Entwicklung und aktueller Stand der gemeinsamen Erziehung ......Inhalt 1. Allgemeine Entwicklung der...
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TU Berlin Institut für Erziehungswissenschaft Hauptseminar: Integrative Pädagogik in Theorie und Praxis in Deutschland Sommersemester 2006 Dozentin: Dr. Irene Demmer-Dieckmann
Entwicklung und aktueller Stand der gemeinsamen Erziehung und Bildung von behinderten und
nichtbehinderten Kindern und Jugendlichen im Bundesland Baden-Württemberg
Julia Hamann Daniela Höhne
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Inhalt 1. Allgemeine Entwicklung der gemeinsamen Erziehung und Bildung 03
2. Überblick über den Stand der vorschulischen Erziehung und Bildung
(Kindergartenbereich) 04
3. Überblick über den Stand des Gemeinsamen Unterrichts
in der Schule 08
3.1 Aktuelle bildungspolitische Situation 10
3.2 Schulgesetzliche Regelungen 10
3.3 Quantitative Entwicklung und aktueller Stand 13
3.4 Organisationsformen des Gemeinsamen Unterrichts 15
3.4.1 Schulartverbindende Kooperation 15
3.4.2 Außenklassen 16
3.4.3 Einzelintegration 18
3.4.4 Integrative Schulentwicklungsprojekte 20
3.5 Ausstattung und Ressourcen 21
3.6 Positives, Probleme und Perspektiven 22
4. Überblick: Übergang Schule – Beruf 23
5. Besonderheiten des Bundeslandes 25
5.1 Wissenschaftliche Begleitforschung 25
5.2 Lehrerausbildung 28
5.3 Nachteilsausgleich 29
5.4 Unterstützung 29
6. Vergleich der Entwicklung mit anderen Bundesländer n 30
6.1 Vergleich mit Bayern 30
6.2 Vergleich mit Hessen 31
7. Persönliche Einschätzungen 33
8. Literatur 35
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1. Allgemeine Entwicklung der Gemeinsamen Erziehung und Bildung
In Baden-Württemberg gibt es große Unterschiede in der gemeinsamen Erziehung
und Bildung zwischen dem Kindergartenbereich und dem schulischen Bereich.
Im Kindergartenbereich gab es über viele Jahrzehnte hinweg ein zweigliedriges
System für die Betreuung von Kindern im Alter von 3 bis 6 Jahren: Auf der einen
Seite der Regelkindergarten, zuständig für Kinder ohne Behinderung, auf der
anderen Seite der Sonderschulkindergarten (auch Schulkindergarten genannt),
jeweils zuständig für Kinder mit einer bestimmten Behinderungsart, meistens
angegliedert an eine Sonderschule (vgl. Kilian 2005, 168).
Vereinzelt gab es vor 1986 eine Einzelintegration von Kindern mit Behinderung,
deren Eltern sich besonders darum bemüht haben. Seit der Änderung des
Kindergartengesetzes im Jahr 1999 - welches die Finanzierung von integrativen
Gruppen sicherte - stieg die Zahl der integrativen Gruppen in Kindergärten erheblich
an, eine integrative Betreuung von behinderten Kindern in Kindergärten hat sich
vereinfacht und immer weiter durchgesetzt (siehe Punkt 2).
Im schulischen Bereich stellt sich die Situation dagegen anders dar: Hier gab es
1986 - auf Grund der Initiative von Eltern behinderter Kinder- erste und vereinzelte
Versuche der integrativen Beschulung.
Im Jahr 1992 wurden vier Schulversuche zur Integration eingerichtet. 1993 erfolgte
ein fünftes Projekt im Rahmen des Schulversuchs. Im Zuge dieses Projekts wurde an
zwei Standorten zielgleiche Integration, an den anderen drei Standorten auch
Ansätze zur zieldifferenten Integration erprobt (vgl. Engler-Soyer/Weiser 1998, 147).
Das erste Mal wurde in Baden-Württemberg zieldifferente Beschulung für Schüler mit
Förderbedarf in allgemeinen Schulen möglich.
Die ersten Integrativen Schulentwicklungsprojekte liefen 1995/96 aus. Aufgrund des
Erfolgs und der Zufriedenheit aller Beteiligten wurden neue Schulversuche
eingerichtet.
Doch trotz der positiven, dokumentierten Erfahrungen aus diesen Schulversuchen
(vgl. Engler-Soyer/Weiser 1998, 142) hat sich sechs Jahre später die Situation nicht
grundlegend verändert. 1998 wird die Situation wie folgt beschrieben: „In Baden-
Württemberg war dem Bemühen um Integration (…) bisher nur wenig Erfolg
beschieden. Baden-Württemberg beschreitet den Weg der Kooperation statt
Integration“ (Engler-Soyer/Weiser 1998, 143).
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Und auch gegenwärtig - 15 Jahre nach den ersten Schulversuchen zur integrativen
Unterrichtung behinderter und nichtbehinderter Kinder - ist gemeinsamer
(zieldifferenter) Unterricht nicht im Schulgesetz verankert: Behinderte Kinder, die
nicht zielgleich unterrichtet werden können, müssen laut §15 des Baden-
Württembergischen Schulgesetzes eine Förderschule besuchen.
2. Überblick über den Stand der vorschulischen Erziehung und Bildung (Kindergartenbereich)
An vielen Orten wurde die Integration von Kindern mit Behinderung anfangs als so
genannte „stille Integration“ durchgeführt. Das heißt, dass ohne Wissen des
Kindergartenträgers Kinder mit Behinderung aufgenommen wurden, ohne dass die
äußeren Rahmenbedingungen geändert worden wären. Im Rahmen von vereinzelten
Modellversuchen mit wissenschaftlicher Begleitung wurden personelle und räumliche
Bedingungen für Integration geschaffen (vgl. Weiser 1991, 145f.).
1986 beschloss der Gemeinderat in Tübingen, alle Kinder in die städtischen
Kindergärten aufzunehmen, unabhängig von einer Behinderung.
Da es sich hier um keinen Rechtsanspruch handelte, entschied das Team der
Kindergärten, welche Kinder aufgenommen wurden. Wenn ein Kind mit Behinderung
in der Gruppe war, wurde die Gruppenstärke auf 20 Kinder reduziert. Es konnte
außerdem eine Vorpraktikantin zur Unterstützung angefordert werden. In Tübingen
wurden auch zwei Heilpädagoginnen, welche in zwei unterschiedlichen Kindergärten
zum Einsatz kamen, angestellt. Bei den Kindern mit Förderbedarf handelte es sich
meistens um verhaltensauffällige Kinder (vgl. Weiser 1991, 145f.).
Am 15.2.1996 trat eine entscheidende Änderung des Kindergartengesetz in Kraft: §2
Absatz 2 besagte: „Kinder mit und ohne Behinderung sollen in gemeinsamen
Gruppen betreut werden können.“ Hiermit wurde der Besuch eines
Regelkindergartens mit dem eines Schulkindergartens gleichgestellt (vgl. Markowetz
1999, 1).
Dem Wunsch der Eltern, ihr Kind wohnortnah mit anderen nicht behinderten Kindern
aus der Umgebung aufwachsen zu lassen, wurde erstmals rechtlich entsprochen.
Es wurden weitere Fachkräfte angestellt (so z.B. HeilpädagogInnen), und die
Personalkosten wurden vom Gesetzgeber mit 30% bezuschusst.
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Trotz dieser gesetzlichen Grundlage konnte die Anzahl der integrativen Kindergärten
bis 1999 nicht erhöht werden. Laut der Drucksache 12/3398 vom 10.12.1998 zum
Gesetzentwurf der Landesregierung sollte 1999 die Zahl der integrativen
Kindergartengruppen auf bis zu 500 ansteigen.
Faktisch waren es gerade mal 30 integrativ arbeitende Kindergartengruppen (vgl.
Markowetz 1999, 1).
Grund für den ausbleibenden Anstieg war, dass die Träger der Kindergärten nicht
gewillt oder auch finanziell nicht in der Lage waren, für den erhöhten personellen
Bedarf einer Integrationsgruppe 70% selbst zu übernehmen.
Daraufhin hat man am 1.1.1999 das bestehende Kindergartengesetz erneut geändert
(befristet bis 2002), indem eine wesentliche Vereinfachung der
Kindergartenfinanzierung beschlossen wurde. Es wurde ein erhöhter Zuschuss für
integrative Gruppen festgeschrieben, welcher um 10.000 DM höher war, als der für
Regelgruppen. Die Zahl der integrativ arbeitenden Kindergartengruppen steigt
seitdem an, im Jahr 2005 gab es in Baden Württemberg 911 integrative Gruppen.
Die Integration von Kindern mit Behinderung im vorschulischen Bereich in
Baden - Württemberg gestaltet sich zweigliedrig: einerseits gibt es die so genannten
integrativen Kindergartengruppen in Regelkindergärten, in denen mindestens 2
Kinder mit Behinderung betreut und erzogen werden, andererseits gibt es die
seltener vollzogene Einzelintegration in besonders wohnortnahen Regelkindergärten.
Gelegentlich wird auch die „Intensivkooperation“ als integrative Methode praktiziert,
besonders dann, wenn der Schulkindergarten und der Regelkindergarten demselben
Träger angehören (wie z.B. der Lebenshilfe Baden - Württemberg). Hier ist es so,
dass beide Kindergärten in einem Haus untergebracht sind und eng
zusammenarbeiten. Oft werden die Kindergartengruppen gemischt, so dass Kinder
mit und ohne Behinderung den Alltag gemeinsam erleben können. Die besondere
Förderung der Kinder mit Behinderung wird in den Gruppenalltag integriert (vgl.
Lebenshilfe Baden - Württemberg, online unter: http://www.lebenshilfe-
bw.de/kinderga.html).
