewerkstelligen sind.

»Es steht zwar Handel im Titel, aber Handel ist nichtdas Entscheidende. Sondern es heißt Cap and Trade. DasKappen ist unendlich wichtiger als das Handeln. Es kannsehr wohl ein Cap geben ohne Trade, aber es kann keinenTrade ohne Cap geben. Denn der Handel wird durch dieKappung (also die Begrenzung der Gesamtemissionsmenge)erst fundiert, weil er überhaupt erst den Wert schafft, dieKnappheit künstlich erzeugt, die dann auf dem Markt ge-tauscht werden soll«, so der Umweltexperte Wolfgang Sachsin einem Salongespräch der Heinrich-Böll-Stiftung über dieZukunft der Allmende. In der Realität aber funktioniert dieKappung nicht, nicht wenn Fangquoten festgelegt werdenund auch nicht, wenn Regierungen über Obergrenzen fürCO2-Emissionen verhandeln.

Emergenz, emergente Eigenschaften Es gibt Eigenschaften von Systemen, die sich nicht aus

den Eigenschaften der Komponenten des Systems voraus-sehen lassen. So wird das Bewusstsein oft als emergente Eigenschaft des Gehirns betrachtet, welche den einzelnenNervenzellen nicht zuzutrauen ist. Solche Betrachtungen

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sind natürlich höchst umstritten und kaum beweisbar. Andere Beispiele sind weniger problematisch: Ein Protein-molekül besitzt Eigenschaften, die keine der Aminosäurenaufweist, aus denen es besteht. Trittspuren von Tieren füh-ren in der Landschaft zu Wegstrukturen, die in den einzel-nen Tritten nicht angelegt sind. Die Komplexität einesAmeisenhaufens oder diejenige eines Formationsfluges istweder der einzelnen Ameise, noch dem einzelnen Vogel anzusehen. Im Grunde ist natürlich die Komplexität des gesamten Universums aus seinen einzelnen Grundbaustei-nen, den 1,57 × 1079 Protonen und Elektronen, aus denenes besteht, nicht abzuleiten. Nach dem SystemtheoretikerNiklas Luhmann ist die Gesellschaft emergent gegenüberden Individuen, so wie Größe, Richtung und Bewegungenin Schwärmen emergent gegenüber den einzelnen Fischenoder Vögeln sind.

Emergenztheoretiker bestreiten, dass eine vollständigeBeschreibung der Welt allein aufgrund der Kenntnis seinerTeilchen und mittels allgemeiner physikalischer Gesetzemöglich sei. Dennoch seien emergenzverwandte Phänome-ne wie Selbstorganisation durchaus systematisch und ver-ständlich erklärbar.

EntrepreneurDer Begriff Entrepreneurship (frz. Entrepreneuriat) lässt

sich mit Unternehmertum oder Unternehmergeist mehrschlecht als recht übersetzen. Er beschäftigt sich mit demGründungsgeschehen neuer Organisationen. Dabei geht es

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um mehr als Unternehmensgründung und effiziente Res-sour cennutzung, gerade die kreativen Elemente wie das Fin-den von neuen Geschäftsideen und die Umsetzung neuerGeschäftsmodelle rücken hier in den Blick.

Fernerkundung Fernerkundung bezeichnet Verfahren zur Gewinnung von

Informationen über die Erdoberfläche oder andere nicht di-rekt zugängliche Objekte durch Messung und Interpretati-on der von diesen ausgehenden elektromagnetischen Strah-lung. Bryant Cramer vom Goddard Space Flight Center derNASA leitet ein Programm zur Entwicklung solcher Tech-nologien. Er sagt auf der Internetseite der NASA: »Hype rionist wahrscheinlich die Zukunft der Fernerkundung.«

Die Weltraumsonde Hyperion kann aus dem All dieErdoberfläche analysieren. Mit dem hyperspektralen Mess-instrument nutzt man die Spektroskopie, um die Zusam-mensetzung von Materialien aufgrund ihrer Absorptionoder Reflexion spezifischer Wellenlängen des elektromag-netischen Spektrums zu analysieren. Hyperion kann also aufdiese Weise die chemische Zusammensetzung der Flächenund Dinge auf der Erde aus dem Weltall messen.

Chemiker nutzen die Spektroskopie schon lange zur Iden-tifizierung unbekannter Substanzen, denn das Spektrum derabsorbierten und reflektierten Wellenlängen ist charakte-ristisch für jedes Molekül. Damit erhalten sie einen so ge-nannten spektralen Fingerabdruck, mit dem sie Materialienidentifizieren, die sehr weit entfernt sind. Auf diese Weise kön-

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nen auch Informationen über Sterne und Galaxien gewon-nen werden.

Die Weltraumsonde Hyperion misst über 200 verschie-dene Wellenlängen der von der Erdoberfläche reflektiertenStrahlung und erhält damit den spektralen Fingerabdruckder dort befindlichen Materialien. Die Präzision der Mes-sung genügt, um Kupfervorkommen zu detektieren oder dieglobale CO2-Fixierung durch Pflanzen zu messen.

Durch Fernerkundungssysteme wie Hyperion können soauch komplexe Verbindungen, wie der grüne Pflanzenfarb-stoff Chlorophyll, flächendeckend und quantitativ erfasstwerden. Eine beeindruckende Illustration der Resultate istbeispielsweise unter dem Stichwort »Blue Marble« auf der Internetseite der NASA zu finden.

Dies ist aber erst der Anfang. Der Erdbeobachtungs -satelit HyspIRI ist bereits in Planung. Auch Deutschlandwird 2013 eine ähnliche Technologie unter der Bezeich-nung EnMap ins Weltall schicken. (http://www. enmap.org/)

GefangenendilemmaDie Bezeichnung geht auf den Mathematiker und Spiel-

theoretiker Albert William Tucker von der UniversitätPrinceton, USA, zurück. Tucker hat ein soziales Dilemmawie folgt veranschaulicht:

Zwei Gefangene werden verdächtigt, gemeinsam eineStraftat begangen zu haben. Beide werden in getrenntenRäumen verhört. Sie haben keine Möglichkeit sich zu bera -ten. Die Höchststrafe für das Verbrechen, so erfahren beide

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unabhängig voneinander, beträgt sechs Jahre. Wenn die Ge-fangenen sich entscheiden zu schweigen (also miteinander zukooperieren), werden beide wegen kleinerer Delikte zu jezwei Jahren Haft verurteilt. Gestehen jedoch beide die Tat,erwartet beide eine Gefängnisstrafe. Wegen der Zusam-menarbeit mit den Behörden ist diese jedoch geringer als dieHöchststrafe (vier statt sechs Jahre Gefängnis). Gesteht nureiner und der andere schweigt, bekommt der Erste als Kron-zeuge eine symbolische Bewährungsstrafe und der anderedie Höchststrafe von sechs Jahren.

