Emmaus – unterwegs Gott erfahren · Die Evangelisch-Lutherische Emmauskirche in...

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Die Evangelisch-Lutherische Emmauskirche in München-Harlaching Meditativer Kirchenführer Emmaus – unterwegs Gott erfahren

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Die Evangelisch-Lutherische Emmauskirche in München-Harlaching

Meditativer Kirchenführer

Emmaus – unterwegs Gott erfahren

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Das hinter dem Altar stehende Kreuz befindet sich zwischen der Osterbotschaft des Engels am Grab Jesu und den Dornen als Symbol von Schmerz und Leid. Christus verbindet Helles und Dunkles, Höhen und Tiefen, Leben und Tod. In seinem Namen versammelt sich die Gemeinde, Männer und Frauen, Glückliche und Traurige, Suchende und Zweifelnde, Gläubige und Bekennende.

Alle sind um seinetwillen willkommen.

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Seit 1950 heißt die evangelisch-lutherische Kirche am Laurinplatz Emmauskirche. Der Name erinnert an einen Ort, nicht weit von Jerusalem entfernt, zu dem nach dem Kreuzestod Jesu zwei Jünger aufbrachen, vermutlich weil sie von dorther stammten. Unterwegs begegnet ihnen zunächst noch unerkannt der auferstandene Christus. Beim gemeinsamen Essen am Abend erkennen sie ihn daran, wie er das Brot mit ihnen teilt. Gestärkt, getröstet und voller Freude tragen die beiden Jünger die Oster-botschaft zurück nach Jerusalem und in die Welt: Im gemeinsamen Mahl wird Jesus leibhaftig und lebendig erfahren!

Als die neue Emmauskirche 1964 eingeweiht wurde, wurde diese Geschichte mit ihrer Theologie architekto-nisch umgesetzt. Das weite Zeltdach erinnert daran, dass wir als Gemeinde unterwegs sind und hier keine bleibende Stadt haben. Die Mitte des Kirchenraumes wird von der Altarinsel mit der Kanzel markiert. Die Gemeinde versammelt sich in einem Halbkreis um diese Altarinsel. Hier geschieht alles, was im Gottes-dienst für uns zentrale Bedeutung hat: Verkündigung, Lobpreis und Gebet, Feier des Abendmahls und der Taufe. Das Miteinander wird noch hervorgehoben durch eine Empore mit zwei vorragenden Bastionen, die ebenfalls diesen Halbkreis betonen. Von außen wirkt die Kirche nicht besonders groß. Aber der Besucher tritt überrascht in einen weiten, von hellem Licht durchfluteten Raum. Die Bänke laden ein zum Verweilen und zum Schauen.

Mit diesem Kirchenführer zum 50. Jubiläum sollen die Augen auf die Ausstattung des Kirchenraumes gelenkt und die Sinne auf die dahinter liegende Botschaft angesprochen werden. 1983 wurden die ehemals ganz in weiß gehaltenen Kirchenwände von Hubert Distler kunstvoll in warmen, erdfarbenen Tönen bemalt. Die Fresken an den Seitenwänden nehmen Bezug auf das Thema: Gotteserfahrungen unterwegs.

So will die Emmauskirche im Trubel einer Großstadt Rastplatz sein für die Seele. Der weite Raum, das bergende Dach und die Lichtführung laden ein, sich zu besinnen und sich geborgen zu fühlen in einem Haus Gottes.

Pfarrer Christoph Reichenbacher München-Harlaching, im Sommer 2014

Emmaus – unterwegs Gott erfahren

Grüß Gott!

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Alles hat eine GeschichteDie Anfänge kirchlichen Lebens in Harlaching nahmen 1934 im evangelischen Betsaal Gestalt an. Ein schlichtes Kirchlein am Wege, das 1935 von Architekt Prof. Karl Jäger den Evangelischen in Harla-ching übergeben wurde. Damals war Harlaching noch Teil der Ge-meinde Lutherkirche München-Giesing.

Nach 1964 wurde die alte Em-mauskirche zum Gemeindesaal umgebaut. Die Rundbögen über den Fenstern verschwanden und aus dem Altarbereich wurde eine Bühne. Der Korpus dieses Kreu-zes ist heute ohne Kreuzbalken in der Sakristei über dem Altar angebracht.

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Lukasevangelium Kapitel 24

Die Emmausjünger

13 Und siehe, zwei von ihnen gingen an demselben Tage in ein Dorf, das war von Jerusalem etwa zwei Wegstunden entfernt; dessen Name ist Emmaus.

14 Und sie redeten miteinander von allen diesen Geschichten.

15 Und es geschah, als sie so redeten und sich miteinander bespra-chen, da nahte sich Jesus selbst und ging mit ihnen.

16 Aber ihre Augen wurden gehalten, dass sie ihn nicht erkannten.

17 Er sprach aber zu ihnen: Was sind das für Dinge, die ihr mit-einander verhandelt unterwegs? Da blieben sie traurig stehen.

18 Und der eine, mit Namen Kleopas, antwortete und sprach zu ihm: Bist du der einzige unter den Fremden in Jerusalem, der nicht weiß, was in diesen Tagen dort geschehen ist?

