Entwicklung eines Praxisleitfadens für die Prävention und...

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-Bachelorthesis- Entwicklung eines Praxisleitfadens für die Prävention und ernährungstherapeutische Behandlung der Divertikelkrankheit zum Erlangen des akademischen Grades Bachelor of Science Ökotrophologie Vorgelegt von: Valerie Böker Matrikelnummer: 2017229 Erstprüfer/in: Prof. Dr. oec. troph. Silya Ottens Zweitprüfer/in: Dipl.-oec. troph. Gudrun Biller-Nagel Tag der Abgabe: 15.05.2014 Fakultät Life Science Studiengang Ökotrophologie

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-Bachelorthesis-

Entwicklung eines Praxisleitfadens für die

Prävention und ernährungstherapeutische

Behandlung der Divertikelkrankheit

zum Erlangen des akademischen Grades

Bachelor of Science

Ökotrophologie

Vorgelegt von: Valerie Böker

Matrikelnummer: 2017229

Erstprüfer/in: Prof. Dr. oec. troph. Silya Ottens

Zweitprüfer/in: Dipl.-oec. troph. Gudrun Biller-Nagel

Tag der Abgabe: 15.05.2014

Fakultät Life Science

Studiengang Ökotrophologie

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I

Vorwort

Aufgrund der inkonsistenten Datenlage zu Ernährungsinterventionen bei der Divertikel-

krankheit kann mit der vorliegenden Abschlussarbeit kein vollständig ausgearbeiteter Pra-

xisleitfaden zur Verfügung gestellt werden. Die systematische Datenbankrecherche er-

möglicht aber die übersichtliche Zusammentragung aktueller wissenschaftlicher Erkennt-

nisse mit Ableitung sowie Visualisierung von konkreten Ernährungsempfehlungen, die in

verschiedenen Stadien der Divertikelkrankheit Anwendung finden können.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei meinen Prüferinnen Frau Ottens und Frau Biller-Nagel

für die wegweisende Betreuung und Zusammenarbeit innerhalb des Praktikums sowie bei

der Themenfindung und Anfertigung der Bachelorarbeit. Insbesondere die praktischen

Erfahrungen und enorme Wissenserweiterung innerhalb meiner Praktikumszeit im As-

klepios Westklinikum Hamburg erwiesen sich bei der Planung und Umsetzung von patien-

tenorientierten Ernährungsinformationen als sehr bereichernd.

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II

Abstract

Diverticulosis is one of the most common diagnoses in gastroenterological practice. The

spread of disease occurs frequently in the western civilization. Prevalence and incidence

are age-related and rise consistently within population of the USA and Europe. The clini-

cal picture comprises structural changes of the colonic wall with mucosal herniation which

can appear as asymptomatic diverticulosis as well as acute diverticulitis with complica-

tions or recurrence and surgical management. Increasing costs and burdens of inpatient

and outpatient care and the absence of German guidelines for therapeutic use, demon-

strate the need for evidence based study results. The aim of this bachelor thesis is to as-

sess the outcome of recent clinical trials in medical databases and -outgoing from the ma-

jor results, to develop a nutritional concept for individual prevention and rehabilitation of

diverticular disease. Dietetic interventions should improve symptoms or abdominal pain,

maintain remission after an acute episode and prevent complications. The evaluation of

important nutrients and food components in terms of diverticular disease will be connected

to fundamental associations and interactions of etiology and pathophysiology. Genetic

predisposition, eating habits and physical activity are already identified as eminent factors

in course of disease. There is also a close coherence to the intestinal microbiota -which

alters in the higher ages, and determines the effect on health outcomes. The popular “fi-

bre hypothesis” from Painter and Burkitt, refers the formation of diverticula to the daily

intake of dietary fibre. The hypothesis is not evident but of clinical relevance. Other pro-

spective cohort studies find further dietary components such as animal proteins and re-

fined sugar, having a close relationship to diverticular disease. For example vegetarians,

especially people with a high consumption of fruits and vegetables, are less involved in

diverticulosis and have a lower risk for complications. Because of the variety of their

health impacts on the large intestine, -dietary fiber and probiotics are milestones in an

integrated nutritional management. Synergistic effects of different fibre types and its parti-

cle sizes are in complex correlation to the microbiota, whereby the colonic motility and

intestinal immune response are getting stimulated. A combination of bifidobacteria and

lactobacillus shows health-promoting effects on constipation, abdominal pain and flatu-

lence, so that it can be a promising treatment option for diverticular disease. Type, dosage

and required time of fibre supplements and probiotic mixtures are recommended to be

handled in subject to predominant symptoms. High-fiber diets are usually associated with

gastrointestinal discomfort such as excessive gas production and meteorism. Health pro-

fessionals should minimize initial discomfort with a holistic mentoring and practical instruc-

tion. The patient information and recipes developed in this thesis can be applied in thera-

peutic institutions.

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III

Zusammenfassung

Divertikulose ist eine der häufigsten Diagnosen in der gastroenterologischen Praxis und

findet ihre Verbreitung in westlichen Industrienationen. Die Prävalenz und Inzidenz sind

stark altersabhängig und steigen stetig. Das klinische Erscheinungsbild umfasst eine oder

multiple Ausstülpungen der Mukosa und Submukosa des Kolons und reicht von asymp-

tomatischer Divertikulose über akute Divertikulitis mit kompliziertem Verlauf bis hin zu

chronisch rezidivierender Divertikulitis mit potenziell letalem Ausgang. Angesichts der

hohen Behandlungskosten und fehlenden Leitsätzen zur therapeutischen Vorgehenswei-

se bei Divertikelkrankheit soll diese Arbeit mithilfe einer systematischen Literaturrecher-

che einen Handlungsleitfaden für diätetische Interventionen entwickeln, der auf Basis sta-

tistisch signifikanter und klinisch relevanter Daten präventiv und kurativ in den verschie-

denen Stadien der Erkrankung greift und patientenindividuell adaptierbar ist. Die Erarbei-

tung und Bewertung von relevanten Nährstoffen und Nahrungskomponenten für die Diver-

tikelkrankheit erfolgt im Kontext der wesentlichen Assoziationen und Interaktionen inner-

halb der Ätiologie und Pathophysiologie. So ist eine genetische Prädisposition für den

Krankheitsverlauf ebenso bedeutsam wie Ernährungsgewohnheiten und körperliche Akti-

vität. Die Mikrobiota wird durch diese Faktoren mehr oder minder stark beeinflusst und ist

überdies im hohen Erwachsenenalter Veränderungen unterworfen, die sich ungünstig auf

den Verlauf einer Divertikulose auswirken können. Die populäre „Ballaststoff-Hypothese“

von Painter und Burkitt, nach der die Höhe der täglichen Ballaststoffaufnahme über das

Auftreten von Divertikeln entscheidet, kann bis heute weder erhärtet noch widerlegt wer-

den, während groß angelegte prospektive Kohortenstudien weitere Komponenten in der

Ernährung hervorbringen, die enge Korrelationen zur Divertikelkrankheit zeigen. Vegetari-

er haben ein signifikant geringeres Risiko für eine Divertikulose und Komplikationen. Bal-

laststoffe und Probiotika sind Meilensteine in einem ganzheitlichen Ernährungskonzept

und müssen in ihrer Art, Dosierung und Anwendungsdauer symptomorientiert gehandhabt

werden. Der synergistische Effekt unterschiedlicher Ballaststofffraktionen sowie die Parti-

kelgröße von Ballaststoffisolaten stehen in komplexer Wechselbeziehung zur Mikrobiota,

worüber Darmmotilität und intestinales Immunsystem stimuliert werden. Die kombinierte

Gabe von Bifidobakterien und Lactobacillen zeigt ein positives Wirkungsspektrum hin-

sichtlich Stuhlunregelmäßigkeiten, abdominellen Schmerzen und Flatulenz und gilt als

vielversprechende therapeutische Maßnahme bei Divertikelkrankheit. Anfängliche gastro-

intestinale Beschwerden in einer ballaststoffmodifizierten Kost müssen über eine praxis-

orientierte Beratung und Anleitung der Patienten so gering wie möglich gehalten werden,

um die Compliance zu sichern. Die in dieser Arbeit entwickelte Patienteninformation sowie

Rezeptvorschläge sollen als Instrumente in der Ernährungstherapie Anwendung finden.

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Inhaltsverzeichnis

VORWORT ........................................................................................................................ I

ABSTRACT ...................................................................................................................... II

ZUSAMMENFASSUNG ....................................................................................................III

ABBILDUNGSVERZEICHNIS ........................................................................................... V

TABELLENVERZEICHNIS................................................................................................ V

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ........................................................................................ VI

1 EINLEITUNG ............................................................................................................. 1

2 DIVERTIKELKRANKHEIT......................................................................................... 3

2.1 Definition und Klassifikation ................................................................................ 3

2.2 Epidemiologie ..................................................................................................... 7

2.3 Pathophysiologie ...............................................................................................13

3 AKTUELLE STUDIENLAGE ....................................................................................18

3.1 Evidenzbasierte Medizin ....................................................................................18

3.2 Methodik ............................................................................................................19

3.3 Auswertung relevanter Studien ..........................................................................23

3.4 Diskussion der Ergebnisse ................................................................................33

4 ERNÄHRUNGSMEDIZINISCHE ANSÄTZE IN DER PRAXIS ..................................38

4.1 Prävention der Divertikelkrankheit .....................................................................38

4.1.1 Alternative Ernährungsformen ....................................................................38

4.1.2 Ballaststoffreiche Kost ................................................................................40

4.1.3 Einsatz von Probiotika ................................................................................42

4.2 Therapie der Divertikelkrankheit ........................................................................44

4.2.1 Symptomatische unkomplizierte Divertikelkrankheit ....................................44

4.2.2 Symptomatische komplizierte Divertikelkrankheit .......................................45

4.2.3 Chronisch rezidivierende Divertikulitis.........................................................46

5 PRAKTISCHE UMSETZUNG AKTUELLER ERNÄHRUNGSINFORMATIONEN .....47

5.1 Kostanforderungen bei Divertikelkrankheit .........................................................47

5.2 Exemplarischer Leitfaden für die Ernährungsberatung ......................................48

6 SCHLUSSBETRACHTUNG .....................................................................................49

7 AUSBLICK ...............................................................................................................50

LITERATURVERZEICHNIS .............................................................................................51

EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG ....................................................................................

ANHANG ............................................................................................................................

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V

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Schematische Darstellung von Sigmadivertikeln ........................................... 4

Abbildung 2 Entstehungsmodell der Divertikelkrankheit ...................................................12

Abbildung 3 Wandschichten des Kolons mit Divertikeldurchtritt .......................................14

Abbildung 4 Ablaufschema der Literaturrecherche ...........................................................20

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Klassifikation der Divertikelkrankheit modifiziert nach Hansen und Stock .......... 5

Tabelle 2 Evidenzklassen modifiziert nach EBM-Netzwerk ..............................................19

Tabelle 3 Darstellung der Datenbankrecherche ...............................................................22

Tabelle 4 Auswertung relevanter Studien nach PICO-Schema ........................................25

Tabelle 5 Stärken- und Schwächenanalyse relevanter Studien ........................................35

Tabelle 6 Klassifizierung von Ballaststoffen .....................................................................40

Tabelle 7 Probiotisch wirksame Stämme .........................................................................43

Tabelle 8 Ernährungstherapie bei symptomatischer unkomplizierter Divertikelkrankheit ..45

Tabelle 9 Ernährungstherapie bei symptomatischer komplizierter Divertikelkrankheit ......46

Tabelle 10 Ernährungstherapie bei chronisch rezidivierender Divertikulitis ......................46

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VI

Abkürzungsverzeichnis

BMI Body Mass Index

BS Ballaststoffe

CED Chronisch Entzündliche Darmerkrankung

CCT Case Control Trial

CT Computertomographie

DB Double Blind

DK Divertikelkrankheit

DGE Deutsche Gesellschaft für Ernährung

EBM Evidenzbasierte Medizin

EFSA European Food Safety Authority

EPIC European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition

FFQ Food Frequency Questionnaire

FU Follow-up

HPFS Health Professionals Follow-Up Studie

I.v. Intravenös

LM Lebensmittel

MeSH Medical Subject Headings

Mo. Monate

NEM Nahrungsergänzungsmittel

NSAID Non Steoridal Antiinflammatory Drugs

NVS Nationale Verzehrsstudie

RCT Randomized Control Trial

RDS Reizdarmsyndrom

RR Relatives Risiko

TN Teilnehmer

WGO World Gastroenterology Organisation

Wo. Wochen

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1

1 Einleitung

Die Kolondivertikulose ist ein Sammelbegriff für gutartige Veränderungen des Gastrointes-

tinaltrakts (Andus & Germer, 2011, p. 398), welche häufig als Zufallsbefund innerhalb von

Vorsorgekoloskopien festgestellt werden. Sogenannte Pseudodivertikel treten vielfach in

Form von Ausstülpungen der Dickdarmschleimhaut, vorzugsweise im Bereich des abstei-

genden Dickdarms sowie des Sigmas auf (Simpson & Spiller, 2006, p. 203). Das reine

Vorhandensein von Divertikeln wird in der Medizin noch nicht als Divertikelkrankheit (DK)

eingestuft. Erst das Vorliegen einer klinischen Symptomatik stellt einen Krankheitswert

dar und bedarf einer therapeutischen Behandlung (Koop, 2009, p. 251).

Ältere Menschen der westlichen Industrieländer weisen besonders häufig Divertikel im

Dickdarm auf. Die Prävalenz und Inzidenz verzeichnen seit Beginn der Aufzeichnungen

Anfang des 20. Jahrhunderts einen stetigen Anstieg (Schreiber & Rehner, 2001, pp. 16-

23). Neben der „Urhypothese“ von einer Wechselbeziehung zwischen gestiegenem Le-

bensalter, einer faserarmen, westlichen Ernährung und dem Auftreten von Divertikulose

bringen Innovationen in der Forschung weitere prädisponierende Faktoren hervor, wie

etwa die Zugehörigkeit zu bestimmten ethnischen Gruppen, körperliche Inaktivität und das

Vorliegen einer erblichen Bindegewebsschwäche (Ochsenkühn & Göke, 2002, p. 665).

Bei etwa 25% der von Kolondivertikulose Betroffenen kommt es unerwartet zum Krank-

heitsbild der Divertikulitis, welche je nach Ausmaß der zugrundeliegenden Entzündung

und in Abhängigkeit der patientenspezifischen Risikofaktoren mit vielfältigen Komplikatio-

nen sowie einer erhöhten Mortalität einhergehen kann (Germer & Gross, 2007, pp. 3487-

3488). Eine vollständige Entschlüsselung der Ätiologie und Pathogenese ist aufgrund von

fehlenden klinischen Studien bisher nicht gelungen, weshalb in Deutschland aktuell keine

evidenzbasierte Leitlinie zur Prävention und Therapie der Divertikelkrankheit existiert.

Der genaue Behandlungsaufwand der Divertikelkrankheit ist bislang kaum evaluiert wor-

den. Allerdings stellen Everhart et al. bei epidemiologischen Untersuchungen in den USA

fest, dass die DK im Jahr 2004 die fünft häufigste Ursache für ambulante Behandlungen

ist und direkte Kosten in Höhe von 3,57 Billionen US Dollar verursacht (Everhart & Ruhl,

2009, p. 380). In Deutschland werden pro Jahr circa 60.000 stationäre Behandlungen

verzeichnet, was der Dimension einer Volkskrankheit entspricht (Mansfeld, et al., 2010, p.

28). In medizinischer Fachliteratur gibt es trotz jahrzehntelanger Untersuchung von ernäh-

rungsbezogenen Komponenten in der Genese der Divertikelkrankheit keine konkreten

Handlungsempfehlungen zur nutritiven Therapie, was deutlich den Bedarf für die Erarbei-

tung eines praxisorientierten Ernährungsleitfadens aufzeigt.

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2

Ziel dieser Abschlussarbeit ist es, bestehende und in der Praxis aktuell angewandte Er-

nährungskonzepte zur Behandlung einer Divertikelkrankheit durch eine systematische

Literaturrecherche auf Evidenz zu überprüfen und aus diesem Ergebnis ernährungsthera-

peutische Maßnahmen herauszuarbeiten, die sowohl eine akute Divertikulitis symptoma-

tisch mildern als auch durch Kombination geeigneter nutritiver Substanzen eine präventi-

ve Wirkung erzielen können. Die gewonnenen Inhalte sollen abschließend in einen Ent-

wurf für einen Praxisleitfaden eingebracht werden.

Für eine in sich schlüssige Konzeption sollen folgende Fragen beantwortet werden:

Welchen Stellenwert haben Ballaststoffe in der Primär- und Sekundärprävention?

Welche Probiotika-Stämme eignen sich zur Therapie der Divertikelkrankheit?

Wie sind Nebenwirkungen beim Einsatz von Phytopharmaka zu bewerten?

Welche Chancen und Risiken ergeben sich durch alternative Kostformen?

Der theoretische Teil der Bachelorarbeit beleuchtet ätiologische und pathogenetische Hin-

tergründe der Divertikelkrankheit im Kontext heutiger Ernährungsmuster und diskutiert im

Anschluss an eine übersichtliche Darstellung aktueller ernährungsassoziierter Studien

Möglichkeiten der diätetischen Intervention. Da das Geschlecht für die Vergegenwärti-

gung der Inhalte dieser Arbeit nicht relevant ist und eine Berücksichtigung beider Ge-

schlechter den Textfluss stören würde, sind alle Ausführungen im generischen Maskuli-

num formuliert. Medizinische Fachbegriffe oder Anmerkungen sind in Fußnoten erklärt.

Die Skizzierung der Divertikelkrankheit beschränkt sich auf anatomische und physiologi-

sche Erfordernisse des Dickdarms von kaukasischen Patienten, da diese ethnische Grup-

pe am häufigsten von Dickdarmdivertikeln im linksseitigen Kolon betroffen ist. Diagnostik,

medikamentöse und chirurgische Therapie werden nicht detailliert beschrieben, da der

Schwerpunkt auf der ernährungsbasierten Behandlung liegt. Im empirischen Teil der Ba-

chelorarbeit wird die Auswertung relevanter Studien den Anspruch der evidenzbasierten

Medizin dahingehend vernachlässigen, dass ein Repertoire an ernährungstherapeuti-

schen Maßnahmen zusammengetragen und bewertet werden kann.

Die Herausarbeitung gesundheitsförderlicher Aspekte von ausgewählten Nahrungssub-

stanzen wird auf das intestinale und immunologische Wirkungsspektrum begrenzt, da die

Literaturrecherche diese beiden Funktionsbereiche gehäuft als Grundlage diätetischer

Interventionen der Divertikelkrankheit identifiziert hat. Da sich Ätiologie und Symptomatik

bei chronischer Obstipation und Reizdarmsyndrom (RDS) ähneln, werden die Erkenntnis-

se aus Ernährungsinterventionen zu diesen Krankheitsbildern in die Argumentation für

präventive und stadienadaptierte Kostempfehlungen eingebracht.

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3

2 Divertikelkrankheit

In diesem Kapitel sollen die wichtigsten Begriffe der Divertikelkrankheit voneinander ab-

gegrenzt, die Einflussfaktoren der Krankheitsentstehung diskutiert sowie aus verschiede-

nen Methoden der Stadieneinteilung ein modifiziertes Modell der Klassifizierung vorge-

stellt werden, welches als Orientierungshilfe für die nachfolgenden Ausführungen zu pa-

thophysiologischen Abläufen im Organismus dient.

2.1 Definition und Klassifikation

Aufgrund unscharfer Definitionen in der Literatur werden nachfolgend die verschiedenen

Zustandsformen der Divertikelkrankheit anhand histologischer und klinischer Kriterien

voneinander abgegrenzt.

Divertikulose beschreibt zunächst nur eine strukturelle Veränderung des Dickdarms, bei

dem sich gutartige Ausstülpungen der Mukosa und Submukosa durch eine Schwachstelle

in der Darmmuskulatur gebildet haben (Koop, 2009, p. 249). Diese Auswölbungen besit-

zen einen sackartigen Aufbau mit einer Größe zwischen 5-10mm (Murphy, et al., 2007, p.

1) und treten in 75-95% der Fälle im Sigma des linksseitigen Kolon auf, da dieser Darm-

abschnitt in seiner Anordnung der Längsmuskelschicht und mit zahlreichen Gefäßlücken

begünstigende Bedingungen schafft (Prescher, 2001, pp. 12-13). Die Kolondivertikulose

verläuft zu etwa 75% asymptomatisch, weshalb der reine Befund noch keine Behand-

lungsindikation darstellt (Andus & Germer, 2011, p. 396).

Der Begriff Divertikel stammt aus dem Lateinischen und bedeutet soviel wie „Abweg“. Die,

meist erworbenen, Wandausstülpungen können vom Ösophagus bis zum distalen Kolon

multipel lokalisiert sein und stören die normale Anatomie des betreffenden Hohlorgans

(Prescher, 2001, p. 4). Definitionsgemäß handelt es sich bei einer Divertikulose nicht um

eine Auswucherung der Darmwand, sondern überwiegend der Darmschleimhaut, weshalb

zwischen Pseudodivertikeln und „echten“ Divertikeln unterschieden werden muss (Andus

& Germer, 2011, p. 396).

Wie in Abbildung 1 veranschaulicht, stülpen sich Pseudodivertikel sackförmig durch die

Mukosa und Submukosa hindurch, da Lücken in der Muskularis1 den Durchtritt erleich-

tern. Echte Divertikel bilden sich aus dem gesamten Gewebe des Mutterorgans, hier der

Kolonwand. Solche Traktions- oder Pulsionsdivertikel kommen nur äußerst selten vor und

sind entweder angeboren (Ochsenkühn & Göke, 2002, p. 666) oder entstehen durch ei-

1 Muskularis (Tunica muscularis) beschreibt die feingewebliche Schicht in Hohlorganen. Ihr Aufbau

grenzt sich durch Anordnung zweier unterschiedlich verlaufender Muskelbündel (Stratum longitudi-nale und Stratum circulare) sowie zahlreichen Gefäßdurchtrittsstellen von dem des Dünndarms ab und verursacht die typische Peristaltik des Dickdarms (Prescher, 2001) (S. 5-7)

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4

nen Zug von außen, wie es zum Beispiel bei Narbenverwachsungen nach Operationen

der Fall sein kann (Prescher, 2001, p. 4).

