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Norbert Rath Ein Erbe Nietzsches - Foucault als Theoretiker der Konstitution von Subjektivität Norbert Rath Zusammenfassung: Spaltung und Selbstspaltung, Überwachung und Selbstüberwachung, Prüfung und Selbstprüfung als paradoxe Systeme der Verkettung von Diskurs und Macht produzieren für Foucault überhaupt erst das moderne Subjekt. Dessen Machtabhängigkeit wird unsichtbar, weil sich die Kontrollen von außen nach innen verlagern. So sind die um 1800 neugewonnenen Freiheiten des Subjekts in der bürgerlichen Gesellschaft zugleich wirklich und scheinbar. Der Anstoß zu seiner Selbstreflexion enthält schon den Zwang zur Selbst-Beherrschung. Foucaults Thesen zur Konstitution von Subjektivität stehen in der Tradition von Nietzsches radikaler Modernekritik. In der gemeinsamen Affinität zu Nietzsche liegt auch ein Grund für Foucaults oft überraschende Nähe zur Kritischen Theorie Horkheimers und Adornos. Summary: For Foucault it is the processes of being dissociated and dissociating oneself, being conlrolled and controlling oneself, being tested and testing oneselfwhich, as paradoxicalsystems linking discourse and power , have cooperated to at last produce the modern subject. Its dependence on power is becoming invisible as external control is being transformed into internal one. So the newly gained liberties of the subject in bourgeois society are real and fictitious at the same time. The impulse for self-reflection already contains in itself the pressure for self-control. Foucault 's theses on the constitution of subjectivity are to be seen within the tradition of Niezsche radical criticism of modernity.. The shared affinity to Nietzsche also is the reason for Foucault 's often surprising closeness to Horkheimer's and Adorno's Critical Theory. „1 would like to say, first of all, what has been the goal of my work during the last twenty years. lt has not been to analyze the phenomenaofpower, nor to elaborate the foundations of such an analysis. My objective, instead, has been to create a history of the different modes by which, in our culture, human beings are made subjects. My work has dealt with three modes of objectivation which transform human beings into subjects. „ (Michel Foucault, 1982, S. 208) Operationsfelder 1 In Foucaults (1926-1984) Perspektive er- scheinen Institutionen nicht als fixe Größen, sondern als Ausgangspunkte und Wirkungs- felder von Diskursen und Machtwirkungen, als Einschließungsstätten und Ausschlies- sungsmaschinen, als Geburtsorte und Schä- delstätten der Subjektivität. Foucault unter- sucht die Ursprünge der modernen Klinik, des Irrenhauses, des Gefängnisses, der Pflicht- schule, der Kaserne. Er stößt dabei immer wieder auf vergleichbare Muster: die Aus- grenzung und damit 'Produktion' des Kran- ken, des Geisteskranken, des Kriminellen (Foucault 1976a, 1977, 1979). Die moderne Anthropologie seit der Wende zum 19. Jahr- hundert produziert erst 'den Menschen', als dessen Modell sie den erwachsenen männli- chen europäischen Bürger nimmt, wobei sie 3. Jahrgang Heft 1/2 diesen Typus sogleich ahistorisch als konstant erklärt. Der 'ärztliche Blick' produziert in gewissem Sinn erst den Kranken, die psychia- trische Klassifizierung den Geisteskranken, die pädagogische Kontrolle den Schüler, der militärische Drill den Soldaten. Modern in all dem ist, in Foucaults Augen, die Rückbezüg- lichkeit: der Formierungszwang wird verin- nerlicht, zum Selbstzwang; der in eine Sparte `Menschsein' Gezwungene will sich schließ- lich so, kann sich nur mehr in seiner Ausge- grenztheit oder seinem Eingeschlossensein selbst definieren. Paradigmatisch für den frühen Foucault ist der Gedanke einer 'Produktion' des Wahn- sinns, die er auf die Bedürfnisse einer sich selbst zur tragenden Säule der gesellschaft- lich-geschichtlichen Entwicklung stilisieren- den Vernunft zurückführt. Im Zuge der Refle- xion auf verlorengehende Unmittelbarkeit tritt 83

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Norbert Rath

Ein Erbe Nietzsches - Foucault als Theoretiker der Konstitutionvon Subjektivität

Norbert Rath

Zusammenfassung: Spaltung und Selbstspaltung, Überwachung und Selbstüberwachung, Prüfung undSelbstprüfung als paradoxe Systeme der Verkettung von Diskurs und Macht produzieren für Foucaultüberhaupt erst das moderne Subjekt. Dessen Machtabhängigkeit wird unsichtbar, weil sich die Kontrollen vonaußen nach innen verlagern. So sind die um 1800 neugewonnenen Freiheiten des Subjekts in der bürgerlichenGesellschaft zugleich wirklich und scheinbar. Der Anstoß zu seiner Selbstreflexion enthält schon den Zwangzur Selbst-Beherrschung. Foucaults Thesen zur Konstitution von Subjektivität stehen in der Tradition vonNietzsches radikaler Modernekritik. In der gemeinsamen Affinität zu Nietzsche liegt auch ein Grund fürFoucaults oft überraschende Nähe zur Kritischen Theorie Horkheimers und Adornos.

Summary: For Foucault it is the processes of being dissociated and dissociating oneself, being conlrolled andcontrolling oneself, being tested and testing oneselfwhich, as paradoxicalsystems linking discourse and power ,have cooperated to at last produce the modern subject. Its dependence on power is becoming invisible asexternal control is being transformed into internal one. So the newly gained liberties of the subject in bourgeoissociety are real and fictitious at the same time. The impulse for self-reflection already contains in itself thepressure for self-control. Foucault 's theses on the constitution of subjectivity are to be seen within the traditionof Niezsche radical criticism of modernity. . The shared affinity to Nietzsche also is the reason for Foucault 'soften surprising closeness to Horkheimer's and Adorno's Critical Theory.