19 Und er sprach zu ihnen: Was denn? Sie aber sprachen zu ihm: Das mit Jesus von Nazareth, der ein Prophet war, mächtig in Taten und Worten vor Gott und allem Volk;

20 wie ihn unsere Hohenpriester und Oberen zur Todesstrafe über-antwortet und gekreuzigt haben.

21 Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen werde. Und über das alles ist heute der dritte Tag, dass dies geschehen ist.

22 Auch haben uns erschreckt einige Frauen aus unserer Mitte, die sind früh bei dem Grab gewesen,

23 haben seinen Leib nicht gefunden, kommen und sagen, sie haben eine Erscheinung von Engeln gesehen, die sagen, er lebe.

24 Und einige von uns gingen hin zum Grab und fanden‘s so, wie die Frauen sagten; aber ihn sahen sie nicht.

25 Und er sprach zu ihnen: O ihr Toren, zu trägen Herzens, all dem zu glauben, was die Propheten geredet haben!

26 Musste nicht Christus dies erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen?

27 Und er fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was in der ganzen Schrift von ihm gesagt war.

28 Und sie kamen nahe an das Dorf, wo sie hingingen. Und er stellte sich, als wollte er weitergehen.

29 Und sie nötigten ihn und sprachen: Bleibe bei uns; denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt. Und er ging hinein, bei ihnen zu bleiben.

30 Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, dankte, brach‘s und gab‘s ihnen.

31 Da wurden ihre Augen geöffnet, und sie erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen.

32 Und sie sprachen untereinander: Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?

33 Und sie standen auf zu derselben Stunde, kehrten zurück nach Jerusalem und fanden die Elf versammelt und die bei ihnen waren;

34 die sprachen: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und Simon erschienen.

35 Und sie erzählten ihnen, was auf dem Wege geschehen war und wie er von ihnen erkannt wurde, als er das Brot brach.

Die Emmausgeschichte

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Der Kirchenmaler Hubert Distler (geb. 13. Juli 1919 in Lindau; gest. 1. Juni 2004 in Grafrath) erlebte den 2. Weltkrieg mit traumatischen Er-fahrungen. Seine Kriegsverletzun-gen zeichneten ihn. Elementare Le-benserfahrungen wurden für ihn in dieser dunklen Zeit bedeutsam. Er entwickelte sich zum vielseitig be-gabten Künstler. 1964 schuf er das Emmausbild (rechts), 1983 bemal-te er die Kirchenwände (links) und 1998 die Decke des renovierten Gemeindesaals.

Der Architekt Franz Lichtblau (geb. 1928 in Bad Tölz) baute mit seinem Partner Ludwig Bauer 44 Kirchen bzw. Gemeindezentren, vor allem in Oberbayern. Dort brauchten die vielen nach dem Krieg „zuge-reisten“ Evangelischen Räume, in denen sie sich versammeln konnten. Viele Kirchen stifteten als Neubauten für diese aus vielen Regionen stammenden Menschen eine neue geistliche Identität. Wichtig für Franz Lichtblau ist die hörende, feiernde und sich begeg-nende Gemeinde. Kanzel und Altar sind nahe bei den Menschen. Die Bänke sind so angeordnet, dass sich die Gemeinde gegenseitig wahrnehmen kann. Elementare, schlichte Formen und freistehen-de Kirchtürme prägen „seine“ Kirchenbauten.

Der Architekt und der Maler

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Das ThemaDer großzügig gestaltete Vorraum zur Kirche wird durch das abstrakte Emmausbild dominiert. Sonne und Mond bestimmen nicht nur den Tages- und Nachtrhythmus, sie stehen auch für das außerirdische Licht, das in unsere Lebenswelt hineinleuchtet. Dunkelheit, Dornen und Disteln, Berge und Mauern bilden auf der anderen Seite die Weltwirklichkeit ab. Sie sind das Kreuz dieser Welt. Dazwischen steht der mit Brot gedeckte Tisch. Jesus Christus, das Brot des Lebens, verbindet Dunkles und Helles, Tod und Leben, Karfreitag und Ostern, irdisches und kosmisches Sein.

Menschen sind eingeladen, diese verbindende Mitte des Lebens zu sehen, mehr noch: diese sich ein-zuverleiben, zum Tisch des Herrn zu kommen und sich dort stärken zu lassen für den Weg ihres Le-bens. Steine und Dornen werden dadurch nicht verschwinden, aber das Licht der österlichen Sonne geht über allem auf.

Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde und schenkst mir voll ein. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde blei-ben im Hause des Herrn immerdar. (aus Psalm 23)

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Bewahrung Der gottesfürchtige Noah erlebt mit seiner Sippe samt ihren Tieren in der Arche die Sintflut. Tod und Ver-derben liegen hinter ihm. Die alles verschlingenden Wassermassen sinken und ziehen sich in die Täler und Senken zurück. Gott erscheint als der, der über seine Schöpfung vollmächtig bestimmt. Vernichtung allen Lebens auf der einen Seite, Bewahrung und Erhaltung des Lebens auf der anderen Seite. Gottes Wirken ist vielfältig. Mit der Geschichte der Arche Noah bekundet das Alte Testament, dass Gott sich selbst für die Erhaltung des Lebens ausgesprochen hat, allerdings im Wechselspiel von Tag und Nacht, Frost und Hitze, Sommer und Winter. Der Regenbogen soll das sichtbare Segenszeichen zwischen Himmel und Erde sein. Das gebrochene Licht erscheint vielfältig und farbenfroh. Die Taube, die Noah hinausschickte, ist selbst zu einem Symbol geworden, nicht nur des Friedens, sondern mehr noch als Symbol für Gottes Heiligen Geist, der aus dem Himmel herab in die Geschicke der Menschheit hinein wirkt.

