Entwicklung einer neuen Technologie zur Herstellung von … · 2014-02-21 · GOST-Normen....

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ACAMONTA – Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik 78 Die Weltjahresförderung an Erdgas (ein- schließlich Erdölbegleitgas) betrug im Jahr 2010 rund 4 Bill. m ³ brutto [1]. Ne- ben 483 Mrd. m ³ /a für die Re-Injizierung, die dem Aufrechterhalten des Lagerstät- tendrucks bei der Erdölförderung dient, blieben weitere 120 Mrd. m ³ /a ungenutzt (zum Vergleich: der Erdgasjahresver- brauch Deutschlands beträgt rund 96 Mrd. m ³ /a [2]), die als Erdölbegleitgas entweder unter CO 2 -Freisetzung abge- fackelt oder aber direkt abgeblasen wur- den, wobei abgeblasenes Methan 21 Mal klimaschädlicher ist als CO 2 . Ein Abtransport der Erdölbegleitgase per Pipeline ist bei abgelegenen Lager- stätten wirtschaftlich nicht realisierbar. Stattdessen bietet sich ihre Vor-Ort-Um- wandlung in Flüssigprodukte (syntheti- sche Kraftstoffe oder Chemierohstoffe) an. Dies ist ebenso für Länder, die große Erdgas- und keine oder nur geringe Erd- ölvorkommen besitzen, interessant. 12 1 Dr.-Ing. Peter Seifert, Prof. Dr.-Ing. Bernd Meyer (TU Bergakademie Freiberg, Institut für Energieverfahrenstechnik und Chemiein- genieurwesen) 2 Dr.-Ing. Mario Kuschel, Dipl.-Ing. Joachim Engelmann (Chemieanlagenbau Chemnitz GmbH) Um aus Erdgas Kraftstoff zu erzeu- gen, wird im ersten verfahrenstechni- schen Schritt ein H 2 - und CO-reiches Synthesegas mittels Vergasung, die mit angepasster Gasreinigung alternativ auch den Einsatz von Kohle oder nach- wachsenden Rohstoffen gestattet, er- zeugt. Die für den zweiten Schritt heute auf dem Markt verfügbaren Technologien zur Umwandlung von Synthesegas in flüssige Kohlenwasserstoffe lassen sich in zwei Hauptgruppen unterteilen: die direkte katalytische Umwandlung des Synthesegases in flüssige Kohlenwas- Entwicklung einer neuen Technologie zur Herstellung von hochoktanigem Benzin aus Synthesegas Verbundforschung an der STF-Anlage des Instituts für Energieverfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen Peter Seifert 1 , Bernd Meyer 1 , Mario Kuschel 2 , Joachim Engelmann 2 Abb. 1: Syngas-To-Fuel-Technikumsanlage am IEC

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Page 1: Entwicklung einer neuen Technologie zur Herstellung von … · 2014-02-21 · GOST-Normen. Hervorzuheben ist auch die abwasserfreie Arbeitsweise, basie- ... 79.053 kg Benzin synthetisiert.

ACAMONTA – Zeitschrif t für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg

Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik

78

Die Weltjahresförderung an Erdgas (ein-schließlich Erdölbegleitgas) betrug im Jahr 2010 rund 4 Bill. m³ brutto [1]. Ne-ben 483 Mrd. m³/a für die Re-Injizierung, die dem Aufrechterhalten des Lagerstät-tendrucks bei der Erdölförderung dient, blieben weitere 120 Mrd. m³/a ungenutzt (zum Vergleich: der Erdgasjahresver-brauch Deutschlands beträgt rund 96 Mrd. m³/a [2]), die als Erdölbegleitgas entweder unter CO2-Freisetzung abge-fackelt oder aber direkt abgeblasen wur-den, wobei abgeblasenes Methan 21 Mal klimaschädlicher ist als CO2.

Ein Abtransport der Erdölbegleitgase

per Pipeline ist bei abgelegenen Lager-stätten wirtschaftlich nicht realisierbar. Stattdessen bietet sich ihre Vor-Ort-Um-wandlung in Flüssigprodukte (syntheti-sche Kraftstoffe oder Chemierohstoffe) an. Dies ist ebenso für Länder, die große Erdgas- und keine oder nur geringe Erd-ölvorkommen besitzen, interessant. 12

1 Dr.-Ing. Peter Seifert, Prof. Dr.-Ing. Bernd Meyer (TU Bergakademie Freiberg, Institut für Energieverfahrenstechnik und Chemiein-genieurwesen)

2 Dr.-Ing. Mario Kuschel, Dipl.-Ing. Joachim Engelmann (Chemieanlagenbau Chemnitz GmbH)

Um aus Erdgas Kraftstoff zu erzeu-gen, wird im ersten verfahrenstechni-schen Schritt ein H2- und CO-reiches Synthesegas mittels Vergasung, die mit angepasster Gasreinigung alternativ auch den Einsatz von Kohle oder nach-wachsenden Rohstoffen gestattet, er-zeugt.

Die für den zweiten Schritt heute auf dem Markt verfügbaren Technologien zur Umwandlung von Synthesegas in flüssige Kohlenwasserstoffe lassen sich in zwei Hauptgruppen unterteilen: die direkte katalytische Umwandlung des Synthesegases in flüssige Kohlenwas-

Entwicklung einer neuen Technologie zur Herstellungvon hochoktanigem Benzin aus Synthesegas

Verbundforschung an der STF-Anlagedes Instituts für Energieverfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen

Peter Seifert 1, Bernd Meyer 1, Mario Kuschel 2, Joachim Engelmann 2

Abb. 1: Syngas-To-Fuel-Technikumsanlage am IEC

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20. Jahrgang 2013 79

serstoffe und in die indirekte katalyti-sche Umwandlung des Synthesegases in Flüssigprodukte via Methanol. Allen diesen Technologien ist gemein, dass der Investitionsaufwand für eine großtech-nische Anlage zur Erzeugung von Ben-zin bzw. Diesel aus Synthesegas sehr hoch ist.