Divertikel können von unterschiedlicher Größe und Anzahl im Kolon vorkommen, ohne,

dass eine Prognose zum Krankheitsverlauf aufgestellt werden kann (Zachert & Meyer,

2001, p. 83). Oftmals erscheint ihre Anordnung „strickleiterartig“ in paarigen Reihen, da

die Blutgefäße an den Tänien auf der mesenterialen Seite penetrieren (Klosterhalfen,

2001, p. 65). Entscheidend für die morphologische Einordnung ist letztendlich die Anzahl

der Wandschichten, die an der Formierung beteiligt sind. Intramurale Aussackungen, wie

die Pseudodivertikel sind im Gegensatz zu den extramuralen Divertikeln noch mit einer

kräftigen Muskelschicht überzogen (Prescher, 2001, p. 10).

Liegen klinische Symptome vor und zeigen bildgebende Verfahren sowie Laborparameter

Entzündungszeichen, spricht man von einer akuten Divertikulitis. Diese wird als die häu-

figste Komplikation der Divertikulose angesehen und kann vielfältige Schweregrade an-

nehmen (Tabelle 1). Etwa 20% der Patienten mit einer Divertikulose entwickeln im Laufe

der Zeit eine Divertikulitis, die durch Stuhlretention mit anschließender Infektion des Diver-

tikels hervorgerufen wird (Andus & Germer, 2011, p. 397).

Die Divertikelkrankheit ist ein Oberbegriff, der sich nach den WGO Practice Guidelines in

Divertikulose, Divertikulitis mit akuter Entzündung eines Divertikels und Divertikelblutung

untergliedert (Murphy, et al., 2007, p. 1). In der Literatur herrscht über diese Zuordnung

Uneinigkeit, da die asymptomatische Divertikulose keinen Krankheitswert besitzt und da-

her als Prädisposition der DK betrachtet werden muss (Zachert & Meyer, 2001, p. 83).

Präventive und therapeutische Ansätze können daher nur bei Komplikationen der Diverti-

kulose auf ihre Wirksamkeit hin untersucht werden.

A Echtes

Divertikel B Falsches

Divertikel C Blutgefäß

D Längsmuskel-

schicht

E Ringmuskel-

schicht

F Submukosa A

F

E D

B

C

Abbildung 1 Schematische Darstellung von Sigmadivertikeln in Anlehnung an (Marks, 2011)

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5

Neben der klinischen Einteilung nach Ausprägung der muskulären Wandveränderungen

sowie Dickdarm-assoziierter Stoffwechselveränderungen (Klosterhalfen, 2001, p. 64) exis-

tieren diverse Systeme zur Klassifikation der DK, von denen sich zwei Modelle in der kli-

nischen Praxis etabliert haben. Da der Schweregrad der Krankheit entscheidend das di-

agnostische und therapeutische Vorgehen beeinflusst, behilft man sich im deutschen

Sprachraum der Stadieneinteilung nach Hansen und Stock, die präoperativ Anamnese,

klinische Untersuchungen und bildgebende Verfahren zur präzisen Einschätzung des

Schweregrads kombiniert (Stock, et al., 2001, p. 92). Die Einteilung nach Hinchey zielt auf

chirurgische Verfahren ab und benennt nur die postoperativen Stadien der akuten kompli-

zierten Divertikulitis (Gross & Germer, 2009, pp. 119-120). Da derzeit keine international

gültige Stadieneinteilung existiert und neue Erkenntnisse zur Operationsindikation bei

Divertikulitis in vielen Klassifikationssystemen noch nicht erfasst wurden, wird im Folgen-

den ein erweitertes Modell vorgestellt, das den Schweregrad mit klinischer Symptomatik,

Diagnostik nach Goldstandard und aktuellen therapeutischen Verfahren vereint.

Stadium Bezeichnung Klinik CT-Diagnostik Therapie

0 Divertikulose keine Gas- oder Kon-trastmittel gefüllte Divertikel

keine

I Akute unkomplizierte Divertikulitis

Schmerzen im Un-terbauch, ggf. Fie-ber

und ggf. Darm-wandverdickung

Kurzfristige (2-3 Tage) Nahrungskarenz, ggf. orale Antibiotikagabe

II Akute komplizierte Divertikulitis

IIa Peridivertikulitis, phlegmonöse

2

Divertikulitis

Druckschmerz oder lokale Abwehr-spannung, tastbare Walze im Unter-bauch, Fieber

Und entzündliche Dichteanhebung im perikolischen

3

Fettgewebe

(Par)enterale Ernäh-rung und 4-7 Tage intravenöse Antibioti-katherapie

IIb

Abszedierende Divertikulitis, gedeckte Perforation, Fistel

Lokaler Peritonismus, Fieber, Atonie

Und mesokoli-scher

4 oder retro-

peritonealer5

Abszess

I.v. Antibiotikatherapie und Abszessdrainage, ggf. früh-elektive OP

IIc Freie Perforation Akutes Abdomen Freie Luft, freie Flüssigkeit, ggf. Abszesse

Notfalloperation

III Chronisch rezidivierende Divertikulitis

Rezidivierende ab-dominale Schmer-zen, ggf. Fieber, Obstipation oder

Subileus, ggf. Luft-

abgang im Urin

Darmwand-verdickung, ggf. Stenose oder Fistel

Kurzfristige Nahrungs-karenz und orale/ i.v. Antibiotikatherapie, ggf. elektive OP

Tabelle 1 Klassifikation der Divertikelkrankheit modifiziert nach Hansen und Stock (Andus & Germer, 2011, pp. 399-401)

2 Phlegmonös: diffus, infiltrativ ausbreitende Entzündung der Divertikel (De Gruyter, 2013) (S.1656)

3 Perikolisch: neben dem Kolon liegend oder das Kolon umgebend (De Gruyter, 2013) (S.1629)

4 Mesokolisch: am Mesenterium (Gekröse) des Kolons gelegen (De Gruyter, 2013) (S.1344)

5 Retroperitoneal: hinter dem Bauchfell gelegen (De Gruyter, 2013) (S.1840)

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6

Mit dem Stadium 0 greift die Klassifikation die Divertikulose auf, um eine sichere Abgren-

zung gutartiger Wandausstülpungen vom Krankheitsbild der Divertikelkrankheit zu errei-

chen (Stock, et al., 2001, p. 94). Stadium I wird häufig ambulant behandelt, während ab

dem Stadium II ein stationärer Aufenthalt angezeigt ist. Die antibiotische Therapie orien-

tiert sich am vorhandenen Keimspektrum im Dickdarm und wird je nach Einstufung der

Divertikulitis oral oder intravenös verabreicht (Gross & Germer, 2009, p. 120). Die Compu-

tertomographie wird häufig ergänzend zur Sonographie angewandt, um eine Verdachtsdi-

agnose zu erhärten und mit hoher Sicherheit die Verteilung von Divertikeln und Lokalisati-

on von Komplikationen zu bestimmen (Stock, et al., 2001, p. 98).

Der Grad der medizinischen Versorgung hängt von der Schwere und Ausdehnung der

zugrundeliegenden Entzündung sowie dem Vorhandensein von Komorbiditäten ab. Früh-

elektive Operationen erfolgen in Abhängigkeit vom Ansprechen auf initial konservative

Therapiemaßnahmen sowie dem körperlichen Zustand des Patienten (Andus & Germer,

2011, p. 400). Divertikulitisrezidive stellen entgegen früherer Annahmen prinzipiell kein

erhöhtes Letalitätsrisiko dar und werden daher wie der erste Divertikulitisschub behandelt.

Indikation zur elektiven Resektion des betroffenen Darmsegments besteht erst bei Auftre-

ten struktureller Veränderungen mit hohem Schadenspotenzial oder ungünstiger Konstel-

lation der patientenspezifischen Risikofaktoren, wie hohes Alter, reduzierte Immunabwehr

und dem individuellen Leidensdruck (Andus & Germer, 2011, p. 401). Lediglich bei freier

Perforation besteht Indikation zur unverzüglichen Notfalloperation.

Die Komplikationen einer Divertikulitis treten oft mit einer Reihe von unspezifischen Symp-

tomen wie intervallartigen Bauchschmerzen, Stuhlunregelmäßigkeiten von Diarrhö bis

chronischer Obstipation und Fieber auf (Mansfeld & Teichmann, 2001, p. 137). Nicht sel-

ten lassen sich trotz gegebener Klinik vorerst keine Hinweise auf entzündliche Prozesse

oder gedeckte Perforationen finden (Classen, et al., 2001, p. 190). Ähnlich wie bei einer

Reizdarmsymptomatik ist die Ursache der Beschwerden zunächst unklar, was die Stadi-

eneinteilung erheblich erschwert. Bei erstmaligem Verdacht auf Divertikulitis müssen des-

halb Differenzialdiagnosen wie chronisch entzündliche Darmerkrankung (CED), Appendi-

zitis oder Tumorerkrankungen ausgeschlossen werden (Koop, 2009, p. 253).

Eine Annäherung der Klassifikation an die evidenzbasierte Medizin erscheint realistisch,

wenn es gelingt, die pathoanatomischen und –physiologischen Veränderungen möglichst

exakt darzustellen und eine ständige Weiterentwicklung der therapeutischen Ansätze zu

gewährleisten. In der klinischen Praxis wird die Herausforderung nach wie vor in der Ab-

wägung der patientenspezifischen Risikofaktoren liegen, weshalb sich eine interdisziplinä-

re Herangehensweise empfiehlt (Zachert & Meyer, 2001, pp. 83-88).

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2.2 Epidemiologie

Dieses Kapitel zielt darauf ab, Trendprognosen zur Prävalenz und Inzidenz der Divertikel-

krankheit wiederzugeben und Erkenntnisse der Ursachenforschung kritisch zu beleuch-

ten. Die Assoziationen innerhalb der multifaktoriellen Ätiologie können nur als unvollstän-

diges Konstrukt verstanden werden, da viele Hypothesen nicht ausreichend belegt sind.

Prävalenz und Inzidenz der Divertikulose

Genaue Angaben zur Prävalenz der Divertikulose sind aufgrund des überwiegend asymp-

tomatischen Verlaufes sowie einer hohen Dunkelziffer nicht möglich. Laut Autopsiestudien

sind in den 1960er Jahren aber bereits ein Drittel der Menschen über 60 Jahre von Diver-

tikulose betroffen (Parks, 1968, p. 30). Aktuelle Altersabstufungen zeigen deutlich eine

steigende Prävalenz und Inzidenz der Divertikulose: Während nur etwa 5% der unter 40-

Jährigen Divertikelträger sind, steigt die Häufigkeit mit 60 Jahren auf 30% und ab 85 Jah-

ren auf über 65% an (Koop, 2009, p. 250). Die Dunkelziffer schwankt zwischen 10-50%,

was sich zum einen durch reguläre Abstände von 10 Jahren zwischen Vorsorgekolosko-

pien erklären lässt und zum anderen durch die hohe Zahl an potenziellen Betroffenen, die

keine Darmspiegelung in Anspruch nehmen (Sauer, P.; Universitätsklinikum Heidelberg,

2014). Das Durchschnittsalter bei Erstdiagnose ist in den letzten Jahren deutlich gesun-

ken, wie eine Langzeiterhebung aus den USA gezeigt hat (Etzioni, et al., 2009, p. 211).

Als Risikofaktoren für einen komplizierten Verlauf der DK gelten ein hohes Lebensalter,

geringe körperliche Aktivität, Immunsuppression und die Einnahme Nicht-steroidaler Ent-

zündungshemmer (NSAID). Die Mortalitätsrate beträgt für die akute Divertikulitis laut Da-

ten zu stationären Behandlungen (NIS) aus den USA etwa 1% mit leichtem Abwärtstrend

(Etzioni, et al., 2009, p. 212).

Entstehung und Verbreitung der Divertikelkrankheit

Sigmadivertikel werden um 1900 erstmalig durch den deutschen Mediziner Ernst Graser

morphologisch detailliert beschrieben und sind fortan Gegenstand zahlreicher wissen-

schaftlicher Untersuchungen, um die anatomischen und pathologischen Grundlagen der

Divertikelkrankheit zu entschlüsseln (Prescher, 2001, pp. 4-13). Während der Erfolg in der

Medizin viele Jahrzehnte ausbleibt und die noch seltene Entdeckung von Divertikeln als

Kuriosität gilt (Aldoori, et al., 1998, p. 714), können epidemiologische Studien Hypothesen

zur geographischen Verteilung und der Bedeutung von Lebensstilfaktoren in der Ätiologie

hervorbringen. Neil S. Painter und Denis P. Burkitt setzen mit ihrer Publikation von 1971

einen Meilenstein, indem sie die DK als eine Konsequenz der Industrialisierung identifizie-

ren, was sich insbesondere im Vergleich zwischen den USA und Europa mit Afrika äußert

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(Painter & Burkitt, 1971, pp. 451-452). Da Afrika damals als der am wenigsten ökono-

misch entwickelte Kontinent gilt und hier praktisch keine Divertikel bei operativen Eingrif-

fen entdeckt werden, schlussfolgern sie, dass die Inzidenz mit dem Grad der Industriali-

sierung eines Landes steigt und somit eine Lebensstilerkrankung vorliege, die vermeidbar

sein muss (Painter & Burkitt, 1971, p. 453). Allerdings sind die Beobachtungen in Afrika

nur bedingt mit den Verhältnissen in den USA und Europa vergleichbar, da die Lebenser-

wartung zum Zeitpunkt der Untersuchungen deutlich geringer ist als in den westlichen

Nationen, sodass viele Menschen gar nicht das Alter erreichen, in dem laut der Autopsie-

studien Divertikulose gehäuft auftritt (Commane, et al., 2009, p. 2483). Dennoch wird in

einer prospektiven Populationsstudie in Schweden mit vier Millionen Migranten aus nicht-

industrialisierten Nationen ein erhöhtes Risiko für die DK beobachtet, wenn diese länger

als fünf Jahre in der westlich geprägten Kultur leben. Unter der Studienpopulation befin-

den sich Einwanderer aus Asien, Afrika und Südamerika, deren Divertikulitis-Risiko zwi-

schen 1991 und 2000 unter Berücksichtigung von Alter, Geschlecht und sozioökonomi-

schem Status erfasst wird. Die Migranten haben im Vergleich zu den Eingeborenen ein

signifikant geringeres Risiko für einen Krankenhausaufenthalt aufgrund von akuter Diver-

tikulitis, welches unabhängig vom sozioökonomischen Status in den Jahren nach ihrer

Niederlassung ansteigt. Starke Assoziationen werden für Alter und weibliches Geschlecht

erfasst (Hjern, et al., 2006, pp. 799-803).

Westlicher Ernährungsstil prägt diätetische Interventionen

Die faserreiche Ernährung der afrikanischen Bevölkerung wird zur Grundlage eines Prä-

ventionskonzepts, das Painter und Burkitt zu den „Wegbereitern“ der Ernährungstherapie

der DK macht. Ihre „Ballaststoff-Hypothese“ stützt sich auf die Auswertung von Stuhlpro-

ben und Transitzeit von britischen und afrikanischen Bürgern, deren Nahrungszusam-

mensetzung stark voneinander abweicht. Die Transitzeit der Briten beträgt mehr als das

doppelte im Vergleich zur afrikanischen Bevölkerung. Der geringe Faseranteil in der west-

lich geprägten Kost wird folglich für ein geringeres Stuhlvolumen, eine härtere Stuhlkon-

sistenz und erhöhten intraluminalen Druck verantwortlich gemacht und gilt seither als

Hauptargument sämtlicher Leitsätze für eine ballaststoffreiche Ernährung (Painter &

Burkitt, 1971, pp. 452-453). Entgegen der damaligen Annahme eines Ballaststoffmangels

in der Ernährung westlicher Populationen geht aus Daten der Agrarstatistik für den Zeit-

raum 1950-2010 ein deutlicher Anstieg mit Aufwärtstrend für den Verbrauch von Gemüse

und mit geringen Schwankungen auch für Obst hervor (DGE, 2012, p. 23). Neben einer

inadäquaten Ballaststoffzufuhr sollte daher ebenso eine Verschiebung der Nahrungsquel-

len von Vollkornprodukten hin zu mehr Gemüse und Obst als Einflussfaktor in Betracht

gezogen werden.

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Eine Erweiterung des Kenntnisstands bringen sogenannte Vegetarierstudien, indem sie

den hohen Konsum an tierischen Produkten, insbesondere an rotem Fleisch, kritisch hin-

terfragen. Innerhalb einer Fall-Kontroll-Studie in Griechenland mit 100 Patienten mit

symptomatischer Divertikulose in der Versuchsgruppe und weiteren 110 Patienten ohne

Divertikulose oder abdominelle Schmerzen in der Kontrollgruppe stellt sich heraus, dass

eine unzureichende Ballaststoffaufnahme nicht allein das Bild einer westlichen Ernährung

prägt, sondern erst durch den vermehrten Konsum von rotem Fleisch eine gesundheitlich

bedenklichen Kombination bildet. Vor allem die Divertikelträger weisen eine signifikant

geringere Aufnahme an Gemüse, Vollkornbrot, Kartoffeln und Obst auf, aber einen größe-

ren Verzehr an Fleisch, Milch und Milchprodukten. Das relative Risiko (RR) einer Diverti-

kelkrankheit liegt in dieser Gruppe um das fünfzigfache höher als bei Personen, die häufig

Gemüse und selten Fleisch verzehren (Manousos, et al., 1985, p. 547). Ein signifikanter

Zusammenhang zwischen der aufgenommenen Ballaststoffmenge und der Entstehung

von Divertikeln kann jedoch bislang nur im Tiermodell nachgewiesen werden (Fischer, et

al., 1985, pp. 798-799).

Ergebnisse einer 2012 veröffentlichten Querschnittstudie mit Probanden aus der Health

Professionals Study, die sich zwischen 1998 und 2010 Koloskopien und Telefoninterviews

unterziehen, sprechen sogar für gegenteilige Effekte einer ballaststoffreichen Kost. Per-

sonen, die sich sehr faserreich ernähren, weisen demnach eine erhöhte Prävalenz der

Divertikulose auf (Peery, et al., 2012, p. 4). Weiterhin lässt sich im Untersuchungszeit-

raum keine Beziehung zu einer fett- und fleischreichen Ernährung, verminderter körperli-

cher Aktivität oder eingeschränkter Darmmotilität herstellen (Peery, et al., 2012, pp. 4-5).

Einfluss weiterer Lebensstilfaktoren

Die Hypothesen zum Einfluss weiterer Lebensstilfaktoren sind uneinheitlich. In der groß

angelegten prospektiven Health Professionals Follow-up-Studie (HPFS) wird eine inverse

Korrelation zwischen körperlicher Aktivität und symptomatischer Divertikelkrankheit er-

fasst (Aldoori, et al., 1995a, p. 279). Strate et al. knüpfen an dieses Ergebnis an, indem

sie den BMI der Person berücksichtigten und eine Aufgliederung der Korrelation nach

verschiedenen Sportarten und der Intensität ihrer Ausübung vornahmen. Lediglich mit

Laufsport kann signifikant das Risiko für Komplikationen der DK gesenkt werden. Weiter-

hin haben Personen, die mindestens 52 Stunden pro Woche sitzend verbringen, ein um

30% höheres Risiko eine Divertikulose zu entwickeln. Das Risiko für Divertikulitis und Di-

vertikelblutung liegt für körperliche Inaktivität bei Männern mit einem BMI >30 am höchs-

ten (Strate, et al., 2009a, pp. 5-7). Die biologischen Mechanismen hinter der Interaktion

zwischen Übergewicht und Komplikationen der Divertikelkrankheit sind noch unbekannt,

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allerdings stellt ein erhöhtes Taillen-Hüft-Verhältnis einen unabhängigen Risikofaktor dar,

was ein Indiz für eine Beteiligung des viszeralen Fettgewebes sein kann (Strate, et al.,

2009b, p. 120).

Im Rahmen der HPFS untersuchten Aldoori et al. weitere Lebensstilfaktoren in Industrie-

nationen bezüglich ihres Risikopotenzials für eine Divertikelkrankheit. Die Kohorte von

47678 Männern wurde dabei in Zweijahresabständen zu ihrem Konsum von Zigaretten,

Alkohol und Koffein befragt und ob im vergangenen Zeitraum eine DK diagnostiziert wur-

de. Unter den gefundenen Assoziationen sind keine statistisch signifikant, sodass mode-

rate Mengen an Alkohol, Koffein und Zigaretten wahrscheinlich keine negativen Auswir-

kungen haben. Allerdings zeigt die isolierte Betrachtung von täglichem Zigarettenkonsum

in Relation zum Lebensalter ein leicht erhöhtes Risiko für einen symptomatischen Verlauf

der Divertikulose (Aldoori, et al., 1995b, p. 223). Nikotinkonsum stellt trotzdem ein Risiko-

faktor dar, weil in einer anderen prospektiven Studie ein erhöhtes Risiko für gutartige

Dickdarmtumoren nach langjährigem Rauchen ermittelt wird und Raucher eine insgesamt

ungesündere Lebensweise mit regelmäßigem Alkoholkonsum, geringer Ballaststoffzufuhr

und erhöhter Fettzufuhr pflegen (Giovannucci, et al., 1994, p. 185).

Alters- und geschlechtsspezifische Wechselbeziehungen

Bereits in den frühen 70er Jahren lässt die Verteilung und Schwere der Divertikelkrankheit

enge Assoziationen zu Alter und Geschlecht erkennen. Während zunächst nur eine ten-

denzielle Aufteilung der Geschlechter beim Alter der Erstdiagnose beobachtet wird, kön-

nen weitere epidemiologische Studien eine Korrelation zwischen Geschlecht und Krank-

heitsverlauf feststellen. Eine grobe Zuordnung erfolgt durch Gear et al., wonach die DK

unter 60 Jahren eher mit dem männlichen Geschlecht und über 60 Jahren eher mit dem

weiblichen Geschlecht assoziiert wird (Gear, et al., 1979, p. 512). Manousos et al. kalku-

lieren für Frauen jeden Alters ein insgesamt höheres Risiko für die Divertikulose

(Manousos, et al., 1985, p. 547). Aus aktuelleren Daten geht hervor, dass Männer und

Frauen gleichermaßen von Divertikulose betroffen sind, aber Frauen tendenziell häufiger

mit Komplikation einer Divertikulitis konfrontiert sind (Murphy, et al., 2007, p. 2). Divertiku-

litisrezidive werden hingegen mehrheitlich bei Männern festgestellt (Koop, 2009, p. 253).