Die Taube in der Emmauskirche findet sich deshalb nicht bei der Arche, sondern ganz oben über dem Altar. Gottes guter Geist soll über allem schweben und in allem sein und wirken, was in diesem Gotteshaus geschieht.

Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich geschlossen habe zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier bei euch auf ewig. Meinen Bogen habe ich in die Wolken gesetzt, der soll das Zei-chen sein des Bundes zwischen mir und der Erde. (1. Mose 9,12 und 13)

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Licht auf dem WegAuf der linken Seiten des Eingangs und somit gegenüber der Urgeschichte mit der Arche findet sich der siebenarmige Leuchter, die Menora. Sie ist eines der Ursymbole des Judentums und gehört zu den Gegen-ständen, die in der Bundeslade aufbewahrt und aus der Wüste in das gelobte Land mitgeführt wurden, zusammen mit den beiden Tafeln der Zehn Gebote, die Mose am Gottesberg von Gott empfangen hatte.

Der Leuchter erinnert somit an Gottes Gegenwart und Gottes Mitgehen mit seinem Volk Israel. Er erinnert aber auch an die guten Ordnungen, die Gott seinem Volk mit auf den Weg gegeben hat. „Sechs Tage sollst du arbeiten, am siebten aber sollst du keine Arbeit tun.“ (2. Mose 20,9f) In ihrer Funktion als Lichtquelle verweist die Menora aber wiederum auf das erste Schöpfungswerk Gottes hin: „Es werde Licht!“ (1. Mose 1,3)

In übertragener Weise erinnert damit die Menora an einen Gott, der Licht auf dem Wege ist und Erleuchtung, innere Einsicht schenkt. Gottes Wirken verdanken wir es, wenn wir die Dinge des Lebens und das Leben selbst in seinem Lichte besehen können und mit Herz und Verstand zum Glauben kommen.

Du sollst auch einen Leuchter aus feinem Gold machen. Sechs Arme sollen von dem Leuchter nach beiden Seiten ausgehen, nach jeder Seite drei Arme.(2. Mose 25,31 und 32)

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Früchte des Lebens Die Weintraube steht für das verheißene Land; Menschen, die nur die Kargheit einer Wüstenlandschaft kannten, müssen Weinberge mit Weinreben paradiesisch vorgekommen sein - wie ein Land, in dem Milch und Honig fließen. Die Weintraube steht für die Sehnsucht der Menschen, an ein Ziel zu kommen, wo es eine Lust ist zu leben; für die Sehnsucht nach vollendetem - gereiften - Leben; für einen Ort, an dem alles gut ist; ein Ort, der durch überfließende Freude bestimmt wird. So ist der Weinstock mit seinen Früchten selbst zum Sinnbild des Werdens geworden. Der Saft des Weinstocks, der Wein wird zum Symbol der Ver-wandlung. Jesus rettet die Hochzeitsfeier von Kana, indem er Wasser zu Wein verwandelt. Der Himmel als Ort überirdischen fröhlich-festlichen Lebens wird verglichen mit einem Hochzeitsmahl; und Jesus selbst deutet sein Leben mit der Jüngerschar mit diesem Bild: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht.“ (Johannes 15,5)

Die Weintraube kann somit zu einem Wegweiser für unser Lebensziel werden. Wir selbst sollen einmal verwandelt werden in der Ewigkeit, und der Wein, den wir beim Abendmahl trinken, ist der Vorgeschmack darauf.

Und sie gingen hinauf und erkunde-ten das Land von der Wüste Zin bis nach Rehob und kamen bis an den Bach Eschkol und schnitten dort eine Rebe ab mit einer Weintraube und zogen sie zu zweien auf einer Stange, dazu auch Granatäpfel und Feigen. Und nach 40 Tagen, als sie das Land erkundet hatten, kehrten sie um und sie erzählten ihnen und sprachen: Wir sind in das Land ge-kommen, in das ihr uns sandtet. Es fließt wirklich Milch und Honig darin und dies sind seine Früchte. (4. Mose 13,21.23.25.27)

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Heilsames ErschreckenNiemand kennt die Stunde seines eigenen Todes. Niemand weiß, wann das Ziel des Lebens erreicht wird. Wir leben nicht nur in einer Erwartung, sondern eben auch in einer Zeit der Vorbereitung und in einer Zeit, die bestimmt ist von Tag und Nacht, von hellen und schweren Tagen.

Das Gleichnis von den fünf klugen und fünf törichten Jungfrauen (Matthäus 25,1-13) macht darauf aufmerk-sam, dass wir den entscheidenden Moment im Leben verpassen können, weil wir ihn nicht sehen; oder es an Licht mangelt, weil nicht rechtzeitig vorgesorgt wurde.