Die primären Produkte aus der Um-wandlung von Synthesegasen durch die Fischer-Tropsch-Synthese oder der Umwandlung von aus Synthesegas er-zeugtem Methanol müssen in nachge-schalteten Prozessen (Hydrocracken, Oligomerisierung, Isomerisierung, De-stillation) weiterverarbeitet werden, da-mit hieraus schließlich Benzin bzw. Die-sel gewonnen wird. Dabei haben diese Produkte aber noch nicht die gewünsch-te Endqualität. Das Benzinprodukt ist niedrigoktanig und muss in einem Nachfolgeprozess (Reforming, Isomeri-sierung) entsprechend veredelt werden. In einigen Prozessen weist das Benzin-produkt hohe Gehalte der unerwünsch-ten Verbindung Durol auf, die durch eine nachgeschaltete Hydroisomerisierung in Kraftstoff umgesetzt werden muss.

Das neuartige STF-Verfahren, das die vorgenannten Probleme überwindet, konnte im Verbundforschungsvorhaben Entwicklung einer neuen Technologie zur Herstellung von hochoktanigem Benzin ausSynthesegas von den Projektpartnern Chemieanlagenbau Chemnitz GmbH (CAC) und TU Bergakademie Freiberg designt, in den Technikumsmaßstab umgesetzt und in einer Versuchsanlage am Institut für Energieverfahrenstech-nik und Chemieingenieurwesen (IEC) erprobt werden.

Das Forschungsvorhaben begann im August 2008 mit der Bauplanung und der Reaktorauslegung. Parallel zur Er-richtung und Inbetriebnahme der Tech-

Abb. 2: Verfahrensfließbild STF

nikumsanlage wurden vom IEC und dem Institut für Technische Chemie Ge-räte für die Kraftstoff- und Synthesegas-analytik beschafft bzw. angepasst sowie produktspezifische Probebehandlungs- und Messsequenzen erarbeitet. Im Juni 2010 konnte an der STF-Anlage, die das Synthesegas aus der seit 2003 am IEC betriebenen HP-POX-Anlage bezieht, der Versuchsbetrieb aufgenommen werden.

Die Synthese hochoktanigen Ben-zins erfolgt in zwei Stufen: Einer vor-geschalteten Methanolsynthese, die bis zu 700 m3 (i.N.)/h Synthesegas verar-beitet, folgt in einem zweiten Reaktor die Benzinsynthese mit einer Nenn-leistung von 120 l Benzin pro Stunde. Wesentliche Apparateauslegungs- und Prozessführungsprinzipien sowie Ver-fahrensbestandteile, wie beispielswei-se die isothermen Reaktoren, die Art der Wärmeabführung, die Reaktionsbe-dingungen und der speziell abgestimm-te Katalysator, unterscheiden sich von konkurrierenden Verfahren, wie dem TI-GAS-Verfahren von Haldor Topsoe oder dem MtSynfuels-Verfahren von Lurgi, durch anlagen- und prozesstechnische Verbesserungen. Das primäre Benzin-produkt entspricht nach einer simplen destillativen Aufarbeitung in seiner chemischen Zusammensetzung EU- und GOST-Normen. Hervorzuheben ist auch die abwasserfreie Arbeitsweise, basie-rend auf einer integrierten Aufarbei-tung des anfallenden methanolhaltigen Wassers.

Seit 2010 wurden insgesamt sieben, teils bis zu sechswöchige Versuchskam-pagnen gefahren. Hierbei standen das Auffinden und Optimieren der Reakti-onsbedingungen im 1. und 2. Reaktor im Mittelpunkt der Untersuchungen. In 149 Betriebstagen, die das mehrtägige Aufheizen und Abkühlen der Prozess-

stufen einschließen, wurden insgesamt 79.053 kg Benzin synthetisiert.

Begleitet wurden die Versuche durch wissenschaftliche Mitarbeiter und Dok-toranden, die Arbeiten zur Modellierung von Teilprozessen, zur Bilanzierung und zur Gesamtsystemanalyse des mit der HP-POX-Anlage gekoppelten Verfah-rens sowie Untersuchungen zur Reakti-vität und Selektivität der Katalysatoren durchführten.

Anhand der Investitionskosten für die Versuchsanlage und der erreich-ten Versuchs ergebnisse (gleiche bzw. höhere Qualität des Benzins bei weni-ger Ausrüstungen) werden von CAC marktwirtschaftliche Analysen zur neuen Technologie erarbeitet. Erste kommerzielle Anwendungen werden in den ehemaligen GUS-Staaten mit den CAC-Projektpartnern (SAPR Neftechim/Russland und Techno Trading Ltd./Ka-sachstan) erwartet. Ziele der weiteren Technologieentwicklung sind der Nach-weis der Dauerstandfestigkeit des Kata-lysators und die Erarbeitung eines ein-stufigen Verfahrens, das ggf. modular aufgebaut sein wird.

Das Verbundforschungsvorhaben, das im September 2013

seinen Abschluss fand, wurde aus Mitteln des Europäischen

Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und des Freistaates

Sachsen gefördert.

Quellen1 US Department of Energy – Energy Informa-

tion Administration. http://www.eia.gov, abge-rufen Juli 2013

2 Kurzstudie „Reserven, Ressourcen und Verfüg-barkeit von Energierohstoffen 2011“. Deutsche Rohstoffagentur (DERA) in der Bundesanstalt für Geowissen schaften und Rohstoffe (BGR), Hannover, November 2011.