Optimal wäre es demnach, wenn beide einander ver-trauten und miteinander kooperierten. Doch die Beteiligtenbefinden sich in einem Dilemma: Sie wissen nicht, wie derjeweils andere sich verhalten wird.

Zur Überwindung des Dilemmas ist Vertrauen nötig. Eskann zum einen entstehen, indem die Teilnehmer miteinan-der kommunizieren, und zum anderen, indem Vertrauens-bruch bestraft wird. Robuste Gemeingüter brauchen deshalbtransparente, direkte und vielfältige Formen der Kommu-nikation sowie weitgehend selbstbestimmte Sanktionsver-fahren.

Gemeinsames Erbe der MenschheitAm 21. Juli 1969 betritt Neil Armstrong den Mond. Er

macht einen »kleinen Schritt für einen Mann, aber einen riesigen Sprung für die Menschheit«. Sechs amerikanischeMondmissionen bringen 389,7 Kilogramm Mondgesteinzur Erde. Doch wem gehört eigentlich der Erdtrabant?

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Diese Frage stellt sich seit den Sputnikmissionen der da -maligen Sowjetunion Ende der 50er-Jahre. Sie mündet 1967in den Weltraumvertrag und 1979 in den Mondvertrag.Dort wird festgelegt, dass sämtliche Gebiete und Ressour-cen im Weltraum der internationalen Gemeinschaft – alsoallen Menschen gleichermaßen – zur Verfügung stehen.Niemand solle durch persönlichen Besitz im All privilegiertwerden. Dieser Konsens bekommt vermutlich Risse, sobalddie Ausbeutung der Bodenschätze des Mondes technischmachbar ist.

Am Nordpol ist das bereits geschehen. Dort versuchendie fünf Anrainerstaaten (Norwegen, Dänemark, Russland,USA, Kanada) territoriale Ansprüche auf Teile des Nord-polarmeeres zu erheben. Fünfundzwanzig Prozent der glo-balen Erdöl- und Erdgasvorräte sowie Zinn, Mangan, Gold,Nickel, Blei und Platin werden unter arktischem Meeres-grund vermutet.

Am anderen Ende der Welt, in der Antarktis, beanspru-chen sieben Nationen Gebiete (Neuseeland, Australien,Frankreich, Norwegen, Großbritannien, Argentinien undChile). Die Ansprüche wurden mit Abschluss des Antark-tisvertrags (1959) eingefroren, das Gebiet sollte der For-schung vorbehalten bleiben.

Das ursprüngliche Niemandsland des Universums, derArktis und der Antarktis wurde über vertragliche Bindun-gen gewissermaßen von der res nullius zur res communis hu -manitatis, der »Gemeinsamen Sache« oder dem »Gemeinsa -men Erbe der Menschheit«.

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Diese Idee ist auch im Seerechtsübereinkommen derVereinten Nationen von 1982 verankert (United NationsCon vention on the Law of the Sea, UNCLOS), dem weitere Zusatzeinkommen folgten, darunter der Tiefseebergbau-Kodex. Noch ist die Förderung der auf dem Meeresbodenlagernden mangan-, kobalt-, kupfer- und nickelhaltigenKnollen zu aufwändig. Doch was ist morgen?

Der Grundsatz des Gemeinsamen Erbes der Menschheit(Artikel 136, UNCLOS) löst den einst visionären Begriffder »Freiheit der Meere« ab, der vor gut 400 Jahren in derDissertation Mare Liberum von Hugo Grotius formuliertwurde. Der Ozean wäre so riesig, argumentierte Grotius,dass er, gleich der Luft, niemandem zu eigen gemacht wer-den könne. Später entstehen die Nationalstaaten, derenSouveränität so weit reichte, »wie das Auge sehen odereine Kanone schießen konnte«, erinnert Elisabeth Mann-Borgese in einem in der Fachzeitschrift Mare veröffentlich-ten Artikel. Mann-Borgese ist die jüngste Tochter ThomasManns und Mitbegründerin von UNCLOS.

Die Unendlichkeit der Ozeane samt der vorgeblich un-erschöpflichen Fischbestände legitimierten im 19. und 20.Jahrhundert die Dehnung des Begriffs. Er schloss nach undnach die Freiheit des Fischens, der Navigation, der Müll-entsorgung, der Kabelverlegung und des Überfliegens ein.Aus der »Freiheit der Meere« wurde eine »Autobahn für Er-oberungszüge und imperialistische Machtausübung«, ana-lysiert Mann-Borgese. Ihr Lebensgefährte, der maltesischeUN-Botschafter Arvid Pardo, erklärte 1967 vor den Verein -

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ten Nationen, dass ein neuer Grundsatz nötig sei, »der höher wiegt als die Freiheit der See und die Seehoheit«.Pardo berief sich auf die Idee des »Gemeinsamen Erbes derMenschheit« und überzeugte die UN-Versammlung davon,den Meeresboden inklusive der dort lagernden Ressourcenals solches zu definieren. Inzwischen gibt es ein – bislang wenig durchsetzungsstarkes – internationales Regime zurVerwaltung dieses Erbes.

Ein letzter Schwenk geht nun zur Kultur und zur Welt-kulturerbeliste der UNESCO-Konvention. Die gelisteten Na-tur- und Kulturstätten wurden zum gemeinsamen Mensch-heitserbe erklärt. Je bedeutender ein kulturelles Gut, umsouniverseller seine Gültigkeit. Und umso wichtiger die Ver-pflichtung der temporären Besitzer, es zu pflegen und zu erhalten.

Geografische InformationssystemeGeografische Informationssysteme (GIS) sind Systeme

zur Erfassung, Bearbeitung, Organisation, Analyse und Prä-sentation geografischer Daten. Der Prototyp des geografi-schen Informationssystems ist die handgemalte Landkarte,sein populärster Vertreter in der Neuzeit vermutlich GoogleEarth. Dazwischen liegt ein ganzes Sammelsurium von Tech-nologien, vom Luftbild bis hin zur Internationalen Welt-raumstation ISS und diversen Satelliten, die seit Jahren denPlaneten umkreisen und mit modernster Sensortechnolo-gie versuchen, jede nur erdenkliche Information aus denüberflogenen Regionen dieser Welt herauszukitzeln.

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Governance (siehe auch Polyzentrische Governance)

Etwas Wortgeschichte am Anfang. Erinnern Sie sich andie Gouvernante? Das Wort klingt etwas zugeknöpft und pejorativ, was wohl daran liegt, dass kaum jemand gern »ge-lenkt und geleitet« werden möchte. Der Begriff leitet sichaus dem Lateinischen gubernare ab, was lenken oder leitenbedeutet, und ist eine veraltete Bezeichnung für Hausleh -rerin oder Erzieherin. Gleichbedeutend ist das Griechischekybernan (wie in Kybernetik), was meint: das Steuerruderführen.