Die aktuelle gesetzliche Verankerung im Kindergartengesetz (KGaG) von
Baden - Württemberg (letzte Änderung März 2006) besagt in § 1 Abs. 4 KGaG:
„Einrichtungen mit integrativen Gruppen im Sinne dieses Gesetzes sind
Einrichtungen in denen Kinder, die aufgrund ihrer Behinderung einer zusätzlichen
5
Förderung bedürfen, in gemeinsamen Gruppen mit nicht behinderten Kindern betreut
werden“. Weiterhin werden in § 2 KGaG die Aufgaben und Ziele für Kindergärten
bestimmt. Hierbei wird auch die gemeinsame Förderung von Kindern mit und ohne
Behinderung genannt: „Kinder, die aufgrund ihrer Behinderung einer zusätzlichen
Betreuung bedürfen, sollen, wenn dies möglich ist, zusammen mit Kindern ohne
Behinderung in gemeinsamen Gruppen gefördert werden“ (§ 2 Abs. 2 KGaG).
Falls ein Kind mit Behinderung einen besonderen Förderbedarf hat, welcher nicht
durch den Regelkindergarten gedeckt werden kann, können die Eltern beim örtlichen
Sozialamt einen Antrag auf Eingliederungshilfe stellen.
Nachdem durch ein Gutachten des Gesundheitsamtes eine Behinderung des Kindes
festgestellt, und am so genannten runden Tisch mit Eltern, VertreterInnen des
Kindergartens, dem Gesundheitsamt und der Frühförderstelle der konkrete Pflege-
und Therapiebedarf geklärt wurde, kann der Antrag auf Eingliederungshilfe
bearbeitet werden (vgl. Kilian 2005, 169).
Für die Eingliederungshilfe gilt:
• „Die Eingliederungshilfe wird in der Regel für die gesamte Dauer des
Besuchs in der Tageseinrichtung bewilligt.
• Leistungserbringer ist die Einrichtung, der Träger schließt einen Vertag mit
dem Sozialamt ab.
• Die Eltern zahlen den üblichen Elternbeitrag, ein Kostenbeitrag für die
Leistungen der Eingliederungshilfe wird nicht erhoben.
• Die Leistungen der Eingliederungshilfe erbringen die Träger [...].
• In der Konzeption der Tageseinrichtung soll die Betreuung von Kindern mit
Behinderung berücksichtigt werden.
• Der Träger soll jährlich über die durchgeführte Förderung berichten“ (Kilian
2005, 169).
Durch die letzte Änderung des Kindergartengesetzes gibt es keine spezifischen
Landeszuschüsse mehr, die erhöhten Zuschüsse für integrative Gruppen fallen weg.
Derzeit bekommen die Gemeinden nach einem bestimmten Schlüssel Gesamtmittel,
die unter den örtlichen Trägern nach jeweiligem Bedarf vergeben werden (vgl. Kilian
2005, 169).
Im Jahr 2002 wurden in 699 Gruppen, im Jahr 2003 in 837 der ca.17.822
Kindergartengruppen mindestens 2 Kinder mit Behinderung integrativ betreut
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(vgl. Pressemitteilung Nr. 195/2003 des Sozialministeriums Baden - Württemberg
vom 05.09.2003).
„Im Jahr 2005 stieg die Anzahl integrativer Kindergartengruppen auf 911 an, ca. 200
Kinder befinden sich in der Einzelintegration im Regelkindergarten“ (Kilian 2005,
170).
Die Rahmenbedingungen für integrative Gruppen empfehlen, mindestens 2 Kinder
mit Behinderung und ca.18 Kinder ohne Behinderung in einer Gruppe zu betreuen,
die Gruppenstärke sollte die Anzahl von 25 Kindern nicht überschreiten. Es gilt, dass
pro Kind mit Behinderung die Gruppenstärke um 2-3 Plätze reduziert wird und zwei
vollzeitbeschäftigte Fachkräfte pro Gruppe arbeiten.
Für die Einzelintegration liegt die empfohlene Gruppenstärke auch bei ca. 20-25
Kindern, sieht aber nach Erfahrungsberichten oft anders aus (vgl. Hauser 2004).
Einem Kind mit Behinderung wird im Zuge der Eingliederungshilfe ein
Integrationshelfer zur Seite gestellt, der in den Kindergarten kommt.
Der Gesetzgeber geht hier davon aus, dass der erhöhte Förderbedarf durch die
Eingliederungshilfe komplett gedeckt wird.
Positiv bezüglich der Integration im Kindergartenbereich in Baden - Württemberg ist,
dass die Erziehung und Bildung von Kindern mit und ohne Behinderung seit 1996
gesetzlich festgeschrieben, und somit die Anzahl der integrativen Gruppen in den
Regelkindergärten während der letzten 10 Jahre enorm angestiegen ist. Den Eltern
von Kindern mit Behinderung ist es nun theoretisch möglich, ihr Kind wohnortnah
zusammen mit anderen Kindern der Umgebung betreuen zu lassen.
Ein Problem stellen aber die Umschreibungen wie “können, sollen, dürfen, wenn es
denn möglich ist...“ im Kindergartengesetz dar. Diese Umschreibungen „[...] sind eine
Einschränkung des im SGB IX garantierten Anspruchs auf Teilhabe, da sie nicht
grundsätzliche Teilhabe vor Aussonderung stellen“ (Kilian 2005, 170).
Trotz zahlreicher guter Erfahrung mit der Integration im Kindergartenbereich ist es in
Baden-Württemberg leider noch oft die Regel, Kinder mit Förderbedarf in
Schulkindergärten (sprich in Sondereinrichtungen) unterzubringen.
Um eine integrative Gruppe zu eröffnen, ist eine Betriebserlaubnis des Jugendamtes
nötig. Diese ist auch aufgrund der finanziellen Situation der Gemeinden nicht leicht
zu bekommen.
7
Für den Stand von 1999 resümiert Markowetz wie folgt: „Eltern behinderter Kinder
berichten aufgrund ihrer persönlichen praktischen Erfahrung allerdings immer wieder,
dass die Finanzierung des zusätzlichen Betreuungsbedarfs über das BSHG sowohl
bei Einzelintegration, als auch bei Unterbringung in einer integrativen Gruppe
zusehends von den Gemeinden und Landkreisen (unter anderem mit der nun gut
gemeinten Begründung, dass für die Einlösung eines hohen sonderpädagogischen
Förderbedarfs die personell wie sächlich besser ausgestatteten und heilpädagogisch
kompetenter arbeitenden Schulkindergärten zuständig sind) eingeschränkt wird. Da
die „integrativen“ Eingliederungshilfen den ohnehin viel zu schmalen Sozialetat der
kreisfreien Städte und Landkreise belasten, wird sehr vorsichtig mit der Bewilligung
umgegangen“ (Markowetz 1999, 2).
„Das Land Baden - Württemberg zieht Gruppenlösungen (unter Missachtung des
Prinzips der Wohnortnähe) der wohnortnahen Einzelintegration vor und bezuschusst
dementsprechend.
Einzelintegration ist immer dann möglich, wenn die zusätzlich erforderlichen
heilpädagogischen Maßnahmen „im Rahmen“ des Finanzierbaren bleiben und keine
größere pädagogisch - erzieherische Aufwendungen und Umstellungen anstehen.
Die ersten Schulkindergärten weisen sich bereits als spezielle vorschulische
Einrichtungen für geistigbehinderte, körperbehinderte, schwer(st)- und
mehrfachbehinderte und erziehungsschwierige Kinder aus und werden damit zu
einem Sammelbecken für schwer integrierbare Kinder“ (Markowetz 1999, 2f.).
Für die Zukunft ist zu befürchten, dass es in Baden - Württemberg, auch durch die
schwierige finanzielle Situation der Stadt- und Landkreise, keinen quantitativen und
qualitativen Ausbau integrativer Gruppen und dem Modell der Einzelintegration
geben wird, und Eltern von Kindern mit Behinderung zunehmend auf die
Schulkindergärten verwiesen werden (vgl. Kilian 2005, 171).
3. Überblick über den Stand des Gemeinsamen Unterrichts in der Schule
1986 gelang es in Baden-Württemberg erstmals vereinzelt behinderte Kinder
wohnortnah zielgleich zu integrieren, was aber eine sehr große Ausnahme blieb (vgl.
Elterninitiative Rhein-Neckar [1]).
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„Im Jahr 1987 stellte eine Elterninitiative in Freiburg unter Federführung der Familie
Rempt einen Antrag auf Einrichtung einer integrativen Schulklasse an das
Ministerium für Kultus und Sport Baden-Württemberg. Dieser Antrag - er wurde
abgelehnt - führte zu Anfragen im Landtag von Baden - Württemberg auf welche hin
das Ministerium seine Vorstellungen zur "Schulischen Förderung von Kindern mit
Behinderungen" darstellte. Darin wird u. a. festgestellt: "Die Frage, ob ein behinderter
Schulpflichtiger die allgemeine Schule besuchen kann oder nicht, stellt sich nur dann,
wenn davon ausgegangen werden kann, dass der betreffende behinderte Schüler
dem Bildungsgang der allgemeinen Schule aufgrund seiner kognitiven Fähigkeiten
folgen kann und wenn die Auswirkungen der Behinderung einen Sonderschulbesuch
nicht von vornherein erzwingen. Hieraus ergibt sich, dass Kinder und Jugendliche,
die den Bildungsgängen Schule für Geistigbehinderte bzw. Schule für Lernbehinderte
zugeordnet werden müssen, für eine gemeinsame Unterrichtung nicht in Frage
kommen“ (Ministerium für Kultus und Sport Baden-Württemberg 1987, zitiert von
Hinz 1990).