Die Begegnungen mit Gottes Wirken, mit seiner lichten Wahrheit sollen unseren Glauben stärken, dass am Ende unserer irdischen Tage nicht die ewige Nacht, nicht der Tod als Letztes kommt, sondern Christus. Dies soll uns beizeiten „einleuchten“, damit wir im Herzen getrost und bei hellwachem Verstand die letzte Begegnung mit Gottes Klarheit erwarten können.

Jesus mahnt seine Jünger: Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen. Seid bereit, denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr es nicht meint. (Lukas 12,35 und 40)

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Engel am WegeDer Prophet Elia gehört zu den schillerndsten Gestalten des Alten Testamentes. Voller Zorn und Tatkraft gegenüber heidnischen Bräuchen auf der einen Seite und dann wieder voller Verzagtheit und lebensmüde auf der anderen. Auf wundersame Weise erhält Elia unterwegs Nahrung, wird gestärkt und getröstet, damit er seinen Weg weitergehen kann. Hubert Distler hat zwei Geschichten in ein Bild genommen, denn wenig später will Elia in der Wüste die Augen zumachen und sterben. „Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iss, denn du hast einen weiten Weg vor dir.“ (1. Könige 19,7)

Manchmal sind es unerwartete Begegnungen und unvorhersehbare Stärkungen, die uns trösten und auf-richten. Elia steht für viele, die voller Leidenschaft für eine Sache leben und ihre Lebenskraft einsetzen, um mit Feuereifer ihr Ziel zu erreichen. Allzu oft spüren solche Menschen, dass sie dabei innerlich verbrennen und keine Kraft mehr haben. Gott sei Dank holt uns Gottes Wirklichkeit auch an den Tiefpunkten, in den Niederlagen unseres Lebens ein. Am Ende des Weges erfährt Elia am Gottesberg, dass Gottes Wirken ganz anders ist. Kein Donnerwetter mit Sturm und Erdbeben, sondern ein leiser Windhauch, ein Spirit, der im Vorübergehen – en passant – aufatmen lässt.

Und das Wort des Herrn kam zu Elia: Geh weg von hier und wende dich nach Osten und verbirg dich am Bach Krit, der zum Jordan fließt. Und du sollst aus dem Bach trinken und ich habe den Raben geboten, dass sie dich dort versorgen sollen. (1. Könige 17,3 und 4)

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Engel am GrabeEngel kommen an vielen Stellen der Bibel vor. Sie selbst sind nicht so wichtig; aber das, was sie tun und sagen, hat Gewicht. Sie sind Gottes Boten, die etwas ausrichten und damit Menschen aufrichten. Wie auch jene drei Frauen am Ostermorgen, die mit ihren Salbgefäßen todtraurig zum Grab Jesu kommen, um dessen Leichnam zu balsamieren.

Das ganz mit Gott geeinte Leben ist jedoch nicht totzukriegen. Das österliche Leben wird nicht in den Gräbern von Leid und Schmerz gefunden. Die Ostererfahrung lässt aufhorchen und aufstehen. Die Frauen, wie auch jene Emmausjünger, sollen ihre Erfahrung nicht für sich behalten, sondern weitergeben. Gott begegnet an der Grenze von Leben und Tod und Gottes Wort führt zurück ins Leben. Die Urbotschaft des christlichen Glaubens ist das Bekenntnis: „Christus ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden!“ (Lukas 24,34)

Fürchtet euch nicht, ich weiß, dass ihr Jesus den Gekreuzigten sucht. Er ist nicht hier, er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her und seht die Stätte, wo er gelegen hat. (Matthäus 28,5 und 6)

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Jünger seinPetrus, der erste unter den Jüngern, der Fels, auf dem die Kirche gegründet sein soll – er gerät ins Straucheln und Wanken. Petrus erlebt die bitterste Stunde seines Jüngerdaseins: Er versagt. Unverbrüchlich sollte seine Treue sein, unbedingt wollte er zu Jesus halten, ja sein Leben für ihn hergeben. Die Erfahrung der eigenen Schwäche und der eigenen Unvollkommenheit treiben Petrus die Tränen in die Augen. Er erfährt, was es heißt zu versagen, aber er erfährt – nach Ostern! – auch, dass Jesus ihm sein Vertrauen nicht entzieht und seine Liebe zu ihm nicht versagt. Petrus spielt weiter eine führende Rolle in der urchristlichen Gemeinde und wird am Ende seines Lebens selbst zum Blutzeugen, zum Märtyrer für seinen Glauben an Jesus Christus.

Manchmal sind es gerade die bitteren Erfahrungen, die uns wachsen lassen und uns Stärke geben für schwere Zeiten.

Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. (Matthäus 26,34)

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Jünger werdenEigentlich sollte nicht viel passieren, nur die Neugier wollte er befriedigen. Dabeisein wäre alles gewesen. Den berühmten jüdischen Lehrer Jesus von Nazareth mit seiner Jüngerschar wollte er sich nicht entgehen lassen, als dieser durch Jericho kam. Dann passiert das Unglaubliche: Zachäus wird von Jesus erkannt und heruntergeholt aus dem sicheren Versteck, vorgeführt vor aller Augen - nur dass es statt Ermahnungen und Vorhaltungen eine Wertschätzung für Zachäus gibt: gemeinsames Essen und Trinken in dessen Haus. Zachäus weiß um die wütenden Blicke der Menge und er weiß auch, was er für ein Mensch ist. Weil Jesus ihn sieht, kann er auch sein Leben mit Jesu Augen ansehen und selbst erkennen: So wie bisher geht es nicht weiter! Vielleicht hat er sich sogar der Schar der Jesusjünger angeschlossen, vielleicht ist er auch in Jericho geblieben, in jedem Fall hatte seine Begegnung mit Jesus von Nazareth unerwartete Folgen: „Die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich das Vierfache zurück.“ (Lukas 19,8)

Es passiert ohne eigenes Zutun, dass einem die Augen aufgehen und Kräfte zufließen, die das Leben verändern zum Guten. Zachäus erfährt nicht den erhobenen Zeigefinger von Recht und Moral, sondern die ausgestreckte Hand Jesu. Gott will Menschen auf Augenhöhe begegnen und gerade durch Unerwartetes und Unvorhergesehenes hindurch neue Perspektiven eröffnen: Für Gott, für sich selbst und für andere.

Als Jesus zu dem Maulbeerbaum kam, sah er auf und sprach zu Zach-äus: Steig eilend herunter, denn ich muss heute in deinem Hause ein-kehren. (Lukas 19,5)

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Gut bedachtMenschen sind unterwegs, als Gemeinde Jesu Christi sind wir unter-wegs und haben hier keine bleibende Stadt. Das weite Zeltdach der Emmauskirche erinnert an unser eigenes Auf-dem-Weg-Sein und unser vorläufiges Behaust-Sein. Leicht und weit spannt sich das Dach dieser Kirche über die Bankreihen und die Altarinsel.

Diese Insel mit Kanzel und Altar betont die Einheit von Wort und Sa-krament, von Verkündigung des Evangeliums und Feier des Heiligen Mahles. Beides geschieht auf einer Ebene, ist nah zusammen und soll wechselseitig die eine Wahrheit der ewigen Liebe Gottes zu den Menschen architektonisch bezeugen.

Hier kann alles zusammenkommen: die Menschen mit ihrem Suchen und Fragen nach Ruhe und Orientierung in der Hektik einer schnellle-bigen Zeit; oder mit ihrem Dank und ihrer Freude über ihr Dasein. Die Altarinsel mit ihrer runden Form vermittelt sinnenhaft einen Ort der Ruhe und Beständigkeit, einen Ort der Ganzheit und Vollkommenheit. Was dort geredet und getan wird, gilt für Zeit und Ewigkeit.

Eines bitte ich vom Herrn, das hätte ich gerne, dass ich im Hause des Herrn bleiben könne mein Leben lang, zu schauen die Freundlich-keit des Herrn und seinen Tempel zu betrachten, denn er deckt mich in seiner Hütte zur bösen Zeit, er birgt mich im Schutz seines Zeltes und erhöht mich auf einen Felsen. (Psalm 27,4 und 5)

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Buch der BücherSeit 1935 liegt diese Altarbibel auf dem Altar der Emmauskirche – der alten wie der neuen. Gottes Wort begleitet diese Gemeinde Woche für Woche, Jahr für Jahr.

Der damalige Landesbischof D. Hans Meiser hat sie persönlich zur Einweihung des Betsaals in München-Harlaching unter jenes Wort aus dem Lukasevangelium gestellt.

Über 80 Jahre hat die Gemeinde in Harlaching Woche für Woche und Jahr für Jahr Trost und Wegweisung aus diesem Buch erfahren. Unzählige Männer und Frauen, Kinder, Jugendliche und Erwachsene haben das Ihre dazu beigetragen, dass Gottes Wort lebendig bleibt, gehört und gelebt werden kann.

Als Gemeinde der einen Kirche Jesu Christi waren, sind und bleiben wir diesem Auftrag verpflichtet.

Selig sind, die das Wort Gottes hö-ren und bewahren. (Lukas 11,28)

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Mittel zum LebenSchlichte Formen haben die Zinngefäße für das Abendmahl. Das Wesentliche ist unsichtbar. Elemente des Lebens stehen auf dem Tisch. Eingeladen dazu sind alle getauften Christen. Brot und Wein stehen bereit. Als Wegzehrung für Menschen unterwegs und als Symbol der Einheit mit dem Leib Jesu Christi und seiner Kirche. In Brot und Wein verkörpert sich die Liebe Gottes, die in Jesus Christus Hand und Fuß bekommen hat. Das Geheimnis des Glaubens ist es, im gemahlenen Korn und im ausgepressten vergorenen Saft des Weinstocks mehr zu sehen und zu erkennen, mehr zu schmecken und sich einzuverleiben als nur Lebensmittel. Es geht um die Mitte unseres Glaubens.