Die unterschiedlichen Beobachtungen zur geschlechtlichen Verteilung können in gewis-

sen Grenzen mit altersbedingten strukturellen und physiologischen Veränderungen ver-

knüpft sein. Beispielsweise soll sich im höheren Alter die Passagezeit verlängern, was bei

Frauen in einer erhöhten „Divertikelneigung“ resultieren kann. Manousos et al. haben da-

her in ihrer Fallkontrollstudie neben verschiedenen Nahrungskomponenten auch Transit-

zeit und Stuhlfrequenz untersucht, um Rückschlüsse auf eine Obstipationsbeteiligung zu

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erhalten. Dabei stellt sich heraus, dass zwischen Patienten- und Kontrollgruppe keine

Unterschiede in der Verdauungstätigkeit bestehen. Probanden mit einer Divertikulose

haben sogar eine kürzere Transitzeit (Manousos, et al., 1985, p. 548). Unabhängig davon

scheint die Kolonmotilität bei einer DK gestört zu sein, was vermehrt mit Innervationsstö-

rungen der Darmwand in Verbindung gebracht wird (Wedel & Böttner, 2014, p. 4). Diese

wiederum können durch die altersbedingt nachlassende Elastizität und Zugfestigkeit der

Darmmuskulatur mitverursacht sein (Ochsenkühn & Göke, 2002, p. 667).

Die Annahme, jüngere Patienten seien eher von einem aggressiveren Verlauf betroffen

und sollten deshalb möglichst nach dem ersten Divertikulitisrezidiv elektiv operiert wer-

den, entspringt widersprüchlichen Ergebnissen aus retrospektiven Studien, die zum Teil

länger als 20 Jahre zurückliegen (Lippert & Mantke, 2001, pp. 112-115). Ein Erklärungs-

ansatz bietet hier die Beobachtung, dass sich das Verteilungsmuster der Divertikel bei

jüngeren Patienten häufiger im rechten Hemikolon manifestiert, während es sich bei älte-

ren Patienten in der Regel auf das linke Hemikolon konzentriert (Klosterhalfen, 2001, p.

70). Die noch seltene Erscheinung einer Erstdiagnose vor dem 50. Lebensjahr erhöht nur

das Mortalitätsrisiko, wenn der Patient zusätzlich adipös oder immungeschwächt ist.

(Germer & Gross, 2007, p. 3488). Neue Erkenntnisse könnten Studien zur Untersuchung

des Phänomens von der Prädominanz einer rechtsseitigen DK bei mongolisch stämmigen

Populationen hervorbringen, da neben kulturell geprägten Lebensstilfaktoren auch mor-

phologische Charakteristika von Bedeutung sind (Nakaji, et al., 2002, p. 370).

Hypothesen zur genetischen Komponente

Eine angeborene „Divertikelneigung“ gibt es nicht, aber das uneinheitliche Bild der alters-

und geschlechtsspezifischen Auswirkungen auf Schwere, Lokalisation und Zeitpunkt der

Erstmanifestation einer Divertikelkrankheit spricht für die Existenz einer genetischen

Komponente, die Einfluss auf die intestinalen Wandstrukturen, immunologische und neu-

ronale Reaktionen sowie die Zusammensetzung der Mikrobiota nimmt (Granlund, et al.,

2012, p. 1106). Nachdem seltene Bindegewebserkrankungen wie das Marfan-Syndrom

oder das Ehlers-Danlos-Syndrom sowie die polyzystische Nierenerkrankung lange Zeit

die einzigen genetischen Verknüpfungen zur Divertikelkrankheit darstellen (Ochsenkühn

& Göke, 2002, pp. 665-667), kann erstmalig in einer schwedischen Zwillingsstudie mit

104452 Teilnehmern ein erblicher Anteil von 40% gegenüber 60% Umwelteinflüssen er-

rechnet werden (Granlund, et al., 2012, p. 1105). Eine genetische Prädisposition ist nicht

nur an altersbedingten Veränderungen im Elastin- und Kollagenstoffwechsel beteiligt,

sondern auch an Zusammensetzung und Interaktionen des intestinalen Mikrobioms, wel-

che über Gesundheit und Krankheit entscheiden können (Morgan, et al., 2012, p. 2). Die

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Wechselbeziehung zwischen Dickdarmflora und Wirt ist bereits als pathologischer Aus-

gangspunkt der inflammatorischen Prozesse bei CED und Reizdarmsyndrom identifiziert

und soll ebenfalls der Urheber der Entzündungskaskade einer akuten Divertikulitis sein

(Quigley, 2010a, p. 128). Verschiedene Spezies sind bereits gut erforscht und werden als

probiotische Stämme zu therapeutischen Zwecken bei einer Vielzahl von gastrointestina-

len Störungen eingesetzt (Bischoff & Manns, 2005, p. 754). Eine Modulation der Mikrobio-

ta zur Verbesserung der funktionellen Integrität der epithelialen Barriere sowie zur Sicher-

stellung einer gesunden Darmperistaltik könnte entscheidend Symptomatik und Verlauf

der Divertikelkrankheit verbessern (Quigley, 2010a, p. 128). Wenn auch die hier genann-

ten Publikationen gewisse Schwächen aufweisen und die biologischen Mechanismen hin-

ter den beschriebenen Assoziationen weitgehend unbekannt sind, so verdeutlichen sie

dennoch die Komplexität des Entstehungsmechanismus der DK. Das folgende Schaubild

soll den derzeitigen Kenntnisstand der multifaktoriellen Ätiologie als Ganzes abbilden.

Abbildung 2 Entstehungsmodell der Divertikelkrankheit

Nachdem die ballaststoffarme Ernährung durch Painter und Burkitt zur Schlüsselkompo-

nente in der Divertikelentstehung tituliert wird, gelingt es in anderen Untersuchungen wei-

tere Ausprägungen des westlichen Lebensstils ausfindig zu machen, wie etwa Fleisch-

konsum. Nikotinabusus, körperliche Inaktivität und Übergewicht. Allerdings können die

einzelnen Faktoren nicht nach ihrer Einflussstärke quantifiziert werden, sodass die DK

nicht als klassische Lebensstilerkrankung bezeichnet werden darf. Die enge Beziehung

zwischen altersbedingten strukturellen Veränderungen an intestinalen Geweben und Ge-

fäßen und der Divertikulose wird farblich hervorgehoben, da sie gesicherter Bestandteil

der Ätiologie ist. Alle anderen Faktoren bedürfen weiterer wissenschaftlicher Prüfung.

•Mikroflora

•Bindegewebs-schwäche

•Polyzystische Nierenerkrankung

•Prädisposition

•Komplikationen

•Rezidivneigung

•westliche Ernährung

•Bewegungsmangel

•Übergewicht

•Nikotinabusus

•Strukturver-änderungen

•Darmpassage

•Immunschwäche

Alter Lebensstil

Genetik Geschlecht

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2.3 Pathophysiologie

Die zugrundeliegenden Pathomechanismen der Divertikelkrankheit sind sehr facettenreich

und werden im Zuge neuer Erkenntnisse aus der Forschung kontrovers diskutiert. Um

Aktualität der Inhalte dieser Arbeit zu gewährleisten, werden nur die beständigsten Hypo-

thesen kurz erläutert. Da sich im klinischen Alltag der Begriff „Divertikel“ gleichwohl für die

Ausstülpung der Darmschleimhaut etabliert hat, wird in den weiteren Ausführungen auf

die Benutzung des Fachterminus „Pseudodivertikel“ verzichtet.

Formation und Lokalisation von Divertikeln

Erworbene Divertikel entstehen an Muskelschwachstellen, den Durchtrittsstellen der Vasa

recta (Koop, 2009, p. 249). Der genaue Hergang ihrer Formation ist noch unbekannt, aber

es hat sich die Hypothese durchgesetzt, dass eine Hypersegmentation, ausgelöst durch

eine dauerhafte Druckausübung im Inneren des Lumens, zur Hernierung von Bindegewe-

be führt. In medizinischen Fachkreisen werden die hier beschriebenen Divertikel auch als

Schleimhauthernien bezeichnet (Prescher, 2001, p. 3), um die Beteiligung der Wand-

schichten deutlicher abzugrenzen.

Prinzipiell ist die Ausbildung von Divertikeln im gesamten Magen-Darm-Trakt möglich, da

sich die Muskelschicht in allen Abschnitten aus longitudinalen und zirkulären Anteilen zu-

sammensetzt (Junqueira & Carneiro, 2004, p. 260). Trotzdem stellt der Dickdarm eine

architektonische Besonderheit dar, denn seine Wandstruktur gleicht einem Gitternetz aus

auf- und absteigenden spiraligen Muskelfasern, die überkreuz verlaufen und damit die

typische „Antiperistaltik“ verursachen (Prescher, 2001, pp. 5-7). Einerseits ist dies uner-

lässlich für die Eindickung und den Weitertransport des Nahrungsbreis und andererseits

schafft es günstige Bedingungen für Ausstülpungen. Im Gegensatz zum Dünndarm fehlen

dem Dickdarm Zotten sowie in allen Segmenten bis zum Enddarm eine durchgängige

Längsmuskelschicht. Stattdessen bildet die longitudinale Schicht drei kräftige parallel ver-

laufende Tänien6, die in einer zarten Bindegewebsschicht, der Submukosa, eingebettet

sind. Zwischen den Tänien ist die Längsmuskelschicht sehr dünn oder fehlt vollständig

(Prescher, 2001, p. 7). Die Submukosa wird auch als Unterschleimhaut bezeichnet und

dient als Verschiebeschicht zwischen dem inneren Schleimhautrohr und einem äußeren

Muskelrohr (Wedel & Böttner, 2014, p. 1). Ihre Beweglichkeit erhält sie durch charakteris-

tische Vorwölbungen, den Haustren. Sie dienen als kurzfristiges Nahrungsreservoir zur

Absorption von Wasser und Nährstoffen (Schmidt, et al., 2010, p. 820) und können ihre

Form entsprechend der ablaufenden Peristaltik anpassen. In diesen Schichtaufbau inte-

6 Tänien (Taeniae coli): drei Muskelbänder zur Verstärkung der Längsmuskelschicht des Kolons,

die mit dem Gekröse verwachsen sind (De Gruyter, 2013) (S. 2086)

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griert sind zudem das enterische7 Nervensystem und zahlreiche Blutgefäße entlang der

Vasa recta (Prescher, 2001, pp. 5-7). Die nachfolgende Abbildung zeigt einen Querschnitt

der Wandschichten des Kolons mit einem Divertikeldurchtritt an einer präformierten

Schwachstelle. Die als „Epiploic Appendage“ gekennzeichneten gelblichen Auflagerungen

in der Serosa8 bestehen aus Fettgewebe und sind frei endende Fortsätze der Tänien

(Junqueira & Carneiro, 2004, p. 260). Die drei dicken Muskelbänder werden hier nach

ihrer Lage zum oder entgegen des Mesenteriums unterschieden.

Abbildung 3 Wandschichten des Kolons mit Divertikeldurchtritt (Marks, 2011)

Der spezifische Aufbau des Dickdarms leitet sich aus der mechanischen Beanspruchung

der Darmwand ab, welche einer kontinuierlichen Peristaltik unterliegt und über die beson-

dere Eigenschaft der Segmentierung verfügt. Für einen ausreichenden Kontakt der Muko-

sa zur Stuhlmasse müssen Druckkammern gebildet werden (Ochsenkühn & Göke, 2002,

p. 668). Die zum Gitter angeordnete Ringmuskulatur übernimmt diese Funktion und sorgt

durch einschnürende Kontraktionen für eine regelmäßige Segmentierung der Haustren

(Junqueira & Carneiro, 2004, p. 260). Segmentation und Tänienerschlaffung werden neu-

ronal gesteuert und sind Teil der propulsiven Massenbewegungen zur Beförderung und

Eindickung von Nahrungsbrei. Damit der Koloninhalt nicht zu schnell ins Rectum gelangt,

sondern einige Zeit in den Haustren verweilt, muss die Darmwand einen gewissen Wider-

stand entgegenbringen, weshalb hier naturgemäß erhöhte Druckverhältnisse herrschen

(Schmidt, et al., 2010, p. 820). Im Sigma brechen sich dann die peristaltischen Wellen

7 Enterisches Nervensystem: Darmwandnervensystem (De Gruyter, 2013) (S. 1466)

8 Serosa (Tunica serosa): seröse Auskleidung der Bauchfellhöhle (De Gruyter, 2013) (S. 861)

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prellbockartig am Übergang in die kontinuierliche Längsmuskelschicht des Rectums

(Prescher, 2001, pp. 12-13). Die zahlreichen Gefäßlücken entlang der Vasa recta dienen

zusätzlich als vaskuläre Gleitschienen für Divertikel, womit dieser Dickdarmabschnitt

präformierte Strukturen aufweist (Wedel & Böttner, 2014, p. 1).

Physiologische Vorgänge der Divertikulose

Der Übergang vom normalen Verdauungsvorgang in einen pathologischen Zustand ist

nicht klar definierbar, da sich altersbedingt Veränderungen an Bindegewebe, Muskeln und

Nerven ergeben, die der Divertikelentstehung bei einem Großteil der Betroffenen Vor-

schub leisten. Zum Beispiel bewirkt eine Hypertrophie9 der Muskelzellen eine Muskelver-

dickung, die eine Lumeneinengung zur Folge hat. Es kommt zur weiteren Druckerhöhung

im Sigma, da sich nach dem Laplace-Gesetz bei gegebener Wandspannung der Radius

verkleinert (Raguse, et al., 2001, p. 103). Die zunehmende Einlagerung des weniger

stabilen Typ-III-Kollagens bewirkt eine qualitative Wandveränderung mit funktionellen

Einbußen in Form einer erhöhten Dehnbarkeit bei gleichzeitigem Elastizitätsverlust

(Schmidt & Jakobs, 2012, p. 320). Elastinablagerungen auf den Tänien vermindern zu-

sätzlich die Rückstellfähigkeit des Darmrohres, da der Bindegewebsanteil den Muskelan-

teil übersteigt (Wedel & Böttner, 2014, p. 5). Weiterhin wurde im Tierversuch beobachtet,

dass die Kontraktionsleistung unabhängig der Muskelschichtdicke im Laufe des Alte-

rungsprozesses abnimmt (Ochsenkühn & Göke, 2002, p. 667).

In diesem Zusammenhang ist auch die Stuhlkonsistenz nicht unerheblich, denn sie beein-

flusst die Passagezeit und mechanische Belastung des Dickdarms. Harte und trockene

Fäzes sind häufig Folge einer typisch westlichen Ernährung mit geringem Ballaststoffan-

teil und erschweren bei unzureichender Wasserbeimengung im Kolon die Darmpassage.

Für ihre Beförderung durch den Darmkanal sind ein kleineres Darmlumen, ein erhöhter

muskulärer Tonus sowie ein erhöhter intraluminaler Druck erforderlich, was zu einer Hy-

persegmentation mit Tänienverkürzung führt. Die Dickdarmwand unterliegt in der Folge

weiteren Umbauvorgängen, die die Textur des Gewebes noch unbeweglicher machen,

sodass es bei anhaltenden mechanischen Verzögerungen an präformierten Schwachstel-

len zur Herniation der Mukosa kommt (Ochsenkühn & Göke, 2002, p. 668).

Bei der Ausstülpung von Schleimhaut und Unterschleimhaut werden die im betreffenden

Areal liegenden Blutgefäße mitgezogen und verengt, sodass das prolabierte Gewebe

nicht mehr ausreichend durchblutet wird und zu Entzündungen neigt (Wedel & Böttner,

2014, p. 2). Die Durchtrittsstellen befinden sich oftmals auf der mesenterialen Seite des

9 Hypertrophie: Größenzunahme eines Organs oder Gewebes (De Gruyter, 2013) (S. 969)

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deszendierenden Kolons, da hier die submukosalen Blutgefäße und zirkulierenden Mus-

kelstränge angeordnet sind (Prescher, 2001, p. 7).

Die verbreitete Annahme, dass chronisch erhöhte Druckverhältnisse mit Motilitätsstörun-

gen einhergehen, lässt sich bisher nicht eindeutig bestätigen, da noch unklar ist, ob eine

neuromuskuläre Dysfunktion Ursache oder Folge der Divertikelkrankheit ist (Commane, et

al., 2009, p. 2482). Aus tierexperimentellen Untersuchungen ging hervor, dass eine mus-

kuläre Hyperkontraktilität mit spastischer Tonussteigerung erst bei kompliziertem Verlauf

der DK auftritt, während die Beobachtung einer strukturell und funktionell veränderten

Darminnervation bei Divertikulose-Patienten dafür spricht, dass die intestinale Motilität

bereits einen Anteil an der Divertikelentstehung hat (Wedel & Böttner, 2014, p. 6).

Symptomatische Divertikelkrankheit

Die Entwicklung von einer asymptomatischen Divertikulose zur symptomatischen Diverti-

kelkrankheit wird durch eine Reihe entzündlicher Veränderungen implementiert und

zentriert sich auf die Perforation eines Divertikels (Murphy, et al., 2007, p. 4). Die meisten

Komplikationen sind im Bereich des Sigma lokalisiert, da diese aufgrund der architektoni-

schen Gegebenheiten eine intraluminale Hochdruckzone bildet, in der das ausschei-

dungspflichtige Material einige Zeit verweilt, bevor es ins Rectum befördert wird (Murphy,

et al., 2007, p. 3). Die Hypersegmentation ist als bedeutender pathogenetischer Faktor im

weiteren Verlauf dafür verantwortlich, dass sich die ausgestülpten Divertikelsäckchen mit

Kot füllen, weshalb der Entzündungsprozess immer lokal am Divertikel beginnt (Wedel &

Böttner, 2014, p. 2). Intramurale Divertikel haben ein größeres inflammatorisches Poten-

zial als extramurale, da sie durch die umgebende Darmwandmuskulatur stark eingeengt

werden und der enthaltene Fäzes nicht mehr entweichen kann (Prescher, 2001, p. 10).

Der retinierte Stuhl engt das Lumen weiter ein und führt zur Überwucherung mit Keimen,

was als primärer Auslöser für die Entzündungskaskade angesehen wird. Extramurale Di-

vertikel sind dagegen nur von Serosa bedeckt und prädestinieren, unabhängig von ent-

zündlichen Prozessen, für spontane Perforationen oder Divertikelblutungen (Wedel &

Böttner, 2014, p. 2).

Die initiale Entzündung eines oder mehrerer Divertikel geht zunächst mit Schleimhautauf-

werfungen einher, die von Entzündungen, Ulzerationen10 sowie lymphozytären und

neutrophilen Infiltrationen11 betroffen sein können (Wedel & Böttner, 2014, p. 2). Herdför-

mig kommt es zum Ab- und Umbau der Mukosaarchitektur mit Ödembildung, Blutstau und

erhöhter Blutungsneigung (Klosterhalfen, 2001, p. 68).

10

Ulzeration: Geschwürbildung, hier Substanzdefekt der Schleimhaut (De Gruyter, 2013) (S. 2197) 11

Infiltration: Eindringen von Flüssigkeiten oder Zellen in ein Gewebe (De Gruyter, 2013) (S. 1015)

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17

Die anhaltende Schmerzsymptomatik nach einem akuten Divertikulitisschub ähnelt einer

Appendizitis und geht auf ausgeprägte Motilitätsstörungen im Kolon zurück, die von neu-

romuskulären Veränderungen initiiert werden. Im Wesentlichen bestehen diese in einem

Defizit an Nervenzellen in der Darmwand bei gleichzeitigem Überschuss an schmerzver-

mittelnden Neurotransmittern (Wedel & Böttner, 2014, pp. 5-6). Die Konsequenz sind ab-

norme Kontraktilitätsmuster im Bereich von Kolondivertikeln, die aus dem Tierversuch als

erhöhter Motilitätsindex beschrieben werden (Prescher, 2001, p. 35). Es können aber

auch viszerale Hypersensitivität und Motilitätsstörungen vorliegen, ohne dass Entzün-

dungsmarker im Blut oder eine eindeutige Pathologie aus der bildgebenden Diagnostik

erkennbar sind, sodass eine Abgrenzung zum Reizdarmsyndrom erschwert wird (Schmidt

& Jakobs, 2012, p. 320).

Komplikationen der akuten Divertikulitis

Komplikationen sind überwiegend auf das linke Hemikolon konzentriert, weshalb dieser

Darmabschnitt bevorzugt elektiv reseziert wird. Bilden sich im Rahmen einer akuten Di-

vertikulitis perikolische Entzündungsherde, kann es zu weitreichenden Komplikationen

kommen, die nachfolgend aufgelistet sind.

Blutung Gefäßschäden treten häufig im Bereich der Divertikelkuppe und am

Divertikelhals infolge einer Ruptur der Vasa recta auf. Die resultie-

rende Blutung kann in allen Dickdarmabschnitten auftreten, ohne

dass ihr eine Entzündung vorausgeht (Raguse, et al., 2001, p. 101).

Bluthochdruck sowie die Einnahme blutverdünnender Medikamente

erhöhen das Risiko. Die Rezidivblutungsrate beträgt 30% (Schmidt

& Jakobs, 2012, p. 321).

Abszess Infolge der Ausbreitung der Entzündung werden durch Einschmel-

zung der Divertikel Abszesse unterschiedlicher Größe gebildet, die

eine gedeckte Perforation bewirken (Klosterhalfen, 2001, pp. 65,67)

und reversible Stenosen verursachen können (Schmidt & Jakobs,

2012, p. 324).

Fistelbildung Fisteln entstehen, wenn Abszesse die Kolonwand penetrieren und

in benachbarte Strukturen, wie die Harnblase, eindringen

(Klosterhalfen, 2001, pp. 67-68). Pathologische Luftansammlungen

im betreffenden Organ oder Ausscheidung von Fäzes über den Urin

sind ein häufiger Befund. (Mansfeld & Teichmann, 2001, p. 139).

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18

Freie Perforation Erhöhter intraluminaler Druck kann bei mit Kot gefüllten Divertikeln

für die allmähliche Abtragung der Darmwand verantwortlich sein.

Meist drainiert sich ein Divertikelabszess in die freie Bauchhöhle,

wodurch es zum lebensbedrohlichen Zustand der Peritonitis kommt

(Klosterhalfen, 2001, p. 68).

Peritonitis Entzündung des Bauchfells durch freie Perforation eines Abszess.

Bei eitriger oder kotiger Peritonitis besteht sofortige Operationsindi-

kation (Zachert & Meyer, 2001, p. 87).

Nach Abklingen eines akuten Divertikulitisschub verbleiben in der Regel Fibrosierungen12

der Darmwand mit narbiger Stenosierung, die Ausgangspunkt für Divertikulitisrezidive

sind (Klosterhalfen, 2001, p. 67). Die Assoziationen zwischen den vorherrschenden Ver-

hältnissen im Sigma und den altersbedingten strukturellen und funktionellen Veränderun-

gen, die die Lokalisation von Divertikeln sowie das Ausmaß der Krankheit erheblich beein-

flussen, legen nahe, dass weitere pathogenetische Faktoren beteiligt sind, die vorzugs-

weise die feingeweblichen Ebene betreffen (Ochsenkühn & Göke, 2002, p. 666). Die For-

schung beschäftigt sich zudem mit der Frage, inwiefern die vermehrte Produktion entzün-

dungsfördernder Zytokine als Initiator für die mukosale Entzündung und Komplikationen

verantwortlich ist, da verschiedene Fraktionen in erhöhter Konzentration bei Divertikulitis-

Fällen nachgewiesen wurden (Tursi & Papagrigoriadis, 2009, p. 535).