1989 traf sich die „Enquete - Kommission zur schulische Integration behinderter
Kinder und Jugendlicher in Baden - Württemberg“, welche als
außerparlamentarisches Gremium arbeitete. Zur Erstellung eines Gutachtens
arbeiteten betroffene Eltern mit (Sonder)pädagogInnen und WissenschaftlerInnen
zusammen (vgl. Weiser, 1998, 7).
Hiermit wurde erstmals eine breitere Öffentlichkeit zum Thema Integration von
Kindern mit Behinderung in allgemeine Bildungseinrichtungen erreicht. Dieses
Gutachten wurde auch als Buch „Eine Schule für alle“ von Petra und Manfred Weiser
herausgegeben.
Auf der Grundlage der Verwaltungsvorschrift zur Kooperation zwischen allgemeinen
Schulen und Sonderschulen vom 16.1.1987 sollten Kooperationsmaßnahmen von
Sonderschulen mit allgemeinen Schulen Lern- und Verhaltensschwierigkeiten in der
Grundschule verhindert oder auch abgebaut werden. Auch die Zusammenarbeit
zwischen allgemeinen Schulen und Sonderschulen sollte verstärkt werden. Diese
Verwaltungsvorschrift bildet auch die verwaltungsrechtliche Grundlage für
Außenklassen, welche 1991 als Ersatz für abgelehnte Anträge zur Einzelintegration
gebildet wurden (vgl. Engler - Soyer/ Weiser 1998, 143). 1992 wurden aufgrund
mehrerer Anträge weitere Außenklassen eingerichtet.
9
Die Novellierung des Schulgesetzes von 1983 am 15. Dezember 1997 machte mit
§15 die zielgleiche Integration von Schülern mit Behinderung möglich und gab ihr
eine gesetzliche Grundlage. Erstmals konnten Schüler mit Sinnesbehinderungen
oder Körperbehinderung nach dem Schulgesetz wohnortnah beschult werden. Der
§22 sieht die Einrichtung von Schulversuchen vor.
3.1 Aktuelle bildungspolitische Situation
Die Integration von SchülerInnen mit Behinderung wird in Schulämtern und
allgemeinen Schulen nur in Einzelfällen als Chance gesehen. Landesregierung und
Kultusministerium sprechen zwar von großen Vorteilen des gemeinsamen
Unterrichts und der Integration von SchülerInnen mit Behinderung, drücken sich aber
um Entscheidungen bezüglich der Integration herum und bestehen weiter auf
Differenzierung und Verschärfung des Leistungsdrucks auch in der Grundschule (vgl.
Lag Baden - Württemberg, Gemeinsam leben 4/2006, 254).
Gemeinden und Kreise verweisen auf ihre leeren Kassen und machen Integrative
Schulentwicklungsprojekte und Einzelintegration durch eine Verknappung der
geldlichen Mittel für Assistenz und Fahrkosten fast unmöglich für die betroffenen
Eltern (vgl. LAG Baden – Württemberg 2006, 254). In Baden Württemberg wurde die
zieldifferente Beschulung von Schülern mit Förderbedarf bis heute nicht in das
Schulgesetz aufgenommen. Es sind lediglich Kompromisse, wie die Zurückstellung in
den Kindergarten, ein befristeter Besuch der Sonderschule, der Besuch der
allgemeinen Schule auf Probe etc. möglich (vgl. Lag Baden - Württemberg,
Gemeinsam leben 4/2006, 251).
3.2 Schulgesetzliche Regelungen
Nach § 15: “Sonderpädagogische Förderung von Sonderschulen und allgemeinen
Schulen“ des Schulgesetzes für Baden - Württemberg (SchG) in der Fassung vom
1.8.1983, zuletzt geändert am 11.10.2005, ist für die Integration von Schülern mit
Behinderung in die Regelschule Folgendes gesetzlich festgelegt:
„Die Förderung behinderter Schüler ist auch Aufgabe in den anderen Schularten.
Behinderte Schüler werden in allgemeinen Schulen unterrichtet, wenn sie aufgrund
der gegebenen Verhältnisse dem jeweiligen gemeinsamen Bildungsgang in diesen
10
Schulen folgen können. Die allgemeinen Schulen werden hierbei von den
Sonderschulen unterstützt. Die allgemeinen Schulen sollen mit den Sonderschulen
im Schulleben und im Unterricht, soweit es nach den Bildungs- und Erziehungszielen
möglich ist, zusammenarbeiten. Die sonderpädagogische Förderung an allgemeinen
Schulen muss sich allerdings im „finanziell vertretbaren Rahmen bewegen“ (Urteil
des BverfG vom 8.10.1997) (vgl. LAG Baden-Württemberg 2006, 251)
Im Rahmen der gegebenen Verhältnisse können an Grund-, Haupt- und Realschulen
sowie an Gymnasien Außenklassen von Sonderschulen gebildet werden. Die
Entscheidung hierüber trifft die Schulaufsichtsbehörde im Einvernehmen mit den
beteiligten Schulträgern“ (§ 15 Absatz 4-6 SchG).
Ergänzend hierzu trifft das Gesetz in § 22 Aussagen zu Schulversuchen: „Wenn die
Entwicklung des Bildungswesens veränderte Lebens- und Berufsaufgaben oder die
Wahrung der Einheit des deutschen Schulwesens es notwendig machen, können
Schulversuche eingerichtet werden. Das gilt insbesondere zur Entwicklung und
Erprobung neuer pädagogischer und schulorganisatorischer Erkenntnisse [...].
Schulversuche können durchgeführt werden
1. durch Einrichtung von Versuchschulen
2. dadurch, dass die oberste Schulaufsichtsbehörde einer bestehenden Schule
Eigenschaften und Aufgaben einer Versuchsschule überträgt; falls damit für den
Schulträger Mehrbelastungen verbunden sind, bedarf es dessen Zustimmung“
(§ 22 SchG).
Im Schulgesetz von Baden - Württemberg ist somit nur zielgleiche Integration
vorgesehen. Für alle anderen Schüler mit Behinderung ist die Sonderschule
bestimmt.
Zieldifferente Integration gibt es in Baden - Württemberg nur in Form von Integrativen
Schulentwicklungsprojekten, also Schulversuchen nach § 22, welche als einzelne
integrativ arbeitende Klassen an Regelschulen realisiert werden (vgl. Landesinstitut
für Erziehung und Unterricht 2004, 88).
Eine gesetzliche Grundlage für zieldifferente Integration gibt es nicht.
„Der zieldifferente Unterricht, d. h. ein Unterricht mit lehrplanmäßig unterschiedlichen
Lernzielen für behinderte und nicht behinderte Schülerinnen
und Schüler, wurde nicht als weitere Form integrativer Bildung und Erziehung
aufgenommen. Im Jahre 1997 lagen hierzu zwar Ergebnisse von
einigen Schulversuchen vor, die damit vorliegenden Erfahrungen waren aber
11
für eine allgemeine Gesetzgebung nicht hinreichend. Auch heute sind vor
einer Entscheidung über die Aufnahme auch dieser Form der integrativen
Unterrichtung und Erziehung noch weitere Erfahrungen im Rahmen integrativer
Entwicklungsprozesse notwendig“ (Landtag von Baden-Württemberg 01.07.2004,
4f.).
In Baden-Württemberg besteht nur ein eingeschränktes Wahlrecht der Eltern in
Bezug auf eine Schule für ihr Kind.
Laut § 82 Absatz 2 des Schulgesetzes entscheidet die Schulaufsichtsbehörde
darüber, „ob die Pflicht zum Besuch einer Sonderschule im Einzelfall besteht, und
darüber, welcher Typ der Sonderschule für den Sonderschulpflichtigen geeignet ist
[...].“
Weiter heißt es: “[...] sie strebt das Einvernehmen mit den Erziehungsberechtigten
an“ (§ 82 Abs. 2 SchG). Zusammengefasst heißt dies, dass das Elternwahlrecht nicht
verbindlich ist und dass die Feststellung der Sonderschulpflicht und damit die
Zuweisung zu einer Sonderschule rechtlich auch gegen den Willen der Eltern
möglich sind.
Die zieldifferente Integration von Schülern mit Förderbedarf (nur innerhalb
integrativer Schulentwicklungsprojekte) richtet sich vor allem nach dem
Haushaltsetat der Städte und Landkreise. In diesem Zusammenhang werden immer
wieder Haushaltsvorbehalte genannt, welche gegen eine Integration entscheiden
lassen: Bei knappen Mitteln werden keine neuen integrativen
Schulentwicklungsprojekte eingerichtet. Auch werden aufgrund knapper Ressourcen
Lehrerwochenstunden gestrichen. „Die Zuweisung von Stunden aus dem
Sonderschulbereich erfolgt durch das zuständige Staatliche Schulamt im Einzelfall
nach Prüfung des jeweiligen sonderpädagogischen Förderbedarfs der beteiligten
Schülerinnen und Schüler und der herstellbaren Rahmenbedingungen auf der Basis
der zur Verfügung stehenden Ressourcen im Amtsbereich (Stunden des
Sonderpädagogischen Dienstes für Kooperation Sonderschule – allgemeine Schule)
(Landtag von Baden-Württemberg, 01.07.2004, 4f.).
Gleiches gilt auch für die Einzelintegration: Hier können aufgrund von finanziellen
Mitteln die Integrationshelfer gestrichen werden, was eine Einzelintegration (neu oder
fortführend) unmöglich macht. Besonders bei körperbehinderten Schülern, welche
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einen hohen Assistenzbedarf haben, wird die Integration selten vollzogen, besonders
auch aus Kostengründen.
3.3 Quantitative Entwicklung und aktueller Stand
Im Jahr 2003 gibt es in Baden-Württemberg 72.217 SchülerInnen mit Förderbedarf.
Dieses entspricht einer Förderquote von 5,9%. Verglichen mit der Förderquote der
gesamten Bundesrepublik, welche 5,6 % beträgt, liegt das Bundesland Baden
Württemberg über dem Bundesdurchschnitt (vgl. KMK 2005).