„1 would like to say, first of all, what has been the goal of my work during the last twenty years. lt has not beento analyze the phenomenaofpower, nor to elaborate the foundations of such an analysis. My objective, instead,has been to create a history of the different modes by which, in our culture, human beings are made subjects.My work has dealt with three modes of objectivation which transform human beings into subjects. „ (MichelFoucault, 1982, S. 208)

Operationsfelder 1

In Foucaults (1926-1984) Perspektive er-scheinen Institutionen nicht als fixe Größen,sondern als Ausgangspunkte und Wirkungs-felder von Diskursen und Machtwirkungen,als Einschließungsstätten und Ausschlies-sungsmaschinen, als Geburtsorte und Schä-delstätten der Subjektivität. Foucault unter-sucht die Ursprünge der modernen Klinik, desIrrenhauses, des Gefängnisses, der Pflicht-schule, der Kaserne. Er stößt dabei immerwieder auf vergleichbare Muster: die Aus-grenzung und damit 'Produktion' des Kran-ken, des Geisteskranken, des Kriminellen(Foucault 1976a, 1977, 1979). Die moderneAnthropologie seit der Wende zum 19. Jahr-hundert produziert erst 'den Menschen', alsdessen Modell sie den erwachsenen männli-chen europäischen Bürger nimmt, wobei sie

3. Jahrgang Heft 1/2

diesen Typus sogleich ahistorisch als konstanterklärt. Der 'ärztliche Blick' produziert ingewissem Sinn erst den Kranken, die psychia-trische Klassifizierung den Geisteskranken,die pädagogische Kontrolle den Schüler, dermilitärische Drill den Soldaten. Modern in alldem ist, in Foucaults Augen, die Rückbezüg-lichkeit: der Formierungszwang wird verin-nerlicht, zum Selbstzwang; der in eine Sparte`Menschsein' Gezwungene will sich schließ-lich so, kann sich nur mehr in seiner Ausge-grenztheit oder seinem Eingeschlossenseinselbst definieren.

Paradigmatisch für den frühen Foucault istder Gedanke einer 'Produktion' des Wahn-sinns, die er auf die Bedürfnisse einer sichselbst zur tragenden Säule der gesellschaft-lich-geschichtlichen Entwicklung stilisieren-den Vernunft zurückführt. Im Zuge der Refle-xion auf verlorengehende Unmittelbarkeit tritt

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Ein Erbe Nietzsches - Foucault als Theoretiker

der Wahnsinn (Foucaults Habilitationsschriftzufolge) in eine Konstellation mit den BegriffenVernunft - Natur - Gegennatur: „In dieserZurückgezogenheit, in dieser Nicht-Natur setztsich etwas an die Stelle der Natur, das künstli-che Fülle, Welt der Illusion ist, worin sich dieAntiphysis ankündigt." (1977, S. 381) In die-ser Perspektive wäre Kunst dann eine Arterlaubter Wahnsinn, eine Ausbildung fiktiverWelten, die nicht zur Internierung führt, einKompromiß zwischen dem 'Milieu' der bür-gerlichen Vernunft und der Flucht aus ihm.Foucault macht Gegenrechnungen auf: DemVernunftoptimismus und -überschwang desAufklärungszeitalters entspricht ihm zufolgedie Ausgrenzung der Nichtvernünftigen alspathologisch. Der Abschaffung von Folter undKörperstrafen als Mitteln der Rechtsfindungund Bestrafung im Gefolge der Aufklärungläuft die Verlegung der Kontrollen und Zwän-ge ins Innere der Subjekte parallel: „Die 'Auf-klärung', welche die Freiheiten entdeckt hat,hat auch die Disziplinen erfunden." (1979, S.285)

Wahnsinn, Kriminalität, Krankheit sind inFoucaults Sicht keine von selbst gegebenenNaturqualitäten, sondern in der Form, in dersie in der modernen Gesellschaft wahrge-nommen und 'behandelt' werden, von be-stimmten Diskurstypen her produzierte Phä-nomene. Auch die Sexualität ist in der Weise,wie sie in der Moderne erscheint, nicht 'erste',sondern 'zweite Natur' : „Sexualität ... ist näm-lich nicht als eine Naturgegebenheit zu begrei-fen". (1983, S. 127f.) Sie wird, über spezifi-sche Verbotsregelungen, in einer historisch jeanders bestimmten Weise 'produziert' und inihren Erscheinungsformen modelliert. Ent-sprechend erscheint die vielgerühmte 'Befrei-ung' der Sexualität in der Gegenwart Foucaultvorwiegend als eine Verschiebung der Kon-trollen ins Subjekt, als dessen zunehmendeIdentifikation mit weithin konstant gebliebe-nen Normen, während sich für ihn allenfallsdie Weisen des Sprechens über Sexualität imVergleich zum 19. Jahrhundert geändert ha-ben.