3 Aktuelle Studienlage

Um einen ernährungstherapeutischen Leitfaden für den stationären und ambulanten Ge-

brauch nutzbar zu machen, benötigen die Handlungsempfehlungen ein wissenschaftli-

ches Fundament, das die Wirksamkeit der Maßnahmen in gewissen Grenzen garantiert.

Aus diesem Grund wird die aus Datenbanken herausgefilterte Literatur nach anerkannten

Evidenz-Härtegraden bewertet und übersichtlich in tabellarischer Form aufgeschlüsselt.

3.1 Evidenzbasierte Medizin

Unter evidenzbasierter Medizin versteht man den ausschließlichen, gewissenhaften Ge-

brauch der derzeit besten wissenschaftlichen Evidenz externer Literatur für Entscheidun-

gen der medizinischen Versorgung (Sackett, et al., 1996, p. 71). Dieser Anspruch soll in

der vorliegenden Arbeit dahingehend umgesetzt werden, dass aus der systematischen

Literaturrecherche verlässliche Empfehlungen abgeleitet werden, die in der Praxis durch

individuelle klinische Expertise ergänzt und in Abstimmung mit den Patientenpräferenzen

12

Fibrosierung (Fibrose): krankhafte Vermehrung von Bindegewebe (De Gruyter, 2013) (S. 684)

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präventive und therapeutische Anwendung finden. In nachfolgender Tabelle sind die ein-

zelnen Evidenzgrade aufgelistet, die die gefundenen Studien kategorisieren sollen.

Evidenzklasse Anforderung an die Studien

Ia Metaanalyse oder systematische Übersichtsarbeit randomisierter, kontrollierter Studien

Ib Mind. eine randomisierte kontrollierte Studie

IIa Mind. eine gut angelegte kontrollierte Studie ohne Randomisierung

IIb Mind. eine andere Art gut angelegter, quasiexperimenteller Studie

III Gut angelegte, nicht-experimentelle Studie mit deskriptivem Charakter (Korrela-tionsstudien, Vergleichsstudien, Fallkontrollstudien)

IV Berichte oder Expertenmeinungen , ggf. basierend auf klinischen Erfahrungen anerkannter Autoritäten

Tabelle 2 Evidenzklassen modifiziert nach EBM-Netzwerk (Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V., 2007)

Randomisierte, kontrollierte klinische Studien sowie systematische Übersichtsarbeiten

werden als Goldstandard angesehen, wenn es um die Bewertung von Nutzen und Ne-

benwirkungen bestimmter Therapieansätze geht (Sackett, et al., 1996, p. 72). Dennoch

sind Studien mit geringerer Evidenzeinstufung ebenfalls praxisrelevant, wenn keinerlei

Hinweise auf schädliche Wirkungen vorliegen und der behandelnde Arzt aufgrund seiner

Erfahrung eine Anwendung der Ergebnisse am Patienten für sinnvoll einschätzt. Natürlich

sind auch hier die besondere Situation und der Wunsch des Patienten zu berücksichtigen.

3.2 Methodik

Der zentrale Auftrag der Literaturrecherche ist die Neubewertung und Erweiterung bisher

akzeptierter ernährungstherapeutischer Verfahren zur Prävention und Behandlung der

Divertikelkrankheit. Um den roten Faden sicherzustellen, wurden zu Beginn dieser Arbeit

wegweisende Fragestellungen formuliert, die mithilfe der nachfolgenden Studien best-

möglich beantwortet werden sollen. Die Auswahl an geeigneten Datenbanken wird durch

die medizinische Ausrichtung der Bachelorthesis eingeschränkt und auf die Cochrane

Library, Science Direct und PubMed bzw. Medline begrenzt. Zusätzlich wurde die Funkti-

on „scholar“ von Google genutzt, um mögliche Leitlinien zur Divertikelkrankheit von natio-

nalen sowie internationalen Fachgesellschaften ausfindig zu machen und gegebenenfalls

Zugang zu Studien zu erhalten, die über die Datenbanken nicht verfügbar sind. Die Such-

begriffe werden für alle Datenbanken ins Englische übersetzt, da davon ausgegangen

wird, dass relevante Nachweise in englischer Sprache abgefasst sind. Der Umfang der

Recherche in den einzelnen Datenbanken ist davon abhängig, welche Filteroptionen je-

weils zur Verfügung stehen. Der Suchzeitraum umfasst alle Veröffentlichungen vom

01.01.2009 bis einschließlich 15.04.2014. Das nachfolgende Ablaufschema zeigt die we-

sentlichen Schritte der Literaturrecherche bis zur Auswertung relevanter Studien.

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20

Abbildung 4 Ablaufschema der Literaturrecherche

Eine Vorauswahl an geeigneten Suchregistern wird durch die Listung von Datenbanken

des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) gebo-

ten, worüber eine direkte Verbindung zu frei zugänglichen Datenbanken hergestellt wer-

den kann. PubMed besitzt eine eigene Plattform über das National Center for Biotechno-

logy Information (NCBI) und ist primäre Anlaufstelle der Recherche. Die Datenbank wird

seit 1966 fortlaufend mit Artikeln aus medizinisch-orientierten Fachzeitschriften (CAU Kiel,

2009) gespeist und enthält Links zu Volltextzeitschriften. Über PubMed werden weiterhin

Originalpublikationen der Medline Datenbank der US National Library of Medicine gelistet,

die aus internationalen Fachzeitschriften der Medizin und verwandten Fachgebieten

stammen (DIMDI, 2014). Die Suche lässt sich mit Kriterien aus verschiedenen Kategorien

individuell anpassen. Durch Vergleich der Treffermengen von Suchschritten in der „Se-

arch History“ kann die Recherche weiter spezifiziert werden. Die Verwendung von „Medi-

cal Subject Headings“ (MeSH) ermöglicht die Indexierung von Literaturstellen mit medizi-

nischen Fachbegriffen für eine bessere Treffsicherheit der Ergebnisse. „Subheadings“

können den jeweiligen MeSH-Begriff weiter eingrenzen. Die Suchresultate auf PubMed

werden anschließend auf verfügbare Abstracts von RCT-Studien, klinischen Studien, Me-

taanalysen, systematischen Übersichtsarbeiten und multizentrischen Studien limitiert.

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Die Cochrane Collaboration erstellt systematische Übersichtsarbeiten zur Wirksamkeit

von Maßnahmen der medizinischen Versorgung und bietet diese gemeinsam mit anderen

klinischen Studien und Reviews in ihrer eigenen Datenbank an. Für den Aufschluss der

wesentlichen Untersuchungsergebnisse erweist sich die Cochrane Library als sehr hilf-

reich, da die gefundenen Publikationen nach Relevanz geordnet werden können und eine

hohe Trefferquote aufweisen. Neben den gängigen Operatoren AND, OR und NOT kön-

nen zusätzlich NEAR und NEXT zur präziseren Suche verwendet werden. Außerdem ist

eine gesonderte Darstellung von klinischen Studien, Cochrane Reviews und anderen Re-

views möglich, wodurch ein Überblick über das derzeitige Forschungsinteresse gegeben

wird. Dieser Aspekt ist für die Zielstellung der Thesis besonders nützlich, da für die Praxis

auch Übersichtsarbeiten relevant sind, die Studien mit der nächstbesten Evidenz bündeln

und generelle Aussagen zum Nutzen bestimmter Kostformen oder der Anwendung nutriti-

ver Substanzen erlauben.

ScienceDirect ist ein fächerübergreifendes Suchportal des Verlages Elsevier, welches

neben Zeitschriften auch Bücher und Buchreihen anbietet. Über die HAW Hamburg wird

der Zugriff auf Volltextzeitschriften aus bestimmten Rubriken ermöglicht. Die Suche wird

in dieser Datenbank vereinfacht, indem automatisch verwandte Synonyme sowie Begriffe

im Singular oder Plural in den Treffern enthalten sind. In der Suchmaske wird zunächst

nur „diverticular disease“ als „Abstract, Title, Keywords“ eingegeben sowie die Limits für

den Suchzeitraum und die gewünschten Medien gesetzt. Auf diese Weise erhält man ei-

nen ersten Überblick über alle verfügbaren Artikel und kann anschließend differenzierter

suchen. Weiterhin bietet es sich an, die zu verknüpfenden Schlüsselbegriffe nicht auf

MeSH-Terms festzulegen, sondern nach „All Fields“ zu recherchieren und anschließend

mithilfe der von ScienceDirect angebotenen „Topics“ die Ergebnisse weiter einzugrenzen.

Bei der Zusammenstellung der Keywords werden möglichst viele ähnliche Begriffe oder

Synonyme für die gleiche Exposition verwendet. Für die Divertikelkrankheit wird einheit-

lich der Schlüsselbegriff „diverticular disease“ genutzt, da es alle Verlaufsformen außer

der Divertikulose integriert. Die asymptomatische Divertikulose ist für die Recherche von

untergeordneter Bedeutung, da sie keinen Krankheitswert besitzt und selten Gegenstand

wissenschaftlicher Aufsätze ist. Alle verwendeten Limitierungskriterien und relevanten

Resultate werden mit Screenshots festgehalten. Unter der verbleibenden Auswahl an Ar-

tikeln werden solche ausgeschlossen, die nach Sichtung des Abstracts nicht dem ge-

wünschten Inhalt entsprechen oder Probanden asiatischer Herkunft untersuchen, da der

Fokus dieser Arbeit auf therapeutische Interventionen an kaukasischen Patienten gelegt

wird. Die folgende Tabelle dokumentiert die verwendeten Suchbegriffe, Treffer sowie die

Anzahl an geeigneten Studien für die weitere Auswertung.

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Datenbank Keywords Treffer Geeignet

PubMed/Medline

Diverticular disease AND nutrition therapy [MeSH Terms] Diverticular disease AND diet therapy [MeSH Sub-headings] Diverticular disease AND dietary fiber [MeSH Terms] Diverticular disease AND dietary supplements [MeSH Terms] Diverticular disease AND probiotics [MeSH Terms] Diverticular disease AND vitamin/mineral [Ti-tle/Abstract] Diverticular disease AND dietary [Title/Abstract] Diverticular disease AND prebiotics Diverticular disease AND fatty acids [MeSH-Terms]

1 3 10 8 7 0 4 1 1

1 1 3 4 4 0 1 1 0

Cochrane Library

Diverticular disease AND nutrition NEAR vegetarian Diverticular disease AND dietary fiber Diverticular disease AND probiotics Diverticular disease AND probiotic OR symbiotic Diverticular disease AND dietary supplements NEAR supplements NEAR supplementation

1 3 5 15 0

1 2 3 2 0

ScienceDirect

Diverticular disease AND nutrition Diverticular disease AND diet Diverticular disease AND dietary fiber Diverticular disease AND probiotic Diverticular disease AND fibre Diverticular disease AND food Diverticular disease AND supplements Diverticular disease AND vegetarian Diverticular disease AND fibre supplementation Diverticular disease AND dietary modification Diverticular disease AND dietary intervention Diverticular disease AND psyllium

13 21 22 17 21 21 31 4 25 9 10 11

1 2 1 2 0 0 2 0 1 0 0 0

Tabelle 3 Darstellung der Datenbankrecherche

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Nach der groben Eingrenzung der Treffer wurden die Abstracts gesichtet, um die Evi-

denzklasse einzustufen und die Studien auf ihre Patientenorientierung hin zu überprüfen.

Wichtiges Ausschlusskriterium für die Verwendung von Studien mit nutritivem Interventi-

onscharakter ist die Erprobung am Tiermodell, da die Ergebnisse aufgrund der noch lü-

ckenhaften Kenntnis von Ätiologie und Genese der Divertikelkrankheit unzureichend auf

den Menschen übertragbar sind. Studien mit nicht-experimentellen Ansätzen werden

ebenfalls gemieden, da sie bei der Fragestellung nach geeigneten Therapiemethoden

aufgrund der fehlenden Vergleichbarkeit zu falsch-positiven Ergebnissen kommen kön-

nen. Unter den gefundenen Studien befindet sich eine Kohortenstudie mit quasi-

experimentellem Design, da die Versuchsgruppen nicht zufällig per Randomisierung ge-

bildet werden, sondern anhand bestimmter Charakteristika zugeteilt sind. Trotz der damit

verbundenen Einbußen an innerer Validität (Deutsches Cochrane Zentrum, 2014) wird

diese Studie mit in die Auswertung aufgenommen, da sie einen langen Follow-up-

Zeitraum aufweist und sich durch den Vergleich von verschiedenen Ernährungsformen in

besonderem Maße auszeichnet. Eine weitere Studie mit quasi-experimentellem Design

wird trotz fehlender Kontrollgruppe zur Bewertung herangezogen, da sie über hohe me-

thodische Qualität verfügt und ihre Ergebnisse von klinischer Relevanz sind.

3.3 Auswertung relevanter Studien

Evidenzbasierte Leitlinien zur Prävention und Therapie der Divertikelkrankheit existieren

bislang nicht. Bisher veröffentlichte Practice Guidelines, wie die der WGO, geben nur ei-

nen Handlungsleitfaden wieder, der überwiegend medikamentöse und chirurgische Inter-

ventionen fokussiert, sodass die folgende Literaturauswertung die Eignung der Ernäh-

rungstherapie als drittes Standbein prüfen soll. Die anschließend dargestellte Tabelle

nimmt bereits eine vorläufige Auswertung der selektierten Studien in Anlehnung an das

PICO-Schema vor, was für Patient, Intervention, Comparison und Outcome steht und

gängiges Instrument zur Formulierung einer klinischen Frage ist (Deutsches Cochrane

Zentrum, 2014). Die Anzahl der hier dokumentierten Studien entspricht nicht der Anzahl

an potenziell geeigneten Artikeln aus der Recherche, da einige Artikel mehrfach in den

Treffern vorkommen oder eine ähnliche thematische Ausrichtung aufweisen. Die in der

Tabelle aufgeführten Kriterien ermöglichen einen übersichtlichen Vergleich der Studien,

welcher durch die anschließenden Zusammenfassungen ergänzt wird. Die Outcome-

Parameter werden nicht weiter unterteilt und können sowohl die Lebensqualität des Pati-

enten betreffen als auch zur medizinischen Entscheidungsfindung beitragen. Für die ge-

nauere Beurteilung sind vor allem die Größe der Studienpopulation, der Zeitraum der In-

tervention und die Endpunkte der Exposition interessant, da sie die Übertragbarkeit und

Anwendbarkeit der Ergebnisse beeinflussen.

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Referenzen Studiendesign/

Evidenzklasse

Intervention/

Exposition

Zeit-

raum

Studien-

population Control Outcome Ergebnis

Crowe et al.;

2011

Prospektive

Kohortenstudie,

Evidenzgrad IIb

Untersuchung und

Befragung von

Vegetariern und

Nicht-Vegetariern

11,6

Jahre

FU13

Anhänger

bestimmter

Kostformen

aus England u.

Schottland

-

Zahl der ärztlichen

Behandlungen auf-

grund von DK14

;

BS-Aufnahme nach 5

Dosierungsbereichen

Höheres Risiko für DK bei

Fleisch- und Fischessern

unter einer geringen BS-

Aufnahme (<25g/Tag)

Ünlü et al.;

2012

Systematische

Übersichtsarbeit

klinischer, rando-

misierter, kontrol-

lierter Studien

sowie einer Fall-

kontrollstudie

Evidenzgrad Ia

Untersuchung bal-

laststoffreicher

Diäten zur Verbes-

serung von Symp-

tomen, Prävention

von Komplikationen

und Rezidivprophy-

laxe nach akuter

Divertikulitis

1) 3 Mo.

2) 4 Mo.

3) 3 Mo.

4) 54 Mo.

+76 Mo.

1) Patienten

mit symptoma-

tischer DK

2) Patienten

mit SUDK15

3) Patienten

mit DK

4) Patienten

mit symptoma-

tischer DK

1) BS-

arme Kost

2) Place-

bo

3) Place-

bo

4) unbe-

handelt

Diagnose einer kom-

plizierten DK oder

Rezidive; Symptome

der DK; Schmerz-

skala und Mortalitäts-

rate

1) BS-reiche Kost ist effek-

tiver in der Reduktion von

Symptomen u. Schmerzen

2) BS-Supplemente verbes-

sern Obstipation

3) Methylcellulose lindert

die Symptome einer DK

4) Mit BS-Kost weniger

Komplikationen der DK

Lamiki et al.;

2010

Prospektive,

randomisierte,

offene Studie

Evidenzgrad IIb

Untersuchung der

Effektivität von

symbiotischen Mix-

turen zur Rezidiv-

prophylaxe bei DK

6 Mo. FU Patienten mit

SUDK -

Quantitative Skalen

für Obstipation, Diar-

rhö und abdomineller

Schmerz; Nachweis

der Spezies im Stuhl

Synbiotika normalisieren die

Darmperistaltik und reduzie-

ren abdominelle Schmerzen

aufgrund von DK; Nachweis

in Faeces ist positiv

13

FU (Follow up): Untersuchungen der Probanden oder Datenerhebung nach vorläufiger Beendigung einer Studie 14

Zur Divertikelkrankheit wird in dieser Erhebung auch die Diagnose einer Divertikulose gezählt 15

SUDK: Symptomatische unkomplizierte Divertikelkrankheit

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Lahner et al.;

2012

Multizentrische,

randomisierte,

kontrollierte

Studie;

Evidenzgrad Ib

Gruppe A: BS-Kost

+ Probiotika;

Gruppe B: BS-Kost

(zweiarmig)

4 Wo.

Wash-out

+ 6 Mo.

Studie

Patienten mit

SUDK BS-Kost

Auftreten und Intensi-

tät abdomineller

Symptome oder Di-

vertikelblutungen;

Sekundär: Toleranz

der Behandlung und

Rezidivprophylaxe

Signifikante Symptomver-

besserung bei beiden

Gruppen nach 3 und 6 Mo-

naten; Reduzierung von

Divertikelblutungen in

Gruppe A. BS-Kost ist mit

Probiotikum effektiver

Tursi et al.;

2013

Multizentrische,

randomisierte,

doppelblinde,

kontrollierte

Studie

Evidenzgrad Ib

Gruppe M: Mesala-

zin16

+ Probiotikum

Placebo

Gruppe L: Probioti-

kum + Mesalazin

Placebo

Gruppe LM: Mesa-

lazin + Probiotikum

Gruppe P: Placebo

10 Tage

pro Mo.

für 12 Mo.

Patienten mit

SUDK

Placebos

von Me-

salazin

und Pro-

biotikum

Wiederauftreten ab-

domineller Schmer-

zen (Skala ≥5 von 10)

für 24h im Follow-up

Kein Rezidiv in Gruppe LM,

7 Rezidive in Gruppe M, 8

Rezidive in Gruppe L und

23 Rezidive in Gruppe P; 6

Fälle von akuter Divertikuli-

tis in Gruppe P und 1 in

Gruppe L

Lanas et al.;

2012

Multizentrische,

randomisierte,

offen kontrollierte

Studie

Evidenzgrad Ib

Vergleichende Ga-

be von tägl. 3,5g

BS mit und ohne

Rifaximin17

für eine

Woche/ Monat

12 Mo.

Patienten mit

akuter Diverti-

kulitis in Re-

mission

BS-

Supple-

ment

Rezidive der akuten

Divertikulitis mit oder

ohne Komplikationen

Die kombinierte Anwendung

von Rifaximin und BS-

Supplementen kann die

Remission der DK verlän-

gern.

Tabelle 4 Auswertung relevanter Studien nach PICO-Schema (Deutsches Cochrane Zentrum, 2014)

16

Mesalazin (5-ASA): gehört zur Gruppe der Antiphlogistika und wird als entzündungshemmendes Medikament häufig bei CED angewendet (De Gruyter, 2013) (S. 124) 17

Rifaximin: ist ein halbsynthetisches Breitbandantibiotikum, was nur lokal im Darmlumen wirkt und nicht resorbiert wird (De Gruyter, 2013) (S. 1855)

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Kurzbeschreibung der ausgewählten Studien

Crowe et al. (2011)

Im Rahmen der groß angelegten EPIC-Oxford Studie werden 47033 vegetarisch lebende

Männer und Frauen ab 20 Jahren aus England und Schottland zu ihrer Ernährung befragt.

Initiiert wird die Kohortenstudie 1993 mit dem Ziel, eine größtmögliche Bandbreite an al-

ternativen Ernährungsformen zu erfassen und im Follow up-Zeitraum Assoziationen zur

langfristigen Gesundheit der Probanden ausfindig zu machen (University of Oxford, o.J.).

Nach Abschluss des Rekrutierungszeitraumes finden in 5 Jahresabständen anthropomet-

rische und laborchemische Untersuchungen statt, die Aufschluss über den gesundheitli-

chen Zustand der Probanden geben sollen. Mit retrospektiven Instrumenten der Ernäh-

rungserhebung wie Food Frequency (FFQ) Formularen werden Auskünfte zur Ernäh-

rungsweise eingeholt. Zur Kategorisierung der Ernährungsform werden mittels Befragung

vier Gruppen zum Konsum von Fleisch, Fisch, Milchprodukten und Eiern gebildet. Rück-

schlüsse auf die durchschnittliche Nährstoffversorgung geben Angaben zum täglichen

Verzehr von insgesamt 130 der in der FFQ erfassten Lebensmittel und Getränke. Außer-

dem werden die Studienteilnehmer zu ihrem Lebensstil sowie ihrem Bildungsabschluss

interviewt. Zur Berechnung des relativen Risikos (RR) für die DK nutzen die Wissen-

schaftler Daten des National Health Service, welche Auskunft über die klinische Versor-

gung oder Todesfälle unter den Studienteilnehmern geben (Crowe, et al., 2011, p. 2). Die

Ballaststoff-Aufnahme ist neben dem Auftreten von DK ein weiterer relevanter Endpunkt

in der Analyse der verschiedenen Ernährungsformen und wird geschlechtsspezifisch in

fünf Größenordnungen dargestellt. Der Zusammenhang zwischen Kostform, Ballaststoff-

konsum und Divertikelkrankheit wird anhand verschiedener Einordnungsschemata ermit-

telt, die unter anderem die Dauer der Zugehörigkeit zur vegetarischen oder nicht-

vegetarischen Ernährung abfragen. Das Hauptaugenmerk der Sensitivitätsanalyse liegt

aber auf der Beziehung zwischen Ballaststoffkonsum und Auftreten der Divertikelkrankheit

bei Fleischessern.