Die Integrationsquote von Schülern mit Behinderung in allgemeinen Schulen in
Baden - Württemberg im Jahr 2003 liegt bei 24% (die Integrationsquote in der
gesamten Bundesrepublik beträgt 13 %).
Die Integrationsquote wird in Baden - Württemberg allerdings anders berechnet als in
den anderen Bundesländern. Aus diesem Grunde scheint sie besonders gegenüber
der Integrationsquote von gesamt Deutschland erstaunlich hoch.
In Baden-Württemberg zählt zur Erfassung der Integrationsquote auch die
schulartverbindende Kooperation dazu, das heißt in Baden - Württemberg werden
beispielsweise der einmal im Monat stattfindende gemeinsame Sportunterricht,
gemeinsame Schulfeiern oder Klassenausflüge bereits als Integration aufgefasst
(vgl. LAG Baden-Württemberg 2006, 253). Die Anzahl der Schüler mit
sonderpädagogischem Förderbedarf in allgemeinen Schulen Baden-Württembergs
ist laut Statistik der Kultusministerkonferenz von 2005 in den Jahren von 1999 - 2003
angestiegen. Die Verteilung der Sonderpädagogischen Förderung nach Schulart wird
in Abbildung 1 dargestellt. Es wird deutlich, dass vor allem in Grundschulen Schüler
mit und ohne Behinderungen gemeinsam unterrichtet werden.
13
0
2.000
4.000
6.000
8.000
10.000
12.000
14.000
Schüler mit Förderbedarf in allgemeinenSchulen 1999
Schüler mit Förderbedarf in allgemeinenSchulen 2003
Schü
lerz
ahl Grundschule
HauptschuleRealschuleGymnasium
Abbildung 1: Schüler mit Förderbedarf in allgemeinen Schulen Baden-Württembergs, aufgeschlüsselt nach Schultypen (Datenquelle: KMK 2005)
Im Schuljahr 2003/2004 sind an öffentlichen Schulen 25 Integrative Schul-
entwicklungsprojekte an 22 Standorten eingerichtet worden. Es wurden 108 Kinder
mit sonderpädagogischem Förderbedarf gemeinsam zieldifferent mit nicht
behinderten Kindern unterrichtet.
Des Weiteren gab es 172 Außenklassen an 142 Standorten mit 1077 SchülerInnen.
17.523 SchülerInnen erhielten in der Einzelintegration in einer allgemeinen Schule
sonderpädagogische Beratung / Unterstützung oder anderweitige Hilfen des
sondepädagogischen Dienstes. Im Schuljahr 2002/2003 wurden 5.911
Lehrerwochenstunden zur Einzelintegration eingesetzt (vgl. Landtag Baden
Württemberg, 6.10.2003, 4). „Im Schuljahr 2004/2005 erhielten 18.663 Schülerinnen
und Schüler sonderpädagogische Unterstützung an allgemeinen Schulen.
Für diese Kooperation wurden 7.097 Lehrerwochenstunden bzw. 273 Deputate
eingesetzt“(Landtag von Baden-Württemberg, 14.12.2005, 4)
Abbildung zwei verdeutlicht die Verteilung der sonderpädagogischen Förderung auf
die einzelnen Förderschwerpunkte.
14
0
2.000
4.000
6.000
8.000
10.000
12.000
14.000
16.000
18.000
1999 2000 2001 2002 2003
Jahr
Schü
lera
nzah
l
alle Förderschwerpunkte
Lernen
Sehen
Hören
Sprache
Körperliche und motorischeEntwicklungGeistige Entwicklung
Emotionale und soziale Entwicklung
Abbildung 2: Sonderpädagogische Förderung in allgemeinen Schulen Baden-Württembergs 1999 – 2003, aufgeteilt nach Förderschwerpunkten (Datenquelle: KMK 2005)
Im Schuljahr 2005 /2006 wurden 19 203 Schüler mit sonderpädagogischem
Förderbedarf in Einzelintegration in der Regelschule unterrichtet.
Es gab in diesem Schuljahr 206 Außenklassen mit 1269 Schülern an 169
Partnerschulen und an 22 Standorten sind 28 Integrative Schulentwicklungsprojekte
mit 112 Schülern an Regelschulen eingerichtet worden (vgl. Schwarz - Jung, 2006,
24f.).
3.4 Organisationsformen des Gemeinsamen Unterrichts
3.4.1 Schulartverbindende Kooperation
Bei der baden - württembergischen schulartverbindenden Kooperation geht es um
Kooperationsprojekte mit punktuellen Begegnungsmaßnahmen zwischen Schülern
der allgemeinen Schule und Schülern der Sonderschule. Bei gemeinsamen Feiern,
bei Sportveranstaltungen, durch gegenseitige Besuche, in Praktika, bei
Arbeitsgemeinschaften und bei Schullandheimaufenthalten etc. sollen sich die
15
behinderten und nicht behinderten Schülerinnen und Schüler gegenseitig kennen
lernen, verstehen und vor allem akzeptieren können. Hemmungen, Ängste und
Vorurteile zwischen Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderung
abzubauen und zu beseitigen, ist das Ziel der schulartverbindenden Kooperation.
Alle Mitwirkenden sind bei der Planung und Durchführung der schulartverbindenden
Kooperation gleichermaßen beteiligt und gleichberechtigte Partner (vgl.
Landesarbeitsstelle Kooperation Baden-Württemberg 2003, 252).
Allerdings muss beachtet werden, dass die geplanten Projekte und Aktivitäten die
Interessen und Bedürfnisse aller beteiligten Schüler (mit und ohne Behinderung)
berücksichtigen, und dass alle Schüler gleichermaßen die Chance haben, an den
geplanten Vorhaben teilzunehmen
„Für diese Begegnungen können finanzielle Mittel für Kosten aller Art (hauptsächlich
Sachkosten, Fahrtkosten, Übernachtungskosten) bei den Regionalen Arbeitsstellen
Kooperation bei den Staatlichen Schulämtern beantragt werden“
(Regierungspräsidium Stuttgart).
Die schulartverbindende Kooperation wurde erstmals 1992 im Rahmen eines
Modellversuchs der Bund-Länder-Kommission (BLK) mit dem Titel “Gemeinsam
handeln - einander erleben“ von den Professoren Klein, Nestle u. a. durchgeführt.
In den Bezirken des Schulamts Freudenstadt und Nürtingen nahmen von 3127
Sonderschülern innerhalb von zwei Jahren 1173 Schüler an der
schulartverbindenden Kooperation teil (vgl. Engler-Soyer/Weiser 1998, 145).
3.4.2 Außenklassen
Außenklassen sind Klassen einer Sonderschule, die in eine allgemeine Schule
verlegt werden. Die Gestaltung eines gemeinsamen Unterrichts sowie die
Voraussetzungen zu sozialem Lernen im außerunterrichtlichen Bereich von
Schülerinnen mit und ohne Behinderung sollen hierdurch ermöglicht und vereinfacht
werden. Die Außenklassen bringen ihr eigenes Lehrpersonal mit und kooperieren
jeweils mit einer so genannten Partnerklasse der allgemeinen Schule.
Es liegt am Engagement und Interesse der kooperierenden Lehrer wie viel
gemeinsamer Unterricht gestaltet wird. An manchen Schulen werden nur einzelne
Fächer wie Sport, Musik, Sachunterricht oder Religion gemeinsam unterrichtet, an
anderen Schulen gibt es gemeinsamen Unterricht für fast alle Fächer. Als erstes
16
entstanden nur Außenklassen von Schulen für Geistigbehinderte. In zunehmendem
Maße richten auch andere Sonderschultypen Außenklassen an allgemeinen Schulen
ein. Allerdings sind Außenklassen aus Schulen für Geistigbehinderte immer noch
überrepräsentativ (vgl. Landtag Baden-Württemberg, 6.10.2003, 4).
Im Schuljahr 2003/2004 waren 9,2% der 1077 Schüler in Außenklassen an
allgemeinen Schulen Schüler mit einer geistiger Behinderung, aber nur 1,8% Schüler
mit Körperbehinderung und sogar nur 0,2% Schüler mit dem Förderschwerpunkt
Lernen. Das heißt, im Schuljahr 2003/2004 war für über 85% aller Außenklassen die
Stammschule eine Schule für Geistigbehinderte oder Körperbehinderte
(vgl. Landtag Baden - Württemberg, 6.10.2003, 4).
„Zunehmend machen auch Schulen für Erziehungshilfe und Förderschulen von der
Möglichkeit Gebrauch, über die Arbeit in der Außenklasse präventive Hilfen in der
allgemeinen Schule zu entwickeln oder die Rückschulung vorzubereiten.
71% der Außenklassen sind an Grundschulen und 23,8% der Außenklassen an
Hauptschulen eingerichtet. 4,6% aller Außenklassen von Sonderschulen gibt es an
Realschulen und beruflichen Schulen“ (Landtag Baden - Württemberg, 6.10.2003, 4).
Die Anzahl der Außenklassen in Baden-Württemberg hat sich über die Jahre
kontinuierlich erhöht: wurden noch im Schuljahr 1995/96 an 19 Standorten 24
Außenklassen eingerichtet (mit 110 SchülerInnen mit geistiger Behinderung, davon 6
im Hauptschulbereich) (vgl. Meißner 1997, 47), gab es im Schuljahr 2004/2005 206
Außenklassen mit 1269 Schülern an 169 Partnerschulen (vgl. Schwarz - Jung 2006,
24f.).
Diese Zahlen zeigen, dass die Außenklassen überwiegend an Grundschulen
entstehen und dort fortgeführt werden. Im Sekundarbereich I schrumpft die Anzahl
der Außenklassen auf ein Drittel. Diese Außenklassen sind meist eine Fortsetzung
von Kooperationsprojekten aus der Grundschule.