Das Subjekt als Kontrollagentur seinerselbst

Die Verlagerung der Kontrollen von außennach innen zieht immer wieder FoucaultsAufmerksamkeit auf sich. Die Ausgliederungder 'Irren' hat damit zu tun: Wenn der Wahn-sinn so säuberlich von der Vernunft abge-trennt werden kann, hat jeder einzelne Ver-nünftige sich darauf hin zu kontrollieren, ob inihm kein Quentchen Wahnsinn mehr steckt. 2Ein anderes Beispiel ist die Geschichte derStrafen: An die Stelle der öffentlichen Marter,der zeremoniösen Zelebration der folterndenund tötenden Macht am für schuldig erklärtenTäter-Opfer, tritt die Einsperrung, die Aus-schließung des rechtskräftig Verurteilten vomgesellschaftlichen Stoffwechsel (1979. S. 3311).Der Wandel der Machttechniken im Übergangvom Absolutismus zur bürgerlichen Gesell-schaft hat demnach seine Pointe in der Ein-verleibung der Regelungsmechanismen durchdas 'Subjekt', im Zwang zum Selbstzwang;hier treffen sich Foucaults Diagnosen mit denAnalysen von Norbert Elias.3 Die Pädagogikist für ihn diejenige Wissenschaft, die erforscht,wie die inneren Kontrollen wirksam eingebautwerden. Die Psychiatrie setzt die Ausgliede-rung derjenigen durch, die zur Selbstkontrollenicht fähig sind, die Strafverwahrung dieAusgliederung derer, die dazu nicht bereitsind. Das 'Subjekt' etabliert sich demnach umdie Wende zum 19. Jahrhundert als ein Bündelfunktionierender Selbstkontrollmechanismen.Die Humanwissenschaften aber haben in Fou-caults Augen ihre falsche Würde darin, daß siediese Entwicklung zur Ausbildung des Men-schlichen am Menschen verklären: „das Herzdes Humanismus ist die Theorie vom Subjekt(im Doppelsinn des Wortes: als Souverän undUntertan)" (1974, S. 114). 4 Autonomie, dasgroße Prinzip der Aufklärungsbewegung, giltin dieser Perspektive nicht primär als Auflö-sung der von der 'Vernunft' durchschautenFremdbestimmungen, sondern als Interna-lisierung der für 'vernünftig' geltenden Kon-trollen und Regeln. Die äußeren Autoritätenscheinen in ihrer unmittelbaren Gewaltför-

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migkeit zu schwinden oder doch in ihren Wir-kungen abgeschwächt zu werden, aber in ver-wandelter Gestalt erstehen sie im Innern des`autonomen Subjekts' wieder. Das Geheimnisdes Machtzugewinns der Bürger im Übergangzur modernen Gesellschaft heißt Selbstbe-herrschung, Selbstkontrolle; die neuen Frei-heiten sind erkauft durch eine Innenwendungvon Machtprinzipien. Hier berührt sich Fou-caults Machtkritik mit Horkheimers undAdornos Kritik am Ineinanderspielen vonAufklärung und gesellschaftlicher Naturbe-herrschung. Subjektivität wird für ihn zumKreuzungspunkt unterschiedlichster Macht-wirkungen und -ausübungen, bis dahin, daßalle zwischenmenschlichen Beziehungen alsvon Machtquanten durchsetzt erscheinen, inähnlicher Weise wie sie für Horkheimer undAdorno von Herrschaftsinteressen verunstaltetsind (1978, S. 42f., 75f.).

Ein Paradox: „Historisches Apriori" 5

Foucault untersucht anders als die Autorender 'Dialektik der Aufklärung' die Bedingun-gen der Konstitution von Subjektivität nichtals anthropologisch und geschichtsphiloso-phisch, sondern als primär historisch-soziolo-gisch zu klärende Bedingungen. Er verwendetden Begriff eines 'historischen Apriori' seitseiner frühen Arbeit über 'Psychologie undGeisteskrankheit' (1954): „In Wirklichkeit läßtsich allein in der Geschichte das einzige kon-krete Apriori entdecken, aus welchem dieGeisteskrankheit mit der leeren Öffnung ihrerMöglichkeit ihre notwendigen Figuren her-nimmt." (1954/1977, S.129) Die Vernunft derModerne habe erst mit der Ausgrenzung desWahnsinns `zu sich selbst' kommen zu kön-nen geglaubt. Der 'homo psychologicus' seium 1800 erst entstanden, als Derivat vonNormierungs- und Normalitätswissenschaften,wie Foucault unter dem Einfluß des Wissen-schaftshistorikers Canguilhem meint. Bissigbestimmt er die Genealogie: „der homo psy-chologicus ist ein Nachfahre des homo mentecaptus." (1977: 550)

Die provozierende Behauptung der 'Hi-stoire de la Folie' (1961), nach der die Einsper-

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rung der 'Irren' und die Karriere des Ver-nunftbegriffs in einem Zusammenhang stehen,und die grundlegende These aus dem zweitenTeil von 'Les mots et les choses' (1966), nachder 'der Mensch' kurz vor und um 1800 alsBezugspunkt der Humanwissenschaften ent-steht und auch wieder vergehen mag, hat Fou-cault 1954 in `Maladie mentale et Psycholo-gie' schon antizipiert. 'Der Mensch', so heißtes 1954, beanspruche um 1800 das Recht, „dieNatur der Natur und die Wahrheit der Wahr-heit zu sein" (1954/1977, S. 132). Die Psy-chologie und mit ihr die anderen Human-wissenschaften, die sich erst von dieser Zeit anzu ihrer modernen Gestalt und Gruppierungformieren, verfestigen Foucault zufolge der-artige Konzepte einer Selbststilisierung undSelbstermächtigung der Subjektivität. Derzweite Teil von 'Les mots et les choses' sprichtausdrücklich vom „historischen Apriori derWissenschaften vom Menschen" (1966/1974,S. 419, vgl. S. 27, S. 413ff.). Diese Wissen-schaften werden für die Konstitution der mo-dernen Form von Subjektivität, die 'Entstehungdes Menschen', wie Foucault gern rhetorischund mißverständlich sagt, mitverantwortlich,wenn nicht sogar hauptverantwortlich gemacht.`Der Mensch' entstehe als Subjekt und Objekteines bestimmten Wissens und zugleich alsSubjekt und Objekt von Machttechnologienund Formierungstechniken. Foucault betontdie wissenschaftsgeschichtliche Seite diesesProzesses eher in 'Les mots et les choses', dieinstitutionsgeschichtliche stärker in Schriftenwie 'S urveiller et punir' . 6