Während der Follow-up-Periode von 11,6 Jahren treten 812 Fälle von Divertikelkrankheit

unter den Probanden auf, wovon sechs Todesfälle gezählt werden. In über 95% der Diag-

nosen handelt es sich um die komplikationslose DK. Vegetarier und Veganer haben ein

um 30% geringeres Risiko für eine DK als Fleisch- oder Fischesser (Crowe, et al., 2011,

p. 3). Das RR zwischen den beiden Gruppen beträgt 0,72 und ergibt sich aus dem Ver-

hältnis 0,55 Vegetarier zu 0,95 Nicht-Vegetarier (Crowe, et al., 2011, p. 4). Der Effekt der

Risikoreduktion ist bei veganer Ernährung noch ausgeprägter, allerdings wird das nur an

einer kleinen Personenzahl beobachtet und kann nicht verallgemeinert werden. Der Zeit-

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27

raum der vegetarischen Kosteinhaltung hat dagegen keinen Einfluss auf die Stärke der

Risikoreduktion (Crowe, et al., 2011, p. 3). Umgekehrt steht die Höhe des Fleischkonsums

in keiner signifikanten Relation zum Erkrankungsrisiko. Eine inverse Korrelation wird da-

gegen zwischen der dosisabhängigen Ballaststoffaufnahme und dem DK-Risiko festge-

stellt. Unabhängig von der Ernährungsweise haben Studienteilnehmer mit einem BS-

Konsum im obersten Fünftel ein um 42% geringeres Risiko für die DK gegenüber dem

untersten Fünftel (Crowe, et al., 2011, p. 4). Die Auswertung der Lebensstilfaktoren ergibt,

dass der überwiegende Anteil an vegetarisch lebenden Teilnehmern (80%) jünger ist als

nicht-vegetarische Teilnehmer und einen insgesamt gesünderen Lebensstil pflegt. Diese

Beobachtung spiegelt sich auch im Vergleich des BMI wieder, welcher im Mittel unter dem

von Fleischessern liegt (Crowe, et al., 2011, p. 3). Dennoch erreichen die Assoziationen

zwischen den Kostform-Gruppen und dem DK-Risiko weder eine Evidenz für die Zuord-

nung zum männlichen oder weiblichen Geschlecht noch für das Alter der Probanden

(Crowe, et al., 2011, p. 4).

Ünlü et al. (2012)

In der systematischen Übersichtsarbeit wird der Fragestellung nachgegangen, ob eine

ballaststoffreiche Diät die Symptome einer Divertikelkrankheit verbessern, Komplikationen

vorbeugen oder Rezidive einer erstmaligen akuten Divertikulitis verhindern kann. Von der

Bewertung ausgeschlossen sind Studien ohne eine vergleichende Kontrollgruppe. Das

methodische Vorgehen umfasst im Wesentlichen die Recherche in den Datenbanken

Medline, Embase, CINAHL und Cochrane (Ünlü, et al., 2012, p. 420). Die Probanden der

Studien sind über 18 Jahre und haben entweder eine unkomplizierte DK oder befinden

sich in einer Episode nach einem ersten akuten Entzündungsschub. Die Diagnosen sind

mithilfe von Koloskopien, Sonografien, CT oder Kontrasteinlauf gestellt worden. Die Wis-

senschaftler schließen nicht nur Interventionen zur ballaststoffreichen Ernährung in ihre

Auswertung mit ein, sondern auch die isolierte Anwendung von Ballaststoffpräparaten.

Unter den geeigneten Studien befinden sich drei RCT-Studien und eine Fallkontrollstudie,

die aufgrund statistisch signifikanter Ergebnisse als relevant eingestuft wird. Zur Verhü-

tung von Divertikulitisrezidiven treffen keine der selektierten Studien die geforderten Krite-

rien zur Sicherung der Validität, sodass dieser Aspekt in der Übersichtsarbeit nicht mit

aufgenommen wird (Ünlü, et al., 2012, p. 421).

Die erste RCT-Studie stammt von Brodribb und untersucht in einem dreimonatigen Zeit-

raum die Effektivität einer ballaststoffreichen Kost bei 18 Patienten mit symptomatischer

Divertikelkrankheit. Die Studienteilnehmer leiden alle unter einem symptomatischen Ver-

lauf der DK, die zwar gastroenterologisch diagnostiziert, aber nicht näher beschrieben ist.

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28

Nach Randomisierung in Versuchs- und Kontrollgruppe werden täglich neun Knäckebrote

pro Person verzehrt, die je nach Zuordnung einen Ballaststoffgehalt von insgesamt 0,6g

oder 6,7g aufweisen. Das Auftreten von Symptomen und Schmerzen während der Unter-

suchungsdauer wird anhand eines detaillierten Fragebogens aufgezeichnet und mit Punk-

ten von 0-6 kategorisiert. Aus den monatlichen Befragungen geht eine signifikante Diffe-

renz sowohl in der Reduktion der Symptomatik als auch der Schmerzen zwischen den

beiden Gruppen hervor. Die Studienteilnehmer mit dem ballaststoffreichen Knäckebrot

weisen eine größere Effektstärke in der Symptom- und Schmerzskala auf. Komplikationen

und damit verbundene ärztliche Behandlungen werden bei keinem Probanden verzeichnet

(Brodribb, 1977, p. 665).

Die zweite RCT-Studie zeichnet sich durch ihr Crossover-Design aus und vergleicht die

Anwendung von zwei Ballaststoff-Supplementen mit zwei Placebos bei 58 Patienten mit

symptomatischer unkomplizierter Divertikelkrankheit. Die aktive Intervention umfasst den

täglichen Verzehr von kleiehaltigen Knäckebroten (6,99g BS/Tag) oder einem Getränk,

welches Ispaghula-Flohsamen enthält (9,04g BS/Tag). Die passive Intervention wird in

Form von entsprechenden Placebos (2,34g BS/Tag) durchgeführt. Jede der vier Varianten

wird von allen Probanden über 16 Wochen angewendet. An 12 Kontrollterminen werden

ungenutzte Supplemente von den Teilnehmern zurückgegeben und damit die Compliance

erhoben (Ornstein, et al., 1981, p. 1353). Mit der Diet-History-Methode wird der gewohn-

heitsmäßige Verzehr sowie die basale Ballaststoffaufnahme zu Anfang und Ende des

Untersuchungszeitraums erfasst. Die Probanden sind zudem angewiesen, neben den BS-

Supplementen keine weiteren Ballaststoffquellen im Untersuchungszeitraum zu nutzen.

Zwölf Fragen mit skalierten Antworten zum Auftreten von Symptomen halten zusätzlich

den individuellen Verlauf der DK fest und werden bezüglich Schmerzen, Symptomen im

Unterbauch und Symptomen insgesamt bewertet. Am Ende einer jeden Intervention wer-

den über 7 Tage Stuhlproben gesammelt und die Transitzeit gemessen (Ornstein, et al.,

1981, p. 1354). Die Varianzanalyse offenbart keine statistisch signifikanten Differenzen

zwischen den Versuchs- und Kontrollgruppen hinsichtlich der erhobenen Parameter. Der

Einsatz der BS-Supplemente bewirkt eine Erhöhung des Stuhlgewichts, einen Anstieg der

Stuhlfrequenz sowie eine weichere Stuhlkonsistenz. Der Effekt ist mit Flohsamen stärker,

aber erhöht auch die Flatulenz. Die Symptome einer Obstipation verbessern sich signifi-

kant mit den BS-Anwendungen (Ornstein, et al., 1981, p. 1355).

Die dritte RCT-Studie stammt von Hodgson aus dem Jahr 1977 und geht der Frage nach,

ob ein Placebo-Effekt für die diätetische Therapie der DK notwendig ist. Dafür werden 30

Patienten mit radiologisch diagnostizierter Divertikelkrankheit täglich jeweils zwei Tablet-

ten à 500mg Methylcellulose oder ein entsprechendes Placebo verabreicht. Der Beobach-

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tungszeitraum beträgt drei Monate mit Interviews in Abständen von sechs Wochen. Von

den 27 Probanden, die die Studie abschließen, entfallen 11 auf die Kontrollgruppe und 16

auf die Versuchsgruppe. Als Endpunkt der Befragungen wird eine Symptomskala erstellt,

die in der Methylcellulose-Gruppe einen signifikanten Rückgang des Symptomscores

zeigt (Ünlü, et al., 2012, p. 424).

Die Fallkontrollstudie von Leahy et al. untersucht an 56 Patienten, die zwischen 1972 und

1981 aufgrund von symptomatischer Divertikelkrankheit behandelt wurden, die Wirksam-

keit einer ballaststoffreichen Kost. 31 Probanden erfüllen die Compliance und stellen die

Versuchsgruppe dar, während 25 Teilnehmer die Kontrollgruppe bilden und keine Inter-

vention erhalten (Ünlü, et al., 2012, p. 424). Die Kost der Versuchsgruppe wird individuell

in Zusammenarbeit mit Ernährungsfachkräften gestaltet, muss aber die Bedingung von

täglich mindestens 25g Ballaststoffe erfüllen. Im Februar 1983 werden die noch lebenden

Patienten über ihre behandelnden Ärzte kontaktiert und ambulant zu ihrer Ernährung so-

wie dem Verlauf ihrer Krankheit befragt. In der Ballaststoffgruppe sterben im Follow-up-

Zeitraum 7 Probanden und 6 erleiden einen symptomatischen Verlauf der DK. In der Kon-

trollgruppe sterben 2 Probanden, 11 erleiden einen symptomatischen Verlauf und 5 sind

von weiteren Komplikationen betroffen. Keiner der Todesfälle ist von der Divertikelkrank-

heit verursacht worden. Der Follow-up-Zeitraum unterscheidet sich in den beiden Grup-

pen und beträgt 54 Monate in der Ballaststoffgruppe und 76 Monate in der Kontrollgruppe.

Die Wissenschaftler leiten für die ballaststoffreiche Ernährung eine positive Wirkung hin-

sichtlich Symptomfreiheit und Verhütung von Komplikationen einer DK ab (Leahy , et al.,

1985, p. 174).

Lamiki et al. (2010)

Die unkomplizierte Divertikelkrankheit geht häufig mit Symptomen wie Unterbauch-

schmerzen, Fieber und Änderung der Stuhlgewohnheiten einher (Lamiki, et al., 2010, p.

31). Lamiki et al. untersuchen in ihrer 2010 veröffentlichten Studie daher die Effektivität

und Toleranz von symbiotischen Mixturen an 46 Patienten mit symptomatischer unkom-

plizierter Divertikelkrankheit. Die Diagnosen wurden zuvor anhand unspezifischer abdo-

mineller Beschwerden bei bekanntem Divertikelbefund gestellt. 21 der 46 Patienten be-

richten, dass sie in ihrer bisherigen Krankengeschichte von Divertikulitis betroffen waren.

Zu Beginn der Studie sowie nach 1, 3 und 6 Monaten im Follow-up werden Stuhlproben

von den Probanden gesammelt und Check-ups an den Patienten vorgenommen. Die

Symptome Obstipation, Diarrhö und abdominelle Schmerzen werden anhand von quanti-

tativen Skalen erfasst und mit 0 für keinerlei Beschwerden, 1 für geringfügige, 2 für mode-

rate und 3 für starke Beschwerden kategorisiert. Die physische Verbesserung soll in Ab-

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30

ständen von jeweils drei Monaten von den Probanden auf einer Likert-Skala von 1-4 mit 1

für sehr effektiv und 4 für verschlechternd eingeschätzt werden. An die Kontrolltermine

sind zudem Befragungen zur Ernährung geknüpft, um wesentliche Veränderungen der

Kostzusammensetzung innerhalb der Follow-up-Periode feststellen zu können. Die sym-

biotische Mixtur enthält die Probiotika L. acidophilus, L. helveticus und Bifidobakterium

spp. in einem mit Phytoextrakten angereicherten Medium und wird 3-Mal täglich in 10ml

Dosierung aufgenommen. Die genomische DNA der Lebendbakterien kann im Gastroin-

testinaltrakt nachgewiesen und somit die Überlebensfähigkeit der verschiedenen Spezies

bestimmt werden (Lamiki, et al., 2010, p. 32). Während des Untersuchungszeitraums

werden keinerlei Nebenwirkungen beobachtet. 45 Probanden schließen die Studie mit

einer Compliance-Rate von über 98% ab. 31 Patienten (68,8%) sind nach der Intervention

symptomfrei, sodass die Behandlung von einem Großteil der Kohorte (77,2%) als „effek-

tiv“ und „sehr effektiv“ beurteilt wird. Obstipationsbedingte abdominelle Schmerzen zeigen

einen statistisch signifikanten Rückgang über den gesamten Versuchszeitraum. Die sym-

biotische Mixtur verursacht bei einigen Patienten eine anfängliche Unbehaglichkeit, be-

wirkt aber bis zum Ende der Studie eine verbesserte oder normalisierte Darmperistaltik.

Die mikrobiologische Untersuchung der Stuhlproben weist einen signifikanten Anstieg der

Anzahl an Anaerobiern, besonders der Lactobacillen und Bifidobakterien auf sowie eine

tendenzielle Reduktion pathogener Clostridien. Die supplementierten Spezies werden

analog zur Dauer der Anwendung im Stuhl nachgewiesen und erreichen den Peak nach

drei Monaten (Lamiki, et al., 2010, p. 34).

Lahner et al. (2012).

In der multizentrischen RCT-Studie wird an 52 Patienten mit symptomatischer unkompli-

zierter Divertikelkrankheit die Effektivität des Einsatzes von probiotischen Kulturen zusätz-

lich zu einer ballaststoffreichen Kost erprobt. Die SUDK wird hier durch vorhandene Diver-

tikel mit abdominellen Schmerzen oder Blutungen ohne Anzeichen einer akuten Entzün-

dung definiert, welche für mindestens 6 Monate vor Rekrutierung bestehen (Lahner, et al.,

2012, p. 5919). Da es sich um eine Parallelgruppen-Intervention handelt, werden die Pro-

banden in Versuchs- und Kontrollgruppe per Zufallsprinzip zugeteilt. 30 Teilnehmer bilden

Gruppe A und werden von Fachpersonal zu einer ballaststoffreichen Diät angeleitet, die

30g BS pro Tag in Form von Obst, Gemüse und Cerealien umfasst. Die Intervention wird

durch die tägliche orale Aufnahme eines symbiotischen Präparates ergänzt, welches Lac-

tobacillus paracasei enthält. Gruppe B hingegen befolgt ausschließlich die BS-Diät. Hilfs-

medikationen sind während des Untersuchungszeitraums nicht erlaubt. Alle Patienten

unterziehen sich drei klinischen Interviews zu Beginn der Studie, nach 3 Monaten und

nach 6 Monaten, bei denen die Compliance über strukturierte Befragungen erhoben und

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31

abdominelle Symptome sowie laborchemische Parameter abgefragt werden, um eine aku-

te Entzündung auszuschließen. Die Adhärenz der ballaststoffreichen Kost wird mit einem

semiquantitativen Fragebogen zu den genannten Kontrollzeitpunkten ermittelt, indem der

Konsum relevanter Nahrungsquellen der letzten 7 Tage abgefragt wird. Primäre Endpunk-

te der zweiarmigen Ernährungsintervention sind der Rückgang abdomineller Symptome

und Veränderungen in der Symptomschwere. Sekundär wird erhoben, wie gut die Be-

handlung toleriert wird und ob sie ein Wiederauftreten nachteiliger Ereignisse verhindern

kann (Lahner, et al., 2012, p. 5920). In Gruppe A beenden 27 von 30 Patienten die Studie

und in Gruppe B alle 22. Der BS-Verzehr steigt zu allen Evaluationszeitpunkten in beiden

Teilnehmergruppen an, zeigt aber keinen signifikanten Unterschied in seiner Höhe. Die

Auswertung der Symptomskalen zeigt für beide Interventionen eine kontinuierlich signifi-

kante Verbesserung im Vergleich zum Ausgangswert. Jedoch ist der Therapieerfolg so-

wohl für abdominelle Schmerzen <24 h als auch > 24 h in Gruppe A größer. Abdominelle

Blutungen können lediglich in Gruppe A signifikant reduziert werden. Weiterhin sind in

Gruppe B im Untersuchungszeitraum erneute Fälle von abdominellen Schmerzen (4) und

Divertikelblutungen (2) zu beobachten, während die A-Probanden frei von jeglichen

Symptomen bleiben. Keiner der Patienten entwickelt eine akute Divertikulitis oder andere

Komplikationen der DK. Die Wissenschaftler schlussfolgern, dass eine BS-Diät zwar ab-

dominelle Beschwerden der SUDK senkt, aber effektiver und mit größerer Reichweite

agiert, wenn es mit einem Probiotikum kombiniert wird (Lahner, et al., 2012, p. 5922).

Tursi et al. (2013)

Die multizentrische doppelblinde RCT-Studie überprüft und erweitert die Ergebnisse von

Lahner et al. hinsichtlich der Prävention von Rezidiven der symptomatischen unkompli-

zierten Divertikelkrankheit. Patienten mit kurzzeitigen abdominellen Schmerzen werden

von der Studie ausgeschlossen, da dies ein häufig beobachtetes Symptom bei RDS ist.

210 Probanden werden in 4 Interventionsgruppen eingeteilt und die Auswirkung der jewei-

ligen Exposition über 12 Monate untersucht. Gruppe M erhält täglich 1,6g Mesalazin und

ein Placebo des Probiotikums Lactobacillus casei subsp. DG. Gruppe L erhält das Probio-

tikum und ein Mesalazin Placebo, Gruppe LM wendet Mesalazin und Probiotikum kombi-

niert an und Gruppe P erhält beides als Placebo. Die Kontrollen erfolgen nach 1, 2, 6, 9

und 12 Monaten in 14 verschiedenen Einrichtungen. Abdominelle Schmerzen werden mit

einer Intervallskala von 0 für die Abwesenheit von Schmerzen bis 10 für schwere

Schmerzen erfasst. Symptome der DK, wie Diarrhö, Obstipation oder Blutungen, werden

ebenfalls auf diese Weise erhoben (Tursi, et al., 2013, p. 2). Für jeden Teilnehmer werden

die Ergebnisse der Screeningtermine, demographische Charakteristika, Daten der medi-

zinischen Versorgung sowie Medikationen erfasst. Neben der vorgeschriebenen Mesala-

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zingabe für einige Probanden sind auch einige begleitende Medikamenteneinnahmen

erlaubt, wenn sie in konstanter Dosierung über einen längeren Zeitraum erfolgen. Der

gesundheitliche Zustand der Probanden wird kontinuierlich über selbstständige Aufzeich-

nungen mit vorgefertigten Formularen erfasst und zu den Visitationen klassifiziert und

bewertet. Eine ballaststoffreiche Ernährung soll im Untersuchungszeitraum gezielt ver-

mieden werden, um die Veränderungen eindeutig auf die beschriebenen Variablen zu-

rückzuführen (Tursi, et al., 2013, p. 3). Primärer Endpunkt ist der Anteil an Patienten, die

nach einer Episode der SUDK die Remission innerhalb der Follow-up-Periode aufrecht-

erhalten. Diese wird als das Ausbleiben abdomineller Schmerzen mit der Bewertung ≥5

für mindestens 24 h definiert. Sekundär werden sämtliche Einflüsse der Divertikelkrank-

heit auf die Remissionserhaltung erhoben, wie etwa die Einnahme bestimmter pharmako-

logischer Substanzen oder einzelne Charakteristika der DK (Tursi, et al., 2013, p. 4). Die

Ergebnisse der Intervention werden als Hazard Ratio (HR) sowie im 95% Konfidenzinter-

vall dargestellt. Von Rückfällen der SUDK sind 7 Patienten in Gruppe M, 8 Patienten in

Gruppe L und 23 Patienten in Gruppe P betroffen. Alle Probanden in Gruppe LM bleiben

symptomfrei. Das RR der klinischen Remission zeigt zwischen den Gruppen L und M kei-

nen signifikanten Unterschied. Die Analyse möglicher Störvariablen ergibt keinen Einfluss

der personenbezogenen Ausgangsbedingungen auf die Remissionserhaltung. DK-

assoziierte Symptome zeigen ebenfalls keine signifikanten Unterschiede zwischen den

Gruppen (Tursi, et al., 2013, p. 6). Akute Divertikulitis tritt bei 7 Personen aus Gruppe P

und 1 Person aus Gruppe L auf. Die Compliance wird für alle Gruppen mit 80% angege-

ben (Tursi, et al., 2013, p. 7).

Lanas et al. (2012)

Die Untersuchung von Lanas et al. ist ursprünglich als multizentrische randomisierte, of-

fene Studie konzipiert, muss aber aufgrund einer zu kleinen Studienpopulation in eine

Machbarkeitsstudie nach dem Proof of Concept umgewandelt werden. In der Follow-up-

Periode von einem Jahr werden gleichartige Parallelgruppen aus 165 Probanden über 18

Jahren entweder einer BS-Supplementation von täglich 3,5g oder einer Kombination mit

dem Antibiotikum Rifaximin ausgesetzt. Zum Zeitpunkt der Rekrutierung befinden sich alle

Patienten in der Remission nach einem oder mehreren akuten Episoden der Divertikulitis

in den vergangenen zwei Monaten. Die Krankengeschichte sowie erforderliche Medikatio-

nen werden bei Aufnahme der Probanden erfragt. Das applizierte Ballaststoffpräparat

besteht aus Flohsamenschalen (plantago ovata), die als aufquellendes Granulat mit Flüs-

sigkeit eingenommen werden. 77 der eingeschlossenen Probanden nehmen zusätzlich

jeweils in der ersten Woche des Monats täglich zwei Tabletten Rifaximin (800mg/Tag) ein.

Die Sicherheit des Antibiotikums wurde zuvor in Langzeituntersuchungen evaluiert und

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33

bestätigt, da sich das Breitbandantibiotikum nicht im Körper anreichert. Klinische Visitatio-

nen erfolgen 4, 12, 24, 36 und 48 Wochen nach Studienbeginn. Primär erhoben wird das

Auftreten einer weiteren akuten Episode der Divertikulitis, welche mit oder ohne Komplika-

tionen auftreten kann und als Hazard Ratio gemessen wird. Die Intensität und Vielfalt ab-

domineller Beschwerden und Symptome wird alle 4 Wochen von den Patienten abgefragt

und mit einer visuellen Analogskala von 0-10 gepunktet. Bei jeder Befragung werden die

Vitalfunktionen, Körpertemperatur, BMI und laborchemische Parameter erhoben. Außer-

dem werden alle Patienten auf Blutrückstände im Stuhl zu Beginn der Untersuchung und

im Falle einer wiederauftretenden Divertikulitis getestet (Lanas , et al., 2013, p. 105). Aus

der Versuchsgruppe mit zweifacher Intervention schließen 56 Patienten die Studie ab, von

denen 8 einen Divertikulitis-Rückfall erleiden. Aus der Kontrollgruppe verbleiben am Ende

der Studie 76 Probanden mit 17 Fällen von Rezidiven und einem signifikant höheren Re-

zidiv-Risiko sowie einer kürzeren Remissionsphase (Lanas , et al., 2013, p. 106).