Christus sagt: „Ich bin das Brot des Lebens.“ (Johannes 6,35) Und: „Ich bin der Weinstock .“(Johannes 15,5)

Schmecket und sehet, wie freund-lich der Herr ist. (Psalm 34,9)

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Kreuz-weiseDas Grundsymbol des christlichen Glaubens fehlt in keiner Kirche. Wer an diesem Altar redet und han-delt, soll wissen: Hinter dem, was ich tue und sage, steht Christus, der Gekreuzigte. Mit Christus im Rücken wird gebetet und gehan-delt. Und Christus hält den Rücken frei, um ehrlich den Tatsachen ins Auge zu blicken. Bei schwachem Licht verschmilzt der Korpus mit dem Kreuz. Genauer betrachtet fällt die Haltung auf, die an eine romanische Christusdarstellung erinnert: Christus, der König, der Weltenrichter, der Herr ist über Leben und Tod und der am Kreuz das letzte Wort, das Urteil spricht: Es ist vollbracht. (Johannes 19,30)

Das Prozesshafte des Kreuzes-geschehens wird vom Künstler zweifach umgesetzt: Das Kreuz selbst ist bereits durchbrochen, das Licht kommt zum Vorschein.

Der Bergkristall, Symbol für Rein-heit, erinnert an verwandelnde und verbindende Prozesse im Inneren eines Berges. Scheinbar „tote“ Materie kristallisiert sich als kostbares Gut heraus.

Im Kreuz Jesu Christi wird der Glaube der Christenheit auf die Spitze getrieben. Gott geht den dornigen Weg, nimmt den Tod auf sich, damit wir selbst am le-bensfeindlichsten Punkt unseres Lebens mit Gott rechnen können. Dass Gott einer ist, der von Men-schen verurteilt wurde, leidet und stirbt, durchkreuzt alle bisherigen Vorstellungen von den Göttern die-ser Welt. Nur wer auch alle Ohn-macht kennt, ist in Wahrheit der allmächtige Gott.

Als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten und hoher Weis-heit, euch das Geheimnis Gottes zu verkündigen; denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, den Ge-kreuzigten. (Der Apostel Paulus im 1. Korintherbrief 2,1 und 2)

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Wort-mächtigNicht abgehoben und nicht über-heblich soll der Mensch da ste-hen, der hinter diese Kanzel tritt und Gottes Wort predigt. Nah bei den Menschen, schlicht und be-scheiden im Auftritt. Aber kraftvoll und überzeugend in dem, was er sagt. Der Hintergrund aller christ-lichen Predigt ist das Osterge-schehen. Ohne die Auferstehung Christi hätte niemand auf einer Kanzel etwas zu sagen. So aber verschlägt es uns selbst bei Leid und Tod nicht die Sprache.

Karlheinz Hoffmann schuf Kanzel, Altar, Taufstein und auch das ge-schmiedete Kreuz.

So kommt der Glaube aus der Pre-digt, das Predigen aber durch das Wort Christi. (Römer 10,17)

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Wasser des LebensGenerationen wurden an diesem Taufstein getauft, Kinder und Erwachsene sind hier mit dem Lebenswasser der Taufe in Berührung gekommen. Die Rundung des Taufsteins korrespondiert mit der Altarinsel und der Fensterrosette darüber.

Jedem Täufling wird bei der Taufe ein biblisches Wort mitgegeben. Was hier am Taufstein geschieht, ist Menschen unverfügbar, steht ganz und gar in Gottes Hand und will im Licht von Kreuz und Auferstehung geglaubt werden, ist ein sarkamentales Geschehen über alle Vergänglichkeit hinweg. Als Getaufte haben wir eine Lebenserwartung, die über den Tod hinausreicht in alle Ewigkeit.

Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker, tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. (Matthäus 28,19)

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Licht des GlaubensMartin Luther schrieb in den schweren Stunden innerer Zweifel und Glaubenskämpfe die Worte auf seine Tafel: Ich bin getauft.

Menschen kommen heute hier in die Kirche und zünden eine Ker-ze an, denken an andere Menschen oder bedenken ihr Leben und sprechen ein Gebet, manchmal ist es vielleicht nur ein Seufzen oder ein Stoßgebet. Die eigene Taufe wird so zu einer Quelle, aus der wir schöpfen können, um so gestärkt, beruhigt und getröstet die nächsten Schritte ins Auge zu fassen.

Denn bei dir ist die Quelle des Le-bens und in deinem Licht sehen wir das Licht. (Psalm 36,10)

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Das OktogonDas gleichmäßige Achteck, das Oktogon, versinnbildlicht Irdi-sches und Überirdisches. Die Zahl sieben verweist auf die ers-te Schöpfung in sieben Tagen, der achte Tag erinnert an den Ostersonntag, den ersten Tag der neuen Woche, den Tag der Auferweckung Jesu von den Toten.

Schöpfung und Neuschöpfung spiegeln sich in jedem achtecki-gen Kirchenraum wieder. Als Men-schen leben wir im Rhythmus der Sieben-Tage-Woche, als Christen erwarten wir die Vollendung un-seres Lebens durch die barmher-zige und grenzenlos kreative Kraft Gottes.

Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. Denn der ers-te Himmel und die erste Erde sind vergangen… Und der auf dem Thron saß, sprach: „Siehe, ich mache al-les neu!“ (Offenbarung 21,1.5)

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Golgatha bei LichtAnders als viele Kirchen ist die Emmauskirche nicht nach Osten ausgerichtet, der aufgehenden Sonne entgegen, sondern hat eine Nordrichtung. Dahinter stand eine bauliche Notwendigkeit des Grundstück-zuschnitts. Das von dem Künstler Rudolf Büder 1964 geschaffene Glasfenster „Passion“ korrespondiert als einziges kreisrundes Kirchenfenster mit der ebenfalls runden Altarinsel. Was sich unten auf der Ebene der Gemeinde abspielt, wird noch einmal abstrakt-überhöht in der Fensterrosette wiedergegeben. Das Kreuz von Golgatha ist aufgerichtet als Zeichen für eine Welt voller Leid, Schmerz und Tod. Das Blut Jesu färbt nicht nur die Erde rot, es wird aufgefangen im Kelch des Heils. Das Blut Jesu durchwirkt die Erde und

Der Menschensohn ist nicht ge-kommen, um sich dienen zu las-sen, sondern dass er diene und sein Leben gebe zu einer Erlösung für viele. (Matthäus 20,28)

verbindet sich im Abendmahl mit unserem Blut. In diesem Gesche-hen wird die vollkommene Liebe Gottes sichtbar, so vollkommen, wie es die geometrische Figur des Kreises ist.

Weil die Kirche nach Norden aus-gerichtet ist, scheint das Licht der Sonne nur wenige Tage im Jahr darauf. Um Johannis, dem Höhepunkt des Sonnenjahres, bekommt die Kirche am Abend einen besonderen Glanz. Johan-nes der Täufer verweist am längs-ten Tag des Jahres auf den, der in der längsten Nacht des Jahres geboren wurde. So lässt sich in der Rosette Karfreitag und Weih-nachten, Leid und Tod, Licht und Leben gleichermaßen entdecken.

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Klingende KircheMit dem Bau der neuen, viel größeren Emmauskirche 1964 konnte auch große Kirchenmusik aufgeführt werden. Zunächst noch mit der bescheidenen kleinen Orgel aus der alten Kirche. 1969 kam dann die neue große Orgel mit zwei Manualen und 26 Registern (Fa. Stöberl).

Die Orgelmeditationen mit Kerzenlicht wurden „erfunden“ und der Münchner Konzertchor, früher Münchner Singkreis, bietet mehrmals im Jahr große kirchenmusikalische Werke an. Von Luther stammt das berühmte Wort, dass die Musik nach der Theologie die zweitbeste Gottesgabe sei. Oft sind es ja Lieder und Melodien, die Menschen auf ihrem Lebensweg begleiten oder an bestimmte wichtige Lebensabschnitte und Begebenheiten erinnern.

Die eigene Lebensmelodie zu finden und durch die vielen Geräusche des Alltags hindurch zu hören, ist die Aufgabe jedes Menschen. Der Zweck aller Kirchenmusik ist es freilich, Gott zu loben und teilzuhaben am Auftrag der Verkündigung des Evangeliums. So wie es Johann Sebastian Bach unter alle seine Werke schrieb: „Soli Deo Gloria, allein Gott sei Ehre und Ruhm.“

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1991 wurden um der besseren Akustik willen diese Verkleidungen nach einer Asbestsanierung an der Empore angebracht. Betrachter rätseln, was der Künstler damit ausdrücken wollte. Letztlich kann jeder darin sehen, was er sehen will, abstrakte oder gegenständliche Figuren.

Hubert Distler, der auch diese angefertigt hat, hat es bewusst in künstlerischer Freiheit offen gelassen. Auch die Phantasie des Betrachters soll angeregt und nicht eingeschränkt werden.

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Die violette Farbe erinnert an Buße, Einkehr und Umkehr. Fas-ten heißt nicht nur, sich zu enthal-ten, sondern auch frei zu machen. Vielleicht hat deshalb der Künst-ler Hubert Distler ein Segment auch frei gelassen. Das Irdische wird durch das Kreuz betont. Der Stern steht für Erwartung und Ge-burt, die Dornen für die Passion Jesu, sein Leiden und Sterben.

Weiß ist die Farbe der reinen Freude und des Lichtes. Christus, das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt, ist auch der, der am Ende als Weltenrichter die Krone trägt und den treu Glaubenden die Kronen des Lebens schenkt. (Offenbarung 2,10)

Rot ist die Farbe der Liebe als die positive Urkraft des Lebens. Leben will sich verströmen, dyna-misch neues Leben hervorrufen. Das Zentrum der Liebe ist Gott selbst, der in Christus, dem Gekreuzigten, mitten in unsere Welt gekommen ist. Christus ist der Eckstein, das Fundament der Kirche, die durch Gottes Geist ge-gründet und beseelt wird und die in alle Himmelsrichtungen wach-sen und begeistern soll.

