Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernden Schule Auftaktveranstaltung zum p...

25
Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernd en Schule Auftaktveranstaltung zum pädagogischen Schwerpunktthema des Landesschulrates für Steiermark 2006/2007 Graz, 26.9.2006 Wolfgang Dür,

Transcript of Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernden Schule Auftaktveranstaltung zum p...

Page 1: Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernden Schule Auftaktveranstaltung zum p ä dagogischen Schwerpunktthema des Landesschulrates.

Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernden

Schule

Auftaktveranstaltung zum pädagogischen Schwerpunktthema des

Landesschulrates für Steiermark 2006/2007

Graz, 26.9.2006

Wolfgang Dür, Univ.-Lektor Mag. Dr.

Page 2: Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernden Schule Auftaktveranstaltung zum p ä dagogischen Schwerpunktthema des Landesschulrates.

Vier Fragen

1. Wie gesund oder krank sind unsere Kinder?

2. Welche Rolle spielt die Schule für die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen?

3. Wie haben die gesundheitsfördernden Schulen darauf reagiert? Wie erfolgreich war das?

4. Was ist Empowerment? Wie kann Empowerment in der Schule als Leitkonzept eingesetzt werden?

Page 3: Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernden Schule Auftaktveranstaltung zum p ä dagogischen Schwerpunktthema des Landesschulrates.

Gesundheit bei Schuleintritt und Primarstufe:

körperliche Gesundheit• ca. 20% ein eingeschränktes Sehvermögen• ca. 10% ein vermindertes Hörvermögen • ca. 10% Erkrankungen des Bewegungsapparates • Karies befallene Zähne: 19% bis 48%• ca. 10% der Kinder mit chronischer Krankheit und/oder

Behinderung • 10% bis 40% der Kinder Erkrankungen des allergischen

Formenkreises (Neurodermitis, allergische Rhinokonjunktivitis, Asthma bronchiale)

• Übergewicht: 7% bis 19% der Kinder sind zu dick; 10- bis 15-Jährigen KärntnerInnen 22% (Burschen), 25% (Mädchen)

(Benkert et al. 2003, Dür et al. 2006, Kromer 2002:116, Robke 1999, Prendergast et al. 1997, Schäfer & Päßler 1996, Ravens-Sieberer et al. 2003, WHO Regionalbüro Europa 2003)

Page 4: Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernden Schule Auftaktveranstaltung zum p ä dagogischen Schwerpunktthema des Landesschulrates.

Gesundheit bei Schuleintritt und Primarstufe: psychische (mentale) Gesundheit

• 10% bis 25% Entwicklungsdefizite im Sprachbereich• 5% bis 10% Entwicklungsrückstände der Grob- und

Feinmotorik• 4% bis 7% Teilleistungsschwäche Legasthenie; zusätzlich

10% mit förderrelevanter Leseschwäche • 4% - 7% Teilleistungsschwäche Dyskalkulie; zusätzlich 15%

mit förderrelevanter Rechenschwäche• 10% Angststörungen (Schulangst, Schulphobie,

Sozialphobie) • 8% aggressiv-dissoziale Störungen • 4% - 6% depressive und hyperkinetische Störungen

(ADHS)

Dordel 1998, Krombholz 2005, Straßburg et al. 2003, Thiel 2006, Ihle & Esser 2002, Wittchen 2000, Petermann 1995 Schäfer 1996, Olweus 1993

Page 5: Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernden Schule Auftaktveranstaltung zum p ä dagogischen Schwerpunktthema des Landesschulrates.

Subjektive Gesundheit nach Alter und Geschlecht

4142

52

2328

36

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

11 Jahre 13 Jahre 15 Jahre

Knaben

Mädchen

SchülerInnen, die ihren Gesundheitszustandals “ausgezeichnet” beschreiben

Quelle: WHO-HBSC-Survey 2002

Page 6: Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernden Schule Auftaktveranstaltung zum p ä dagogischen Schwerpunktthema des Landesschulrates.