Governance bezeichnet also das Steuerungs- und Re -gelungssystem einer Gesellschaft. Das heißt den Aufbauund die Ablauforganisation von Staat, Verwaltung und Gemeinde, aber auch von privaten oder öffentlichen Or -ganisationen. Der Begriff wird häufig unscharf verwendetund ist so schwer zu übersetzen wie Commons. Oft wird»Regierungsführung« genutzt, so auch in diesem Buch.

Governance ist zu unterscheiden von »der Regierung« (= government), denn in einer Gesellschaft »lenkt und steu-ert« nicht nur die Staatsmacht, sondern auch die Privat-wirtschaft, die Zivilgesellschaft oder das, was im Verborge -nen liegt. Damit all diese Prozesse, die auf mehreren Ebenenstattfinden, aufeinander abgestimmt werden können, solltenInstitutionen idealerweise nach folgenden Governance-Prin-zipien funktionieren: (1) Rechenschaftspflicht, (2) Verant-wortlichkeit, (3) Offenheit und Transparenz von Strukturen bzw. Prozessen sowie (4) Fairness.

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Himmels-Treuhand (Skytrust, nach Peter Barnes)

Der Vorschlag, eine Himmels-Treuhand einzurichten,ba siert auf dem Grundgedanken des »Cap & Trade« (siehedort). Ein Skytrust würde eine jährlich sinkende Anzahl vonEmissionsquoten an jene Unternehmen versteigern, die koh-lenstoffhaltige Energieträger in Verkehr bringen, wie etwaRaffinerien oder Kohlekraftwerke. Die Ausgangsfrage vonPeter Barnes, der sich seit Langem mit der Idee beschäftigt,war:

»Wem gehört der Himmel?« »Uns allen«, so seine Ant-wort. Daher müssen auch sämtliche Einnahmen, die ausdem Emissionsrechtehandel hervorgehen, allen Menschengleichermaßen zukommen. Dafür bedarf es einer geeignetenInstitution, die Barnes als Himmels-Treuhand (Skytrust) be-schreibt und die den entscheidenden Vorteil hat, dass sienicht von politischen oder wirtschaftlichen Interessen ein-zelner Regierungen abhängt. Das Konzept geht davon aus,dass die Bürgerinnen und Bürger ein Grundrecht auf dieNutzung eines je gleichen Anteils an der Atmosphäre haben.Daher sollen die Einnahmen des Skytrust einerseits in An-passungsmaßnahmen für den Klimawandel in Regionenfließen, die im internationalen Vergleich nur wenig Treib-hausgase emittieren, und andererseits sollen sie zu den Bürgern selbst zurückkommen. Quasi in Form einer Kli -ma schutzdividende. Das würde – bei steigenden Energie-preisen – entweder die Verluste der Bürger durch höhereEnergiepreise ausgleichen oder ihre Sparsamkeit belohnen.

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Individuell Transferierbare Quoten (ITQ)Auch ITQ ist ein marktbasiertes Instrument. Wie der

Emissionsrechtehandel und die Idee der Himmels-Treuhandbasiert es auf der Methode des »Cap & Trade«. Um dieFangmengen zu regulieren, bekommen Fischer individuelleFangquoten zugeteilt, die sie mit anderen Fischern handelnkönnen. Das führt aber in der Praxis dazu, dass Fischer, dierelativ unwirtschaftlich arbeiten, ihre Quoten verkaufen,während wirtschaftlichere Betriebe Quoten hinzukaufen.Langfristig hat dies zur Folge, dass sich die Quoten auf we-nige Fischereibetriebe konzentrieren, was der Idee der Zu-gangsgerechtigkeit zu natürlichen Ressourcen zuwiderläuft.Zudem wird auf diese Weise der gesamte Fang tendenziellzu immer geringeren Kosten erbracht, was keinen Anreiz lie-fert, die Gesamtfangmenge zu reduzieren, weil dann immermehr Betriebe in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommenund ganz aufgeben müssen.

Wenn die Kappung nicht funktioniert – siehe Cap &Trade – ist es, als wolle man den Teufel mit dem Beelzebubaustreiben.

InstitutionalismusDer Institutionalismus entstand Ende des 19. Jahrhun-

derts in den USA als Strömung der Wirtschaftswissen-schaften. Er rückte die Frage in den Mittelpunkt, wie dieWirtschaft und die Institutionen der Gesellschaft miteinan-der interagieren. Als nicht marxistische Kritik der vorherr-schenden ökonomischen Theorie war er bis Ende der 30er-

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Jahre in den USA sehr einflussreich und galt als »Gewissender Ökonomenzunft«.

Die »Neue Institutionenökonomik« lässt sich auf den1937 erschienenen Aufsatz The Nature of the Firm von Ronald Coase zurückführen. Der Begriff wurde aber erst1975 von Oliver Williamson geprägt, der sich 2009 mit Elinor Ostrom den Wirtschaftsnobelpreis teilte. Wie dieneoklassische Theorie gründet auch die so genannte »NeueInstitutionen ökonomik« auf der Idee des homo oeconomi-cus. Grundannahme ist demnach, dass der Mensch in ers-ter Linie bestrebt sei, seinen Eigennutz zu optimieren. Wäh-rend die klassische Wirtschaftstheorie den institutionellenRahmen des Tausches auf dem Markt als gegeben nimmt,denken Institutionenökonomen etwas realitätsnäher. Sieuntersuchen, wie Institutionen entstehen, sich entwickeln,mit dem Markt interagieren und ihre Wirkung entfalten(oder auch nicht). »Das Kunststück der Institutionenaus-gestaltung besteht darin, durch das Anreiz- und Strafsystemdiese nutzenmaximierenden Individuen zu veranlassen, pro-duktiv zu kooperieren und nicht auf unproduktive und op-portunistische Weise ihren Nutzen bis hin zu Raub, Mordund Erpressung zu verfolgen«, schreibt Wikipedia. Doch dieMethoden- und Grundsatzvielfalt der »Neuen Institutiona-listen« ist nach wie vor so groß, dass es gewagt bleibt, voneiner eigen ständigen Forschungsrichtung zu sprechen.

Wie viele andere, gilt auch Elinor Ostrom mitunter alsVertreterin des »Neuen Institutionalismus«. Tatsächlich fragtsie sehr spezifisch, wie Institutionen des kollektiven Handels

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gestaltet werden können. Doch Ostrom ist Politikwissen-schaftlerin, die sich keiner ökonomischen Richtung eindeu-tig zuordnen lässt. Ihr kritischer Blick auf die neuen Institu-tionalisten (siehe Seite 44) macht deutlich, dass sie selbstnicht dazugehört. Zudem läuft jede Vereinnahmung Ostromsdurch eine Denkrichtung ihrem wissenschaftlichen Selbst-verständnis zuwider. Sie schöpft aus der Fülle der Wissen-sallmende, aus der Vitalität ihrer Netzwerke, aus ihrem ana-lytischen Verstand und ihrer Menschlichkeit, um die Vielfaltder Lebensrealitäten zu analysieren und zu interpretieren.