Im Sekundarbereich II gibt es keine Außenklassen mehr (vgl. Wilfried Furian, LAG
Baden-Württemberg, E-Mail vom 7.8.06).
„Bei der Einrichtung einer Außenklasse werden die Schulen durch die staatlichen
Schulämter, die Arbeitsstellen Kooperation sowie durch Pädagogische Beraterinnen
und Berater an den Staatlichen Schulämtern beraten und unterstützt. Die
Entscheidung über die Einrichtung einer Außenklasse liegt bei der
Schulaufsichtsbehörde im Einvernehmen mit den beteiligten Schulträgern.
17
Für die Einrichtung einer Außenklasse in Baden - Württemberg gibt es einige
Vorschriften und Voraussetzungen:
„ − Eltern oder Schulen / Lehrer werden initiativ.
− Mit einer hinreichenden Zahl von Schülerinnen und Schülern wird eine reguläre
Klasse der Sonderschule gebildet, die ihren Standort in der allgemeinen Schule
hat.
− Die Schüler der Außenklassen bleiben Schüler der Sonderschule.
− Die Außenklasse wird einer Partnerklasse zugeordnet, wobei die Verantwortung
der Lehrer für die jeweilige Klasse ihrer Schulart erhalten bleibt.
− Die Schüler der Außenklasse werden nach dem Bildungsplan der Sonderschule
und die Schüler der allgemeinen Schule nach dem Bildungsplan der jeweiligen
Schulart unterrichtet. Bestandteil des pädagogischen Konzepts für die
Außenklassen ist sowohl die Kooperation mit der allgemeinen Schule als auch die
kontinuierliche Kooperation mit der Stammschule (Sonderschule).
− Für Schüler der Außenklasse gilt der zeitliche Unterrichtsrahmen der allgemeinen
Schule; darüber hinaus wird ihnen nach Möglichkeit die Teilnahme am Unterricht
in der Sonderschule angeboten.
− Die Außenklasse wird von dem im Rahmen des Organisationserlasses
vorgesehenen Personal unterrichtet.
− Die Außenklasse erhält in der allgemeinen Schule einen eigenen Klassenraum.
Das behinderungsspezifische Unterrichtsmaterial wird von der Sonderschule, ggf.
deren Schulträger, gestellt“ (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden -
Württemberg 2001, 2).
Die Akzeptanz von Außenklassen ist bei allen Teilnehmern der Integration durch
Außenklassen hoch (vgl. Landtag Baden - Württemberg, 6.10.2003, 6).
3.4.3 Einzelintegration
Die Einzelintegration (auch Individualhilfe genannt) von Kindern in die allgemeinen
Schule basiert auf der Vorstellung, dass sinnesgeschädigte (z. B. bei
Schwerhörigkeit oder bei starker Sehbehinderung), körperbehinderte oder
sprachbehinderte Kinder, die kognitiv in der Lage sind dem Unterrichtsstoff einer
allgemeinen Schule zu folgen, zielgleich in der allgemeinen Schule unterrichtet
werden können, wenn sie spezielle behinderungsspezifische Hilfe und Unterstützung
18
erhalten. Bei diesen Kindern wird zwar sonderpädagogischer Förderbedarf
festgestellt, aber es besteht für sie nicht die Pflicht eine Sonderschule zu besuchen,
weil dem Förderbedarf auch mit Unterstützung in einer allgemeinen Schule
entsprochen werden kann. Sonderpädagogen leisten in einem vorher festgestellten
Umfang Unterstützung. Hilfen können auch nach dem Bundessozialhilfegesetz und
dem Kinder- und Jugendhilfegesetz auf Antrag erfolgen (vgl. Elterninitiative Rhein-
Neckar [2]).
1998 wurden 10000 Schüler in Einzelintegration mit pädagogischer Unterstützung
unterrichtet, im Schuljahr 2005 / 2006 sind es 18663 (Landtag Baden – Württemberg
14.12.2005, 4). Die Anzahl der Schüler steigt jährlich.
„Die Schule beantragt Kooperationsstunden bei einer Sonderschule. Werden diese
genehmigt, so können sie verwendet werden entweder für eine gezielte zusätzliche
Förderung des in Frage stehenden Kindes oder zur Beratung und Unterstützung der
LehrerInnen, die das Kind unterrichten. [...]
Für Kinder, die eine umfänglichere Unterstützung und / oder Betreuung brauchen,
kann über das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) oder das Kinder- und
Jugendhilfegesetz (KJHG) Eingliederungshilfe beantragt werden.
Dies ist Aufgabe der Eltern. Allerdings müssen die Schulbehörden zustimmen, wenn
eine zusätzliche Betreuungskraft in der Schule tätig werden soll. Wird diese
Maßnahme genehmigt - und das erfordert sehr unterschiedliche Anstrengungen und
Durchhaltevermögen - kann entweder ein Zivildienstleistender das betreffende Kind
betreuen oder eine pädagogische Kraft unterstützt das Kind bei spezifischen
Aufgaben. Nur in wenigen Fällen war es bisher möglich, dass Kinder, die nicht
zielgleich lernen können, in eine allgemeine Schule eingeschult und / oder bleiben
konnten“ (vgl. LAG Baden - Württemberg Gemeinsam Leben - Gemeinsam Lernen,
Band I, 2000, 16f.).
Einzelintegration besteht außer in der Grundschule auch in der Sekundarstufe I und
II, allerdings seltener als in der Grundschule (aufgrund des weniger
binnendifferenzierten Unterrichts). Außerdem besteht sie auch nur für Schüler mit
Behinderung, die zielgleich unterrichtet werden können (vgl. Wilfried Furian, LAG
Baden-Württemberg: Gemeinsam Leben - Gemeinsam Lernen, E-mail vom
7.8.2006).
19
3.4.4 Integrative Schulentwicklungsprojekte
Integrative Schulentwicklungsprojekte (ISEP) sind eine weitere Form des
gemeinsamen Unterrichts von Kindern mit und ohne Behinderung. Das besondere an
diesem Projekt ist, dass die Schüler mit Behinderung zieldifferent unterrichtet
werden. Die Ermittlung des Förderbedarfs der Kinder mit Behinderung ist nötig, um
die personelle Ausstattung der gesamten Klasse festlegen zu können. Bei einem
ISEP sind alle Kinder mit und ohne Behinderung Schüler und Schülerinnen einer
allgemeinen Schule. Personell wird die Klasse von einer Lehrkraft aus der
Sonderschule unterstützt. Das Staatliche Schulamt entscheidet, ob ein ISEP
eingerichtet wird. Die allgemeine Schule erarbeitet ein integratives pädagogisches
Konzept für den gemeinsamen Unterricht von SchülerInnen mit und ohne
Behinderung. „Dabei steht im Zentrum der Förderbedarf einer Schülergruppe mit
verschiedenen ausgeprägten besonderen pädagogischen Förderbedürfnissen, nicht
die Einzelintegration“ (Landesarbeitsstelle Kooperation Baden-Württemberg 2003,
263).
1992 wurden zum 1. Februar die ersten vier Schulversuche zur zieldifferenten
Integration eingerichtet. Im August 1993 folgte ein 5. Projekt (vgl. Engler-
Soyer/Weiser 1998, 146/47). 1995/96 liefen die ersten Projekte aus.
„Da die zieldifferenten integrativen Schulentwicklungsprojekte von der
schulgesetzlichen Regelung abweichen, bedürfen sie letztlich der Genehmigung des
Kultusministeriums. Damit erhält das Kultusministerium auch die notwendigen
Informationen, die es braucht, um zu beurteilen, ob ggf. das Schulgesetz um die
Form des sog. zieldifferenten integrativen Unterrichts erweitert werden kann.
[...] Dies bedingt eine besonders intensive Zusammenarbeit der
beteiligten Lehrkräfte und besondere didaktisch-methodische Konzeptbildungen.
Integrative Schulentwicklungsprojekte können eingerichtet werden, wenn Eltern oder
Schulen dies wünschen, alle Beteiligten (Lehrkräfte, schulische Gremien, Eltern,
Schulträger und Träger der Schülerbeförderung) ihre Zustimmung geben, andere
integrative Schulangebote nicht möglich sind und aufgrund der pädagogischen,
räumlichen und sächlichen Voraussetzungen und der vorhandenen personellen
Ressourcen gewährleistet ist, dass sowohl die nicht behinderten Kinder als auch die
behinderten Kinder im Rahmen eines gemeinsamen Unterrichts eine ihrer Begabung
und Lernentwicklung entsprechende Förderung erhalten können“
20
(Kultusministerium 2001, 2) .
Für die Eltern von Kindern mit Behinderung bedeutet es in Baden-Württemberg einen
langen mühsamen Weg, bis ihr Kind eine ISEP - Klasse besuchen kann. Im
Schuljahr 2003/2004 gab es 19 ISEPs mit 88 Schülern mit Förderbedarf an den
Grundschulen Baden - Württembergs, 2 ISEPs an den Hauptschulen und 1 ISEP an
der Realschule (vgl. Landtag von Baden-Württemberg, 2003, 8).
Die ISEPs gibt es, wie diese Zahlen belegen, nur noch selten in der Sekundarstufe I,
in der Sekundarstufe II finden sie nicht mehr statt.
Da oft aus knappen finanziellen Mitteln Stunden von Sonderpädagogen in den ISEP
Klassen aus- oder ganz wegfallen, weigern sich inzwischen Schulen, neue ISEPs
einzurichten) (Siehe auch Kapitel 5.1) (vgl. Wilfried Furian, LAG Baden -
Württemberg Gemeinsam Leben - gemeinsam Lernen, E-Mail vom 7.8.2006).
3.5 Ausstattung und Ressourcen
Schulartverbindende Kooperation:
Regelklasse und Sonderschulklasse haben reguläre Schülerzahl und Lehrerstunden.
