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24. Februar 2011 04 VERGESST SARRAZIN

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Enter - das Engagementmagazin

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24. Februar 2011 04

V e r g e s s ts a r r a z i n

24. Februar 2011 04

24. Februar 2011 04

d a s n e u esympathische g e s i c h t d e s i s l a m

Hat es schon jemand bemerkt? 2011 ist „Europäisches Jahr der Freiwilligentä-tigkeit“. Klingt ja erst mal gut und in jedem Fall ziemlich staatstragend. Steht das Bürgerengagement jetzt vor dem großen Durchbruch? Erreichen die Themen der Engagierten die Regie-rungsetagen in ganz Europa? Machen wir uns nichts vor: Die Chancen sind überschaubar.Das ist nicht weiter schlimm, schließ-lich erwartet BASF auch keinen Um-satzsprung durch das „Jahr der Che-mie“ und kein Umweltschützer die Rettung eines Baumes durch das „Jahr des Waldes“. Diese beiden Titel schmücken dieses Jahr nämlich auch - beide ausgerufen von den Vereinten Nationen.

Was viel aufmerksamer zu beobachten sein wird: Wer betritt während des Frei-willigen-Jubeljahres die große Bühne? Bisherige Kampagnen und Auszeich-nungen feierten nur die klassische, soziale Wohltat als preiswürdig und nachahmenswert. Quergedachtes, Politisches, gar Unbequemes? Fehlan-zeige, wenn es ans öffentliche Schul-terklopfen geht. Die reflexhafte Eintei-lung in Gutmensch und Querkopf ist nicht bloß ärgerlich, sondern kontra-produktiv für eine aktive Bürgergesell-schaft.Wie bemerken wir das „Europäische Jahr der Freiwilligentätigkeit“? Die eine oder andere politische Überraschung würde helfen. Wahrscheinlich ist sie nicht.

Uwe Amrhein ist Herausgeber von ENTER.

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Politik, Kultur, Bürgerrechte.

Qualitätsjournalismus kann man kaufen.

www.spredder.de

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entertainer Der woche

Paul Gauselmann ist Deutschlands „Spielautomatenkönig“ (Jahresumsatz 1,3 Mrd. Euro). Allein im vergangenen Jahr sollen 50.000 Euro aus seinem Haus an deutsche Parteien geflossen sein. Pikant: Es spendet nicht das Unter-

nehmen, sondern Gauselmann lässt seine Führungskräfte Schecks schreiben - auf diese Weise taucht das Unterneh-men in keinem Rechenschaftsbericht der Parteien auf. Ob das legal ist, wird nun geprüft.

Paul gauselmann

Zitat Der woche

„Mehr plebiszitäre Elemente führen nicht unbedingt zu mehr Bürger-beteiligung.“

angela merkel

Bundeskanzlerin Angela Merkel im Interview mit der Mitteldeutschen Zeitung am 15. Februar 2011.

Zahl Der woche

Von wegen Politikverdrossenheit. 2,1 Millionen Seitenaufrufe zählte der Bür-gerhaushalt www.bonn-packts-an.de.

Bürger konnten hier Vorschläge einrei-chen, wie Geld gespart und Einnahmen für die Stadt gesteigert werden.

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Zahlen, Zitate, FaktenTrends

tyrannen Der woche Der nächste bitte (Folge 3)

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Ende Januar entschied die Regierungskoalition, dass es in der Internet-En-quete keine substanzielle Bürger-beteiligung geben soll (Enter berichtete). Die Einführung

der Software „Adhocracy“ wurde als zu teuer abgelehnt. Dass dieses Argument nur vorgeschoben war, will nun der Chaos Computer Club (CCC) zeigen. Er bietet an, die komplette Implementie-rung des Beteiligungssoftware kosten-los zu übernehmen. Einen Tag später erklärten sich die Sachverständige der Internet-Enquete bereit, innerhalb von zwei Tagen ebenfalls kostenfrei Adho-cracy aufzusetzen. Die Enquete einigte sich nun auf einen Kompromiss: 1. Man will weiterhin Adhocracy. 2. Soll eine Arbeitsgruppe die konkrete Umsetzung

organisieren. ENTER sprach über die neuesten Entwicklungen mit Cons-tanze Kurz, Sprecherin des CCC und Sachverständige der Internet-Enquete.