3.4 Diskussion der Ergebnisse

Niedrige Trefferzahlen in der Recherche sowie die spärliche Auswahl an geeigneten Stu-

dien erklären, warum bislang keine evidenzbasierten Leitlinien zur Prävention und Thera-

pie der DK existieren. Die bis dato lückenhafte Kenntnis der Ätiologie sowie die Schwie-

rigkeit eine ausreichend große Kohorte zu rekrutieren sind die wesentlichen limitierenden

Faktoren im Bestreben um Studienergebnisse mit hoher Validität. Die folgende Tabelle

stellt die Stärken und Schwächen der ausgewerteten Arbeiten gegenüber und leitet eine

abschließende Bewertung daraus ab. Die Abkürzung LM steht hier für Lebensmittel.

Studie Stärken Schwächen Beurteilung

Crowe et al. (2012)

+ langer Zeitraum

+ große Kohorte

+ viele Vegetarier le-

ben bei Rekrutierung

seit >5 J. fleischfrei

+ mehrere unabhängi-

ge Variablen werden

gleichzeitig erfasst

+ Prospektives Design

+ während FU Elimi-

nierung von Proban-

den mit DK, um umge-

kehrte Kausalität zu

vermeiden

- quasi-experimentell u.

ohne Randomisierung

- Anzahl der Vegetarier

und Nicht-Vegetarier

unter den Erkrankten

ist nicht bekannt

- keine weiteren Anga-

ben zu LM-Gruppen

und DK-Risiko

- große Abstände zwi-

schen Befragungen

- nur behandlungs-

pflichtige Fälle von DK

werden erfasst

Trotz langer FU-

Periode und großer

Kohorte können nur

Trends abgeleitet

werden, da die Ergeb-

nisse nicht repräsen-

tativ sind. Aussagen

nur bezüglich des

Risikos für die symp-

tomatische DK mög-

lich, da die Fälle von

Divertikulose bei der

Datenerhebung nicht

erfasst sind.

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34

Ünlü et al. (2012)

+ nur Studien mit Kon-

trollgruppen gewählt

+ diagnostische Ver-

fahren zur Einstufung

der DK werden erfasst

+ Ausschluss von Pa-

tienten mit zusätzli-

chen gastrointestina-

len Erkrankungen

+ mehrere Endpunkte

- Validität der Ergeb-

nisse durch kleine Ko-

horten und kurze Zeit-

räume limitiert

- Inkonsistente Daten

- oftmals keine kontinu-

ierliche Überwachung

des Gesundheitszu-

stands der Probanden

(Tagebuchstil)

Wenngleich die Evi-

denz der Ergebnisse

durch kleine Studien-

populationen und

Schwächen in der

Methodik geschmälert

wird, ist das Potenzial

ballaststoffreicher

Diäten bei DK deutlich

erkennbar.

Lamiki et al. (2010)

+ detaillierte und re-

gelmäßige Untersu-

chung und Befragung

der Probanden

+ Veränderungen der

Ernährungsgewohn-

heiten werden erfasst

- hohe innere Validität

- SUDK wird anhand

unspezifischer abdomi-

neller Symptome diag-

nostiziert

- Kontrollgruppe fehlt

- keine Angaben zur

Auswertung der Diät-

gewohnheiten

Einschätzung der

Effektgröße schwierig,

da Vergleich mit Pla-

cebo fehlt. Dennoch

empfiehlt sich der

therapeutische Ein-

satz symbiotischer

Mixturen bei DK.

Lahner et al. (2012)

+ SUDK genau defi-

niert und diagnostiziert

+ Ausschluss von Pa-

tienten mit CED oder

Symptomen von RDS

+ Kombination u. Ver-

gleich von diätetischen

Therapieoptionen

+ Wash-out-Periode

vor Beginn der Studie

- keine Placebo-Gruppe

- kleine Kohorte

- kein Vergleich zwi-

schen isolierter An-

wendung von BS und

Probiotikum

Die Pilotstudie be-

scheinigt der Kombi-

nation von BS und

Probiotika einen grö-

ßeren Therapieeffekt

zur Behandlung der

SUDK. Weitere groß

angelegte Studien

müssen die Ergebnis-

se auf Evidenz prüfen.

Tursi et al. (2013)

+ langer Zeitraum

+ große Kohorte

+ Placebokontrolle

+ Ausschluss von RDS

+ Übereinstimmung

der Methodik mit der

guten klinischen Praxis

Aufgrund der hohen

Evidenz der Ergebnis-

se können Probiotika

künftig einen festen

Bestandteil in der

Therapie und Präven-

tion der SUDK bilden.

Lanas et al. (2012)

+ verlässliche Diag-

nostik zur Sicherung

der Zielgruppe

+ Ausschluss von Pa-

tienten mit relevanten

- keine Placebo-Gruppe

- keine Verblindung

- keine Ernährungser-

hebung vorgenommen

- Toleranz der jeweili-

Die kombinierte Gabe

von Antibiotikum und

BS kann bei Patienten

mit akuter Divertikulitis

zur Remissionserhal-

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35

Komorbiditäten

+ Durchführung ent-

spricht der guten klini-

schen Praxis

gen Intervention nicht

erhoben

tung beitragen, aber

nicht generell zur The-

rapie der DK empfoh-

len werden.

Tabelle 5 Stärken- und Schwächenanalyse relevanter Studien

Crowe et al. (2012)

Mit einem Anteil von 50% stellt die EPIC-Oxford-Studie die größte Vegetarierstudie dar,

die bislang durchgeführt wurde. Die weitere Kategorisierung für den Verzehr von Fisch,

Eiern und Milchprodukten ist als positiv einzustufen, findet sich aber in der Auswertung

nur unzureichend wieder. Stattdessen wird der Ergebnisteil überwiegend auf die dichoto-

men Variablen Vegetarier und Nicht-Vegetarier beschränkt. Die Erkenntnis, dass zwi-

schen dem Verzehr von Fleisch oder Fisch kein Unterschied hinsichtlich des DK-Risikos

besteht, lässt Zweifel aufkommen, ob der Fleischkonsum weiterhin als eigenständiger

Risikofaktor betrachtet werden kann. Es fehlen weiterhin Angaben darüber, wie viele Ve-

getarier und Nicht-Vegetarier sich unter den Erkrankten befinden. Der prospektiven An-

ordnung der Kohortenstudie liegt ein Beobachtungszeitraum von 11,6 Jahren zu Grunde,

was die Validität der Ergebnisse bei sonst schwachem Studiendesign erhöht. Negativ zu

bewerten ist allerdings, dass die Abstände zwischen den Befragungen im Follow-up mit

fünf Jahren sehr weit gewählt sind und zu Verzerrungen führen können. Die Unterschiede

in der Risikoreduktion zwischen vegetarischen und veganen Probanden wären bei kürze-

ren Abständen zwischen den Nachkontrollen eventuell größer ausgefallen. Für die An-

wendbarkeit der Ergebnisse ist relevant, welcher Zeitraum erforderlich ist, um mit einer

vegetarischen Ernährung das Risiko für DK zu verringern. Bezüglich der Einflüsse des

Lebensstils ist zu kritisieren, dass Stress, ob beruflicher oder privater Natur, ein weit ver-

breitetes Gesundheitsrisiko darstellt, aber in keiner Form erhoben wird. Erwartungsgemäß

zeigt die Auswertung einen signifikant höheren Konsum an Obst und Gemüse bei Vegeta-

riern, weshalb die Frage aufkommt, wie groß das präventive Potenzial der darin enthalte-

nen Vitamine und Mineralstoffe ist. In einer Fortführung des FU oder weiteren prospekti-

ven Studien könnten eingehendere Untersuchungen zur Kostzusammensetzung der ver-

schiedenen Ernährungsformen vorgenommen werden, die den Kenntnisstand erweitern.

Ünlü et al. (2012)

Die systematische Übersichtsarbeit von Ünlü et al. zeigt die vielfältigen Problematiken auf,

die sich bei der Erforschung ernährungstherapeutischer Ansätze bei Probanden mit Diver-

tikelkrankheit ergeben. Erste Schwierigkeiten treten bereits bei der Rekrutierung und Ein-

grenzung potenzieller Teilnehmer auf, da eine Anreicherung der Kost mit Ballaststoffen

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36

nicht in allen Stadien der Erkrankung vorteilhaft ist. Kleine Studienpopulationen begren-

zen die Effizienz der Randomisierung und verursachen ein weites Konfidenzintervall. Die

Compliance der Patienten ist ein weiterer limitierender Faktor und wird von der Frequenz

der Befragungen im Untersuchungszeitraum mitbeeinflusst. Alle Studien haben ähnliche

Interventionen und Endpunkte, aber zeigen deutliche Unterschiede in ihrer Vorgehens-

weise. Die methodische Qualität ist bei Ornstein et al. am höchsten, da sie die größte

Probandenzahl aufweist. Brodribb führt nur monatliche Befragungen durch und keine kon-

tinuierliche Aufzeichnung des Symptomverlaufs, sodass die Patienten nur einen Gesamt-

eindruck ihres Befindens wiedergeben können. Individuelle Schwankungen werden nicht

erfasst. Die Effektivität von Interventionen mit Ballaststoffanreicherungen kann in einem

längeren Untersuchungszeitraum größer sein, da der Verdauungstrakt sich erst an das

größere Stuhlvolumen anpassen muss (Brodribb, 1977, p. 665). Ornstein et al. erreichen

durch die Anwendung eines Crossover-Designs mit doppelter Verblindung Ergebnisse mit

hoher Validität. Entgegen Brodribbs Beobachtungen werden keine statistisch signifikanten

Unterschiede in der Anwendung von BS-Supplementen im Vergleich zum Placebo festge-

stellt. Die Inkonsistenz der Daten erschwert die einheitliche Anwendung von Ballaststoffen

in der Therapie der DK. Aus der Übersichtsarbeit geht nicht hervor, welchem Stadium der

DK die Probanden in der dritten RCT-Studie von Hodgson zugeordnet sind, sodass die

Effektstärke der Intervention nicht abschließend beurteilt werden kann. Die Fallkontroll-

studie von Leahy et al. zeigt zwar eine signifikant protektive Wirkung durch Anwendung

einer ballaststoffreichen Kost, aber weist diverse Schwächen in der Methodik auf, sodass

dieses Ergebnis nur als Trend betrachtet werden kann. Ebenfalls negativ zu bewerten ist,

dass die Studienteilnehmer nur zu Beginn und am Ende der Studie interviewt werden und

keine Ausführungen zur Auswertung der Ernährungserhebung erfolgen.

Lamiki et al. (2010)

Die Anwesenheit einer Kontrollgruppe ist zwingend erforderlich, wenn Studienergebnisse

in die Praxis übertragen werden sollen. Diese Voraussetzung wird in der Studie nicht er-

füllt, weshalb der tatsächliche Therapieeffekt unklar bleibt. Dennoch kann die Untersu-

chung durch DNA-Sequenzierung der Stuhlproben, Skalierung der DK-assoziierten Symp-

tome und Ernährungserhebung eine hohe methodische Qualität vorweisen. Die Schluss-

folgerung der Wissenschaftler, die Anwendung von Synbiotika könnte präventiv gegen-

über Divertikulitisrezidiven wirken, lässt sich anhand der Ergebnisse nicht belegen. Die

Intervention erreicht erst nach drei Monaten die maximale Anzahl an Lebendbakterien und

es bleibt offen, wie beständig die Bakterienkultur über einen längeren Zeitraum im Ver-

dauungstrakt gewesen wäre und ob tatsächlich weniger Rezidive auftreten. Allerdings

zeigt diese Studie, dass Synbiotika bereits nach kurzer Anwendungsdauer wirksam sind.

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Lahner et al. (2012)

Ein großer Vorteil dieser RCT-Studie ist, dass sie erstmalig rein diätetische Interventionen

miteinander kombiniert und vergleicht, da in den meisten Studien nur Einzelaspekte erho-

ben oder Medikamente mit Nahrungssubstanzen in ihrer Effektivität verglichen werden.

Zwar fehlt in dieser wissenschaftlichen Arbeit die Absicherung der Ergebnisse durch eine

zusätzliche Placebo-Gruppe, aber es existieren vergleichbare Untersuchungen, die den

Vorteil einer ballaststoffreichen Kost gegenüber einem Placebo deutlicher herausstellen

(Vgl. Ornstein et al.). Es kann nicht geschlussfolgert werden, ob Probiotika gegenüber

einer BS-Diät wesentlich effektiver in der Symptomlinderung und Remissionserhaltung

sind, da das Probiotikum nicht isoliert angewendet wurde. Weiterhin liegt laut EFSA kein

Hinweis für eine Reduktion gastrointestinaler Beschwerden oder Beeinflussung der Tran-

sitzeit durch die Anwendung von Lactobacillus paracasei B21060 vor (EFSA, 2010, p. 8).

Tursi et al. (2013)

Von den vorliegenden Studien weist diese RCT-Studie die höchste methodische Qualität

auf, denn sie verfügt über ein gutes Studiendesign mit überdurchschnittlicher Untersu-

chungsdauer und ausreichend großer Studienpopulation. Einflüsse auf das Ergebnis sei-

tens der Probanden und Therapeuten werden bestmöglich vermieden mittels doppelter

Verblindung und vorheriger Ausschlussprozedur. Die SUDK wird auch in dieser Studie

vorab genau definiert und in ihrer Ausprägung der Symptome vom RDS abgegrenzt. Mit

einem Minimum von 50 Probanden pro Versuchs- und Kontrollgruppe wird die Vorausset-

zung für den Chi-Quadrat-Test erfüllt. Ebenfalls wird durch explizite Beschreibung von

methodischem Vorgehen und Auswertung eine hohe Transparenz der Ergebnisse sicher-

stellt. Für Patienten mit hohem Rezidivrisiko ist die komplementäre Anwendung von Me-

salazin und Probiotika eine bedeutende Option, die künftig abzuwägen gilt.

Lanas et al. (2012)

Trotz einiger Schwächen im Studiendesign sind die Ergebnisse von klinischer Relevanz,

da ihre Zielgruppe Patienten mit akuten Episoden der Divertikelkrankheit sind, deren Re-

mission aufrechterhalten werden soll. Inwiefern die Probanden und Therapeuten den Ver-

lauf der Untersuchung beeinflussen ist unklar, da die Interventionen offen stattfinden. Wei-

terhin werden keinerlei Befragungen über das Ernährungsverhalten durchgeführt, die un-

ter anderem die Gesamt-BS-Aufnahme erfassen kann. Der wahre Therapieeffekt durch

Einsatz von Rifaximin kann nicht beurteilt werden, da die Placebo-Kontrolle fehlt. Ob die-

se Therapieform angebracht ist, muss in Abhängigkeit der patientenspezifischen Faktoren

sowie nach Expertise des behandelnden Arztes entschieden werden.

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38

4 Ernährungsmedizinische Ansätze in der Praxis

Nach Auswertung der aktuellen Datenlage soll mit diesem Kapitel die Zusammenführung

wissenschaftlicher Erkenntnisse mit bewährten präventiven und therapeutischen Ansät-

zen aus der Praxis zu einem kohärenten Ganzen gelingen. Anhand dieser inhaltlichen

Erweiterung wird im Anschluss ein Entwurf für Ernährungsinformationen entwickelt.

4.1 Prävention der Divertikelkrankheit Die bereits geschilderten Wechselwirkungen in der Ätiologie der Divertikelkrankheit geben

Anlass zur näheren Betrachtung einzelner Nahrungskomponenten, um diese auf ihr prä-

ventives Potenzial hin zu prüfen.

4.1.1 Alternative Ernährungsformen

Als alternative Ernährungsformen werden verschiedene Kostformen bezeichnet, die von

der heute üblichen Ernährungsweise abweichen. Alternative Ernährungsformen dürfen

nicht mit Diäten gleichgesetzt werden, da sie zur dauerhaften Anwendung konzipiert sind

(F. A. Brockhaus, 2008, p. 26). Häufig steht eine bestimmte Philosophie dahinter, wie et-

wa die Heilung oder Vorbeugung von Krankheiten. Während die Datenlage zu den meis-

ten Vertretern alternativer Ernährungsformen selten für einen gesundheitlichen Benefit

spricht, konnten für den Vegetarismus zahlreiche wissenschaftliche Nachweise hervorge-

bracht werden, die die Vorbeugung ernährungsmitbedingter Krankheiten betreffen

(American Dietetic Association, 2009, pp. 1272-1275).

Die vegetarische Ernährung ist die populärste unter den alternativen Ernährungsformen

und umfasst im Wesentlichen drei Untergruppen mit spezifischer Nahrungsauswahl. Laut

Definition schreibt der Vegetarismus die Ernährung von pflanzlichen und vom lebenden

Tier stammender Erzeugnisse vor (F. A. Brockhaus, 2008, p. 644). Laktovegetarier neh-

men von tierischen Erzeugnissen nur Milch und Milchprodukte zu sich, Ovovegetarier nur

Eier, Ovo-Lacto-Vegetarier beides und Piskovegetarier nur Fisch. Ein weiterer, sich zuse-

hends verbreitender Abkömmling des Vegetarismus ist die vegane Ernährung, die strikt

auf jegliche tierische Produkte verzichtet. Die damit verbundenen Einschränkungen in der

Lebensmittelauswahl führen langfristig zu Nährstoffdefiziten, denen nur mit ergänzender

Supplementierung vorgebeugt werden kann. Hinzu kommt, dass die physiologischen Ef-

fekte einer veganen Kostform mehrheitlich im Rahmen von groß angelegten Vegetarier-

studien untersucht werden, da sich bislang nur kleine Probandengruppen herausbilden

und es sich häufig um Mischformen oder aufgelockerte Varianten handelt (Leitzmann,

2005, pp. 148-149). Generell ist die Anwendung von Kostformen mit stark begrenzter

Nahrungsauswahl nicht für Patienten zu empfehlen, die krankheits- oder altersbedingt zu

Nährstoffunterversorgungen neigen (American Dietetic Association, 2009, p. 1272).

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Im Bemühen um praxistaugliche Empfehlungen wird sich daher auf gesundheitsrelevante

Assoziationen zwischen ovolactovegetabiler Kost und Divertikelkrankheit beschränkt. Die

groß angelegte EPIC-Oxford Studie hat bereits herausgestellt, dass der vegetarischen

Ernährung eine wichtige Rolle in der Risikoreduktion der DK zukommt. Für eine präventi-

ve Wirkung ist kein jahrelanger Verzicht auf Fleisch und Fisch erforderlich, aber der Kon-

sum muss dennoch vollständig eingestellt werden (Crowe, et al., 2011, p. 4). Mit dem

Ausschluss von Fisch in der Ernährung kann die Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren unzu-

reichend sein, wenn keine alternative Bedarfsdeckung über entsprechende Pflanzenöle

oder Algenextrakte erfolgt. Mögliche Folgen einer solchen Versorgungslücke können der-

zeit nur anhand der zellulären und immunologischen Funktionen dieser Substanzen abge-

leitet werden (American Dietetic Association, 2009, p. 1268). Die American Dietetic

Association bewertet die ovolactovegetabile Kost in allen Lebensphasen als uneinge-

schränkt empfehlenswert zur Verhütung sämtlicher Krankheiten. Um eine ausreichende

Versorgung kritischer Nährstoffe wie Vitamin B12, Eisen, Jod, Zink und Vitamin D zu ge-

währleisten, sollte vorab eine professionelle Anweisung zur Aufnahme der wichtigsten

Nahrungsquellen erfolgen (American Dietetic Association, 2009, p. 1266). Die aktuelle

Studienlage bringt nur Einzelnachweise zu den intestinalen Auswirkungen hervor, da pri-

mär Effekte hinsichtlich der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und metaboli-

schem Syndrom beobachtet werden. Patienten mit DK profitieren mittelbar ebenso von

Verbesserungen der Blutfettwerte, einem konstanten Blutzuckeranstieg sowie einem nied-

rigeren BMI im Vergleich zu Mischkostvertretern (Leitzmann, 2005, p. 150), da sie mit

guter gesundheitlicher Konstitution schneller genesen und seltener von Komplikationen

betroffen sind (Crowe, et al., 2011, p. 3). Enge Assoziationen zwischen der vegetarischen

Ernährungsform und der DK sind im Wesentlichen auf die gesteigerte Ballaststoffaufnah-

me und die Vitamine und Mineralstoffe aus Obst und Gemüse zurückzuführen. Vor allem

die höheren Konzentrationen an Magnesium, Kalium, Vitamin C und E, Folat, Carotinoi-

den und Flavonoiden werden als verantwortliche Inhaltsstoffe für die gesundheitlichen

Vorteile der Kostform diskutiert (American Dietetic Association, 2009, p. 1267). Antioxi-

dantien und sekundäre Pflanzenstoffe sind gleichwohl in der Prävention und Therapie der

DK relevant, da sie entzündlichen Prozessen entgegen wirken. Durch den Verzehr natür-

licher und frischer Lebensmittelvarianten erhält man den größten synergistischen Effekt

und vermeidet Überdosierungen mit nachteiliger Wirkung für den Organismus (Liu, 2003,

p. 519). Insbesondere ältere Patienten sollten ihren Vitamin B12- und Vitamin D-Status

regelmäßig überprüfen lassen, da die Absorptionsrate im Darm sowie die körperliche Ei-

gensynthese abnehmen (American Dietetic Association, 2009, p. 1272). Konsistente Da-

ten zur unmittelbaren Beeinflussung der DK existieren für die intestinalen Wirkungsme-

chanismen der enthaltenen Ballaststoffe einer pflanzlich ausgerichteten Kost.

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4.1.2 Ballaststoffreiche Kost

Sowohl die Ergebnisse der EPIC-Oxford Studie als auch die Beobachtungen der Health

Professionals Follow-Up Studie kommen überein, dass eine hohe Ballaststoffaufnahme

unabhängig des Geschlechts, Alters oder der sonstigen Zusammensetzung der Kost das

Risiko für die DK senkt. Schon Gear et al. beobachten bei Teilnehmern der EPIC-Studie

unabhängig des Alters kürzere Transitzeiten und erhöhte Stuhlfrequenzen. Aufgrund der

verkürzten Passagezeit wird weniger Wasser im Dickdarm rückresorbiert, was einen ge-

schmeidigeren Stuhlgang zur Folge hat (Gear, et al., 1981, p. 80). Ein Zusammenhang

zwischen Transitzeit und DK kann aufgrund von inkonsistenten Daten zwar nicht hergelei-

tet werden, aber die Verhütung einer Obstipation sollte dennoch Bestandteil der Pri-

märprävention sein (Huth & Burkard, 2004, p. 81). Für die Gesunderhaltung des Dick-

darms sind vor allem die physiologischen Eigenschaften der unverdaulichen Nahrungsbe-

standteile relevant, welche je nach Struktur die Darmperistaltik und das Stuhlvolumen

mehr oder weniger stark beeinflussen. Die nachfolgende Tabelle informiert über die we-

sentlichen Eigenschaften löslicher und unlöslicher BS, anhand welcher die Eignung zur

Anwendung bei Divertikulose abgeleitet werden soll. Die Zuordnung von Nahrungsquellen

erfolgt hier nur grob nach ihren jeweiligen BS-Anteilen (Huth & Burkard, 2004, pp. 11-25).