Wie viele andere glaubt Ostrom nicht, dass vor einerHandlung oder einem Handel immer alle Teilnehmer glei-chermaßen vollständig informiert sind oder dass alle Teil-nehmer zu jedem Zeitpunkt stets unzweideutige Verfü-gungsrechte über die Dinge, um die es geht, innehaben.Konkurrenz auf Augenhöhe existiert gewissermaßen nur in der Theorie. Meist sind die Kosten für den einen höherals für den anderen, was die Schlussfolgerung nahelegt,dass Märkte nicht prinzipiell der überlegene Steuerungs-mechanismus sind.

Komplexe adaptive Systeme (siehe auch Systeme)Komplexe adaptive Systeme bestehen aus mehreren zu-

sammenhängenden Elementen (was sie »komplex« macht)und sind besonders anpassungsfähig an ihre Umwelt. Des-wegen nennt man sie »adaptiv«. Die Beschreibung und Ana-lyse komplexer adaptiver Systeme ist hochgradig interdis-

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ziplinär, dabei geht es stets um fundamentale Fragen von le-benden, anpassungsfähigen und veränderlichen Systemen.Beispiele sind Gehirn und Immunsystem, Aktienmarkt undAmeisenkolonie, die Biosphäre, Produktionsunternehmen,politische Parteien und Gemeingüter.

Nach John Holland ist ein komplexes adaptives System:»Ein dynamisches Netzwerk mit vielen Akteuren, die pa-

rallel agieren, und ständig agieren und reagieren auf das, wasdie anderen Akteure machen. Die Kontrolle eines komplexenadaptiven Systems tendiert dazu, verstreut und dezentralisiertzu sein. Wenn es ein zusammenhängendes Verhalten im Sys-tem geben soll, muss dies aus dem Wettbewerb und der Ko-operation der Akteure kommen. Das Verhalten des gesamtenSystems ist das Resultat einer großen Anzahl von Entschei-dungen, die von vielen einzelnen Agenten getroffen werden.«(aus: M. Waldrop: Complexity: The Emerging Science at theEdge of Order and Chaos)

Leviathan Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirch li chen

und bürgerlichen Staates ist der Titel einer staatstheoreti-schen Schrift von Thomas Hobbes aus dem Jahr 1651. DerLeviathan ist eines der bedeutendsten Werke der politi-schen Philosophie überhaupt. Der Titel lehnt sich an dasbiblisch-mythologische Seeungeheuer Leviathan an, vordessen Allmacht jeglicher menschliche Widerstand kapi -tuliert. Eine ähnliche Rolle kommt in Hobbes’ absolutisti-schem Politikverständnis dem Staat zu.

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Hobbes geht von einem Naturzustand aus, in dem dieMenschen ohne Gesetz und ohne Staat leben und in dem daher jeder alles beanspruchen kann. In diesem Zustand ist nach Hobbes »der Mensch […] dem Menschen ein Wolf [ist]«.

Aus diesem Zustand ergibt sich die Notwendigkeit füreine übergeordnete, allmächtige Instanz, die Sicherheit undSchutz bietet. Durch einen Gesellschaftsvertrag übertragenalle Menschen unwiderruflich »alle Macht« und insbeson-dere ihr Selbstbestimmungsrecht »einem Einzigen […] oderaber einer Versammlung, in der durch Abstimmung derWille aller zu einem gemeinsamen Willen vereinigt wird«.»Den« Staat aber gibt es nicht. In jeder konkreten Situationmuss aufs Neue darum gestritten werden, dass staatliche In-stitutionen ihrer Rolle als Treuhänder überregionaler Res-sourcensysteme, als Ermöglicher für gemeingütersensitivesHandeln, als Konfliktschlichter bei Nutzungskonflikten,als Unterstützer für Selbstorganisation und als aktive För-derer der Commons und der »Commoners« gerecht werden

Montreal-Protokoll Das Montreal-Protokoll, seit dem 1. Januar 1989 in

Kraft, ist ein Abkommen über Stoffe, die zum Abbau derOzonschicht führen. Das Protokoll ist solide über einen in-ternationalen Fonds finanziert, was eine wichtige Erfolgsbe -dingung ist. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, »geeigneteMaßnahmen zu treffen, um die menschliche Gesundheitund die Umwelt vor schädlichen Auswirkungen zu schützen,

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die durch menschliche Tätigkeiten, welche die Ozonschichtverändern, wahrscheinlich verändern, verursacht werdenoder wahrscheinlich verursacht werden«, so die Präambel.Der gemeinhin als »Meilenstein des Umweltrechts« gerühm-te Vertrag basiert auf dem Vorsorgeprinzip.

Die Unterzeichnerstaaten verpflichten sich zur Redu-zierung und schließlich zur vollständigen Abschaffung derEmission von chlor- und bromhaltigen Chemikalien, die dasOzon in der Stratosphäre zerstören. Dazu gehören unter an-deren Fluorkohlenwasserstoffe (FCKW), Halone, Bromideund Tetrachlorkohlenstoff. Derzeit nicht erfasst ist Lachgas(Distickstoffoxid), welches unter anderem aufgrund derdrastischen Senkung der FCKW-Emissionen zur bedeu-tendsten Quelle ozonschädlicher Emissionen geworden ist.

Das Abkommen ist flexibel, denn die Listen der Schad-stoffe können mit Zweidrittelmehrheit geändert werden.Das macht es einfacher, auf wissenschaftliche Erkenntnisseund technologische Fortschritte einzugehen.

Als direkter Erfolg des Montreal-Protokolls gilt, dasssich das Anwachsen der FCKW/FKW-Konzentration nach1989 verlangsamt hat und inzwischen abnimmt.

Öffentliche GüterEs sei sehr schwer, so die Zunft der Wirtschaftswissen-

schaftler, jemanden von der Nutzung eines öffentlichen Gu-tes auszuschließen. Denn ein Deich schütze alle, so wie derLeuchtturm allen die Richtung weist, ganz gleich ob Steuer-zahler oder nicht. Und auch von sauberer Umwelt profitie-

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ren alle, selbst die Umweltsünder. Hier geht es in der Spra-che der Ökonomen um die Eigenschaft der »Ausschließbar-keit«, die bei öffentlichen Gütern nur schwer zu erreichen sei. Folgt man diesem Ansatz, was gemeinhin getan wird, soist »Nichtausschließbarkeit« eine Eigenschaft öffentlicherGüter. Es wird also gesagt: Öffentliche Güter sind so.