Subjektive Gesundheit der österreichischen SchülerInnen im Trend der 90er Jahre

44

35

5453

58

4740

51

4343 34

32

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

1990 1994 1998 2001

11 Jahre

13 Jahre

15 Jahre

SchülerInnen, die ihren Gesundheitszustandals “ausgezeichnet” beschreiben

Quelle: WHO-HBSC-Survey 1990, 1994, 1998, 2002; Dür 2002

Page 7: Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernden Schule Auftaktveranstaltung zum p ä dagogischen Schwerpunktthema des Landesschulrates.

Psychische Beschwerden bei 15-jährigen SchülerInnen in Österreich

05

10152025303540

fast täglich mehrmalsw öchentlich

w öchentlich monatlich selten odernie

Burschen Mädchen

Quelle: WHO-HBSC-Survey 2002

Kopfschmerzen, Magen/Bauchschmerzen, Rückenschmerzen, allgemein schlechtes Befinden, Gereiztheit, Nervosität, Schlafstörungen, Nackenschmerzen Ängste, Müdigkeit/Erschöpfung – mindestens ein Symptom nach Frequenz

Page 8: Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernden Schule Auftaktveranstaltung zum p ä dagogischen Schwerpunktthema des Landesschulrates.

Ein Blick zu den LehrerInnen (Hofinger et al. 2000)

• 60% der LehrerInnen haben psychische Probleme

• 50% leiden an Burnout• 38% leiden an Herz/Kreislaufproblemen

Page 9: Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernden Schule Auftaktveranstaltung zum p ä dagogischen Schwerpunktthema des Landesschulrates.

Welche Rolle spielt die Schule für die Gesundheit der

SchülerInnen?• Ökologische Bedingungen

– Räume, Luft, Lärm– chemische und biologische Kontaminationen

(Schimmel, Staubmilben...)

• Psychosoziale Bedingungen– Schulzufriedenheit– Schulklima– Beziehungen– Demokratie

• Bedingungen des Kernprozesses Lehren/Lernen– Unterstützung durch LehrerInnen– Unterstützung durch MitschülerInnen

Page 10: Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernden Schule Auftaktveranstaltung zum p ä dagogischen Schwerpunktthema des Landesschulrates.

Schulzufriedenheit in Österreich

2720

60

2425

60

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

11 Jahre 13 Jahre 15 Jahre

Knaben

Mädchen

Prozentsatz der SchülerInnen, denen es in der Schule “sehr gut“ gefällt, nach Alter und Geschlecht

Quelle: WHO-HBSC-Survey 2002

Page 11: Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernden Schule Auftaktveranstaltung zum p ä dagogischen Schwerpunktthema des Landesschulrates.

Subjektive Gesundheit und Schulzufriedenheit

Quelle: WHO-HBSC-Survey 2002

16,8

28,7

48,1

0

10

20

30

40

50

60

nicht/w enig zufrieden zufrieden sehr zufrieden

r = .255 p = .000

SchülerInnen, die ihren Gesundheitszustandals “ausgezeichnet” beschreiben

mit der Schule ...

Page 12: Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernden Schule Auftaktveranstaltung zum p ä dagogischen Schwerpunktthema des Landesschulrates.

Subjektive Gesundheit und Unterstützung durch die

LehrerInnenQuelle: WHO-HBSC-Survey 2002

26,430,5

47,0

0,0

5,0

10,0

15,0

20,0

25,0

30,0

35,0

40,0

45,0

50,0

wenig neutral viel

r = .156 p = .000

SchülerInnen, die ihren Gesundheitszustandals “ausgezeichnet” beschreiben

Ausmaß der wahrgenommenen Unterstützung durch LehrerInnen

Page 13: Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernden Schule Auftaktveranstaltung zum p ä dagogischen Schwerpunktthema des Landesschulrates.

Subjektive Gesundheit und Unterstützung durch

Mitschüler/innenJugendliche mit „ausgezeichneter“ Gesundheit

Quelle: WHO-HBSC-Survey 2002

r = .136p = .000

27,2 28,4

36,4

44,6

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

keine wenig viel sehr viel

Ausmaß der wahrgenommenen Unterstützung durch MitschülerInnen

Page 14: Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernden Schule Auftaktveranstaltung zum p ä dagogischen Schwerpunktthema des Landesschulrates.