Ein Treffen beider Klassen findet überwiegend außerhalb des Unterrichts statt (vgl.
Landesarbeitsstelle Kooperation Baden-Württemberg 2003, 252).
Außenklassen:
Reguläre Klassengröße der behinderungsspezifischen Sonderschulklasse plus
Lehrer.
„Für die Bildung von Außenklassen gelten die in der Verwaltungsvorschrift zur
Eigenständigkeit der Schulen und Unterrichtsorganisationen dargestellten
Regelungen für die allgemeine Schule und Sonderschule. [...] In diesem Rahmen
können in besonders gelagerten Einzelfällen für über das erwartende Maß
hinausgehende, besondere Formen der Vorbereitung und Dokumentation
Anrechnungen vergeben werden, was im laufenden Schuljahr im Umfang von 258
Lehrerwochenstunden der Fall ist“ (Landtag Baden - Württemberg, 6.10.2003, 7).
Einzelintegration:
Klassenstärke einer üblichen Regelschule mit LehrInnen.
21
Integrationshelfer (Zivildienstleistende, StudentInnen etc.) unterstützen den Schüler
mit Förderbedarf je nach bewilligten Stunden (Hilfe im Rahmen des
sonderpädagogischen Dienstes nach SGB XII §54 Leistungen der
Eingliederungshilfe) (Löbbing, Wewel, Integration von Schülerinnen und Schülern
mit einer Sehschädigung an Regelschulen, online unter: http://www.isar-projekt.de/).
Die maximale Anzahl der Kooperationsstunden beträgt vier Stunden pro Woche (vgl.
LAG 2006, 251). Es gibt die Möglichkeit von Ambulanzlehrern für Sprachheilkurse.
Integrative Schulentwicklungsprojekte:
Eine Klassengröße von ca. 20-25 Kindern ist für ein ISEP vorgesehen. Zwei Lehrer
arbeiten im Team, ein Grundschullehrer zusammen mit einem Sonderpädagogen.
Die weitere Unterstützung von Grundschullehrern mit einzelnen Wochenstunden ist
möglich. Eine Klasse wird meist von 2 Lehrern gleichzeitig unterrichtet.
Die Lehreranzahl und Stunden werden nach Anzahl der Integrationskinder berechnet
und bewilligt.
Je nach bewilligtem Modell werden zwei bis fünf mit Behinderung in einer Klasse
unterrichtet. Ein Klassenraum mit einem kleinen Nebenraum ist wichtig für Schüler
mit Anfällen, zur Pflege oder zum Ausruhen.
3.6 Positives, Probleme und Perspektiven
Im Bezug auf die Integration in Baden - Württemberg ist positiv zu bewerten, dass
am 15.12.1997 §15 in das Schulgesetz aufgenommen wurde, und dass seitdem die
Zahl der integrativ beschulten Kinder mit Behinderung in Einzelintegration,
Außenklassen und Integrativen Schulentwicklungsprojekten angestiegen ist.
Ein Problem ist allerdings, dass trotz langjähriger positiver Erfahrung mit den
integrativen Schulentwicklungsprojekten die zieldifferente Beschulung für
SchülerInnen mit Behinderung nicht in das Schulgesetz aufgenommen wurde.
Baden - Württemberg ist immer noch ein sehr sonderschulfreundliches Land.
Schüler mit Förderbedarf, welchen nicht mit zielgleichem Unterricht entsprochen
werden kann, haben kein gesetzliches Recht auf Integration in allgemeinen Schulen,
welche wohnortnah liegen. Sie werden auf weiter entfernten Sonderschulen
verwiesen.
22
Von der Landesregierung heißt es trotz über zehnjähriger sehr guter Erfahrung mit
zieldifferenter Integration in integrativen Schulentwicklungsprojekten dazu:
“[...] Hierbei kann die Frage einer gesetzlichen Regelung definitiv erst beantwortet
werden, wenn eine ausreichende Basis an Erfahrungen vorliegt“ (Landtag von
Baden - Württemberg, 2003,13).
Auch das Problem der Haushaltsvorbehalte fördert die Integration von Schülerinnen
mit Förderbedarf nicht.
Die Gelder der Städte und Landkreise Baden - Württembergs werden nicht in erster
Linie zur Verbesserung und Weiterführung der Integration ausgegeben. Deshalb
werden aufgrund von mangelnden Ressourcen Integrationsprojekte,
Integrationshelfer (Zivildienstleistende, StudentInnen etc.), Sonderpädagogen und
Assistenten für Schüler in der Integration gestrichen, eine Ausweitung der Integration
kann nicht stattfinden.
Ein weiteres Problem ist, dass in Baden-Württemberg die schulartverbindende
Kooperation als “echte“ Integration gilt, sie zählt sogar zur Berechnung der
Integrationsquote des Landes Baden-Württemberg: „Solche durchaus begrüßungswerte Kooperationsprojekte haben mit dem Anliegen
der gemeinsamen Unterrichtung von Kindern mit und ohne Behinderung nur wenig
gemein. Das entscheidende Moment, nämlich der gemeinsame Alltag mit
gemeinsamem Arbeiten, Spielen und Feiern als Voraussetzung umfänglicher
gesellschaftlicher Integration, wird hier nicht einmal angestrebt“ (Engler-
Soyer/Weiser 1998,145)
Die Zukunft der Integration von SchülerInnen mit Förderbedarf ist in Baden -
Württemberg auch weiterhin von dem Engagement bildungspolitischer
Entscheidungsträger, aber auch von den Schulämtern abhängig. Ferner ist es
entscheidend, wie der Landeshaushalt in den nächsten Jahren und Jahrzehnten in
Baden – Württemberg aussehen wird und wie viele Ressourcen man für die
Bildungspolitik und Integration in allgemeinen Schulen des Landes erübrigen will.
4. Überblick: Übergang Schule-Beruf
Zu diesem Punkt konnte bezüglich „Absolventen aus dem gemeinsamen Unterricht“
keine Informationen gefunden werden. Dennoch gibt es in Baden - Württemberg für
23
Menschen mit Behinderung neben der Werkstatt für behinderte Menschen noch
andere Ausbildungs- und Berufschancen:
o Integrationsunternehmen:
„Ein Integrationsunternehmen ist ein rechtlich und wirtschaftlich
selbstständiger Betrieb mit mindestens 25 Prozent und höchstens 50 Prozent
schwerbehinderten Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen“
Dieses sind z.B. Lebensmittelmärkte, Bürowirtschaft, Metallverarbeitung,
Wäscheservice, Digitaler Druck, Montageservice, Gartenpflege etc.
(Kommunalverband für Jugend und Soziales
Baden-Württemberg).
o Berufsbildungswerke
„Berufsbildungswerke dienen der außerbetrieblichen Berufsausbildung von
Jugendlichen mit Behinderung, die nur in einer auf ihre Behinderungsart
speziell ausgerichteten Ausbildungsinstitution und nur bei kontinuierlicher,
ausbildungsbegleitender Betreuung durch Ärzte, Psychologen,
Sonderpädagogen und anderer Rehabilitationsfachkräfte zu einem
Ausbildungsabschluss befähigt werden können.
In Baden-Württemberg stehen den lern-, körper- oder sinnesbehinderten
Jugendlichen in sieben Berufsbildungswerken rd. 2.120 Plätze einschließlich
der Plätze für Förderlehrgänge zur Verfügung (Stand November 2002)“
(Ministerium für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg).
Die Berufsbildungswerke bieten zwar Ausbildungsmöglichkeiten für Menschen
mit Behinderung, arbeiten aber nicht integrativ.
o Sonderberufsschule:
„Die Sonderberufsschule ist in der Regel eine 3 - jährige Teilzeitschule. Sie ist
eine Sonderform der Berufsschule: es werden hier berufsschulpflichtige
(Lern-)Behinderte aufgenommen, die eine Ausbildung für Behinderte gemäß
§48 BBiG angetreten bzw. eine Arbeit aufgenommen haben. Die SchülerInnen
werden dabei in ihrer betrieblichen Ausbildung bzw. bei ihrer Berufstätigkeit
von der Sonderberufsschule begleitet.
24
Im Unterricht der Schule sollen die Schüler/innen ihre Allgemeinbildung
vertiefen sowie die für die Berufsausübung erforderlichen fachtheoretischen
Kenntnisse erwerben.
Da die Schule eine Sonder-Schule ist, hat sie auch [gegenüber der normalen
Berufsschule] besondere Ziele:
- Befähigung zu einem Abschluss in einem Ausbildungsberuf gemäß §48
BBiG.
- Förderung und Stabilisierung der Persönlichkeit des (lern-)behinderten
Jugendlichen.
Abschluss / Zugangsberechtigung
Mit dem erfolgreichen Abschluss von Sonderberufsschule und Ausbildung im
Betrieb erwerben die Absolventen/innen den Status eines/r "Fachwerkers/in".
Gleichzeitig wird ein dem Hauptschulabschluss gleichwertiger Bildungsstand
zuerkannt, der die Möglichkeit eröffnet, die Ausbildung bis zum Abschluss in
einem anerkannten Ausbildungsberuf fortzusetzen“ (Schule in Baden -
Württemberg, Sonderberufsschule, online unter:
http://www.leu.bw.schule.de/bild/sond-bs.html#Merkmale).
Die Sonderberufsschule bieten Menschen mit Behinderung als Sonderform
der Berufsschule zwar eine Ausbildungsmöglichkeit, arbeitet aber nicht
integrativ.
5. Besonderheiten des Bundeslandes
5.1 Wissenschaftliche Begleitforschung
In Baden-Württemberg hat es sowohl zur Integration von Kindern mit Behinderung im
vorschulischen Bereich, als auch zur Integration von Schülern mit Förderbedarf
wissenschaftliche Begleitforschung gegeben:
o Die ersten Integrativen Schulentwicklungsprojekte ab 1992 wurden
wissenschaftlich begleitet.