In `L'archéologie du savoir' (1969) gibt ereine nähere Bestimmung dessen, was er unter`historischem Apriori' versteht: „ich will da-mit ein Apriori bezeichnen, das nicht Gültig-keitsbedingung für Urteile, sondern Realitäts-bedingung für Aussagen ist. <...> Ein Apriorinicht von Wahrheiten, <...> sondern einerGeschichte, die gegeben ist, denn es ist die derwirklich gesagten Dinge." Das 'historischeApriori' soll „die Tatsache erklären, daß derDiskurs nicht nur einen Sinn oder eine Wahr-heit besitzt, sondern auch eine Geschichte,und zwar eine spezifische Geschichte" (1969/1981, S. 184f.). Ein Apriori in diesem Sinne

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Ein Erbe Nietzsches - Foucault als Theoretiker

kann nicht in einem zeitlos-ungeschichtlichenIdeen- oder Strukturenhimmel angesiedeltwerden; vielmehr wird es als ein transformier-bares Regelsystem verstanden und soll, imGegensatz zu den ungeschichtlichen formalenAprioris, „die Diskurse im Gesetz ihres wirkli-chen Werdens zu erfassen" erlauben (1969/1981, S. 185).

Mit der Postulierung eines „historischenApriori" der Subjektivität und der Human-wissenschaften bricht Foucault aus dem Ge-fängnis einer ahistorischen Betrachtungswei-se aus, in das der Strukturalismus seine Adeptengern einsperrt. Zugleich mogelt er sich abermit diesem paradoxen Begriff, und, wie zuzeigen ist, mit dem nicht weniger schillerndenBegriff 'Diskurs' an einer erkenntnistheoreti-schen Grundlegung seiner Arbeitsweise vor-bei. Daß die Konstitution der Subjektivitätnicht ahistorisch verstanden werden kann, darinwird man Foucault nicht widersprechen wol-len. In seiner am Kritiktypus Nietzsches ori-entierten Entlarvungsgenealogie, die die Sti-lisierungen einer sich selbst aufwertendenSubjektivität und das rhetorische Sich-Auf-plustern dogmatischer Humanwissenschaftenso brillant kritisiert, stecken jedoch unausge-wiesene Wertungen und dogmatische Eng-führungen, die dieser selbst rhetorisch vorge-tragenen Kritik einen Teil ihrer Überprüfbar-keit und damit Plausibilität nehmen.

`Diskurs' - ein begriffliches Chamäleon

Ein historisches Apriori soll die `Positivi-tät' eines Diskurses bezeichnen. Bleibt dieFrage: Was ist ein Diskurs? Foucaults ent-sprechende Bestimmungen in der Abfolgeseiner Bücher zeichnen sich durch Buntheit,Uneinheitlichkeit und sogar Widersprüch-lichkeit aus. Die Generalabsolution dafür hater sich selbst erteilt: „Man frage mich nicht,wer ich bin, und man sage mir nicht, ich solleder gleiche bleiben: das ist eine Moral desPersonenstandes; sie beherrscht unsere Papiere.Sie soll uns frei lassen, wenn es sich darumhandelt zu schreiben." (1969/1981, S. 30) 7 In`Les mots et les choses' meint Diskurs vorallem die Wissensform der französischen

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`Klassik' (ca. 1600 - 1780) und ihresRepräsentationsmodells. In L' archéologie dusavoir' schwankt Foucault zwischen einersemiologischen Definition von Diskurs alssystematischer Kombination sprachlicher Er-eignisse und einer wissenssoziologischen De-finition, der zufolge Diskurs als Kombinationinstitutioneller Techniken und kognitiver Lei-stungen aufzufassen ist.8 In `L'ordre du dis-cours' (1970) erscheint Diskurs als allgegen-wärtiger Strom sprachlicher Hervorbringun-gen und zugleich als von internen und ex-ternen Herrschaftstechniken betroffenes Ord-nungssystem. Für Foucaults Machttheorie derfrühen 70er Jahre sind Diskurse politisch zuinterpretieren, als Systeme gesellschaftlichenWissens, machtgeprägt, machtgeschützt undselber machtproduzierend. 9 Im Spätwerk(`Histoire de la sexualite, Bd. 1-3) spielt derDiskursbegriff keine zentrale Rolle mehr.

Der Weg der Diskursanalyse Foucaultsläßt sich darstellen als Weg von einer wissen-schaftshistorisch operierenden 'Ethnologie'der eigenen Kultur (1974, S. 13) über einesemiologisch orientierte Wissenschaftskritik,die das Gebäude des sozialen Wissens ohneRückgriff auf konstituierende Leistungen ei-ner Subjektivität zu erklären unternimmt (1969/1981), bis hin zur politisch ambitioniertenAnalyse der Verzahnungen von Wissen undMacht (1976b,1978). Je nach Arbeitsperspek-tive kann Diskurs mithin verschieden ver-standen werden:- als generierendes System für Äußerungsfor-mationen und Sprechweisen 'klassischen'Wissens (dies die Perspektive von 'Les mots etles choses');- als Verquickung von Aussagesystemen undPraktiken (`L'archéologie du savoir');- als durch Machtwirkungen generiertes Systemkulturellen Wissens und kultureller Wahr-heitsproduktion, das mit Machtpraktiken ver-netzt ist (Schriften der 70er Jahre).

In der Diskontinuität seines Diskursbe-griffs zeigt sich der Wandel Foucaults vomWissenschaftshistoriker zum Wissenschafts-kritiker und vom Semiologen zum 'Politiker'.Das Verschwinden des Diskursbegriffs imSpätwerk, in dem Sexualdiätetik bzw. -ethik

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Norbert Rath

und Lebensphilosophie der Antike in freund-licher Beleuchtung erscheinen, zeigt an, daßauch diese Wandlung nicht die letzte war. Wiedem späten Nietzsche erscheint auch dem spä-ten Foucault die Epoche der modernen Sub-jektivität mit ihren Wissens-, Kontroll- undLebensformen als eine höchst fragwürdigeund vielleicht nur ephemere Epoche, der es z.B. noch nicht gelungen sei, die Weisheit derantiken Moral- und Lebenslehren wirklichauszuschöpfen.