Der Effekt von Ungleichheit, Schule, Familie und Selbstwirksamkeit auf die

Gesundheit (Strukturgleichungsmodell)

Schule Familie

Soziale Ungleichheit

Selbstwirk-samkeit

Gesundheit

UnterstützungLehrerInnen

UnterstützungMitschülerInnen

UnterstützungEltern

MonitoringEltern

SubjektiveGesundheit

Lebens-zufriedenheit

.61

.11

.11

.38

.14

.18

.42.21

.61

.54

.79

.64

.56 .72

.45

.30 .29

.22

Quelle: WHO-HBSC-Survey 2002

Page 15: Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernden Schule Auftaktveranstaltung zum p ä dagogischen Schwerpunktthema des Landesschulrates.

Erfahrungen aus der Praxis der Gesundheitsfördernden Schulen• Projekte zur Suchtprävention sind nicht oder nur wenig effektiv • Maßnahmen zum Gesundheitsverhalten (Ernährung und

Bewegung) und• „Life-Skills“-Ansätze (Selbstkompetenz, soziale Kompetenz) sind

nur kurzfristig erfolgreich, wenn sie nicht in einen größeren Kontext von Organisations- und Schulentwicklung integriert sind

• Organisations- und Schulentwicklungsmaßnahmen, die nicht den Unterricht verändern, haben wenig Effekte auf die Gesundheit. Umgekehrt: gute Kernprozesse scheinen eine Voraussetzung für erfolgreiche Interventionen zu sein (Clift & Jensen 2005).

• Gesundheitsförderung gelingt besser, wenn sie am Kernprozess Unterricht ansetzt.

Page 16: Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernden Schule Auftaktveranstaltung zum p ä dagogischen Schwerpunktthema des Landesschulrates.

Ottawa Charta der Gesundheitsförderung (WHO 1986)

„Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen. (...) Gesundheit entsteht dadurch, dass man sich um sich selbst und für andere sorgt, dass man in die Lage versetzt ist, selber Entscheidungen zu fällen und eine Kontrolle über die eigenen Lebensumstände auszuüben, sowie dadurch, dass die Gesellschaft in der man lebt, Bedingungen herstellt, die allen ihren Bürgern Gesundheit ermöglichen.“

Page 17: Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernden Schule Auftaktveranstaltung zum p ä dagogischen Schwerpunktthema des Landesschulrates.

Empowerment als Hilfe zur Selbstbestimmung

• „If the activity under consideration is not enabling and empowering, then it is not health promotion. These concepts are reflected in the action areas of the Ottawa Charter for Health Promotion which fundamentally advocates a basic change in the way society is organized and resources distributed” (Davies/MacDonald 1998:6).

Page 18: Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernden Schule Auftaktveranstaltung zum p ä dagogischen Schwerpunktthema des Landesschulrates.

Nicht-triviale Maschinen (H. v. Foerster 1993, 248)

Input

(x)

Output

(y)

F

Z

z

z’

F... Funktion (Antriebsfunktion)Z... zweite triviale Maschine (Zustandsfunktion)z… interner Zustand

Menschen sind nicht-triviale Maschinen: sie haben ein Selbst, verändern sich, orientieren sich an internen Zuständen,sind unzuverlässig, eigenwillig, unberechen– bar - aber lernfähig. Ihre Unberechenbarkeit ist Bedingungihrer Lernfähigkeit.

Das Problem von Erziehung istdie Tendenz, bei den Lernendenfixe Input-Output-Relationenzu erwarten bzw. einzufordern.

Dem gegenüber wird immer klarer, dass Erziehung nur dann Lernenermöglicht, wenn sie die Eigenheiten des Lernenden akzeptiert und fördert.

Input(x)

Output(y)

Blackbox

Nicht-triviale Maschine

Trivialmaschine

Page 19: Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernden Schule Auftaktveranstaltung zum p ä dagogischen Schwerpunktthema des Landesschulrates.