Eigentlich hatte sich die Enquete längst auf das Beteiligungstool Adhocracy geeinigt. Wo hakt es?

Man muss hier konkret Ross und Rei-ter nennen: In dem entscheidenden Gremium des Ältestenrates des Bun-destages waren es die Mitglieder der Regierungskoalition, die eine wirkliche Beteiligung von Bürgern nicht wollten. Mich ärgert, dass immer gerne nach Bürgerbeteiligung gerufen, aber in der Praxis nur gemauert wird.

Eine Arbeitsgruppe soll nun die Imple-mentierung von Adhocracy organisieren

interView Der woche

cartoon Der woche

Ihr Konto ist 200 $ im Minus ... Sie sollten besser Ihr Haus und Ihr Auto verkaufen...

Hiermit möchten wir Griechenland mit einem Rettungspa-ket in Höhe von 800000000000000000000000000 Millionen belohnen – dafür, dass Sie ihr gesamtes Land in den Ruin getrieben haben.

Es gibt Bereiche des Lebens, die mit gesundem Menschenverstand wenig zu tun haben.

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Zahlen, Zitate, FaktenTrends

– als Beteiligungsplattform außerhalb der Enquete. Kann eine solche Lösung funktionieren?

Die Bildung der Arbeitsgruppe ist ein-fach eine weitere Verzögerung. Es gibt seit langem ein Beteiligungskonzept, wir wiederholen jetzt Schritte, die schon gemacht wurden. Die Enquete hat sich über alle Fraktionen hinweg mehrfach für Adhocracy ausgesprochen. Es gibt von der Regierungskoalition immer wieder Lippenbekenntnisse, in der Praxis wird aber verzögert und blockiert.

Kommt jetzt eine zügige Umsetzung oder rechnen Sie mit weiteren Winkelzügen?

Ich rechne sehr wohl mit weiteren Verzögerungen. Schon allein weil Axel Fischer Vorsitzender der Enquete ist. Die Art und Weise, wie er dieses Gre-mium leitet, ist eine Zumutung. Am Montag kam er fast ein halbe Stunde

zu spät, niemand war informiert. Kurz nach Ende der Sitzung erschien dann eine vorbereitete Stellungnahme von ihm auf dem Blog der Enquete, in der er seine rechtlichen Bedenken gegen-über der Einführung von Adhocracy formulierte. Direkt wurde uns das nicht kommuniziert.

Ist der Vorsitzende der Enquete, Axel Fischer von der CDU, der richtige Mann für den Posten?

Aus meiner Sicht nicht! Er füllt dieses Amt höchst parteiisch aus. Dass seine Art und Weise nicht den Gepflogenhei-ten entsprechen, hat sogar die am Montag anwesende Vizepräsidentin des Bundestages bestätigt. Mit seinem Zuspätkommen hat er die Kommission blamiert, und er war der einzige in der ganzen Enquete, der gegen den Kom-promissvorschlag gestimmt hat. Das ganze Procedere am Montag war eine Farce.

Sollte die Einführung von Adhocracy mit weiteren taktischen Manövern gestoppt werden – bleiben Sie dann Sachverstän-dige der Enquete?

Ich habe mich natürlich schon gefragt, unter welchen Bedingungen man in dieser Enquete noch weiterarbeiten kann. Andererseits ist mir von Anfang an klar gewesen, dass hier im Politik-betrieb etwas andere Regeln herrschen. Mir war vorher aber nicht bewusst, nach welcher Gutsherrenart der Vor-sitzende sich hier aufführt. Gut, dass in den Projektgruppen vorgemacht wird, wie man konstruktiv zusammenarbei-ten kann.