Dazu gesellt sich das Kriterium der Rivalität. Öffent licheGüter sind nicht rival. Elinor Ostrom formuliert im Engli-schen etwas differenzierter »substractability« statt »rivalry«.Man kann diesen Begriff mit Teilbarkeit übersetzen. DieÖkonomen unterscheiden also rivale (nicht teilbare) Gütervon den nicht rivalen (teilbaren) Gütern und sie schlagen die öffentlichen Güter letzteren zu. Nicht rivale Güter zeich-nen sich dadurch aus, dass die Nutzung des Gutes durch ei-nen Menschen die Nutzung desselben Gutes durch andereMenschen kaum beeinträchtigt oder verhindert. Wir allekönnen gleichzeitig dieselbe Sendung im Fernsehen sehenoder frische Luft einatmen, sobald wir die Straße betreten;aber wir können nicht zugleich denselben Apfel essen, dennein Apfel ist rival. Wollten mehrere Menschen etwas vonihm haben, müsste man ihn teilen und jeder bekäme nur einStück.

Öffentliche Güter, so die geläufige Beschreibung sinddemnach schwer ausschließbar und gut teilbar. In der Rea-lität aber sind sowohl Rivalität als auch Ausschließbarkeitungemein situationsabhängig, besser gesagt: Sie sind ab-hängig von dem, was wir tun. Wer genau in die Literaturund in die Welt schaut, wird rasch feststellen, dass es reine

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öffentliche Güter kaum gibt. In der Fachliteratur werdendeshalb so viele Beispiele angeführt und wieder verworfen,wie Autoren über dieses Thema schreiben. Ähnliches gilt fürdie anderen Güterarten, denn öffentliche Güter werden ge-meinhin von den privaten Gütern, den Klubgütern und denAllmendgütern abgegrenzt. So viele Vorschläge sich finden,um wasserdichte Beispiele für die jeweilige Güterart zu be-nennen, so viele Argumente finden sich dagegen. Es scheintnie richtig zu passen.

Die Lösung wird häufig in neuen Unterkategorien ge-sucht, etwa in spezifischen öffentlichen Gütern, unreinen öf-fentlichen Gütern oder globalen öffentlichen Gütern. Auchfreie Güter und Universalgüter bereichern die Gütervielfalt,deren begriffliche Unterscheidung selten überzeugt. Dasscheint mit der Herangehensweise zusammenzuhängen, diedarauf fixiert ist, einer Sache bestimmte Eigenschaften zu-beziehungsweise einzuschreiben.

Doch eine Sache ist nicht Gemeingut, Privatgut oder öf-fentliches Gut, sondern sie wird dazu gemacht. Zwar ist eineStraße zunächst einmal teilbar (nicht rival) und kann somitvon allen befahren werden, doch sobald ein Stau eintritt, istes damit vorbei. Werden Mautgebühren eingesetzt, wird derZugang zur Straße zur Bezahlware und Ausschließbarkeit ist herstellt. Ähnlich verhält es sich mit dem Wasser. Ur-sprünglich überall eine Allmendressource, wird es in Be-wässerungssystemen, wie in diesem Buch besprochen, zumGemeingut. In unseren staatlich verwalteten öffentlichenGewässern wird es zum öffentlichen Gut und in der Flasche

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aus dem Supermarkt zum Privatgut. Es kommt also nicht auf das Gut an, sondern auf die

technischen und finanziellen Möglichkeiten sowie auf denpolitischen Willen und die Machtverhältnisse, ob etwas öf-fentliches Gut wird oder nicht. Gibt es eigentlich schon ei-ne Technik, mit der man den Piraten das Leuchtturmsignalvorenthalten kann?

Open-Access-SituationIm renommierten Wissenschaftsmagazin Science veröf-

fentlichte der US-amerikanische Biologe Garrett Hardin1968 den Aufsatz The Tragedy of the Commons (Die Tragikder Allmende). Hardins Bild von der Weide, auf die alle Her-denbesitzer ihre Schafe treiben, weil alle freien Zugang ha-ben (open access), hat Karriere gemacht. Nach Hardin tutjeder Herdenbesitzer dasselbe – angesichts der Gelegenheit,sich an der Weide schadlos zu halten: Er fügt seiner Herdeein Schaf hinzu, dann noch eins und noch eins und so fort.So wird die Weide schnell übernutzt. Hardin war über-zeugt, dass diese Dynamik so lange wirke, bis die Weide nie-mandes Schaf mehr ernährt. Dies sei das unvermeidlicheSchicksal der Allmende, ihre Tragik.

Das Bild der übernutzten Weide wurde seit den 1970er-Jahren unkritisch auf zahlreiche Situationen kollektiverRessourcenbewirtschaftung übertragen. Es hielt Einzug indie Lehrbücher und prägte das Denken ganzer Studenten-generationen. Dabei wuchs die Vorstellung der »Tragik derAllmende« zum Mythos. Daran änderte auch der Kommen -

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tar des Ökonomen Partha Dasgupta wenig, der zum maß-geblichen Abschnitt des Hardinschen Essays meint: Es sei »schwierig eine Passage vergleichbarer Länge und Be-rühmtheit zu finden, die so viele Fehler enthält« (P.Dasgupta,The control of Resources, 1982). Die zahlreichen Forschun-gen aus dem Umfeld von Elinor Ostrom haben die Grob-schlächtigkeit des Tragik-Arguments erkennen lassen.

Hardin selbst sah sich Jahre später zu Korrekturen ver-anlasst und bezeichnete den Essay nun genauer als Analy-se der »Tragik der unverwalteten Gemeingüter«. Tatsäch-lich beschrieb er in seinem Essay eine Situation des un -gehinderten Zugangs zu Land, das niemandem gehört. Erverwechselte Gemeingüter mit Niemandsland. Doch nie-mandem zugehörig zu sein, ist ganz untypisch für die All-mende.

Eine Open-Access-Debatte anderer Art ist jene um freienZugang zu wissenschaftlicher Literatur und anderen Mate-rialien im Internet. Ein Dokument unter Open-Access-Bedingungen zu publizieren gibt jedermann die Erlaubnis,es zu lesen, herunterzuladen, zu verlinken und anderweitigentgeltfrei zu nutzen. Zudem können über freie Lizenzenden Nutzern Rechte zur Vervielfältigung, Verbreitung oderVeränderung der Dokumente eingeräumt werden.

Inzwischen gibt es eine sehr lebendige internationaleOpen-Access-Bewegung. Ihre zentrale Forderung ist, dasswissenschaftliche Publikationen als Ergebnisse der öffentlichgeförderten Forschung dieser Öffentlichkeit auch kostenfreizur Verfügung stehen sollen.

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Die bisherigen Publikationsstrukturen werden als Pri-vatisierung des von der Allgemeinheit finanzierten Wissensbetrachtet. Denn teure Fachzeitschriften, deren Inhalte meistin öffentlichen Forschungseinrichtungen produziert wer-den, müssen von unterfinanzierten Universitätsbibliothe-ken gewissermaßen zurückgekauft werden. Die Grundideedieser Open-Access-Bewegung ist einfach: Was öffentlichwar oder öffentlich finanziert ist, muss öffentlich zugänglichbleiben.