Diskontinuität

Transformationen, Diskontinuitäten undBrüche sind in der Optik Foucaults zentral; erstellt seine Fragen nach Ein- und Ausschlie-ßungsregeln und -systemen quer zu den übli-chen Disziplinen und ist an überraschendenDurchblicken mehr interessiert als an wohl-abgewogenen, mit reichhaltigem Materialabgesicherten Begründungszusammenhängen.Seine theoretischen Bemühungen verleugnenals ihr Vorbild die Aphorismenbücher Nietz-sches nicht.10 An Nietzsche erinnern in Fou-caults Texten die rhetorische Brillanz, derGestus der radikalen Kritik an konventionel-len Meinungen, der häufige Verzicht auf ar-gumentative und systematische Darstellung,die Respektlosigkeit vor etablierten Autoritä-ten, auch und gerade solchen der Wissen-schaft, der oft polemische Ton, die ketzerischeVermutung, daß auch Philosophie und Wis-senschaften nichts weiter als Sprechweisenseien, nicht zuletzt das Insistieren auf Fragenwie der des Verhältnisses von Wissen undMacht oder der nach den Konstitutionsbedin-gungen der modernen Subjektivität.

Die Frage nach den Konstitutionsbedin-gungen der modernen Subjektivität allerdingswird von Foucault anders beantwortet als vonseinem wichtigsten philosophischen Anregerund Kronzeugen Nietzsche. War es für Nietz-sche das von der unheiligen Dreieinigkeit vonPlatonismus, Asketismus und 'Sklavenmoral'geprägte Christentum, das die 'Natur' derEuropäer geformt bzw. verformt hatte, so sindes für Foucault die diskursiven Praktiken, alsoinstitutionelle Verkettungsformen von Wis-

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sen und Macht, die das moderne Subjekt for-mieren bzw. deformieren. Spaltung undSelbstspaltung, Kontrolle und Selbstkontrol-le, Prüfung und Selbstprüfung als paradoxeSysteme der Trennung von ursprünglich Zu-sammengehörigem und der Amalgamierungvon ursprünglich Unzusammengehörigem`produzieren' überhaupt erst das 'Selbst'. Dasmoderne Subjekt, so könnte man Foucaultzusammenfassen, ist trotz seiner grandiosenSelbsteinschätzung nie in vollem Sinn autono-mes Subjekt gewesen. Es bleibt, nach demGesetz, nach dem es angetreten ist, eine zu-tiefst widersprüchliche Erfindung. Entstan-den aus einer Mesalliance zwischen Allge-meinem und Besonderem, bleibt es mit demGeburtsfehler des Entsprungenseins ausSpaltungen und Diskriminierungen behaftet.

Das Objekt der theoretischen Begierde:Subjekt und Macht

Foucault dekliniert die Individualisierunganhand von Einzelgeschichten derjenigenAusgrenzungssysteme und Einverleibungsin-stitutionen durch, die in seiner Sicht besonderstypisch für die Zugriffe der modernen Dis-ziplinarmächte auf Körper und 'Seelen' sind ..Irrenanstalt, Klinik, Gefängnis - bzw. als Wis-sensformen: Psychiatrie, Medizin, Überwa-chungswissen. Auf Kloster, Kaserne, Arbeits-haus, Fabrik, Schule, Universität hingegen,die sich als weitere Analyseobjekte angebotenhätten, fallen nur Seitenblicke. An den ge-wählten Modellen zeigt Foucault jeweils einenspezifischen Blick der 'Bewacher', ein Systemvon Privilegierungen und Unterprivilegier-ungen, von Sonderrechten und Sondersou-veränitäten, von Machtzirkulationen und De-mütigungen, von Aggressionen und Identifi-kationen, von Be- und Ermächtigungen. Machtist dabei für ihn nicht einfach etwas Negatives,Abzulehnendes, ein 'böses Prinzip', sondernetwas Faszinierendes, höchst Produktives,nahezu Ubiquitäres. Sie an erster Stelle, so läßtFoucault es in den Schriften der 70er Jahreerscheinen, hat die moderne Subjektivität pro-duziert. Nietzsches 'Wille zur Macht' wird zurEntschlüsselung bislang unzureichend bear-

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Ein Erbe Nietzsches - Foucault als Theoretiker

beiteter Probleme wiederaufgegriffen. Nichtumsonst trägt der erste Band von 'Sexualitätund Wahrheit' den Nietzscheschen Untertitel`Der Wille zum Wissen'. 11 Nur, bei allensuggestiven Analysen von Machtwirkungenim einzelnen: Was ist das - die Macht? Aufdiese Frage bleibt Foucault die Antwort schul-dig. Die Machtanalyse scheint vor der All-gegenwärtigkeit, Ungreifbarkeit, vor derÜbermacht der Macht zu kapitulieren. Machtals Totalitätsbegriff ist nicht länger definierbar,so wenig wie ein Subjekt, dessen wesentlichesCharakteristikum die Gespaltenheit, das Zer-rissenwerden zwischen unterschiedlichenMachtfeldern ist. 12 Auf einheitliche Defini-tionen, Widerspruchsfreiheit, Eindeutigkeitaber kommt es Foucault nicht an; auch hierinzeigt sich die rhetorische Dimension seinesSprechens. Wie für Nietzsches Werk ließesich für das seine nicht nur der exorbitanteGebrauch rhetorischer Mittel, sondern dar-über hinaus die latente Absicht einer Rehabi-litierungderoffenbarzu ihrem eigenen Schadenvon der Philosophie verstoßenen Rhetorikaufweisen. 13