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Hiermit möchten wir Griechenland mit einem Rettungspa-ket in Höhe von 800000000000000000000000000 Millionen belohnen – dafür, dass Sie ihr gesamtes Land in den Ruin getrieben haben.

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Zahlen, Zitate, Fakten Trends

Vergesst sarraZin

Text: Annette Leyssner

Durch die Feuilletons der Republik tobt immer noch der Streit über die Thesen Thilo Sarrazins. “Islamkritiker” und die Kritiker der Kritiker liefern sich heftige Gefechte. Dabei ist die Weltgeschichte über die deutschen Studierzim-merkämpfe inzwischen hinweggefegt. Die Revolutionen in Tunesien, Ägypten und, besonders blutig, in dieser Woche in Libyen verändern das Ansehen der Muslime in Deutsch-land. Die Erkenntnis: Auch “Kopftuchmädchen” treten mutig für ihre Rechte ein. Das hilft auch dem Engagement für

Integration in Deuschland.

Kazim Erdogan schenkt Tee aus einer typischen türkischen Metallkanne ein, die die Küche seines Hauses in Berlin-Rudow dominiert. Auf dem Schreib-tisch des 58-jährigen Psychologen stehen zwei Flaggen: die Deutschland-Fahne und die mit dem Halbmond. Erdogan kam vor 36 Jahren aus der Türkei nach Deutschland. Seine zahl-reichen Integrationsprojekte im Berli-ner Problem-Bezirk Neukölln sind viel-fach ausgezeichnet worden.

„Die Entwicklungen freuen mich sehr“, sagt er und meint die Revolutio-nen, die in diesen Wochen die arabi-schen Staaten überrollen, aber auch

die Folgen für das Ansehen der Mus-lime in Deutschland. Auf dem Titel des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ symbolisierte in der vergangenen Woche eine demonstrierende Frau auf dem Tahir-Platz in Kairo ein anderes Bild von Muslimen: Powerfrau statt Kopftuchmädchen. Die Volksauf-stände in Tunesien und Ägypten haben eine Welle der Sympathie ausgelöst, die Muslime auch in Deutschland spü-ren. So wie der Mauerfall und die fried-liche Revolution in der DDR das Anse-hen Deutschlands verändert hat, könnten die Massendemos in Kairo, Tunis und zuletzt der Kampf der Libyer

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Foto: Fotofinder

Kazim Erdogan bringt Menschen zum Sprechen. Er organisiert Gesprächs-kreise für Migranten und gründete die Woche der Sprache und des Lesens in Neukölln.

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Vergesst SarrazinTitel

gegen ihren Unterdrücker das Image der Muslime verändern.

Denn das wurde seit dem 11. Sep-tember 2001 immer schlechter. Ein Tiefpunkt war im vergangenen Jahr mit Thilo Sarrazins Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ erreicht. Der SPD-Politiker postulierte in Inter-views, muslimische Einwanderer „pro-duzierten“ nur „Kopftuch-Mädchen“. Millionen Leser schienen solche und ähnliche Gedanken zu teilen.

Das ärgert Kazim Erdogan, wie wohl die meisten deutschen Muslime: „Der Mann ist mit seinen Thesen mehrfa-cher Millionär geworden. Das zeigt, wie hoch die Zustimmung zu seinen Vorurteilen in der deutschen Gesell-schaft ist - auch wenn es nicht ‚politi-cally correct‘ ist, das offen zuzugeben“, sagt er. Er hätte sich mehr Unterstüt-zung von den Deutschen gewünscht. „Bedenkt man, wie viel Zeit Sarrazins Thesen in den Medien gewidmet wurde, wird über die demokratische Bewegung in den arabischen Ländern wenig berichtet. Aber nun sieht die westliche Welt junge Leute, die sich über Facebook und Twitter organisie-ren, um politische Rechte zu erkämp-fen. „Da leben nicht nur ‚bildungsferne‘ Menschen, die sich für Politik nicht interessieren“, sagt Erdogan, das machen diese Bilder offensichtlich.