Vertreter Eigenschaften Intestinale

Wirkung

Nahrungs-

quellen

Wasserlöslich

Pektine, Algen

Schleimstoffe,

Pflanzen-

gummen,

ß-Glukane,

Hemicellulose

↑ Wasserbindung

↑ Gelbildung

↑ Fermentation

↓ Stuhlvolumen

↓ Magenentleerung

↑ Darmmotilität

- saures Milieu

- Nährstoffver-

sorgung der

Schleimhaut

- Bindung von

GS18

Obst, Gemüse,

Hülsenfrüchte,

Getreidekörner

(Hafer, Gerste),

Flohsamen-

schalen

Wasserunlöslich

Cellulose,

Hemicellulose,

Lignin

↑ Stuhlvolumen

↑ Darmmotilität

↑ Wasserbindung

↓ Fermentation

- erleichterte

Stuhlentleerung

- Verkürzung

der Transitzeit

Cerealien

(Roggen) , Ge-

müse, Obst-

schalen, Kleie

Tabelle 6 Klassifizierung von Ballaststoffen modifiziert nach (Huth & Burkard, 2004, p. 8)

Wasserlösliche BS werden auch als Quellstoffe bezeichnet, denn ihre Struktur weist Hohl-

räume auf, in die sich Wasser einlagern kann. Die beim Gärungsprozess entstehenden

kurzkettigen Fettsäuren, insbesondere Butyrat, stellen Energiesubstrate für die Mikrobiota

des Kolons dar und schaffen ein saures Milieu, welches pathogene Erreger abwehrt und

die Darmmotilität stimuliert. Wasserunlösliche BS fördern als Füllstoffe die Volumenzu-

nahme von Faeces. Die steigende Bakterienmasse sowie Gasbildung aufgrund der zuge-

18

GS: Gallensäuren

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führten löslichen BS verkürzen zusätzlich die Transitzeit, welche wiederum eine verringer-

te Wasserrückresorption bewirkt und in weichen, voluminösen Stühlen resultiert (Huth &

Burkard, 2004, p. 48). Somit wird deutlich, dass sich beide BS-Arten stets synergistisch

verhalten und der Frage nachzugehen ist, in welchen Anteilen sie verzehrt werden sollten.

Aldoori et al. identifizieren in einer groß angelegten Kohortenstudie (HPFS) zur Untersu-

chung verschiedener BS-Fraktionen in Nahrungsmitteln Cellulose als besonders effektiv

in der Risikoreduktion einer DK (Aldoori, et al., 1998, p. 715). Cellulose ist als Hauptbe-

standteil pflanzlicher Zellwände nicht nur in Vollkornprodukten vertreten, sondern kann

ebenso hohe Gehalte in Früchten, Gemüse und Leguminosen vorweisen (Li, et al., 2002,

pp. 719-721). In der heutigen Ernährung wird über Obst und Gemüse im Durchschnitt

sogar mehr Cellulose aufgenommen, weshalb diese als Schlüsselkomponente in der Prä-

vention und Therapie der DK vermutet wird (Aldoori & Ryan-Harshmann, 2002, p. 1633).

Die Partikelgröße ist ebenfalls ein wichtiges Kriterium bei der Bewertung präventiver Po-

tenziale von Ballaststoffen, da sie das Stuhlgewicht beeinflussen. Große Partikel werden

langsamer abgebaut, während kleinere Partikel die verfügbare Oberfläche für Darmbakte-

rien erweitern und damit die Verdaubarkeit steigern, sodass Cellulose aus gemahlener

Kleie beispielsweise schneller verdaut wird als aus grober Kleie (Cabré, 2011, p. 92).

Körner und Leguminosen werden zum Teil unverändert ausgeschieden, was lange als

Risiko für Komplikationen der Divertikulose gesehen wird. Strate et al. untersuchen diese

Hypothese innerhalb der HPFS und stellen fest, dass der Konsum von Nüssen, Körnern

und Popcorn weder das Risiko für eine Divertikulose erhöht noch Komplikationen wie Di-

vertikulitis oder Divertikelblutungen verursacht. Gleiches kann auch für die Samen im

Fruchtfleisch von Beerenobst nachgewiesen werden, sodass diese bedenkenlos verzehrt

werden können. Vor allem die günstige Zusammensetzung aus einfach und mehrfach

ungesättigten Fettsäuren und Vitamin E in Nüssen, Samen und Vollkornwaren wird als

natürlicher Schutz vor Entzündungsreaktionen innerhalb der Divertikulitis gesehen (Strate,

et al., 2008, p. 6). Aufgrund des hohen Fett- und Energiegehalts sollten Nüsse in kleinen

Rationen und im Rahmen eines gesundheitsbewussten Lebensstils konsumiert werden.

Die resistente Stärke nimmt eine Sonderstellung in der Klassifizierung der BS ein, da sie

aus verdaulicher Stärke entsteht. Man unterscheidet drei Typen natürlicher Herkunft, von

denen die Stärke in cellulosehaltigen Strukturen wie Vollkornprodukten sowie die retro-

gradierte Form in gekochten, abgekühlten Kartoffeln ernährungsphysiologisch relevant

sind, da sie bevorzugtes Nahrungssubstrat für die Mikroorganismen im Darm sind (Huth &

Burkard, 2004, pp. 16-17). In ihrer Funktion als qualitativ hochwertige Präbiotika sorgen

sie für die kontinuierliche Erneuerung der Dickdarmkrypten und damit der Darmmukosa.

Der Anstieg des Butyratspiegels aus der Stärke-Fermentation ist am höchsten, wenn zu-

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sätzlich Fleisch in der Ernährung gemieden wird (Jacobasch, 2002, pp. 6-7). Die von

Peery et al. 2012 veröffentlichte Querschnittstudie mit 2104 Probanden der HPFS spricht

für gegenteilige Effekte einer ballaststoffreichen Kost, da mehrheitlich eine Divertikulose

bei Probanden festgestellt wird, deren BS-Konsum laut Befragungen im obersten Viertel

liegt (Peery, et al., 2012, p. 4). Trotz der großen Kohorte und statistisch signifikanter Er-

gebnisse reicht die Studie nicht aus, um Ballaststoffe von künftigen Empfehlungen auszu-

schließen. Wichtige Aspekte, wie eine Charakterisierung der von Divertikulose betroffenen

Probanden, stehen noch aus, sodass keine klare Zuordnung von unabhängiger und ab-

hängiger Variable möglich ist. Weiterhin wird das Alter als wesentlicher Einflussfaktor für

die DK beschrieben, sodass die Möglichkeit besteht, dass einem Großteil der Divertikulo-

sefälle eine entsprechende Prädisposition zugrunde liegt. Nachteilig ist außerdem, dass

die Ernährungserhebung ausschließlich telefonisch erfolgt, was das Risiko für Verzerrun-

gen durch äußere Variablen erhöht. Die Hypothese bedarf daher weiterer Evaluierung.

Aus aktuellen Daten der NVSII und EFSA geht hervor, dass Erwachsene mehrheitlich die

empfohlene Zufuhr von 30g BS/Tag nicht erreichen (NVSII, 2008, p. 98). Die verzehrte

Menge liegt im Mittel zwischen 15-30g und nimmt ab 65 Jahren nochmal ab (EFSA, 2010,

p. 28). Unterschiedliche BS-Fraktionen nehmen unterschiedlichen Einfluss auf die Darm-

peristaltik, weshalb täglich Variation in der Lebensmittelauswahl erreicht werden soll. In

Anlehnung an die D-A-C-H-Referenzwerte erscheint es sinnvoll, die empfohlene Zufuhr

jeweils zur Hälfte aus Cerealien und Obst und Gemüse umzusetzen (Schulze-Lohmann,

P.; DGE, 2012, p. 412). Isolierte BS wie Flohsamenschalen oder Kleie weisen gegenüber

komplexen Nahrungsmitteln keinen signifikanten Vorteil auf, aber erleichtern die Bedarfs-

deckung, was vor allem bei älteren Patienten relevant wird (Haack, et al., 1998, p. 620).

4.1.3 Einsatz von Probiotika

Die intestinale Mikrobiotia eines jeden Individuums verfügt über einen spezifischen „Fin-

gerabdruck“, der das Bakterienprofil einzigartig macht (Bischoff & Köchling, 2012, p. 289).

Die Milieubedingungen sowie ihre Beständigkeit werden zum einen durch das Spektrum

der Nahrungssubstrate und zum anderen über die vom Wirt in den Darm abgegebenen

Metaboliten bestimmt (Jacobasch, 2002, p. 4). Probiotika sind im engeren Sinne Mikroor-

ganismen, die in aktiver Form in den Darm gelangen und dort positive gesundheitliche

Wirkungen erzielen. Im weiteren Sinne zählen dazu auch Lebensmittel, denen probioti-

sche Kulturen zugesetzt werden (F. A. Brockhaus, 2008, p. 521). Probiotika sind wissen-

schaftlich gut erforscht und gelten auch bei langfristigem Verzehr als völlig sicher (DGE,

2008, p. 347). Trotz der mikrobiellen Diversität im menschlichen Kolon gibt es 57 Spezies,

die im Darm eines jeden nachweisbar sind und daher großes Potenzial für probiotische

Anwendungen haben. Assoziationen zwischen verschiedenen probiotischen Kulturen und

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der Divertikelkrankheit werden erst in den vergangenen 5 Jahren gehäuft untersucht,

weshalb die Gesundheitspotenziale noch nicht in ihrer Gesamtheit erfasst sind. Die eng

verwandte Symptomatik von DK und Reizdarmsyndrom führt zu der Annahme, dass pro-

biotische Stämme, die zur Linderung von abdominellen Schmerzen, Stuhlunregelmäßig-

keiten und Entzündungen angewendet werden, auch bei Patienten mit DK präventiv und

therapeutisch wirksam sein können. Nachfolgend werden gängige Probiotika mit evaluier-

ter Wirksamkeit zur Prävention und Behandlung von Symptomen der DK sowie vergleich-

barer gastrointestinalen Beschwerden aufgeführt und Produktbeispiele gegeben. Eine

spezifische Zuordnung nach Subgruppen erfolgt hier nicht, sodass für die gezielte Be-

handlung von Symptomen erst eine Beratung durch einen Fachkundigen erfolgen muss.

Probiotikum Produkt

LM / NEM Arzneimittel Positiver Effekt bei

Lactobacillus casei Yakult, Actimel Diarrhö19

, Remission der DK

Lactobacillus acidophilus SymbioLact Diarrhö, Meteorismus

Lactobacillus rhamnosus GG Emmifit, LGG Infectodiarrstop Antibiotika-assoziierte Diarrhö

E. coli Nissle Mutaflor Remission nach Entzündungen

Saccharomyces boulardii Perenterol Antibiotika-assoziierte Diarrhö

Bifidobacterium spp. Activia Meteorismus, Obstipation

Probiotika-Kombinationen VSL#3

20

SymbioLact

Flatulenz, Diarrhö, Obstipation

Diarrhö, Meteorismus

Tabelle 7 Probiotisch wirksame Stämme modifiziert nach (Bischoff & Köchling, 2012, p. 292)

Der Einsatz von Probiotika beruht auf der Erkenntnis, dass viele intestinale Erkrankungen

mit einer Störung der Darmbarriere einhergehen, ausgelöst durch einen Mangel an fakul-

tativen Anaerobiern mit der Folge einer Verschiebung des Mikrobioms (Bischoff & Manns,

2005, p. 753). Besonders ältere Menschen weisen eine instabile Zusammensetzung der

Bakterienflora auf, die bereits in mehreren Studien eine Abnahme an Bifidobakterien und

Lactobacillen beobachten ließ (Tiihonen, et al., 2010, p. 108), was die bevorzugte Ver-

wendung von Mischungen dieser Stämme rechtfertigt. Wie lange die zugeführten Bakteri-

enkulturen im Darm überleben oder ihn sogar kolonisieren, ist stammspezifisch und meist

unklar. Rein präventive Effekte durch Probiotika zu belegen, ist schwer umsetzbar, da

hohe Kosten und strenge Rahmenbedingungen mit der Evaluierung verbunden sind, was

in Anbetracht der noch wenigen RCT-Studien derzeit nicht realistisch erscheint (Bischoff

& Köchling, 2012, p. 293). Eine wechselseitige Orientierung an Probiotika-Interventionen

von Patienten mit RDS und DK erweist sich hier als wegweisender Forschungsansatz, da

19

Diarrhö: umfasst die akute infektiöse Diarrhö, Reisediarrhö und Antibiotika-assoziierte Diarrhö 20

VSL#3: Patentierte Mischung aus acht verschiedenen lebenden Milchsäure- und Bifidobakterien in hoher Dosierung (Actial Farmaceutica Lda, 2013)

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sich deren Mikrobiota signifikant von gesunden Personen unterscheidet und eine Modifi-

kation die Symptome beeinflussen kann (Bischoff & Köchling, 2012, p. 295). Welcher

Stamm der wirksamste ist, kann noch nicht beurteilt werden. Lactobacillus GG ist gut er-

forscht und führt bei täglicher Aufnahme zu einer effizienten Besiedlung des Kolons. Sac-

charomyces boulardii zeigt in Studien ein ähnliches Wirkungsspektrum (Bischoff & Manns,

2005, p. 755) und leistet gemeinsam mit Lactobacillus casei einen Beitrag der Prävention

bei Antibiotika-assoziierter Diarrhö (McFarland, 2010, p. 11). Bifidobakterien, speziell B.

infantis, zeigen sich effektiv bei abdominellen Schmerzen, Blutungen und erschwerter

Stuhlentleerung bei RDS (Brenner, et al., 2009, p. 1046) und könnten ebenso bei DK hilf-

reich sein, wenn das Beschwerdebild zutreffend ist. E. coli Nissle hat sich in der therapeu-

tischen Anwendung bei Colitis ulcerosa als ebenso effektiv wie Mesalazin herausgestellt

(Kruis, et al., 2004, p. 1620) und könnte in einer ergänzenden Untersuchung zu den Er-

gebnissen von Tursi et al. (S. 32f) ähnliche Erfolge bei der DK erzielen. Darüber hinaus

sind Probiotika in der Lage, die Ausschüttung bestimmter Neurotransmitter zu stimulieren

und über die Interaktion mit Rezeptoren der Darmepithelzellen immunologische Prozesse

zu regulieren (Quigley, 2010b, p. 215), was die Verbesserung abdomineller Schmerzen

sowie die Verhütung von Komplikationen in Lahner et al. (S. 31f) erklären könnte. Die zum

Teil uneinheitliche Datenlage zu postulierten Effekten kann durch die fehlende Berück-

sichtigung von Subgruppen zustande kommen (Bischoff & Manns, 2005, p. 758). Die

Wirksamkeit einer Probiose kann gesteigert werden, indem eine präbiotische Komponente

Lactobacillus- und Bifidobakterien selektiv zum Wachstum anregt. Allerdings fehlt es bis-

lang an evidenzbasierten Empfehlungen, da unverdauliche Oligosaccharide und Oligof-

ructose kaum in klinischen RCT-Studien geprüft wurden (Bischoff & Manns, 2005, p. 753).

4.2 Therapie der Divertikelkrankheit Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie ist eine korrekte Stadieneinteilung der DK

unter Berücksichtigung von patientenspezifischen Risikofaktoren bei der Erstdiagnose

(Germer & Gross, 2007, p. 3488). Diätetische Maßnahmen können nur in entzündungs-

freien Phasen greifen und sollten in einen langsamen Kostaufbau integriert werden.

4.2.1 Symptomatische unkomplizierte Divertikelkrankheit

Bei der SUDK liegen meist funktionelle Beschwerden wie Schmerzen im linken Unter-

bauch und Stuhlunregelmäßigkeiten ohne Entzündungszeichen vor. Die Auswirkung einer

trägen oder aktiven Darmperistaltik für die Entstehung einer DK ist schwer zu beurteilen,

da keine einheitliche Definition für eine normalgesunde Transitzeit existiert (EFSA, 2010,

p. 28). Täglicher Stuhlgang sowie eine Passagezeit zwischen 48 und 72 Stunden gelten

laut Studien als gewöhnlich und sind daher Orientierungswerte für den therapeutischen

Bereich (Haack, et al., 1998, p. 616).

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Konservativer Ansatz Stuhlregulierung über faserreiche Kost und viel Flüssigkeit

Kostaufbau

Bei der Anhebung des BS-Gehaltes orientiert sich die Lebens-

mittelauswahl an der BS-Aufnahme der bisherigen Ernährung.

Blähendes Gemüse ist zu meiden, Rohkost je nach Verträg-

lichkeit. Zur Verbesserung der Stuhlpassage bei Obstipation

zeigen Flohsamenschalen nach 4-wöchiger Anwendung sehr

gute Ergebnisse, da trotz hohem Anteil löslicher BS nur eine

geringe Fermentation stattfindet. Sie können künftig den Ge-

brauch von Lactulose21 ersetzen und sind besser verträglich als

Kleie (Kreft, 2001, pp. 484-485). Empfohlen werden täglich 2TL

auf ein Glas Wasser, bei Kleie 10-25g mit mind. 2L Flüssigkeit

am Tag (Koop, 2009, p. 250). In Kombination mit einem geeig-

neten Probiotikum kann nach 8-12 Wochen die Symptomfrei-

heit erzielt werden (Lahner, et al., 2012, p. 5922).

Langzeiternährung

Resistente Stärken, Inulin und Oligofructose stabilisieren die

Mikrobiota und regen die Darmperistaltik an. Verzicht auf rotes

Muskelfleisch und Einhaltung einer moderaten Fettzufuhr mit-

hilfe einer pflanzlich basierten Ernährung. Regelmäßig fein

geschrotetes Vollkornbrot, Hafer-/Dinkelflocken, Kartoffeln und

Reis. Nüsse können in kleinen Mengen zu Salaten, Frühstück-

scerealien, in Obst-Smoothies oder pur verzehrt werden.

Tabelle 8 Ernährungstherapie bei symptomatischer unkomplizierter Divertikelkrankheit

4.2.2 Symptomatische komplizierte Divertikelkrankheit

Die akute Divertikulitis wird in Abhängigkeit vom Stadium zunächst konservativ behandelt

(Germer & Gross, 2007, p. 3488). Die orale Nahrungszufuhr ist nach individueller Tole-

ranz immer zu bevorzugen (Weimann, et al., 2013, p. 158). Der exakte Hergang von

Komplikationen im Rahmen der DK ist noch unbekannt und der Anteil von Ernährungsfak-

toren nur hypothetisch gewichtet, weshalb diätetische Maßnahmen in einer mehrwöchigen

Testphase auf individuelle Verträglichkeit und Zweckmäßigkeit erprobt werden müssen.

Konservativer Ansatz

2-3 Tage Nulldiät, Elektrolyt- und Flüssigkeitsersatz, bei schwe-

rem Verlauf parenterale Ernährung, bei Entzündung differen-

zierte Antibiose für 4-7 Tage (Andus & Germer, 2011, p. 400).

Kostaufbau Pürierte Gemüsesuppen, Naturjoghurt, Banane, Obstkompott

und Zwieback. Viel Flüssigkeit in Form von Tee, stillem Wasser

21

Lactulose: synthetisches Disaccharid mit laxierender Wirkung (De Gruyter, 2013) (S.1168)

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46

und stark verdünnten Fruchtsäften. Anschließend 4-6 Wochen

ballaststoffarme Kost (Koop, 2009, p. 253). Unter resistenter

Stärke schwächt sich die Entzündungssymptomatik ab; die

Zahl pathogener Keime und Ausschüttung proinflammatori-

scher Zytokine nimmt ab (Huth & Burkard, 2004, p. 48). Zusätz-

licher Einsatz von Probiotika zur Prävention erneuter Entzün-

dungen und Antibiotika-assoziierter Diarrhö sinnvoll. Vor allem

Saccharomyces boulardii und bestimmte Lactobacillus-Stämme

zeigen eine starke Evidenz (Bischoff & Köchling, 2012, p. 295).

Langzeiternährung

Für Patienten mit Unverträglichkeiten oder nervösem Darm

empfiehlt es sich, Lebensmittel so naturbelassen wie möglich

zu verzehren. Brote aus eigener Herstellung sind oftmals ver-

träglicher und können zusätzlich mit eingebackenen Leinsa-

men, Guar, Kleie oder Nüssen ernährungsphysiologisch auf-

gewertet werden (Huth & Burkard, 2004, p. 48).

Tabelle 9 Ernährungstherapie bei symptomatischer komplizierter Divertikelkrankheit

4.2.3 Chronisch rezidivierende Divertikulitis

Komplexe Faktoren bestimmen das Risiko für weitere Divertikulitisrezidive, weshalb es

keine strenge Vorgehensweise zur Remissionserhaltung gibt (Lanas , et al., 2013, p. 108).

Vor elektiven operativen Eingriffen sollte der Ernährungsstatus geprüft werden, da ein

Ernährungsdefizit als unabhängiger Risikofaktor für Komplikationen gilt (Weimann, et al.,

2013, p. 160). Die Langzeiternährung ähnelt weitestgehend den vorherigen Stadien.

Konservativer Ansatz

Entzündungsschub: Nulldiät, Elektrolyt- und Flüssigkeitsersatz;

prä- und postoperative orale bilanzierte Diät über Trinknahrung

reduziert Gewichtsverlust und Komplikationen (Weimann, et al.,

2013, p. 164). Bei elektiver Resektion präoperative Gabe eines

glucosehaltigen Getränks (12,5% Glucose) zur Verbesserung

des postoperativen Wohlbefindens und Erhalt der Muskelmas-

se (Weimann, et al., 2013, pp. 157-158).

Kostaufbau

Bis zur Erholung des Gesamtkörperproteins bilanzierte Trink-

nahrung oder parenteral. Anschließend leichte Vollkost: fettar-

me LM, 4-6 Wochen niedriger BS-Verzehr (siehe Tabelle 9).

Langzeiternährung

Zur Prävention postoperativer infektiöser Komplikationen kön-

nen gezielte Probiotika-Gaben über 4-15 Tage den Aufbau der

Darmbarriere unterstützen (Bischoff & Köchling, 2012, p. 298).