Wissen und Code sind teilbare (nicht rivale) Ressourcen,anders als etwa Wasser und Weideland. Wer für solche Res-sourcen »open access« als allgemeingültige Regel definiert,zerstört die Ressourcen nicht, sondern er trägt zum Gedei-hen der Wissensallmende bei. Und: Er stellt Geschäftsmo-delle infrage.

Polyzentrische GovernanceDer Gegenpol zu Ludwig XIV. ist sozusagen: »L’état, ce

n’est pas moi!« In einem polyzentrischen Governance-Sys-tem (»es gibt nicht ein, sondern viele Zentren«) wird dieSteuerung eines komplexen Vorgangs nicht zentralistischdiktiert und hierarchisch organisiert, sondern lokal vor Ortentschieden. Mit dem Begriff der Subsidiarität ist das Konzept nur unzutreffend beschrieben. Viele Institutionenin komplexen Allmenden überlappen sich. Wichtig ist, dassund wie sie miteinander verzahnt sind. Auch in der Biolo-gie gibt es zahlreiche Beispiele für derartige Strategien. Sohat beispielsweise ein Sardinenschwarm keinen Kapitän

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und eine Formation von Zugvögeln keinen Chefpiloten.Und dennoch (oder gerade deshalb) vollbringen sie er-staunliche Kooperationen. Ähnliches gilt für erfolgreiche gesellschaftliche oder produktive Prozesse, insbesonderedann, wenn die Komplexität der Details eine zentralisti-sche Steuerung unmöglich oder kontraproduktiv macht.Schauen Sie sich Wikipedia an oder das freie BetriebssystemGNU/Linux.

RedundanzRedundanz, aus dem Lateinischen redundare, bedeutet

»überlaufen«, »im Überfluss vorhanden sein«. Unter Re-dundanz versteht man in Systemen das Prinzip, dass derAusfall eines Funktionselements nicht zu einem Verlust derbetreffenden Funktion führt. Es existieren hierfür viele Bei-spiele in der Technik und in der Biologie. So sind beispiels-weise das Hydrauliksystem eines Flugzeugs oder die Brem-sen eines Fahrzeugs so konstruiert, dass bei Ausfall einesSystems die Funktion durch ein anderes, redundantes Sys-tem übernommen werden kann. Aus der molekularbiologi-schen Forschung kennt man den Effekt, dass der Ausfall eines Gens kein Erscheinungsbild zu haben scheint. Dieswirkt auf den ersten Blick widersprüchlich, denn warumsollte ein redundantes Gen in der Evolution nicht einfachverloren gehen? Sinnvoll wird es, sobald man die Redun-danz selbst als Selektionsfaktor der Evolution versteht.

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SchleppnetzfischereiWird ein Netz für den Fischfang hinter einem Schiff

hergezogen, so bezeichnet man das als Schleppnetzfischerei.Schleppnetze werden vor allem auf hoher See eingesetzt.Grundschleppnetze kommen speziell für den Fang vonGrundfischen zum Einsatz. Als Grund- oder Bodenfischewerden Fischarten bezeichnet, die ihren Lebensraum amoder nahe des Grundes eines Gewässers haben. Auf der Un-terseite des Netzeingangs befindet sich ein beschwertesGrundtau, das über den Meeresboden gezogen wird und dieFische aufscheuchen soll. Moderne Grundschleppnetze be-sitzen außerdem Scherbretter aus Holz oder Stahl, mit de-nen der Meeresboden regelrecht umgepflügt wird. VieleWissenschaftler und Umweltorganisationen wenden sichgegen den Einsatz von Grundschleppnetzen.

Ende 2006 hatten elf Nationen Grundschleppnetzfi-scherflotten. Der Versuch, sich bei den Vereinten Nationenim Jahr 2006 über ein Verbot zu einigen, scheiterte insbe-sondere am Widerstand Islands.

Der Anteil an Beifang (siehe Seite 91) ist in der Schlepp-netzfischerei enorm hoch. Er beträgt 80 bis 90 Prozent.Grundschleppnetzfischerei ist, als würde man einen Waldabholzen, um Rehe zu jagen.

SozialkapitalIn der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion be-

zeichnet der Begriff »Kapital« all jene Mittel und Ressour-cen, mit denen man Güter oder Dienstleistungen schaffen

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kann, die auf dem Markt verkauft werden sollen. Die tech-nische Ausstattung eines Unternehmens und andere »an-fassbare« Produktionsmittel nennt man »Sachkapital«. Mitdem Wort »Humankapital« wird beschrieben, was nichtzum Maschinenpark oder zur Infrastruktur gehört: dasWissen, die Fähigkeiten, die Berufserfahrung und Arbeits-motivation der Menschen.

Der Begriff »Sozialkapital« schließlich wurde zu Beginndes 20. Jahrhunderts geprägt. Im Gegensatz zum Human-kapital bezieht er sich auf die Beziehungen zwischen denMenschen. Wo soziales Kapital in Fülle vorhanden ist, hatauch der Einzelne Zugang zu den Ressourcen des gesell-schaftlichen Lebens, erhält Unterstützung, Anerkennung und profitiert von lebendigen Netzwerken. Das ist für Ge-meingüter wichtig. Dennoch stellt sich die Frage, warumselbst unsere Sozialbeziehungen in Verwertungskategoriengedacht werden müssen. Das Verwerten des Sozialen amMarkt ist lebendigen Sozialbeziehungen nicht unbedingt zuträglich.

SpieltheorieDie Spieltheorie als Teilgebiet von Mathematik und So-

ziologie befasst sich nicht etwa mit Gesellschaftsspielen, son-dern mit Entscheidungssituationen, in denen sich Personengegenseitig beeinflussen. Solche Situationen sind natürlichauch für Spiele typisch, was sich in Begriffen wie »Pokerface«oder »bluffen« zeigt. Sie beziehen sich auf die hohe Kunstder Einflussnahme auf die jeweiligen Mitspieler.

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Im Gegensatz zur klassischen Entscheidungstheorie be-schreibt die Spieltheorie also Situationen, in denen der Er-folg des eigenen Handelns nicht nur von den Entscheidun-gen abhängt, die man selbst trifft, sondern auch von denEntscheidungen anderer.

Man unterscheidet zwischen kooperativen und nichtkooperativen Spielen beziehungsweise Entscheidungssitua-tionen.

Unter »kooperativ« versteht man eine Entscheidungs -situation, in der die beteiligten Spieler sich zusammentunkönnen. Der Spielerfolg wird im Team und nicht als Einzel -person errungen. Angeblich sind Gesellschaftsspiele seltenkooperativ, da ein etwaiges Bündnis keine Mittel hat, seineMitglieder zu koordiniertem Verhalten zu bewegen. Interes -santerweise erfreuen sich aber gerade solche Gesellschafts-spiele enormer Beliebtheit, in denen kooperiert werden muss(zum Beispiel Doppelkopf). Einige Spielklassiker beziehenihre besondere Dramatik gerade aus dem unberechenba-ren Wechsel zwischen Kooperation und Verrat. Besondersnervenaufreibende Beispiele hierfür sind die beiden Brett-spiele Mensch-ärgere-dich-nicht und Malefiz. Schach istdemgegenüber ein gutes Beispiel für ein nicht kooperativesSpiel, in dem der Erfolg ausschließlich auf den Aktionen undStrategien der einzelnen Spieler beruht.