Omar Sherif, 35, hat tunesische Eltern, ist selbst aber in Deutschland geboren. Der alleinerziehende Vater leitet eine islamische Männergruppe, in der über Erziehungsfragen und natürlich auch die politischen Ent-

wicklungen gesprochen wird. „Meine deutschen Freunde sind sehr froh dar-über, was passiert ist. Ich fühle mich auch stolz“, sagt er, den die Diskussio-nen des vergangenen Jahres auch beschäftigten. „Sarrazin mit seinen Thesen war ein Provokateur – aber ich glaube, er hat nur aufgeschrieben, was viele Deutsche in ihren Herzen trugen.“

In Reaktion auf Sarrazins Thesen fraßen viele Muslime ihren Ärger in sich hinein. Sie wollten lieber nicht auffallen, indem sie öffentlich ihren Glauben verteidigen. Nun könnten sich Muslime in Deutschland ermutigt füh-len, sich mehr gesellschaftlich einzu-bringen und ihre Interessen, zum Bei-spiel nach Sprachkursen und Gebetsräumen, mit neuem Selbstbe-wusstsein zu vertreten.

In einem sind Muslime in Deutsch-land sich einig. Sie hoffen, dass die Deutschen sehen: Islamischer Glaube und Demokratie schließen sich nicht aus. Aber viele sind noch unsicher, ob die neuen Sympathien für Muslime bleiben werden.

Bei einer Neuköllner Beratungsstelle für Familien arbeitet Safie Seyda, eine Sozialwissenschaftlerin aus Syrien. „Die Entwicklungen sind frisch, wir stehen alle unter einem positiven Schock“, sagt sie. Die 53-Jährige lebt seit 30 Jahren in Deutschland und hat sich vor zehn Jahren für die deutsche Staatsangehörigkeit entschieden. Sie arbeitet überwiegend mit arabischen Familien. Ein Foto von sich will die sie nicht veröffentlicht sehen. „Meine Familie lebt noch in Syrien. Wir hoffen,

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wir warten, dass dort auch etwas pas-siert. Aber die Lage ist ungewiss, ich will meine Familie schützen.“

Es sei zu früh zu sagen, wie die Ereig-nisse das Verhältnis von Deutschen und Muslimen und das Image des Islams ändern. „Ich hoffe, dass sich die Einstellung verbreitet: Islam und Demokratie, das geht zusammen.“ Es hat Seyda besonders gefreut, dass auch viele Frauen demonstriert haben. „Nicht so viele wie die Männer, aber immerhin. Es gab Frauen mit Kopftuch und Frauen ohne Kopftuch, das war egal. Es war schön zu sehen, wie Frauen vor den Fernsehkameras laut ihre Freude und ihre Forderungen aus-gedrückt haben.“ Vielleicht gibt es mehr Akzeptanz dafür, dass das Kopf-tuch zur Identität einer Frau gehören kann und kein Zeichen ist, dass sie sich weigert, sich zu integrieren“, wünscht Seydan sich. „Man kann als Frau Kopftuch tragen, wenn man will – und trotzdem selbstbewusst für seine Rechte eintreten.“

Bis vor Kurzem galten Menschen aus der islamischen Welt als Analphabe-ten, fatalistisch, fundamentalistisch, als Völker, mit denen Despoten leich-tes Spiel haben. Seyda ärgern solche Pauschalurteile, sie wünscht sich Dif-ferenzierung: „Es gibt nicht ‚den Mus-limen‘, es gibt Muslimbrüder, die einen Gottesstaat wollen, aber auch west-lich orientierte Intellektuelle, die Demokratie und Menschenrechte wol-len.“