Tabelle 10 Ernährungstherapie bei chronisch rezidivierender Divertikulitis

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5 Praktische Umsetzung aktueller Ernährungsinformationen

Dieser Abschnitt bündelt die Quintessenzen aus den geschilderten Überlegungen zu einer

bekömmlichen und kurativen Ernährung bei Divertikelkrankheit und wandelt sie in konkre-

te Kostanforderungen und Patientenempfehlungen im Sinne eines Praxisleitfadens um.

Die Lebensmittel-Tabelle im Anhang ist nach den Kriterien Ballaststoffgehalt, Verträglich-

keit und Nährstoffdichte mit Hilfe von aid (aid, 2010), DGE (Schulze-Lohmann, P.; DGE,

2012) und einer wissenschaftlichen Nährwerttabelle (Senser, et al., 2009) erstellt worden.

Die Mengenangaben in den Rezeptvorschlägen orientieren sich an einem Grundlagen-

werk zur Mengenlehre für die Küche (Union Dt. Lebensmittelwerke GmbH, 1995).

5.1 Kostanforderungen bei Divertikelkrankheit

Ein Ernährungskonzept zur präventiven und therapeutischen Behandlung der DK muss

langfristig umsetzbar und flexibel an das Krankheitsstadium adaptierbar sein. Die Diverti-

kulose ist das Resultat jahrzehntelanger Lebensgewohnheiten in hoch industrialisierten

Ländern. Eine Ernährungsumstellung muss deshalb auf Dauer eingehalten werden, um

eine positive Modifikation der Mikrobiota zu bewirken, eine rege Darmperistaltik aufrecht-

zuerhalten und Komplikationen der DK vorzubeugen. Da die pflanzlich betonte Kost un-

mittelbar auf die Verdauungsfunktion einwirkt, sollte eine Eingewöhnungsphase mit nied-

rigen Ballaststoffgehalten in den Mahlzeiten bedacht werden. Insbesondere der Anteil an

wasserlöslichen BS sollte in den ersten Wochen gering gehalten werden, um eine niedri-

ge Fermentation und damit weniger Gase im Darm zu erzeugen. Isolierte BS werden un-

terschiedlich gut toleriert, daher sollen den Patienten mehrere Optionen erläutert werden.

Kleie wird oft als weniger schmackhaft empfunden, während Lein- und Flohsamen immer

häufiger zum Einsatz kommen (Kreft, 2001, p. 483). Entsprechend der Datenlage zur Par-

tikelgröße der zugeführten BS sollten Flohsamen in Form ihrer Schalen und Leinsamen

geschrotet verzehrt werden. Kleie aus Hafer oder Weizen bietet sich aufgrund des hohen

Celluloseanteils und kleiner Partikelgröße als gut bekömmliche Ballaststoffquelle zur An-

reicherung von Müsli, Joghurt und Smoothies an. Nicht-Stärke-Polysaccharide zeigen die

beste intestinale Toleranz, wenn sie in Form von fester Nahrung aufgenommen werden,

da sie darüber bereits die Transitzeit verkürzen (Grabitske & Slavin, 2008, p. 1679). Die

Ernährungsempfehlungen sollen möglichst über natürliche Produkte gedeckt werden. Ins-

besondere vermeintliche Vollkornprodukte aus dem Handel wie Frühstückscerealien,

Müsliriegel, abgepackte Brote und Gebäck enthalten oft mehr Zucker als Ballaststoffe.

Getreidearten mit hoher Ballaststoffdichte sind Roggen, Gerste, Dinkel und Hafer. Rezep-

tideen zur schonenden Steigerung der BS-Aufnahme in den Mahlzeiten sind im Anhang

ersichtlich. Zugleich soll mit der Kost die Komplexität einer apathogenen Mikrobiota stabi-

lisiert und ein kontinuierlich hoher Butyratspiegel im Darmlumen erreicht werden, um die

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Versorgung der Schleimhaut mit Nährsubstanzen sicherzustellen. Angestrebt wird daher,

mit modifizierter Kost Bakterienstämme mit pathogenem Potenzial, wie etwa Clostridien,

zurückzudrängen und das Wachstum solcher mit protektiven Eigenschaften zu fördern

(Schulze-Lohmann, P.; DGE, 2012, p. 415). Empfehlenswert sind neben Probiotika auch

fermentierte Milchprodukte wie Joghurt, Kefir und Käse. Besonders Naturjoghurt ist sehr

gut verträglich und enthält die Bakterienstämme Streptococcus thermophilus und Lacto-

bacillus bulgaricus, die über ein ähnliches, aber weniger effizientes Wirkungsspektrum wie

Probiotika verfügen (Bischoff & Köchling, 2012, p. 293).

5.2 Exemplarischer Leitfaden für die Ernährungsberatung

Patienten mit Divetikelkrankheit zeigen häufig einen ähnlichen Leidensdruck wie

Reizdarmpatienten, weshalb ein symptomorientiertes Ernährungskonzept erarbeitet wer-

den muss, das den Betroffenen eine zeitnahe Rekonvaleszenz sichert. Das methodische

Vorgehen in der Beratung sollte eine bestmögliche Compliance des Klienten anstreben.

Methoden Ausführliche Anamnese mit Erfassung anthropometrischer Daten,

der bisherigen Krankengeschichte und Lebensstilfaktoren wie Rau-

chen, körperliche Aktivität und Alkoholkonsum. Zusätzlich soll die

individuelle Verträglichkeit bestimmter ballaststoffhaltiger Nah-

rungsmittel erfragt werden, um Einstiegsdosierungen für Präparate

und Mengenempfehlungen für den Kostaufbau abzuleiten. Ausgabe

eines 3-Tage-Ernährungsprotokolls für die nächste Beratung.

Inhalte Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses über kurz- und

langfristige Ziele der Ernährungstherapie, anhand welcher die Kost

ausgerichtet wird. Empfehlungen für die Eingewöhnungsphase hin-

sichtlich geeigneter Ballaststoffquellen anhand einer Lebensmittel-

Tabelle (siehe Anhang). Darstellung der Wechselbeziehungen zwi-

schen BS und Probiotika. Aufklärung über relevante Bakterien-

stämme zur Therapie von Symptomen und Prävention von Kompli-

kationen der DK. Dosierungsempfehlungen und Anwendungsdauer

von BS-Isolaten und Probiotika. Zubereitungs- und Einkaufstipps

zur Vermeidung von Nährstoffverlusten und Verbesserung der Be-

kömmlichkeit. Physiologische Auswirkungen des Konsums von Zu-

cker, Zuckeralkoholen und Süßstoffen mit Lebensmittelbeispielen.

Materialien Exemplarisches Informationsblatt „Ernährung bei Divertikelkrank-

heit“ und Rezeptvorschläge für den Kostaufbau bei SUDK (Anhang)

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Praxistipps - Probiotika durch tägliche Einnahme über 4 Wochen testen

- kein leichtfertiger Konsum von Probiotika aus dem Handel

- Prüfung der Zutatenliste bei funktionellen LM und Fertigwaren auf

Gehalt an Zucker, Zuckeraustauschstoffen, gesättigte Fettsäuren

Empfehlungen22 - Listung probiotischer LM und NEM durch die WGO Practice Gui-

delines mit Angaben zum Produkt, Hersteller und Dosierungen

Referenz: Guarner et al.; Probiotics and prebiotics; 2008

- Fachinformationen und Schaubilder der Deutschen Gesell-

schaft für Mukosale Immunologie und Mikrobiom (DGMIM)

Referenz: www.dgmim.de

6 Schlussbetrachtung

Die Divertikelkrankheit ist eine Zivilisationskrankheit mit starker Verbreitung in den USA

und Europa, die erhebliche Anforderungen an das Gesundheitssystem stellt, da sie oft-

mals erst per Zufallsbefund bei Koloskopien zur Darmkrebsvorsorge oder innerhalb eines

symptomatischem Verlaufs entdeckt wird (Schmidt & Jakobs, 2012, p. 320). Die Grenze

zwischen den einzelnen Schweregraden der Divertikulitis ist nicht klar abgesteckt, sodass

individuell und interdisziplinär über das therapeutische Vorgehen entschieden werden

muss (Mansfeld, et al., 2010, p. 29). Einheitliche Ernährungsempfehlungen bei Divertikel-

krankheit fehlen weitestgehend. Das konservative Vorgehen mit Medikamenten kann aber

bei gegebener Expertise des behandelnden Therapeuten teilweise oder vollständig durch

die hier vorgestellten Ernährungsstrategien ersetzt werden.

Eine ballaststoffreiche Ernährung als isolierte Therapiemaßnahme kann das Auftreten

einer Divertikulose nicht verhindern, aber das Risiko eines krankhaften Verlaufes verrin-

gern und abdominelle Symptome lindern. Über die Gabe von Ballaststoffpräparaten muss

patientenindividuell entschieden werden, da diese neben der Beseitigung von Stuhlunre-

gelmäßigkeiten und Anregung der Darmmotilität auch zur erhöhten Gasbildung mit Meteo-

rismus und Flatulenz beitragen und in bestimmten Situationen kontraindiziert sind. Eine

gleichwertige Aufnahme von unlöslichen und löslichen Ballaststoffen verspricht nach der-

zeitigem Wissensstand die beste Verträglichkeit. Prospektive randomisierte Interventions-

studien zur Verhütung von Divertikulitisrezidiven mit einer BS-Kost existieren bislang

nicht, stellen aber eine sinnvolle Erweiterung des aktuellen Forschungsstandes dar. In der

praktizierenden Ernährungsmedizin sollte ein Paradigmenwechsel dahingehend vollzogen

werden, dass Probiotika und Synbiotika häufiger anstelle von Antibiotika zum Einsatz

22

Bei den Empfehlungen handelt es sich um weiterführende Literatur/Materialien für Fachkräfte

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kommen. Wie erfolgreich eine Probiotikatherapie ist, hängt vom körperlichen Zustand des

Patienten, seiner weiteren Medikation sowie vom verabreichten Bakterienstamm ab. Trotz

der Fortschrittlichkeit in der Probiotikaforschung muss betont werden, dass der Wirkme-

chanismus unvollständig entschlüsselt ist und der gewünschte Effekt maßgeblich von der

Subgruppe der Spezies beeinflusst wird (Bischoff & Manns, 2005, p. 758).

Die Schwierigkeit bei der Entwicklung eines Praxisleitfadens bestand hauptsächlich in der

Prüfung und Bewertung der zahlreichen Hypothesen, die zum Teil auf inkonsistenten Da-

ten basieren und verdeutlicht einmal mehr, dass nahezu alle Empfehlungen zur Präventi-

on und Therapie der Divertikelkrankheit regelmäßig einer kritischen Evaluation unterzo-

gen werden müssen. Ein Ernährungskonzept, wie es hier vorgestellt wird, kann nur erfolg-

reich sein, wenn es mit zusätzlicher Aufklärungsarbeit durch Multiplikatoren in Gesund-

heitsberufen gelingt, eine gute Compliance der Patienten sicherzustellen.

7 Ausblick

Zielgruppe zukünftiger Interventionsstudien sollten Patienten mit einem ausgeheilten ers-

ten Divertikulitisschub sein, um Erkenntnisse darüber zu erlangen, inwieweit die Remissi-

on durch verschiedene Kostformen und Lebensstilfaktoren beeinflusst wird. Pharmakolo-

gische Interventionen zur Rezidivprophylaxe haben bereits das Potenzial von Probiotika

aufgezeigt. Weitere randomisierte, kontrollierte klinische Studien sind erforderlich, um

verschiedene Varianten der Ballaststoffzufuhr sowie deren Kombination mit probiotisch

wirksamen Bakterienstämmen zu untersuchen. Mit Probiotika fermentierte Lebensmittel

sollten ebenfalls in ihrer Effektstärke untersucht werden, da das Medium die Wirkung be-

einflussen kann (Bischoff & Köchling, 2012, p. 293). Crowe et al. geben mit ihren Ergeb-

nissen aus der Follow up-Periode der EPIC-Oxford Studie Anstoß für eine weitere verglei-

chende Untersuchung von vegetarischer Kost, die Seefisch integriert und der üblichen

Mischkost mit Fleischkonsum. Omega-3-Fettsäuren können über ihr antiinflammatori-

sches Potenzial positiven Einfluss auf die Therapie der Divertikulitis nehmen, sodass

exemplarisch der Einsatz von Fischölkapseln und einem Placebo an Patienten mit DK

erprobt werden sollte. Weiterhin ist mit einem experimentellen Forschungsdesign zu klä-

ren, welche Funktion Vitaminen und Mineralstoffen in einer pflanzlich basierten Kost für

die Prävention und Therapie der Divertikelkrankheit zukommt. In einer neuen Studie wer-

den signifikante Unterschiede des Vitamin D-Gehalts im Serum von Patienten mit Diverti-

kulose und Divertikulitis festgestellt, was für eine Assoziation zwischen einem Vitamin D-

Defizit und der Genese einer Divertikulitis spricht (Maguire, et al., 2013, p. 1633). In einer

Fortführung dieser Untersuchung könnte herausgestellt werden, ob eine Vitamin D-

Supplementierung zur Rekonvaleszenz und Rezidivprophylaxe bei DK beitragen kann.

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Eidesstattliche Erklärung

Hiermit erkläre ich an Eides statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig angefer-

tigt, keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt und die Stellen der Arbeit, die

im Wortlaut oder im wesentlichen Inhalt aus anderen Werken entnommen wurden, mit

genauer Quellenangabe kenntlich gemacht habe.

Hamburg, den 15.05.14

_____________________________

Valerie Böker

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Anhang

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Ernährung bei Divertikelkrankheit

Das sollten Sie in Ihrer Ernährung beachten:

Reichlich Flüssigkeit über den Tag verteilt trinken!

o Je nach Ballaststoffaufnahme mind. 2 Liter/Tag

Abwechslungsreiche Auswahl an pflanzlichen Produkten

Probiotika-Therapien nach ärztlicher Absprache/Beratung

o Kontinuierliche Anwendung erforderlich!

Grobe Vollkornware sowie Nüsse sehr gut kauen!

Integrieren Sie zunächst ein „neues“ Lebensmittel in kleiner

Dosierung in Ihren Speiseplan und steigern die Zufuhr über

mehrere Wochen – so verbessern Sie die Verträglichkeit!

Kostaufbau nach akuter Divertikulitis:

Phase 1 2-3 Tage Karenz mit klaren Flüssigkeiten (Tee, Wasser, Gemüsebrühe); in geringen Mengen Buttermilch, Trinkjoghurt, Kefir

Phase 2

Langsamer Kostaufbau mit pürierten Gemüse-suppen, Naturjoghurt, Obstkompott, Banane, Zwieback, Reiswaffeln, feines Vollkorntoast mit mildem Käse oder Fruchtgelee, Haferbrei oder Smoothie mit Schmelzflocken, Reis, Kartoffeln

Phase 3

Ideal: Ballaststoffmodifizierte, fleischlose Kost Meiden: Fettreiche, geräucherte und blähende Lebensmittel/Speisen, scharfe Gewürze Geeignet: fein vermahlene Vollkornprodukte; Gemüse, wenig Rohkost, fruchtzuckerarmes Obst, ggf. zusätzlich Flohsamenschalen/ ge-schrotete Leinsamen/ Kleie sowie Probiotika

Lebensmittelgruppe Häufig Gelegentlich Selten

Getreideprodukte

Basmati-/Vollkornreis, Bulgur, Vollkornprodukte aus Roggen, Dinkel, Hafer (-flocken) , Mais, Knäckebrot, Amaranth, Quinoa, Polenta, Kartof-feln, Buchweizen, Hirse

Nudeln, Graupen, Haferkekse, Dinkel-kräcker, Reis- und Maiswaffeln, Mehr-kornbrot, Getreide-riegel, Obstkuchen (Rührteig), Grieß

Weißmehl-produkte, Gezu-ckerte Müslimi-schungen. abge-packte Brote, Ku-chen, Blätterteig. Kartoffelbackwaren

Gemüse und Hülsenfrüchte

Prinzessbohnen, grüne Erbsen, Blumenkohl, Broccoli, Pastinaken, Topinambur, Möhren, Fenchel, Zucchini, Blatt-salate, Kürbis, Tomate, Kräuter, junger Kohlrabi, Chicorée, Spinat, Gurke

Kürbiskerne, Son-nenblumenkerne, Sesamsamen. Chi-nakohl, Spargel, Artischocke, Sellerie, Schwarzwurzeln, Rote Linsen, Papri-ka, Wirsing, Oliven

Konserven, stark blähende Gemüse wie Zwiebeln, Lauch, Kohl, Pilze, bestimmte Hülsen-früchte (Mungo-und Sojabohnen), Tomatenmark

Obst

Zitrusfrüchte, Beeren-obst, Mango, Papaya, Pfirsich, Aprikose, Me-lone, Kiwi, Banane (reif)

Äpfel, Weintrauben, Nüsse, Rhabarber, Pflaumen, Avocado, Birne, Feige, Ananas

Obstkonserven, Trockenfrüchte. Konfitüre

Milch und Milchprodukte

Naturjoghurt, Milch, Buttermilch, Hüttenkäse, Emmentaler, Edamer, Frischkäse, Speisequark

Fettarme Weichkäse, Mozzarella, Fetakä-se, Parmesan, Schimmelkäse

Schmelzkäse, Creme fraiche, Sahne, fertige Milchspeisen

Fleisch, Wurstwaren und

Eier

Filet von Rind, Kalb, Lamm, Putenbrust, Bratenaufschnitt, Corned Beef, Eier

Schweinefleisch, Salami. Brühwurst, Speck, Cervelat-wurst, Streichwurst

Fisch und Fischerzeugnisse

Kabeljau, Schellfisch, Seelachs, Thunfisch, Rotbarsch, Hering, Makrele, Aal, Scholle

Fischkonserven, (frittierte) Meeres-früchte, eingeleg-ter/ Räucherfisch

Fette und Öle Rapsöl, Olivenöl, Wal-nussöl, Leinöl, Hasel-nussöl

Margarine, Butter, Maiskeim- und Wei-zenkeimöl, Sojaöl

Distelöl, gehärtete Pflanzenfette, Schmalz

Getränke Stilles Wasser, unge-süßter Tee,

Frucht/Gemüsesäfte (verdünnt), Kaffee

Limonaden, Alko-hol, Energydrinks

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Rezepte für ein ballaststoffreiches Frühstück

Haferbrei mit frischen Pflaumen und Zimt

Zutaten:

70 g Haferflocken

250 ml fettarme Milch oder Hafer-/Sojadrink

4 frische Pflaumen/Aprikosen

1 TL Zucker und Zimt

2 TL gemahlene Haselnüsse

Buttermilchshake mit Beerenobst und Schmelzflocken

Zutaten: für 2 Portionen

500 ml Buttermilch

300g Himbeeren oder Erdbeeren

3 EL Schmelzflocken

1-2 EL Kleie

nach Belieben 1 TL Vanillezucker

Avocado-Brot mit Tomatensalat

Zutaten:

2 Scheiben Dinkelbrot (alternativ Roggen, Gerste, Hafer)

1 reife Avocado

1 TL frischen Ingwer (geraspelt)

6 kleine Tomaten

1 Frühlingszwiebel

Saftiges Dinkel-Roggenbrot mit Leinsamen

Zutaten: für ca. 1000g

450 ml Wasser

250 g Roggenmehl (Type 1150)

250g Dinkelmehl (Type 1050)

1 Packung Sauerteig (frisch)

1 gehäuften EL Salz

1 Päckchen Hefe

2 EL Leinsamen (geschrotet)

3 EL Kürbiskerne/Haselnüsse oder Walnüsse

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Rezepte für ballaststoffreiche Zwischenmahlzeiten

Selbstgemachte Müslikekse mit Cranberry, Sesam und Mandeln

Zutaten:

100 g kernige Haferflocken

50g gehackte Mandeln

2 EL Sesamsamen

80 g getrocknete Cranberries

2 frische Feigen (für Mus)

50 g Trockenpflaumen

Saft aus 2 Orangen

Bunte Smoothies

Zutaten: Variante 1 (süß)

3 Karotten

½ Apfel

Saft aus 4 Orangen

Klein zerhackte Zitronenmelisse oder Minze

Zutaten: Variante 2 (herzhaft)

100g Naturjoghurt

1 Handvoll junger Blattspinat

½ Gurke (ohne Schale)

Salz, Pfeffer

1 Schuss Limettensaft (alternativ Zitronenkonzentrat)

Sommerlicher Feldsalat mit Früchten

Zutaten: Variante 1

75 g Feldsalat

100 g Erdbeeren

2 EL Sonnenblumenkerne

20 g Schafskäse

Essig-Öl-Dressing (Walnussöl und Balsamicoessig)

Zutaten: Variante 2

75 g Feldsalat

100 g Mango

2 EL gehackte Walnüsse

Joghurt-Basilikum-Dressing (150 g Joghurt, Salz, Pfeffer)

Kohlrabi-Fritten mit Dip

Zutaten:

2 mittelgroße junge Kohlrabi

Salz, Pfeffer, Paprika, Rosmarin, Thymian

1 EL Rapsöl

Orangen-Quark-Dip

200g Magerquark (glatt gerührt)

2 EL Pistazienkerne

Schalenabrieb einer Bio-Orange

1 Kasten Gartenkresse

1 Bund gehackte Petersilie

Orientalischer Dip

150 g Hüttenkäse

50 g Ziegenkäse

1-2 TL Currypulver

1 TL Sesamsamen

Pfeffer, Salz, Kreuzkümmel

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Rezepte für ballaststoffreiche Hauptmahlzeiten

Zucchini-Kartoffel-Creme

Zutaten: (für 2 Portionen)

3 mittelgroße Kartoffeln (mehlig kochend)

1 mittelgroße Zucchini (alternativ Broccoli)

100 g Kräuterfrischkäse

300 ml Gemüsebrühe

1 EL Rapsöl

Pfeffer, Salz, Muskatnuss

2 EL Mandelblättchen (angeröstet)

Vegetarisches Pastinaken-Cordon Bleu

Zutaten: (für 2 Portionen)

1 Pastinake

1 Scheibe Birne je Pastinakenschnitzel

1 Scheibe Gorgonzola je Pastinakenschnitzel

Gefüllte Paprika mit Reis und mediterranem Gemüsesud

Zutaten:

2 große Paprika

½ Aubergine

2 Möhren

2 Schalotten

100g Schafskäse

Kräuter der Provence, Pfeffer, Salz

Fenchel-Pasta aglio e olio

Zutaten:

125g Vollkornnudeln

1 Fenchelknolle

8 Kirschtomaten

einige Rucolablätter

½ Zwiebel

1 Knoblauchzehe

1 Möhre

3 EL schwarze Oliven

1 Lorbeerblatt

2 EL Olivenöl

150 ml Gemüsebrühe

Pfeffer, Salz