Die nicht kooperative Spieltheorie spielt in der akade-mischen Lehre oft eine größere Rolle als die kooperativeSpieltheorie. So wurden die Nobelpreisträger für Wirt-schaftswissenschaften Robert J. Aumann und John Forbes

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Nash Jr. vom Nobelpreiskomitee ausdrücklich für ihre Bei-träge zur nicht kooperativen Spieltheorie gewürdigt, obwohlsie auch entscheidende Beiträge zur kooperativen Spiel-theorie veröffentlicht hatten.

In seiner Nobelpreisrede Krieg und Frieden betonte Robert J. Aumann, dass gerade wiederholte und langfristigespieltheoretische Experimente den Aufweis für Altruismus,Kooperation, Vertrauen, Loyalität, Rache und Bedrohungbrächten, allesamt Phänomene, die auf den ersten Blicknicht der Idee vom eigennützigen, nutzenmaximierenden Individuum entsprächen.

Jüngstes Beispiel dafür sind die im November 2010 imWissenschaftsmagazin Science veröffentlichten Forschungs -ergebnisse des Instituts für Umweltentscheidungen der ETZZürich in Kooperation mit dem Labor für ExperimentelleWirtschaftsforschung der Goethe-Universität Frankfurt. DieForscher haben in einem Feldversuch in den Bale-WäldernÄthiopiens untersucht, unter welchen Bedingungen dieMenschen zugunsten der Gemeinschaft auf eigene Gewinneverzichten.

Das Ergebnis: Menschen stellen ihr Eigeninteresse zumWohl der Allgemeinheit zurück, wenn sie davon ausgehen,dass sich auch andere kooperativ verhalten. Das Verhaltenvon 679 Bauern aus 49 lokalen Waldnutzergruppen wurdemit einem ökonomischen Spiel getestet. Die Auswertungzeigte, dass der Anteil der Personen, die »bedingt ko operie-ren«, stark variierte (zwischen null und 88 Prozent), dassaber Gruppen mit einem hohen Anteil kooperierender Bau-

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ern ihren Wald viel erfolgreicher bewirtschafteten als die anderen. Sie investierten unter anderem mehr Zeit in dieÜberwachung des Waldes. Für die Politik heißt das, wie Pro-jektleiter Devesh Rustagi zusammenfasst, dass es nichtreicht, in Umweltschutzprogrammen Anreize für Einzelne zubieten. Vielmehr müsse es Anreize geben, Kooperation ge-zielt zu stärken.

SystemeEin System ist ein Gebilde aus verbundenen Elementen,

die miteinander wechselwirken und nach außen hin ge-meinsam in Erscheinung treten. Je nach Verhalten kannman verschiedene Systemtypen unterscheiden, zum Beispieleinfache und komplexe Systeme, statische und dynamischeSysteme, autonome und adaptive Systeme, lineare und nichtlineare Systeme, intelligente Systeme, autarke Systeme,selbstregenerierende Systeme und so weiter.

Systeme kann man in praktisch jedem erdenklichenKontext betrachten, da sie auf der herausragenden Fähigkeitunseres Gehirns beruhen, Beziehungen zwischen Dingen(Korrelationen) zu identifizieren. Ob beispielsweise Rahmenund Glas eine Einheit darstellen, sei dahingestellt. Unser Ge-hirn jedenfalls erfasst sie als verschiedene Elemente einer lo-gischen Einheit, des Systems Fenster.

Als »einfaches System« können wir einen Quecksilber-tropfen und sein Volumen in einem Thermometer betrach-ten. Das Volumen vergrößert oder verkleinert sich je nachTemperatur.

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»Komplexe Systeme« erkennt man an den scheinbarunlösbaren Problemen, die sie oft mit sich bringen. EtwaÖkosysteme, die Beziehung zwischen genervten Eltern undihren pubertierenden Kindern und unser Gehirn.

Ein »autonomes System« wirkt starr und dumm. Dieskann in einem bestimmten Kontext Sinn ergeben, wie beimSchließsystem eines Banktresors, dessen Tür sich nach stu-rem Zeitplan öffnet und schließt, von Bankräubern und anderen Umweltfaktoren gleichermaßen unbeeindruckt.Autonome Systeme und solche, die nicht lernen, habenenge Grenzen. So wird eine Motte nicht müde, die ganzeNacht mit dem Kopf gegen eine Straßenlaterne zu fliegenin der irrigen Annahme, dort sei das Licht am Ende desTunnels.

Ein »adaptives System« hingegen ist intelligent. Es ver-ändert seine Struktur aufgrund äußerer oder innerer Para-meter. Adaptive Systeme hatten schon historisch Bedeu-tung, etwa in Form römischer Legionen, deren flexibleFormationen sich gegenüber der griechischen Phalanx alsüberlegen erwiesen.

Auch die Evolution hat zahlreiche adaptive Systemehervorgebracht: den Pupillenreflex im Auge, unser Verhal-tensrepertoire oder den Prozess des Lernens. Die Evolutionselbst kann als System von adaptiven Prozessen betrachtetwerden, in dem sich die Lebensformen immer und immerwieder an neue Umweltbedingungen anpassen.

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Tragik der Allmende (siehe auch Open-Access-Situation)

Mit seiner »Tragik der Allmende« hat der Biologe Gar-rett Hardin allen Commons-Skeptikern die entscheidendeMetapher geliefert. In seinem 1968 veröffentlichten Text argumentiert Hardin, Gemeingüter würden nicht ausrei-chend gepflegt und erhalten, da der Einzelne stets bestrebtsei, für sich selbst einen möglichst großen Ertrag zu erwirt-schaften und die damit verbundenen Kosten auf das ge-meinsame Gut abzuwälzen. Somit trage ein jeder zum Ruinder Gemeinschaft bei – und damit auch zum eigenen Ruin.Darin liege die »Tragik der Allmende«. Übernutzung durchzu viele Menschen, so der Anhänger von Robert Malthus’Bevölkerungstheorie, sei das Schicksal einer jeden Ressour -ce, die allen Menschen zur Verfügung steht.

Es gehört zu den großen Verdiensten der Commons-Forschung, die Unschärfe der Analyse anhand zahlreicherBeispiele widerlegt zu haben. Auch die Forschungen Ost-roms haben gezeigt, dass gemeinsam genutzte Ressourcenkeinesfalls immer »allen frei zugänglich sind« und dass inkonkreten Grenzen und Gemeinschaften, in denen Millionenvon Menschen leben, bei funktionierenden, selbst bestimm-ten Regelwerken durchaus nachhaltig gewirtschaftet wird.