Skeptischer klingt Esra Kücük. Die

27-Jährige hat gerade im Auftrag der Stiftung Mercator und der Humboldt-Universität eine „Junge Islamkonfe-renz“ mitorganisiert. Ihre Eltern sind aus der Türkei nach Deutschland ein-gewandert. Einen direkten Wandel im Image des Islam konnte sie bislang nicht beobachten. „Es braucht Zeit, bis Vorurteile verschwinden. Gerade die Sarrazin-Debatte hat in Deutsch-land lebende Muslime verunsichert.“

Sie konnten es nicht verstehen: Vor-her waren sie in Deutschland geborene Kinder von ägyptischen, türkischen oder marokkanischen Eltern. Nun gab es durch Sarrazins Pauschalisierun-gen ein neues Bild: Sie waren nun alle „Kind muslimischer Eltern“. Das war verwirrend, sie hatten sich in erster Linie als junge Deutsche gesehen. Wenn sich die Erkenntnis durchsetzt: Demokratieverständnis und Islam können zusammengehen, können die Muslime selbstbewusster werden.

Dass sich das Bild der Muslime tat-sächlich verändert, glaubt dagegen Florian Kohstall, der das Verbindungs-büro der Freien Universität Berlin (FU) in Kairo leitet. Kohstall erhält zum Bei-spiel auf einmal zahlreiche Anfragen für Arabischkurse in Kairo und Aus-tauschsemester an der Kairoer Uni-versität. Viele Studierende dort nah-men an Solidaritätskundgebungen und Mahnwachen teil. „Die Ereignisse haben bei den deutschen Studenten einen sehr nachhaltigen Eindruck hin-terlassen“, sagt er.

Nicht nur bei ihnen.

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Esra Kücük war Teilnehmerin der „Jungen Islam Konferenz“. Sie meint: „Es braucht Zeit, bis Vorurteile verschwinden.“

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SpendenparlamenteWeltbeweger

Flüchtlinge finden Anschluss in einem Tanzkurs, der Sand des Kinderspielplat-zes im Hof des Frauenhauses ist erneu-ert, Laptops für sehbehinderte Senioren finden regen Einsatz – das Bonner Spen-denparlament hilft, wo es vor Ort gerade brennt.

Ab fünf Euro im Monat bekommt man Sitz und Stimme. In Sitzungen entschei-den die Parlamentarier zweimal pro Jahr darüber, welche wohltätigen Vorhaben mit ihren Spenden gefördert werden. Gemeinnützige Organisationen bewer-ben sich mit ihren Projekten. „Jedes soziale Vorhaben wird nur einmal bedacht. Wir wollen nichts dauerhaft subventio-nieren. Es geht um eine Starthilfe“, erläu-tert Vorstandsmitglied Wolfram Schmuck. Im vergangenen Jahr erhielten 16 Pro-jekte insgesamt mehr als 25.000 Euro.

Die Organisation der parlamentarischen Arbeit leisten 15 Zeitspender, wie

Schmuck die engagierten Berufstätigen, Ruheständler und Studenten nennt. Geld für Büromaterial und Porto besor-gen sich die Parlamentarier bei Spon-soren.

Rund ein Dutzend Spendenparlamente gibt es in Deutschland, Österreich und in der Schweiz. Das Mutterschiff liegt in Hamburg. Dort haben sich Schmuck und seine Mitstreiter Rat und Hilfe geholt.

Bonner Spendenparlamentwww.bonner-spendenparlament.de

Hamburger Spendenparlamentwww.spendenparlament.de

Reutlinger Spendenparlamenthttp://www.weltbeweger.de/toro/resource/

html?locale=de#wiki.c4

Wenn Kleinspender in die Tasche greifen, wissen sie selten exakt, wohin ihr Geld fließt. In Spendenparlamenten ist das anders. Hier stimmen Spender darüber ab, wo das gemeinsam eingezahlte Geld wirkt. Gemeinschaftsgefühl und Demokrati-eschule gibt’s gratis dazu. Zum Beispiel in Bonn.