Empowerment - Definition

• Leitdifferenz: empowernd vs. Trivialisierend

• Empowerment bezeichnet die Strategie, in allen relevanten Prozessen des Lehrens, Lernens und Zusammenlebens in der Schule Handlungsspielräume zu suchen und auszubauen, die dem einzelnen Mitglied der Schulgemeinschaft und allen zusammen mehr Kontrolle und Eigenverantwortung für ihr jeweiliges Tun ermöglichen und dadurch ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit steigern.

• Empowerment setzt auf die Förderung von Eigeninitiative, Selbständigkeit und Sozialkompetenzen bei einzelnen und Gruppen im Umgang mit den in der Schule gestellten Aufgaben.

Page 20: Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernden Schule Auftaktveranstaltung zum p ä dagogischen Schwerpunktthema des Landesschulrates.

Was muss Empowerment aus der Sicht von SchülerInnen

heißen?• Kontrolle über den Lernprozess• Einfluss auf die schulischen Rahmenbedingungen• Zugang zu Ressourcen

• Bei allen dabei auftauchenden Problemen ist zu fragen: – Wo sind Alternativen, Handlungsspielräume? – Was belastet an der derzeitigen Situation?– Wie müsste es sein, damit es das Wohlbefinden, die

Leistungsfähigkeit und geistige Präsenz verbessert?

Page 21: Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernden Schule Auftaktveranstaltung zum p ä dagogischen Schwerpunktthema des Landesschulrates.

Beispiele (1): Kontrolle über den Lernprozess

• Im Unterricht– Aktivierende Methoden und Förderung der

Eigenverantwortung• EVA nach Klippert, Montessori-Unterricht, Freinet-Unterricht, offene

Methoden ...• Projektförmiger Unterricht, Experimente, Exkursionen • Teamteaching

– Lernzielorientierte Beurteilung– Evaluation des Unterrichts durch die SchülerInnen– Eigenverantwortung, Selbstmanagement: Auswahl von

Partnern für Gruppenarbeit, Hausübungsthemen, Arbeitsweisen im Unterricht, ...

– Integrationsunterricht

Page 22: Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernden Schule Auftaktveranstaltung zum p ä dagogischen Schwerpunktthema des Landesschulrates.

Beispiele (2): Mitgestaltung der

Rahmenbedingungen• Schulebene, Unterstützung durch die Führung

– Widmung autonomer Stunden• KoKoKo, Soziales Lernen, Schülerparlament, Buddy-System,

Peer-Mediation, ...

– Durchführung von partizipativen Projekten zur Regel- und Kulturentwicklung

• Entwicklung eines wertschätzenden Klimas

– Verhaltensvereinbarungen

– Organisation des Unterrichts: • Stundenplan, Dauer der Schulstunde, Pausenordnung ...

– Etc.

Page 23: Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernden Schule Auftaktveranstaltung zum p ä dagogischen Schwerpunktthema des Landesschulrates.

Beispiele (3): Zugang zu Ressourcen

• Unterstützung durch die LehrerInnen

• Verhältnis Unterrichts- und Betreuungszeiten

• Unterstützung durch die MitschülerInnen

• Förderung des Eltern-Schule-Verhältnisses

• Lehrmittel

• Schule als Lebensraum

Page 24: Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernden Schule Auftaktveranstaltung zum p ä dagogischen Schwerpunktthema des Landesschulrates.

Gesundheit und Schulleistung

Schulleistung

3,83,63,43,23,02,82,62,42,22,0

sub

jekt

ive

Ge

sun

dh

eit

3,8

3,6

3,4

3,2

3,0

2,8

2,6

2,4

Zusammenhang von Schulleistung und subjektiver Gesundheit (Durchschnitts-werte für 35 Länder; n =162.305 ; r = 0,696)

Quelle: WHO-HBSC-Survey 2002, internationaler Datensatz

Page 25: Empowerment als Leitkonzept auf dem Weg zur gesundheitsfördernden Schule Auftaktveranstaltung zum p ä dagogischen Schwerpunktthema des Landesschulrates.

www.univie.ac.at/lbimgs

www.hbsc.org