Foucault betont mehrfach, vor allem inspäten Interviews und Aufsätzen, sein Themasei nicht eine Bestimmung 'der Macht' oder`des Diskurses'. (In der Tat vermißt der Lesereine konsistente und kohärente Bestimmungdieser grundlegenden Begriffe, was den Tex-ten vielfach eine eigentümlich schillerndeFärbung verleiht. 14) Sein eigentliches Themasei das der Konstitution von Subjektivität inunserer Kultur: „Thus it is not power, but thesubject, which is the general theme of myresearch." (1982, S. 209) Foucault unter-scheidet in diesem Zusammenhang (1982, S.208) drei Objektivierungsarten, die menschli-che Wesen in Subjekte umformen:a) Untersuchungsweisen, die wissenschaftli-chen Status beanspruchen (`Les mots et leschoses') ,b) Objektivierungen durch Spaltungen, diedas Subjekt von außen oder innen betreffen;Beispiele sind hier die Oppositionen verrücktund geistig gesund oder krank und gesundusw. (`Histoire de la Folie'; `Naissance de laClinique'),

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c) Selbstsubjektivierung - am Beispiel derFrage, wie sich Menschen als Subjekte von`Sexualität' wahrnehmen (`Histoire de la se-xualité').

Interessanterweise sieht Foucault in dieserFrage nach 'dem Subjekt' eine Nähe zu denkritischen Untersuchungen der 'FrankfurterSchule' zum Verhältnis von Rationalisierungund Herrschaft (1982, S. 210). Obwohl erderen Arbeiten für hochbedeutsam erklärt, hälter seinen Ansatz doch für fruchtbarer: nichtdie Rationalisierung zu untersuchen - dieserBegriff erscheint ihm als problematisch undgefährlich - sondern spezifische Rational itätenin verschiedenen Feldern. Erst aus den ein-zelnen Untersuchungen mit ihren spezifischenErgebnissen könnte sich dann eine Beziehungzu einer grundlegenden Erfahrung ergeben;ein Beispiel dafür wäre die interne Rationalitätder für Krankheit, Illegalität, Wahnsinn usw.geschaffenen Institutionen (1982, S. 211). 15Der späte Foucault dehnt auch den Zeitraumder Subjektkonstitution, der ihn interessiert,weiter aus. Bezog er sich in seinen Analysenlange Zeit fast ausschließlich auf die Neuzeit,primär sogar nur auf die Zeit seit dem ausge-henden 18. Jahrhundert, so untersucht er zu-letzt auch das Christentum und die von diesemetablierte und später von anderen Macht-systemen angeeignete 'pastorale Macht' (mitder Konstitution des Selbst über das Ge-ständnis) sowie die Antike (diese vor allem inihrer Sexualethik und der ihr entsprechendenPersönlichkeitsformung). ProblemstellungenNietzsches, auch Max Webers kehren wieder,wenn Foucault derartige Forschungsinteressenverfolgt.

Es ist eine interessante und für den Ansatzeiner Theorie der Konstitution von Subjektivi-tät mitentscheidende Frage, von welchemZeitpunkt an der jeweilige Autor 'das Subjekt'entstehen läßt. Horkheimer und Adorno deu-ten in der 'Dialektik der Aufklärung' (1947)am Beispiel der 'Odyssee' die Urgeschichteder Subjektbildung als Urgeschichte der Selbst-, Natur- und Menschenbeherrschung. Für Hegelbeginnt Subjektivität im vollen Sinn erst mitdem Auftreten des Christentums und dessenBetonung eines unendlichen Wertes der Indi-

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Norbert Rath

vidualität. Max Weber sieht die moderne Sub-jektivität als Resultat von bis in die Gegenwarthinein fortschreitenden, sich beschleunigendenRationalisierungsprozessen, die mit dem neu-zeitlichen Protestantismus eine neue Qualitäterreichen und in durchrationalisierte büro-kratische Herrschaft einmünden. Für Nietz-sche und seine Nachfolger, unter die auchFoucault und seine engsten Verbündeten wieDeleuze einzureihen sind, ist 'das Subjekt'überhaupt nur eine moderne Illusionsbildung,eine Art Größenwahn des europäischen`Mischmenschentums' seit der Aufklärung. Indiesem kritischen Blick auf das prekäre Ge-wordensein, die innere Fragwürdigkeit undParadoxalität der modernen Subjektivitätstimmt Foucault fast völlig mit Nietzscheüberein. Auch ihm erscheint 'der Mensch' alseine moderne Hypostase, als ein Luftballonder Selbststilisierung und Selbstermächtigung.Ein Konzept des 'Übermenschen' freilichverficht Foucault nirgends; hier mag die Er-fahrung des Faschismus immunisierend ge-wirkt haben. Nietzsche und Foucault treten alsGenealogen auf, die die kleinen persönlichenund die großen anonymen Machtinteressen,die sich hinter dem Konzept der Subjektivitätverstecken, entlarven wollen. Bei beiden istaber auch, wenngleich versteckt, eine fast ro-mantische Unmittelbarkeitssehnsucht zu spü-ren; die Kritik gilt offen oder im verborgenender 'Nicht-Natürlichkeit', der 'Naturwidrig-keit' der modernen Subjektivität. Die Selbst-bilder, Erscheinungsweisen und Lebensformen`des Menschen', 'des Subjekts' in der Moderneerscheinen beiden als falsche 'zweite Natur',als Entstellungen und Deformierungen. Hierliegt ein unausgewiesenes normatives Funda-ment ihrer Kritik, das auch durch den beidenDenkern gemeinsamen Rekurs auf 'ästheti-sche Lebensformen' der griechischen Antikenicht eigentlich begründet wird. 16

Zitierte Werke von Michel Foucault

Psychologie und Geisteskrankheit (1954/1977) (Maladiementale et Psychologie, 1954, deutsch von A. Bo-tond). Frankfurt: Suhrkamp.