Das Ergebnis war, dass sowohl die Schüler mit Behinderung, als auch die
Schüler ohne Behinderung sehr an Sozialkompetenz gewonnen haben.
Außerdem gab es leistungsmäßig keinen Unterschied zum Bildungsstand der
25
Schüler einer ISEP-Klasse und den Schülern anderer Klassen allgemeiner
Schulen / Sonderschulen (Engler-Soyer/Weiser 1998,147).
„Im Abschlußbericht kommt die wissenschaftliche Begleitung zum Ergebnis,
dass bewährte Elemente eines „guten Grundschulunterrichts“ Grundlage
integrativen Unterrichtens seien. Bezogen auf die Schulleistungen der
beteiligten Kinder weisen die Autoren des Berichts darauf hin, dass behinderte
wie nichtbehinderte Kinder mindestens gleich gute Ergebnisse erzielen, wie in
der traditionellen Regel- bzw. Sonderschule. Unter Berücksichtigung der
didaktischen Aspekte integrativen Unterrichts, der festgestellten
Zusammenarbeit der Lehrkräfte, der Schülerleistungen, der Erwartungen,
Erfahrungen und Entwicklungen der Eltern wie die Frage der
Auseinandersetzung mit Behinderung empfiehlt die wissenschaftliche
Begleitung, integrative Formen des Unterrichts den Vorzug zu eher
begrenzten Formen der Kooperation zu geben “(Engler-Soyer/Weiser
1998,147).
o Der BLK- Modellversuch „ Gemeinsam handeln - einander erleben“ von den
Professoren Gerhard Klein, Werner Nestle u.a. von 1992 war ein
wissenschaftliches Projekt zur schulartverbindenden Kooperation.
Es waren in der Mehrzahl einmalig durchgeführte gemeinsame Aktivitäten als
Kooperationsprojekt zwischen allgemeinen Schulen und Sonderschulen (siehe
auch 3.4).
Als Ergebnis sehen die Initiatoren des BLK- Modells einerseits die positive
Erfahrung durch gemeinsame Aktivitäten von SchülerInnen mit und ohne
Behinderung, sehen aber auch andererseits die Grenze der Hilfemöglichkeit
durch Kooperation; sie fordern „dass die Allgemeine Schule durch
Verbesserung des didaktisch-methodischen Repertoires grundsätzlich
tragfähiger ins besondere für Kinder mit Lernschwierigkeiten und
Verhaltensauffälligkeiten werden muss“ (Engler-Soyer/Weiser 1998, 145).
Im vorschulischen Bereich gab es z.B. das Projekt „Beratungs- und Assistenzdienst
zur Unterstützung der Inklusion in Kindergärten in Stadt und Landkreis Reutlingen“
Projektbeginn: 1.11.2000, Projektende: 30.11.2003.
26
BearbeiterInnen: Dipl. Päd. Jo Jerg, Prof. Dr. Werner Schumann, Dipl. Soz.Päd. (FH)
Stephan Thalheim
AuftraggeberInnen: Kooperationen Arbeitsgemeinschaft Integration e.V. Reutlingen,
Sozialamt der Stadt Reutlingen, Sozialamt des Landkreises Reutlingen,
Landeswohlfahrtsverband Württemberg – Hohenzollern, Bruderhaus -Diakonie
Reutlingen, Aktion Mensch.
„Auf dem Hintergrund der positiven Entwicklungen im Bereich der Integration von
Kindern mit Behinderungen im Kindergartenbereich in Baden-Württemberg
(Kindergartengesetz, Umstrukturierung der Eingliederungshilfe) entwickelte die
Arbeitsgemeinschaft Integration Reutlingen e.V. zusammen mit der Evang.
Fachhochschule Reutlingen-Ludwigsburg in Absprache mit Stadt und Landkreis eine
Konzeption für einen Beratungs- und Assistenzdienst zur Unterstützung der Inklusion
von Kindern mit Assistenzbedarf in Kindertagesstätten in Stadt und Landkreis
Reutlingen“
(http://www.kigafueralle.de/index.php?option=com_content&task=view&id=4&Itemid=
8).
Zielsetzung:
- Organisation der Assistenz,
- Beratung von Beteiligten,
- Kooperation: Grundlegendes Verständnis des Assistenz- und
Beratungsdienstes ist dessen Einbettung in die vorhandenen und
gewachsenen Strukturen der Unterstützung,
- Ökonomische Rahmenbedingungen des Fachdienstes / Wirtschaftlichkeit
- Wissenschaftliche Begleitung: Die Erprobung des Modellprojekts
wird im Auftrag des Landeswohlfahrtsverbands Württemberg - Hohenzollern
wissenschaftlich begleitet und ausgewertet (vgl.
http://www.kigafueralle.de/index.php?option=com_content&task=view&id=6&It
emid=8).
Erfahrungen / Ergebnisse:
- skeptische Haltungen gegenüber dem Projekt, insbesondere bei
den Frühberatungsstellen (zum Beispiel wegen früherer Erfahrungen mit der
schwierigen Organisation von AssistentInnen oder weil die Sonderschule als
27
gefährdet betrachtet wird),
- differierende Vorstellungen bezüglich der Stundensätze für die
AssistentInnen bei Kindergartenträgern und FABI,
- geringerer Verwaltungsaufwand für Kindergartenträger durch die
Kooperation mit FABI,
- AssistentInnen bewegen sich in einer nicht eindeutig festgelegten Rolle: Sie
wechseln zwischen der ausschließlich auf das Kind bezogenen Rolle und der
Verantwortlichkeit für die ganze Gruppe,
- wachsendes Interesse am Thema Integration im Kindergarten durch die
Öffentlichkeitsarbeit,
- für die Etablierung von integrativen Kindergärten bedarf es weiterhin einer
Vielzahl bewußtseinsbildender Prozesse rund um das Thema (vgl.
http://www.kigafueralle.de/index.php?option=com_content&task=view&id=13&I
temid=2).
5.2 Lehrerausbildung
Die Lehrerausbildung wird in Baden - Württemberg nur an pädagogischen
Hochschulen angeboten, nicht an allgemeinen Universitäten.
Eine spezielle Ausbildung und Lehrerbildung für integrative Praxis findet in Baden –
Württemberg nicht statt. Auch einen Pflichtschein zur Integration wie im
Lehramtsstudium in Berlin gibt es nicht. Dennoch:„In der Lehrerbildung wird auf die
Möglichkeit einer gemeinsame Erziehung und Bildung von behinderten und nicht
behinderten Kindern und Jugendlichen
eingegangen.
So müssen an den Pädagogischen Hochschulen im erziehungswissenschaftlichen
Bereich verbindlich zu studierende Inhalte sowohl von Studierenden
für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen als auch von Studierenden für
das Lehramt an Sonderschulen belegt werden. Inhaltlich werden dabei u. a.
Themen wie Diagnostik, Beratungs- und Förderkonzepte sowie die Heterogenität
der Schülerschaft behandelt.
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass das von allen Studierenden für
das Lehramt an Grund- und Hauptschulen zu absolvierende Basismodul in
den Fächern Deutsch und Mathematik mit einer sonderschulpädagogischen
28
Ausrichtung gewählt wird.
Auch die Landesakademie für Fortbildung und Personalentwicklung an
Schulen bietet seit mehreren Jahren Kurse an, in denen sich Lehrkräfte und
Schulleitungen, teilweise gemeinsam mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
aus der Schulverwaltung mit Fragen der gemeinsamen Erziehung und Bildung
von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung und ohne Behinderung
auseinandersetzen“ (Landtag von Baden - Württemberg, 01.07.2004, 4f.).
5.3 Nachteilsausgleich
In Baden - Württemberg gibt es den so genannten Nachteilsausgleich für Schüler mit
Behinderung im Unterricht. Sie sollen die gleichen Chancen bei Klassenarbeiten,
Prüfungen etc. haben, wie ihre Mitschüler ohne Behinderung.
„Der Nachteilsausgleich kann sich zum Beispiel beziehen auf:
- Arbeitszeit bei Klassenarbeiten und Prüfungen (individuelle Verlängerung,
Unterbrechungen etc.)
- Zulassung bzw. Bereitstellung spezieller Arbeitsmittel (Schreibmaschine,
Computer, Kassetten-Recorder
- spezifisch gestaltete Arbeitsblätter, spezielle Stifte, größeres Schriftbild,
Blindenschrift etc.)
- unterrichtsorganisatorische Veränderungen (individuell gestaltete
Arbeitsabschnitte, Arbeitsplatzorganisation etc.)
- differenzierte Hausaufgabenstellung
Soweit die besuchten Schulen Einschätzungen der Auswirkungen von
Behinderungen nicht in eigener Kompetenz vornehmen können, sind die jeweiligen
Sonderschulen im Umfeld gerne zur Unterstützung bereit. Die bei den Staatlichen
Schulämtern eingerichteten Arbeitsstellen Kooperation vermitteln Schülerinnen und
Schülern, Eltern, Lehrkräften und Schulleitungen fachkompetente Ansprechpartner
im Sonderschulbereich“ (http://members.aol.com/bzentrum/ntausgl.htm).
5.4 Unterstützung
In Baden - Württemberg gibt es neben der Landesarbeitsstelle Kooperation im
Oberschulamt Stuttgart und den 42 Arbeitsstellen Kooperation bei den Schulämtern
29
der Stadt- und Landkreise, welche zuständig sind sowohl für eine landesweite
Förderung und Weiterentwicklung der Kooperation von allgemeinen Schulen und
Sonderschulen, als auch von Schulen und außerschulischen Partnern, mit dem Ziel,
die schulische Förderung und gesellschaftliche Eingliederung von Kindern und
Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf zu unterstützen und zu verbessern.