Demokratisch sPenDen. Das Parlament Der guten

weltbeweger Der woche

Foto: Bonner S

pendenparlament

für kleine Projekte – mit wenig viel erreichen

Marketing

MARKETING FÜR KLEINE PROJEKTE

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Akademie

A k A d e m i e

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So unterschiedlich gemeinnützige Projekte,

Initiativen und Verbände auch sind – eines

haben sie in der Regel gemeinsam: Der

Enthusiasmus ist groß, aber das Budget

klein. Wie gelingt es, mit wenig Geld Unter-

stützer zu mobilisieren, Spenden zu sam-

meln und die konkrete Projektarbeit zu leis-

ten? Gemeinnützige Organisationen sollten

sich nicht davor scheuen, von dem Wissen

zu profitieren, mit dem bereits viele Unter-

nehmen erfolgreich arbeiten. Was bei der

Bindung von Kunden funktioniert, lässt sich

hervorragend übertragen auf die Kommu-

nikation mit Unterstützern von gemeinnüt-

zigen Projekten. Die Enter-Akademie macht

vor, wie es geht: Schritt für Schritt in den

kommenden zwölf Ausgaben.

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MARKETING FÜR KLEINE PROJEKTEAkademie

Marketing für das Gute:eine Strategie ist gefragtMarketing für Gemeinwohl-Organisationen bedient sich einfacher Techniken, die auch aus dem Grassroots-, Guerilla- oder Viral-Marketing bekannt sind. Auch wenn es viele Namen für diese Form des Marketings gibt – im Kern geht es immer darum, mit möglichst wenig Aufwand einen maximalen Effekt zu erreichen.

DAMIT DIES GELInGT, MUSS nPO-MARKETInG:

1 nicht vorhersehbar, unkonventionell,

2 provokant und kreativ,

3 präzise geplant SEIn.

Sie können beispielsweise ihr Anliegen auf einem Demoplakat drucken und dann auf einer großen Kreuzung während der Rush Hour eine Spontan-Demo veranstalten, immer wenn die Fußgängerampel auf Grün steht.

Sie können es auch machen wie ein großer Verlag, der für eine Messe seine Bücher als überdimensionierte Skulpturen produzieren ließ. Sie wurden zum begehrtesten Fotomotiv der Veranstaltung.

Oder Sie spielen mit der Neugier der Leute und legen Flyer mit einer verschlüs-selten Botschaft an öffentlichen Plätzen aus. Eine Internetadresse verspricht dann die Auflösung des Rätsels.

Weniger Erfolg versprechend sind Aktionen, deren Wirkung zu schnell verpufft. So ist es wenig sinnvoll, den Flitzer, der nackt über das Spielfeld bei einem gro-ßen Sportevent läuft, mit Ihrer Botschaft auf dem Rücken loszuschicken. Dort werden Sie wenig, insbesondere wenig positive Aufmerksamkeit erreichen.

MARKETING FÜR KLEINE PROJEKTE

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Akademie

So kreativ einzelne Aktionen auch sein mögen und so spontan sie wirken: Sie müssen Teil eines übergeordneten Konzeptes sein – eines Marketingplans – damit sie Erfolg haben. Nur wenn sie in eine gut durchdachte Strategie integ-riert sind, werden sie funktionieren. Diese Strategie wird in einem so genann-ten Marketingplan zusammengefasst.

Beim Entwickeln eines Marketingplans sollten Sie sich von den folgenden Fragen leiten lassen. Nehmen Sie sich Zeit für die Beantwortung und holen Sie die Einschätzung Ihrer Mitstreiter ein! Am Ende sollte der ausformulierte Plan rund 5 Seiten umfassen.