Die Ordnung der Dinge (1966/1974). Eine Archäologieder Humanwissenschaften (Les mots et les choses,

3. Jahrgang Heft 1/2

1966, deutsch von U. Köppen). Frankfurt: Suhrkamp.Archäologie des Wissens (1969/1981) (L'archeologie du

savoir,1969, deutsch von U. Köppen). Frankfurt:Suhrkamp.

Die Ordnung des Diskurses. Inauguralvorlesung amCollege de France - 2.12.1970 (1970/1977) (L' ordre dudiscours, deutsch von W. Seitter). Frankfurt/M. - Berlin- Wien: Ullstein.

Von der Subversion des Wissens (1974), hrsg. und deutschvon W. Seitter, München: Hanser.

Die Geburt der Klinik. Eine Archäologie des ärztlichenBlicks (1976a) (Naissance de la Clinique, 1963, deutschvon W. Seiner). Frankfurt/M. - Berlin - Wien: Ullstein.

Mikrophysik der Macht. über Strafjustiz, Psychiatrie undMedizin (1976b) Deutsch von W. Seiner u.a. Berlin:Merve.

Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahnsim Zeitalter der Vernunft (1977) (Histoire de la Folie,1961, deutsch von U. Köppen). Frankfurt: Suhrkamp.

Dispositive der Macht. Über Sexualität, Wissen undWahrheit (1978). Deutsch von H.J. Metzger u.a.,Berlin: Merve.

Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses(1979) (Surveiller et punir. La naissance de la prison,1975, deutsch von W. Seitter). Frankfurt: Suhrkamp.

Sexualität und Wahrheit, Bd. 1: Der Wille zum Wissen(1983) (Histoire de la sexualite, 1: La volonte desavoir, 1976, deutsch von U. Raulff & W. Seitter).Frankfurt: Suhrkamp.

- Bd. 2: Der Gebrauch der Lüste (1989a)(L'usage desplaisirs,1984, deutsch von U. Raulff & W. Seiner).Frankfurt: Suhrkamp.

- Bd. 3: Die Sorge um sich selbst (1989b) (Le souci desoi,1984, deutsch von U. Raulff & W. Seitter).Frankfurt: Suhrkamp.

The Subject and Power (1982). Afterword in H. L. Dreyfus& R. Rabinow: Michel Foucault: Beyond Structuralismand Hermeneutics (208-226), Chicago.

Was ist Aufklärung? Was ist Revolution? (1984). In 'DieTageszeitung' (Berlin), 2.7.1984.

Foucault, M. & Raulet, G. (1983). Um welchen Preis sagtdie Vernunft die Wahrheit? Ein Gespräch. Spuren, Nr.1/2, S. 22ff., 38ff.

Anmerkungen

. Ein Standardwerk zu Foucault ist nach wie vor: Dreyfus,H. L.& Rabinow, P.(1982). Michel Foucault - BeyondStructuralism and Hermeneutics, Chicago; deutschvon C. Rath & U. Raulff. Frankfurt: Athenäum 1987.Als Einführung ist nützlich: Lang, M. (1983). DasArchiv der Vernunft - Foucault (= Die Sprache derVernunft, Bd. 1). Osnabrück: Schriften der Univ.Osnabrück. Zu Foucaults Analysen von Machtpro-zessen: Fink-Eitel, H.(1980). Michel Foucaults Ana-lytik der Macht. In F. A Kittler (Hrsg.), Austreibungdes Geistes aus den Geisteswissenschaften. Program-me des Poststrukturalismus (S. 38-78). Paderbornusw.: Schöningh; Plumpe, G. & Kammler, C. (1980).Wissen ist Macht. Über die theoretische Arbeit Michel

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Ein Erbe Nietzsches - Foucault als Theoretiker

Foucaults. Philosophische Rundschau 27, S. 185-218;Honneth, A. (1985). Kritik der Macht. Reflexionsstufeneiner kritischen Gesellschaftstheorie. Frankfurt: Suhr-kamp, bes. S. 115-224.

2. Wichtig zum Verständnis Foucualts ist Canguilhem(1977). Das Normale und das Pathologische, deutschvon M. Noll und R. Schubert. Frankfurt usw.: Ullstein.- Zur These selbst vgl. neben den Anfangskapiteln der`Historie de la Folie' Foucault, M. (1978), S. 104ff.Dort finden sich selbstkritische Bemerkungen zurMachtauffassung der `Histoire de la Folie' und von`L' ordre du discours'.

3. Vgl. Elias, N. (1978f79). über den Prozeß der Zivili s ation(2 Bände, 6. Aufl.). Frankfurt: Suhrkamp. - Auch beiElias gibt es ein Kapitel über den 'gesellschaftlichenZwang zum Selbstzwang' (Bd. 2, S. 312ff.); auch ersetzt bei - von der gängigen Geschichtsschreibungmeist zu wenig beachteten - subkutanen Geschichtenan, etwa der Geschichte der Tischsitten oder derPeinlichkeitsgefühle. Bei Elias fehlen allerdings dieNietzscheschen Impulse und der wissenschaftskriti-sche Appellcharakter der Schriften Foucaults; es sindnüchterne evolutionssoziologische Studien zur Zivi-lisation, während bei Foucault die Zivilisations- undSubjektivitätsanalysen zur Kritik an Zivilisation undSubjekt umschlagen.