Der sonderpädagogische Dienst, der meist an Sonderschulen sitzt, berät Angehörige
von Kindern mit Behinderung, aber auch Lehrer bei allen Fragen rund um Schule,
Integration, Therapien etc.
Überdies gibt es in Baden - Württemberg noch sonderpädagogische
Beratungszentren, welche Elternberatung und Frühförderung anbieten.
6. Vergleich der Entwicklung mit anderen Bundesländern
6.1 Vergleich mit Bayern
Die Förderquote von Bayern liegt laut KMK - Statistik von 2005 für das Jahr 2003 bei
4,9%, also um 1 Prozentpunkt niedriger als in Baden-Württemberg. Auch die
Integrationsquote ist niedriger. Sie liegt laut KMK – Statistik von 2005 bei 8%.
Baden - Württemberg hat eine Integrationsquote von 24%, diese wird aber gesondert
berechnet: schulartverbindende Kooperationen werden mit einberechnet.
Die Organisationsformen des gemeinsamen Unterrichts sind denen in Baden -
Württemberg gleich: es gibt Einzelintegration, Kooperation (Regelschule und
Sonderschulklasse führen gemeinsame Projekte durch), Kooperationsklassen
(Schulsysteme der Sonderschule und der allgemeinen Schule arbeiten zusammen)
[ Kooperation und Kooperationsklassen heißen in Baden - Württemberg
„schulartverbindende Kooperation“] und Außenklassen.
Integrationsklassen, in denen Schüler mit Behinderung zieldifferent unterrichtet
werden, sind in Bayern, trotz Gesetzesänderung vom 12.03.2003 (Drucksache
14/11906), zurzeit nur selten möglich (vgl.
http://www.intakt.info/anlaufstellen/integration_schule.htm#mozTocId989071).
In Bayern ist seit der Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und
Unterrichtswesen (BayEUG von 2000) im Jahr 2003, im Gegensatz zu Baden-
Württemberg, eine zieldifferente Beschulung behinderter Kinder möglich.
Gemeinsamer Unterricht findet jedoch nur dann statt, wenn eine Unterrichtung
30
überwiegend in der Klassengemeinschaft möglich ist, wenn das Kind mit
sonderpädagogischem Förderbedarf den Unterrichtsformen der allgemeinen Schule
folgen und dabei Fortschritte erzielen kann und wenn das Kind gemeinschaftsfähig
ist. Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die dem Unterricht einer
allgemeinen Schule nicht aktiv folgen können, werden der Sonderschule
zugewiesen:
„(1) Schulpflichtige mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die am GU in der
allgemeinen Schule nicht aktiv teilnehmen können oder deren sonderpädagogischer
Förderbedarf an der allgemeinen Schule auch mit mobilen sonderpädagogischem
Dienst nicht oder nicht hinreichend erfüllt werden, haben eine geeignete
Förderschule zu besuchen [...]“ (§ 41 des Bayrischen Gesetzes über das Erziehungs-
und Unterrichtswesen (BayEUG)).
Behinderte Schüler, die allgemeine Schulen besuchen, können vom mobilen
Sonderpädagogischen Dienst (MSD) unterstützt werden (vgl. § 21 BayEUG).
Den Schülern stehen maximal 2 Stunden pro Woche Unterstützung durch den MSD
zu. Wie in Baden - Württemberg gibt es in Bayern kein Elternwahlrecht. Die
Schulbehörde entscheidet letztendlich über den Bildungsort der SchülerInnen mit
sonderpädagogischen Förderbedarf (§ 14 Abs. 3 Satz 7 BayEUG).
6.2 Vergleich mit Hessen
Die Förderquote in Hessen liegt laut KMK-Statistik von 2005 für das Jahr 2003 bei
4,6%. Das sind 1,3% unter der Förderquote von Baden – Württemberg. Die
Integrationsquote liegt mit 11% in Hessen im Jahr 2003 etwas unter dem
Bundesdurchschnitt (13%) (laut KMK-Statistik von 2005), in Baden – Württemberg
liegt sie bei 24%, wird hier jedoch anders berechnet, da auch schulische Kooperation
mit einberechnet wird.
Im Gegensatz zu Baden – Württemberg ist der Gemeinsame Unterricht fester
Bestandteil der hessischen Beschulung behinderter Kinder. So konstatiert Oertel,
dass sich in Hessen „ein flexibles, integratives Fördersystem entwickelt (hat), in dem
sich neben den Förderschulen, die ambulante Förderung (...) und der gemeinsame
Unterricht etabliert haben“ (Oertel 2006, 1). Für Schüler mit Behinderung, welche
zieldifferent beschult werden, kann, im Gegensatz zu Baden-Württemberg, zwischen
31
integrativen, teilintegrativen und kooperativen Angeboten gewählt werden. Auch für
die Sekundarstufe I. Diese Beschulung ist in Hessen gesetzlich verankert:
„(1) Gemeinsamer Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit
sonderpädagogischem Förderbedarf und ohne diesen Förderbedarf findet in der
allgemeinen Schule in enger Zusammenarbeit mit der Förderschule statt. Bei der
Planung und Durchführung des gemeinsamen Unterrichts wirken
Förderschullehrerinnen und -lehrer und Lehrerinnen und Lehrer der allgemeinen
Schulen in einem der jeweiligen Art und Schwere der Behinderung angemessenen
Umfang zusammen. Die Beratung und Stellenzuweisung für den gemeinsamen
Unterricht erfolgen durch das Staatliche Schulamt.
(2) Formen des gemeinsamen Unterrichts für Schülerinnen und Schüler mit
praktischer Bildbarkeit oder Lernhilfebedarf in der Mittelstufe (Sekundarstufe I) der
allgemeinen Schule sind die umfassende Eingliederung (integratives Angebot) und
die teilweise Eingliederung in die allgemeine Schule (teilintegratives Angebot).
(3) Die Angebote nach Abs. 2 stehen in den Schulen zur Verfügung, die der
Schulträger im Benehmen mit dem Staatlichen Schulamt für diese Zwecke räumlich
und sächlich ausstattet“ (§ 51 Hessisches Schulgesetz).
Anders als in Baden-Württemberg haben die Eltern in Hessen ein Wahlrecht für die
Schule ihrer Kinder:
„[...] (2) In der Grundstufe (Primarstufe) entscheiden die Eltern darüber, ob ihr Kind
die allgemeine Schule oder die Sonderschule besucht. Dieses Wahlrecht steht den
Eltern in der Mittel- und Oberstufe (Sekundarstufe) zu, wenn zwischen dem Besuch
der allgemeinen Schule und dem Besuch einer Sonderschule mit entsprechender
Zielsetzung (§53 Abs. 3 Satz 2) zu entscheiden ist“ (§ 54 Hessisches Schulgesetz).
Dieses wird jedoch durch den finanziellen (fehlende personelle, räumliche und
sächliche Voraussetzungen) und den pädagogischen Vorbehalt (es bestehen
erhebliche Zweifel daran, dass die Schülerin oder der Schüler in der allgemeinen
Schule angemessen gefördert werden kann, vgl. § 54 Abs. 3 Satz 5 Hessisches
Schulgesetz) eingeschränkt.
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7. Persönliche Einschätzung
Nach unserer Meinung steckt die Integration in Baden-Württemberg noch in den
“Kinderschuhen“. Bei unserer Recherche für diesen Länderbericht haben wir einen
Einblick in das Schulsystem von Baden-Württemberg bekommen, und mussten
feststellen, dass alles versucht wird, damit zieldifferente Integration von Schülern mit
Behinderung nicht in das Schulgesetz aufgenommen wird. Gäbe es nicht die
kämpferischen Eltern und kleinen Verbände zur Integration, wie z.B. die
Landesarbeitsgemeinschaft Baden - Württemberg, die sich für ihre Kinder eine
wohnortnahe Beschulung in einer allgemeinen Schule wünschen, zusammen mit
anderen Kindern aus der Nachbarschaft und Umgebung, wären die Integrativen
Schulentwicklungsprojekte schon längst beendet worden.
Auch von der LAG - BW wurde uns bestätigt, dass sowohl die sehr gut
ausgestatteten Sonderschulen eine große Lobby haben, als auch Integration
politisch nicht gewollt ist, dies gilt insbesondere für die zieldifferente Integration.
Deshalb werden Haushaltsvorbehalte gegenüber der Integration in allgemeinen
Schulen, aber auch in anderen Integrationsformen vorgeschoben.
Es ist immer noch für Eltern ein langer, beschwerlicher Weg durch viele Ämter, wenn
sie für ihr Kind mit Behinderung einen Platz in einer allgemeinen Schule bekommen
wollen (vgl. http://www.46plus.de/down-syndrom/kindergarten-schule.htm). Es heißt,
dass viele Eltern in ein anderes Bundesland umziehen, um ihr Kind dort integrativ
beschulen zu lassen.
Verglichen mit anderen Bundesländern setzten die Anfänge der
Integrationsbewegung in Baden-Württemberg recht spät ein - erst 1986.
Ferner ist festzuhalten, dass Kinder mit Behinderung ohne pädagogische
Unterstützung einzeln integriert werden - zum einen um dem Elternwillen zu
entsprechen, zum anderen um die Integrationsquote zu erhöhen (vgl. Engler-Soyer /
Weiser 1998, 145f.).
Da ein Kind mit Behinderung oft ohne Integrationshelfer oder Hilfsmittel in einer
Regelschule nur schwer dem Unterricht folgen kann, sehen sich die Eltern folglich
gezwungen, ihr Kind doch auf eine besser ausgestattete Sonderschule zu schicken.
Der Umstand, dass Eltern in Baden - Württemberg kein Elternwahlrecht bezüglich
einer Schule für ihr Kind haben, ist für uns unverständlich.
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In Baden-Württemberg muss für Integration von Kindern mit Behinderung in
Regelschulen noch viel getan und dieses Thema endlich wichtig genommen werden.
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8. Literatur
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