1 In welchem Bereich arbeitet mein Projekt genau? Welche Schnittstellen gibt es zu weiteren Branchen oder Institutionen?

2 Das Formulieren konkreter Ziele ist zentraler Teil eines Marketingplans. Welche Ziele sind dies (z. B. eine bestimmte Zahl an Mitgliedern gewinnen,

einen konkreten Betrag als Spenden einnehmen, regelmäßige Berichterstat-tung in der Presse)?

3 Mit welcher Strategie sollen die Ziele erreicht werden? Wie sieht der Hand-lungsrahmen aus? Hier ist es besonders hilfreich, wenn man den Ist-

Zustand des Projekts beschreibt und mit dem Soll-Zustand (siehe 2) ver-gleicht. Welches sind die größten Hürden zum Erreichen des Soll-Zustands? Wie diese beseitigt werden können, das soll die Marketing-Strategie verraten.

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MARKETING FÜR KLEINE PROJEKTEAkademie

4 Welche konkreten Mittel sollen eingesetzt werden, in welcher zeitlichen Abfolge? Jetzt geht es in die konkrete Planung: Welche Aktionen sind viel

versprechend? Welche kreativen Ideen gibt es?

5 Budget. Auch, wenn man mit geringen Ressourcen arbeitet, muss der Mit-teleinsatz genau festgelegt werden. Wie viel Geld und Arbeitskraft steht

zur Verfügung? Wie soll beides aufgeteilt werden?

6 Erfolgskontrolle. Nur wer weiß, ob eine Aktion auch Erfolg hatte – gemes-sen an den formulierten Zielen und dem Einsatz von Ressourcen – kann

deren Wert auch verlässlich messen. Scheuen Sie sich nicht vor einer klaren Analyse – diese sollte die Grundlage für weitere Marketing-Maßnahmen sein.

Steht der Marketingplan, sind Sie auf der sicheren Seite. Sie wissen, dass alle geplanten Aktionen in Ihre Strategie passen und unmittelbar zum Erreichen Ihrer Ziele dienen. Der klar definierte Rahmen in Sachen Ausgaben und Man-power schützt vor ausufernden Aufwand und verschlankt die interne Kommu-nikation.

Eigentlich für Existenzgründer entwickelt, ist dieser Online-Marketingplaner auch für gemeinnützige Organisationen und Projekte hilfreich:https://www.existenzgruender.de/onlineprogramme/marketingplaner/ein-

leitung.php

Nächste Woche in der Enter-Akademie:

Lektion II - Das Homepage 1 x 1

MARKETING FÜR KLEINE PROJEKTE

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Akademie

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Bilder der Woche StartschussFotos: H

olger Groß, w

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.lichtbildkunst.de

Die Preisträger des Generali European Employee Volunteering Awards: Vertreter des EnGAGE-Bewerbungstraining (u.a. Deutsche Börse Group), der bplusd agenturgruppe GmbH , des BMW Group Graduate Programme, die Initiatoren des Programm „Part-ners in Leadership“ (u.a. KPMG) sowie der Magistrat der Landeshauptstadt Wiesba-den - Amt für Soziale Arbeit.

Christoph Schmal-lenbach, Arbeitsdi-rektor und Vor-standsmitglied der Generali Deutsch-land Holding AG, Rudolf Seiters, Präsident des DRK, Bundesfamilienmi-nisterin Kristina Schröder, Donata Freifrau Schenck zu Schweinsberg, Präsidentin der BAGFW (v.l.n.r.)

Sean Penn Hilft mit seiner eigenen Stiftung J/P Haitian Relief Organization Erdbeben-opfern in Haiti.

Boris Becker (mit Ehefrau Lilly) Ist Mitgründer der Cleven-Becker-Stiftung und geht gerne zum Charity-Golfen.

startschuss

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Bilder der WocheStartschuss

Rund 250 Gäste kamen in die historische Kassenhalle des Berliner Humboldt Carrés.