4. Vgl. Treusch-Dieter, G. (1988). Foucault - Kein„Wegbereiter"? In G. Jüttemann (Hrsg.), Wegbereiterder Historischen Psychologie (S. 491-503, hier: 494).München - Weinheim: Beltz - Psychologie VerlagsUnion.

5. Zu Foucaults Begriff des historischen Apriori vgl.Frank, M. (1984). Was ist Neostrukturalismus?Frankfurt: Suhrkamp, S. 196, 200, 204, 211f. Frankbestimmt 'hist. Apriori' als zugleich transzendentalesund empirisches Prinzip, das den „symbolischen oderdiskursiven oder epistemischen Grund" einer Epochezu vermessen erlaube (S. 204, vgl. 200).

6. Vgl. von Foucaults Arbeiten außer Surveiller et punir'hierzu auch: 'Historie de la sexualite, 1: La volonte desavoir' (1976) sowie 'Dispositive der Macht' (1978),bes. S. 21ff., 104ff.

7. Auch von der Methodologie von `L'archeologie dusavoir' hat sich Foucault in späteren Jahren abgegrenzt,vgl. Foucault, M. & Raulet, G. (1983). Um welchenPreis sagt die Vernunft die Wahrheit? Ein Gespräch.Spuren Nr. 1/2, S. 25.

8. Vgl. Foucault (1966/1974), S. 12, 15, 76, 461; Foucault(1969/1981), S. 74, 83, 99f., 156, 263ff., 299ff. - ZumDiskursbegriff Foucaults vgl. Frank, M. (1984), S.216, 225ff., 235, 240; Habermas, J. (1985a). Derphilosophische Diskurs der Moderne. Zwölf Vorle-sungen. Frankfurt: Suhrkamp, S. 284, 301, 314ff.;Honneth, A. (1985), S. 156f., 160ff., 171.

9. Vgl. Foucault (1970/1977), S. 7: „Ich setze voraus, daßin jeder Gesellschaft die Produktion des Diskurses

zugleich kontrolliert, selektiert, organisiert und kana-lisiert wird"; vgl. auch die Ausführungen ebd., S. 25,zu den „Regeln einer diskursiven 'Polizei'".

10. Vgl. Foucaults Gespräch mit Raulet (1983), S. 39. - ZuFoucault als einem Denker der Diskontinuität vgl.Blanchot, M. (1987). Michel Foucault vorgestellt vonMaurice Blanchot, deutsch von B. Wahlster. Tübin-gen: Edition Diskord. - Zur Bedeutung Nietzsches fürFoucault vgl. bes. Foucault, M. (1974). Nietzsche, dieGenealogie, die Historie. In M. Foucault, Von derSubversion des Wissens (S. 83 - 109), hrsg. unddeutsch von W. Seitter. München: Hanser, Foucault,M. (1966/1974), S. 321f., 388f., 460; Foucault, M.(1969/1981), S. 24 - 26, 301; Habermas, J. (1985a), S.292, 310. 330, 334; Habermas, J. (1985b). Die NeueUnübersichtlichkeit. Kleine Politische Schriften V.Frankfurt: Suhrkamp, S. 219, 222; Deleuze, G. (1987).Foucault, deutsch von H. Kocyba. Frankfurt: Suhr-kamp.

11. Vgl. Nietzsche, F. (1980). Also sprach Zarathustra, II:Der angebliche „Wille zur Wahrheit" sei ein „Willezur Macht" (Kritische Studienausgabe, hrsg. von G.Colli & M. Montinari. München: dtv, Bd. 4, S. 146,148).

12. Vgl. zur Kritik des Foucaultschen MachtbegriffsHabermas (1985 a), bes. S. 298 (Macht werde zum„transzendental-historischen Grundbegriff einer ver-nunftkritischen Geschichtsschreibung"), S. 317(„zweideutige Verwendung der Kategorie Macht" imSinne empirischer Analyse und konstitutionstheoreti-scher Grundlegung), S. 322; Honneth (1985), bes.168ff.; Fink-Eitel (1980), S. 63ff.; Waldenfels, B.(1985). In den Netzen der Lebenswelt. Frankfurt:Suhrkamp, S. 124f.

13. Zum Verhältnis von Philosophie und Rhetorik vgl. dieStudie von Niehues-Pröbsting, H. (1987). Überredungzur Einsicht. Der Zusammenhang von Philosophieund Rhetorik bei Platon und in der Phänomenologie.Frankfurt: Klostermann.

14. Zum latenten Ästhetizismus Foucaults vgl. Habermas(1985a), S. 324: Die genealogische Geschichtsschrei-bung Foucaults entpuppe sich als „genau die präsen-tistische, relativistische und kryptonormative Schein-wissenschaft, die sie nicht sein will"; Foucaults Sub-jektkritik ende „in heillosem Subjektivismus".

15. Vgl. auch Foucault, M. (1984). Was ist Aufklärung?Was ist Revolution? In Die Tageszeitung vom 2.7.1984.Vgl. weiter seine Äußerung im Gespräch mit Raulet(1983) S. 24: „Wenn ich die Frankfurter Schule recht-zeitig gekannt hätte, wäre mir viel Arbeit erspartgeblieben. Manchen Unsinn hätte ich nicht gesagt undviele Umwege nicht gemacht, als ich versuchte, michnicht beirren zu lassen, während doch die FrankfurterSchule die Wege eröffnet hatte."

16. Vgl. Reuber, R. (1988). Ästhetische Lebensformenbei Nietzsche. München: Fink.

Zum Autor: PD Dr. Norbert Rath, Promotion über 'Adornos Kritische Theorie', Habilitation über den Begriff der`Zweiten Natur', lehrt Philosophie in Bochum. Der Aufsatz 'Ein Erbe Nietzsches' wurde 1986 verfaßt und im April1991 für den Druck überarbeitet.Anschrift: Am Hornbach 5, D-4400 Münster

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