Grün ist die Farbe des wachsen-den Lebens, das grünen und blü-hen will. Gott lässt sich in seiner Schöpfung finden. Diese ist be-stimmt durch die Sieben-Tage-Wo-che. Irdisches und Überirdisches sind zwei Wirklichkeiten der einen gottgegebenen Erfahrungswelt. Am 7. Tag, dem Ruhetag Gottes, verbinden und durchdringen sich diese beiden. Die Trinitatiszeit hat ihren Namen vom Fest der Dreiei-nigkeit Gottes. Alles geschieht im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Mit Farbe und SymbolikDie Kirchenjahreszeiten werden durch unterschiedliche Farben der Paramente gekennzeichnet. Violett bestimmt die beiden Fastenzeiten: Advent und Passion. Weiß die Zeiten und Feiertage, an denen es um eine Heilstat Gottes durch Jesus Christus geht: Weihnachten, Epiphani-as, Ostern, Himmelfahrt, Trinitatis und Ewigkeitssonntag. Rot steht als Farbe für den Heiligen Geist, der die Kirche ins Leben ruft und erhält: Pfingsten und Reformationsfest. Grün ist die Farbe des Lebens in der Nachfolge Jesu – die Zeit des Jahres, in der es darum geht, den Glauben zu festigen und zu bewähren: Die Epiphanias- und Trinitatiszeit.

Allen Paramenten gemeinsam ist der Kreis, Sinnbild für Ganzheit und Vollkommenheit. Im Hier und Jetzt wird das Leben jedoch begrenzt erfahren. Es gibt Oben und Unten, Himmel und Erde.

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Ein Ort der StilleZu einem kleinen Andachtsraum wurde die ehemals schmucklose Sakristei 2010 umgestaltet. Hier finden Beichtfeiern und Kirchen-eintritte statt. Auch kleinere Tauf-feiern und Hochzeiten können hier vollzogen werden. Der ohne Kreuz angebrachte Christus-korpus, der bereits in der alten Emmauskirche über dem Altar zu sehen war, nimmt eine segnende Haltung ein. Dadurch erfährt der Betrachter etwas Schwebendes, Leichtes trotz aller Schwere des Karfreitagsgeschehens.

Zur Freiheit hat uns Christus befreit. (Galater 5,1)

Das Parament wurde in unserer Partnergemeinde Bonde la Ruvu in Tansania angefertigt. Es zeigt die Grundelemente unseres Glau-bens: Brot und Wein wird unter dem Kreuz Jesu als Zeichen der Liebe Gottes erfahren.

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Sichtbar und hörbarWeithin zu hören sind die Glo-cken im Turm der Emmauskir-che. Die beiden kleineren der vier Glocken hingen bereits im Zwiebeltürmchen des Betsaals. Die kleinste trägt die Inschrift: „Wer mich bekennt vor den Menschen, den werde ich auch bekennen vor meinem himmli-schen Vater.“ (Matthäus 10,32) Die andere kam erst 1955 dazu und war dem Andenken an die Opfer des Krieges gewidmet. Auf ihr findet sich das Bibelwort: „Ich lebe und ihr sollt auch leben!“ (Johan-nes 14,19) Die beiden größeren Glocken wurden 1964 in der Glocken-gießerei Erding neu gegossen. Die sog. Gebetsglocke hat als Inschrift die Bitte der Jünger auf ihrem Emmausweg: „Herr, bleibe bei uns.“ (Lukas 24,29) Auf der größten Glocke, die am weitesten hörbar ist, steht der Schluss des Vaterunsers: „Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.“ (Matthäus 6,13) Das Läuten zeigt nicht nur eine bestimmte Stunde am Tag an oder lädt zu gottesdienstlichen Feiern ein. Es ermuntert vielmehr täglich mittags und abends beim Glockenklang, kurz innezuhalten in dem, was gerade getan wird, und daran zu denken, dass all unser Tun vergeblich ist, wenn Gott nicht seinen Segen dazu gibt.

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Treten Sie ein! Die Emmauskirche ist ein Rastplatz für Leib und Seele. Sie ist ein Ort zum Atemholen und Kraft schöpfen. Menschen sollen auf ihrem Weg durchs Leben gut begleitet werden und dafür mit Zuversicht und Gottvertrauen zugerüstet werden. Die Emmauskirche ist eine offene Kirche, in der die Menschenfreundlichkeit Gottes erfahren werden soll.

Der Leitsatz unserer Emmaus-Kirchengemeinde lautet: Mit Herz und Verstand – wir tun was für Leib und Seele und das aus gutem Grund.

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Möge dein Weg

dir freundlich entgegenkommen,

Wind dir den Rücken stärken,

Sonnenschein deinem Gesicht

viel Glanz und Wärme geben.

Der Regen möge deine Felder tränken

und bis wir beide, du und ich,

uns wiedersehen,

halte Gott schützend

dich in seiner hohlen Hand.Irischer Segenswunsch

ImpressumHerausgegeben vom Evang.-Luth. Pfarramt der Emmauskirche, Langobardenstr. 16, 81545 MünchenIdee, Konzeption und Text: Pfarrer Christoph ReichenbacherBeratung: Waltraut von LamezanGrafische Gestaltung: Dorothea Arenz-DrescherFotos: Alle Fotos Dr. Ernst-Heinrich und Ellen Göldner, München, außer Seite 4, 5, 6Bilder/Fotos: privat und ArchivAlle Fotos und Texte sind urheberrechtlich geschütztDruck: infotex-digital, KDS Graphische Betriebe GmbHNachdruck nur mit Genehmigung, München 2014