Am Montag eröffnete die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) das Europäische Jahr der Freiwilli-gentätigkeit. Parallel wurden die Generali European Employee Volunteering Awards im Berliner Humboldt Carré vergeben.

Uwe Lübking, Deutscher Städte- und Gemeindebund, Donata Freifrau Schenck zu Schweinsberg, Präsiden-tin der BAGFW, Bernd Schmitz, Vorstand DRK, Christof Eichert, Vorstand Herbert Quandt-Stiftung, Sarah Singer, Zentrale Wohlfahrts-stelle der Juden in Deutschland ZWST (v.l.n.r.)

B L O G - P E R L EFast wie bei Dr. Guttenberg: Die Transparenz-Platt-form www.abgeordnetenwatch.de hat einmal geguckt, wie viel Copy-and-Paste denn die Antworten enthalten, die MdBs auf Bürgerfragen geben. Besonders hoch im Kurs scheint Wikipedia zu stehen. http://blog.abgeordnetenwatch.de/2011/02/18/die-copy-paste-abgeordneten/

R A D I O - T I P PSeit 34 Jahren wehren sich die Bewohner des Wend-landes gegen das Atommülllager Gorleben. Der Beitrag vom Deutschlandradio schildert, wie die Aktivisten nun darauf reagieren, dass erstmals ein Dialo-gangebot von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) auf dem Tisch liegt. Nachzuhören unter:http://www.dradio.de/dlf/sendungen/umwelt/1388019/

D I R E K T K A N D I D A T E N - C H E C KRheinland-Pfalz wählt am 27.3.2011 einen neuen Land-tag. Der Verein Mehr Demokratie! hat alle Direktkan-didaten befragt, wie sie es mit der Bürgerbeteil-igung halten. Die Ergebnisse sollte man kennen, bevor man sein Kreuz macht.http://rlp.mehr-demokratie.de/rlp_start.html

W E T T B E W E R BNoch bis zum 1.3. können sich Journalisten für den Deutschen Sozialpreis bewerben. In den Sparten Print, Hörfunk und TV. Zugelassen sind Beiträge, die 2010 erstmals veröffentlicht wurden. Der Preis, der von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege ausgelobt wird, ist mit 15.000 Euro dotiert.http://www.bagfw.de/uploads/media/DS_Ausschreibung_2011_101129_2web_01.pdf

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24. Februar - 2. MärzAgenda

„So wie wir von den Erfi ndern technischer Innovation fasziniert sind, so müssen wir uns für Diejenigen begeistern, die gesellschaftliche Lösungen entwickeln und selbst anwenden.“ Elmar Pieroth (Vorstand der Stiftung Bürgermut und Gründer der WIV Wein International AG)

Die WIV ist die weltweit führende Unternehmensgruppe im Wein-Direktvertrieb und der größte Weinvermarkter Deutschlands mit einem Jahresumsatz von über 450 Mio. Euro. Mit über 40 eigenständigen Unternehmen in 23 Ländern und 5.400 Mitarbeitern ist die WIV weltweit vertreten.

Wir sind davon überzeugt, dass der Schlüssel zum Erfolg auf dem Engagement und der Eigeninitiative von Menschen beruht, sowohl im unternehmerischen als auch im sozialen Bereich. Deswegen fühlen wir uns der Stiftung Bürgermut besonders verbunden. 1 % unseres Jahresgewinnes kommt der Stiftung zugute.

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An der Kasse vorlegen oder online unter www.Vino24.de bis 30.6.2011 einmalig einlösbar,

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Impressum

IMPRESSUM Herausgeber: Uwe AmrheinRedaktion: Henrik Flor, Sebastian Esser Design: Supermarkt Studio

Propstraße 110178 BerlinTelefon +49 / 30 24 08 31 53Telefax +49 / 30 88 16 70

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ENTER erscheint in Kooperation mit der Stiftung Bürgermut.

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