Zahlungen für Umweltdienstleistungen Die so genannten »Payments for Environmental Services«

(PES) gehören zu den marktbasierten Regulierungsinstru-menten der Umweltpolitik. Es gibt Geld für den Schutz

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natürlicher Ressourcen, womit Landbesitzer motiviert wer-den sollen, nachhaltiges Forstmanagement, Gewässerschutzoder Landschaftspflege zu betreiben. Das Funktionsprinzipist einfach: Dinge, die keinen Marktpreis haben – wie die Ar-tenvielfalt, die Schönheit einer Landschaft oder der Grund-wasserstand –, werden mit einem Preisschild versehen undüber spezifische Steuern, internationale Geber, Käufer vonCO2-Zertifikaten oder die Steuerzahler (zum Beispiel Auf-schlag auf Wassergebühren) in Einnahmen verwandelt.Diese kommen den lokalen Akteuren zugute, die die natür-lichen Ressourcen bewirtschaften, von denen die ganze Ge-sellschaft abhängt. Die Empfänger verpflichten sich im Ge-genzug zu einer bestimmten Art der Ressourcennutzung –etwa zum Verzicht auf chemischen Dünger in der Land-wirtschaft oder zur Begrenzung des Holzeinschlags. CostaRica sammelt seit den 70er-Jahren Erfahrungen mit diesemInstrument. Das Land mit ehemals hohen Abholzungsratenhat zu Beginn des neuen Jahrtausends weniger abgeholzt alsnachwuchs. Viele Länder folgen nun dem costa-ricanischenBeispiel, das seinen Erfolg jedoch nicht nur den PES-Pro-grammen verdankt.

Stefanie Engel, Professorin am Institut für Umwelt -entscheidungen der ETH Zürich, bewertet PES-Programmeso: Sie sind direkt und damit schneller als etwa Umwelt -bildungsmaßnahmen. Sie können eine zusätzliche Ein -kommensquelle für arme Landbesitzer bieten und die Pri-vatwirt schaft zur Beteiligung animieren, was nicht immergeschieht. Dort, wo es im direkten Interesse der Landbe -

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sitzer liegt, sich für nachhaltige Praktiken zu entscheiden,sind PES fehl am Platz.

Bei »Cap&Trade« kommt es darauf an, ob die Kappungfunktioniert. Ähnlich ist es mit den PES-Programmen: Hierist entscheidend, welche konkreten Kriterien zum Erhalt einerZahlung berechtigen. Wenn zum Beispiel fast alle Waldbe-sitzer PES-Zahlungen zur Vermeidung von Abholzungen er-halten können, selbst die, die auch ohne PES nicht abgeholzthätten, dann wird sich kein zusätzlicher Nutzen ergeben.

Zudem müssten die Zahlungen sehr differenziert sein,denn die tatsächlichen Kosten für die Umsetzung der vonPES-Programmen geforderten Maßnahmen sind von Land-besitzer zu Landbesitzer verschieden (Gewinneinbußen, Er-haltungskosten, Beschaffung von Informationen und ande-res). Oft aber gibt es Einheitszahlungen pro Hektar. Einweiterer Kritikpunkt, den auch Elinor Ostrom formuliert,ist, dass arme Landbesitzer in der Regel keine formellen Be-sitzrechte haben, was oft Bedingung für einen PES-Antragist, oder dass die Antragskosten und -formalitäten für sieeine zu hohe Hürde darstellen.

Wenn an einem konkreten Standort jedoch zahlreicheUmweltleistungen gebraucht werden und die Entwal-dungsgefahr groß ist, könne das Instrument sinnvoll sein,meint Engel.

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Literatur

Die Originaltexte von Elinor Ostrom, die dem Band zugrunde liegen,sind mit ausführlichen Literaturhinweisen zu weiterführender englischspra-chiger Fachliteratur versehen. Die Leserinnen und Leser werden dort bei Interesse fündig. Auf sehr wichtige Veröffentlichungen habe ich im Text selbstverwiesen, insbesondere zur Verortung der Zitate.

Barnes, Peter: Kapitalismus 3.0. Ein Leitfaden zur Wiederaneignung derGemeinschaftsgüter. Hamburg 2008.

Helfrich, Silke/Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg): Wem gehört die Welt? Zur Wiederentdeckung der Gemeingüter. München 2009. (Mit einem Beitrag von Elinor Ostrom)

Helfrich, Silke/Kuhlen, Rainer/Sachs, Wolfgang/Siefkes, Christian: Gemeingüter – Wohlstand durch Teilen. Ein Report. Berlin 2010.http://www.boell.de/downloads/Gemeingueter_Report_Commons.pdf

International Journal on the Commons: Wissenschaftsjournal für ein besseres Verständnis der Commons und deren Management. Eine Initiative der IASC (International Association for the Study of theCommons) http://www.indiana.edu/~iascp/). Alle Artikel sind onlineverfügbar: http://www.thecommonsjournal.org/index.php/ijc

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Literatur

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Max Planck Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern:http://www.mpg.de/instituteProjekteEinrichtungen/institutsauswahl/recht_gemeinschaftsgueter/index.html

Millennium Ecosystem Assessment (MEA), Ecosystems and Human Well-Being: Synthesis Report. Washington, DC 2005. http://www.milleniumassessment.org/en/index.aspx

Ostrom, Elinor: Die Verfassung der Allmende. Tübingen 1999. Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (WCED-Bericht):

Our Common Future, Bericht für die UN-Vollversammlung. http://www.un-documents.net/wced-ocf.htm

Nutzinger, Hans G.: Nobelpreis in Wirtschaftswissenschaften für ElinorOstrom: Ein Überblick über ihr ökonomisches Hauptwerk, Joint Discussion Paper Series in Economics by the Universities of Siegen,Marburg, Aachen, Gießen, Göttingen und Kassel, No. 24-2010.http://www.uni-marburg.de/fb02/makro/forschung/magkspapers/index_html%28magks%29

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Über die Autorin und Herausgeberin

Elinor Ostromist Professorin für Politikwissen-schaften an der Indiana Universityin Bloomington/USA. 2009 erhielt sie als erste Frau den Nobelpreis fürWirtschaftswissenschaften. Sie setztsich mit Problemen kollek tiven Handelns bei gemeinschaftlich ge-nutzten, jedoch knappen natürli-chen Ressourcen aus einander undgilt international als eine der bedeu-tendsten Commons-Forscherinnen.

Silke Helfrichstudierte romanische Sprachen undPädagogik und war jahrelang in derEntwicklungspolitik tätig. Sie giltals Expertin zum Thema Gemein-güter in Deutschland und betreibtein Blog (www.commonsblog.de)zum Thema.

© Prolineserver 2010, Wikipedia/ Wikimedia Commons

© Jorg Haas

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